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Bericht des

Schweiz. Generalkonsuls in London (Hrn. Albert Streckeisen von Basel) über das Jahr 1873.

(Datirt 20. August, eingegangen 24. August 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit.!

Das Handelsjahr 1873 kann mit Rücksicht auf den geschäftlichen und industriellen Verkehr Europas und folglich im engern Sinne auch Englands als der schnurgerade Gegensatz gelten nicht sowohl zum unmittelbar vorhergehenden Jahre, welches in seinem Ergebniß bereits Vieles zu wünschen übrig ließ, als vielmehr zum Jahre 1871, zu welchem es in sehr enger Wechselbeziehung steht. Die Fieberhitze, welche damals alle Fibern des Handels und der Industrie in Bewegung setzte, hatte zur unausbleiblichen Folge Anhäufung unnöthiger Vorräthe auf allen Stapelplätzen, Geschäftsstockung und daraus hervorgehende Entwerthung der meisten Rohprodukte und Fabrikate. Diese großartige Reaktion hatte schon 1872 ihren Anfang genommen. Um sie zur vollen Reife zu bringen, bedurfte es eines um so längern Zeitraumes, als dem Entwicklungsprozesse durch unüberlegte, oft waghalsige neue Unternehmungen stetsfort neuer Nahrungsstoff zugetragen wurde. Im Jahre 1873 wurden häufig mit Hintansetzung aller gesunden Berechnung neue Unternehmungen unter den ungünstigsten Auspicien eingeleitet, und zwar noch ehe die Liquidation kurz vorhergegangener, unglücklicher Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd.III.

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202 Unternehmungen beendigt war. Ebensoviel als die oben erwähnten Uebelstäude trug der Gründungsschwindel der Jahre 1872 und 1873 zu der Geschäftsstockung bei. Mit demselben ging Hand in Hand der Syndikatsunfug. Wenn auch seit 1866 und 1867 das Gründungsfieber in England selbst keine unmittelbaren Verwüstungen anrichtete, so litt doch der englische Handel nicht wenig von der Verarmung und Finanznoth, welche auf dem Continent und in den Vereinigten Staaten als Folgen des Gründungsschwindels eingetreten waren. Um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, hat man nur die erste beste Preisliste von heute mit einer ähnlichen vom vorigen Jahre gleichen Datums zu vergleichen ; man wird unfehlbar, gleichviel ob es sich um Manufakturartikel, um Rohprodukte oder um Börsenvaluten handelt, eine Durchschnittsentwerthung von 20 bis 30 °/ü wahrnehmen. Derartige Verluste, welche die Handels- und Produktionsweise der ganzen Erde berühren, können unmöglich im Kreislauf der Zeiten verschwinden, ohne ernstliche Katastrophen herbeizuführen, und daher kommt es, daß in vielen Fällen zu den Verlusten durch Werthverminderung solche durch Fallimente hinzuzurechnen sind.

Alle diese Erscheinungen in einen Begriff zusammengefaßt lassen sich natürlich bloß durch den Ausdruck ,, Handelskrisisa andeuten. Indeß ist es nothwendig, darauf aufmerksam zu machen, daß in diesem Fall die Krisis sich über den Zeitraum eines vollen Jahres und selbst noch darüber ausdehnte, während man sonst gewohnt war, eine Handelskrisis in 2 oder 3 Monaten überstanden zu sehen. Das ungesunde Creditsystem, woran der dem Gründungsunfug zu verdankende Ueberfluß an neuen Banken und Creditinstituten hauptsächlich schuld ist, hat dieses schleichende Fieber absonderlich befördert. Es wäre nun sehr zu wünschen, daß diese schädlichen Finanzquellen mit ihren Protégés, welche die Geschäfts-wclt unsicher machen, zusammen vom Schauplatz verschwänden.

Das Resultat dieses unerquicklichen Handelszustandcs des Jahres 1873 ist, wenn auch nur in schwachem Grade, schon einigermaßen aus dem Büdget-Ergebniß dieses Jahres ersichtlich. Allerdings weist dasselbe einen bedeutenden Ueberschuß über den Voranschlag auf.

Dieser Ueberschuß ist aber lediglich solchen Quellen zuzuschreiben, welche mit dem Handel in keiner Berührung stehn, wogegen die Zölle, welche gewöhnlich um ein
Merkliches mehr eintragen, als die vom Finanzministerium aufgestellte Schätzung, nur in sehr unbedeutendem Maße zugenommen haben und die Einkommensteuer dem Voranschlag gegenüber geradezu einen Ausfall aufweist.

203 Der Voranschlag der Einnahmen war die wirklichen Einnahmen beliefen sich auf Die wirklichen Ausgaben betrugen einem Voranschlag von £ 73,471,000 gegen-

£ 73,762,000; £ 75,133,260.

72,826,539,

"

über. Es ergibt sich also ein Ueberschuß von £ 2,306,721.

Als Hauptfaktor der obengenannten Summe der Einnahmen figurirten : im Voranschlag: in Wirklichkeit: .1) Die Einkommenssteuer mit £ 5,575,000 gegen £ 5,396,000 2) Die Zölle ,, ,, 19,603,000 ,, ,, 19,784,000 3) Die Accise (Steuer a. B ier, geistige Getränke etc.)

,, ,, 25,747,000 ,, ,, 26,867,000 4) Die Stempel ,, ,, 10,050,000 ,, ,, 10,266,000 Damit stimmt denn auch der Totalumfang des Handelsverkehrs und der in diesem Zeitraum stattgehabten Preisschwankungen : Die Summe des Gesammtexports für 1873 belief sich auf 9 255,073,000, 1872 dagegen ,, ,, 256,257,000. Der Import betrug £ 370,381,000, während 1872 derselbe sich auf ,, 354,120,000 belaufen hatte. Da der diesjährige inländische Konsum kaum größer sein konnte, als der vorjährige, so läßt sich aus diesen Ziffern eine bedeutende Waarenanhäufung herleiten, wenn man auch den verminderten Export, der mit Verlust für die Betheiligten bewerkstelligt wurde, in Anschlag bringt; auch ist ein Abschlag vieler bedeutender Handelsartikel deutlich bemerkbar. Beispielsweise sollen hier die Preise einiger der hauptsächlichsten Stapelartikel vom 1. Januar 1873 im Vergleich mit denen vom 1. Januar 1874 angeführt werden.

1. Jan. 1873.

1. Jan. 1874.

Wolle. Lincolnhogfleecespr. % 1/4 d. -- 2/-- 1/4 d. -- 1/10 d.

Baumwolle. Ord. Upland ,, ,, 10 d.

8 d.

Baumwollgarn. Nr. 40.

Mule ,, ,, 14 d.

12 d.

Seide. Tsatlec Nr. 4 ,, ,, 24/-- 16/-- Eisen. Engl. Barren ,, Tonne £11.10--12. -- £ 11.15-12, -- ,, Schott. Pig ,, ,, 125''-- . 107,6 d.

Zinn. Banca ., ,, .,146-147 ,,116--117 Kupfer. Sheeting ,, ,, ,, 88--102 ,, 79--100 CafFee. Jamaica ord. in entrepôt ,, Ztr. ,, 89--90 ,, 126/0 d.

(Dieser bedeutende Aufschlag ist die Folge sehr schlechter Ernte.)

204

Indigo. Bengal middlg. pr.

7/9 d. -- 8/6 d.

7/6 d. -- 8/3 d.

Jute. Medium ,, Tonne £ 14--18 £ 16--20.10 Zucker. Havanna Crown ,, Ztr. ,,28--30.6 ,, 23.6--25.-- Ferner ist nicht ohne Interesse die Vergleichung der Kurse verschiedener Staats-, Eisenbahn- und Bank-Papiere am Anfang der Jahre 1872 und 1873. Es ist daraus ersichtlich, daß alle Speculationspapiere gefallen, dagegen die solideren, zur Capitalanlage geeigneten Papiere eher gestiegen sind.

A. S t a a t s p a p i e r e .

1. Januar 3 ° / o Consols reduced " new Egyptian 1868 French Nat. Def. 6 > 70

,,

,

.

,, 57o 71

.

.

.

.

.

.

Russian 5% 1862 Italian 5 % 1861 B. E i s e n b a h n e n .

Caledonian .

.

.

.

.

.

G t . Eastern .

.

.

.

.

.

G t. Northern Gt. Western Lancashire & Yorkshire London & Brighton .

.

.

.

.

London & North-Western C. B a n k e n .

1874.

9l1/» 91 Vs 831/*

1873.

9l5/ 8 9l5/ 8 93V» 971/ 2 831/2 '92 1 / 2 647/ S

101 1/2

92'/z 96 59'/i-

i' 1081/ 3 1 41V4 a5 135 124V* t i Cl 158 T* 777/ 3 rt rt 15l3/ 4 èÌ.

l io?1;»

q

491/* 141 129 'A 147x/2 88 314 155 /!

1. Januar 1873

per Actie Allliance London & County London Joint-Stock London & Westminster Union National & Provincial Bank of Ireland .

Oriental Standard of British South Africa Anglo Egyptian A agio Austrian Hongkong & Shanghai

131/»

59

47V2

70 45 144 42 241/»

36 28 47

1874.

123/i 58 »/s 471l /» 69 /2 461/» 152 45 25 3ö ll'/a 38

205 Von dem enormen Verkehre der Londoner Banken und folglich auch von den unter Geschäftsleuten der City täglich stattfindenden Umsälzen mag übrigens die Totalsumme der in den Jahren 1871--73 durch das Londoner Clearinghouse eingelösten Chèques und Wechsel Zeugniß ablegen.

Diese ZahJuns.en beliefen sich im" Jahre 1871 auf £ 4,826,000,000 ,, ,, 1872 ,, ,, 5,882,633,000 ,, ,, 1873 ,, ,, 6,051,562,000 Der Baarvorrath der Bank von England erreichte seinen Höhepunkt am 30. Jan. 1873 mit £ 24,039,700. In Folge der deutschen Geldbezüge, der politischen Bewegungen in Frankreich und vor Allem aus des amerikanischen Eisenbahnschwindels erreichte er nach mehreren Schwankungen am 7. Nov. den Minimalsatz von £ 18,760,360. Ende des Jahres erhöhte er sich sodann wieder auf £ 21,545,500.

Das Minimum des Discontos war 3 °/o am 21. August, das Maximnm dagegen 9 °/o am 7. Nov., also gleichzeitig mit dem oben erwähnten niedrigsten Stand des Baarvorraths. So tief wie 1871, also bis zu 2 o/o, fiel der Zinsfuß im verflossenen Jahre nie. Die vielen Fallimente der in den vorhergehenden Jahren gegründeten Banken und Aktiengeschäfte jeglicher Art, sowie die sonstige Stockung selbst alter Banken auf dein Continente und der Schwindel in Amerika verlangten Geldzuschüsse von England, der einzigen Quelle, wo Geld zu haben war, wenn auch zu hohem Zinsfuß.

Wie 1871 eine Geldabundanz geherrscht hatte, so war 1873 eine große Nachfrage nach Geld, um den 'damals ins Leben gerufenen neuen Gründungen, deren hohler Boden immer sichtbarer wurde, aufzuhelfen, was aber gewöhnlich nur das Unglück verdoppelte.

Das Jahr 1873 ist das dritte Jahr mit sehr hohen Waizenpreisen. Wenn wir von 1870 und 1869, Jahren von mäßigeren, aber nicht von niederen Waizenpreisen, absehen, haben wir acht Jahre (bis zu 1865} zurückzugehn, bis wir zu wirklich niederen Preisen gelangen.

Waizen.

Gerste.

1871 kostete 56/8 36/2 1872 57/-- 37/4 1873 ,, 58/8 40/5 Das Jahr 1873 ist bemerkenswert)! wegen der Zunahme des Waizenimports. Wie beobachtet wurde, hängt der Preis des Waizens in England in hohem Grade von der französischen Ernte ab.

206 So oft im gleichen Jahre die Ernten von England und von Frankreich gut sind, so dürfen sehr niedere Preise hier erwartet werden, indem die Ausfuhren der andern Korn produzirenden Länder, wie der Donaugegenden, der Länder des baltischen Meeres und Nordamerikas, dann beinahe ausschließlich für die englischen Märkte disponibel werden.

Die Viehpreise zeigten nur wenig Veränderung im Jahre 1873.

Die folgenden Tabellen geben die höchsten Preise in London für Ochsen-, Schaf- und Schweine-Fleisch per 8 S in den Jahren 1872 und 1873.

Januar.

Mai.

September.

1872. 1873.

Ì872. 1873.

1872.

1873.

Ochsenfleisch 5/4 5/8 5/6 6/4 58 6/2 Schaffleisch 7/-- 7/10 6/-- 6,4 7/-- 6/10 Schweinefleisch 5/-- 4/8 5/-- 5/-- 5/4 5/4 Auf die einzelnen Industriezweige übergehend, dürften die folgenden Ziffern von der ungeheuren Ausdehnung, welche die Baumwollfabrikation gewonnen hat und die noch stets in Zunahme ist, einen Begriff geben. Aus einer vergleichenden Aufstellung geht hervor, daß im Verlaufe des verflossenen Jahres folgende Anzahl Spindeln in ganz Europa im G-ang waren : I n Großbritannien .

.

.

.

c a . 39,500,000 i m übrigen Europa .

.

.

.

,, 19,030,000 Total in Europa ca. 58,530,000, so daß also England über zwei Drittel besitzt.

Die Vereinigten Staaten besitzen .,, 8,500,000, Europa und Amerika also .

.

ca. 67,030,000 Spindeln, so daß auf England immer noch mehr als die Hälfte fällt.

Das Gewicht der aus Großbritannien ausgeführten und der daselbst consumirten Baumwollgarne und Tücher, in Tausenden von Pfund augegeben, vertheilt sich, wie folgt: Jahr.

Export.

Konsum.

Total.

1871 873,000 185,000 1,058,000 1872 910,780 145,000 1,055,780 1873 902,920 160,000 1,062,920 Aus dieser tabellarischen Uebersicht geht hervor, daß der Konsum seit 1871 etwas abgenommen hat. Im Jahro 1868 hatte derselbe die gleiche Summe wie 1873 betragen. -- Der Rückgang des Exports gegenüber 1872 im Jahr 1873 kann kaum in Betracht kommen, wenn man damit das Resultat von 1868 mit 723 oder gar dasjenige von 1865 mit 475 Millionen vergleicht.

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207 Mit Bezug auf den Umfang und das Wachsthum der Schifffahrt und des Schiffbaus, welche beiden Gewerbszweige eine der hauptsächlichsten Einnahmequellen des Vereinigten Königreiches bilden, entnehmen wir den uns vorliegenden Angaben folgende Zahlen, welche auch für das Ausland von um so großem Interesse sein dürften, als deren periodische, wenn auch oft mäßige Zunahme in erster Linie dem Freihandelssystem, das zur rechten Zeit in England eingeführt wurde, gutgeschrieben werden muß. Der Tonnengehalt der in englische Häfen eingelaufeneu Schiffe war für die Jahre : 1871.

1872.

1873.

Unter britischer Flagge 10,306,304 11,137,180 11,385,235 ,, fremder ,, 4,881,447 5,305.017 5,043,987 Der Tonnengehalt der aus englischen Häfen ausgelaufenen Schiffe war für die Jahre : 1871.

1872.

1873.

Unter britischer Flagge 12,432,173 12,093,434 12,585,354 ,, fremder ,, 5,270,332 5,305,017 5,043,987 Wenn ich nun von diesen mehr allgemeinen, in den meisten commerciell-sta listischen Tabellen aufgeführten Gegenständen zu einzelnen minder bekannten, vom Zollamte nicht eigens spezifizirten Fabrikaten übergehe, so geschieht es lediglich, weil dieselben für die Industrie der Schweiz besonderes Interesse bieten und als hauptsächliche Ausfuhrartikel unserer höhnischen Fabriken anzusehen sind. Im Wesentlichen ist über diehiehergehörendenn Geschäftsbräuchen auch nicht viel Erfreuliches zu berichten ; jedoch scheinen sie in ihrer Gesammtheit weniger hart betroffen worden zu sein, als der Handel in Rohprodukten.

In erster Linie sind hier die Baumwollengewebe verschiedener Gattungen aufzuführen. Das aus der Schweiz bezogene und hier abgesetzte Quantum scheint hinter den frühem Jahren nicht stark zurückgeblieben zu sein, und wenn die erlösten Preise nicht immer sehr lohnend waren, so ist dies wohl grossentheils dem anhaltenden Weichen des Rohmaterials zuzuschreiben.

Unter den verschiedenen Spezialitäten dieser Fabrikate scheinen die Stickereien einer anhaltend guten Nachfrage sich erfreut zu haben und zwar nicht blos die Hand-, sondern auch die MaschinenStickereien.

Die Importation farbig gewobener Baumwoll- (.sogen. Toggenburger-) Artikel in Großbritannien während des Jahres 1873 zum Verschleiße der engl. Exporteurs läßt sich durch folgende Zusammenstellungen resümiren :

208 Der Aschantee-Kiieg, Mitte 1872 angefangen und Anfang 1873 beendigt, störte den sonst nicht unbedeutenden Bedarf der Märkte dieser Gegend gewaltig, so daß er faktisch total verschwand.

Seit Beendigung des Krieges sind die Nachfragen für Toggenburgcr-Kopftücher wieder lebhafter geworden; doch scheinen sicli ,,Répétition ordrestt nicht einstellen zu wollen. In einigermaßen lebhaften Zeiten alimentiren sich die englischen Exporteurs nach der Westküste Afrikas in ganz großartigen Quantitäten genannter Kopftücher; dns Jahr 1873 zeichnete sich jedoch durch außergewöhnliche Stille aus, was wohl einer Ueberfüllung mit solchen Waaren an den verschiedenen Plätzen der Westküste zuzuschreibsn ist. Die geringen Erlöse afrikanischer Produkte in Europa haben natürlich auch das Ihrige zu den außerordentlich limitirten Sendungen nach der Westküste beigetragen.

Sierra Leone war während des Jahres 1873 so ziemlich der stärkste Konsument « der genannten Schweizer - Mouchoirs an der Küste.

Kap der Guten Hoffnung und Port Natal wurden von England aus während de.s Jahres mit starken Sendungen bedacht.

Madagaskar, Zanzibar und Ceylon ließen sich mit sehr Wenigem zufrieden stellen.

Ostindien empfing von England aus nur sehr ärmliche Aussendungen von Schweizer-Waaren und zeichnet sich hierin gegenüber den vorangegangenen Jahren 1871 und 1872 für die schweizerischen Produkte sehr unvortheilhaft aus.

Westindien mit seinen vielen Depots bezog so wenig von den genannten Toggenburger - Waaren, daß die Exportation derselben von England aus zu ganz unbedeutendem Betrag herabgeschmolzen ist, Die Versendungen farbiger Baumwoll-Waaren nach Nord- und Central-Amerika sind nicht nenuenswerth, ebensowenig diejenigen nach Brasilien und den Südstaaten des siid-amerikanischen Continents.

In England förderte im Ganzen genommen die Importation von farbigen Toggenbui'ger - Artikeln wenig eifreuliche Charakter - Züge zu Tage.

In Broderien ist die Nachfrage nicht weniger lebhaft, als letztes Jahr. ' In gefärbten St. Galler-Stoffen war der Absatz ziemlich gut; jedoch hat sich der Krieg an der Goldküste auch hier etwas fühlbar gemacht. Bei den weißen St. Galler-Stoffen endlich ist d'e Nachfrage in diesem Jahre sehr beschränkt gewesen.

209 Im Seidenfach scheint sich der ungünstige Einfluß einer fortwährend rückgängigen Tendenz des Rohstoffes auch im Fabrikate geltend gemacht zu haben, was übrigens bei einer WerthVerminderung, die vom 1. Januar bis zum 31. Dezember sich auf etwa 30° u beläuft, nicht wohl ausbleiben konnte.

Das Uebel, an welchem der Rohseidenhandel hauptsächlich leidet, ist eine Ueberproduktiou bei unzulänglichem Consum und natürlich verliert bei solcher Sachlage der Zwischenhändler und Detaillist den Muth, große Bestellungen zu ertheilen, da er stets Gefahr läuft, einen Theil des Bestellten nur mit Verlust wieder absetzen zu können. Um von dem fortwährenden Abschlage nicht allzusehr zn leiden, sucht er also sein Lager möglichst zu beschränken, und leider ist dieses Verfahren an und für sich schon geeignet, den Verschleiß beim Publikum zu verhindern und dasselbe für andere Gewebe zu gewinnen, in welchen aus dem angeführten Grund der Detailhandel um des minderen Risicos willen größtenteils mehr Auswahl hält und die er also eindringlicher empfiehlt.

Es scheint zudem, daß bis zur Stunde das Publikum den Vortheil der enormen Entwerthung der Rohseide nur in verbältnißmäßig sehr geringem Maße genießt und demnach die Vermehrung des Konsums, die hier die naturgemäße Folge niedriger Preise ist, noch kaum begonnen hat. Man hofft, daß ein Umschwung in dieser Richtung nicht, mehr lange ausbleiben wird, und es darf in solchem Falle die schweizerische Industrie auch von hier aus auf eine starke Ausdehnung der ihr gewöhnlich vorbehaltenen Aufträge zählen. Man hört übrigens häufig über die etwas unsoliden und zürn Theil mit untergeordneten, sogar schädlichen Ingredienzien vermischten FabriO l O O kate, welche aus der Schweiz bezogen werden, Klage führen und es wäre im Interesse dieser so bedeutenden heimischen Industrie zn wünschen, daß wieder bessere Qualitäten fabrizirt würden.

Der- Uhrenhandel ist dem Vernehmen nach so ziemlich im früheren Stadium verblieben. Für die kostspieligen und feinen Uhren war der Absatz ziemlich regelmäßig, wogegen currente und geringe Waaren auch in dieser Branche an dem allgemein bekannten Uebel, der Ueberproduktion ohne entsprechendes Absatzfeld, gelitten haben.

Der Handel mit den Kolonien und entferntliegenden Ländern stockte meistentheils, weil alle übrigen Geschäfte mit jenen Gegenden .so
wenig nutzbringend waren, und die dahingehende billige Waare fand daher nur wenige Abnehmer. Von andern Produkten erwähne ich blos noch den Handel in Schweizerkäse, welcher alljährlich, soviel davon zu meiner Kenntniß gelangt, eher zuzunehmen scheint wogegen z. B. der Absatz von condensirter Milch durch die Con-

210 currenz der billigen, in England oder, richtiger, in Irland hergestellten Erzeugnisse gleicher Gattung bedeutend zu leiden hat.

Zum Schluß bleibt mir blos noch zu berichten, daß die hiesige Schweizer-Colcmie, welche alljährlich an Zahl zuzunehmen scheint, sich eines gedeihlichen Fortgangs und, soweit es die allgemeine Lage zuläßt, ziemlicher Prosperität erfreut, Dieselben zu verschiedenen Zwecken gebildeten Vereine, deren ich schon früher Erwähnung that, existiren auch jetzt noch, und jeder derselben trägt in seinem Wirkungskreise dazu bei, Geselligkeit, Brüderlichkeit und Wohlthätigkeitssinu unter den einzelnen Mitgliedern zu wecken. Namentlich sind darunter hervorzuheben: Die Schweizerkirche, welche unter der Leitung des freundlichen und wackeren Pfarrers Betavel für die Colonie von so großer Wichwacke tigkeit ist.

o Die Schweizer-Hülfsgesellschaft für bedürftige Landsleute, deren Aufgabe es ist, keinen Schweizer in fremdem Lande rath- und hülfslos zu lassen.

Endlich der unter dem Namen City-Swiss-Club bekannte Verein, welcher hauptsächlich Geselligkeit und freundliche Erinnerungen an das Vaterland fördert.

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Bericht des schweiz. Generalkonsuls in London (Hrn. Albert Streckeisen von Basel) über das Jahr 1873. (Datirt 20. August, eingegangen 24. August 1874.)

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24.10.1874

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201-210

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