15.078 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug) vom 18. November 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2013

M 12.4098

Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG (S 18.3.13, Kuprecht; N 12.9.13)

2013

M 12.4224

Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG (N 22.3.13, Humbel; S 9.9.13)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-2633

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Übersicht Diese Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) betrifft hauptsächlich Bestimmungen, die einen internationalen Bezug haben. Im Gesundheitswesen soll künftig eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in grenznahen Regionen grundsätzlich möglich sein. Es soll eine ausreichende gesetzliche Grundlage für bereits bestehende Verordnungsbestimmungen im Zusammenhang mit der Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen bei Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, geschaffen werden.

Neu sollen alle in der Schweiz Versicherten ihren Arzt oder ihre Ärztin in der ganzen Schweiz ohne finanzielle Nachteile frei wählen können.

Der erste Bereich beinhaltet eine gewisse Lockerung des Territorialitätsprinzips in der Krankenversicherung. Seit dem Jahr 2006 können Pilotprojekte für die Kostenübernahme für Leistungen im grenznahen Ausland unter klar definierten Voraussetzungen durchgeführt werden (Art. 36a der Verordnung über die Krankenversicherung, KVV). Die bestehenden Pilotprojekte in den Regionen Basel/Lörrach und St. Gallen/Liechtenstein haben sich bewährt. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, solche grenzüberschreitende Zusammenarbeit in allen Grenzregionen dauerhaft zu ermöglichen.

Der zweite und der dritte Bereich der Vorlage betreffen die Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen und in der Schweiz versichert sind (EU-/EFTAVersicherte).

Im Zusammenhang mit der Kostenübernahme bei Spitalbehandlungen wird mit neuen Bestimmungen eine bestehende Besserstellung der EU-/EFTA-Versicherten gegenüber den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, aufgehoben.

Der Bundesrat schlägt zudem eine Ergänzung von Artikel 64a KVG vor, um eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die differenzierte Regelung in der KVV zur Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen bei den EU-/EFTA-Versicherten zu schaffen.

In einem vierten Bereich schlägt der Bundesrat vor, die beiden vom Parlament angenommenen Motionen Kuprecht 12.4098 und Humbel 12.4224 «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» umzusetzen. Das KVG soll in dem Sinne angepasst werden, dass alle in der Schweiz versicherten Personen wie bisher für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern frei wählen können und die Kosten von den Krankenversicherern neu
in allen Fällen nach den jeweils für den entsprechenden Leistungserbringer geltenden Tarifen übernommen werden. Eine analoge Regelung im Bundesgesetz über die Militärversicherung soll mit dieser Vorlage ebenfalls angepasst werden.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Seit 2006 können Pilotprojekte für die Übernahme der Kosten von im Ausland erbrachten Leistungen befristet durchgeführt werden. Neu soll eine solche grenzüberschreitende Zusammenarbeit in grenznahen Regionen dauerhaft möglich sein.

Am 10. Mai 2006 ist Artikel 36a der Verordnung vom 27. Juni 19951 über die Krankenversicherung (KVV) in Kraft getreten. Gestützt auf diese Bestimmung kann das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) Pilotprojekte bewilligen, die von einem oder mehreren Kantonen und von einem oder mehreren Krankenversicherern gemeinsam eingereicht werden und die eine Übernahme der Kosten von Leistungen vorsehen, die in Grenzgebieten für in der Schweiz wohnhafte Versicherte erbracht werden. Die Gültigkeitsdauer der einzelnen Pilotprojekte wurde auf vier Jahre festgelegt und die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung um bis zu vier Jahre vorgesehen. Gesuche für neue Pilotprojekte konnten bis zum 31. Dezember 2012 eingereicht werden. Am 15. Oktober 2014 hat der Bundesrat Artikel 36a Absatz 3 Buchstabe a KVV so geändert, dass die bestehenden Pilotprojekte ein weiteres Mal um bis zu vier Jahre verlängert werden können, damit sie bis zum Inkrafttreten der vorliegenden Änderung des Bundesgesetzes vom 18. März 19942 über die Krankenversicherung (KVG) weitergeführt werden können. Diese Änderung der KVV ist am 1. November 2014 in Kraft getreten.

Seit dem 1. Januar 2007 läuft das erste Pilotprojekt, welches das Grenzgebiet der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft und des Landkreises Lörrach betrifft. Es steht Versicherten offen, die bei einem am Projekt teilnehmenden Krankenversicherer versichert sind und im Kanton Basel-Stadt oder Basel-Landschaft wohnen. Das Pilotprojekt enthält eine Liste mit den Kliniken im Landkreis Lörrach, die daran teilnehmen. Sämtliche Leistungen, für die diese Kliniken in Deutschland gemäss den Verträgen mit den Deutschen Kranken- und Rentenversicherern zugelassen sind, können im Rahmen des Pilotprojekts in Anspruch genommen werden. Das Pilotprojekt hat dazu geführt, dass die deutsche Sozialversicherungsgesetzgebung so angepasst wurde, dass sich deutsche Versicherte über die Regelungen des Koordinationsrechts der Europäischen Union (EU) hinaus bei schweizerischen Leistungserbringern behandeln lassen können. Die wissenschaftliche Projektbegleitung wird seitens
der Schweiz vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) vorgenommen. Seit Beginn des Pilotprojekts im Jahr 2007 werden vor allem Rehabilitationen, insbesondere orthopädische, im grenznahen Deutschland in Anspruch genommen. Der im Juni 2015 publizierte Monitoring-Bericht des Obsan weist eine geringe Anzahl Personen aus (2011: 224; 2012: 269; 2013: 251; 2014: 233), die sich 1 2

SR 832.102 SR 832.10

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im Rahmen des Pilotprojekts im Ausland behandeln liessen. Obwohl die Behandlungskosten in Deutschland tiefer sind, kann dem Bericht nicht entnommen werden, dass das Pilotprojekt zu einer wesentlichen Senkung der Kosten für die Krankenversicherung geführt hat. Dies liegt wohl auch an den geringen Fallzahlen. Gemäss den publizierten Obsan-Studien waren die Versicherten mit der Auslandsbehandlung mehrheitlich zufrieden. Das Pilotprojekt kann mit der zweiten Verlängerung noch bis zum 31. Dezember 2018 weitergeführt werden.

Auf den 1. Januar 2008 wurde ein zweites Pilotprojekt bewilligt, das den Kanton St. Gallen und das Fürstentum Liechtenstein betrifft. Danach können sich Versicherte, die bei einem am Projekt teilnehmenden Krankenversicherer versichert sind und ihren Wohnort im Kanton St. Gallen haben, stationär im liechtensteinischen Landesspital behandeln lassen. Bis anhin haben wenige Hundert Versicherte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die beteiligten Akteure und die bisher behandelten Versicherten bewerten das Projekt insgesamt als positiv, wie aus der wissenschaftlichen Studie hervorgeht, die das Projekt begleitet. Da die Tarife im liechtensteinischen Landesspital den schweizerischen Tarifen entsprechen, kann das Pilotprojekt nicht zu einer Senkung der Kosten für die Krankenversicherung führen. Es konnte festgestellt werden, dass es bei den beteiligten schweizerischen Krankenversicherern zu keinen Mehrkosten gekommen ist. Mit dem Projekt konnte die seit Jahren bestehende einseitige Freizügigkeit, die es nur den liechtensteinischen Versicherten ermöglichte, sich in Spitälern des Kantons St. Gallen zulasten der liechtensteinischen Krankenversicherung behandeln zu lassen, abgelöst werden. Eine erneute einseitige Freizügigkeit bei einem Auslaufen des Pilotprojekts könnte sich als Hindernis für die Zusammenarbeit des Kantons St. Gallen mit dem Fürstentum Liechtenstein erweisen und zu einer Abnahme der Zuweisungen von Patientinnen und Patienten aus Liechtenstein in die Spitäler des Kantons St. Gallen führen. Das Pilotprojekt kann mit der zweiten Verlängerung noch bis zum 31. Dezember 2019 durchgeführt werden.

Artikel 36a KVV stellt keine genügende Grundlage für solche Pilotprojekte dar. Mit der Änderung vom 30. September 20113 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Managed Care)
sollte dafür in Artikel 34 des KVG eine formell-gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Die Managed-Care-Vorlage wurde bekanntlich in der Volksabstimmung vom 17. Juni 2012 abgelehnt. Da es sich bei der gesetzlichen Grundlage für Pilotprojekte um ein Thema aus der Managed-Care-Vorlage handelte, das unbestritten war, wird es mit der vorliegenden Revision wieder aufgenommen.

Damit die bestehenden Pilotprojekte dauerhaft weitergeführt werden können und weitere grenzüberschreitende Zusammenarbeitsformen entstehen können ­ andere Grenzkantone haben bereits ihr Interesse daran kundgetan ­, und weil eine nochmalige Verlängerung auf Verordnungsstufe rechtlich nicht möglich ist, braucht es zwingend eine formell-gesetzliche Grundlage.

Am 16. April 2013 hat der Bundesrat zudem ein Verhandlungsmandat für ein Rahmenabkommen mit Frankreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich verabschiedet. Das angestrebte Rahmenabkommen hat den Zweck, die Formvorschriften und den rechtlichen Rahmen festzulegen, in dem die 3

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schweizerischen und französischen Gebietskörperschaften und die betreffenden öffentlichen und privaten Einrichtungen anschliessend entsprechend ihren Interessen und Bedürfnissen Kooperationen im Gesundheitsbereich mit den grenznahen Regionen und Institutionen vereinbaren können. Mit der vorliegenden Änderung des KVG soll auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Sinne dieses Abkommens mit Frankreich auf unbefristete Dauer gewährleistet werden. Vor allem der Kanton Genf hat schon mehrfach sein Interesse an einer Zusammenarbeit mit den französischen Grenzregionen im Gesundheitsbereich geäussert.

Wegen der erhöhten Mobilität der Menschen und wegen der Risiken, die mit grenzüberschreitenden sanitären Krisen verbunden sind, hat in der Schweiz während der letzten Jahre das Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Nachbarländern im Gesundheitsbereich zugenommen. Diese Tendenz bekräftigt sich auch auf der Ebene der EU, wo sich die Institutionen der Wichtigkeit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich bewusst sind. Das zeigt sich namentlich mit der Annahme der Richtlinie 2011/24/EU4.

1.1.2

Kostenübernahme bei Spitalbehandlungen in der Schweiz von Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen und in der Schweiz versichert sind

Das Abkommen vom 21. Juni 19995 zwischen der Schweiz einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist, und das Übereinkommen vom 4. Januar 19606 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (EFTA-Übereinkommen) regeln die Koordinierung der sozialen Sicherheit. Mit diesen Abkommen wurden Personen in der Schweiz krankenversicherungspflichtig, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen (z.B. Grenzgängerinnen und Grenzgänger und Rentnerinnen und Rentner). Deshalb wurde das KVG auf den 1. Juni 2002 geändert7. Es wurden Bestimmungen für diese neue Gruppe von Versicherten aufgenommen, z.B. zur Informationspflicht der Kantone (Art. 6a KVG) und zur Prämienverbilligung durch die Kantone (Art. 65a KVG). Das mit dem Koordinationsrecht der EU übernommene Diskriminierungsverbot verlangt zwar, dass die EU-/EFTA-Versicherten gleich behandelt werden müssen, wie die in der Schweiz wohnhaften Versicherten. Für bestimmte Tatbestände sind aber Spezialregelungen erforderlich. Mit der vorliegenden Revision wird eine weitere Bestimmung für die EU-/EFTA-Versicherten im Zusammenhang mit der Kostenübernahme bei Spitalbehandlungen aufgenommen.

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5 6 7

Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45.

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31 AS 2002 858

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In diesem Zusammenhang besteht eine Besserstellung der EU-/EFTA-Versicherten gegenüber den Versicherten, die in der Schweiz wohnen. Für die Spitalbehandlungen in der Schweiz können sie unter den Listenspitälern frei wählen, und die Kosten werden von den Krankenversicherern gestützt auf Artikel 37 KVV nach dem jeweils für das gewählte Spital geltenden Tarif übernommen.

1.1.3

Folgen der Nichtbezahlung der Prämien und Kostenbeteiligung bei Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen

Auch Artikel 64a Absatz 9 KVG enthält eine Bestimmung, die nur die EU-/EFTAVersicherten betrifft und die festlegt, dass der Bundesrat Bestimmungen zum Verfahren erlässt, das zur Anwendung kommt, wenn versicherungspflichtige Personen, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, Prämien und Kostenbeteiligungen nicht bezahlen. Das hat der Bundesrat mit den bestehenden Regelungen in Artikel 105m KVV bereits gemacht. Wegen des mit dem Koordinationsrecht der EU übernommenen Diskriminierungsverbots mussten dabei die Bestimmungen von Artikel 64a KVG so weit wie möglich auf die EU-/EFTA-Versicherten übertragen werden. Es würde eine Verletzung dieses Diskriminierungsverbots vorliegen, wenn bei allen EU-/EFTA-Versicherten bei Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen unter gewissen Voraussetzungen eine Leistungssperre verfügt werden könnte. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat die differenzierten Regelungen von Artikel 105m KVV erlassen. In der Praxis haben sie sich mehrheitlich bewährt.

Die Delegationsnorm von Artikel 64a Absatz 9 KVG ist heute allerdings zu allgemein formuliert und stellt deshalb keine genügende gesetzliche Grundlage für die Regelungen von Artikel 105m KVV dar. Da aber auf Verordnungsstufe eine sinnvolle Regelung getroffen werden musste, wurde in Kauf genommen, dass für eine kurze Übergangszeit die gesetzliche Grundlage mangelhaft ist. Der Bundesrat hat gleichzeitig mit der Verabschiedung der entsprechenden Verordnungsrevision am 22. Juni 2011 das EDI beauftragt, bei der nächsten KVG-Revision den Gesetzesartikel zu ergänzen und die notwendige Gesetzesgrundlage zu schaffen.

1.1.4

Wahl des Leistungserbringers und Kostenübernahme bei ambulanten Behandlungen für alle in der Schweiz versicherten Personen

Die beiden vom Parlament angenommenen gleichlautenden Motionen Kuprecht 12.4098 und Humbel 12.4224 «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» verlangen die Aufhebung von Artikel 41 Absatz 1 zweiter Satz KVG. Im ersten Satz von Artikel 41 Absatz 1 KVG wird geregelt, dass die Versicherten für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen können. Der Versicherer übernimmt aber gestützt auf den zweiten Satz von Artikel 41 Absatz 1 KVG die Kosten höchstens nach dem Tarif, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt. Zwar entspricht es grundsätz6

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lich einem auf föderalen Strukturen aufgebauten Gesundheitssystem, von einer wohnortsnahen Inanspruchnahme von Leistungserbringern auszugehen. Dennoch erfordert die Umsetzung der Bestimmung von den Krankenversicherern eine Einzelfallprüfung, was administrativ aufwendig ist. Mit dieser Revision sollen die beiden Motionen umgesetzt und Artikel 41 Absätze 1 und 2 KVG entsprechend angepasst werden.

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung unterliegt in der Schweiz dem Territorialitätsprinzip. Es werden grundsätzlich nur Leistungen, die in der Schweiz von in der Schweiz zugelassenen Leistungserbringern erbracht werden, von der Krankenversicherung übernommen. Gemäss Artikel 34 Absatz 1 KVG dürfen die Krankenversicherer im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 25­33 KVG übernehmen. Der Bundesrat kann jedoch Ausnahmen vorsehen und bestimmen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten von Leistungen übernimmt, die aus medizinischen Gründen im Ausland erbracht werden (Art. 34 Abs. 2 KVG).

Dabei handelt es sich um Notfälle, um spezielle Entbindungen und um Behandlungen, die wegen fehlenden medizinischen Angebots in der Schweiz nicht zur Verfügung stehen (Art. 36 Abs. 1­3 KVV). Gestützt auf Artikel 36 Absatz 5 KVV bleiben zudem die Bestimmungen über die internationale Leistungsaushilfe vorbehalten (z.B. Ansprüche aus der europäischen Krankenversicherungskarte und Zustimmungsfälle). Die strenge Anwendung dieses Prinzips wird durch die Entwicklungen in der EU, in den EU-Staaten und in der Schweiz immer mehr in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat im Jahr 2006 Artikel 36a KVV verabschiedet, der Pilotprojekte für die Kostenübernahme für Leistungen im grenznahen Ausland ermöglicht.

Die zwei bestehenden Pilotprojekte werden zwar nur von wenigen Versicherten genutzt. Trotzdem ist das Bedürfnis der betroffenen Grenzregionen gross, dass eine sinnvolle grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch nach Ende der Projektdauer möglich ist. Zudem haben weitere Grenzkantone ihr Interesse an grenzüberschreitender Zusammenarbeit geäussert.

Es ist wichtig, dass die schweizerischen Grenzregionen weiterhin gestärkt werden.

Die Aufwendungen für die seit vielen Jahren bestehenden Pilotprojekte mit stationären Leistungserbringern im grenznahen Ausland und die positiven Erfahrungen müssen weiterhin genutzt werden können. Innerhalb der grenznahen Leistungserbringer können auch Synergien bei der technischen und personellen Infrastruktur genutzt werden. Zudem wird das Versorgungsangebot in den Grenzregionen verbessert, wenn sich die dort wohnenden Versicherten auch weiterhin im grenznahen Ausland bei ausgewählten Leistungserbringern stationär und ambulant behandeln lassen können.

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Die Evaluation der bestehenden Pilotprojekte hat gezeigt, dass sich die Kosten für die Krankenversicherung dadurch nicht erhöhen. Die Behandlungskosten im Ausland sind in der Regel tiefer als in der Schweiz, und im Rahmen der Projekte dürfen sie nur bis zur Höhe der schweizerischen Tarife übernommen werden. Zudem ist es wegen der Pilotprojekte zu keiner Mengenausweitung gekommen. Die Kostenfolgen sollen auch weiterhin durch wissenschaftliche Studien begleitet werden, wie dies bereits bisher im Rahmen der beiden laufenden Pilotprojekte erfolgt. Die Studien werden es auch ermöglichen, weitere Erkenntnisse über die grenzüberschreitende Patientenmobilität zu gewinnen.

Für die Zusammenarbeit in Grenzregionen ist es wichtig, dass beim Bezug von Gesundheitsdienstleistungen im grenznahen Ausland die gegenseitige Freizügigkeit besteht. Nur wenn sich schweizerische Versicherte auch im grenznahen Ausland behandeln lassen, werden sich die Personen aus den ausländischen Grenzregionen weiterhin und vermehrt in der Schweiz behandeln lassen, wovon die schweizerischen Grenzregionen profitieren. Die Regelung dieser Freizügigkeit erfolgt über das Recht der Nachbarstaaten und ist nicht Gegenstand dieser Vorlage.

Aus allen diesen Gründen soll das KVG so geändert werden, dass die bestehenden Pilotprojekte dauerhaft durchgeführt werden und neue grenzüberschreitende Kooperationen entstehen können. Ohne formellgesetzliche Grundlage müssten die zwei bestehenden Pilotprojekte nach Ablauf der bewilligten Dauer eingestellt werden.

Neu soll im KVG die Grundlage verankert sein für grenzüberschreitende Kooperationen, die sich wie bisher auch nur auf die grenznahen Gebiete beschränken werden. Das Territorialitätsprinzip bleibt weiterhin ein wichtiger Grundsatz in der schweizerischen Krankenpflegeversicherung und wird mit dieser Gesetzesvorlage nicht in Frage gestellt, sondern lediglich etwas gelockert.

Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 34 Absatz 2 KVG enthält eine Delegationsnorm an den Bundesrat. Es wird dem Bundesrat obliegen, die Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf Verordnungsstufe zu regeln. Dabei wird er sich am bisherigen Artikel 36a KVV orientieren und die grenzüberschreitenden Kooperationen werden auch künftig an folgende Bedingungen geknüpft sein:

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­

Die Kooperationen beschränken sich auf einen oder mehrere Grenzkantone und auf einen oder mehrere Krankenversicherer, die beim Bund die Bewilligung für die Durchführung beantragen müssen. Gegen den Willen eines Grenzkantons wird es also keine grenzüberschreitende Kooperation geben.

­

Die Kooperationen beschränken sich auf die Grenzregionen.

­

Die ausländischen Leistungserbringer, die Leistungen im Rahmen der Kooperation erbringen dürfen, sind auf einer Liste zu führen. Sie müssen die gesetzlichen Anforderungen an die Leistungen und die Leistungserbringer nach dem KVG vor allem in Bezug auf die Qualität und die Wirtschaftlichkeit erfüllen.

­

Die grenzüberschreitende Kooperation steht nur Versicherten offen, die im betroffenen Grenzkanton oder in den betroffenen Grenzkantonen wohnen und bei einem an der Kooperation teilnehmenden Krankenversicherer versichert sind.

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­

Die zwischen den schweizerischen Krankenversicherern und den ausländischen Leistungserbringern vereinbarten Tarife für die im Ausland erbrachten Leistungen dürfen nicht höher sein als die schweizerischen Tarife am Wohnort der Versicherten. Bei Spitalbehandlungen wird darunter der Anteil des Krankenversicherers an den Vergütungen nach Artikel 49a Absatz 2 KVG verstanden.

­

Im Rahmen der Kooperationen werden nur KVG-Pflichtleistungen von der Versicherung übernommen. Dabei kann es sich sowohl um ambulante als auch um stationäre Behandlungen handeln.

­

Die ausländischen Spitäler sind nicht auf der entsprechenden kantonalen Spitalliste aufzuführen. Die Kantone müssen weiterhin für alle Versicherten in der Schweiz ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot im Inland zur Verfügung stellen.

­

Die Versicherten dürfen nicht gezwungen werden, sich im Ausland behandeln zu lassen.

­

Es ist den Krankenversicherern nicht erlaubt, die Möglichkeit, sich im grenznahen Ausland behandeln zu lassen, als besondere Versicherungsform mit günstigeren Prämien auszugestalten.

­

Die grenzüberschreitenden Kooperationen werden wissenschaftlich begleitet werden.

Weitere Vorgaben und Voraussetzungen wird der Bundesrat bei Bedarf im Rahmen der Revision der KVV festlegen können. Dabei wird er die Kantone nicht verpflichten, sich an Spitalbehandlungen im grenznahen Ausland finanziell zu beteiligen. Es steht den Kantonen aber frei, einen freiwilligen Beitrag zu leisten.

1.2.2

Kostenübernahme bei Spitalbehandlungen in der Schweiz von Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen und in der Schweiz versichert sind

Die Grenzgängerinnen und Grenzgänger und ihre Familienangehörigen, die nichterwerbstätigen Familienangehörigen von Aufenthalterinnen und Aufenthaltern in der Schweiz und die Bezügerinnen und Bezüger einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und ihre Familienangehörigen können gestützt auf die neuen Bestimmungen in Artikel 41 Absätze 2 und 2bis E-KVG für die stationäre Behandlung in der Schweiz unter den Listenspitälern frei wählen. Die Vergütung der Pauschalen werden gestützt auf Artikel 37 KVV vom Versicherer höchstens nach dem Tarif, der in einem Listenspital des Kantons, zu dem sie einen Anknüpfungspunkt haben, für die betreffende Behandlung gilt, übernommen. Bei einer Behandlung in einem anderen Listenspital, ohne dass medizinische Gründe vorliegen, haben diese EU-/EFTA-Versicherten die allfälligen Mehrkosten zu tragen.

Es ist offensichtlich, welches die Kantone sind, zu denen diese EU-/EFTA-Versicherten einen aktuellen Anknüpfungspunkt haben. Es sind die gleichen Kantone 9

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wie bei der Prämienverbilligung durch die Kantone für diese EU-/EFTA-Versicherten gestützt auf Artikel 65a KVG, der bereits seit dem 1. Juni 2002 in Kraft ist. Der Kanton, in dem die erwerbstätige Person ihren Wohnort oder, wenn sie in einem EU- oder EFTA-Staat wohnt, ihren Arbeitsort hat, ist sowohl für die erwerbstätige Person als auch für deren Familienangehörige zuständig. Bei den Bezügerinnen und Bezügern einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung sowie deren Familienangehörigen ist der Kanton am letzten Wohn- oder Arbeitsort der arbeitslosen Person zuständig. Dies geht aus der Botschaft vom 31. Mai 20008 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung hervor.

Gestützt auf die neuen Bestimmungen von Artikel 41 Absätze 2 und 2 ter E-KVG können auch die Rentnerinnen und Rentner und ihre Familienangehörigen unter allen Spitälern, die auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt sind, frei wählen. Die Vergütung der Pauschalen werden gestützt auf Artikel 37 KVV vom Versicherer höchstens nach dem Tarif für die betreffende Behandlung, der in einem Listenspital des Referenzkantons gilt, übernommen. Bei einer Behandlung in einem anderen Listenspital, ohne dass medizinische Gründe vorliegen, haben diese EU-/EFTAVersicherten die allfälligen Mehrkosten zu tragen. Der Bundesrat wird auf Verordnungsstufe denjenigen Kanton als Referenzkanton bestimmen, dessen Tarife für die Listenspitäler am ehesten einem schweizerischen Durchschnittstarif entsprechen.

Mit dieser neuen Regelung wird eine Besserstellung der EU-/EFTA-Versicherten in Bezug auf die Übernahme der Kosten bei Spitalbehandlungen in der Schweiz gegenüber den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, aufgehoben.

1.2.3

Folgen der Nichtbezahlung der Prämien und Kostenbeteiligung bei Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen

Da die Delegationsnorm in Artikel 64a Absatz 9 KVG keine genügende gesetzliche Grundlage für die differenzierten Regelungen in Artikel 105m KVV darstellt, soll sie in zweifacher Hinsicht ergänzt werden.

Artikel 105m Absatz 1 KVV enthält Regelungen für Versicherte, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, in dem die Krankenversicherer bei unbezahlten Prämien und Kostenbeteiligungen das Betreibungsverfahren durchführen können (aktuell Deutschland und Österreich). Bei den Versicherten, die einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz haben (Grenzgänger/innen und ihre Familienangehörigen, nichterwerbstätige Familienangehörige von Aufenthalter/innen in der Schweiz, Bezüger/innen einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und ihre Familienangehörigen), rechtfertigt es sich, dass der Erwerbskanton, der von diesen Versicherten massgebliche Steuereinnahmen erhält, beziehungsweise der für die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zuständige Kanton, 85 Prozent der ausstehenden Forderungen übernimmt. Die Verordnungsbestimmung verpflichtet die Kantone zwar bereits dazu, aber es soll dafür noch eine genügende gesetzliche Grundlage, die den Bundesrat ermächtigt, die Kantone zur Übernahme der 8

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Kosten zu verpflichten, geschaffen werden. Bei den Rentnerinnen und Rentnern und ihren Familienangehörigen, die keinen aktuellen Anknüpfungspunkt mehr an die Schweiz haben, werden die zuständigen Krankenversicherer verpflichtet, die ausstehenden Forderungen zu übernehmen.

Artikel 105m Absatz 2 KVV enthält Regelungen für Versicherte, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, in dem die unbezahlten Prämien und Kostenbeteiligungen von den Krankenversicherern noch nicht eingefordert werden können (alle Staaten ausser Deutschland und Österreich). Bei diesen Versicherten ist es gerechtfertigt, dass die Krankenversicherer unter gewissen Voraussetzungen die Übernahme der Kosten für die Leistungen aufschieben können. Für die unterschiedliche Regelung gegenüber den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, soll auch eine genügende formell-gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die den Bundesrat ermächtigt, den Krankenversicherern in diesen Fällen dieses Recht zu gewähren.

1.2.4

Wahl des Leistungserbringers und Kostenübernahme bei ambulanten Behandlungen für alle in der Schweiz versicherten Personen

Artikel 41 Absatz 1 Satz 2 KVG wird in Umsetzung der von den eidgenössischen Räten überwiesenen gleichlautenden Motionen Kuprecht 12.4098 und Humbel 12.4224 «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» angepasst. Im ersten Satz von Artikel 41 Absatz 1 KVG wird geregelt, dass die Versicherten für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen können. Der Versicherer übernimmt aber heute gestützt auf den zweiten Satz von Artikel 41 Absatz 1 KVG die Kosten höchstens nach dem Tarif, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt. Diese Bestimmung soll nun in dem Sinne angepasst werden, dass die Kosten von den Krankenversicherern nach den jeweils für den gewählten Leistungserbringer geltenden Tarifen übernommen werden.

Da im Gegensatz zu stationären Leistungen (Art. 49a KVG) für ambulante Leistungen grundsätzlich keine anteilige Kostenübernahme durch die Kantone vorgesehen ist, hat diese Anpassung einzig Folgen für die Krankenversicherer. Diese werden die ambulanten Leistungen zukünftig nach dem Tarif am Behandlungsort zu vergüten haben. Für die im Rahmen der Finanzierung der Pflegeleistungen vorgesehene Regelung der Restfinanzierung durch die Kantone bleibt Artikel 25a Absatz 5 KVG letzter Satz anwendbar. Festzuhalten ist, dass die versicherten Personen bezogen auf die Pflegeleistungen ebenfalls den Leistungserbringer frei wählen können.

Das Militärversicherungsgesetz vom 19. Juni 19929 (MVG) enthält in Artikel 17 Absätze 2 und 4 analoge Regelungen zu Artikel 41 Absatz 1 KVG. Die Revision des KVG soll genutzt werden, auch bei ambulanten Behandlungen in der Militärversicherung die Wahlfreiheit unter den geeigneten Medizinalpersonen festzulegen, gleich wie in der Krankenversicherung. Die Einschränkung auf eine geeignete 9

SR 833.1

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Medizinalperson, die am Aufenthaltsort der versicherten Person oder in deren Nähe praktiziert, mit Ausnahme der Notfälle (Art. 17 Abs. 2 MVG), wird gestrichen.

Deshalb muss auch in Artikel 17 Absatz 4 MVG die Übertragung der Mehrkosten auf die versicherte Person, wenn diese ohne Bewilligung der Militärversicherung eine nicht an ihrem Aufenthaltsort oder in dessen Umgebung praktizierende Medizinalperson beansprucht hat, gestrichen werden.

Die Militärversicherung vergütet die notwendigen Reisekosten, die eine versicherte Person aufbringt, um sich zu einer Medizinalperson zu begeben (Art. 19 MVG).

Falls die versicherte Person eine Medizinalperson wählt, die ausserhalb ihres Aufenthaltsortes praktiziert, werden ihr die Reisekosten in der Höhe vergütet, wie wenn sie eine Medizinalperson gewählt hätte, die an ihrem Aufenthaltsort praktiziert.

Die Regelungen in Artikel 17 Absätze 2 und 4 MVG, die mit der vorliegenden Revision gestrichen werden sollen, sind sowieso bedeutungslos, da in der Militärversicherung für die ambulante Behandlung schweizweit einheitliche Tarife ausgehandelt werden.

1.2.5

Notwendige Anpassungen an das Recht der EU

Die vorliegende Revision soll auch dazu benutzt werden, die notwendigen Anpassungen an das Recht der EU vorzunehmen. So soll im ganzen Erlass der Ausdruck «Europäische Gemeinschaft» durch «Europäische Union» ersetzt werden. Zudem soll Artikel 95a KVG, der das Verhältnis zum Recht der EU regelt, aktualisiert werden, indem in Bezug auf die EU-Staaten auf die aktuellen europäischen Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verwiesen wird.

1.3

Vergleich mit dem Recht des Europarates

Die europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 garantiert in den Vertragsstaaten grundlegende soziale und wirtschaftliche Rechte. Das Recht auf soziale Sicherheit ist in Artikel 12 der Sozialcharta verankert: Die Vertragsparteien verpflichten sich, ein System der sozialen Sicherheit einzuführen oder beizubehalten, dieses auf einem befriedigenden Stand zu halten, sich zu bemühen, das System fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen und Massnahmen zu ergreifen, welche die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen gewährleisten. Die Schweiz hat die Europäische Sozialcharta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Es handelt sich dabei um ein von der Europäischen Sozialcharta gesondertes Abkommen, welches diese nicht aufhebt. Das Recht auf soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten. Die Schweiz hat dieses Instrument nicht ratifiziert.

12

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Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 196410 am 16. September 1977 ratifiziert, wobei sie die Anwendung von deren Teil II über die ärztliche Betreuung ausgeschlossen hat. Betreffend die Organisation der Sozialversicherungssysteme sieht die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vor, dass Vertreter der geschützten Personen nach vorgeschriebener Regelung an der Verwaltung zu beteiligen oder ihr in beratender Eigenschaft beizuordnen sind, wenn die Verwaltung nicht von einer Regierungsstelle wahrgenommen wird, die einem Parlament verantwortlich ist. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften können auch die Beteiligung von Vertretern der Arbeitgeber und der Behörden vorsehen (Art. 71). Die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit wird durch ein Protokoll ergänzt, das höhere Normen festlegt. Die Schweiz hat das Protokoll zur Ordnung der sozialen Sicherheit nicht ratifiziert.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 ist ein von der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit zu unterscheidendes Abkommen, sie ersetzt jene nicht. Durch die revidierte Ordnung werden die Normen der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit erweitert, namentlich durch die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsgebietes, durch die Gewährung von neuen Leistungen sowie durch die Erhöhung des Betrags für Sachleistungen. Parallel wird eine grössere Flexibilität eingeführt, indem die Ratifizierungsbedingungen erleichtert und die Normen so formuliert wurden, dass den einzelstaatlichen Regelungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Die revidierte Ordnung wurde erst von einem Staat ratifiziert und ist deshalb noch nicht in Kraft getreten, da für deren Inkrafttreten mindestens zwei Ratifikationen benötigt werden (Art. 84 Abs. 2 der Ordnung der Sozialen Sicherheit).

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, die parlamentarischen Vorstösse 12.4098 Motion Kuprecht «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» und 12.4224 Motion Humbel «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» als erledigt abzuschreiben.

Die beiden vom Parlament angenommenen Motionen verlangen, dass alle in der Schweiz Versicherten wie bisher für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern frei wählen können und die Kosten von den Krankenversicherern neu in allen Fällen nach den jeweils für den entsprechenden Leistungserbringer geltenden Tarifen übernommen werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf setzt diese beiden Vorstösse um.

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SR 0.831.104

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1.5

Vernehmlassungsergebnisse

Am 15. Oktober 2014 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des KVG (Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug).

Die Vernehmlassungsfrist dauerte bis zum 15. Februar 2015.

Die Bestimmung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stiess ausser bei den Leistungserbringern mehrheitlich auf Zustimmung.

Bis auf zwei Kantone (GE und NE) lehnen alle Kantone die neuen Bestimmungen betreffend die Kostenübernahme für EU-/EFTA-Versicherte bei Spitalbehandlungen in der Schweiz ab. Sie sind nicht bereit, sich auch bei den EU-/EFTA-Versicherten an den Spitalkosten zu beteiligen, wie bei den Versicherten, die in der Schweiz wohnen.

Die Schaffung einer genügenden gesetzlichen Grundlage im Zusammenhang mit den Folgen der Nichtbezahlung der Prämien und Kostenbeteiligungen bei den EU-/EFTA-Versicherten stösst mehrheitlich auf Zustimmung. Hingegen verlangen sieben Kantone, dass die Leistungen von allen EU-/EFTA-Versicherten bei Nichtbezahlung der Prämien und Kostenbeteiligungen aufgeschoben werden können.

Den Änderungen im Zusammenhang mit der Wahl des Leistungserbringers und der Kostenübernahme bei ambulanten Behandlungen für alle in der Schweiz versicherten Personen stimmen alle zu.

Für die Details der Vernehmlassung wird auf den Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens verwiesen.11 Wegen des Widerstands der Kantone verzichtet der Bundesrat auf die Bestimmungen, die die Kantone verpflichten, bei Spitalbehandlungen in der Schweiz bei EU-/EFTA-Versicherten auch den Kantonsbeitrag zu übernehmen, wie bei den Versicherten, die in der Schweiz wohnen.Die im Vernehmlassungsverfahren vorgebrachte Besserstellung bei der Spitalwahl und der Kostenübernahme der EU-/EFTAVersicherten gegenüber den Versicherten, die in der Schweiz wohnen, hat der Bundesrat überprüft und die Vorlage entsprechend angepasst. In der vorliegenden Botschaft werden schliesslich verschiedene Präzisierungen eingefügt, um auf die in der Vernehmlassung gemachten Anmerkungen einzugehen.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 34 Abs. 2 und 3 Der bisherige Artikel 34 Absatz 2 KVG muss wegen der neuen Bestimmung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit umgestaltet werden. Die mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingeführte Ausnahme vom Territorialitätsprinzip betrifft den zweiten Punkt in Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe a. Die anderen im

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14

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen und Anhörungen > 2014 > EDI

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Absatz 2 erwähnten Ausnahmen und die Regelung im neuen Absatz 3 entsprechen unverändert dem bisherigen Artikel 34 Absatz 2 KVG.

Mit der Aufnahme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in die Liste nach Artikel 34 Absatz 2 erhält der Bundesrat die Kompetenz, Regelungen für eine unbefristete grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erlassen. Es wird damit gewährleistet, dass sich die im schweizerischen Grenzgebiet wohnhaften Versicherten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im grenznahen Ausland behandeln lassen können. Der Bundesrat wird sich beim Erlass der Verordnungsbestimmungen weitgehend an den Kriterien des heutigen Artikels 36a KVV orientieren.

Gliederungstitel vor Art. 41 Beim Einfügen von Artikel 41a KVG wurde vergessen, dem bis dahin einzigen Artikel 41 KVG des Abschnitts eine Sachüberschrift zu geben und den Gliederungstitel anzupassen. Deshalb wird hiermit der Gliederungstitel ergänzt, der bisherige Titel wird zur Sachüberschrift von Artikel 41 KVG und die Sachüberschrift von Artikel 41a KVG wird ebenfalls ergänzt.

Art. 41 Abs. 1 zweiter Satz, 2, 2bis und 2ter Artikel 41 Absatz 1 KVG wird in Umsetzung der vom Parlament angenommenen Motionen Kuprecht 12.4098 und Humbel 12.4224 «Aufhebung einer praxisfremden und rechtsungleichen Bestimmung im KVG» in dem Sinne angepasst, dass die Versicherten wie bisher für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen können und die Kosten von den Krankenversicherern neu in allen Fällen nach den jeweils für den entsprechenden Leistungserbringer geltenden Tarifen übernommen werden.

Wegen dieser Anpassung wird der heutige Artikel 41 Absatz 2 KVG, in dem geregelt wird, dass bei der Beanspruchung eines anderen Leistungserbringers aus medizinischen Gründen sich die Kostenübernahme nach dem Tarif richtet, der für diesen Leistungserbringer gilt, überflüssig und wird mit einem neuen Absatz 2 überschrieben. Dieser regelt, dass auch die EU-/EFTA-Versicherten bei einer stationären Behandlung in der Schweiz unter den Listenspitälern frei wählen können.

Im neuen Absatz 2bis wird festgelegt, dass bei den EU-/EFTA-Versicherten mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen Kanton für die Vergütung der Leistung dieser Kanton massgebend ist: der Versicherer
übernimmt die Vergütung nach Artikel 37 KVV höchstens nach dem Tarif, der in einem Listenspital dieses Kantons für die betreffende Behandlung gilt.

Im neuen Absatz 2ter wird geregelt, dass bei EU-/EFTA-Versicherten ohne aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz der Versicherer die Vergütung nach Artikel 37 KVV übernimmt, und zwar höchstens nach dem Tarif in einem Referenzkanton.

Diesen Referenzkanton wird der Bundesrat festlegen.

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Art. 64a Abs. 9 zweiter und dritter Satz In dieser Bestimmung werden zwei Ergänzungen eingefügt, damit die bereits bestehenden Regelungen in Artikel 105m KVV eine ausreichende gesetzliche Grundlage erhalten.

Neu wird ausdrücklich festgelegt, dass der Bundesrat bei Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, in dem die Krankenversicherer bei unbezahlten Prämien und Kostenbeteiligungen das Betreibungsverfahren durchführen können, die Kantone verpflichten kann, 85 Prozent der Forderungen zu übernehmen, wie das in Artikel 105m Absatz 1 KVV bereits gemacht wurde.

Zudem kann er bei Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen, in dem die unbezahlten Prämien und Kostenbeteiligungen nicht eingebracht werden können, den Krankenversicherern das Recht gewähren, die Übernahme der Kosten für Leistungen aufzuschieben.

Art. 79a In diesem Artikel wird lediglich der Verweis auf Artikel 25a eingefügt.

Art. 95a Damit die im Freizügigkeitsabkommen vereinbarten Koordinationsbestimmungen zusätzlich zu den jeweiligen innerstaatlichen Gesetzesbestimmungen gelten und zuwiderlaufenden Gesetzesbestimmungen vorgehen, wurde in jedem Sozialversicherungsgesetz präzisiert, dass das Abkommen und die dort bezeichneten Rechtsakte zu berücksichtigen sind12. Die bestehende Verweisbestimmung muss aufdatiert und durch die neuen, im Abkommen aufgeführten Rechtsakte ergänzt werden. Anhang II Abschnitt A zum Freizügigkeitsabkommen ist seit dem Inkrafttreten durch vier Beschlüsse des Gemischten Ausschusses angepasst worden: Beschluss Nr. 2/2003 vom 15. Juli 200313, Beschluss Nr. 1/2006 vom 6. Juli 200614, Beschluss Nr. 1/2012 vom 31. März 201215 und Beschluss Nr. 1/2014 vom 28. November 201416. Der Bundesrat hat die Aktualisierungen von Anhang II Abschnitt A zum Freizügigkeitsabkommen, welche die Koordinationsgrundsätze und deren technische Durchführung präzisieren und keine materiellen Anpassungen auf Gesetzesstufe erfordern, jeweils in eigener Zuständigkeit genehmigt. Die Nachführung der entsprechenden Verweise in den Sozialversicherungsgesetzen auf Anhang II Abschnitt A des Freizügigkeitsabkommens und die dort aufgeführten EU-Rechtsakte obliegt indessen der Bundesversammlung.

Analoges gilt für Anhang K Anlage 2 des EFTA-Übereinkommens, der bisher zwei Mal aktualisiert worden ist. Eine dritte Aktualisierung steht an und wird auch eine

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16

Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, Ziff. 275.211, BBl 1999 6128, hier 6358 AS 2004 1277 AS 2006 5851 AS 2012 2345 AS 2015 333

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Nachführung der Referenzen auf das EU-Recht in den Sozialversicherungsgesetzen verlangen.

Aus diesen Gründen wurde die Verweisbestimmung in den Sozialversicherungsgesetzen neu formuliert. In Absatz 1 soll das anwendbare Recht präziser bezeichnet werden, indem auf den persönlichen Geltungsbereich, die einschlägigen EU-Rechtsakte und die für die Schweiz massgebliche Fassung von Anhang II des Freizügigkeitsabkommens Bezug genommen wird. Neu werden die Verordnungen (EG) Nr. 883/200417 und Nr. 987/200918 aufgeführt, in denen die Koordinationsgrundsätze der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/7119 und Nr. 574/7220 nachgeführt wurden und die seit der dritten Aktualisierung von Anhang II Abschnitt A des Freizügigkeitsabkommens für die Schweiz massgeblich sind. Soweit darauf in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 oder Nr. 987/2009 Bezug genommen wird oder Fälle aus der Vergangenheit betroffen sind, bezieht sich Anhang II Abschnitt A des Freizügigkeitsabkommens weiterhin auf die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72.

Absatz 2 betreffend Anhang K Anlage 2 des EFTA-Übereinkommens wird bei dieser Gelegenheit analog umformuliert, wobei in den Beziehungen zwischen der Schweiz und ihren EFTA-Partnern weiterhin die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 massgeblich sind.

Mit einem neuen Absatz 3 soll der Bundesrat ermächtigt werden, die Referenzen auf die EU-Rechtsakte in den Absätzen 1 und 2 der Verweisbestimmung jeweils selbstständig in den Sozialversicherungsgesetzen anzupassen, sobald Anhang II Abschnitt A zum Freizügigkeitsabkommen oder Anhang K Anlage 2 des EFTA-Übereinkommens geändert wurden.

Absatz 4 präzisiert, dass alle verwendeten Ausdrücke für EU-Mitgliedstaaten in den Sozialversicherungsgesetzen die Vertragsstaaten bezeichnen, für die das Freizügigkeitsabkommen gilt.

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18

19

20

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; SR 0.831.109.268.11.

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.

Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.

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Änderung eines anderen Erlasses

Bundesgesetz über die Militärversicherung Da die Unterscheidung zwischen stationärer und teilstationärer Behandlung mit der Revision des KVG vom 21. Dezember 200721 aufgehoben wurde, muss dies auch in der Militärversicherung berücksichtigt werden. Deshalb wird in den Artikeln 16 Absatz 2 erster Satz, 17 Sachüberschrift und Absatz 3 erster Satz sowie 71 Absatz 1 MVG der Ausdruck «teilstationäre Behandlung» gestrichen und die notwendigen grammatikalischen Anpassungen werden gemacht.

In Artikel 17 Absätze 2 und 4 MVG werden die Einschränkung bei ambulanten Behandlungen auf eine geeignete Medizinalperson, die am Aufenthaltsort des Versicherten oder in dessen Nähe praktiziert, mit Ausnahme der Notfälle (Abs. 2) und als Folge davon andernfalls die Übertragung der Mehrkosten auf den Versicherten (Abs. 4) gestrichen. Damit besteht in der Militärversicherung bei ambulanten Behandlungen die Wahlfreiheit unter den geeigneten Medizinalpersonen wie neu auch in der Krankenversicherung.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Änderung des KVG hat auf den Bund weder finanzielle, personelle noch andere Auswirkungen.

3.2

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Die neue Bestimmung, die in schweizerischen Grenzregionen die bereits bestehenden Pilotprojekte in die dauerhafte Möglichkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit überführt, will gewährleisten, dass Synergien im Bereich der technischen und personellen Infrastruktur genutzt werden können. Solche Vorteile können mit neuer grenzüberschreitender Zusammenarbeit künftig in allen Grenzregionen genutzt werden. Auf die Kantone werden gestützt auf diese neue Bestimmung keine Kosten zukommen. Bei den zwei bestehenden Pilotprojekten übernehmen die Kantone bei Spitalbehandlungen den Kantonsbeitrag, obwohl sie dazu bei Spitalbehandlungen im Ausland gesetzlich nicht verpflichtet wären. Es steht ihnen frei, dies auch im Rahmen neuer grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu machen. Da aber gleichzeitig die Behandlung im Inland wegfällt, an der sich die Kantone beteiligen müssten, kommt es für die Kantone zu keinen Mehrkosten.

Die übrigen Bestimmungen haben keine finanziellen Auswirkungen auf die Kantone.

21

18

AS 2008 2049

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3.3

Finanzielle Auswirkungen auf die Krankenversicherung

Die neue Bestimmung betreffend die dauerhafte grenzüberschreitende Zusammenarbeit dürfte für die Krankenversicherung zu keinen Mehrkosten führen, auch wenn dadurch das Angebot vergrössert wird. Denn es ist bereits heute auf Verordnungsstufe vorgesehen, dass die Tarife für die im Ausland erbrachten Leistungen nicht höher als die schweizerischen Tarife sein dürfen, und die bestehenden Pilotprojekte haben gezeigt, dass es zu keiner Mengenausweitung gekommen ist.

Die Anpassung von Artikel 41 Absatz 1 zweiter Satz KVG und die Streichung des bisherigen Absatzes 2 haben bei den Krankenversicherern einerseits eine Senkung der Verwaltungskosten zur Folge, da die noch geltenden Bestimmungen bei den Krankenversicherern einen hohen Verwaltungsaufwand erfordern, denn sie müssen eine Einzelfallprüfung vornehmen. Andererseits kann die Revision bei den ambulanten Behandlungen zu höheren Kosten führen. Nach Berechnungen des BAG dürften die höheren Leistungskosten kaum höher sein als die Senkung der Verwaltungskosten bei den Krankenversicherern. Es kommt also zu keinen finanziellen Auswirkungen für die Krankenversicherung.

Die übrigen Bestimmungen haben keine finanziellen Auswirkungen für die Krankenversicherung.

3.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Es ist nicht von volkwirtschaftlichen Auswirkungen auszugehen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201222 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201223 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist dennoch angezeigt, da die bestehende grenzüberschreitende Zusammenarbeit sonst nicht weitergeführt werden könnte.

22 23

BBl 2012 481 BBl 2012 7155

19

BBl 2016

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Mit der Bestimmung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in dieser Vorlage wird im Sinne der bundesrätlichen Strategie «Gesundheit 2020» eine Massnahme des Ziels «Internationale Einbettung stärken» umgesetzt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 117 der Bundesverfassung24. Nach dieser Bestimmung erlässt der Bund Vorschriften über die Kranken- und die Unfallversicherung.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Diese Gesetzesänderungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz und insbesondere mit dem Freizügigkeitsabkommen und dem EFTAÜbereinkommen kompatibel. Anhang II zum Freizügigkeitsabkommen und Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen führen dazu, dass in der Schweiz im Verhältnis zu den EU- oder EFTA-Staaten das Koordinationsrecht der EU betreffend der Systeme der sozialen Sicherheit anwendbar ist. Dieses Recht bezweckt im Hinblick auf die Garantie der Personenfreizügigkeit keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Mitgliedstaaten können über die konkrete Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation der Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen. Dabei müssen sie jedoch die Koordinationsgrundsätze wie zum Beispiel das Diskriminierungsverbot, die Anrechnung der Versicherungszeiten und die grenzüberschreitende Leistungserbringung beachten, die in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und in der entsprechenden Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 geregelt sind.

5.3

Erlassform

Die vorgeschlagenen Bestimmungen betreffen wichtige Regelungen über die Rechte und Pflichten der Kantone, der Versicherer und der Versicherten. Deshalb bedürfen die Regelungen einer klaren formellen Gesetzesgrundlage.

24

20

SR 101

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5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung sieht vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte bedürfen. Da die Vorlage weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse, die den Bund verpflichten, vorsieht, untersteht sie nicht der Ausgabenbremse.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 96 KVG erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung zu erlassen.

Die Vorlage ermächtigt den Bundesrat zum Erlass von Bestimmungen in folgenden Bereichen: Der Bundesrat hat die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die Kosten von Leistungen, die im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für in der Schweiz wohnhafte Versicherte im Ausland erbracht werden, übernommen werden (Art. 34 Abs. 2 Bst. a E-KVG).

Gestützt auf die neue Bestimmung von Artikel 41 Absatz 2 ter E-KVG hat der Bundesrat einen Referenzkanton festzulegen. Bei den Versicherten, die in einem EU- oder EFTA-Staat wohnen und eine schweizerische Rente beziehen, sowie deren Familienangehörigen werden Spitalbehandlungen höchstens nach dem Tarif, der in einem Listenspital des festgelegten Referenzkantons für die betreffende Behandlung gilt, vergütet.

Mit der Ergänzung der Delegationsnorm von Artikel 64a Abs. 9 E-KVG wird lediglich die notwendige Gesetzesgrundlage für bereits bestehende Verordnungsbestimmungen geschaffen.

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