13.418/13.419/13.420/13.421/13.422 Parlamentarische Initiativen Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. November 2015

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen Entwürfe zu einer Änderung der Bundesverfassung sowie des Bürgerrechtsgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, den beiliegenden Entwürfen zuzustimmen.

5. November 2015

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Cesla Amarelle

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Übersicht Ausländische Personen in einer eingetragenen Partnerschaft sollen bei der Einbürgerung gegenüber ausländischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern nicht länger benachteiligt werden. Während Letzteren der Weg der erleichterten Einbürgerung offensteht, ist eingetragenen Partnerinnen und Partnern ausländischer Herkunft diese Möglichkeit verwehrt. Sie müssen den ungleich aufwändigeren Weg der ordentlichen Einbürgerung beschreiten.

Mit ihrer aufgrund von fünf gleich lautenden parlamentarischen Initiativen ausgearbeiteten Vorlage beabsichtigt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates eine Verfassungs- und eine Gesetzesrevision, die im Bereich des Bürgerrechts eine vollständige Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften und Ehen herstellt: Durch eine Änderung der Bundesverfassung soll dem Bund die Kompetenz zugewiesen werden, nebst der Einbürgerung infolge Abstammung, Heirat und Adoption auch den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte kraft der Eintragung einer Partnerschaft einheitlich zu regeln. Parallel dazu soll das Bürgerrechtsgesetz so geändert werden, dass die Bestimmungen für die erleichterte Einbürgerung fortan auch auf ausländische Personen in einer eingetragenen Partnerschaft mit Schweizer Staatsangehörigen anwendbar sind.

Mit ihrem Verfassungs- und Gesetzesentwurf will die Kommission dafür sorgen, dass zwischen ausländischen Ehepartnerinnen und -partner und ausländischen Partnerinnen und Partnern in einer eingetragenen Partnerschaft Rechtsgleichheit hergestellt wird und diese gegenüber Eheleuten nicht weiter diskriminiert werden.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Parlamentarische Initiativen zur Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren

Fünf von der Grünliberalen Fraktion, der Fraktion der Bürgerlich-Demokratischen Partei, der Grünen Fraktion, der Sozialdemokratischen Fraktion sowie von Nationalrätin Doris Fiala (RL, ZH) in der Frühjahrssession 2013 eingereichte parlamentarische Initiativen fordern von der Bundesversammlung, die rechtlichen Grundlagen so anzupassen, dass im Einbürgerungsverfahren die Gleichstellung eingetragener Partnerschaften mit Ehen sichergestellt ist. In ihrer Begründung weisen die Initianten u.a. darauf hin, dass in der parlamentarischen Beratung der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes (11.022) ein entsprechender Antrag mit dem Argument scheiterte, dass eine Regelung auf Gesetzesstufe verfassungswidrig sei, weil sich in Artikel 38 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) die Kompetenz des Bundes zur direkten Regelung von Erwerb und Verlust des Bürgererechts auf drei Fälle beschränkt: Abstammung, Heirat und Adoption. Entsprechend solle nun in der Verfassung die Zuständigkeit des Bundes auf die erleichterte Einbürgerung Kraft der eingetragenen Partnerschaft erweitert werden. Eine solche Erweiterung sei aus dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbots (Art. 8 BV) dringend geboten.

1.2

Vorprüfung durch die Staatspolitischen Kommissionen

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK) gab den Initiativen am 30. August 2013 mit 14 zu 0 Stimmen bei 9 Enthaltungen Folge. Die Kommission des Ständerates stimmte diesem Beschluss am 27. Januar 2014 mit 5 Stimmen zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen zu.

Die Kommissionen schlossen sich weitgehend der Argumentation der Initiatinnen und Initianten an: Ausländische Personen in eingetragenen Partnerschaften sind im Bürgerrechtsgesetz gegenüber ausländischen Eheleuten deutlich schlechter gestellt.

Im Gegensatz zu den Ehepartnerinnen und Ehepartnern, die nach drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft und insgesamt fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz erleichtert eingebürgert werden können, müssen eingetragene Partnerinnen und Partner zur Erlangung des Schweizer Bürgerrechts den ungleich aufwändigeren Weg der ordentlichen Einbürgerung in Kauf nehmen. In Anbetracht des verfassungsmässigen Diskriminierungsverbotes ist daher eine Vorlage auszuarbeiten, welche diese Ungleichbehandlung beseitigt.

Ein Teil der Kommission wies darauf hin, dass das Anliegen der parlamentarischen Initiativen in der Beratung des Partnerschaftsgesetzes klar abgelehnt worden sei und enthielt sich deshalb der Stimme. Der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, 31

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im Bürgerrechtsbereich den eingetragenen Partnerschaften dieselben Rechte zuzugestehen wie den Ehen. Es sei deshalb fragwürdig, im Nachgang dieser Diskussion einen weiteren Versuch zur Durchsetzung dieser Forderung zu unternehmen.

1.3

Umsetzung der Initiativen durch die SPK

1.3.1

Unterschiedliche Rechtsauffassungen

Bereits bei der Vorprüfung der Initiativen war in der SPK die Frage aufgeworfen worden, ob eine Umsetzung ausschliesslich auf Gesetzesstufe möglich ist, oder ob dafür neben einer Gesetzes- auch eine Verfassungsrevision notwendig ist.

In der Rechtswissenschaft stehen unterschiedliche Meinungen im Raum. Einerseits wird der Standpunkt vertreten, dass Artikel 38 Absatz 1 der Bundesverfassung im Sinne einer «harmonisierenden Auslegung» im Zusammenhang mit Artikel 8 interpretiert werden müsse und folglich die in diesem Artikel stipulierte Rechtsgleichheit für gleichgeschlechtliche Paare durch eine Revision des Bürgerrechtsgesetzes hergestellt werden könne.1 Andererseits wird geltend gemacht, dass zur Herstellung der Rechtsgleichheit eine Verfasssungsänderung unumgänglich ist, welche die erleichterte Einbürgerung aufgrund einer eingetragenen Partnerschaft neben der Einbürgerung aufgrund von Abstammung, Heirat und Adoption ausdrücklich als Zuständigkeitsbereich des Bundes verankert. In diesem Sinne äusserte sich in seiner Botschaft zum Partnerschaftsgesetz2 auch der Bundesrat, der darauf hinwies, dass durch teleologische Auslegung der Begriff der Heirat nicht einfach auf eingetragene Partnerschaften übertragen werden könne. Diese Unterscheidung wird auch in verschiedenen Verfassungskommentaren vertreten.3

1.3.2

Zwei Rechtsgutachten

In Anbetracht der unterschiedlichen Rechtsauffassungen bestellte die Kommissionspräsidentin mit Schreiben vom 20. März 2014 ein Rechtsgutachten4 des Bundesamts für Justiz (BJ). Im Hinblick auf den anstehenden Kommissionsentscheid über die Umsetzung sollten der SPK darin die Vor- und Nachteile einer Umsetzung durch eine Gesetzesrevision resp. durch eine zusätzliche Verfassungsrevision aufgezeigt werden. Das Gutachten vom 28. April 2014 kommt zum Schluss, dass der Begriff «Heirat» im Sinne von Artikel 38 Absatz 1 BV die eingetragene Partnerschaft nach 1 2 3

4

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S. hierzu Pulver, Bernhard: Art. 15 BüG, in: Geiser/Gremper (Hrsg.), Zürcher Kommentar zum Partnerschaftsgesetz, 2007.

02.090 Eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare. Bundesgesetz (s. BBl 2003 1315).

S. hierzu: Auer/Malinverni/Hottelier: Droit constitutionnel suisse, Vol. I, RZ 391; Biaggini: Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 38 Erwerb und Verlust der Bürgerrechte, RZ 10.

Bundesamt für Justiz: Rechtsgutachten ­ Tragweite von Art. 38 Abs. 1 BV in Bezug auf die eingetragenen Partnerschaften (28. April 2014).

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dem Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, PartG)5 nicht einschliesst. Die meisten Auslegungsmethoden führten zum Schluss, dass in diesem Verfassungsartikel alle Fälle abschliessend aufgeführt sind, in denen der Bundesgesetzgeber eine erleichterte Einbürgerung aus familienrechtlichen Gründen vorsehen kann. Das Institut der eingetragenen Partnerschaft kann daher kaum als in Artikel 38 implizit eingeschlossen betrachtet werden. Schliesslich zeigt das Gutachten auf, dass auch die Materialien zur Totalrevision der Bundesverfassung und noch deutlicher diejenigen zum Partnerschaftsgesetz6 gegen die Möglichkeit sprechen, eine erleichterte Einbürgerung ähnlich der in Artikel 21 des total revidierten Bürgerrechtsgesetzes verankerten erleichterten Einbürgerung von Ehegatten bzw. -gattinnen von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern einzuführen.

In Kenntnis des Rechtsgutachtens des Bundesamts für Justiz entschied die Kommission an ihrer Sitzung vom 28. August 2014 zur Frage, ob zur Schaffung einer Gesetzesnorm eine Verfassungsänderung nötig ist, eine Zweitmeinung einzuholen. Die Kommissionspräsidentin beauftragte hierfür Prof. Andreas R. Ziegler, ordentlicher Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne. Prof.

Zieglers Kurzgutachten7 vom 15. Oktober 2014 führt aus, dass die Auslegung von Artikel 38 Absatz 1 bei einer ganzheitlichen Verfassungsbetrachtung und -auslegung ohne Weiteres den Schluss zulässt, dass der Bund auch für die Regelungen über den Erwerb und den Verlust der Bürgerrechte im Rahmen eingetragener Partnerschaften zuständig ist. So lässt das mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 eingeführte Diskriminierungsverbot auf Grund der Lebensform (Art. 8 Abs. 2 BV) letztlich nur diese Lesart der Bestimmung in Artikel 38 BV zu. Sollte dennoch der Schluss gezogen werden, dass Artikel 38 Absatz 1 BV alleine nicht ausreicht, kann angenommen werden, dass Artikel 122 BV (Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts) die ansonsten entstehende Lücke füllen und als Verfassungsgrundlage für die Regelung des Bürgerrechts im Zusammenhang mit der eingetragenen Partnerschaft dienen kann. Die Annahme, dass die vor der Einführung des Partnerschaftsgesetzes geschaffene Verfassungsnorm
abschliessend und die allgemeine Kompetenz für das Zivilrecht in Artikel 122 BV nicht mehr anwendbar sei, widerspricht nicht nur dem Willen des Verfassungsgebers, dem Bund die familienrechtlich relevanten Bereiche der Regelung des Bürgerrechts zu übertragen, sondern verkennt auch die Tragweite des in Artikel 8 BV verankerten Diskriminierungsverbots bezüglich der Lebensform.

An ihrer Sitzung vom 31. Oktober 2014 evaluierte die Kommission die beiden Rechtsgutachten und beschloss mit 14 zu 8 Stimmen, eine Vorlage auszuarbeiten, die sowohl eine Verfassungs- wie auch eine Gesetzesänderung vorsieht. In ihrer Analyse kam die SPK zum Schluss, dass im Bürgerrecht eine vollständige Rechtsgleichheit zwischen ausländischen Ehepartnerinnen und -partnern und eingetragenen Partnerinnen und Partnern nur auf der Grundlage einer Verfassungsänderung er5 6 7

SR 211.231 02.090 n Eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare. Bundesgesetz; s. Botschaft, Ziff. 1.7.3, BBl 2002 1313­1315.

Ziegler, Andreas R.: Kurzgutachten zur Tragweite von Art. 38 Abs. 1 BV in Bezug auf die eingetragene Partnerschaft (15. Oktober 2014).

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reicht werden kann. Weil die Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt, steht das Parlament in der Verantwortung, ausschliesslich Gesetze zu beschliessen, die sich auf eine solide Verfassungsgrundlage abstützen können. Der ungleich aufwändigere Weg über eine obligatorische Referendumsvorlage, zu der sich Volk und Stände auszusprechen haben, ist dabei in Kauf zu nehmen. Hingegen greift die im Zweitgutachten vertretene Auffassung, wonach eine harmonisierende Auslegung von Artikel 38 Absatz 1 zusammen mit Artikel 8 Absatz 2 BV (Diskriminierungsverbot) sowie Artikel 122 Abs. 2 (Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Zivilrechts) eine Verfassungsänderung überflüssig mache, zu kurz.

Weder die grammatikalische, die historische noch die systematische Auslegung sprechen dafür, dass der Verfassungsgeber die eingetragene Partnerschaft unter dem Sachverhalt der Heirat subsumiert.

1.3.3

Verabschiedung des Vorentwurfs zuhanden der Vernehmlassung

An ihrer Sitzung vom 26. März 2015 stimmte die Kommission dem Vorentwurf des Kommissionssekretariates und der Verwaltung für eine Verfassungsänderung und eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes mit 13 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen zu. Die unterlegene Minderheit beantragte, auf die Vorlage nicht einzutreten, weil für die betreffenden Bevölkerungsgruppen im Bürgerrechtsgesetz schon heute Erleichterungen in der Form von verkürzten Fristen vorgesehen seien.

In der Detailberatung beschloss die Kommission mit 13 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung, die geltende Verfassungsbestimmung, wonach der Bund den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte durch Abstammung, Heirat und Adoption regelt, um den familienrechtlichen Tatbestand der Eintragung einer Partnerschaft zu ergänzen.

Mit 14 zu 10 Stimmen lehnte sie hingegen den Antrag ab, im Hinblick auf allfällige künftige Entwicklungen des Familienrechts eine offenere Formulierung zu wählen und die Bundeskompetenz im Bereich des Bürgerrechts auf alle Zivilstandsbeziehungen auszudehnen.

1.3.4

Auswertung der Vernehmlassungsergebnisse und Verabschiedung zuhanden des Nationalrates

Bis zum Ablauf der Vernehmlassungsfrist am 6. Juli 2015 trafen bei der Kommission insgesamt 46 Stellungnahmen der Kantone, Parteien, Verbände sowie von weiteren interessierten Kreisen ein. Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasser äusserte sich positiv zur Vorlage der SPK. Der Kanton Schwyz, die Schweizerische Volkspartei (SVP) sowie das Centre Patronal (CP) lehnten die Vorlage grundsätzlich ab. Die von der SPK vorgeschlagene Verfassungsänderung (Art. 38 Abs. 1 E-BV; Entwurf 1) wurde von 24 Kantonen, der BDP, CVP, FDP, GPS und GL sowie vom SGV, SSV und von Travail Suisse befürwortet. Der Kanton Obwalden und die SP sprachen sich für die Minderheit Schenker für eine offenere Formulierung des Verfassungsartikels aus. Von den eingeladenen interessierten Kreisen wurde mehrheitlich die Position vertreten, dass keine Verfassungsänderung nötig und deshalb auf 34

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den Entwurf 1 zu verzichten sei (EKM, LOS, NETWORK, Pink Cross, SKG). Als Alternative bevorzugen diese Organisationen die ausschliessliche Verwendung des Begriffs «Zivilstandsbeziehungen», falls an einer Verfassungsänderung festgehalten werden sollte. Der von der SPK vorgeschlagene Ersatz des Begriffs «Mindestvorschriften» in Artikel 38 Absatz 2 E-BV wurde von 23 Kantonen begrüsst, während sich OW, SG und SZ dagegen aussprachen. Die übrigen Vernehmlasser ­ mit Ausnahme der SVP und des CP - stimmten diesem Änderungsvorschlag ebenfalls zu.

Der Entwurf der SPK zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes (Art. 10 und 21 Abs. 5 E-BüG; Entwurf 2) wurde mit Ausnahme des Kantons Schwyz von allen Kantonen sowie von der überwiegenden Mehrheit der Parteien, Verbände und den weiteren Vernehmlassern befürwortet. Grundsätzlich gegen die Gesetzesänderung sprachen sich die SVP und das CP aus.

An ihrer Sitzung vom 5. November 2015 nahm die SPK des Nationalrates von den grossmehrheitlich positiven Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis und verabschiedete die Vorlage ohne Änderungen mit 17 zu 6 Stimmen.

2

Grundzüge der Vorlage

Die Staatspolitische Kommission unterbreitet der Bundesversammlung eine Verfassungs- und eine Gesetzesvorlage, durch welche eingetragenen Partnerinnen und Partner ausländischer Herkunft im Bereich des Bürgerrechts dieselben Rechte zugestanden werden wie ausländischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern. So soll auch diesen Personen die Möglichkeit offenstehen, sich nach drei Jahren eingetragener Partnerschaft und fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz erleichtert einbürgern zu lassen. Die heutige Schlechterstellung dieser Personen ist als Diskriminierung zu betrachten, welche im Widerspruch steht zu Artikel 8 Absatz 2 BV, der eine Diskriminierung wegen der «Lebensform» ausdrücklich untersagt.

Die Kommission schlägt vor, in der Bundesverfassung dem Bund die Kompetenz zu erteilen, nebst der Einbürgerung infolge Abstammung, Heirat und Adoption auch den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte aufgrund der Eintragung einer Partnerschaft einheitlich zu regeln (Entwurf 1).

Gleichzeitig sieht die SPK vor, im total revidierten (noch nicht in Kraft getretenen) Bürgerrechtsgesetz vom 20. Juni 2014 die Bestimmungen über die erleichterte Einbürgerung ohne Einschränkungen auf die eingetragenen Partnerinnen und Partner auszudehnen und dafür die bis dahin geltende Sonderbestimmung für diese Personengruppe aufzuheben (Entwurf 2).

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Bundesbeschluss über die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern in eingetragener Partnerschaft mit Schweizer Staatsangehörigen (Entwurf 1)

Art. 38

Erwerb und Verlust der Bürgerrechte

Abs. 1 Nach dem geltenden Absatz 1 regelt der Bund nur den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte durch Abstammung, Heirat und Adoption. Wie in Ziffer 1.3.2 dargelegt wird, umfasst die heutige Formulierung die eingetragene Partnerschaft nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft8 nicht.

In Umsetzung der parlamentarischen Initiativen soll daher der erste Satz von Absatz 1 um einen weiteren familienrechtlichen Tatbestand ergänzt werden: Die Eintragung der Partnerschaft. Analog zum Begriff der «Heirat», der die Eheschliessung vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten und damit das Zivilstandsereignis umschreibt, soll der Begriff der «Eintragung der Partnerschaft» in die geltende Verfassungsbestimmung aufgenommen werden.

Der Änderungsvorschlag entspricht dem Anliegen der parlamentarischen Initiativen, wonach die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Einbürgerung bei der eingetragenen Partnerschaft der Heirat gleichgestellt werden soll.

Eine Kommissionsminderheit schlägt vor, zur Umsetzung des Anliegens der parlamentarischen Initiative eine offene Formulierung zu wählen, wonach der Bund den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte aufgrund von Zivilstandsbeziehungen, wie die Abstammung, die Heirat, die Eintragung der Partnerschaft und die Adoption regelt.

Eine zweite Kommissionsminderheit beantragt, in die Verfassungsbestimmung lediglich den Begriff Zivilstandsbeziehungen einzuführen, weil dadurch selbstredend alle Arten von bestehenden und allfälligen neu zu schaffenden gesetzlichen Zivilstandsbeziehungen subsumiert seien.

Beide von Minderheiten eingebrachte Formulierungen hätten den Vorteil, dass zukünftigen Entwicklungen im Bereich des Familienrechts Rechnung getragen werden kann. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten und dem damit einhergehenden Wertewandel sei es denkbar, dass es im Bereich des Familienrechts künftig auch andere rechtsrelevante Lebensgemeinschaften ausserhalb der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft geben wird. Die Kommissionsmehrheit möchte diesen noch nicht klar greifbaren Entwicklungen zum heutigen Zeitpunkt nicht vorgreifen. Entsprechende Vorschläge dürften voraussichtlich umstritten sein; die Vorlage soll nicht mit diesem zusätzlichen Element belastet werden.

Mit der vorgesehenen Regelung wird dem Bund die Kompetenz zugewiesen, ebenfalls den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte für eingetragene Partnerinnen und 8

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SR 211.231

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Partner von Schweizerinnen und Schweizern einheitlich zu regeln. Die Verfassung überlässt es dabei - wie bei den anderen in Absatz 1 genannten Fällen (Abstammung, Heirat, Adoption) - dem Bundesgesetzgeber, ob er den Erwerb des Bürgerrechts von Gesetzes wegen oder durch einen behördlichen Akt, d.h. eine Einbürgerung, vorsehen will. Der Entwurf zur Revision der Bundesverfassung geht somit weiter als das Anliegen der parlamentarischen Initiativen, die den Bund lediglich zur Regelung der erleichterten Einbürgerung bei eingetragener Partnerschaft ermächtigen wollen. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Verfassungsänderung erfolgt in Artikel 21 E-BüG. Sie entspricht den Anliegen der parlamentarischen Initiativen, indem die Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung eingetragener Partnerinnen und Partner von Schweizerinnen und Schweizern gleich geregelt werden wie bei einer Heirat (siehe Ziff. 3.2).

Wie nach bisherigem Recht soll der Bund zudem den Verlust des Schweizer Bürgerrechts aus anderen Gründen sowie die Wiedereinbürgerung regeln. Der 2. Satz von Artikel 38 Absatz 1 wird in der Vorlage zur Revision der Bundesverfassung unverändert übernommen.

Falls die der Bundesversammlung mit Bericht der SPK-NR vom 30. Oktober 2014 unterbreitete Änderung von Artikel 38 Absatz 1 BV (Bundesbeschluss über die erleichterte Einbürgerng der dritten Ausländergeneration)9 angenommen werden sollte, so wird diese im vorliegenden Entwurf durch eine Koordinationsbestimmung zu berücksichtigen sein.

Abs. 2 In Absatz 2 soll der Begriff der «Mindestvorschriften» durch «Grundsätze» ersetzt werden. Diese Anpassung steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem Anliegen der parlamentarischen Initiativen. Aus verfahrensökonomischen Gründen soll jedoch die Gelegenheit genutzt werden, diese zusätzliche und weitgehend unbestrittene Anpassung vorzunehmen.

Es ist heute in der Doktrin mehrheitlich anerkannt, dass der Bund trotz des geltenden Wortlautes von Absatz 2 ermächtigt ist, im Interesse einer einheitlichen gesamtschweizerischen Einbürgerungspraxis verbindliche Grundsätze für die Kantone und nicht bloss Mindestvorschriften zu erlassen. Der Bund hat von dieser Kompetenz schon mehrmals Gebrauch gemacht und einheitliche Vorschriften im Bereich der ordentlichen Einbürgerung geschaffen wie beispielsweise die Beschränkung der
Gebühren von Bund, Kantonen und Gemeinden nach dem Kostendeckungsprinzip, die Bestimmungen zur Einbürgerung an einer Gemeindeversammlung oder die Harmonisierung der kantonalen und kommunalen Aufenthaltsdauer für die Einbürgerung.

Diese begriffliche Anpassung wurde bereits einmal in einer Vorlage des Bundesrates aus dem Jahr 2001 vorgeschlagen (01.076; BBl 2002 1911), mit der gleichzeitig die Grundlage für die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation sowie für den automatischen Bürgerrechtserwerb durch Geburt in der Schweiz von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation geschaffen werden sollte. In der Botschaft wurde dazu Folgendes ausgeführt: «Da 9

BBl 2015 769 ff.

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der Bund im Bereiche der ordentlichen Einbürgerung bereits heute über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt, welche den Erlass von gewissen grundsätzlichen Leitlinien umfasst, ist es im Sinne der Klarheit geboten, den Begriff der «Mindestvorschriften» durch denjenigen der «Grundsätze» zu ersetzen.» Diese begriffliche Anpassung blieb im Vorfeld der Abstimmung unbestritten. Die ganze Vorlage wurde jedoch am 26. September 200410 durch Volk und Stände abgelehnt.

Es ist weiter zu beachten, dass auch im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra «Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen» (08.432) ebenfalls vorgeschlagen wird, den einschränkenden Begriff Mindestvorschriften» durch «Grundsätze» zu ersetzen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 30. Oktober 2014 den ausgearbeiteten Verfassungs- sowie Gesetzesentwurf zuhanden des Rates verabschiedet. Der Vorschlag wird trotzdem auch in dieser Vorlage nochmals aufgenommen, da zum heutigen Zeitpunkt noch nicht feststeht, ob die parlamentarische Initiative Marra tatsächlich umgesetzt werden kann.

3.2

Änderung des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (Entwurf 2)

Art. 10

Spezielle Aufenthaltsdauer bei eingetragener Partnerschaft

Diese Bestimmung des für die vorliegende Revision massgeblichen, jedoch noch nicht in Kraft getretenen total revidierten Bürgerrechtsgesetzes vom 20. Juni 2014 regelt die ordentliche Einbürgerung von Personen, die in eingetragener Partnerschaft mit Schweizerinnen oder Schweizern leben (Art. 10 nBüG). Das geltende Recht enthält eine gleichlautende Bestimmung in Artikel 15 Absatz 5 BüG. Demnach gelten heute für eingetragene Partnerinnen und Partner von Schweizerinnen und Schweizern bereits verkürzte Einbürgerungsfristen für die ordentliche Einbürgerung.

Die parlamentarischen Initiativen verfolgen das Ziel, für diese Personengruppe - analog zu den ausländischen Ehegattinnen und Ehegatten von Schweizern und Schweizerinnen - ebenfalls die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung vorzusehen. Zu diesem Zweck wird in Artikel 38 Absatz 1 BV neu dem Bund die Kompetenz zugewiesen, den Erwerb des Bürgerrechts durch Eintragung der Partnerschaft gesamtschweizerisch einheitlich zu regeln (siehe Ziff. 3.1). Mit der Schaffung einer entsprechenden Ausführungsbestimmung im Bürgerrechtsgesetz (siehe nachfolgend Art. 21 Abs. 5 E-BüG) wird von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht.

Es bleibt daher im Bereich der Einbürgerung von Personen in eingetragener Partnerschaft kein Raum mehr für eine ordentliche Einbürgerung in einem kantonalen Verfahren. Deshalb ist Artikel 10 nBüG aufzuheben.

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Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Abstimmungen > Chronologie > 2001­2004 > 29.09.2004.

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Art. 21

Ehefrau oder Ehemann eines Schweizers oder einer Schweizerin

Abs. 5 Entsprechend dem Auftrag der parlamentarischen Initiativen soll die eingetragene Partnerschaft der Ehe im Einbürgerungsverfahren gleichgestellt sein. Um dies auf Gesetzesstufe sicherzustellen, wird ein neuer Absatz 5 eingefügt: So sollen die Regelungen zur erleichterten Einbürgerung der Ehefrau oder des Ehemanns eines Schweizers oder einer Schweizerin sinngemäss auch für die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner gelten. Beispiele für gleichlautende Verweise finden sich auch im Schweizerischen Zivilgesetzbuch11 (Art. 112a ZGB) oder im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer12 (Art. 52 AuG).

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Die vorgeschlagenen Verfassungs- und Gesetzesänderungen haben zur Folge, dass neu der Bund ­ wie bereits heute insbesondere bei Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern ­ auch zuständig sein wird für die erleichterte Einbürgerung der eingetragenen Partnerinnen und Partner von Schweizerinnen und Schweizern.

In den Jahren 2010 bis 2013 wurden in der Schweiz 266 Personen im ordentlichen Verfahren eingebürgert, die in eingetragener Partnerschaft mit einer Schweizerin oder einem Schweizer leben. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 38 388 Personen erleichtert eingebürgert. Unter der Annahme, dass die Anzahl der Einbürgerungsgesuche von in eingetragener Partnerschaft lebenden Personen zukünftig auch bei den angestrebten Einbürgerungserleichterungen kaum stark ansteigen wird, ist daher keine nennenswerte personelle und finanzielle Mehrbelastung für den Bund zu erwarten.

4.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Kantone werden durch die vorgeschlagenen Verfassungs- und Gesetzesänderungen nur geringfügig entlastet. Wie unter Ziffer 4.1 ausgeführt, handelt es sich nur um wenige Einbürgerungsgesuche, über welche zukünftig nicht mehr die Kantone entscheiden sollen, sondern der Bund. Zudem beauftragt das Staatssekretariat für Migration die kantonalen Einbürgerungsbehörden mit den Erhebungen, die für die Beurteilung der Voraussetzungen einer erleichterten Einbürgerung notwendig sind (Art. 34 Abs. 2 nBüG /geltendes Recht Art. 37 BüG). Die Kantone werden somit weiterhin bei Einbürgerungsgesuchen von Personen in eingetragener Partnerschaft Abklärungen vornehmen müssen.

11 12

SR 210 SR 142.20

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Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die vorgeschlagene Änderung des Bürgerrechtsgesetzes setzt eine Teilrevision der Verfassung voraus (Art. 38 Abs. 1 und 2 BV), die von Volk und Ständen angenommen werden muss. Bei einer Annahme kann die vorgeschlagene Änderung des Bürgerrechtsgesetzes ­ unter Vorbehalt des fakultativen Referendums ­ in Kraft gesetzt werden.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die vorgeschlagenen Änderungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

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