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Schweizerisches Bundesblatt

XXVI. Jahrgang, m.

Nr. 56.

31. Dezember 1874.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsge b ü hr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Drnk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht der

Schweiz. Abgeordneten an dem Weinbau-Kongress in Montpellier.

(Vom 10. November 1874.)

,,Du wirst pflanzen einen "Weinberg, du wirst ihn bearbeiten, aber du wirst von ihm keinen Wein haben; und du wirst Nichts von ihm ziehen, weil er zerstört werden wird durch die Insekten."

,,Die Weinlese ist betrübt, der Weinstok verschmachtet, die Thränen kommen über Diejenigen, welche die Freude im Herzen trugen. Alle Lust ist vergangen ; die Fröhlichkeit der Erde ist verschwunden."

,,Der Carmel wird seine Freude und seinen Jubel verlieren. Es wird keinen Gesang mehr geben in den Weinbergen;"

Wenn ein Kranker, welcher in weite Ferne reist, um eine Versammlung medizinischer Berühmtheiten um Rath zu befragen, auf der größten Streke seiner Reise nur Kranke oder Sterbende sieht, und dann, mitten unter den Gelehrten, von denen er Heilung erwartet, angekommen, hören muß, daß das Uebel unheilbar ist und ohnehin kommen mußte, weil es prophezeiet war, so wird es ihm schwer, sich des traurigsten Eindrukes zu erwehren und sich nicht den düstersten Ahnungen hinzugeben.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. III.

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1044 In diesem Falle befanden sich die schweizerischen Abgeordneten, welche nach M o n t p e l l i e r kamen, um daselbst Hilfe und Rath zu suchen.

Schon schmerzlich berührt durch den betrübenden Anblik der auf ihrem mehrere Hundert Kilometer langen Wege sich darbietenden, von der P h y l l o x é r a ergriffenen Weinberge, oder vielmehr der ausgedehnten Landstreken, welche Weinberge gewesen waren, mußten sie bei der Eröffnung des Weinbau-Kongresses die Aufzählung der ungeheuren Kräfte des Feindes, seine unausgesezten Fortschritte, sein verheerendes Vordringen, und endlich das Bekenn tniß der M a c h t l o s i g k e i t aller bis auf diesen Tag zu dessen Vertilgung angewendeten Mittel vernahmen.

Der Eindruk war um so ernster, als Herr D r o u y n de L'Huys in seiner bemerkenswerthen Darstellung der Lage den auffallenden Gegensaz zwischen der physischen Ohnmacht des Menschen und den verborgenen, verschleierten Kräften der Na tur, so wie den geheimnißvollen, aus der Winzigkeit der Ursache und der Unermoßlichkeit der Wirkung entspringenden Schreker, hervorgehoben, und somit die gegenwärtige Lage mit der Erfüllung der Eingangs dieser Zeilen angeführten prophetischen Worte unserer heiligen Schrift in Zusammenhang gebracht hatte.

Zum Glük haben uns die Aerate, nachdem die Wunde blosgelegt, deren Tiefe und die Unwirksamkeit der Heilmittel dargethan waren, sagen können : Wenn wir noch kein Heilmittel gefunden haben, so können wir Euch wenigstens die Versicherung geben und die Beweise liefern, d a ß wir mittelst einer stärkenden, n e u e K r ä f t e v e r l e i h e n d e n L e b e n s w e i s e z w a r mit dem Uebel, aber auch troz desselben leben können.

Das ist die neue Thatsachc, welche wir vom Kongresse zu M o n t p e l l i e r mitbringen; ja, es ist uns bewiesen worden, daß der Weinstok mittelst einer gewissen Behandlungsweise auch mit der Phylloxéra leben kann, vielleicht nicht ewig, aber doch sicher einige Jahre, und die Erfahrung hat bereits in diesem Sinne entschieden. Wir betrachten die vorliegende Thatsache als einen wichtigen Schritt, zur Lösung-der Phylloxera-Frage.

Nachdem das allgemeine Resultat des- Kongresses zu Montpellier auf diese Art festgestellt ist, wenden wir uns der Berichterstattung über die verschiedenen, in den interessanten Sizungen dieser Versammlung verhandelten Punkte zu.
Nennen wir zuerst die wakeren Kämpfer, die es sich seit Jahren zur Arbeitsaufgabe gemacht haben, die der Phylloxéra zugeschriebene Krankheit des Weinstoks zu studiren Diese Jedermann

1045 bekannten Namen sind : P l a n c h o n , Heinrich und Leo» Mares, G a s t o n B a z i l l e , L i c h t e n s t e i n , V i a l a , Sahut, Lallimann, F a u c o n , E s p i t a l i e r , u. a. m.

Es wird ihnen zu großer Ehre gereichen, wenn es ihnen gelingt, diese kleine Bestie zu bewältigen ; auf jeden Fall aber, und wie auch der Ausgang sein möge, wird man sich stets ihrer mühsamen Forschungen, ihrer Ausdauer und unermüdlichen Untersuchung eines so schwierigen und undankbaren Gegenstandes erinnern.

Nach diesen Vorbemerkungen werden wir Ihnen zuvörderst den zu bekämpfenden Feind vorführen : Obgleich derselbe schon allgemein und nur zu sehr bekannt, da er sichtbar ist, wurde er doch noch nicht genau bestimmt und beschrieben.

Mau reihte ihn in die Ordnung der Hemipteren oder Halbflügler und zwischen die Gattungen der B l a t t l ä u s e und der Schildläuse oder, um mit den Gelehrten zu sprechen, zwischen die A p h i d i n e n und die Coccinen ein.

Es gibt mehrere Arten der Phylloxéra, Man unterscheidet gegenwärtig fast übereinstimmend v i e r Arten derselben : Die Phylloxéra Ba Ibi a ni, die Phylloxéra R y l e y i , die Phylloxéra quercus, und endlich die, welche uns hier besonders interessirt und beschäftigt, die Phylloxéra v a s ta tris.

Diese ist eine sehr kleine, ovale, gelbliche Blattlaus; sie hat dreigliederige Fühlhörner, und tritt meistens ungeflügelt auf. Sie findet sich an den Wurzeln des Weinstoks vom Stamme bis zu den feinsten Verzweigungen derselben. Die Wurzeln sind in Folge der Einstiche des Insektes Mißbildungen unterworfen; es erzeugen sich an ihnen eigentümliche, knotige Auftreibungen oder Anschwellungen.

Die Phylloxéra des Weinstokes wurde zuerst in Amerika im Jahre 1857 von Asa Fitch entdekt, der sie P a m p h i g u s vitisfolii nannte.

Westwood fand aie 1863 in England, und lieferte unter der Benennung P e r i t y m b i u v i ti sana eine Beschreibung von'ihr.

Endlich entdekte Planchon dieselbe 18G8 in Frankreich; er zählte sie zu der 1834 von F o n s c o l o m b e in Aix beobachteten Phylloxéra quercus, und gab ihr den leider von da an nur zu sehr gerechtfertigten Beinamen ,, v a s t a t r i x . a Man findet im Winter an den von dieser Plage befallenen Wurzeln des Weinstoks ganz kleine Phylloxeren, die regungslos

1046 sind, keine Nahrung zu sich nehmen. oder wenigstens nicht im Wachsthume begriffen sind.

Sobald die Wärme des Mai's den Saft In Bewegung sczt, stellt sieh bei der Phylloxéra eine merkliche Zunahme ihrer Größe ein, und bald darauf fängt sie an, in ihre Umgebung Eier abzulegen.

Acht bis zehn Tage nach der Eier-Ablage schlüpfen die kleinen Phylloxeren aus und wachsen so rasch heran, daß sie etwa zehn Tage später selbst Mütter werden.

Mit dem Herannahen des Juli stellt sich ein großer Theil der Individuen einer Kolonie in geflügeltem Zustande dar; von diesen gehen die Wanderungen aus, welche die Anstekung weithin verbreiten.

Nach den Untersuchungen der Herren B a l b i a n i und Lichtenstein weiß man, daß das Fortpflanzungsvermögen nach mehreren, nur weibliche Thiere umfassenden Generationen sich in einer zweigeschlechtigen Nachkommenschaft, welche aus ungeflügelten, rüssellosen Männchen und Weibchen besteht, von Neuem kräftigt. Nach der Paarung legt alsdann das Weibchen ein einziges Ei von bedeutender Größe, welches den Ausgangspunkt einer neuen Generation eierlegender und ungeflügelter Weibchen bildet.

Wie wir bereits angeführt haben, ist die Beobachtung des Thieres und seiner Lebensweise eine sehr schwierige; sie wird indessen ununterbrochen fortgesezt, und jeden Tag kommen neue Angaben und Aufschlüsse zu den schon gewonnenen Ergebnissen hinzu.

Die Frage über die Mittel zur Vertilgung des Insektes wurde schon in der ersten Sizung des Kongresses angeregt. Wir werden dieselben in derjenigen Reihenfolge erörtern, m der sie vorgebracht worden sind; denn eine Eintheilung derselben scheint uns unmöglich, indem die Meisten behaupten, die Eigenschaft der Mittel, zur Vertilgung des Schmarozers zu dienen, mit derjenigen, eine Kräftigung durch Düngung zu geben, vereinigen zu können.

E h r e dem E h r e g e b ü h r t ; das einzige, als entschieden wirksam erkannte Mittel, dessen Erfolg erwiesen ist, ist die Bewässerung (Ueberstauung) des Rcblandes. Man nennt es das Fa u co n'sehe System, nach dem Namen seines glüklichen Entdekers, der uns persönlich mit Zahlen bewiesen hat, daß es ihm vermittelst einer fortgesezten Bewässerung während eines Zeitraumes von 30--40 Tagen des Herbstes gelungen ist, im Jahre 1874 auf 21 Hektaren Rebberg (9 Hektare = 25 Jucharten), 1175 Hektoliter (l Hektoliter = 2/3 Saum) Wein zu gewinnen. Da» im Jahre 1868 von der

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Phylloxéra befallene Rebland hatte im Jahre 1869 nur 35 Hektoliter Wein geliefert.

Vorliegende Zahlen sind entscheidend, und obgleich dieses Heilmittel bei uns wenig anwendbar sein dürfte, so glauben wir doch das Nähere über den Versuch an dieser Stelle, mittheilen zu sollen.

Es handelte sieh um 21 Hektare Weinberg bei Graveson auf einem kalkhaltigen Thonboden : Im Jahre 1807 erndtet Hr. F a u c o n .

.

. 925 Hektoliter.

,, ., 18G8 erschien die Phylloxéra und Herr F a u c o n sah seine Erndte reduzirt auf .

.

.

.

. 40 ..

,, 1869 35 ; ,, ., 1870 erstes Jahr der Bewässerung . 120 ,, .', .', 1871 zweites ., ,, ,, . 450 .', 1872 drittes i, ,, ^ . 849 .',' ; ; 1873 viertes I, ,, ,, (Frost) . 735 .', ,, ,, 1874 fünftes ,, ,, ., . 1175 ,, Wir fügen hier zugleich hinzu, (hiß Ilr. Faucon, sowie alle Anhänger der Bewässerung, es für rathsam erachtet, den Weinberg nach besagtem Pro/esse angemessen zu düngen, um dem Boden die durch diese lange Durchwässerung entzogenen Elemente wieder zu ersezen.

Dieser Gegenstand führte den Hrn. Ingenieur D u m o n t auf die Rednerbuhne, den Verfasser des Projektes eines Rhone-Kanals von C o n d r i e u (Rhône-Département) bis B é z i e r s (Hérault). Derselbe behauptet, daß die in diesem Gebiete gelegenen und bewässerungsfähigen Weinberge eine Fläche von 100,000 Hektaren umfassen. Diese, Weingärten produziren im Durchschnitt 60 Hektoliter perHektare, folglich würden durch dasUnternehmen! (5 Millionen Hektoliter gerettet werden, w a s d e n siebenten Theil

Es ist zweitens erwiesen, daß die in Kieselsandboden angelegten Weinberge von der Anstekuug durch die Phylloxéra unversehrt bleiben.

Wir haben bei Frontignan auf Meeres-Sandboden angelegte und mit Carignan und A r a m o n bepflanzte Weingärten besucht, weiche alle Merkmale der üppigsten Gesundheit darboten, eine reiche Erndte gegeben hatten, und deren Holz seine volle Kraft besaß. Dieses Gedeihen muß theils der Eigenschaft des Sunde»,

1048 erstikend zu wirken und daher die Phyfloxera ferne zu halten, theils der großen Quantität phosphorsauren Kalkes und stikstoffhaltiger Bestandtheile, mit welchen dieser Sand versehen war, zugeschrieben werden. 'Einige hundert Meter weiter, und da, wo sich die Beschaffenheit des Bodens im Verhältniß zu einer etwas höheren Lage änderte, richtete die Phylloxéra schon ihre Verheerungen an.

Das Versandungssystem wäre in der Schweiz leichter anzuwenden, als das der Bewässerung, und wenn sich die Phylloxéra jn bedenklicher Weise verbreiten sollte, wäre es rathsam, .zu versuchen, entweder größere Quantitäten Sandes, sei es in Form einer Schichte, sei es in einer trichterförmigen Vertiefung um den Ston herum, anzubringen, oder aber in mit Sand angefüllte Gräben vok einem Meter Breite und Tiefe neue Pflanzungen anzulegen.

Bevor wir auf die Frage d e r v o r g e s c h l a g e n e n i n ,,sektentödtenden und düngenden Mittel zur Bek ä m p f u n g der P h y l l o x é r a eintreten, schalten wir hier noch einige Worte ein über ein drittes mechanisches Mittel, um die traurigen Wirkungen dieses Insektes zum Verschwinden zu bringen.

Die zwei ersten wären das Wasser und der Sand; das dritte bestünde in dem Aufpfropfen von Reisern amerikanischer Reben oder in dem Pfropfen unserer Reben auf amerikanische Stöke.

Es ist bewiesen, daß eine große Anzahl amerikanischer Reben der Phylloxéra widersteht.

Die Mitglieder des Kongresses haben sich in die, einig» Kilometer von Montpellier gelegene Gemeinde St. Clément zu Hrn.

Fabre, früherem Deputirten, begeben.

s Herr F a b r e , welcher noch vor vier Jahren von seinem Reblande 830 Faß oder circa 5800 Hektoliter Wein geerndtet hatte, sah seihen Weinberg innerhalb zweier Jahre zerstört, und hatte dieses Jahr nur 20 Faß oder circa 140 Hektoliter Wein eingekellert.

... Auf Anrathen des Hrn, . Lalliman und des amerikanischen Entomologen, Herrn R i l e y , und nachdem er die Widerstandsfähigkeit einiger amerikanischer Stöke durch Versuche kennen gelernt hatte, unternahm es Hr. Fabre, seinen Weinberg zu erneuern, und zwar theilweise durch Pflanzung angewurzelter Steklinge, theilweise durch Pfropfen von Reisern amerikanischer Reben auf einheimische, halbtodte, aber noch nicht ganz erschöpfte Stöke.

·Hr. Fabre.war so gefällig, uns an Ort und Stelle über sein Verfahren einen höchst interessanten Aufschluß zu. ertheilen, von welchem wir hier einen Auszug geben.

1049 Die amerikanischen Reben zerfallen in vier Gruppen: I. Gruppe.

R o t u n d i f o l i a , in welcher man den S c u p p e r n o u g unterscheidet, welcher der Phylloxéra entschieden widersteht, spät reift, der Qualität nach aber einen sehr geringen Wein erzeugt, und den M u s t a n g , der Phylloxéra ebenfalls unzulänglich, und einen mittelmäßigen Weiu liefernd.

II. Gruppe.

Cordifolia, unter welcher neben anderen der Clinton; es ist dies die erste in Europa eingeführte Rebe; die Sezlinge wachsen leicht an; sie liefert nur geringen Wein.

HI. Gruppe.

L a b r u s k a ; man unterscheidet in ihr: a. den Con cord, von welchem der in Amerika am meisten verbreitete Wein, der sogenannte Volksvvcin, gewonnen wird; b. den Isabella, sehr empfänglich für die Phylloxéra; gibt ein beinahe ungenießbares Produkt; c. den Catawba, König der amerikanischen Trauben; derselbe wird zur Bereitung moussirenden Weines verwendet; eine für die Phylloxéra empfängliche Rebe.

IV. Gruppe.

A e s t i v a l i s ; sie enthält unter anderen: den N o r t h v i r g i n i a , den H e r b e m o n t , den Her m a n n , den C u n n i n g h a m , den C y n t h i a n a oder Jaques.

Auf diese leztere Kategorie von Reben richten sich gegenwärtig die Anstrengungen und Hoffnungen der Weinbauer, welche die Neuanlage der Weinberge durch Einführung amerikanischer Reben bewerkstelligen wollen, und zwar weil die gewonnenen Produkte weniger als alle anderen einen Geschmak nach der schwarzen Johannisbeere haben.

Wir heben besonders den Cynthiana hervor, der von diesem Geschmak fast ganz frei ist und unseren europäischen rothen Weineu am. nächsten steht.

1050 Unglüklicherweise aber vermehrt sich der Aestivalis sehr schwer durch Steklinge, und ganz besonders auch der Northvirginia ; mit dem Herbemont und dem Cunningham gelingt diese Vermehrung fast gar nicht.

Unter so bewandten Umständen müßte man angewurzelte Sezlinge aus Amerika kommen lassen, welche aber beinahe auf Fr. 1. 25 das Stük zu stehen kämen, oder man müßte die Bildung von Saugwurzeln an,den Steklingen durch Erziehung derselben in Warmhäusern zu treiben .suchen, was noch kostspieliger wäre.

Hr. F a b r e hat versucht, und es ist ihm gelungen, die Schwierigkeit zu umgehen, indem er 25 Centimeter tief unter der Erde Reiser von verschiedenen amerikanischen Reben auf europäische, noch nicht gänzlich von der Phylloxéra erschöpfte Stöke pfropfen ließ. Von circa 60,000 (alle in den Spalt) gepfropften Stöken hat er innerhalb eines Jahres, oder vielmehr in 5 Monaten, von 3/4 der solchermaßen behandelten Stöke, ein sehr befriedigendes Resultat erzielt. Ei- hat uns Pfropfreiser vorgezeigt, welche schon in demselben Jahre ein starkes Wurzelgeflecht gebildet hatten und von den Angriffen der Phylloxéra ganz verschont geblieben waren.

Er sezt die Erneuerung seiner noch nicht gärzlich zerstörten Weinberge in großem Massstabe fort.

Es ist bemerkenswerth, daß er diese Operation in einem von der Phylloxéra ganz infizirten Boden vornimmt, und daß er in Anbetracht der lebhaften Vegetation dieser Stöke nur 2000 Reiser einsezte, da wo man sonst 4000 Aramon- oder Terrct-BourretReben bedürfte.

Wir wollen uns nicht länger an diesem Kapitel aufhalten, und schließlich nur noch anführen, daß dieses ein wichtiges Hülfsmittel gegen die Verbreitung der Phylloxéra bietet. Leider aber werden die erhaltenen Produkte, wie wir wiederholen, sehr schwer in die allgemeine Konsumtion Eingang finden, weil sie einen allen diesen Weinsorten eigenthümlichen Ges< hmak nach schwarzen Johannisbeeren und einen äußerst starken Alkoholgeh lit haben. Eine Ausnahme hiervon bilden nur der Cynthiana und sein Namensgenosse der Jaques.

Die wahre Lösung der Erneuerung und Wiederherstellung des europäischen Gewächses durch amerikanische Reben könnte nur auf dem Wege des Pfropfens von Reisern europäischer Sorten auf Unterlagen amerikanischen Ursprunges erzielt werden.

Wenn Hr. F a b r e diesen Versuch nicht gemacht hat, so liegt der Grund dafür darin, daß er aus seinen Operationen schon in kürzester Zeit Nuzen ziehen wollte, und weil er durch das Propfen

1051 amerikanischer Reiser auf europäische Stöke in zwei Jahren nach Durchführung der Manipulation schon Wein erndten kann; auch hegt er die Hoffnung, daß durch das Versezen amerikanischer lieben in einen anderen Boden und in ein anderes Klima das Produkt eine Aenderung erfahren und mehr oder weniger den europäischen Erzeugnissen gleichkommen wird. Der Versuch, durch welchen wir hoffen, Weine zu erhalten, welche dem jezigen europäischen Erzeugnisse ähnlich sind, besteht in dem Ppfropfen europäischer Reiser auf amerikanische, der Phylloxéra widerstehende Stöke. Dieser Versuch ist von Hrn. B o u c h e t (einem sehr bekannten Rebzüchter) gemacht und mit Erfolgt gekrönt worden. Nach vielen ausdauernden Bemühungen ist es Hrn. B o u c h o t gelungen, eine Spielart zu ziehen, die als ein besonderes Gewächs angesehen wird, mich seinem Namen ,,Pelit-Bouchet" benannt ist und eine Bastardform zwischen dem .,Terret-Bourret" und dem ,,Tenturier de Bourgogne" bildet.

Hr. B o u c h e t hat am 30. März vergangenen Jahres öl Reiser von- Aramon auf Unterlagen von Clinton und Jaques gepfropft.

52 dieser Reiser sind gediehen, und die Mitglieder des Kongresses haben mehrere Probeexemplare der Reiser untersucht und sich dabei überzeugt, daß sie vollkommen angewachsen waren.

Wenn diese Versuche auch fernerhin solche befriedigende Resultate liefern, so dürfte darin eine praktische Lösung gefunden werden.

Die Einwendungen gegen dieses System sind folgende: Man sagt, daß es mehrere Jahre erheische, um aus einem amerikanischen Sezlinge einen Wurzelstok zu erhalten, welcher fähig sei, in den Spalt gepfropft zu werden. -- Man wendet ferner ein, daß, wenn ein europäisches Pfropfreis unter der Erde eingesezt werde, es Würzelchen treiben müsse, an welche sich die Phylloxéra ansezen und welche diese dann zerstören würde.

Dies allgemeine Erörterung über die amerikanischen Gewächse führte zu der Frage über den Ursprung und die Herkunft der Phylloxéra.

Die Ansichten der Rebzüchter, welche sich mit diesem Gegenstände beschäftigt haben, sind in der angeregten Frage getheilt; in M o n t p e l l i e r waren die verschiedenen Anschauungen durch zwei hervorragende Redner vertreten.

Hr. Planchon behauptet schon seit längerer Zeit, daß die Phylloxéra aus Amerika komme und daß das verruchte Thier in Europa vor der Einfuhr amerikanischer Reben unbekannt gewesen sei.

1052 Hr. Lalliman vertheidigt den entgegengesezten Standpunkt; und ist der Ansicht, daß die amerikanischer Reben die Phylloxéra bei uns nicht haben einführen können, da dieselben dem Insekt unzugänglich seien.

Die Frage scheint uns in dieser ihrer Stellung unlösbar, da die Einen die amerikanische Rebe als Urheberin des ganzen Uebels verpönen, während die Anderen die Verbreitu g derselben als einzige Abhülfe dös Uebels und alleiniges Mittel zur Wiederherstellung der Weinberge begünstigen.

Durch gegenseitiges Nachgeben gelangte man zu folgender Uebereinkunft : Es sei die Einfuhr amerikanischer Weinstöke in die nicht infizirten Gegenden zu verbieten, hingegen in die von der Phylloxéra bereits befallenen zu empfehlen.

Wenn das Thema über die Herkunft der Phylloxéra und insbesondere die Frage, ob dieselbe die U r s a c h e oder die W i r k u n g der Rebenkrankheit sei, beiderseits noch lebhafte Erörterungen veranlaßt, so ist man doch über eine Thatsache einig, nämlich über die furchtbare, verderbliche Macht dieser Pie ge Zweihunderttausend Hektare Weinberg sind in Frankreich zerstört, und eine Million Hektare sind angegriffen und bedroht.

Und um einen Begriff von der wirthsc laftlichen Bedeutung des gegen diesen Feind unternommenen Vernichtungskampfes zu geben, führen wir noch an, daß die Weintransporte im mittäglichen Frankreich 70 °/o der Total-Einnahme von dem Waarenverkehr auf der Bisenbahn Paris-Lyon-Mittelmeer, und 45 °/o von der Total-Einnahme für Waaren auf der Linie von Orleans bildeten.

Wir gelangen nun zu der ungeheuren Anzahl vorgeschlagener Heilmethoden, welche sich entweder nur als I n s e k t e n g i f t , oder nur als D ü n g e r, oder als I n s e k t e n g i f t und D ü n g e r zug l e i c h darstellen.

Wir senden voraus, daß die Anwendung des einfachen Insektengiftes jeden Tag weniger Anklang findet. Keines der vorgeschlagenen insektentödtenden Mittel hat einen wirklichen Erfolg geliefert. Dieses negative Resultat begünstigt die Verbreitung der Ansicht, daß die Phylloxéra nur die Wirkung und nicht die Ursache sei. Denn, so sagt man, es ist jezt bewiesen daß ein durch gewisse Dünger gestärkter und neu gekräftigter Weinstok der Phylloxéra widersteht; folglich kann die Phylloxéra einem vollkommen gesunden Weinstok keinen Schaden zufügen, und greift

1053 sie nur die durch eine langjährige Produktion abgeschwächten oder in einen» erschöpften Boden stehenden Stöke an. Wir überlassen es der weiteren Erfahrung, in Bezug auf die Frage der Ursache und Wirkung ein endgültiges Urtheil zu fällen. Man steht hier vor einer Frage, welche eben so schwierig ist, wie diejenige über den Ursprung des Feindes selbst. *)· Es ist uns nicht möglich, alle vorgeschlagenen Heilmethoden hier aufzuzählen ; wir werden uns daher darauf beschränken, den Veröffentlichungen der Versuchskommission für das Département H é r a u l t und anderen zuverlässigen Nachrichten das Wichtigste über diejenigen vorgeschlagenen Mittel zu entnehmen, deren Wirksamkeit durch den Versuch und die praktische Anwendung erwiesen ist.

Die Kommission für das Département H é r a u l t hat ihr Versuchsrebland zu L a s - S o r r è s bei Montpellier in Quadrate mit je 25 Weinstöken eingeteilt. Diese Quadrate sind durch doppelte Reihen von Weinstöken von einander getrennt ; die lezteren erhalten gar keine Pflege, und zwar in der doppelten Absicht, einmal zu verhindern, daß die auf den verschiedenen Quadraten angewendeten Substanzen irgend einen Einfluß auf einander ausüben, und sodann, um sie später zu einer Vergleichung mit den behandelten Parzellen benuzen zu können. Diese Versuche wurden 1872 begonnen, und zwar auf 51 Quadraten, die 51 verschiedenen Behandlungsweisen unterworfen wurden. Am Ende des Jahres 1872 zeichneten sich einige Quadrate durch ein dunkleres Grün der Blätter und stärkere Triebe aus.

Es waren dies die Quadrate, auf welchen folgende Behandlungsarten augewendet worden waren : Schwefelkalium in Urin aufgelöst ; Schwefelkalium in Wasser aufgelöst; Schwarze, in Wasser aufgelöste Seife ; Mischung von Hofmist, Holzasche und in Wasser aufgelöstem Chlorammonium (Salmiak).

1873 wurden die Experimente fortgesezt. Man versuchte 140 Verfahrungsweisen auf 140 Quadraten. 35 dieser Methoden brachten eine Besserung zu Stande, 9 übten eine schädliche Wirkung. Die *) Eine jede, ohne vorhergefaßte Meinung angestellte Beobachtung beweist, daß die Phylloxéra wohl die Ursache der Krankheit der Reben ist.

Der Schmarozer greift auch die jungen und kräftigen Weinstöke an und zerstört sie. Wenn man durch starke Düngungen die erkrankten Weinstüke in einen besseren Zustand zurükführt, so vermehrt man einfach ihre Kraft, dem Feinde Widerstand zu leisten.

S.

1054 bei den erstgenannten Proben angewendeten Mittel, welche die kräftigste Wirkung hervorbrachten, waren folgende : Schwefelkalium in Urin aufgelöst; Eine, Mischung des schwefelsäurehaltigen Düngers von Berre, mit Repskuchen und schwefelsaurem Eisenoxydul ; Schwefelkalium in Wasser aufgelöst ; Kali-Seife, in Wasser aufgelöst ; Ruß; Ein« Mischung von Hofmist mit, Holze sehe und von Chlorammonium (Salmiak].

Kuhurin, allein oder mit Beimischung von Wachholderöl oder Gastheer.

Im Ganzen genommen fand mau in jeder Behandlungsart solche Dünger, deren Wirkung günstig gewesen war.

Unter den Verfahrungsweisen, welche Nachtheile für den Weinstok mit sich brachten, befanden sich die Insektengifte ohne irgend eine düngende Eigenschaft, wie der Schwefelkohlenstoff, das Terpentinöl, das Petroleum, die schweren Gasöle, und nicht verdünnte Phenylsänre.

Die Schlußfolgerungen der Kommission waren die, daß der Hofmist und die übrigen Dünger, besonders diejenigen, welche reich an Kali und au stikst off haltigen Bestandtheile sind, immerhin einige gute Wirkungen auf die kranken Reben geübt haben, indem sie das Wachsthum derselben beschleunigten und wenigstens die Vollendung einer, wenn auch mäßigen Fruchtbarkeit ermöglichten, ohne jedoch im Stande zu sein, die Phylloxéra zu vertreiben.

Im Jahre 1874 sind die Versuche nur noch auf den 35 Quadraten fortgesezt worden, auf welchen man eine Besserung konstatirt hatte. Drei Quadrate hatten wieder entschieden einen sehr blühenden Zustand erlangt, und mehrere andere gediehen so gut, daß mau hoffen darf, sie bald wieder ihre ursprüngliche Kräftigkeit wiedergewinnen zu sehen.

Indessen ist die Phylloxéra nirgends verschwunden.

Der Weinstok kann also leben und wieder zu Kräften gelangen troz der Phylloxéra, wenn er zwekmässig behandelt wird. Q u o d e r a t p r o b a n d u m ! -- Das ist die Thatsache, die wir im Eingange unseres Berichtes als eine wichtige Errungenschaft, hingestellt haben.

Diejenigen Mittel, welche in Bezug auf die Fruchtbarkeit die schönsten Resultate geliefert haben, sind auf jeden Stok bezogen:

1055 1) Eine Mischung von 5 Kilogrammen Hofmist, l Kilogramm Holzasche, 5 Liter Wasser und 60 Gramm Chlorammonium (Salmiak) ; 2) 5 Kilogramm Hofmist, 2 Liter Asche und 1/2 Liter leiten Kalkes ; 3) 10 Liter Kuhurin und 1/10 Liter Wachholderöl: 4) 15 Liter Kuhurin allein : 5) l Kilogramm Rieinuskuchen ; 6) 100 Gramm Schwefelkalium und 20 Liter Menschenurin 7) 15 Liter Kuhurin und 3/4 Liter Gastheer; 8) 500 Gramm (l Pfd.) Ruß; 9) 60 Gramm schwefelsaures Eiscnoxydul, 240 Gramm schwefelsäurehaltigen Düngers von Berre und 200 Gramm Ropskuchen.

Wir beschließen die Darstellung der Versuche der Kommission durch folgende Bemerkung: Es ist klar, daß die keiner besonderen Pflege unterworfenen Stöke eines jeden Quadrates eine beständige Gefahr für die behandelten Stöke waren, und daß ein Versuch an ganz abgesonderten Stöken noch günstigere Resultate ergeben hätte.

Außer dieser ernsten, von den angesehensten Weinbauern des südlichen Gebietes angestellten Untersuchung machen wir alle Personen, welche sich für die Lösung der Frage der von der Phylloxéra verursachten Rebenkrankheit interessiren, noch auf folgende Punkte, aufmerksam : A. In Betreff der Versuche des Hrn. M o n es t i er mit Schwefelkohlenstoff. Dieses Insektengift, für den Gebrauch kostspielig und zugleich gefährlich, muß so abgemessen sein, daß es nicht zugleich die Phylloxéra und den Weinstok tödtet: es darf außerdem nur unter besonderen klimatischen Verhältnissen angewendet werden ; so z. B. haben die bei großer Hize vorgenommenen Versuche in der That zu einer bedaueruswerthe Erfolglosigkeit geführt ; dennoch befinden sich brauchbare und besonders durchgreifend wirkende Elemente eines insektentödtenden Mittels in dieser Substanz.

B. In Betreff der Behandlung kranker Stöke durch das Kalium-Sulfocarbonat. (Verb, des Schwefelkohlenstoffes mit Schwefelkalium), empfohlen von Hrn. Dumas, und mit Erfolg zu Cognac von Hrn. M o u i l l e f e r t angewendet. Hundert Gramm einer Lösung von Kalium-Sulfocarbonat in Gaben von 30 bis 40 Gramm werden

1056 in eine kleine Vertiefung uni den Fuß eines jeden Stokes gegossen.

Die Zersezung des Salzes erfolgt im Boden, und der erzeugte Schwefelkohlenstoff tödtet, wie man behauptet, die Insekten, ohne daß das Wachsthum der Rebe darunter leidet. Es erstiken selbst die Thiere, welche sich an den äußersten Enden der längsten und sehr tief liegenden Wurzeln hundert Jahre, alter Stöke festgesezt haben.

. - , . - · Dies bestätigt der über die genannte Methode erstattete Bericht von Hrn. Cornu welcher von der Akademie der Wissenschaften zu den in den infizirten Weinbergen des Departements Gard vorgenommenen Versuchen besonders abgeordnet, war.

C. Gewisse Arten von Steinkohlentheer haben befriedigende Resultate geliefert; sie haben sich als von genügend giftiger Wirkung erwiesen, um die Insekten an den äußersten Enden der Wurzeln sogar sehr alter Stöke zu tödten.

, Diese Versuche sind besonders gut gelungen mit dem Steinhohlentheer von B e s s è g e s , welchen Hr. P e t i t von N î m e s gebraucht und schon .lange empfohlen hatte.

Die Herren B a l b i a n i und D u m a s haben dieses Verfahren geprüft und dessen heilsame Wirkung bestätigt; sie schreiben die besondere Wirkung dieses Theers dem großen Gehalte an einem Kohlenwasserstoffe zu, welcher in der troknen Destillation bei etwa 200 bis 250 Graden übergeht.

, i · Der diesem Zweke am besten entsprechende Kohlentheer wird wohl derjenige sein, welcher die größten Mengen dieses Kohlenwasserstoffes enthält und als eine Mittelstufe zwischen den sogenannten schweren' Oelen und den sehr flüchtigen Verbindungen dieser Art betrachtet werden muß.

· Dieses sind die Grundzüge der Resultate, welche die Verhandlungen des mit ? den Fragen des Weinbaues oder vielmehr' der Phylloxéra beschäftigt gewesenen Kongresses zu Montpellier geliefert haben.

' Wir, Bewohner der Schweiz, die wir das Glük haben, aus den in Frankreich seit längerer Zeit gemachten Forschungen und Erfahrungen Nuze zu ziehen, können daraus folgern, wie wir noch keine Ursache haben, an der Zukunft unseren Weinberge zu verzweifeln, und wie wir im Gegentheile hoffen, können, daß wir, wenn wir unseren Reben helfen, sich zu schuzen, es dahin bringen werden, die Epoche der Phylloxéra zu überwinden, ohne die wichtigst Quelle unseres landwirthschaftlichen Wohlstandes versiegen zu sehen.

· ,

1057 Aber, um dieses Resultat zu erzielen, muß g e h a n d e l t werden.

Wir müssen uns entschließen, entweder den gegenwärtigen Herd der Anstekung bei Prégny, Kanton Genf, auszurotten und zu zerstören, da die im Kanton Genf und Waadt angestellton Nachforschungen keine andere Infektionsstelle entdekt haben; ode.r aber uns für den Ausweg zu entscheiden, die drei vorgefundenen Anstekungspunkte nach demjenigen Verfahren in Behandlung zu nehmen, welches auf dem Probefelde zu L a s - S o r r e s die besten Resultate geliefert hat.

Wenn das Ausrotten mit der größtmöglichen Vorsicht und Behutsamkeit vorgenommen würde, so könnte uns dasselbe vielleicht vollständig von dem schreklichen Feinde befreien: es wirft sich aber dabei die Frage über die für die Zerstörung der befallenen Weinberge zu bezahlende Entschädigung auf. Wer soll diese pekuniäre Verantwortlichkeit übernehmen? Was die Behandlung der von der Phylloxéra ergriffenen Rebberge betrifft, so müsste dieselbe von einer eigens zu diesem Zvveke eingesezten kantonalen Kommission überwacht, und sollte dabei ein Theil der durch diese Behandlung entstehenden Kosten, die im Allgemeinen ziemlich bedeutend sind, von der Gesammtheit der Rebenbesizer, dio ja alle für die Erhaltung der Weinberge interessirt sind, gei ragen werden.

H i l f dir s e l b s t , so w i r d dir G o t t h e l f e n ! Wenn das Ausrotten oder die Behandlung durch die oben erwähnten Mittel uns nicht die Möglichkeit gewähren, unsere Weinberge zu retten, so können wir - wie es Hr. V i c o m t e de la L o y ère, einer der Vicepräsidenten der Landwirthschafts-Gesellschaft von Frankreich, welcher mit dem Ehrenpreise des Departements Saône und Loire gekrönt wurde, ein Besizer ausgedehnter Weinberge im Bezirk C h a l o n n a i s , erhofft -- unser Heil nur noch von der rauben Witterung unseres Klima's, von den Frösten, Hegen, dem späten Erwachen und dem frühen Stillstand der Vegetation in den Weinbergen unserer Gegend erwarten, welche Umstände der Acclima tisirung der Phylloxéra in unserem Lande ein natürliches Hinderniß entgegenstellen können.

Wir können nicht schließen, ohne es noch auszusprechen, welch' eine freundliche Aufnahme und herzliche Gastfreundschaft uns in M o n t p e l l i e r zu Theil wurde. Nicht nur haben der Delegirte der Regierung, Hr. Generalinspektor H a l n a du F r e t a y , Hr. D r o u y n de l ' H u y s , Präsident des Weinbau-Kongresses,

1058 Hr. A. Malo, Generalinspektor der Landwirtschaft, und Hr. Gaston Bazille Präsident der landwirthschaftlichen Gesellschaft des Departements H é r a u l t , uns wiederholt beglükwünscht und willkommen geheissen, man hat auch unserem Kollegen, Hrn. Sch n e t z l er, die Ehre erwiesen, ihn zu einem der Vicepräsidenten des Kongresses zu ernennen.

Unsere eidgenössische Fahne wehte w ährend der ganzen Dauer der Versammlung auf dem Sizungsgebäude, und unsere Beziehungen zu den Organisatoren des Weinbau-Kongresses zu M o n t p e l l i e r waren so freundlicher Art, daß es uns., möglich scheint, die Abhaltung des d r i t t e n Weinbaukongresses der französischen Landwirthschafts-Gesellschaft in einer der Städte am Genfersee, z. B.

Vivis, xu erwirken, im Falle eine förmliche Einladung von Suite der Weinbaugesellschaften unseres Landes an die, Ende Januar 1875 in Paris stattfindende Generalversammlung der französischen Landwirthschaftsgesellschaft ergehen sollte.

Durch diesen in der Schweiz abgehaltenen Kongreß würden unsere beim Weinbau befolgten Methoden, so wie unsere Landeserzeugnisse in weiteren Kreisen bekannt werden, und hierdurch in lezterer Beziehung alle Vortheile dargeboten, welche aus einem neuen Absazwege, 'entspringen können.

Ausser zu den eigentlichen Sizungen sind die Mitglieder des Kongresses eingeladen worden, zwei große, auf den Betrieb des Weinbaues eingerichtete. Besizthümer zu besuchen, das eine zu Saporta, dem Hrn. V i al a, Präsidenten des Seidenbau-Kongresses, das andere xu St. S a u v e u r , dem Hrn. G a s t o n B a x i l l e , welcher mit dem Ehrenpreise für das Département Hérault gekrönt wurde, gehörend.

Beide sind für großartige Weinerndten in einem Maßstabe angelegt, von welchem wir in unserem Lande keinen Begriff haben.

Das erste Besizthum enthält 80 Hektare, Weinberg, das zweite 30; alle beide haben ungeachtet einiger von der Phylloxéra angegriffener Stellen dieses Jahr durchschnittlich 150 Hektoliter Wein per Hektare geliefert Endlich führte man uns am Sonnabend den 31. Oktober nach dem Schlüsse des Kongresses gen C e t t e , um uns daselbst zwei .oder drei der größten Weinlager zu zeigen, unter anderen diejenigen des Hauses N o i l l y - P r a t in Cette.

Dieses Haus beschäftigt sich mit naturgemäßen Mischungen der Weine in großen Quantitäten behufs der Bereitung
des Wermuths.

Es kauft xu diesem Zweke große Vorräthe von P i q u e p o u l e und T e r r e t - B o u r r e t ein, die sich für sein Lager zu C e t t e auf 55,000 Hektoliter und für dasjenige zu M ars eill a n auf 40,000 Hek-

1059 toliter beziffern. Da. begegnet man unübersehbaren Reihen großer Lagerfässer (Fuder), von welchen einige bis 650 Hektoliter Wein fassen.

Die Verbindung dieser gemischten Weine, aus welchen der Wermuth-Liqueur hervorgeht, wird zu Marseille vorgenommen.

In Cette haben wir auch das Etablissement des Hrn. Wirifa erg u. C i e. besucht, welches sich hauptsächlich mit Bereitung feiner Weine beschäftigt, wobei größtenteils Weine der Picardie verwendet werden.

Am Nachmittag desselben Tages brachten uns die Dampfboote von Etang de Thau und die Corvette ,,Ecole des Mousses' von Cette nach M è z e zu den Lagern des Hauses P a u l T h o m a s .

Dieses Haus fabrizirt X è r è s, Oporto, Madèra und S h e r r y zum Export. Es ist das größte Geschäft dieser Art in Ni o d e r L a n g u e d o c . Seine Lager enthalten insgesammt bis 100,000 Hektoliter.

Die Herren Paul T h o m a s kaufen große Vorräthe von Terr e t - B o u r r e t und P i q u e p o u l e , kräftigen dieselben durch Weingeist bis auf etwa 20 Grad am Alkoholometer, dann versüßen sie diese Weine je nach dem Begehren der überseeischen Käufer mit Weinmost, welcher bis auf etwa 20 Prozent Zukergehalt konzentrirt worden war.

Durch diese Behandlung erhalten sie M a d e r a , O p o r t o und Sherry, welche sehr angenehm sind und wovon die meisten zu 50 fr. per Hektoliter geliefert werden.

Die Operationen dieses Hauses werden in so großartigem Maßstabe betrieben, daß die Zeitersparniß in jeder der verschiedenen Verrichtungen ihr beständiges Bestreben ist. Auch haben wir dirselbst viele praktische Einrichtungen vorgefunden, die hier angeführt zu werden verdienen. Wir erwähnen unter anderen : Einen kleinen Apparat, welcher dazu bestimmt ist, den Ausfluß des Weines aus einem Fasse zu beschleunigen.

Kommt ein Faß Wein vom Verkäufer au, so wird es sogleich auf die Oeffnung eines großen Behälters gerollt, aus welchem der Wein mittelst mächtiger Dampfpumpen in die großen Lagerfässer getrieben wird. Jeder weiß, daß der d u r c h einen e i n z i g e n P u n k t aus dem Fasse fließende Wein ein Gluglu-Geräusch von sieh gibt und langsam abläuft. Die Fabrikanten zu Mèze gebrauchen hierzu eine kleine, mittelst Feder auf das offene Spundloch befestigte Luft-Zuleitungsröhre. Diesen Apparat steken sie in das Spundloch, kehren Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. 111.

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1060 dann das'Faß üBer der Oeffnung des Behälters um, und der Wein fließt mit großer Leichtigkeit und ruhig ab.

Wir haben gesagt, daß Dampfpumpen den Wein von den Keltern in die Lagerfässer hinübertreiben; diese Anlagen sind von bedeutendem, Umfange und geben einen Begriff von dem großartigen Betriebe dieses Hauses; man sagt, daß sich derselbe- in der That auf mehr als 130,000 Hektoliter per Jahr belaufe, was eine Bearbeitung von mehr als 430 Hektoliter per Arbeitstag darstellt.

Wir haben außerdem mit großem Interesse den Apparat betrachtet, welcher dazu bestimmt ist, die Alkoholgährüng des Weinmostes, welcher der Konzentration unterworfen werden soll, zu verhindern. Dieser Apparat besteht in einer Bütte, in deren unterem Theil ein Ofen Schwefeldämpfe hineinbläst, und in welche andererseits der Weinmost von oben durch einen Vertheil- und FiltrirApparat eingegS&sen' wird.

So behandelt kann der Most ungewöhnlich lange aufbewahrt werden, bis zu dem Zeitpunkte, in welchem er durch Abdunstung so weit kondensirt ist, daß der Volum-Verminderung ein Zukergehalt des Mostes von 20 Prozent entspricht.

Hr. St. Pierre, Professor zu M o n t p e l l i e r , war so gefällig, uns durch eine an Ort und Stelle anberaumte Besprechung über alle Stadien des Verfahrens zu belehren. Wir sind dabei zur Ueberzeugung gekommen, daß bei der Fabrikation der Cette'schen Weine gar keine Verfälschung vörEörmnt: Er nannte uns hierauf einige Zahlen, welche darthun, wie unendlich wichtig diese Industrie ist..

Zuerst wies er darauf hin, daß man mit Unrecht von der Beimischung fremder Substanzen, wie z. B. Feigen, Rosinen, Zuker etc.

spreche, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese Zusäze zu theuer zu stehen kämen, um den O p o r t o , M a d è r e , X é r è s und Sherry zu 50 fr. per Hektoliter liefern zu können.

Eben so unbegründet sei auch die Meinung, daß die Fabrikanten Farbstoffe anwenden, indem alle diese fabrizirten Weineeinfach nur aus weißem Weine bereitet werden können.

Er fügte dieser seiner Auskunft noch die Bekräftigung der Thatsache bei, daß alle diese Nachbildungen der verschiedenen Weine nur mit reinem Gewächse vorgenommen werden können.

Endlich hat er uns noch die Wichtigkeit dieser Bearbeitungen in Rüksicht auf den Absaz des Wein-Erzeugnisses erklärt. Aus den statistischen Angaben ergibt sich in der That, daß von diesen zum E x p o r t d a r g e s t e l l t e n W e i n e n , welche also dem europäischen.

1061 Markte gar keine Konkurrenz bereiten, über 800,000 Hektoliter im Süden erzeugten Produktes versendet werden. Dieses Quantum, zu 50 Fr. per Hektoliter berechnet, stellt also einen Verkaufswerth von 15,000,000 Fr. dar, und um eo viel weniger wird folglich auf den Markt unserer Länder gebracht.

Es ist sowohl in den Verhandlungen des Kongresses, als auch auf den außerhalb der Sizungen veranstalteten Ausflügen noch eine Menge interessanter Aufschlüsse und Erörterungen vorgekommen, die wir aber, da dieselben verschiedene, nicht unmittelbar mit der Aufgabe zusammenhängende Besprechungsgegenstäude berühren, nicht mehr Aveiter verfolgen.

Das ist unser Bericht

G e n f , den 10. November 1874.

Demole.

Sclmetzler, Professor.

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# S T #

Bericht der

Finanzsektion der nationalräthlichen Kommission für Prüfung der neuen eidgenössischen Militärorganisation.

(Vom 21. Juli 1874.)

I.

Nach der Staatsrechnung für das Jahr 1873, deren Detailergebnisse wir hier in Erinnerung bringenzuu sollen glauben, betragen die Einnahmen der Eidgenossenschaft die Summe von Fr. 31,778,416. 24; abgesehen von der Konstruktionswerkstätte, dem Laboratorium und der Patronenhülsenfabrik. Das Rechnungswesen dieser Werkstätten ist insoweit ein eigenes, daß man es bei der Beurtheilung der Hilfsquellen des Bundes außer Betracht lassen kann.

Dagegen berüksichtigen wir unter den Ausgaben nur das Deficit dieser Anstalten.

Ferner haben wir unter den Einnahmen den Betrag von Fr. 15,548. 66 für Miethe von Artilleriematerial gestrichen, da nach der neuen Bundesverfassung diese Einnahme, welcher eine kantonale Ausgabe entspräche, dahinfallen wird.

Nach der Staatsrechnung von 1873 sind die eidgenössischen Ausgaben auf die Summe von Fr. 26,100,203. 31 angestiegen; in dieser Ziffer sind die Summen nicht Inbegriffen, welche den Kan-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der schweiz. Abgeordneten an dem Weinbau-Kongress in Montpellier. (Vom 10.

November 1874.)

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1874

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3

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56

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31.12.1874

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1043-1062

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