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# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Geldscala.

(Vom 7. Oktober 1874.)

Tit.!

Die Bundesverfassung von 1848 enthielt im Art. 39 die Vorschrift, daß die Beiträge der Kantone nach Verhältniß der Geldscala zu leisten seien, welche alle 20 Jahre einer Revision unterworfen werden solle mit der nähern Bestimmung: Bei e i n e r solc h e n R e v i s i o n s o l l e n theils die B e v ö l k e r u n g , theils die Vermögens- undErwerbsverhältnissee der K a n t o n e zur Gru n d l a g e dienen. In Ausführung dieses Artikels hat die Bundesversammlung durch das Bundesgesez vom 9. Juli 1851 die Geldscala festgesezt, nach welcher die Beiträge der Kantone in 10 Klassen von 10 Rappen bis l Franken per Kopf der Gesammtbevölkerung berechnet sind, im Gesammtbetrage von Fr. 1,041,081 (Amtl. 8ml. Bd. II., S. 369). Die Grundsäze, durch welche sich die Bundesversammlung hiebei leiten ließ, sind in dem Berichte der nationalräthlichen Kommission vom 6. März 1851 enthalten. (Bundesblatt Bd. I, S. 379). Esbefindett wich dabei eine Tabelle, in welcher die Geldscalen zur Zeit der Mediationsverfassung und derJahree 181 (i, 1838, sowie mehrere Vorschläge d e r vorberathenden Behörden Berichte selbst ist nach Anführung der Schwierigkeiten, einen sichern

162 Maßstab zur Ausmittlung der kantonalen Beiträge zu finden, nachstehende Schlußbemerkung enthalten: ,,So wird man denn mit Nothwendigkeit darauf hingewiesen, ,,bei Festsezung der eidgen. Scala einen andern Standpunkt einzu,,nehmen, sich zwar mit allen den verschiedenen Momenten, die ,,bei Beurtheilung der ökonomischen Lage eines Kantons in Betracht ,,kommen können, bekannt zu machen, dann aber nach freiem Er,,messen und ohne eine haarscharfe Rechnung zu Grunde legen zu ,,wollen, somit eben, wie wir uns oben ausgedrükt, nach einem, ,,gewissen Takte die einzelnan Kantone zu taxiren. Es ist dieser ,,Standpunkt auch von den Experten, welche das eidgen. Finanz,,departement zur Begutachtung der Geldscalaangelegenheit einbe,,rufen hat, von dem Bundesrathe und von dem Ständerathe auf ,,Grundlage der Berichterstattung seiner Kommission eingenommen ,,worden; kommt doch in der, den Gesezentwurf betreffend die ,,eidgenössische Geldscala einbegleitenden Botschaft des Bundes,,rathes, sowie in dem Gutachten der ständeräthlichen Kommission ,,der bezeichnende Ausdruk vor, es müsse bei der Feststellung der ,,eidgenössischen Geldscala juryartig zu Werk gegangen werden.a Am 12. Heumonat 1871, nach Ablauf des 20jährigen Termins, erließ die Bundesversammlung einen Beschluß, der folgende Bestimmung enthält: ,,Das Bundesgesez über die eidgenössische Geldscala vom 9. Heu,,monat 1851 und dasjenige u. s. w verbleiben in Kraft, soweit sie ,,nicht bereits schon abgeändert oder aufgehoben sind." Hierauf folgte die Revision der Bundesverfassung, die am 29. Mai 1874 in Kraft trat und im Art. 42, Litt, f die Bestimmung enthält : ,,D i e ,, A u s g a b e n des B u n d e s w e r d e n b e s t r i t t e n a, b, c, d, e ,,und f aus den B e i t r ä g e n der K a n t o n e , d e r e n n ä h e r e ,,Regulirung v o r z u g s w e i s e n a c h Maßgabe der Steuer,, k r a f t d e r s e l b e n d e r B u n d e s g e s e z g e b u n g vorbehal,,ten ist."

Im französischen Exemplar heißt es: ,,Litt. f. par les contributions des Cantons que réglera la légis,,lation fédérale, en tenant compte s u r t o u t de leur r i c h e s s e et ,,de l e u r s r e s s o u r c e s imposables. a Die Diskussion über diesen Artikel (Protokoll S. 167) gibt keinen zuverläßigen Haltpunkt zur Beurtheilung der Frage, was unter dem Ausdruk ,,Steuerkraft" zu verstehen
sei. Es wurde nur bemerkt, daß die Steuerkraft jedenfalls nicht den einzigen Faktor bilden solle, welcher hier in Anschlag komme, es gebe noch andere Verhältnisse,

163 wie z. B. gerade die Bevölkerung, welche liier in Betracht zu fallen habe. Deßwegen wurde in der Redaktion vor dem Worte ,,Steuerkraft" das Wort v o r z u g s w e i s e eingeschaltet (Protokoll S. 168).

Mit dieser Erläuterung ist nun gegenüber der Bestimmung im Art. 39 der Bundesverfassung von 1848 kein erheblicher Unterschied mehr vorhanden, indem die Bevölkerung, die Vermögensund Erwerbsverhältnisse eben die Hauptfaktoren der Steuerkraft sind, die nach der neuen Bundesverfassung vorzugsweise in Betracht kommen sollen, wozu dann noch nach dem französischen Texte das Wort ,,richesse" hinzukommt. Um nun nach dieser Richtschnur die Beiträge der Kantone mit einiger Zuverläßigkeit festsezen zu können, ist es von Interesse, die Gesammteinnahmen der Kautone kennen zu lernen. Hiefür liegt vom statistischen Bureau eine Arbeit vor, nach welcher die Gesammteiniiahmen und Ausgaben der Kantone vom Jahre 1868 tabellarisch geordnet zusammengestellt sind.

Auf den ersten Blik ist ersichtlich, daß die indirekten Steuern, Vermögens- und Einkommenssteuern allein nicht maßgebend sein können. Bei den verschiedenen Steuersystemen der Kantone zeigt es sich, daß einige ihre Ausgaben vorzugsweise aus direkten Steuern bestreiten, andere mehr auf indirekte Steuern verlegen, namentlich auf Salz, Getränke, Zölle, Posten, Handänderungen, Erbschaften, Patente, Stempel, Bußen u. s. w. Mehrerebehelfenu sich auch mit dem Ertrag von Kapitalien, Domänen, Forsten und Separtfonden..

Es ist daher ohne Zweifel richtiger, dieGesammt-Netto-Einnahmeni der Kantone in Betracht zu ziehen. Aber auch diese Uebersicht gibt keinen zuverläßigen Maßstab, die Steuerkraft eines Kantons zu berechnen. Es sind Kantone, die in der glüklishen Lage sich befinden, keine außerordentlichen Ausgaben für Eisenbahnen, Straßen, Wasserbautenbestreitenu zu müssen, oder die Kosten aus Separatfonds erheben oder die Gemeinden damit belasten. Mehrere verwenden nichts für wohlthätige Anstalten, Spitäler, Irrenhäuser, Kranken-, Blinden- oder Taubstummenanstalten, während andere Kantone, obschon ihre Steuerkraft weit geringer ist und ihre ökonomischen Verhältnisse weit beschränkter sind, sehr viel in diesen Richtungen leisten. Die wirklichen Einnahmen können daher keinen sichern Maßstab zur Ermittlung der vorhandenenSteuerkraftt geben.

Wäre dieses der Fall, so
würde man auch genöthigt sein, sich die Rechnungen derlezteni Jahre, geben zu lassen und dieselben nach gleichen Grundsätzen zu bearbeiten, was seine großen Schwierigkeiten hätte.

Diese Betrachtungen führen uns auf den Staudpunkt zurük, den die Kommission des Nationalrathes in ihrem Berichte vom

164 6. März 1851 eingenommen hat, nach welchem die eidgenössische Scala unmöglich auf eine mathematisch sichere Grundlage gestellt, sondern lediglich nach einem gewissen Takte festgesezt werden kann. *) Die Hauptänderung des neuen Vorschlages gegenüber der Scala von 1851 besteht in Annahme der Bevölkerung von 1870, die seit der Zahlung vom. Jahr 1850 von 2,395,174 Seelen auf 2,669,147 angewachsen ist. Die Steuerkraft ist für jeden Kanton nach dem Ansaze einer Durchscliuittssumme per Kopf berechnet, die mit der bisherigen Scala und der Berechnung der wirklichen NettoEinnahmen vom Jahr 1868 nicht sehr erheblich abweicht.

Der Bundesrath hat sich daher auch nur zu wenigen Abänderungen veranlaßt gefunden, und die Erhöhung der Beiträge der Kantone beruht im Wesentlichen nur in der Vermehrung der Bevölkerung, so daß die Gesammtsumme der Scala von Fr. 1,041,081 auf 1,182,852 angestiegen ist.

Diese Abänderungen werden in Nachstehendem näher begründet : Der Kanton Uri stellt sich nach den Staatseinnahmen von 186& auf eine Durchschnittssumme von Fr. 28,5 per Kopf und ist auch durch den Bau der Gotthardbahn in günstigere ökonomische Verhältnisse getreten, so daß die Erhöhung des Ansazes von Rp. 10 per Kopf auf Rp. 15 wohl begründet ist. Eine kleine Erhöhung von Rp. 14 auf Rp. 15 scheint auch bei den Kantonen Unterwalderr ob- und nid dem Wald gerechtfertigt, indem die ökonomische Lage dieser Kantone von derjenigen mehrerer andern nicht sehr verschieden ist. Für den Kanton Glarus ist bisher eine eigene Klasse von Rp. 25 per Kopf gebildet worden. Hiezu liegt aber kein genügender Grund vor. Wenn auch der Ertrag des Bodens in diesem' Kanton gering ist, so hat sich doch durch die Industrie ein Wohlstand gegründet, der die ökonomischen Verhältnisse manchen andern Kantonen gleiclistellt ; auch stellt sich die Durchschnittssumme der Staatseinnahmen per Kopf auf Fr. 32,5. Eine mäßige Erhöhung von Rp. 25 auf 30, gleich Zug und Tessin, zeigt sich daher wohl als gerechtfertigt.

Dagegen glaubt der Bundesrath bei Basel-Stadt den Ansaz von Rp. 100 per Kopf auf Fr. 90 herabsezen zu sollen. Die Berechnung der Staatseinnahmen zeigt einen Ansaz von Fr. 85. Die Bevölkerung hat sich von 29,698 auf 47,760 Seelen vermehrt, die wahrscheinlich nicät der vermöglichen Klasse zufallen. Durch diese Vermehrung steigt, der Beitrag von. Basel-Stadt, wenn auch nur Rp. 90 angenommen werden, von Fr. 29,698 auf Fr. 42,984, was *) Siehe Bundesblatt v. J. 1851, Band I, Seite 379.

165 bei den sonstigen ökonomischen Nacktheiten, die dem Kanton durch die Bundesrevision erwachsen, wohl in Betracht gezogen werden darf. Zu bemerken ist hiebei, daß die meisten der frühern vorberathenden Behörden den Ansaz von Rp. 90 empfohlen hatten.

Appenzell I. Rh. bezieht an Staatseinnahmen Fr. 38,5 per Kopf.

Gegenüber diesem Ansaz und der Taxation von Appenzell A. Rh.

ist eine Erhöhung von Rp. 14 auf 20 wohl gerechtfertigt. Der Kanton Neuen bürg hat eine Vermehrung der Bevölkerung von 70,753 Seelen auf 97,284 nachzuweisen. Zu Rp. 50 per Kopf steigt der Beitrag dieses Kantons von Fr. 38,914 auf Fr. 48,642, so daß der frühere Ansaz von Rp. 55 offenbar zu hock wäre. Es liegt auch kein genügender Grund vor, den Kanton Neuenburg höher zu taxiren, als die angrenzenden Kantone Waadt und Bern, die ebenfalls nur zu Rp. 50 per Kopf taxirt sind.

Auf diese Erörterungen gestuft empfiehlt nun der Bundesrath die neue eidgenössische Geldscala nach folgender Tabelle festzusezen und der Bundesversammlung nachstehenden Vorschlag eines Bundesgesezes zur Annahme vorzulegen.

B e r n , den 7. Oktober 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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(Enwurf)

Bundesgesez betreffend

die eidgenössische Geldscala.

Die Bundesversammlung d r schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Artikels 42 der Bundesverfassung, insoweit derselbe die Revision der Geldscala betrifft ; nach Einsicht des Vorschlages des Bundesrathes vom 7. Oktober 1874, beschließt: Art. 1. Die eidgenössische Geldscala ist für die nächsten zwanzig Jahre nach folgender Klassifikation der Kantone festgesezt: I. Klasse. Zu 15 Rappen auf den Kopf der Gesammtbevölkerung sind angelegt die Kantone Uri, Unterwaiden ob und nid dem Wald.

II. Klasse. Zu 20 Rappen sind angelegt die Kantone Schwyz, Appenzell I. Rh., Graubünden und Wallis.

III. K l a s s e . Zu 30 Rappen sind angelegt die Kantone Glarus, Zug und Tessin.

IV. K l a s s e . Zu 40 Rappen sind angelegt die Kantone Luzern, Freiburg. Solothurn, Basel-Landschaft, Schaff hausen, Appenzell A. Rh., St. Gallen und Thurgau.

V. Klasse,. Zu 50 Rappen sind angelegt die Kantone Zürich.

Bern, Aargau, Waadt und Neuenburg.

VI. K l a s s e . Zu 70 Rappen ist angelegt der Kanton Genf.

VII. Klasse. Zu 90 Rappen ist angelegt der Kanton BaselStadt.

167

Geldscala pro 1870.

Bevölkerung im I.Dezember 1870 JLO 1 \J,

Kantone.

Uri Obwalden . . .

Nidwaiden . . .

Appenzell I. Rh. .

Schwyz Graubünden . .

Wallis Glarus Zue ~L 0 . .

Tessin JJuzern · Freiburg . . .

Solothurn . . .

Basel-Landschaft .

Appenzell A. Rh.

Schaffhausen . .

S t . Gallen . . .

Thurgau . . .

Zürich Bern Aarsjau Waadt Neuenburg . . .

Gfenf Basel-Stadt . . .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Per Kopf.

1. Klasse 11 ·n ·n n 2. ·n

16,107 14,415 11,701 11,909 47,705 91,782 96,887 35,150 20,993 119,619 132,338 110,832 74,713 54,127 48,726 37,721 191,015 93,300 284,786 506,465 198,873 231.700 97,'284 93,239 47,760

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Betrag des Geldkontingentes eines jeden Standes.

2,416 2,162 1,755 2,381 9,541 18,356 19,377 10,545 6,297 35,885 52,935 44,332 29,885 21,650 19,490 15,088 76,406 37,320 142,393 253,232 99,436 -J 15,850 48,642 65 267 42/J84

1,173,625 1 i Ì

!

i

168 Art. 2. Dieses Gesez tritt unter Vorbehalt der Volksabstimmung gemäß Art. 89 der Bundesverfassung nach Abfluß von 90 Tagen nach Veröffentlichung desselben in Wirksamkeit.

Der Bundesraih wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmungen übeTM Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Publikation dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und dem Fürstenthum Liechtenstein.

(Vom 7. Oktober 1874.)

Tit. !

Mit Depesche vom 5. Dezember 1873 hat uns die Regierung
Wir hatten natürlich keinen Grund, diesen Antrag des uns befreundeten Nachbarstaates abzulehnen, und erklärten uns daher bereit, unter gleichen Bedingungen, wie mit andern Staaten, auch mit dem Fürstenthum Liechtenstein einen Niederlassungsvertrag abzuschließen.

Bundesblatt Jahrg. XXVI. Bd. Hl.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Geldscala. (Vom 7. Oktober 1874.)

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24.10.1874

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