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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreifend die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (Vom 25. Februar 1966) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen eine Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1951 über die Arbeitslosenversicherung mit dem Entwurf eines entsprechenden Bundesgesetzes zu unterbreiten.

A. Umfang der Teikevision Das Bundesgesetz vom 22. Juni 1951 über die Arbeitslosenversicherung trat am I.Januar 1952 in Kraft. Durch Gesetzesrevision vom 20.März 1959 wurden die Leistungen erstmals verbessert, indem der höchstversicherbare Tagesverdienst von 24 auf 32 Franken erhöht und der Beginn der Degression in der Taggeldberechnung von 10 auf 17 Franken heraufgesetzt wurden. Gleichzeitig wurden die Unterhalts- und Unterstützungszulagen um je 10 Rappen erhöht.

Am 26. September 1962 reichten HerrNationalrat Berger-Zürich und 41 Mitunterzeichner folgendes Postulat ein : Nach Artikel 20, Absatz 4 des geänderten Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung vom 20. März 1959 kann höchstens ein Tagesverdienst von 32 Franken versichert werden.

Die Grundentschädigung nach Artikel 31, Absatz 2, beträgt für Versicherte mit Unterstützungspflicht 65 Prozent, für die übrigen Versicherten 60 Prozent und vermindert sich um je l Prozent für jeden Franken, um welchen der versicherte Verdienst 17 Franken übersteigt.

Angesichts der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetretenen Teuerung wird der Bundesrat eingeladen, die Höchstgrenze des versicherbaren Verdienstes auf 40 Franken zu erhöhen und die Degressionsgrenze auf der Basis von 25 Franken festzulegen.

Am 20. Dezember 1962 reichten Herr Nationalrat Wüthrich, Bern, und 31 Mitunterzeichner ein ähnliches Postulat ein, das folgenden Wortlaut hat: Der höchstversicherbare Tagesverdienst in der Arbeitslosenversicherung beträgt zurzeit 32 Franken. Er ist durch die Lohnentwicklung überholt und entspricht deshalb den heutigen Verhältnissen nicht mehr. Eine Revision des Artikels 20, Absatz 4 des

320 Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung vom 22. Juni 1951 im Sinne einer Heraufsetzung des hóchstversicherbaren Tagesverdienstes auf 40 Franken drängt sich auf.

Der Bundesrat wird ersucht, dem eidgenossischen Parlament baldmöglichst einen diesbezüglichen Vorschlag zu unterbreiten.

Beide Postulate wurden am 17. September 1963 vom Bundesrat angenommen.

Da seit der letzten Teilrevision (1959) die Löhne gestiegen sind, lässt sich\ eine Heraufsetzung des hóchstversicherbaren Verdienstes und der Arbeitslosenentschädigung rechtfertigen. Dabei bietet sich Gelegenheit, andere Vorschriften, vor allem solche betreffend die Finanzierung, in die Revision einzubeziehen.

Die einzelnen Revisionspunkte wurden in der vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ernannten «Konsultativen Kommission für die Arbeitslosenversicherung», die aus Vertretern der interessierten Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der kantonalen Arbeitsämter und der Arbeitslosenversicherungskassen besteht, eingehend behandelt. Am 6. Juli 1964 lud das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Kantonsregierungen sowie die Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, sich zum Revisionsentwurf zu äussern. Den vorgesehenen Abänderungen wurde von keiner Seite grundsätzliche Opposition entgegengebracht. Die meisten Kantone stimmten ausdrücklich zu oder erklärten, dass sie keine Einwendungen oder Bemerkungen anzubringen haben. Die Spitzenverbände begrüssten die Teilrevision ebenfalls.

Einzelne Arbeitnehmerverbände schlugen allerdings zum Teil wesentlich weitergehende Änderungen vor, auf die in der vorliegenden Botschaft näher eingetreten wird.

B. Erhöhung des versicherbaren Verdienstes und der Arbeitslosenentschädigung I. Erhöhung des versicherbaren Verdienstes

In den Postulaten Berger und Wüthrich wurde eine Erhöhung des versicherbaren Verdienstes von bisher 32 auf 40 Franken beantragt. Die Konsultative Kommission für die Arbeitslosenversicherung betrachtete diese im Jahre 1962 eingereichten Postulate mit Rücksicht auf die Lohnentwicklung als überholt und schlug vor, das Maximum des versicherbaren Tagesverdienstes auf 48 Franken (entsprechend einem Monatsverdienst von 1248 Franken) festzusetzen. Dadurch sollte auch Arbeitnehmern mit höheren Verdiensten ermöglicht werden, sich zu ihrem effektiven Verdienst versichern zu lassen.

Die Teilrevision von 1959 ging bei der Festlegung des hóchstversicherbaren Tagesverdienstes von den Durchschnittslöhnen des Monats Oktober 1958 aus.

Ein Vergleich der damaligen Durchschnittslöhne mit jenen vom Oktober 1964 ergibt nach der allgemeinen Lohn- und Gehaltserhebung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit eine Steigerung um 42 Prozent. Wollte man die Höchstgrenze für den versicherbaren Tagesverdienst entsprechend anpassen, so wäre sie auf etwa 46 Franken anzusetzen, was einem Monatsverdienst von

321 1196 Franken entspräche. Viele Arbeitnehmer erzielen aber schon heute höhere Verdienste, weshalb sich eine Erhöhung auf 48 Franken vertreten lässt. Vergleichsweise sei erwähnt, dass der versicherbare Tagesverdienst in der Unfallund in der Militarversicherung 50 Franken, in der Erwerbsersatzordnung 70 bis 84 Franken beträgt. Da das Versicherungsrisiko in der Arbeitslosenversicherung sich mit jenen in anderen Sozialversicherungszweigen nicht ohne weiteres vergleichen lässt, erscheint hier eine etwas niedrigere Ansetzung der Höchstgrenze des versicherbaren Tagesverdienstes als gerechtfertigt.

Der Kanton Genf und die Interessengemeinschaft der öffentlichen Arbeitslosenversicherungskassen schlugen eine Erhöhung des höchstversicherbaren Tagesverdienstes auf 50 Franken vor. Demgegenüber vertrat der Schweizerische Gewerbeverband die Auffassung, dass die Grenze bei 43 Franken zu ziehen sei, da im Falle eines stärkeren Konjunkturrückschlages die Belastung verschiedener Kassen rasch ansteigen würde. Der Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen und der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins stimmten der vorgeschlagenen Höchstlimite zu, betrachteten sie aber als oberste Grenze des in der heutigen Situation Vertretbaren. In Übereinstimmung mit der Konsultativen Kommission für die Arbeitslosenversicherung beantragen wir, den höchstversicherbaren Tagesverdienst von derzeit 32 auf 48 Franken zu erhöhen.

Durch diese Gesetzesänderung kann auch dem seit Jahren anhaltenden Mitgliederschwund entgegengewirkt werden. Viele Versicherte treten aus der Kasse aus, sobald sie die für das kantonale bzw. kommunale Versicherungsobligatorium massgebende Einkommensgrenze überschreiten. Von den über 2 Millionen Arbeitnehmern gehören nur etwa 570 000 einer Arbeitslosenkasse an, was nicht unbedenklich ist. Sollte nämlich die Gefahr der Arbeitslosigkeit einmal zunehmen, so würde ein grosser Teil der heute abseits stehenden Arbeitnehmer nachträglich einer Arbeitslosenkasse beitreten und dann von jenen Vermögen profitieren, welche andere - zum guten Teil obligatorisch Versicherte - in den Jahren der Hochkonjunktur geäufnet haben. Einer weiteren Abnahme der Zahl der Versicherten kann nur dadurch entgegengewirkt werden, dass die Einkommensgrenzen für das Versicherungsobligatorium von Kantonen, in
denen dies nicht bereits geschehen ist, angemessen erhöht werden.

II. Erhöhung der Arbeitslosenentschädigung 1. Die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung Die Arbeitslosenentschädigung wird in Form von Taggeldern, bestehend aus einer Grundentschädigung und allfälligen Zulagen für die Erfüllung von Unterhalts- oder Unterstützungspflichten, ausgerichtet. Die Grundentschädigung beträgt für Versicherte mit Unterhalts- oder Unterstützungspflichten 65 Prozent, für alle übrigen 60 Prozent des versicherten Tagesverdienstes (Art. 31, Abs. 2 des Gesetzes), vermindert um je ein Prozent für jeden Franken, um den der versicherte Verdienst 17 Franken übersteigt (Degression). Die Zulage beträgt

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pro Taggeld l ,60 Franken für die erste unterhaltene oder unterstützte Person und je 70 Rappen für die zweite und jede weitere Person (Art. 31, Abs. 3 des Gesetzes).

Insgesamt darf das Taggeld 85 Prozent des versicherten Tagesverdienstes nicht übersteigen (Art. 31, Abs.4 des Gesetzes).

2. Die Grundentschädigung Die degressive Berechnung der Grundentschädigung bewirkt eine Abstufung des Taggeldes und bezweckt, Versicherten mit niedrigeren Löhnen ein im Verhältnis zu ihrem Lohn höheres Taggeld zu verschaffen. Die Degression beginnt heute bei einem versicherten Verdienst von 18 Franken und beträgt, wie bereits erwähnt wurde, ein Prozent für jeden Franken Mehrverdienst. Versicherte, deren versicherter Tagesverdienst 17 Franken oder weniger beträgt, erhalten daher die volle Grundentschädigung. Die Auswirkungen der Degression werden in folgender Tabelle gezeigt : Versicherter Tagesverdienst Franken

Ansatz der Grundentschädigung für ledige Versicherte Prozent

15.-- 17.-- 18.-- 19.-- 20.-- 24.-- 28.-- 32.--

60 60 59 58 57 53 49 45

(60- 1) (60- 2) (60- 3) (60- 7) (60-11) (60-15)

Grundentschädigung Franken

9.-- 10.20 10.60 11.-- 11.40 12.70 13.70 14.40

Ledige Versicherte mit einem versicherten Verdienst von 28 Franken erhalten infolge der Degression als Grundentschädigung nur 49 Prozent ihres versicherten Verdienstes (13,70 Franken). Bei Versicherten, die sich zum bisher höchstversicherbaren Tagesverdienst von 32 Franken versichern Hessen, beträgt die Grundentschädigung sogar nur 45 Prozent dieses Verdienstes (14,40 Franken).

Die Beibehaltung der bisherigen Degressionsskala würde die vorgesehene Erhöhung des höchstversicherbaren Tagesverdienstes von 32- auf 48 Franken weitgehend illusorisch machen. Wie aus nachfolgender Tabelle hervorgeht, würden die Taggelder auf Grund der heutigen Degression in den oberen Verdienstklassen nur noch minim zunehmen und bei versicherten Tagesverdiensten von über 40 Franken sogar abnehmen.

Versicherter Tagesverdienst Franken

Ansatz der Grundentschädigung für ledige Versicherte Prozent

Grundentschädigung Franken

32.-- 36.-- 40.-- 44.-- 48.--

45 41 37 33 29

14.40 14.75 14.80 14.50 13.90

(60-15) (60-19) (60-23) (60-27) (60-31)

323

Taggeldansätze für Versicherte ohne Unterhalts- oder Unterstützungspflicht

1

1 12

1

1 16

1

1 1 1 1 i 1 1 1 1 20 24 28 32 36 Versicherter Verdienst in Franken

1

1 40

1

T 44

48

Legende: Heutige Regelung - Degression von 17 Franken an l Prozent für jeden Franken mehr Postulat Berger - Degression von 25 Franken an l Prozent für jeden Franken mehr Vorlage - Degression von 24 Franken an % Prozent für jeden Franken mehr

Um eine befriedigende Lösung zu erhalten, muss die Degression geändert werden. Würde nun aber die Korrektur nur durch eine Verschiebung des Beginns der bisherigen einprozentigen Degression vorgenommen, so müsste der Beginn auf 38 Franken heraufgesetzt werden, wenn das Taggeld auch der in den obersten Verdienstklassen eingereihten Versicherten noch etwas ansteigen soll. In diesem Falle verlöre jedoch die Degression weitgehend ihre Bedeutung, da die überwiegende Mehrheit aller Versicherten unter 38 Franken versichert ist und deshalb die volle Grundentschädigung erhielte. Diese Lösung hätte finanziell weittragende Auswirkungen. Wir schlagen daher vor, den Beginn der Degression bei 24 Franken festzusetzen, gleichzeitig aber die Degression abzu-

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schwächen, indem die Grundentschädigung für jeden Franken, um den der versicherte Tagesverdienst 24 Franken übersteigt, nur noch um ein halbes Prozent, anstatt wie bisher um ein ganzes Prozent, herabgesetzt wird. Vorstehende graphische Darstellung zeigt die Vorteile dieses Vorschlages mit besonderer Deutlichkeit.

Nach dem heutigen System erhalten Versicherte mit versicherten Verdiensten bis und mit 17 Franken die volle Grundentschädigung. Bei 18 Franken setzt dieDegression ein, diefür jeden Franken Mehrverdienst eineKürzung derGrundentschädigung um ein Prozent zur Folge hat. Würde man dieses System weiterführen, so würde die Grundentschädigung der Ledigen bei versicherten Verdiensten von 32 bis 37 Franken nur um wenige Rappen ansteigen, bei versicherten Verdiensten über 40 Franken jedoch sogar zurückgehen (punktierte Linie).

Auf Grund des Postulates Berger (gestrichelte Linie) soll die Degression erst bei 26 Franken beginnen, so dass alle Versicherten mit versicherten Verdiensten bis und mit 25 Franken die volle Grundentschädigung erhalten. Wie die graphische Darstellung zeigt, würde die Grundentschädigung nach diesem Vorschlag dank der Heraufsetzung des Degressionsbeginns erhöht, doch würde sie - ähnlich wie bei der heutigen Regelung - bei versicherten Verdiensten der Ledigen von über 44 Franken mit jedem Franken Mehrverdienst abnehmen. So wären zum Beispiel ledige Versicherte mit einem Verdienst von 46 Franken schlechter gestellt als jene mit einem versicherten Verdienst von 40 Franken. Auf Grund unseres Vorschlages (gezogene Linie) ist die Degression bedeutend schwächer.

Zwar wird die Grundentschädigung bei versicherten Verdiensten ab 25 Franken prozentual ebenfalls gekürzt, jedoch in einem Masse, dass sie betragsmässig auch in den höheren Verdienstklassen noch ansteigt. Dank diesem verfeinerten System passt sich die Arbeitslosenentschädigung enger als bisher an den versicherten Verdienst an. Allfällige Lohnerhöhungen haben automatisch ein höheres Taggeld zur Folge, sofern der Versicherte sich zum erhöhten Lohn versichern lässt.

3. Die Zulagen Wie einleitend bemerkt wurde, ist die Zulage für die erste unterhaltene oder unterstützte Person durch die Teilrevision von 1959 von 1,50 Franken auf 1,60 Franken und diejenige für die zweite und jede weitere Person von 60 auf 70 Rappen erhöht
worden. Seither sind die Lebenshaltungskosten um etwa 19 Prozent gestiegen. Eine gewisse Verbesserung der Zulagen erscheint daher als gerechtfertigt. Die Vorlage sieht für die erste unterhaltene oder unterstützte Person eine Erhöhung um 20 Rappen auf 1,80 Franken, für jede weitere Person um 10 Rappen auf 80 Rappen vor.

Der Kanton Genf beantragte eine Erhöhung auf zwei bzw. einen Franken.

Die Kantone Bern und Thurgau könnten einer solchen Aufrundung zustimmen.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände und die Interessengemeinschaft der öffentlichen Arbeitslosenversicherungskassen traten ebenfalls für eine Erhöhung auf zwei bzw. einen Fran-

325 ken ein. Auch der Christlich-nationale Gewerkschaftsbund wünschte eine weitere Verbesserung, nannte aber keine Ansätze.

Bei der Beurteilung dieser Anträge ist zu berücksichtigen, dass die Zulagen nicht für sich allein, sondern im Rahmen des ganzen Entschädigungssystems betrachtet werden müssen. Das Arbeitslosenversicherungsgesetz trägt den Familienlasten der Versicherten in verschiedener Weise Rechnung. Ausser den Zulagen erhalten Versicherte, die Unterhalts- oder Unterstützungspflichten erfüllen, eine um 5 Prozent höhere Grundentschädigung (65 Prozent anstatt 60 Prozent). Zudem können unter gewissen Voraussetzungen die auf Grund kantonaler Gesetze oder dienstvertraglicher Regelungen ausbezahlten Kinderzulagen in den versicherbaren Tagesverdienst einbezogen werden, was eine entsprechende Erhöhung desselben zur Folge hat. Aus diesen Gründen sollte nicht über die vorgeschlagene Zulagenregelung hinausgegangen werden.

4. Taggeldmaximum Der Schweizerische Gewerkschaftsbund beantragte im Vernehmlassungsverfahren eure Erhöhung des Taggeldmaximums von heute 85 auf 90 Prozent des versicherten Verdienstes (Art. 31, Abs. 4 des Gesetzes). Zur Begründung machte er geltend, dass die in niederen Verdienstklassen eingereihten Versicherten mit mehrfachen Unterhalts- und Unterstützungspflichten von der Erhöhung der Grundentschädigung und der Zulagen wenig oder überhaupt nicht profitieren, wenn nicht gleichzeitig auch das Taggeldmaximum etwas erhöht werde. Dem Christlich-nationalen Gewerkschaftsbund erschiene es ebenfalls gerechtfertigt, das Taggeldmaximum höher als 85 Prozent anzusetzen.

Das Gesetz verpflichtet den Versicherten, sich im Falle von Arbeitslosigkeit persönlich um Arbeit zu bemühen (Art. 23, Abs. 2 des Gesetzes). Um dazu einen gewissen Anreiz zu schaffen, wurde das Taggeldmaximum auf 85 Prozent des versicherten Verdienstes festgesetzt. Würde die Spanne zwischen Arbeitslosenentschädigung und Lohn verringert, so hätte dies ein Nachlassen der persönlichen Arbeitsbemühungen zur Folge. Schon heute kommt es vor, dass sich arbeitslose Versicherte nicht selbst um andere Arbeit bemühen. Sie ziehen es vor, Arbeitslosenentschädigung zu beziehen, bis es dem Gemeindearbeitsamt oder dem kantonalen Arbeitsamt gelingt, ihnen neue Arbeit zuzuweisen. Eine Erhöhung des Taggeldmaximums würde gewisse Versicherte in
ihrem passiven Verhalten bestärken, weshalb von einer Erhöhung abgesehen werden sollte.

III. Finanzielle Auswirkungen 1. Mehraufwendungen der Kassen Da die Höhe der Auszahlungen von Arbeitslosenentschädigung vom Verlauf der Konjunktur und den Witterungsverhältnissen (Baugewerbe) abhängt, ist es nicht möglich, die Mehrauszahlungen der Kassen und der öffentlichen Hand zum voraus zu berechnen ; sie können lediglich auf Grund früherer Auszah-

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hingen geschätzt werden. Über die Auswirkungen auf die einzelnen Taggelder gibt die Tabelle im Anhang Aufschluss.

Aus der nachfolgenden Tabelle ist ersichtlich, wie sich die vorgeschlagenen Änderungen auf die Auszahlungen der Kassen in den letzten fünf Jahren ausgewirkt hätten. Die Auszahlungen wären auf Grund der neuen Ansätze durchschnittlich um etwa 19 Prozent höher gewesen.

Jahr

Anzahl Taggelder

Geschätzte Mehrauszahlungen in 1000 Franken in Prozent

1960 1961 1962 1963 1964

581200 318500 282300 398500 110700

1700 900 800 1200 300

20 19 19 19 18

2. Mehraufwendungen der öffentlichen Hand Die Höhe der Subventionen von Bund und Kantonen hängt von der Belastung der einzelnen Kassen und der Grosse ihrer Vermögen ab. Die folgende Tabelle gibt die Mehraufwendungen an, welche der öffentlichen Hand (Bund und Kantone je zur Hälfte) auf Grund der oben dargestellten Mehrauszahlungen der Kassen in den Jahren 1960 bis 1964 entstanden wären. Die Mehraufwendungen hätten ebenfalls etwa 19 Prozent ausgemacht.

Jahr

Geschätzte MehrausZahlungen der Kassen in 1000 Franken

Geschätzte Mehraufwendungen der öffentlichen Hand inFj-anken in Prozent

1960 1961 1962 1963 1964

1700 900 ' 800 1200 300

520000 220000 190 000 320000 30000

19 19 19 19 18

Da die Höhe der Subventionen nicht allein von der Belastung, sondern auch von der Grosse des Stammvermögens der einzelnen Kassen abhängt (Art. 43 des Gesetzes), haben Mehrauszahlungen der Kassen nicht unbedingt entsprechende Mehraufwendungen der öffentlichen Hand zur Folge. Das Ansteigen der Belastung von Kassen mit grossen Stammvermögen hätte für Bund und Kantone nur sehr geringe oder überhaupt keine Auswirkungen, während Mehrauszahlungen von Kassen mit kleineren Stammvermögen sofort grössere Subventionen auslösen würden.

Hauptbezüger der Subventionen waren in den letzten Jahren jene Kassen, deren Mitglieder mehrheitlich im Baugewerbe tätig sind. Am 4. Februar 1963 schlössen nun aber die Vertragsparteien des Landesmantelvertrages für das engere Baugewerbe eine Vereinbarung über die Ausrichtung von Schlechtwetterentschädigung. Die Arbeitgeber verpflichteten sich, den Bauarbeitern innerhalb einer 14tägigen Zahltagsperiode 20 witterungsbedingte Ausfallstunden mit

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80 Prozent des Stundenlohnes zu vergüten. Mit Beschluss vom V.Februar 1964 erklärte der Bundesrat diese gesamtarbeitsvertragliche Regelung für allgemeinverbindlich. Seither sind die Auszahlungen von Arbeitslosenentschädigung an Versicherte aus dem Baugewerbe stark - um mehr als die Hälfte - zurückgegangen. Unter diesen Umständen darf damit gerechnet werden, dass die Erhöhung der Taggelder auf Grund der Vorlage Bund und Kantone nicht wesentlich stärker als bisher belasten wird, solange die Vollbeschäftigung in Industrie und Gewerbe anhält und die Bauarbeiter bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall eine angemessene Schlechtwetterentschädigung erhalten.

C. Änderung von Finanzierungsvorschriften I. Grundzüge des Finanzierungssystems

Die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung stösst auf besondere Schwierigkeiten, da die nicht voraussehbaren Schwankungen im wirtschaftlichen Ablauf und die witterungsbedingten Arbeitsausfälle einen Unsicherheitsfaktor darstellen, wie er in keinem ändern Zweig der Sozialversicherung anzutreffen ist. Diese Besonderheiten bedingen ein fein ausgewogenes Finanzierungssystem, das folgende Hauptmerkmale aufweist : 1. Dem Versicherungsprinzip entsprechend werden die finanziellen Mittel in erster Linie durch Prämien der Versicherten aufgebracht (Art. 20 des Gesetzes), die sich aus der vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit alljährlich neu berechneten Grundprämie und einem von der Kasse festgesetzten Betrag zusammensetzen (Art. 38, Abs. l und 2 des Gesetzes). Die Grundprämie richtet sich nach dem durchschnittlichen Belastungsgrad der Kasse in den letzten 10 Jahren und der Höhe des durchschnittlichen Taggeldes des Rechnungsjahres. Der minimale Ansatz beträgt 12 Franken im Jahr. Der maximale Ansatz entspricht der Prämie, die sich bei einem Belastungsgrad von 7 Prozent ergibt, was bedeutet, dass 7 von 100 Versicherten die gesetzliche Höchstzahl von 90 Taggeldern im Jahr beziehen. Liegt der durchschnittliche Belastungsgrad der letzten zehn Jahre unter 7 Prozent, so muss er für die Berechnung der Grundprämie von Gesetzes wegen um einen Drittel, höchstens jedoch bis auf 7 Prozent, erhöht werden, sofern das Stammvermögen der Kasse ein gewisses Mass (das Vierzigfache des durchschnittlichen Taggeldes je Versicherten) noch nicht erreicht hat.

2. Wie die Erfahrung lehrt, reichen die Prämien der Versicherten in Zeiten erheblicher Arbeitslosigkeit nicht aus, um die Auszahlungen zu decken, weshalb Beiträge der öffentlichen Hand unerlässlich sind (Art. 43 und 44 des Gesetzes).

Subventioniert werden nur die vorschriftsgemäss ausbezahlten Arbeitslosenentschädigungen sowie ein Teil der Verwaltungskosten, soweit diese nicht durch die Zinsen des Stammvermögens gedeckt sind (Art. 43, Abs. l des Gesetzes).

Die Höhe der Subventionen richtet sich nach der Belastung und dem Vermögensstand der Kasse im Rechnungsjahr. Je grösser die Belastung und je kleiner das Stammvermögen der einzelnen Kasse, um so höher sind die öffentlichen Beiträge. Kassen, deren Stammvermögen - auf den einzelnen Versicherten umge-

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rechnet - das Vierzigfache des durchschnittlichen Taggeldes überschreitet, erhalten keinen Subventionen (Art. 43, Abs. 4 des Gesetzes).

3. Die Arbeitslosenkassen führen zwei Betriebsrechnungen und besitzen dementsprechend zwei verschiedene Vermögensmassen: das Stammvermögen und den Prämienausgleichsfonds. Die Betriebsrechnung I umfasst die von Bund und Kantonen subventionierten Ausgaben, die vor allem durch die Grundprämien zu decken sind. Zu den subventionierten Ausgaben gehören die Arbeitslosenentschädigungen und die anrechenbaren Verwaltungskosten (Art. 43, Abs. l des Gesetzes). Überschüsse aus der Betriebsrechnung I sind dem Stammvermögen zuzuweisen (Art. 40, Abs. 3 des Gesetzes). Desgleichen sind allfallige Defizite in erster Linie aus dem Stammvermögen zu decken, soweit dieses über dem gesetzlichen Minimum (das Fünffache des durchschnittlichen Taggeldes) liegt. Die Betriebsrechnung II umfasst die nicht subventionierten Ausgaben, welche aus dem die Grundprämie übersteigenden Teil der Prämie gedeckt werden müssen (Art. 37, Abs. 2 des Gesetzes). Überschüsse aus der Betriebsrechnung II fallen in den Prämienausgleichsfonds (Art. 41, Abs. l des Gesetzes).

Dieser dient der Kasse als Prämienreserve, mit deren Hilfe sie eine grössere Belastung überbrücken kann, ohne die Prämien sofort erhöhen zu müssen.

4. Um zwischen den schwer und den leicht belasteten Kassen einen Ausgleich zu schaffen, wurde im Jahre 1942 ein allgemeiner Kassenausgleichsfonds geschaffen, dem die Funktion einer Rückversicherung zukommt. Der Fonds wird durch jährliche Beiträge der Kassen, des Bundes und der Kantone gespiesen (Art. 45, Abs. 2 des Gesetzes). Ist die Belastung einer Kasse im laufenden Jahr höher als 7 Prozent und beträgt das Stammvermögen, auf den einzelnen Versicherten berechnet, weniger als das Zwölffache des durchschnittlichen Taggeldes, so hat die Kasse Anspruch auf Zuschüsse aus dem Kassenausgleichsfonds (Art. 46, Abs. l des Gesetzes). Diese Zuschüsse betragen zwei Drittel des Ausgabenüberschusses ; der restliche Drittel wird aus dem Stammvermögen gedeckt, solange dieses das gesetzliche Minimum übersteigt. Ist das Stammvermögen grösser als das 12fache Taggeld, so erhält die Kasse keine Zuschüsse; sie muss in diesem Fall den Ausgabenüberschuss voll aus dem Stammvermögen decken.

Durch diese Regelung wurde die
Höhe der Prämien nur bis zu einem bestimmten Höchstmass von der Belastung der Kasse abhängig gemacht. Kassen, die eine durchschnittliche Belastung von mehr als 7 Prozent aufweisen, sind nicht gezwungen, deswegen ihre ohnehin schon hohen Prämien noch weiter zu erhöhen, da in diesem Falle Zuschüsse des Kassenausgleichsfonds in die Lücke treten.

II. Entwicklung des Kassenvermögens und des Kassenausgleichsfonds

Dank der seit Jahren anhaltenden Vollbeschäftigung sind die Auszahlungen von Arbeitslosenentschädigung immer mehr zurückgegangen. Rund drei Viertel aller Kassen weisen heute im Durchschnitt der letzten 10 Jahre eine Belastung von weniger als zwei Prozent auf. Dementsprechend konnten die Stammver-

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mögen und Prämienausgleichsfonds stark geäufnet werden. Die Stammvermögen betrugen Ende 1964, wie untenstehende Darstellung zeigt, rund 268 Millionen Franken, was gegenüber dem Stand bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes mehr als einer Verdoppelung entspricht. 82 Kassen verfügen über ein Stammvermögen von mehr als dem Vierzigfachen des durchschnittlichen Taggeldes, was bedeutet, dass nahezu die Hälfte aller Kassen keine Subventionen erhält (Art. 43, Abs. 4 des Gesetzes). Bei 53 Kassen bewegt sich das Stammvermögen zwischen dem Fünfundzwanzig- und Vierzigfachen, bei 42 Kassen zwischen dem Zwölfund Fünfundzwanzigfachen des durchschnittlichen Taggeldes, und nur 5 Kassen besitzen kleinere Stammvermögen im Betrage des Fünf- bis Zwölf fachen des durchschnittlichen Taggeldes. Die Prämienausgleichsfonds sind von seinerzeit 26 Millionen Franken auf 106 Millionen Franken, also rund auf das Vierfache, angewachsen (vgl. Tabelle). Gesamthaft betrug das Vermögen aller Kassen Ende 1964 rund 374 Millionen Franken.

Stanunvermogen Jahr 1000 Franken

1952

129 576

1954

141 497 160 998 181 990 205 903 238 289 268111

1956 1958 1960 1962 1964

Prämienausgleichsfonds

in Prozent, in Prozent, wenn wenn 1952 = 100 1000 Franken 1952 = 100

100 109

124 141 159 184 207

26630

100

38 641 53202 65585 78623 91 741 105 805

145 200 246 295 345 397

Gesamtes Vermögen

1000 Franken

156 206 180138 214 200 247 575 284 526 330 030 373 916

in Prozent, wenn 1952 = 100

100 115

137 159 182 211 239

Der vom Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement verwaltete Kassenausgleichsfonds ist seit dem Jahre 1952 von 90 Millionen auf über 140 Millionen Franken (1964) angewachsen. Die Einnahmen betrugen im Jahre 1964 rund 5.1 Millionen Franken, bestehend aus 2,7 Millionen Franken Fondszinsen, 1.2 Millionen Franken Beiträgen der Kassen, 0,6 Millionen Franken Beiträgen des Bundes und 0,6 Millionen Franken Beiträgen der Kantone. Demgegenüber sind die Auszahlungen aus dem Fonds gering. Sie betrugen im Jahre 1961 101 000 Franken und im Jahre 1962 noch 67 000 Franken. Im Jahre 1963 stiegen sie infolge der witterungsbedingten Arbeitsausfälle während des strengen Winters auf 133 000 Franken. Im Jahre 1964 waren erstmals überhaupt keine Ausgleichszuschüsse mehr auszurichten.

III. Die vorgesehenen Änderungen In Anbetracht der günstigen finanziellen Lage der Kassen und des Kassenausgleichsfonds drängen sich gewisse Anpassungen auf. Vor allem empfiehlt sich, den Höchstansatz für die Berechnung der Grundprämie zu senken und auf Bundesblatt. HS.Jahrg. Bd.T.

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den künstlichen Belastungszuschlag zu verzichten. Ebenso sollte die Vorschrift über die Berechnung des durchschnittlichen Taggeldes ergänzt werden. Ferner drängt sich eine Verbesserung des Lastenausgleichs unter den Kassen auf. Im weitern erscheint es notwendig, die Prämienausgleichsfonds zu begrenzen und die Äufnung des Kassenausgleichsfonds einzuschränken, wodurch nicht nur die Kassen, sondern auch die öffentliche Hand entlastet werden können. Im einzelnen ist zu diesen Vorschlägen folgendes zu bemerken : /. Berechnung der Grundprämie a. Bei der Berechnung der Grundprämie wird nicht auf die effektiven im Rechnungsjahr ausbezahlten Arbeitslosenentschädigungen und den sich daraus ergebenden Belastungsgrad abgestellt, weil dieser von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann. Massgebend sind vielmehr die Arbeitslosenentschädigungen, welche die Kasse auf Grund des durchschnittlichen Belastungsgrades der letzten 10 Jahre und des durchschnittlichen Taggeldes des Rechnungsjahres hätte ausrichten müssen. Der Mindestbetrag der Grundprämie beträgt, wie schon erwähnt wurde, 12 Franken pro Jahr, ohne Rücksicht auf den Belastungsgrad. Im übrigen variiert die Grundprämie mit dem Belastungsgrad, wobei höchstens ein Belastungsgrad von 7 Prozent in Rechnung gestellt wird (Art. 38, Abs. 3 des Gesetzes).

Dieser Höchstansatz wurde empirisch ermittelt. Man ging von der Annahme aus, dass eine Jahresprämie im Betrage des fünffachen durchschnittlichen Taggeldes, das damals 5,50 Franken betrug, zumutbar sei. Auf diese Weise wurde eine maximale Grundprämie von 27,50 Franken errechnet, die bei einem Belastungsgrad von 7 Prozent ausreichte, um zusammen mit den Beiträgen der öffentlichen Hand die subventionsberechtigten Kassenausgaben zu decken. Kassen, deren durchschnittliche Belastung 7 Prozent übersteigt, erhalten Zuschüsse aus dem Kassenausgleichsfonds. Dadurch werden auch Kassen mit schwerer Belastung in die Lage versetzt, ihren Verpflichtungen nachzukommen, ohne von ihren Mitgliedern unverhältnismässig hohe Prämien erheben zu müssen.

Liegt die Belastung unter 7 Prozent, so muss sie für die Bemessung der Grundprämie um einen Drittel, höchstens jedoch auf 7 Prozent erhöht werden, solange das Stammvermögen das Vierzigfache des durchschnittlichen Taggeldes pro Versicherten noch nicht erreicht hat (Art. 38, Abs. 3, Satz 3
des Gesetzes).

Durch diese künstliche Heraufsetzung der Belastung fliessen den Kassen mit geringer Belastung mehr Mittel zu, als sie effektiv benötigen. Der Überschuss kommt dem Stammvermögen zu. Durch diese Regelung sollten die Kassen dazu angehalten werden, nicht nur ihre laufenden Ausgaben zu decken, sondern ausserdem ihr Stammvermögen zu äufnen, um gegebenenfalls eine grössere Arbeitslosigkeit wirksam überbrücken zu können.

b. Dank der seit Jahren anhaltend guten Beschäftigungslage ist die Belastung im Durchschnitt der letzten 10 Jahre bei den meisten Kassen wesentlich gesunken. 150 Kassen weisen einen Belastungsgrad von weniger als 2 Prozent auf, 128 Kassen sogar einen solchen unter einem Prozent. Bei dieser Lage kann die für die Berechnung der Grundprämie massgebende Höchstbelastung von sieben

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Dadurch ergäben sich ausserordentlich grosse Unterschiede in der Prämienhöhe zwischen den einzelnen Kassen. Schon heute beträgt die Höchstprämie nahezu 100 Franken pro Jahr, die niedrigste 12 Franken. Von den 182 Kassen, die heute bestehen, würden 11 Kassen von dieser Erleichterung profitieren.

Im weitern beantragen wir, in Anbetracht der sehr geringen Belastung und der guten Vermögenslage der meisten Kassen auf den künstlichen Belastungszuschlag von einem Drittel zu verzichten. Der dritte Satz von Artikel 38, Absatz 3 des Gesetzes wäre demzufolge zu streichen. In der Praxis wird diese Änderung für etwa 60 Kassen mit mittlerer Belastung eine Senkung der Grundprämie um etwa 10 bis 20 Prozent zur Folge haben.

2. Vermehrte Leistungen aus dem Kassenausgleichsfonds a. Entsprechend der Herabsetzung des bei der Bemessung der Grundprämie anwendbaren Höchstbelastungsgrades von sieben auf vier Prozent muss auch der für die Ausrichtung von Ausgleichszuschüssen erforderliche Mindestbelastungsgradvon sieben auf vier Prozent gesenkt werden.Dadurch können schwerer belastete Kassen schon dann Ausgleichszuschüsse beanspruchen, wenn ihre Belastung im Rechnungsjahr vier Prozent (statt bisher sieben Prozent) übersteigt.

Die finanziellen Auswirkungen dieser Änderung sind tragbar. Im Jahre 1962 bezogen lediglich drei Kassen Ausgleichszuschüsse im Gesamtbetrage von 67 349 Franken. Auf Grund der vorgeschlagenen Änderung hätten 6 Kassen - anstatt nur 3 - Zuschüsse erhalten, und zusammen wären 182 000 Franken, also 115 000 Franken mehr, ausbezahlt worden. Im stärker belasteten Rechnungsjahr 1963 wären anstatt 133 000 Franken 258 000 Franken, also 125 000 Franken mehr, ausgerichtet worden. Diese Mehrleistungen sindfür den Kassenausgleichsfonds, der im Jahre 1964 über 2,7 Millionen Franken Zinsen abwarf, durchaus tragbar.

b. Im Vernehmlassungsv erfahren waren die Meinungen geteilt. Der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen und der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins vertraten den Standpunkt, die vorgesehene Massnahme wirke sich in erster Linie zugunsten der
Bauarbeiterkassen aus, deren grosse Beanspruchung auf die witterungsbedingten Arbeitsausfälle zurückzuführen sei, die in der Arbeitslosenversicherung ein wesensfremdes Element darstellten. - Demgegenüber ist zu beachten, dass die meisten westeuropäischen Länder, unter ihnen auch die Schweiz, das Schlechtwetterrisiko in die Arbeitslosenversicherung eingeschlossen haben. In bezug auf die schweizerische Arbeitslosenversicherung kommt hinzu, dass die Arbeitgeber des Baugewerbes die Arbeitslosenkassen durch die allgemeinverbindlich erklärte gesamtarbeitsvertragliche Schlechtwetterregelung zu einem guten Teil entlastet haben. Eine unterschiedliche Behandlung der Bauarbeiterkassen hinsichtlich des Lastenausgleichs ist daher abzulehnen.

332 Der Schweizerische Gewerkschaftsbund beantragte, die für die Berechnung der Grundprämie und die Auszahlung von Zuschüssen aus dem Kassenausgleichsfonds massgebende Belastung auf drei Prozent - anstatt nur auf vier Prozent - zu senken. Dieser Vorschlag hätte zur Folge, dass bei zunehmender Arbeitslosigkeit eine Reihe von Kassen Ausgleichszuschüsse beanspruchen könnten, obschon ihnen noch grössere Reserven zur Verfügung stünden. Diese Auswirkung wäre stossend und würde den Rahmen der Solidarität sprengen, weshalb wir diesem Antrag nicht beistimmen können.

Der Christlich-nationale Gewerkschaftsbund sowie der Landesverband Freier Schweizer Arbeiter und der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter schlugen eine stärkere Heranziehung des Kassenausgleichsfonds vor. Nach dem einen Vorschlag sollten Ausgabenüberschüsse von Kassen mit mehr als 30 Franken Grundprämie voll aus dem Kassenaus gleichsfonds gedeckt werden. Nach dem ändern Vorschlag sollte die Grundprämie, soweit sie eine bestimmte Höhe überschreitet (25 bzw. 30 Franken), zur Hälfte dem Kassenausgleichsfonds belastet werden. In Übereinstimmung mit der Konsultativen Kommission für die Arbeitslosenversicherung lehnen wir diese Anträge ab, vor allem deshalb, weil der im Kassenausgleichsfonds verwirklichte Solidaritätsgedanke überspitzt und die praktische Durchführung dieser Vorschläge grössten Schwierigkeiten begegnen würde.

3. Berechnung des durchschnittlichen Taggeldes Das durchschnittliche Taggeld bildet zusammen mit dem Belastungsgrad der Kasse die Grundlage für die Berechnung der Grundprämie. Es dient ausserdem als Masseinheit für die Höhe des Stammvermögens und des Prämienausgleichsfonds und damit auch als Element für die Berechnung der Subventionen sowie der Zuschüsse aus dem Kassenausgleichsfonds, indem das Vermögen der Kassen in einem Vielfachen des durchschnittlichen Taggeldes ausgedrückt wird.

Das durchschnittliche Taggeld wird alljährlich vom Bundesamt für Industrie Gewerbe und Arbeit für jede Kasse neu berechnet, wofür grundsätzlich von den im Rechnungsjahr vorschriftsgemäss ausbezahlten Arbeitslosenentschädigungen auszugehen ist (Art. 39, Abs.2, Satz l des Gesetzes). Da zahlreiche Kassen seit Jahren nur sehr geringe oder überhaupt keine Auszahlungen mehr aufweisen, musste das durchschnittliche Taggeld vielfach
auf Grund des durchschnittlichen versicherten Verdienstes der Kassenmitglieder geschätzt werden. Diese Berechnungsweise ist im Gesetz nicht erwähnt, weshalb Artikel 39, Absatz 2, Satz 2 des Gesetzes mit einem entsprechenden Hinweis ergänzt wird.

4. Begrenzung der Prämienausgleichs fonds Artikel 41 des Gesetzes verpflichtet die Kassen, einen Prämienausgleichsfonds zu errichten und zu äufnen, soweit die Prämienrechnung Überschüsse aufweist. Mit Hilfe dieses Fonds kann die Kasse Schwankungen in der Belastung ausgleichen und allfällige Fehlbeträge in der Prämienrechnung aus dem Fonds

333

decken. Sie ist daher nicht gezwungen, die Prämien bei steigender Belastung sofort zu erhöhen, sondern ist im Gegenteil in der Lage, auch im Falle einer grösseren Arbeitslosigkeit die Prämien während längerer Zeit konstant zu erhalten.

Im Gegensatz zum Stammvermögen steht jedoch der Prâmienausgleichsfonds für die Auszahlung von Arbeitslosenentschädigung nicht zur Verfügung.

In den vergangenen Jahren haben sich die Verhältnisse, unter denen Artikel 41 des Gesetzes entstanden war, von Grund auf geändert. Die durchschnittliche Belastung der Kassen ging von Jahr zu Jahr zurück, und die Prâmienausgleichsfonds stiegen rasch an. Über die Entwicklung gibt nachfolgende Darstellung Aufschluss : Pranuenausgleichsfonds im Durchschnitt je Versicherten Franken

Anzahl Kassen Ende 1956

bis 50.-- 50.01 bis 100.-- 100.01 bis 150.-- 150.01 bis 200.-- 200.01 und mehr

43 48 53 20 19

Ende 1964

15 18 21 30 98

Im Jahre 1956 besassen 19 Kassen einen Prâmienausgleichsfonds von durchschnittlich mehr als 200 Franken pro Versicherten. Im Jahre 1964 waren es bereits 98 Kassen, und diese Zahl wird sich bei der gegenwärtigen Regelung rasch vergrössern, was nicht mehr zweckmässig wäre. Da die Belastung im Durchschnitt der letzten 10 Jahre bei den meisten Kassen sehr gering geworden ist, würde eine vorübergehende stärkere Arbeitslosigkeit die Grundprämie dieser Kassen in geringem Masse beeinflussen, was bedeutet, dass eine gewisse Stabilität der Prämien bereits gewährleistet ist. Damit haben aber die Prâmienausgleichsfonds an Bedeutung verloren. Da sie zweckgebunden sind und namentlich für die Auszahlung von Arbeitslosenentschädigung nicht zur Verfügung stehen, könnte die Entwicklung dazu führen, dass gewisse Kassen im Falle einer grösseren Krise das Stammvermögen bis auf die gesetzliche Minimalhöhe aufbrauchen und Subventionen und Ausgleichszuschüsse beanspruchen, obschon sie noch über einen ansehnlichen Prâmienausgleichsfonds verfügen. Solche Verhältnisse würden mit Recht als stossend empfunden, weshalb die heutige Regelung abgeändert werden muss. Zu diesem Zwecke sieht die Vorlage zwei Massnahmen vor : Erstens sind die Überschüsse der Prämienrechnung dem Stammvermögen zuzuweisen, wenn der Prâmienausgleichsfonds, auf den einzelnen Versicherten berechnet, das Achtfache des durchschnittlichen Taggeldes der Kasse erreicht (Ergänzung von Art.41, Abs. l des Gesetzes). Zweitens sollen alle jene Prâmienausgleichsfonds, die ein Jahr nach dem Inkrafttreten der revidierten Gesetzesvorschriften das Zehnfache des durchschnittlichen Taggeldes der Kasse, auf den einzelnen Versicherten berechnet, übersteigen, abgebaut und der frei gemachte Betrag in das Stammvermögen übergeführt werden (Übergangsbestimmung gemäss Ziffer II des Gesetzesentwurfes).

Bundesblatt. 118.Jahrg. Bd.I.

26

334

Von den heute bestehenden 182 Kassen werden nach dem Stand der Prämienausgleichsfonds Ende 1964 41 Kassen von diesen beiden Massnahmen vorderhand nicht berührt, da ihre Fonds das Achtfache des durchschnittlichen Taggeldes noch nicht erreicht haben. Diese Kassen können daher ihren Fonds weiterhin äufnen. 15 Kassen haben inskünftig die Einnahmenüberschüsse in der Prämienrechnung dem Stammvermögen gutzuschreiben. 126 Kassen, deren Prämienausgleichsfonds das Zehnfache des durchschnittlichen Taggeldes übersteigen, müssen den Fonds auf das Zehnfache des durchschnittlichen Taggeldes abbauen und den frei gewordenen Betrag in das Stammvermögen übertragen.

Ausserdem haben diese Kassen auch die Einnahmenüberschüsse in der Prämienrechnung dem Stammvermögen zuzuführen.

Im Vernehmlassungsverfahren beantragte der Kanton Nidwaiden, die Begrenzung der Prämienausgleichsfonds etwas höher anzusetzen (10- bzw.

ISfaches des durchschnittlichen Taggeldes). Nach der Auffassung der Kantone Schaffhausen und Thurgau sowie auch der Interessengemeinschaft der öffentlichen Arbeitslosenversicherungskassen sollte auf den zwangsweisen Abbau allzu grosser Prämienausgleichsfonds verzichtet werden. Der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter möchte die Begrenzung der Prämienausgleichsfonds den Kassen freistellen.

Eine bloss freiwillige Limitierung der Prämienausgleichsfonds wäre unwirksam. Im übrigen muss .davon ausgegangen werden, dass allzu grosse Prämienausgleichsfonds zugunsten des Stammvermögens, das den Kassen zur Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe dient, auf eine vernünftige Höhe abgebaut werden sollten. Die vorgesehene Limite ist angemessen, weshalb an ihr festgehalten wird.

5. Anlage der Kassenvermögen Nach Artikel 49 der Verordnung zum Arbeitslosenversicherungsgesetz ist das Kassenvermögen (Stammvermögen und Prämienausgleichsfonds) vor allem in Obligationen und Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand, von Banken und gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen, sowie in Pfandbriefen, erstrangigen Hypotheken, Spar- und Depositenheften anzulegen. Um den Kassen zu ermöglichen, ihre Mittel vermehrt dem Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, ist beabsichtigt, durch eine Verordnungsänderung die Anlagevorschriften zu erweitern, so dass namentlich auch die Übernahme von Nachgangshypotheken durch die Kassen,
sofern sie von der öffentlichen Hand oder einer Bürgschaftsgenossenschaft verbürgt sind, zulässig wird. Die Kassen werden somit in der Lage sein,' von dieser neuen Anlagemöglichkeit sowohl für die Stammvermögen als auch für die Prämienausgleichsfonds Gebrauch zu machen.

Da indessen die Verbürgung von Nachgangshypotheken in der Regel nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz der Bausumme in Frage kommen wird (vgl. Art. 13, Abs. l des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues, wo diese Höchstgrenze auf 90 Prozent festgelegt ist), kann eine Finanzierungslücke entstehen, welche die Verwirklichung des Bauvorhabens in Frage stellt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund

335

möchte es deshalb den Kassen ermöglichen, ihre Mittel auch zur Schliessung dieser Finanzierungslücke einzusetzen, z. B. durch Beteiligungen an Wohnbaugenossenschaften. Ausserdem wünscht er, dass den Kassen erlaubt werde, Grundeigentum zu erwerben und auf eigene Rechnung Wohnbauten zu erstellen.

Der Bundesrat hält es im Interesse des Wohnungsbaues für wünschbar, dass die Arbeitslosenkassen einen Teil ihrer Mittel auch auf diese Weise einsetzen können. Derartige Anlagen sind aber auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zulässig. Das Stammvermögen muss nämlich «sicher und zu einem angemessenen Zinsfuss » angelegt werden (Art. 40, Abs. 2 des Gesetzes), was bedeutet, dass Anlagen, die nicht einen festen Zins, sondern einen variablen Ertrag abwerfen, ausgeschlossen sind, somit auch Anlagen in Grundeigentum.

Auf die Anlage des Prämienausgleichsfonds findet dieselbe Bestimmung Anwendung (Art. 41, Abs. l des Gesetzes).

Die Anträge des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes können deshalb nicht ohne Gesetzesänderung verwirklicht werden. Dabei muss unterschieden werden zwischen dem Stammvermögen und dem Prämienausgleichsfonds. Das Stammvermögen stellt das eigentliche Betriebskapital der Kasse dar und muss im Bedarfsfall für die Ausrichtung von Versicherungsleistungen innert nützlicher Frist flüssig gemacht werden können, weshalb am Grundsatz festgehalten werden muss, dass das Stammvermögen «sicher und zu einem angemessenen Zinsfuss» anzulegen ist. Immerhin gibt es Kassen, bei denen die Anlage wenigstens eines Teils des Stammvermögens im Sinne der Vorschläge des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes mit Rücksicht auf die Höhe des Stammvermögens und die geringe Belastung der Kasse vertretbar wäre. Nach unserem Dafürhalten Hessen sich solche Anlagen im Âusmasse eines Zehntels des Stammvermögens verantworten. Um die Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, wird im Artikel 40, Absatz 2, ein Satz eingefügt, wonach das Bundesamt in besonderen Fällen den Kassen gestatten kann, höchstens einen Zehntel des Stammvermögens «auf andere Weise» (d. h. anders als in festverzinslichen Forderungen) anzulegen. Derartige Ausnahmebewilligungen sollen einzig zum Zwecke der Wohnbauförderung erteilt werden, was in der Verordnung festzulegen sein wird.

Im Gegensatz zum Stammvermögen dient der Prämienausgleichsfonds, der vor
allem aus Prämienüberschüssen der Mitglieder geäufnet wird, der Kasse lediglich als Ausgleichsbecken für die Deckung allfälliger Defizite in der Prämienrechnung. Mit Rücksicht darauf dürfen die Anlagevorschriften für den Prämienausgleichsfonds in stärkerem Masse gelockert werden als jene für das Stammvermögen. Dies kann in der Weise erfolgen, dass der letzte Satz von Artikel 41, Absatz l des Gesetzes, wonach auf die Anlage des Prämienausgleichsfonds dieselbe Bestimmung wie für die Anlage des Stammvermögens anwendbar ist, gestrichen und durch die Bestimmung ersetzt wird, dass die Anlage des Prämienausgleichsfonds in der Verordnung geregelt wird. Auf diese Weise wird der Bundesrat die notwendigen und vertretbaren Lockerungen hinsichtlich der Anlage der Prämienausgleichsfonds vornehmen können.

336 6. Sistierung der Beiträge an den Kassenausgleichsfonds

Der Kassenausgleichsfonds wird durch jährliche Beiträge der Kassen, des Bundes und der Kantone gespiesen (Art.45, Abs.2 des Gesetzes). Früher bezahlten die Kassen einen Beitrag von vier Franken je Versicherten und Jahr, Bund und Kantone je zwei Franken. Als der Fonds 100 Millionen Franken überstieg, wurden die Beiträge um die Hälfte herabgesetzt (Art. 45, Abs. 4 des Gesetzes). Trotz dieser Beitragssenkung konnte der Fonds jährlich um etwa vier bis fünf Millionen Franken geäufnet werden. Ende 1964 hat das Fondskapital 140 Millionen Franken überschritten.

In Anbetracht dieser günstigen Entwicklung haben der Kanton Zürich und die Interessengemeinschaft der öffentlichen Arbeitslosenversicherungskassen im Vernehmlassungsverfahren eine Sistierung der Beiträge an den Kassenausgleichsfonds beantragt, sobald dieser 150 Millionen Franken aufweist, was voraussichtlich Ende 1966 der Fall sein wird.

Da für die nächsten Jahre keine grössere Arbeitslosigkeit befürchtet werden muss und die Mehrheit der Kassen über grosse Stammvermögen verfügen, kann auch nach der Sistierung der Beiträge mit einer erheblichen Zunahme des Kassenausgleichsfonds gerechnet werden. Die jährlichen Zinseinnahmen betragen im Jahre 1965 bei einem Ansatz von 2,5 Prozent über 3,5 Millionen Franken. Demgegenüber sind die Auszahlungen, wie bereits erwähnt wurde, gering. Im Jahre 1964 wurden überhaupt keine Zuschüsse mehr ausgerichtet. Bei dieser Sachlage lässt sich eine Sistierung der Beiträge verantworten, wodurch nicht nur der Bund und die Kantone, sondern auch die Kassen entlastet werden. Artikel 45, Absatz 4 des Gesetzes wird dementsprechend mit einem Zusatz ergänzt. Sollte der Fonds in einem späteren Zeitpunkt unter 150 Millionen Franken sinken, so würde die Beitragspflicht wieder aufleben.

D. Erhöhung der Mindestzahl der Kassenmitglieder Gemäss Artikel 6, Absatz l des Gesetzes wird eine Arbeitslosenkasse vom Bund nur anerkannt, wenn sie mindestens 500 versicherungsfähige Personen zählt. Auf Kassen, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (I.Januar 1952) bestanden haben, findet diese Vorschrift keine Anwendung (Besitzstandsgarantie gemäss Artikel 66, Absatz l des Gesetzes). Heute bestehen 182 anerkannte Arbeitslosenkassen, deren Mitgliederzahlen - wie untenstehende Tabelle zeigt - sehr verschieden sind. Die kleinste Kasse hat 50, die grösste 70 450 Mitglieder.

Mitgliederbestand

Bis 500 501 bis 2000 über 2000

Total

Öffentliche Kassen

Einseitige Kassen

Paritätische Kassen

Total

7 25 27 59

4 11 20 35

36 38 14 88

47 74 61 182

337

Da eine weitere Zunahme der Zahl der Kassen nicht erwünscht ist, sieht der Revisionsentwurf eine Erhöhung der für die Anerkennung einer neu gegründeten Kasse notwendigen Mitgliederzahl von bisher 500 auf 2000 vor. Die Besitzstandsgarantie sollte jedoch beibehalten werden, weshalb auch Artikel 66, Absatz l des Gesetzes entsprechend zu ändern ist.

Dieser Änderung kommt heute allerdings keine grosse praktische Bedeutung zu. Sie sollte aber trotzdem - aus grundsätzlichen Erwägungen - vorgenommen werden.

Kantone und Spitzenverbände stimmen dieser Gesetzesänderung zu, die Kantone Luzern und Graubünden unter dem Vorbehalt, dass die heute bestehenden Kassen mit weniger als 2000 Mitgliedern nicht aufgelöst werden. Der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeberorganisationen und der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins bedauern, dass sich die Heraufsetzung der Mitgliederzahl gegen die Gründung neuer paritätischer Kassen auswirken werde. Der Kanton Schaffhausen anderseits spricht sich gegen die Beibehaltung der Besitzstandsgarantie aus, da diese eine Rationalisierung der Arbeitslosenversicherung behindere. Nach der Auffassung des Kantons Zürich sollte geprüft werden, ob nicht die Kassen mit weniger als 2000 Mitgliedern zum Zusammenschluss mit ändern Kassen veranlasst werden könnten. Ähnlich lässt sich der Kanton Thurgau vernehmen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund würde es ebenfalls begrüssen, wenn bestehende Kassen mit weniger als 2000, eventuell mit weniger als 500 Mitgliedern auf einen bestimmten Zeitpunkt hin zum Zusammenschluss mit ändern Kassen veranlasst würden.

Im Interesse des Risikoausgleichs und der rationellen Verwaltung wäre es zweifellos wünschbar, auf die Besitzstandsgarantie ganz oder teilweise zu verzichten. Von einer Aufhebung der Kassen mit weniger als 2000 Mitgliedern würden jedoch 121 Kassen betroffen (32 öffentliche, 15 Gewerkschaftskassen und 74 paritätische), und eine Aufhebung der Kassen mit weniger als 500 Mitgliedern träfe noch 47 Kassen (7 öffentliche, 4 Gewerkschaftskassen und 36 paritätische).

Die zwangsweise Aufhebung von zwei Dritteln aller Kassen (bis zu 2000 Mitgliedern) kommt wohl nicht in Frage. Selbst eine Aufhebung der Kassen mit weniger als 500 Mitgliedern hätte, vor allem auf die paritätischen Kassen, sehr einschneidende Auswirkungen, müsste
doch mehr als zwei Fünfteln dieser Kassen die Anerkennung entzogen werden, was nicht unbedenklich wäre. Die paritätischen Kassen beruhen auf Abmachungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, werden von beiden Seiten finanziert und kommen im allgemeinen mit sehr geringen Verwaltungskosten aus, sind also für die Versicherten besonders vorteilhaft. Ausserdem ist daraufhinzuweisen, dass unter den Kassen mit weniger als 500 Mitgliedern sich auch eine kantonale Kasse befindet, die nicht aufgelöst werden könnte, da die Befugnis der Kantone zur Errichtung öffentlicher Kassen durch die Verfassung (Art. 34ter, Abs. 3 BV) gewährleistet ist.

Das zu ändernde Gesetz stützt sich auf Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe/ und Absatz 3 sowie auf Artikel 64bls der Bundesverfassung. Die gleiche Grundlage gilt für das Abänderungsgesetz.

338

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beantragen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesgesetz betreff end die Änderung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1951 über die Arbeitslosenversicherung.

Ferner beantragen wir die Abschreibung der Postulate des Nationalrates Nr. 8581 und Nr. 8677 vom 17. September 1963, welchen mit dieser Botschaft Folge gegeben wurde.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. Februar 1966.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Schaffner Der Bundeskanzler: Ch.Oser

339

(Entwurf)

Bundesgesetz betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 25. Februar 1966, beschliesst:

I Das Bundesgesetz vom 22. Juni 195l1) über die Arbeitslosenversicherung wird wie folgt abgeändert : Art. 6, Abs. l 1 Kassen werden nur anerkannt, wenn sie nachweisen, dass sie mindestens 2000 versicherungsfähige Personen zählen, über ein Stammvermögen nach Massgabe von Artikel 40, Absatz l, verfügen, und wenn ihre KassenVorschriften diesem Gesetz entsprechen.

Art. 20, Abs. 4 4 Die Prämien sind nach der Höhe des versicherten Verdienstes abzustufen.

Der versicherte Verdienst darf den tatsächlich erzielten Verdienst nicht übersteigen; versicherbar ist höchstens ein Verdienst von 48 Franken im Tag.

Art. 31, Abs. 2 und 3 2

Die Grundentschädigung beträgt für Versicherte, die eine Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehegatten oder ihren Kindern oder eine Unterstützungspflicht gegenüber ihren Eltern oder ihren nächsten Familienangehörigen in erheblichem Masse erfüllen, 65 Prozent und für die übrigen Versicherten 60 Prozent des versicherten Tagesverdienstes, vermindert um je ein halbes Prozent für jeden Franken, um den der versicherte Verdienst 24 Franken übersteigt.

3 Die Zulage beträgt 1,80 Franken für die erste unterhaltene oder unterstützte Person und 80 Rappen für die zweite und jede weitere Person. Zulagen x

) AS 1951,1163; 1959, 537.

340

werden höchstens im Ausmass der tatsächlich erbrachten Unterhalts- oder Unterstützungsleistungen gewährt.

Art. 38, Abs. 3 3 Die Grundprämie muss mindestens 12 Franken betragen. Der für die Bemessung der Grundprämie massgebende Belastungsgrad beträgt höchstens 4 Prozent.

Art. 39, Abs. 2 2

Das durchschnittliche Taggeld einer Kasse entspricht der Summe der während des Rechnungsjahres vorschriftsgemäss ausbezahlten Arbeitslosenentschädigungen, geteilt durch die Zahl der ausgerichteten Taggelder. Ergibt sich eine einseitige Belastung durch Versicherte, deren Verdienst vom Durchschnittsverdienst aller Angehörigen dieser Kasse erheblich abweicht, oder weist eine Kasse nur geringe oder überhaupt keine Auszahlungen auf, so ist das durchschnittliche Taggeld auf Grund des durchschnittlichen versicherten Verdienstes der Kassenmitglieder zu schätzen.

Art. 40, Abs. 2 2

Das Stammvermögen ist sicher und zu einem angemessenen Zinsfuss in festverzinslichen Forderungen anzulegen, soweit es nicht für laufende Verpflichtungen zur Verfügung gehalten werden muss. Das Bundesamt kann den Kassen in besonderen Fällen gestatten, höchstens einen Zehntel des Stammvermögens auf andere Weise anzulegen. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt.

Art. 41, Abs. l 1

Übersteigen die in Artikel 37, Absatz 2, genannten Einnahmen die übrigen Ausgaben, so haben die Kassen einen Prämienausgleichsfonds zu errichten, dem diese Überschüsse zuzuweisen sind. Beträgt der Prämienausgleichsfonds, auf den einzelnen Versicherten berechnet, das Achtfache des durchschnittlichen Taggeldes der Kasse, so sind die Einnahmenüberschüsse dem Stammvermögen zuzuweisen. Die Anlage des Prämienausgleichsfonds wird durch Verordnung geregelt.

Art. 45, Abs. 4 4 Übersteigt der Kassenausgleichsfonds auf Jahresende 100 Millionen Franken, so werden die Beiträge gemäss Absatz 2, lit. a, b und c, auf die Hälfte herabgesetzt, während die Beitragserhöhung gemäss Absatz 3 dahinfällt. Übersteigt der Kassenausgleichsfonds auf Jahresende 150 Millionen Franken, so fällt die Beitragspfücht dahin.

Art. 46, Abs. l 1 Kassen, die bei einem Belastungsgrad von mehr als 4 Prozent einen Ausgabenüberschuss aufweisen und deren Stammvermögen, auf den einzelnen Versicherten berechnet, am Ende des jeweiligen Rechnungsjahres weniger als das

341

Zwölf fache des durchschnittlichen Taggeldes beträgt, haben Anspruch auf einen Ausgleichszuschuss.

Art. 66, Abs. l 1 Bisher anerkannte Kassen gelten weiterhin als anerkannt, auch wenn sie weniger als 2000 Versicherte zählen.

II Kassen, deren Prämienausgleichsfonds, berechnet auf den einzelnen Versicherten, am Ende des ersten Rechnungsjahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes das Zehnfache ihres durchschnittlichen Taggeldes übersteigt, haben den Mehrbetrag in das Stammvermögen überzuführen.

III Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes fest.

342 Tabelle über die Auswirkungen auf die einzelnen Taggelder Grundentschädigung: 60 Prozent bzw. 65 Prozent des versicherten Tagesverdienstes.

Degression: von 24 Franken an 1/2 Prozent für jeden Franken mehr.

Versicherbarer Tagesverdienst: höchstens 48 Franken.

Zulagen: 1,80 Franken für die erste unterhaltene oder unterstützte Person, 80 Rappen für die zweite und jede weitere Person.

Versicherter Tagesverdienst Franken

12 -- 14.-- 16.-- 18.-- 20.-- 22.-- 24.-- 26.-- 28.-- 30.-- 32.-- 34.-- 36.-- 38.-- 40.-- 42.-- 44.-- 46.-- 48,--

L V V/2 K V/4 K 8763

= = = =

Erhöhung gegenüber der heutigen Regelung in Franken

Taggelder in Franken L

y

7.20 8.40 9.60 10.80 12 -- 13.20 14.40 15.35 16.25 17.10 17.90 18.70 19.45 20.15 20.80 21.40 22.-- 22.55 23.05

9.60 10.90 12.20 13.50 14.80 16.10 17.40 18.45 19.45 20.40 21.30 22.20 23.05 23.85 24.60 25.30 26.-- 26.65 27.25

V/2 K

V/4 K

10.20 10.20 11.90 11.90 13.60 13.60 15.10 15.30 16.40 17.-- 17.70 18.70 19.-- 20.40 20.05 21.65 21.05 22.65 22 -- 23.60 22.90 24.50 23.80 25.40 24.65 26.25 25.45 27.05 26.20 27.80 26.90 28.50 27.60 29.20 28.25 ' 29.85 28.85 j 30.45

ledig verheiratet ohne Kinder verheiratet mit 2 Kindern verheiratet mit 4 Kindern

L

-- --

-.20 -.60 1.10 1.70 2.10 2.55

3.-- 3.50 4.30 5.05 5.75 6.40

7.-- 7.60 8.15 8.65

v -.20 -.20 -.20 -.40 -.80 1.30 1.90 2.30 2.75 3.20 3.70 4.60 5.45 6.25

7.-- 7.70 8.40 9.05 9.65

V/2 K

V/4 K

--

-.20 -.60 j_ 1.50 2.10 2.50 2.95 3.40 3.90 4.80 5.65 6.45 7.20 7.90 8.60 9.25 9.85

-.20 1.10 2.10 2.70 3.15 3.60 4.10

5.-- 5.85 6.65 7.40 8.10 8.80 9.45 10.05

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (Vom 25. Februar 1966)

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1966

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10

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10.03.1966

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