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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die projektirte Verwendung des diesjährigen Kredits für Hebung der schweizerischen Pferdezucht.

(Vom 8. Juni 1874.)

Tit.!

Die Bundesversammlung hat unterm 29. Januar abhin, nach Prüfung des Budgets für das Jahr 1874, nebst der Botschaft des Bundesrathes vom 18. Weinmonat, beschlossen : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, unter Berüksichtigung der landwirtschaftlichen und militärischen Interessen die Frage zu prüfen, ob und wie durch Errichtung eines Fohlenhofes oder in Verbindung mit demselben die Hebung der Pferdezucht überhaupt befördert werden könnte." (Off. Samml. XI. 466.)

Unser Departement des Innern, welchem wir dieses Postulat zur Behandlung überwiesen, hat nicht ermangelt, dasselbe der eidg.

Pferdezuchtkommission zur BerathungO vorzulegen.

Wir beehren O .

uns nun, Ihnen nachstehenden Berieht im Einverständnisse mit genannter Kommission zu unterbreiten.

1170 Eine Vergleichung des gegenwärtigen und künftigen Bedürfnisses unserer Armee an zum Reitdienst tauglichen Pferden mit dem wirklichen Bestände und der Qualität der Produktion in den pferdezuchttreibenden Gebieten der Schweiz bringt un zur bemühenden Erkenntniß,t daß wir großen Mangel an solchen grossen o Thieren haben.

. Troz bedeutender Inanspruchnahme des Auslandes haben in den meisten Kantonen die Dragonerkompagnien nicht mehr auf ihren reglementarischen Etat gebracht werden können, und die ohnehin sehr schwache Vertretung der Reiterei in unserer Armee -- das Gesez von 1850 verlangt nur 2869 Dragoner und Guidon -- beträgt vielleicht kaum mehr die Hälfte dieser Zahl an wirklich gut berittenen Reitern; noch schlimmer, steht-es bei den Offizieren der Stäbe, der Berittenen bei der Artillerie nicht zu gedenken.

Nimmt man noch Rüksicht auf den progressiv wachsenden Abgang an Reitpferden in einem Feldzug und auf die Unmöglichkeit, denselben im In- oder Auslande rechtzeitig zu ersezen, weil bei jedem Ausbruch eines Krieges unsere Einfuhrthore sofort sich schließen, dagegen die Schleußen der Ausfuhr sich öffnen, dann kann man in der That nicht begreifen, daß man so lange die Augen vor den unglüklichen Folgen verschließen konnte, welche der Mangel an Fühlhörnern für unsere Armee im Kriege unausweichlich haben müßte.

Die vielfachen Bemühungen der schweizerischen KavallerieVereine, Mittel und Wege zur Abhilfe des verhängnißvollen Uebelstandes ausfindig zu machen, haben in jüngster Zeit zu Berathungen in den höchsten militärischen Kreisen geführt, aus denen der sehr zeit- und zwekgemäße Vorschlag hervorgegangen ist, die Kavallerie den Anforderungen der gegenwärtigen Kriegführung entsprechend zu reorganisiren und zunächst auf bessere Remontirung durch Pferdeaufkäufe im Ausland Bedacht zu nehmen, insoweit der Bedarf im Inland nicht gedekt werden kann. Seit vierzig Jahren ist die allgemeine Stimmung der Hebung der vaterländischen Wehrkraft noch nie so günstig gewesen als gegenwärtig, wo das. < Vorgefühl des baldigen Ausbruchs eines verheerenden Krieges an den Grenzen unseres Landes und die Furcht, in denselben verwikelt zu werden, in allen Kreisen der Bevölkerung Plaz gegriffen hat. Daher hoffen wir zuversichtlich auf die Bereitwilligkeit unserer Räthe und unseres Volks zu großen Opfern nicht nur für die Bewaffnung, sondern auch für die Mobilmachung und die Sicherung unserer Armee vor feindlichen Ueberraschungen, mit andern Worten, für .alle Mittel,

1171 he zur Erhaltung unserer Neutralität und unserer Existenz unilich sind.

Nach diesen einleitenden Betrachtungen kommen wir auf unser na zurük. Wir sezen voraus, daß unter gegenwärtigen Verlissen die Errichtung eines Fohlenhofes in der vom Bundesrath h. Bundesversammlung befürworteten Ausdehnung als allseitig altes Bedürfnis zur Erhaltung der besten männlichen Nachmlinge von den aus England und Frankreich importirten Halb)ferden und als ein wirksames Mittel zur Aufmunterung und hrung der Züchter keinem Zweifel mehr unterliege uud folglich solches Institut als den Interessen der Landwirtschaft eutchend in den maßgebenden Kreisen anerkannt werde. Bei der ung der Frage, inwiefern die militärischen Interessen durch die chtung eines Fohlenhofes Berüksichtigung finden, können wir weitere, ob mit demselben die Hebung der Pferdezucht überot befördert werde, als schon in $dem diesbezüglichen vorjähriBericht und Antrag des Bundesrathes hinlänglich und in bendem Sinne erörtert betrachten, und haben wir nun in erster 2 in's Auge zu fassen, in welcher Weise die Remontenankäufe Auslande und ihre Unterbringung zu bewerkstelligen sei uud welchen Zusammenhang mit dem Fohlenhof und der inländischen dezucht überhaupt dieser Zuwachs an Reitpferden zu stehen me. -- Voraussichtlich wird es unsern Experten im Ausland n weniger als den Remontirungs-Kommissionen im eigenen Lande igen, kriegsdiensttaugliche Pferde im Alter von 4 -- 5 Jahren in eichender Zahl, sei es in Norddeutschland, Hannover, Ostpreussen · Ungarn, zu finden; daher wird man nach Erwerbung der en im Inlande genöthigt sein, drei-, vielleicht zweijährige Reiten im Auslande aufzukaufen, alle bis zum vollbrachten fünften re aufzuziehen und zu dressiren, um sie erst au Offiziere oder goner zu veräußern, nachdem sie vollständig ausgewachsen sind die Strapazen des Militärdienstes nicht den verderblichen Einauf ihre Dienstverrichtungen und Ausdauer haben, wie das hrungsgemäß bei nicht akklimatisirten, unrationell aufgezogenen unvorbereiteten Pferden dur Fall ist.

Zu dem Zwek müssen wir in der Central-, Ost- und Westweiz Remontendepots, und zwar wohl am besten nach dem von rn Oberstlieutenat Müller beschriebenen Muster der preußischen chten. Verschiedene Zufälle werden einzelne Remonten treffen sie ihrer ursprünglichen Bestimmung entziehen; aber es können dabei zur Zucht besonders taugliche Stuten befinden, dagegen undesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. I.

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1172 im Fohlenhof sich hie und da ein Hengstfohlen .nicht zum künftigen Vaterpferd, wohl aber zum militärdiensttüchtigen Reitpferd entwikeln. Ein den militärischen und landwirtschaftlichen Interessen entsprechendes Wechselverhältniß kann sich also voraussichtlich zwischen den Remontendepots der Regie und dem Fohlenhof gestalten.

Der Aufkauf der besten Fohlen im Lande durch den Staat, sei es für den Militärdienst oder für die Produktion, in Verbindung mit ihrer rationellen Aufzucht und Ernährung wird ohne Zweifel zu einem ungeahnten Aufschwung der inländischen Pferdezucht und einer wesentlichen Verbesserung unserer Schläge beitragen ; aber es sind diese Errungenschaften zu sichern durch Erhaltung der besten Stämme in einem Fohlenhof und durch Erwerbung ausgezeichneter Beschäler von Blut, wo die Gelegenheit dazu günstig ist, sowie von guten Mutterthieren. Wenn wir jedoch unter den jezigen Verhältnissen auf den Ankauf von Stutenfohlen verzichten, so geschieht es nicht in Verkennung des großen Einflusses, den das Mutterthier auf seine Nachkommen hat, sondern weil uns gegenwärtig die Mittel dazu fehlen und es mit Rüksicht auf die viel ausgedehntereund intensivere Wirkung des Vaterpferdes weit dringender ist, die zu guten Beschälern sich eignen den · Fohlen der inländischen Zucht zu. erhalten. Nicht nur wandern die besten davon in's Ausland,, sondern es werden auch manche vielversprechende schon im ersten und zweiten Lebensjahre entmannt, weil deren Aufzucht mit viel größern Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist, als die von Stutenfohlen und es auch oft an Wärtern mit der für die Erziehung von Hengstfohlen erforderlichen Energie und Erfahrung fehlt ; ebenso gehen viele gute Hengste durch zu frühen und übermäßigen Gebrauch zur Zucht zu Grunde.

' Ini Weitern bietet uns das Institut eines Fohlenhofes die Aussicht auf allmälige Verminderung des Bedürfnisses, durch aie stets prekäre ' und kostspielige Importation die Pferdezucht 'zu unterstüzen.

Es ist demnach einleuchtend, daß' die Verwendung des diesjährigen Kredits von Fr. 24,000 zur Errichtung eines Hengstfohlenhofes für ungefähr 20 Stük nicht nur die landwirtschaftlichen, sondern auch die militärischen Interessen berüksichtigen würde, wobei aber nicht außer Acht gelassen werden darf, daß diese Thiere erst nach zwei bis drei Jahren, je nachdem sje in ihrem zweiten, oder, was nach unserm Dafürhalten besser, schon im ersten Lebens-

1173 jähre gekauft werden, zur Produktion gebraucht werden können, während dieses Zeitraums jedoch in verschiedenen Gegenden das Bedürfniß nach Ersaz der vorhandenen Beschäler des englischen Haiblutes durch neue Acquisitionen, unter Beanspruchung der Bundesunterstüzung in der seit dem Jahr 1868 üblichen Weise, hervortreten wird. Es ist dies gegenwärtig der Fall im Kanton Waadt, wo durch die beginnende Betheiligung der großen Landbesizer die Pferdezucht eine sehr merkbare Ausdehnung, welche wohl nicht ausschließlich eine Folge der steigenden Preise der guten Fohlen, sondern auch den unglüklichen Erfahrungen in unserer Milchwirthschaft und der häufigen Wiederkehr verschiedener Viehseuchen zuzuschreiben sein dürfte, genommen hat: ferner in den Kantonen Aargau und Luzern, von welchen schon im Laufe des verflossenen Jahres Begehren nach Erwerbung eines Beschälers von Blut eingelaufen sind. Die Summe von Fr. 24,000 wird also heuer zur Gründung des besagten Hengstfohlenhofes auf der Kalberweid bei Thun, in der Folge zur Fortführung dieses Instituts und zur Betheiligung des Bundes bei etwaigen Einkäufen von Halbbjuthengsten im Auslande zu verwenden sein ; dagegen wird die Sicherung des Stutenmaterials für einmal den Kantonen überlassen bleiben müssen.

Unsere Anträge sind ganz im Einklang mit den in den Berichten der ständeräthlichen und nationalräthlichen Kommissionen vom Dezember 1867 und Juli 1868 diesfalls entwikelten Ansichten, dahin gehend, daß zur Erreichung der Hebung und Verbesserung der inländischen Pferdezucht die Herbeischaffung guter Zuchtpferde allein nicht genüge, sondern zur Sicherung der erhaltenen Erfolge auch der Nachzucht die möglichste Aufmerksamkeit zu schenken sei.

Seit dem Bundesbeschluß vom 22. Juli 1868 haben die politischen und territorialen Verhältnisse unserer Nachbarn im Norden und Westen gewaltige Umwandlungen erlitten ; die Wehrkraft nicht nur Frankreichs und des deutschen Reichs, sondern aller europäischen Staaten ist in stetem Anwachsen; unser kleines, zwischen Frankreich und Deutschland eingekeiltes Land kann dem unausbleiblichen Kampfe dieser beiden Nationen kaum mehr wie bisanhin Gewehr beim Fuß zusehen; es muß zu seiner Vei'theidigung in einem Grade gerüstet sein, wie noch nie. Dürfen wir bei solchen Aussichten in die Zukunft einen Hauptfaktor unserer Wehrkraft fürderhin iiußer Acht lassen?

Wir schließen mit dem A n t r a g : es wolle Ihnen belieben, uns zu ermächtigen, den diesjährigen Kredit von Fr. 24,000 für

r 1174 Hebung der schweizerischen Pferdezucht zur Gründung eines eidgenössischen Hengstfohlenhofes im Sinne unseres Berichts zu verwenden.

Gleichzeitig benuzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 8. Juni 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Eisenbahn Effretikon-Wetzikon-Hinweil.

(Vom 8. Juni 1874.)

Tit.!

Der leitende Ausschuß der Eisenbahngesellschaft EffretikonWetzikon-Hinweil stellt das Gesuch, daß die durch Bundesbeschluß vom 18. Dezember 1873 bis zum 1. Juli d. J. erstrekte Frist für den Beginn der Erdarbeiten an der bezeichneten Linie nochmals, und zwar bis zum 31. Dezember d. J., verlängert werde. Zur Begründung wird angeführt, daß, nachdem wegen abgelehnter Subventionsbetheiligung der Gemeinde Illnau das Trace über Oberund Unter-Illnau aufgegeben und das bedeutend wohlfeilere über Bisikon definitiv bearbeitet worden sei, die Gemeinde, Illnau am 1. Februar d. J. nachträglich eine Aktienbetheiligung von Fr. 100,000 beschlossen und der Verwaltungsrath in Folge dessen das früher projektirte Trace wieder aufgenommen habe. Deßhalb haben für die Streke Effretikon-Fehraltorf neue technische Vorarbeiten gemacht werden müssen, welche troz aller Beförderung nicht frühzeitig genug zu vollenden gewesen seien, um die Erdarbeiten vor dem 1. Juli beginnen zu können.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die projektirte Verwendung des diesjährigen Kredits für Hebung der schweizerischen Pferdezucht. (Vom 8. Juni 1874.)

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1874

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20.06.1874

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1169-1175

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10 008 204

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