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Bundesblatt

Bern, den 3. März 1966

118. Jahrgang

Bandi

Nr. 9 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr

Zu 9194 Bericht der Geschäftsprüflingskommission des Ständerates an den Ständerat über den Ausbau der Verwaltungskontrolle # S T #

(Vom 12. Februar 1966) Herr Präsident Sehr geehrte Herren Kollegen Ihre Geschäftsprüfungskommission beehrt sich, Ihnen Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen über den Ausbau der Verwaltungskontrolle und weitere rechtliche Vorkehren zur Stärkung der Stellung des Parlaments. In einem ersten Teil des Berichtes soll die Ausgangslage skizziert werden. Ein zweiter Teil befasst sich materiell mit den Vorschlägen zu einer partiellen Neuordnung des Parlamentsrechts. In einem dritten Teil werden Schlussbetrachtungen angestellt.

Erster Teü. Die Ausgangstage I. Übersicht über die bisherige Behandlung des Geschäfts Arn T.Oktober 1964 haben Sie uns beauftragt, «dem Rate im Sinne des Berichtes der Arbeitsgemeinschaft Mirage vom I.September 1964 über den Ausbau der parlamentarischen Kontrolle der Verwaltung Bericht zu ertatten und Anträge zu stellen und sich zu diesem Zwecke mit der Geschäftsprüfungskommission des ändern Rates sowie mit den Finanzkommissionen ins Benehmen zu setzen». Der Nationalrat, dem in der Behandlung des erwähnten Berichtes die Priorität zustand, hatte seiner Geschäftsprüfungskommission am 24. September 1964 den gleichen Auftrag erteilt.

Schon seit Jahren befassen sich die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte, wie dies auch im Bericht der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission festgestellt wird, mit der Verbesserung der Geschäftsprüfung. Die Zeiten, in denen man sich darauf beschränkte, im Geschäftsbericht nach Vorkommnissen zu suchen, die einer näheren Abklärung bedürfen, oder gar ganze Abschnitte des Berichtes verlas, sind vorüber. Während die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates sich darauf spezialisierte, auch im Geschäftsbericht nicht behandelte Fragen von allgemeiner politischer oder administraBundesblatt. 118. Jahrg. Bd.I.

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tiver Bedeutung einer besonders einlässlichen Prüfung zu unterziehen und grundsätzliche Fragen, die sich immer wieder bei allen Departementen oder speziell bei einzelnen Departementen stellen, eingehend zu untersuchen, legte unsere Kommission vor allem Wert darauf, neben der Abklärung von Fragen aus dem Geschäftsbericht jedes Jahr wechselnd Dienststellen der Verwaltung zu besuchen und sich in Aussprachen mit den leitenden Beamten und deren Mitarbeitern ein Bild über die Aufgabe, die Zweckmässigkeit der Organisation, die Zusammenarbeit mit ändern Dienststellen, die Speditivität und das Arbeitsklima zu verschaffen und die Probleme kennen zu lernen, welche die grössten Sorgen und Schwierigkeiten bereiten. Dabei wurden Feststellungen gemacht, die gelegentlich weitere Abklärungen und Empfehlungen an den Bundesrat und meistens eine beide Teile befriedigende Lösung zur Folge hatten.

Wie die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission haben auch wir die in der Öffentlichkeit gemachten Vorschläge für den Ausbau der parlamentarischen Kontrolle verfolgt und dazu Stellung genommen.

Im weitern haben wir den Bundesrat veranlasst, zu verschiedenen Verbesserungsvorschlägen im Hinblick auf die parlamentarische Kontrolle, unter denen wir hier besonders diejenige der Einrichtung von ständigen Sekretären der Geschäftsprüfungskommissionen erwähnen möchten, Stellung zu nehmen, Wir haben auch mit Nachdruck wiederholt auf die Bedeutung und Notwendigkeit der Weiterbildung der Beamten und insbesondere die Kaderschulung hingewiesen und entsprechende Anregungen gemacht. Wir möchten feststellen, dass der Bundesrat am 13. Dezember 1965 einen ersten Schritt (dem, wie wir hoffen, weitere folgen werden) in dieser Richtung durch den Bundesratsbeschluss über die dienstliche Ausbildung in der allgemeinen Bundesverwaltung (AS 1965, S. 1297) gemacht hat. Wir erwähnen auch, dass uns Professor Dr.C.Higy, der beauftragte Experte des Eidgenössischen Personalamtes, über die praktische Durchführung orientiert hat und uns weiter auf dem laufenden halten wird.

In Ausführung der eingangs erwähnten Aufträge wurden noch im Herbst 1964 von jeder Geschäftsprüfungskommission Vorarbeiten an die Hand genommen. Arn 9./IO. Februar 1965 vereinigten sich Ausschüsse beider Geschäftsprüfungs- und Finanzkommissionen zu einer Arbeitstagung in Engelberg. Hier
standen einerseits ein Vorentwurf der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission für eine Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes und andrerseits wegleitende Thesen der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission zur Diskussion; dazu kamen Stellungnahmen der Finanzkommissionen und des Bundesrates.

Im Grunde genommen ging es in Engelberg zwischen der Auffassung der nationalrätlichen und unserer Geschäftsprüfungskommission um folgende Alternative : Soll man zuerst alle Probleme, die sich für eine Verbesserung der Kontrolle auf den Stufen Oberaufsicht und Aufsicht und beim Zusammenwirken beider stellen, und die Fragen der praktischen Durchführbarkeit abklären und dann legiferieren oder soll man unter Beschränkung auf die wenigen von der Arbeitsgemeinschaft empfohlenen Reformen zuerst die gesetzliche Grundlage schaffen

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und sich dann erst bei der praktischen Anwendung über die Durchführung und Zusammenarbeit verständigen.

Es drang die Auffassung durch, dass rasch eine Gesetzesvorlage den Räten zu unterbreiten sei. Ferner gelang es, eine Angleichung verschiedener Standpunkte zu erzielen. Immerhin blieben sachliche Differenzen bestehen. Insbesondere machten unsere Vertreter Vorbehalte hinsichtlich des vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens, der «Hearings», der Regelungsart für die Untersuchungskommissionen, der Praktikabilität von Kontrollkompetenzen.

In der Frübjahrssession 1965 wurde für das Geschäft «Ausbau der Verwaltungskontrolle» dem Nationalrat die Priorität zugewiesen.

Daraus ergab sich für die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates die praktische Notwendigkeit, die Aktivität der nationalrätlichen Kommission zu überlassen und sich vorderhand auf die Rolle des Beobachters zurückzuziehen. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates unterbreitete unter dem Datum des 13. April 1965 ihrem Rat eine Vorlage, worin die Änderung und Ergänzung des Geschäftsverkehrsgesetzes, des Beamtengesetzes und des nationalrätlichen Geschäftsreglementes vorgeschlagen wurde (Bericht 9194, BB1 1965 i, 1177 ff.). Der Bundesrat nahm seinerseits in einem Bericht vom 27. August 1965 dazu Stellung (Bericht zu 9194, BEI 1965II, 1025). In der Herbstsession 1965 behandelte der Nationalrat das Geschäft (Amtl. Bull. NR 1965, 461 ff. und 579 ff.) und nahm die Vorlage in der Gesamtabstimmung vom l I.Oktober 1965 an.

Die durch die Prioritätszuteilung verursachte Wartezeit nutzte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates dafür aus, über die grundlegenden Fragen der vorgesehenen Neuordnung ein staatsrechtliches Gutachten von Dr. Kurt Eichenberger, Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Basel, einzuholen, das im August 1965 erstattet wurde und über das die Kommission am 15. September 1965 eine erste Aussprache pflog. Sie lud, wie auch zu späteren Beratungen, Ständerat Dr. E. Zellweger ein, der im Sommer 1964 eine Regelung des vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens angeregt hatte. Sobald die Beschlüsse des Nationalrates vorlagen, bestellte die Geschäftsprüfungskommission einen f ünfgliedrigen Arbeitsausschuss und nahm in zwei Sitzungen vom 3. und 25. November 1965 eine Beurteilung der rechtlichen und
politischen Lage vor ; zugleich legte sie die materiellen Richtlinien für eine Kommissionsvorlage zur Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes zuhanden des Arbeitsausschusses fest. Dieser arbeitete einen Vorentwurf aus, der von der Gesamtkommission am 4./5. Januar 1966 beraten wurde. Der daraus hervorgehende Kommissionsentwurf wurde der Finanzkommission des Ständerates, dem Bundesrat, dem Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates und dem Generalsekretär der Bundesversammlung zur allfälligen Verlautbarung zugestellt.

Am 17. Januar 1966 fand eine gemeinsame Sitzung der ständerätlichen Finanzkommission und des Arbeitsausschusses statt. Schliesslich führte die Gesamtkommission am 20. Januar 1966 eine weitere Lesung ihres Entwurfes durch, wobei sie die Stellungnahmen der Finanzkommission, des Bundesrates und des Generalsekretärs der Bundesversammlung in Berücksichtigung zog.

216 II. Leitgedanken der ständerätlichen Kommissionsverlage

/. Das Verhältnis zum Beschluss des Nationalrates Obwohl der ursprüngliche Auftrag, den Sie uns im An schluss an den Miragebericht am 7. Oktober 1964 erteilt hatten, die Möglichkeit offen gelassen hätte, eine eigene Vorlage zuhanden des Ständerates auszuarbeiten, war doch auf die praktische Situation Bedacht zu nehmen : Erstens wäre zur Vorlage der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission eine sowohl sachlich als auch verfahrensmässig unerwünschte Doppelspurigkeit entstanden, die durch die Tagung von Engelberg und die Festlegung eines Prioritätsrates in der Frühjahrssession 1965 zu vermeiden gesucht wurde; zweitens wird der Ständerat von Verfassungs und Gesetzes wegen mit dem Beschluss des Nationalrates vom 11. Oktober 1965 betreffend die Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes und des Beamtengesetzes befasst und ist verhalten, diesen Gegenstand in Beratung zu ziehen. Es drängte sich deshalb auf, unserer Berichterstattung den Beschluss des Nationalrates zugrunde zu legen und sich darauf auszurichten.

Damit hat man freilich gewisse Festlegungen in Kauf zu nehmen, die unseren anfänglichen Intentionen nicht ganz entsprechen : a. Wir hatten den 1964 vom Rat erteilten Auftrag umfassender aufgefasst als die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission. Wir hätten es für richtig gehalten, dass nicht nur die im Miragebericht gemachten Vorschläge geprüft und in rechtliche Vorschriften gekleidet worden wären, sondern dass auch weitere Lösungsmöglichkeiten für einen Ausbau der Kontrolle in Betracht kommen könnten. Insbesondere hätten wir eine umsichtige und in die Einzelheiten gehende Untersuchung darüber begrüsst, wie das Parlament im Gesetzgebungsverfahren seine Wirkung festigen und angesichts der permanenten Zeitnot die Verwaltungskontrolle in der Praxis rationeller und wirksamer zu gestalten vermöchte, wobei das Zusammenwirken der parlamentarischen Kontrollorgane unter sich und mit den Aufsichtsinstitutionen innerhalb der Verwaltung sicherzustellen gewesen wäre. Da damit sowohl grundlegende als auch detaillierte Fragen über die Aufgabe, die Arbeitsweise und die Stellung des Parlamentes aufgeworfen worden wären, hätte die Bearbeitung allerdings weit mehr Zeit beansprucht, als die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission einzusetzen für tragbar hielt. Wollte die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission
nicht den Anschein erwecken, eine Verzögerung zu verursachen, musste sie auf eine Ausweitung der Abklärungen verzichten und sich an den Rahmen halten, der durch die Kommissionsvorlage des Prioritätsrates geschaffen und nunmehr durch die Beschlüsse des Nationalrates gedeckt wurde.

Es ist jedoch festzuhalten, dass unsere Kommission trotz der Beteiligung an der Tagung von Engelberg in diesem Rahmen in ihrer Antragstellung an den Ständerat frei geblieben ist. Darüber besteht auch volle Übereinstimmung mit der Auffassung der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission, die in ihrem Bericht (BB1 1965II, 1178) ausdrücklich feststellt, dass die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission die Vorlage, die aus der Beratung des National-

217 rates hervorgehen werde, «mit derselben Unabhängigkeit prüfen und dem Ständerat ihren Bericht erstatten und ihre Anträge stellen» werde.

b. Die sachlichen und zeitlichen Begrenzungen führten zu einer weiteren Sonderheit der Revisionsvorlage. Sie musste zum Teil in fundamentalen Fragen (z.B. Vorverfahren zur Vorbereitung der Gesetze), zum Teil in Einzelheiten (z.B. Dokumentationsdienst, Sekretariate der Kommissionen) die unerlässliche materielle Regelung späteren Erlassen vorbehalten und sich mit wenigen Festlegungen oder reinen Delegationsnormen begnügen. Wir haben uns sehr darum bemüht, derartige Sachlücken, so gut es mit einer Partialrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes überhaupt angeht, zu schliessen (so vor allem bei den Untersuchungskommissionen). Wo jedoch Verfassungsrevisionen oder ausführliche und besondere Gesetzes- und Beschlussesbestimmungen die zutreffende Lösung bringen sollten, haben wir trotz der Ermittlung der Regelungs- und Auswirkungsmöglichkeiten von neuen Vorschlägen absehen müssen, um unter allen Umständen die befürchteten Verzögerungen zu vermeiden.

2. Die Beachtung der politischen Legitimation der Revision Die Eile, in der die Revisionsvorlage ausgearbeitet und in den Räten behandelt wird, hat ihren Grund nicht im Drang zu Betriebsamkeiten und zu überstürzten Neueinrichtungen. Vielmehr geht sie einmal zurück auf das Bestreben, die staatspolitischen Schwierigkeiten, die mit der Mirage-Angelegenheit entstanden sind, unter anderem dadurch zu beheben, dass die Aktivität des Parlamentes belebt wird. Sodann wurde man sich in den letzten Jahren allgemein der vielfältigen Erschwerungen bewusst, die sich der parlamentarischen Wirksamkeit aus mannigfachen Ursachen entgegenstellen und denen durch Stärkungen des Parlamentes entgegengetreten werden soll. Beide Ziele wären eine Strecke weit auch ohne Rechtsänderungen zu erreichen, zumal an den gegebenen verfassungsmässigen Beziehungen zwischen Exekutive und Bundesversammlung keine grundlegenden Änderungen beabsichtigt sind. Umgekehrt haben wir in Rechnung gestellt, dass rechtliche Neuregelungen schlechthin Anstoss und Verpflichtung zu Neubesinnung und Aktivierung werden können. Eingedenk solcher Wirkungsmöglichkeiten ist es heute wohl nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Revisionsvorlage für alle aufgeworfenen Fragen Regelungen
bringt, die auf längste Zeit hinhalten; wesentlicher dürfte die Aussicht sein, dass jene belebende Wirkung erzielt wird, ohne gleichzeitig Strukturschäden am staatlichen Gefüge heraufzubeschwören.

Wir hielten es aus diesen Überlegungen für geboten, ohne Not keine sachlichen Differenzen zum Nationalrat zu schaffen und Abweichungen von seinen Beschlüssen nur da vorzuschlagen, wo zu befürchten ist, dass seine Fassung zu Unzulänglichkeiten führen könnte, oder wo sich redaktionelle Änderungen aufdrängen.

3. Die grundsätzliche Ausrichtung der Revision Diese Beachtung der gegenwärtigen praktisch-politischen Situation, die jetzt auf eine bloss «kleine Revision» hinzielt, heisst indessen nicht, dass die

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Ausrichtung auf allgemeine Grundsätze unseres Staatsaufbaus nicht möglich und nötig wäre. Wir möchten jedoch darauf verzichten, in einem einleitenden Kapitel auf solche Grundsätze einzugehen, wie etwa auf die Gewaltenteilung, die Stellung des Parlamentes und der Regierung, die Einrichtung des Omboudsmanns, die Aufgaben und Grenzen der parlamentarischen Kontrollkompetenzen und dergleichen. In den verschiedenen Berichten und Gutachten, die für die bisherigen Beratungen erstattet wurden und den Mitgliedern des Ständerates bekannt sind, finden sich darüber ausführliche Erörterungen ; zudem sind auch zahlreiche wissenschaftliche und politische Publikationen zum Fragenkreis erschienen. Sich hier zu diesen Grundsatzfragen allgemein und abstrakt zu äussern und insbesondere abweichende Auffassungen gegenüber bisherigen Veröffentlichungen zu begründen, würde umfangreiche Darlegungen nötig machen, ohne zur Lösung der sich heute praktisch noch stellenden Fragen viel beizutragen. Soweit jedoch angezeigt, werden Aspekte der Grundsatzfragen bei den einzelnen Einrichtungen und Bestimmungen des nachstehenden zweiten Teils zu erwähnen sein. Im übrigen begnügen wir uns mit folgenden kurzen Hinweisen auf einige wegleitende Gedanken : a. Die Vorlage ist bei einer grundsätzlichen Sichtung als Versuch zu werten, in einem vorläufig engen Ausschnitt beizutragen, die Geltung und Autorität des Parlamentes inmitten des sich wandelnden Staates und starker Veränderungen der Beziehungen der Gewalten zu behaupten und wenn möglich zu stärken. Es geht der Bundesversammlung nicht, wie gelegentlich behauptet wurde, um einen Abbau der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der Regierung, sondern um die Realisation rechtsstaatlicher Organisationsprinzipien im veränderten Staat. Im Grunde liegt es der Revision daran, wie vor allem die Verhandlungen im Nationalrat deutlich gezeigt haben, Parlament und Regierung in ihren Rollen, die sie in, der schweizerischen Demokratie teils nebeneinander, teils miteinander spielen sollen, zu festigen und in ihren Verantwortungsbereichen sicherer zu machen. Die Revision ist weder regierungsfeindlich noch staatsfeindlich, weder autoritätszerstörend noch desintegrierend. Im Gegenteil, sie macht aufmerksam, wo jede Behördengruppe ihre Schwergewichte hat und wo sich die Gewalten funktionsgemäss berühren^müssen.
b. Wenn insbesondere das Parlament aus der Revision Wirksamkeit und Sicherheit gewinnen soll, muss es sich angesichts der Fülle von Aufgaben freilich konzentrieren. Seine Hauptbereiche sind Gesetzgebung und Verwaltungskontrolle. Dafür sollen ihm Hilfen bereitgestellt werden. Umgekehrt wird es sich enthalten, Funktionen zu übernehmen, die wesensgemäss der Regierung zugehören und durch die es sich mit Verantwortungen belasten würde, die es letztlich nicht zu tragen vermag.

c. Rechtliche Einrichtungen im Bereiche der staatslenkenden und staatsgestaltenden Funktionen bergen je Vor- und Nachteile in sich, und die Auswirkungen sind nicht mit vollendeter Gewissheit abschätzbar. Entscheide über die Einführung und die nähere Ausgestaltung richten sich nach wertenden Abwägungen; Urteile von logischer Strenge sind selten möglich. So kommt man in praktischer Hinsicht schwerlich zu Lösungen, die frei von Bedenken und von

219 negativen Seiten wären. Trotzdem muss man sich irgendwie entscheiden. Was wir denn vorschlagen, erhebt nicht Anspruch, beste und undiskutierbare Lösung zu sein, wohl aber, das Ergebnis einlâsslicher Erörterungen zu bilden, bei denen die vielseitigen Aspekte der Revision bedacht worden sind.

Mit der Kommendeiung unserer Änderungsanträge zum Gesetzesentwurf selbst haben wir unseren Experten, Professor Eichenberger, beauftragt, auf dessen Ausführungen wir uns im folgenden stützen.

Zweiter Teil. Die vorgeschlagene Neuordnung Wir gehen gemäss den vorstehenden Ausführungen vom Beschluss des Nationalrates vom 11. Oktober 1965 aus. Über die Begründung der einzelnen Institutionen und Bestimmungen möchten wir uns der Kürze halber nur äussern, soweit wir Änderungen vorschlagen. In einem ersten Abschnitt (A) soll die Regelung des Vorverfahrens der Gesetzgebung (Art.42bis und 42ter) behandelt werden. In einem zweiten Abschnitt (B) fassen wir die Verbesserung der Stellung und Ausstattung der parlamentarischen Kommissionen zusammen (Art.40Ws, Art. 47Ms bis 47oiinctuiesj 49und 50). in einem dritten Abschnitt (C) wenden wir uns der Institution der parlamentarischen Unteisuchungskommissionen zu (Art. 54Ms bis 54duodeole8). In einem kurzen vierten Abschnitt (D) schliesslich weisen wir auf die nötig werdenden Anpassungen anderer Erlasse hin.

A. Das Vorverfahren der Gesetzgebung I. Die Problematik des Vorverfahrens und seiner rechtlichen Regelung

1. Praxis Die Erlasse der Bundesversammlung gehen in fast allen Fällen auf Entwürfe des Bundesrates zurück. Ihre Vorbereitungen aber wickeln sich oft in so ähnlichen Formen ab, dass man von einem vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahren oder besser von einem Vorverfahren der Gesetzgebung spricht. In diesem unter der Leitung der Bundesverwaltung ablaufenden Verfahren werden die Elemente des künftigen Erlasses zusammengetragen. Dabei hat sich eine recht scharfe Trennung herausgebildet : Das Parlament und die Parlamentarier sind in der Regel an diesem Vorverfahren nicht beteiligt; dieses läuft ausserparlamentarisch ab; die Bundesversammlung sowie die National- und Ständeräte kommen erst zum Zuge, wenn die Vorlage in den Räten förmlich eingebracht ist.

In diesem Vorverfahren wird einmal die Sachkunde innerhalb und ausserhalb der Exekutive mobilisiert, um eine sachgemässe Vorlage zustandezubringen.

Gleichzeitig wird abgeklärt, welche Einwendungen von denjenigen Stellen er-

220 hoben werden, die sich später um den Vollzug zu kümmern haben (so insbesondere durch die Anhörung der Kantone). Ferner werden die sogenannten soziologischen Legislativkräfte erfasst, d. h. diejenigen ausserrechtlichen Sozialpotenzen, die spezifische Gruppeninteressen vertreten und wegen ihrer Wirkungsmöglichkeiten und ihrer sozialen Mächtigkeit Beachtung finden. Das Vorverfahren erlaubt festzustellen, was für Begehren bei diesen Legislativkräften, insbesondere bei Wirtschaftsverbänden, vorhanden sind. Es ermöglicht namentlich bei der Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung Ausgleiche zustandezubringen, bevor sich das Parlament im Kraftfeld der organisierten Gruppeninteressen selbst um tragfähige Kompromisse bemühen muss. Die bevorzugten Formen, in denen heute die Interessenorganisationen im Laufe des Vorverfahrens zu Worte kommen, sind teils die Expertenkommissionen, teils die Vernehmlassungen.

Die Erfahrung zeigt, dass der Inhalt der künftigen Gesetze oder Parlamentsbeschlüsse in recht weitem Mass bereits in diesen Vorverfahren zustandekommt. Zwar hat die Bundesversammlung rechtlich noch alle Freiheit, wenn ihr das Geschäft zugeht. Sie kann die Vorlagen zurückweisen, ändern, ergänzen, verwerfen. Wegen dieser ihrer Entscheidungsmacht haben die vorbereitenden Stellen auf ihren mutmasslichen Willen im voraus auch schon Bedacht genommen. Allein, in Wirklichkeit kann das Parlament seine rechtliche Freiheit nur noch beschränkt nutzen und fühlt sich oft durch das Vorverfahren und das darin zum Austrag gekommene politische Kräftespiel praktisch festgelegt.

Mitunter fehlen ihm auch die fachlichen Voraussetzungen, um ohne aussenstehende Hilfen den Gesetzesinhalt selbst zu prägen oder umfangreiche Änderungen an bundesrätlichen Entwürfen vorzunehmen.

Eine ähnliche, wenn auch weniger manifeste Situation wie das Parlament trifft auch häufig der Bundesrat an ; er kommt in der Praxis oft erst am Schlüsse des Vorverfahrens zur materiellen Behandlung des Geschäfts und findet dann die Vorbereitungen so weit fortgeführt vor, dass er nur mit Bedenken von Vorschlägen abweicht.

2. Die Forderung einer rechtlichen Regelung Das Vorverfahren ist staatsrechtlich und staatspolitisch recht bedeutsam.

Durch die breite Mitwirkung der Interessenorganisationen, durch die lenkende Einschaltung der Bundesverwaltung, durch die
faktischen Festlegungen von Bundesrat, Parlament und Volk werden Grundlagen der staatlichen Willensbildung, der Beziehungen zwischen den Gewalten und der staatlichen Autorität berührt und in Frage gezogen. Es handelt sich jedoch nicht um ein isoliertes Problem etwa der Arbeitstechnik oder der Behördenorganisation, sondern vorwiegend um ein Phänomen der Strukturwandlung des Staates und der grundlegenden Auseinandersetzung zwischen dem Staat und partikulären Interessengruppierungen. Es liegt deswegen ein verfassungspolitisches Thema vor, das Erörterung und Behandlung in einem entsprechend weiten Rahmen voraussetzt.

221 Angesichts der grossen Bedeutung des Vorverfahrens und der mit ihm sichtbar werdenden Schwierigkeiten des Parlamentes regte Ständerat Dr.E.Zellweger bei der Beratung des Mirage-Berichtes im Oktober 1964 eine rechtliche Regelung mit einer Sicherstellung der Handlungsfreiheit der Bundesversammlung in der Gesetzgebung an. In beiden Räten wurde in Aussicht genommen, Lösungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Geschäft zu prüfen.

3. Bleibende Fragwürdigkeiten einer rechtlichen Regelung Dass die Lösung der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission, die ihr Rat unverändert übernommen hat, vielen Einwänden ruft, wird bereits in ihrem Kommissionsbericht erwähnt und ist auch im Plenum vielfach zum Ausdruck gekommen. Wir haben unsrerseits in kleineren und grösseren Kreisen verschiedene Varianten geprüft. Dabei hat sich bestätigt, dass eine rechtliche Regelung auf spezifische Schwierigkeiten stösst. Sie liegen einmal an der Sache und sodann am Wesen des Rechts. Wir erwähnen hier folgendes : a. Eine allgemeine und abstrakte Festlegung des Vorverfahrens formalisiert die heute praktizierten Vorgehen, die trotz ihrer äusseren Verwandtschaft eine bunte Vielfalt offenbaren. Diese entspringt nicht einem willkürlichen Belieben, sondern - jedenfalls in der Regel - dem Bemühen, der konkreten Sache angepasst zu verfahren. Von Gegenstand zu Gegenstand können etwa wechseln: der Kreis der Mitwirkenden, die Reihenfolge der Verfahrensstadien (Vorentwurf Expertenkommissionen - Vernehmlassungen - Departementalentwurf), die Einschaltung des Departementschefs und des Bundesrates, die Bedürfnisse nach dem Zuzug unabhängiger Sachverständiger, die Zeitpunkte der Orientierung der Öffentlichkeit. Versucht man nun in Anlehnung an die heutige Praxis beispielsweise einen typisierten Verfahrensgang zu bestimmen, drängt sich im Interesse einer sachgemässen und relativ einfachen Ordnung unverweilt auf, ihm mit Generalklauseln und Ausnahmebestimmungen wieder so viel Bewegungsfreiheiten einzuräumen, dass die Normierung wenig wirksam sein könnte und doch wieder ein freies Ermessen die konkrete Gestaltung wesentlich bestimmen würde. Wollte man jedoch auf einem strengen Verfahrensablauf und festgelegten Verfahrensstadien beharren, so würde das Vorverfahren zu einem eigentlichen Hauptverfahren aufrücken, das dem nachher
einsetzenden parlamentarischen Verfahren gleichgeordnet vorangestellt wäre. Der rechtsförmliche «Weg der Gesetzgebung», der sich heute auf das Verfahren in der Bundesversammlung und die Mitwirkung der Stimmbürger beschränkt, würde ausgeweitet in die vorbereitenden Vorgänge hinein, ohne dass aber das Parlament schon dabei wäre; die Gefahr seiner echten Konkurrenzierung droht zu wachsen, statt abzunehmen.

b. Damit hängt das andere zusammen : Das heutige Vorverfahren ist gerade kein «Verfahren» im Sinne eines rechtlich geordneten Ablaufs, während dessen bestimmte Organe und Organisationen mit rechtlichen Ansprüchen auf Gehör Zutritt verlangen und in fixierten Formen auftreten könnten. (Die Konsultationen von Interessenorganisationen, die die Bundesverfassung an einzelnen

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Stellen vorschreibt, ist von Rechts wegen nicht in das Vorverfahren verwiesen; sie kann irgendwann und irgendwo im Laufe der Rechtserzeugung stattfinden.) Was heute im Vorverfahren geschieht, hat noch immer Züge des Freien und des Freiwilligen, mitunter auch des Irregulären und Einzuengenden an sich. Wer mitwirkt und mitredet, z.B. in Expertenkommissionen, in Vernehmlassungen, in Eingaben, tut es kraft einer besonderen behördlichen Zulassung, nicht dank einer rechtlich sanktionierten Stellung. Und die Behörden haben die Freiheit, mit den Arbeiten der Experten, mit den Vernehmlassungen, mit ausgehandelten «Einverständnissen» das zu tun, was sie für richtig halten. Es gibt keine rechtlichen Verbindlichkeiten in irgendwelcher Richtung.

Wird das bisher praktisch-politische Vorverfahren zu einem rechtlichen Verfahren, kann sich hierin Entscheidendes ändern. Es liegt nahe, dass es zur Vollwertigkeit einer verfassungsmässigen Prozedur aufsteigt, dass aus freien Zulassungen Ansprüche werden, dass den Behörden die Beachtung unentrinnbar auferlegt wird, dass sich das gerade verstärkt, verfestigt und ausweitet, was man heute mit der rechtlichen Regelung bändigen und disziplinieren möchte.

c. Dies leitet über zu einer dritten Erscheinung: Das in Rechtssätzen fassbare Recht kann das äussere Sozialverhalten von Menschen bestimmen, indem es Rechte verschafft und Gebote oder Verbote auferlegt. Es kann ferner Organisationen einrichten, Kompetenzen verteilen und Verfahren ordnen. In einem begrenzten Umfang kann es auch für seine eigene Durchsetzung Vorsorge treffen.

In der Regel aber ist es nicht imstande, Bürger oder Behördemitglieder zu veranlassen, von den ihnen eingeräumten Möglichkeiten zur freien Betätigung wirklich Gebrauch zu machen. Zu bedenken bleibt: Es geht beim Begehren nach einer Normierung des Vorverfahrens eigentlich nicht darum, einfach eine prozedürliche Ordnung in das bisher freie Walten der vorbereitenden Stellen zu bringen, nur damit Übersicht und rechtliche Garantie des Ablaufs gewahrt wären, wie dies etwa bei einer Prozessordnung oder beim verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren oder bei der parlamentarischen Beratung der Fall ist. Vielmehr geht es um die Erfassung und Bändigung starker politischer Potenzen, die sich - rechtlich sozusagen zufällig - gerade im Vorverfahren ausbreiten. Ein
derartiger Zugriff auf politische Kräfte bereitet dem Recht nach Wesen und Mittel Mühe.

Angesichts derartiger Sonderheiten bleibt das Bedenken, ob eine rechtliche Regelung das zu erfüllen vermöchte, was man von ihr erwartete. Auch konnten wir in der verfügbaren Zeit nicht alle Möglichkeiten durchgehen. Der Weg einer rechtlichen Ordnung sollte aber offen bleiben. Wir schlagen vor, in zwei Artikeln die Grundzüge der nationalrätlichen Lösung beizubehalten, jedoch Lenkung und Auswertung der Vorarbeiten durch die Behörden jetzt schon vorzusehen.

II. Der Beschluss des Nationalrates

Der dem Nationalrat durch seine Kommission unterbreitete und von ihm schliesslich angenommene Vorschlag charakterisiert sich durch drei Momente :

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- Einmal wird der Auftrag zur rechtlichen Regelung an den Bundesrat erteilt, der in Verordnungsform das Vorverfahren der Gesetzgebung ordnen soll (Art.42l)ls, Abs.l, Satz 1).

- In zweiter Linie wird diese Verordnung der Genehmigung durch die Bundesversammlung unterstellt (Abs. 3).

- Schliesslich wird dem Bundesrat materiell vorgeschrieben, durch allgemeine Bestimmungen die Tätigkeit der Expertenkommissionen und das Vernehmlassungsverfahren festzulegen (Abs. l, Sätze l und 2).

Der Bundesrat beantragte, die Bestimmung zu streichen.

In der Beratung des Nationalrates aber kam vor allem die grundsätzliche Frage zur Erörterung, ob eine rechtliche Regelung, zumal in der Verordnungsform, eine zutreffende Lösung darstelle, und es wurde unter anderem beantragt, in der hängigen Revision auf eine Normierung zu verzichten, aber durch eine Motion den Bundesrat aufzufordern, eine Ordnung auf der Gesetzesstufe zu suchen (Motion Imboden). Der Streichungsantrag wurde mit grosser, die Motion mit kleiner Mehrheit verworfen. Es blieb beim Vorschlag der Geschäftsprüfungskommission.

III. Der Vorschlag der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission 1. Die Frage der Beteiligung des Parlamentes bei den' Vorbereitung der Erlasse Auszugehen ist davon, dass ein Regelungsbedürfnis bejaht werden kann, und dass man dabei wird bleiben wollen, irgendv» ann im Laufe der Rechtssetzung und bei ändern wichtigen Staatsentscheidungen betroffene und interessierte Organisationen «anzuhören». (Das Anhören der Kantone, die staatliche Bundesglieder darstellen und sich durch Behörden verlauten lassen, hat staatsrechtlich eine andere Natur als jene der Interessenorganisationen, und die Kantone können auch verfahrensmässig anders erfasst werden. Das Verfahren ihrer Anhörung darf im vorliegenden Zusammenhang in den Hintergrund treten.) Da stellt sich als erstes die Frage, ob sich das Parlament in irgendwelcher Weise an der Anhörung beteiligen soll.

Es nähme damit die Erfassung der soziologischen Legislativkräfte teilweise oder ganz auf sich. Es könnte etwa so geschehen, dass sich die Interessenorganisationen erst im parlamentarischen Verfahren (z. B. in den vorberatenden Kommissionen) verlauten lassen könnten oder dass sich das Parlament im Vorverfahren durch Beteiligungsrechte einschaltete.

a. Wir lehnen die Vertagung der Vernehmlassungen
auf das parlamentarische Verfahrensstadium ab. obwohl sie verfassungsrechtlich zulässig wäre und lediglich gewisse Erschwerungen und Gegensätzlichkeiten mit dem verfassungsmässigen Konsultationsrecht des Bundesrates gemäss Artikel 104 der Bundesverfassung erzeugen könnte. Sie hat folgende Nachteile :

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- Das Parlament würde unmittelbar und vermehrt in die unvermeidlichen und schwierigen Interessenauseinandersetzungen einbezogen, die heute während der Vorbereitungen durch die Exekutive ausgetragen werden; - die Interessenorganisationen würden ihre Anstrengungen auf die Beeinflussung des Parlamentes richten (schon bei Wahlen, dann aber auch im Laufe der Parlamentsarbeit) und das Parlament ginge einer Zersplitterung entgegen, die seine Handlungsfähigkeit einschränkte; - die begehrte Zügelung ausserparlamentarischer Kräfte könnte schwächer anstatt stärker werden ; - vor allem aber geriete das Parlament noch mehr in zeitliche Bedrängnis, wenn es diese schwierige und umfangreiche Aufgabe auf sich nähme.

Wir haben nach einlässlicher Prüfung auch die Variante verworfen, wonach es den Kommissionen der Bundesversammlung rechtlich erleichtert und nahegelegt werden sollte, die Vertreter derjenigen Organisationen, die sich im Vorverfahren (etwa in Expertenkommissionen oder in Vernehmlassungen) geäussert haben, in ihre Sitzungen vorzuladen und ihrerseits anzuhören. Mit dieser Répétition der Verlautbarung vor einer ändern Behörde hätte zwar eine Art der Hearings eingeführt werden können, und man wäre verschiedenen Anregungen, die auch in der Öffentlichkeit vorgebracht wurden, entgegengekommen: Die Interessenorganisationen hätten vor den Parlamentskommissionen, namentlich denen zur Behandlung der Gesetzesvorlagen, Red' und Antwort zu stehen, und es Hesse sich gleichsam nachprüfen, ob die Gewichtsverteilung, die zuvor die Exekutive in ihrer Vorlage vorgenommen hat, den Ansichten der Parlamentarier entspricht. Allein, auch diese Form trägt verschiedene Nachteile der umfassenderen Lösung an sich und berücksichtigt insbesondere nicht, dass den schweizerischen Verhandlungs- und Beratungsweisen die forensischen Grundlagen eines angelsächsischen Denkens noch recht fremd sind; das Risiko, gerade das Spezifische des Hearings nicht zu erreichen, nämlich die Abklärung im verhörenden Disput unter behördlicher Leitung, bliebe erheblich.

b. Eine andere Anregung ging dahin vorzuschreiben, dass der Bundesrat zu gesetzgeberischen Geschäften der Bundesversammlung zunächst einen blossen Vorentwurf zu unterbreiten hätte, zu dem sich noch keine Interessenorganisationen hätten äussern können. Die Räte hätten dann ihre Kommissionen
bestellt, die (allein oder eventuell in Verbindung mit dem Bundesrat) entschieden hätten, ob eine Anhörung stattfinde bzw. wer dazu einzuladen wäre. Nachher wäre das Verfahren wieder an den Bundesrat zurückgegangen, der die Vernehmlassungen eingeholt und gewertet und schliesslich dem Parlament einen endgültigen Entwurf vorgelegt hätte.

Diese Lösung hätte zwar die Bundesversammlung in das Vorverfahren einbezogen, jedoch: - sie gerade nur bei den Vernehmlassungen beteiligt, die keineswegs die einzige mögliche und wirksame Form der Mitwirkung der Interessenorganisationen darstellt,

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- das Rechtssetzungsverfahren verlängert und die Bundesversammlung sachlich belastet, ohne das dies dem möglichen Ergebnis angemessen erschiene, - dem Parlament bzw. seinen Kommissionen eine heikle Auslesetätigkeit aufgebürdet mit der Gefahr uneinheitlicher Praxis und eines Verlustes behördlicher Zügelung der heutigen Praxis.

Wir halten es wie der Nationalrat für richtig, vorderhand an der bisherigen Trennung festzuhalten : Der Bundesrat hat die Vorbereitung unter seiner Verantwortung und nach seinen Richtlinien zu treffen. Das Parlament v, endet sich der Sache zu, wenn es mit dem Geschäft nach Herkommen befasst und der «Weg der Gesetzgebung» eingeleitet wird. Das hindert selbstverständlichnicht, alles Augenmerk darauf zu richten, was in jenem Vorverfahren vor sich geht, und alle Sorge darauf zu verwenden, dass nicht Vorentscheide fallen, denen man sich politisch und sachlich nicht mehr entziehen kann.

2. Der Auftrag zur Regelung an den Bundesrat (Art.42Ws)

a. Der Versuch, die Gestaltungsfreiheit normativ sicherzustellen, ist an sich ein Anliegen der Verfassungsstufe, zumindest der Gesetzesstufe. Gegen den Vorschlag des Nationalrates, die Aufgabe dem Bundesrat zu überbinden, ist deshalb mit Grund vorgebracht worden, es stelle einen unüberwindlichen Wertungswiderspruch dar, wenn ein so hohes und wichtiges, das Parlament direkt angehendes Regelungsziel der Exekutive und der niedrigen Rechtssetzungsform der Verordnung zugewiesen werde; es sei auch rechtslogisch unrichtig, dass eine blosse Verordnung bestimmte Phasen der Erzeugung des höher gestellten Gesetzesrechts festlege.

Wir haben deswegen einen Erlass der Bundesversammlung erwogen, z.B.

einen delegierten allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss gemäss Artikel 7 des Geschàftsverkehrsgesetzes. Wenn wir schliesslich davon wieder abgekommen und zur Lösung des Nationalrates zurückgekehrt sind, so geschah es vor allem in der Erkenntnis, dass man sich noch auf längere Zeit hinaus auf einem Experimentierfeld bewegt. Die Vei ordnungsform erlaubt, die reichen Erfahrungen der Exekutive in diesem Bereich unmittelbar auszunutzen, Änderungen erleichtert vorzunehmen und allfällige Widerstände gegen eine Regelung, die von den betroffenen Interessenorganisationen ausgehen könnten, leichter zu überwinden.

Vor allem aber wird der Regelung nicht das grosse rechtliche und politische Gewicht gegeben, wie es mit einem Erlass der Bundesversammlung der Fall wäre, womit die Gefabren der Verfestigung und Dogmatisierung des Vorverfahrens (vgl. oben Ziff. 1/3) eher gebannt werden mögen.

b. Sodann möchten wir dem Nationalrat auch mit dem Genehmigungsvorbehalt zugunsten der Bundesversammlung folgen (Abs. 3). Zwar ist die sogenannte Genehmigungsverordnung eine rechtlich unerwünschte Rechtssetzungsform, weil sie wegen der zwei beteiligten Gewalten als widerspruchsvoll .erscheint, ihre Geltungsstufe zwischen Gesetz und einfacher Verordnung schwer zu bestimmen ist und weil namentlich bei Änderungen und Aufhebungen

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sachlich und politisch Schwierigkeiten entstehen können. Schliesslich liegt ein unerfreulicher Schönheitsfehler darin, dass das Geschäftsverkehrsgesetz, das 1962 neu gefasst wurde und die Erlassformen klären und präzisieren wollte (Art. 5-8), nun selbst eine systemwidrige Form opportunistisch aufgreift.

Indessen übersehen wir nicht : Ihre Mittelstellung entspricht im politischen Gewicht recht gut der vorliegenden Aufgabe. Sie verringert die Nachteile eines delegierten Parlamentserlasses. Sie macht aber auch für den Bundesrat den Auftrag zwingender, als wenn man sich mit der einfachen Verordnung begnügen würde, und sie enthebt ihn der alleinigen Verantwortung für das schwierige Unterfangen, indem die Bundesversammlung in der sie so stark treffenden Sache in den Verantwortungsbereich einbezogen wird.

c. Der Nationalrat hat in Absatz l, Sätze 2 und 3 den Verordnungsrechtssetzer angewiesen, was bezüglich der Expertenkommissionen und der Vernehmlassungen speziell bestimmt werden soll. In Absatz 2 auferlegt er dem Bundesrat, es sei bei der neuen Verordnung darauf zu achten, dass die Freiheit des Parlamentes und des Bundesrates durch Expertenkommissionen und Vernehmlassuugen nicht eingeschränkt werde. Wir möchten eine gewisse Verlagerung vorschlagen. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsrechtssetzer präzis das Ziel bezeichnet. Es geht doch offensichtlich um die Erhaltung der Gestaltungsfreiheit der Behörden, namentlich der Bundesversammlung und zuvor schon des Bundesrates. Wie dieses Ziel durch den Bundesrat erreicht wird, ist zunächst einmal zweitrangig. Man überlässt ihm ja gerade die Regelung, damit er die tauglichen Mittel zur Erreichung jenes Ziels finde. Wären diese nämlich dem Gesetzgeber bekannt, so könnte er auch selbst gleich die Bestimmungen aufstellen ; ist er aber - wie es hier in der Tat zutrifft - selbst unsicher, taugen die Weisungen an den Verordnungsrechtssetzer über die zu berücksichtigenden Einzelheiten praktisch nichts, können jedoch die schliesslich sachgerechte Lösung erschweren.

Was insbesondere die Bezeichnung des Rechtssetzungsziels angeht, ist es in Absatz 2 der nationalrätlichen Fassung mehr als Begleitgedanke denn als ratio genannt. Es wäre wohl ratsamer, schlicht festzulegen, dass die Freiheit der Behörden «sicherzustellen» sei, und sich nicht gleichsam
als begleitende Folge aus der «an sich» erstrebten Normierung einstellen soll. Mit unserer Fassung greift man freilich hoch. Aber wenn man schon eine Regelung anstrebt, so muss sie in der gehörigen Breite und Tiefe angegangen werden.

3. Unmittelbares Recht zur behördlichen Aktivierung (Art.42ieT) Wir haben immer wieder betont, wie entscheidend es sei, dass die Behörden, ihrer Stellung und ihrer Verpflichtung auf das Gemeinwohl bewusst, im Laufe der Rechtserzeugung ihr Gewicht und ihren Willen einsetzten, um das Gesamtinteresse zu behaupten und sich allfällig nachteiligen Einwirkungen aus partikulären Gesichtspunkten zu widersetzen. Als besonders wesentlich erweist sich einmal die Auslese und Beauftragung derer, die zur Mitwirkung im Vorverfahren zugelassen werden. Sodann ist von höchster Tragweite die Aus-

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Wertung und Bewertung der von den soziologischen Legislativkräften angebrachten Äusserungen. Schliesslich ist es von Belang, nach aussen kenntlich zu machen, wer im Vorverfahren auftrat und was vorgebracht wurde.

a. Um derartigen Postulaten nachzukommen, ist es dringlich geboten, dass das Vorverfahren straff geleitet wird und in der Hand von politisch verantwortlichen Behörden (Bundesrat als Kollegium, Departementsvorsteher) bleibt.

Bedenklich ist, wenn gewisse Vorgänge zur Routine werden und zugleich die Auswertung auf untere Stufen der Verwaltung absinkt. Nun steht man hier allerdings an einer Schwelle zu Bereichen, zu denen die rechtliche Ordnung nicht oder nur noch schwer Zutritt hat (vgl. oben 1/3). Von den verschiedenen Versuchen, zumindest kritische Kreuzungspunkte normativ zu erfassen und dafür heute schon unmittelbar, d. h. ungeachtet der in Artikel 4261s vorgesehenen Verordnung anwendbare Vorschriften aufzustellen, empfiehlt sich als erstes eine Zügelung des Vernehmlassungsverfahrens. Es wird heute wahrscheinlich in zu vielen Fällen durchgeführt, und der Kreis der Mitsprechenden wächst, ohne dass man zu einem System von Popularverlautbarungen übergehen möchte.

In Artikel 42teT, Absatz l unseres Entwurfes wird versucht, den Bundesrat zu veranlassen, die Leitung von Vernehmlassungsverfahren unter seine Obhut zu nehmen. Sofern es sich nicht um Fälle handelt, wo in Rechtssätzen die Vernehmlassung vorgeschrieben ist, soll er überdies bestimmen, ob das Verfahren überhaupt durchzuführen sei. In jedem Falle aber soll er (und nicht eine unkontrollierte Übung) den Kreis derer bezeichnen, die sich verlauten lassen können.

Richtigerweise wird der Bundesrat diese Obliegenheit in jedem einzelnen Fall konkret erfüllen. Der Wortlaut würde allerdings auch gestatten, zu typisierenden Anweisungen zu schreiten, wobei aber zu viele Differenzierungen zu machen wären, wenn der Sinn der Bestimmung gewahrt bleiben soll.

b. Sehr wichtig erscheint es, dass die Kommissionen der Bundesversammlung, die Gesetzesvorlagen zuhanden des Plenums bebändern, ungeschmälert Zutritt zu den Vorarbeiten haben. Artikel 42ter, Absatz 2 gewährleistet es.

Freilich sind bisher schon immer wieder Materialien aus dem Vorverfahren den parlamentarischen Kommissionen zugänglich gemacht worden. Es hat aber auch Fälle gegeben, wo die
Herausgabe auf Schwierigkeiten stiess. Die neue Bestimmung schafft darin Klarheit, legt einen weitreichenden Umfang fest und statuiert einen neuen Grundsatz im Parlamentsrecht: Das Vorverfahren wird aus der Sphäre eines meist geschlossenen Vorgangs herausgehoben und zu einem parlamentsöfTentlichen Geschehen gemacht. Was während eines Vorverfahrens produziert wird, namentlich Vorentwürfe, die begleitenden Berichte, die Gutachten von Sachverständigen, alle Arbeiten von Expertenkommissionen, die Vernehmlassungen und dergleichen, ist den parlamentarischen Kommissionen auf ihr Begehren zur Verfügung zu stellen. Das Parlament wird damit in die Lage versetzt, über das hinaus, was in der Botschaft erwähnt wird, durch Auge und Ohr seiner Kommissionen zu erfahren, wie eine Vorlage zustandegekommen ist, wer im Vorverfahren mitgewirkt hat, was vorgebracht wurde, wo kritische Punkte liegen, was für spezielle Motive einem Vorschlag zugrundehegen. Die Ausschöpfung des Artikels 42ter, Absatz 2 wird immerhin für das Nicht-

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Berufsparlament nicht leicht sein, und es wird lange nicht bei allen Geschäften von der Ermächtigung Gebrauch machen können und wollen. Allein, mit dieser potentiellen Öffentlichkeit ist eine Türe geöffnet, damit da, wo es nötig erscheint, die Wirksamkeiten im Vorverfahren erkannt werden können.

IV. Vergleichende Zusammenfassung Vergleicht man unseren Vorschlag mit der Fassung des Nationalrates, so kann man zusammenfassend folgendes sagen : 1. Im Prin/ip übernehmen wir die Lösung des Nationalrates, indem wir : a. den Auftrag zur materiellen Regelung des Vorverfahrens zur Hauptsache dem Bundesrat übertragen (Art.42llls, Abs. l, Satz 1), h. den Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung beibehalten (Art. 42MS, Abs. 2), c. die Zwecksetzung der Regelung inhaltlich aufnehmen, sie jedoch kategorischer bestimmen (Art.42Wa, Abs. l, Satz 2).

2. Wir verzichten auf die Nennung der Mittel, mit denen der Bundesrat in der Verordnung das gesteckte Ziel erreichen soll, aus der Überlegung, dass zur Zeit hinsichtlich der einzusetzenden Mittel doch nur exemplifiziert werden kann und fraglich bleibt, ob die in der nationalrätlichen Fassung aufgeführten Mittel wirklich tauglich und zielgerecht sind (Verzicht auf Art.42bls, Abs. l, Sätze 2 und 3 der Fassung des Nationalrates).

3. Neu wird mit Artikel 42ter unmittelbar anwendbares Recht beantragt. Es soll Anstoss geben zur Aktivierung der Behörden im Hinblick auf das Vorverfahren der Gesetzgebung, indem : a. der Bundesrat verhalten wird, selbst und möglichst konkret das Vernehmlassungsverfahren zu leiten (Art.42ter, Abs. 1), b. das Vorverfahren den parlamentarischen Kommissionen durch volle Kenntnisgabe zugänglich gemacht wird (Art.42ter, Abs. 2).

B. Die Verbesserung der Stellung und Ausstattung der parlamentarischen Kommissionen Die Wirksamkeit der Bundesversammlung ist unter anderem dadurch bedingt, dass sie arbeitsfähige Kommissionen bilden und die Plenumsarbeiten vorbereiten lassen kann. Freilich wäre es falsch, die Kommissionen in Anlehnung an gewisse ausländische Beispiele so in den Vordergrund zu schieben und sie gar mit Entscheidungsrechten auszustatten, dass das Plenum nur noch zu wichtigsten Endentscheidungen zusammentreten und auf materielle Behandlung der Geschäfte verzichten würde. Die Kommissionen sind nach schweizerischer Auffassung durchaus und ganz Hilfsorgane des Plenums ihrer Räte. Sie haben

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grundsätzlich keine eigenständige Position. Bei dieser Stellung und Funktion soll es bleiben. Doch muss selbst das Hilfsinstrument im gewandelten Staat zureichender ausgerüstet und wirksamer gemacht werden.i Die Revisionsvorlage bringt verschiedene Ansätze in dieser Richtung.

I. Die Einrichtung eines Dokumentationsdienstes (Art. 40bls) 1. Das Bedürfnis der Einrichtung und ihrer rechtlichen Ordnung

Es ist heute wohl unbestritten, dass ein parlamentarischer Dokumentationsdienst eine wertvolle Hilfe für den einzelnen Parlamentarier, für Kommissionen und Plenum bilden kann, und zwar für die Rechtssetzungs- wie für die Kontrollaufgaben. Er macht allerdings die Vorbereitungs- und Informationsfunktionen der Exekutive zuhanden des Parlamentes nicht überflüssig. Doch vermag er, wie ausländische Beispiele belegen, dem Parlament bei zulänglicher organisatorischer und technischer Ausstattung eine relative Eigenständigkeit in der Meinungsbildung und eine erwünschte Unabhängigkeit gegenüber ausserparlamentarischen Kräften zu verschaffen. Das Nicht-Berufsparlament ist in gesteigertem Masse auf derartige parlamentseigene Unterstützungen angewiesen. Wir pflichten dem Nationalrat bei, dass ein derartiger Hilfsdienst auch bei uns eingerichtet werden sollte.

Die ausländische Erfahrung zeigt nun freilich, dass die Benutzung solcher Hilfseinrichtungen durch Abgeordnete und Kommissionen nicht leicht ist. Der Erfolg der Einrichtung hängt davon ab, welche Aufgaben sie im einzelnen erfüllen soll, wie sie organisiert ist, welche sachlichen und personellen Mittel zur Verfügung zu stehen haben. Artikel 40Ma in der Fassung des Nationalrates ist insofern eine unvollständige Norm, als sie nicht unmittelbar gehandhabt werden kann, da ihr über Wesen, Umfang und Auftrag des Dienstes durch Auslegung nichts Präzises zu entnehmen ist. Es ist also unerlässlich, dass die fundamentalen Einrichtungsfragen entschieden werden, ganz gleichgültig, ob der Dokumentationsdienst in kleinerem oder grösserem Umfang aufgezogen werden soll. Der Nationalrat hat eine Klarstellung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag seiner Geschäftsprüfungskommission vorgenommen, es jedoch abgelehnt, zu bestimmen, wer die notwendige Ordnung zu treffen habe. Daraus erwächst eine Unsicherheit, die in der Vorlage beseitigt werden sollte. Es ist dafür ein Absatz 2 aufzunehmen.

2, Kompetenz und Form zur Festlegung der Ordnung

Da es zum Teil aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, die nötige Ordnung in der hängigen Revisionsvorlage aufzustellen, muss späteres Recht vorbehalten werden. Dass es ein Gesetz sein solle, ist auszuschliessen; denn sachlich handelt es sich in erheblichem Mass um ein Internum des Parlaments, wofür das Bedürfnis des Referendums fehlt. Denkbar bleiben folgende Möglichkeiten : Bundesblatt. 118. Jahrg. Bd. I.

18

230

- ein Erlass der Bundesversammlung (delegierter Bundesbeschluss gemäss Artikel 7 des Geschäftsverkehrsgesetzes, einfacher Bundesbeschluss gemäss Artikel 8, «Geschäftsbeschluss» der Bundesversammlung analog dem Geschäftsreglement der Vereinigten Bundesversammlung), - ein Reglement vereinigter Kommissionen beider Räte, - ein Erlass des Bundesrates, - eine Dienstanweisung des Bundeskanzlers oder des Generalsekretärs der Bundesversammlung gestützt auf Artikel 105 der Bundesverfassung und Artikel 40 des Geschäftsverkehrsgesetzes.

a. Die beiden letzten Varianten müssen von vornherein ausgeschlossen werden, selbst wenn sich ein rechtlicher Kompetenznachweis noch erbringen liesse.

Denn es wäre verfehlt, ein als wesentlich angesprochenes Hilfsinstrument des Parlamentes durch die Exekutive einrichten zu lassen, wie es nicht einer Amtsstelle überantwortet bleiben kann, relativ frei zu befinden, mit welchen Hilfen das Parlament versehen werden soll. Abgesehen davon müsste die Bundesversammlung bei der Mittelbewilligung sich doch irgendwie um die Sache kümmern.

Richtigerweise tut sie es in einem eigenen Beschluss. Damit sind Klarheit und Bestimmtheit gewährleistet. Kommissionen als zuständig zu erklären, scheitert schon an der praktischen Frage, welche Kommission es sein soll, da die Einrichtung allen Ausschüssen und Parlamentariern zu dienen haben wird. Zudem müsste auch hier wieder die Genehmigung durch beide Räte vorbehalten werden.

b. Vorzusehen ist also ein Akt der Bundesversammlung selbst.

Dafür den autonomen Parlamentserlass wie bei den Geschäftsreglementen zu wählen, wäre wohl nicht unzulässig. Das Parlament darf sich durchaus eine Organisationsgewalt für die Herstellung seiner eigenen Funktionsfähigkeit herausnehmen. Die Räte haben denn auch in ihren Geschäftsreglementen noch wichtigere Belange eigenständig geregelt als der Dokumentationsdienst einen darstellt. Trotzdem zögern wir, diese Reglementskompetenz nunmehr auszuweiten und über die klassischen Gebiete hinaus zu festigen. Dies gilt um so mehr, als das Geschäftsverkehrsgesetz von 1962 in seinem Bemühen, ein System der Rechtssetzungsformen aufzurichten, wohl nur die herkömmlichen Geschäftsreglemente der Räte voraussetzt. Es empfiehlt sich, sich auf den Boden jenes Systems zu stellen. Damit bleiben nur der delegierte Bundesbeschluss nach
Artikel 7 oder der einfache Bundesbeschluss nach Artikel 8 des Geschäftsverkehrsgesetzes in Diskussion. Hält man sich ganz streng an den Wortlaut des Geschäftsverkehrsgesetzes und die heute vorherrschende Begriffsbestimmung, muss man gelten lassen, dass die Bestimmung der Aufgaben, Organisation und Funktionsweise des Dokumentationsdienstes Rechtssetzung darstellt, wie Artikel 5, Absatz 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes sie umschreibt. Freilich ist der Dokumentationsdienst selbst keine «Behörde» im Sinne dieser Bestimmung, wohl aber das Organ, dem er zugehört und für das er unmittelbar und doch auch wesentlich einen Teil der Organisation und des Verfahrens ausmacht. Für

231 Rechtssetzung durch die Bundesversammlung unter Ausschluss des Referendums ist heute Artikel 7 des Geschäftsverkehrsgesetzes massgebend, d.h. es ist die Form des delegierten allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses zu wählen.

Gegen die Wahl dieser Erlassform ist nun mit Grund eingewendet worden, sie sei zu schwer und zu feierlich, um ein parlamentarisches Hilfsinstrument einzurichten und zu ordnen; die nach Gewicht und Tradition richtige Erlassform bilde der einfache Bundesbeschluss nach Artikel 8 des Geschäftsverkehrsgesetzes, wo festgelegt wird, in diese Form seien alle Erlasse der Bundesversammlung zu kleiden, für welche keine andere Rechtsform vorgeschrieben sei. Wir schliessen uns dieser Auffassung an und schlagen eine entsprechende Formulierung von Absatz 2 vor.

Das gleiche Rechtssetzungsproblem stellt sich wieder bei Artikel 47 qmnquies (Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen). Wir lassen uns auch dort von diesen Überlegungen leiten und sehen den einfachen Bundesbeschluss vor.

II. Die Erweiterung der Informationsrechte aller parlamentarischer Kommissionen (Art. 47

Ms

)

1. Informationsquellen des Parlamentes Grundlagen für eine fruchtbare parlamentarische Tätigkeit ist die Beherrschung der Sachfragen. Neben Wertungsvermögen und politischer Erfahrung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür die volle und objektive Information.

Jedes Parlament kämpft darum. Nach schweizerischem Herkommen bildet die Regierung mit ihrer Verwaltung die vornehmste Informationsquelle der Bundesversammlung. Es ist gerade eine der wichtigsten Regierungsaufgaben in der Schweiz, dem Parlament die tatsachlichen Unterlagen und wertungsmässigen Elemente seiner Entscheidungen zu liefern. Doch mit der ausserordentlichen Zunahme und Komplikation der staatlichen Obliegenheiten auf der einen Seite und der unverkennbaren Emanzipation des Bundesrates aus einer ursprünglich mehr als dienend gedachten Stellung in eine für die Staatsgestaltung wesentlich mitverantwortliche Magistrate- auf der ändern Seite wurde das Bedürfnis geweckt, das Parlament auch aus Quellen zu informieren, die es selber bestimmt.

Die Mirage-Angelegenheit hat nur besonders deutlich gemacht, welche Situation heute besteht : Der Bundesrat ist seinerseits auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen, und er kann nicht immer und unter allen Umständen dafür einstehen, dass das, was er weiss und weitergibt, vollends tatsachenrichtig oder in den Bewertungen zutreffend ist. Zugleich gerät er wegen des ihm zugewachsenen und heute unentziehbaren Lenkungsauftrages in eine «politische» Situation. So hat er Stellung zu nehmen, Vorlagen zu verfechten, auf die Zukunft gerichtete Schritte einzuleiten, gegenüber dem Parlament politisch zu handeln. Obwohl immer noch und wahrscheinlich immer mehr staatliche Betätigungen von Bundesversammlung und Bundesrat Hand in Hand in horizontaler Zuordnung sozusagen gemeinschaftlich vorgenommen werden, gibt es doch wieder Situationen oder Ge-

232 Schäfte, wo sie sich als zwei selbständige politische Gewalten begegnen. Hier nun soll die Information nicht zum politischen Instrument werden, indem die eine Gewalt als Informationsquelle die andere dadurch lenkt, dass sie mehr oder .

weniger frei über die für die Sachentscheidung nötigen Kenntnisse disponiert.

Die Freiheit des Parlamentes von einer exklusiv bundesrätlichen Informationsquelle kann insbesondere bei der Verwaltungskontrolle und bei besonders gelagerten Gesetzesvorlagen erwünscht sein.

Wir möchten zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals deutlich hervorheben : Der Bundesrat hat zusammen mit seiner Verwaltung nach wie vor die hauptsächliche Information des Parlamentes zu liefern. Doch sollte die Bundesversammlung um ihrer Selbständigkeit willen nicht allein von dieser Quelle abhängig sein. Vielmehr sollte sie in besonderen Situationen selbst bestimmen können, wer ihr Grundlagen für ihre Entscheide ganz oder teilweise verschaffen soll. Dazu wird sie entweder aussenstehende Sachverständige oder Beamte beiziehen. Aus diesem Bedürfnis entspringt aber auch der zuvor (Ziff. 1) erörterte Dokumentationsdienst.

In diesen Gesamtzusammenhang ist Artikel 47Ws gestellt. Dabei wird in Absatz l das an sich heute schon bestehende, aber nicht positivierte Recht erwähnt, aussenstehende Sachverständige zu konsultieren. Die folgenden Absätze geben den parlamentarischen Kommissionen die Befugnis, die Kenntnisse von Beamten zu nutzen. Denn es ist offensichtlich, dass in der Regel die grösste und erfahrungsreichste Sachkunde hinsichtlich der im Parlament zu behandelnden Geschäfte in der Bundesverwaltung vorhanden ist. Und diese soll in erster Linie ausgenützt werden können. Man holt nicht auswärtige Information, wenn sie gleichsam im eigenen Hause gegenwärtig ist. Das neue Recht will den Kommissionen den Zugang öffnen auch für den Fall, dass der Bundesrat die betreffenden Beamten nicht von sich aus in die Kommissionen einführt.

2. Der aussenstehende Sachverständige (Art.47^, Abs.l) a. In Übereinstimmung mit dem Nationalrat wird in Satz l von Absatz l beantragt, Sachverständige, die nicht der Bundesverwaltung angehören, beizuziehen. Die Fassung des Nationalrates haben wir etwas vereinfacht und erweitert. Es braucht nicht geregelt zu werden, in welcher Form dieser Sachverständige handelt. Der
Nationalrat sieht die Einholung von Gutachten oder «Stellungnahmen» und die Befragung an Sitzungen vor. Das werden die Hauptformen sein. Aber möglich sind mündliche oder schriftliche «Auskünfte», Materialbeschaffungen, Redaktionen und Sichtungen, die in den herkömmlichen Begriffen des Gutachtens oder der Befragung nicht ohne weiteres aufgehen. Es kann darauf verzichtet werden, zu sagen, dass die betreffenden Personen ausserhalb der Verwaltung stehen. In der Regel werden für Beamte ohnehin die Bestimmungen der Absätze 2 ff. gelten. Es mag aber gelegentlich vorkommen, dass sich jemand als Experte eignet, der zwar der Verwaltung angehört, mit dem Geschäft jedoch in seiner amtlichen Stellung keinerlei Beziehungen aufweist (z.B. Ingenieure) und der in Ansehung der Sache als Privater betrachtet werden muss.

233 Diese Beweglichkeit zu bewahren, liegt um so näher, als der Begriff des «Angehörigen der Verwaltung» nicht leicht zu konkretisieren ist.

b. In Satz 2 von Absatz l wird eine Kontrollsicherung gegen eine überbordende Expertenpraxis aufgerichtet. Es soll verhindert werden, dass von einer Kommission bei gelichteten Reihen durch ein Zufallsmehr noch (oft teure) Gutachten eingeholt werden oder dass überhaupt leichthin Gutachtenaufträge vergeben werden. Diese Bremsung ist nicht erforderlich für andere Fälle der Beiziehung von Sachverständigen, weil diese seltener, einfacher, weniger zeitraubend und aufsehenerregend sein können als die eigentlichen Gutachten.

Rechtlich besteht kein Hindernis, für Kommissionsbeschlüsse ein qualifiziertes Mehr zu verlangen. Für die Verhandlungen der Rate gilt Artikel 88 der Bundesverfassung, wonach im Nationalrat und Ständerat die absolute Mehrheit der Stimmenden entscheidet. Eine qualifizierte Mehrheit gibt es im Plenum gemäss Artikel 89Ws, Absatz l der Bundesverfassung nur für allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse, deren Inkrafttreten keinen Aufschub erträgt. Das Geschäftsverkehrsgesetz und die beiden Ratsreglemente halten sich an diese Ordnung, soweit es sich um Abstimmungen im Plenum handelt. Für Kommissionen besteht nach der herrschenden Auffassung hingegen die Bindung an Artikel 88 der Bundesverfassung nicht.

3. Die Dhergenz zwischen Bundesrat und Nationalrat bezüglich des Beizuges von Beamten (Art. 47bls, Abs. 2) Der Nationalrat hat beschlossen, dass Kommissionen Beamte zur Information beiziehen können, wobei dem Bundesrat von dieser Konsultation Mitteilung zu machen sei. Dazu ist im Plenum des Nationalrates noch beigefügt worden, der Bundesrat könne den Befragungen beiwohnen und Ergänzungen anbringen (Art. 47Ms, Abs. 2, Satz 2). Der Bundesrat hat opponiert und verlangt, dass Beamte nur mit seiner Zustimmung befragt werden dürften.

Die praktische Divergenz erweist sich bei unvoreingenommener Prüfung als geringfügig. Man kann immerhin eine grundsätzliche Auseinandersetzung daran anknüpfen, die jedoch den Aufwand, der bislang damit getrieben worden ist, kaum verlohnt. Wir beschränken uns daher auf folgende kurze Erwägungen: a. Der Bundesrat beruft sich auf die Gewaltentrennung, um die Notwendig keit nachzuweisen, dass die Zustimmung erforderlich sei, und führt
dazu u. a.

aus : Die Befragung von Beamten, ohne die Zustimmung ihrer Vorgesetzten einzuholen, bedeutet «eine Einmischung in den Zuständigkeitsbereich der leitenden und vollziehenden Gewalt des Bundes». «Die Beamten der Verwaltung stehen in einem ausschliesslichen Abhängigkeitsverhältnis zum Bundesrat. Sie können Weisungen und Dienstbefehle nur von ihren Vorgesetzten entgegennehmen.

Die Möglichkeit einer Kommission, aus eigener Machtvollkommenheit sich die Mitarbeit der Beamten zu sichern oder diese zu befragen, wäre in hohem Masse geeignet, die Beamten in eine zwiespältige Lage gegenüber dem Bundesrat zu bringen, den hierarchischen Aufbau der Verwaltung und den Gang der Geschäfte zu stören sowie das Vertrauen, als Grundlage einer erspriesslichen Zusammen-

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arbeit zwischen Bundesrat und Verwaltung, nachhaltig zu erschüttern» (Bericht des Bundesrates, BB11965,11, 1041). Indessen ist Argumentationen aus dem Prinzip der Gewaltentrennung für oder wider gewisse Rechtsfiguren, die mit der Vorlage geschaffen werden sollen, mit Vorsicht zu begegnen. Das Prinzip ist vieldeutig und eignet sich nicht als Dogma, aus dem zwingend ganz bestimmte Einrichtungen bzw. Schranken abgeleitet werden können.

Für Gesetzgebung und Kontrolltätigkeit ist es erwünscht und unerlässlich, wenn sich das Parlament auch das Fachwissen der Bundesverwaltung nutzbar machen kann. Aber es liegt auch im Interesse des Parlamentes, dass die ohnehin gefährdete Einheit der Exekutivgewalt und die Lenkungskraft des Bundesrates durch Konsultativverfahren nicht noch mehr abgebaut werden. Da nur die eine der beiden konkurrierenden Gewalten, nämlich der Bundesrat, über Beamte verfügt und das Parlament fraglos aus einer weitherzig angewandten Befragungspraxis Gewinn ziehen wird, sollte sich die Gesetzesrevision offen erweisen gegenüber der Wirklichkeit: Eine schroffe und «klare» Trennung der Gewalten besteht nicht und kann, wenn der Staat handlungsfähig bleiben soll, nicht bestehen.

Die Gewalten sind vielmehr durch fein differenzierte Funktionsstränge miteinander auch wieder verflochten. Das darf nicht erstaunen. Ein Staat und seine Organisation sind nichts Erstarrtes, sondern bei aller Treue zu bleibenden Werten in einen Strom der Entwicklung und der ständigen Erneuerung gesetzt. Demzufolge sind auch die Beziehungen unter den Gewalten immer in einer gewissen Bewegung. Praktisch stellt sich daher die Frage immer wieder neu, wie sich diese Beziehungen ausnehmen. Bei der Antwort, die hier und jetzt gegeben werden muss, wird man sich dem nicht verschliessen, was in Tat und Wahrheit besteht und was durch beharrliche Ignorierung nicht anders wird.

Oft künden sich darin lebenskräftige Bauprinzipien der staatlichen Organisation an. Trotz solcher Aufgeschlossenheit wird man aber nicht leichthin preisgeben, was an überlieferten Werten staatlicher Ordnung sich als erhaltenswert erweist. Im ganzen gesehen wird eine Behutsamkeit in den Fragen der notwendigen Berührungen und Beziehungen der Gewalten die richtige Einstellung sein.

b. Wir glauben aber auch, dass die Frage, ob zur Beamtenbefragung die Zustimmung
des Bundesrates nötig sei oder ob eine vorgängige Mitteilung genüge, unter normalen Verhältnissen, ohne die eingetretene Spannung und die Versteifung der Fronten, kaum viel Staub aufgewirbelt hätte. Man hätte deshalb darauf vertrauen dürfen, dass der Bundesrat seine Zustimmung ohne wirklich zwingende Gründe nicht verweigern wird. In der Praxis würde es für ihn auf Grund der Erfahrungen aus dem letzten Jahr auch schwer sein, anders zu handeln.

Anderseits ist in den Beratungen des Nationalrates von zahlreichen Rednern dargetan worden, dass man dem Bundesrat im Laufe der Beratungen sehr weit entgegengekommen ist, indem die Beamtenbefragung - auf die Abklärung schwieriger Verhältnisse beschränkt ist (Abs. 2), - die Entbindung vom Amtsgeheimnis ausdrücklich dem Bundesrat vorbehalten bleibt (Abs. 3),

235 - dem Bundesrat über die betreffende Beamtenbefragung Mitteilung zu machen ist (Abs. 2), - nur die Gesamtkommission die Beamtenbefragung anordnen kann (Abs. 2), - der Bundesrat bei der Befragung anwesend sein und seinerseits sich äussern kann (Abs. 2).

Wir empfehlen eine mittlere Lösung. Sie soll einerseits dem Bundesrat ersparen, sich die Zustimmung in gewissen Fällen mehr oder weniger abtrotzen zu lassen, und auch das Risiko verringern, dass die Beamten in eine zwiespältige Lage gegenüber ihren Vorgesetzten geraten. Anderseits soll doch den Kommissionen das Recht gesichert sein, sich das Fachwissen der Beamten dann nutzbar zumachen, wennsie glauben, darauf angewiesen zusein. In Artikel 47bls, Absatz 2 haben wir daher «nach vorheriger Mitteilung an den Bundesrat» durch «nach Anhören des Bundesrates» ersetzt. Der Bundesrat kann so seine Bedenken gegen Befragungen namhaft machen, und die Kommissionen werden sich seinen Argumenten zweifellos nicht leicht verschliessen. Wenn er aber mit seinen Argumenten nicht durchdringt, muss die Kommission die Verantwortung für alles weitere übernehmen. Da die Räte sogar nach Artikel 54bls den Bundesrat anhören müssen, wenn sie Untersuchungskommissionen einsetzen wollen, kann man hier bei einer weniger einschneidenden Massnahme das gleiche auch von den übrigen Kommissionen verlangen.

4. Bemerkungen zu einzelnen Absätzen des Artikels 4T°iB Absatz 1: vgl. Ziffer 2 hiervor.

Absatz 2: vgl. Ziffer 3 hiervor.

Absatz 3: Hier wird der Grundsatz, dass der Bundesrat Beamte von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbinden kann, genereller formuliert, während er nach der Fassung des Nationalrates auf die im Absatz 2 erwähnten Befragungen beschränkt wurde. Materiell wird dadurch nichts geändert. Nachdem Artikel 54«uater, Absatz 2 ausdrücklich die Entbindung von der militärischen Geheimhaltungspflicht erwähnt, das militärische Geheimnis also vom Amtsgeheimnis unterscheidet, hielten wir es zur Vermeidung von Missverständnissen für angezeigt, die militärische Geheimhaltungspflicht hier ebenfalls zu nennen.

Die Frage der Herausgabe von Amtsakten ist in der nationalrätlichen Fassung nur für die Geschäftsprüfungskommissionen und die Untersuchungskommissionen geregelt. Sie ist es nach geltendem Recht schon für die Finanzdelegation.

Zweifellos sind Amtsakten als Informationsmittel
nicht nur für die Ausübung der Oberaufsicht, sondern auch für die Gesetzgebung wertvoll. Wir regeln hier allerdings nur den Fall der Aktenherausgabe durch befragte Beamte. Für den Bundesrat bedarf es natürlich keiner besonderen Ermächtigung. Zudem bietet die Notwendigkeit, eine Vorlage durch die parlamentarischen Beratungen zu bringen, Garantie dafür, dass die Kommissionen auch in der Dokumentation nicht zu kurz kommen.

236

Nachdem in Artikel42ter, Absatz 3 einebesondereRegelungfür die Akten des vorparlamentarischen Verfahrens aufgestellt wurde, ist diese Bestimmung vorzubehalten. Ebenso musste die abweichende für die Untersuchungskommissionen geltende Regelung der Artikel 54sexles und 54octleB vorbehalten werden.

Absatz 4 entspricht Artikel 54auaterj Absatz 5 nach der Fassung des Nationalrates. Es ist gesetzestechnisch nicht richtig, dass solche Grundsätze für den ausserordentlichen Fall der Untersuchungskommissionen aufgestellt und dort nachgesehen werden müssen. Das Normale ist die Regelung im ordentlichen Recht mit einem Rückverweis darauf im ausserordentlichen Recht. Wir haben aus Gründen der Systematik die Definition des Begriffes «Beamte» vorausgenommen und deshalb die Reihenfolge der Absätze geändert.

Absatz 4Ma entspricht dem Artikel 54
Im übrigen hat diese Bestimmung auch die Kommissionen und das Parlament als Adressaten. Es ist möglich, aber gemäss der Vorschrift zu verhindern, dass Äusserungen ausgeschlachtet und zum Beispiel der Öffentlichkeit preisgegeben werden, wodurch den Beamten schwere Schäden und Nachteile in ihrem Ansehen und in ihrer Ehre erwachsen könnten.

Absatz 4teT entspricht Artikel 54iuater, Absatz 6 in der Fassung des Nationalrates. Auch hier soll die
Verweisung vom ausserordentlichen Recht aufs ordentliche vermieden werden. Dies erscheint um so eher gerechtfertigt, als in verschiedenen Punkten Unterschiede zu den Untersuchungskommissionen zu beachten sind: Bei den Befragungen durch die gewöhnlichen Kommissionen handelt es sich streng genommen nicht um Einvernahmen, ein Begriff, der sich üblicherweise auf die Aussagen von Zeugen beschränkt. Deshalb haben wir auch hier zunächst den Begriff Äusserungen gebraucht. Ferner muss das Organ ausdrücklich bezeichnet werden, das befugt ist festzustellen, welche Geheimnisse von den Beamten auf die Kommissionsmitglieder und deren Gehilfen übergeher.

Bei den ordentlichen Kommissionen ist es Sache des Bundesrates. Er ist Hüter des Geheimnisses und ist als solcher am besten in der Lage, die Konsequenzen einer Preisgabe zu beurteilen. Zudem ist er es ja, der die Eröffnung an die Korn-

237 mission gestattet (Abs. 3). Geht das Geheimnis auf die Kommissionsmitglieder und ihre Gehilfen über, so darf es vor dem Plenum nicht genannt und ausgebreitet werden.

Teilweise anders ist die Frage jedoch bei den Untersuchungskommissionen zu regeln. Nach dem neuen Artikel 54octleB, Absatz 5 bestimmen die Kommissionen im einzelnen Fall darüber, welche Äusserungen oder Aktenstücke geheimzuhalten sind. Der Nationalrat hat auch hier die Frage, wer diese Feststellung zu machen hat, offengelassen.

5. Vergleichende Zusammenfassung Inhaltlich wird durch unsere Anträge gegenüber dem Xationalrat keine wesentliche Differenz geschaffen. Ausser redaktionellen und S3'Stematischen Korrekturen beschlagen die Abweichungen folgendes : 1. Der Beizug von Sachkundigen wird vorerst weiter gefasst, für die Einholung von Gutachten jedoch eine Überdehnung der Ermächtigung zu verhindern gesucht (Abs. 1).

2. Beamte sollen nicht schon nach einfacher Mitteilung an den Bundesrat, aber auch nicht bloss mit seiner Zustimmung zur Beratung und Auskunftserteilung durch parlamentarische Kommissionen beigezogen werden dürfen, sondern nach Anhören des Bundesrates (Abs. 2). Widersetzt er sich, muss die Kommission entscheiden.

3. Es wird ausdrücklich erwähnt, dass der Bundesrat befugt ist festzustellen, welche Geheimnisse von den Beamten auf die Kommissionsmitglieder und ihre Gehilfen übergehen (Abs.4ter, Satz 2).

III. Besondere Bestimmungen für die Geschäftsprüfungskommissionen (Art. 47ter bis 47« uln « ules ) /. Die Verankerung der ständigen parlamentarischen Kommissionen im Geschäftsverkehrsgesetz Es ist unbestritten, dass die Geschäftsprüfungskommissionen, ähnlich den Finanz- und Alkoholkommissionen im bereits geltenden Recht, im Geschäftsverkehrsgesetz verankert werden sollen. Diese ständigen Kommissionen werden speziell deswegen nicht nur in den Geschäftsreglementen ihrer Räte gsnannt, weil diejenigen des einen Rates mit denjenigen des ändern Rates auf gewisse Zusammenwirkungen angewiesen sind (Delegationen, Sekretariate, verstärkte Mitteilungsbedürfnisse). Indessen besteht auch noch ein tieferer Grund. Die Funktionen aller Kommissionen sind für das Gesamtparlament von solcher Wichtigkeit geworden, dass das Bedürfnis nach einer gesetzlichen - und nicht nur reglementarischen - Stützung wachst; so ist es insbesondere von
allgemeiner staatsrechtlicher Tragweite, wie die ständigen Kommissionen in den Grundlinien organisiert sind, welche Aufgaben sie wahrnehmen und wie sie in ihren Bereichen voneinander abgegrenzt sind. Mit der vorgeschlagenen Aufnahme eines

238 Abschnittes VIbls und der Sonderordnung für die Geschäftsprüfungskommissionen in das Geschäftsverkehrsgesetz wird dieses Bedürfnis sichtbar. Was sich mit der Revision von 1962 deutlich angekündigt hat, schreitet voran: Dieses Gesetz entwickelt sich von der Normierung wichtigster Beziehungen zwischen Parlament und Bundesrat und zwischen den beiden Kammern nach und nach zu einem eigentlichen Organisationsgesetz der Bundesversammlung. Das ist eine begrüssenswerte Tendenz. Sie ist bei sorgfältiger Legiferierung geeignet, nicht nur der Klärung des Rechts, sondern auch der Festigung des Parlamentes zu dienen.

Mit der Einfügung der Geschäftsprüfungskommission in das Geschäftsverkehrsgesetz ist allerdings auch deutlich geworden, dass die Kontrollbefugnisse dieser Kommissionen gegenüber ändern ständigen Kommissionen normativ abgegrenzt und dass Aufgabe und Stellung bestimmt werden sollten. Der meist verwendete Begriff der Geschäftsführung ist als limitierender Kompetenzbegriff nicht präzis genug. Die Fassung des Nationalrates sagt z. B. in Artikel 50, Absatz PIa, die Sektionen der Finanzdelegation überprüfen die «Geschäftsführung» der Departemente, und verwenden den gleichen Begriff auch für die Kontrolle durch die Sektionen der Geschäftsprüfungskommissionen in Artikel 47ter, Absatz 1. Doch befindet man sich hier wiederum in einem weitgespannten regelungsbedürftigen Aufgabenkreis, der mit der vorliegenden Revision noch nicht betreten werden kann. Wesentlich ist jetzt lediglich, dass man Tendenz und Bedürfnis bewusst macht.

2. Aktualisierte Grundsatzfragen zur parlamentarischen Kontrolle Bei der bisherigen Behandlung der Revisionsvorlage sind grundlegende Auseinandersetzungen über Inhalt und Grenzen parlamentarischer Verwaltungskontrolle vor allem zwischen der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission und dem Bundesrat ausgetragen worden. Man kann sich, wie vorher schon bei der parlamentarischen Befragung von Beamten (Art. 47Ms), auch hier wieder fragen, ob das zentrale praktische Problem, das gestellt ist, nämlich die Herausgabe von Amtsakten an die Geschäftsprüfungskommissionen (Art. 47«uater), eine grosse Auseinandersetzung rechtfertige. Mit der Berufung auf eine dogmatisierte Gewaltentrennung trägt man wenig zur Lösung bei, und umgekehrt hilft die Bemühung einer generellen Suprematie der
Bundesversammlung nach dem Wortlaut des Artikels 71 der Bundesverfassung («oberste Gewalt») nicht weiter. Wir möchten aber nicht bestreiten, dass es grundsätzliche Fragen gibt, die in diesem Zusammenhang eine Aktualität erlangen. Wir erwähnen in aller Kürze folgende : a. Es kann keine Oberaufsicht im Sinne des Artikels 85, Ziffer 11 der Bundesverfassung gehandhabt werden, ohne dass die Bundesversammlung in den Bereich der ändern Gewalten einbräche. Die dem Parlament aufgetragene Kontrollaufgabe kann nicht schon dadurch erfüllt werden, dass von aussen bloss die Exekutivspitze betrachtet und in ein Gespräch gezogen wkd. Im Prinzip kann die Betätigung und Kompetenzerfüllung nur geprüft und beurteilt werden, wenn es

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auch möglich ist, die zu kontrollierende Gewalt in und an der Arbeit zu sehen.

(Für die Sonderheit bezüglich der Justiz vgl. unten c.) So ist es zum Beispiel nicht möglich, die Oberaufsicht der Bundesversammlung und die Aufsicht des Bundesrates über die Verwaltung scharf voneinander abzutrennen und nur gerade in einer Grenzlinie sich berühren zu lassen ; die Oberaufsicht muss auch in die Tiefe der Verwaltungsorganisation dringen können; sie erzeugt wesensnotwendig eine gewisse Verflechtung. Das ist bis jetzt wie selbstverständlich auch meist so praktiziert worden; die Tätigkeit der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation ist ein Schulbeispiel für diese Verzahnung der Kontrollkompetenzen und Kontrollabläufe, selbst wenn ein Teil der parlamentarischen Finanzaufsicht über die allgemeine gewaltenhemmende Verwaltungskontrolle hinausreicht und als Beteiligung des Parlamentes an der staatlichen Finanzgebarung zu verstehen ist.

Die aktive parlamentarische Kontrolle liegt durchaus im Interesse der Verwaltung, die dergestalt ihre Betätigung zeigen und verständlich machen kann.

Sie ist im Staat, dem das sogenannte parlamentarische System mit der permanenten Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlamentes fehlt, ein unentbehrliches Instrument, um die Übereinstimmung unter den staatsleitenden Verfassungsorganen fortwährend herzustellen.

b. Die Kontrolle des Parlamentes hat aus sachlichen und personellen Gründen natürliche Grenzen. Sie kann nicht ständig und lückenlos sein. Keinesfalls reicht sie so weit, dass durch sie das Parlament in die Verantwortlichkeit für die Obliegenheiten und Funktionen des Bundesrates und der Verwaltung hineinwüchse. Sie hat immanente Schranken zu beachten. Die Innehaltung ist jedoch weit mehr dem politischen Geschick und Wertgefühl überantwortet als rechtlichen Regelungen. Das Recht vermag lediglich gewisse unüberschreitbare Grenzpunkte zu markieren.

Dies geschieht insbesondere durch Artikel 47iuater, Absatz 5 der Vorlage.

Hier wird klargestellt, dass die Beschlüsse und Entscheide der kontrollierten Behörden und Amtsstellen durch die Geschäftsprüfungskommission oder die kontrollierende Bundesversammlung nicht aufgehoben und geändertwerden können.

Diese Feststellung gilt für alle Kontrollkommissionen und alle Kontrollmassnahmen des Parlamentes. Könnte man das
Geschäftsverkehrsgesetz neu und frei konzipieren, müsste dieser Grundsatz auch systematisch hervorgehoben und seine allgemeine Geltung sichtbar gemacht werden. Wir haben deswegen eine günstigere Plazierung in der Revisionsvorlage gesucht ; doch war jede Änderung mit so viel Nachteilen verbunden, dass wir uns schliesslich mit der Belassung in Artikel 47«uater begnügten. Das darf die Allgemeingültigkeit des Satzes nicht verdunkeln, der als pars pro toto genommen werden muss.

c. Aus der Eigenart der parlamentarischen Kontrolle einerseits und der richterlichen Unabhängigkeit andererseits wird für die Parlamentsaufsicht im Gebiete der richterlichen Gewalt eine besondere Zurückhaltung erforderlich.

Nicht nur allgemeine rechtsstaatliche Leitgrundsätze, sondern auch das positive schweizerische Staatsrecht sichern den Gerichten die Unabhängigkeit ihrer Rechtsprechung. Keine andere Gewalt soll auf den Richter in seiner Urteils-

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tätigkeit direkt oder indirekt, konkret oder abstrakt, vor oder nach einer Entscheidung einwirken. Der Richter ist in seiner Rechtsprechung losgelöst von den Konnexen, die sonst die staatlichen Gewalten verbinden. Allein das Recht und das Gesetz, das er von der Legislative entgegennimmt, sollen ihn festlegen und binden. Freilich besteht auch eine gewisse Abhängigkeit vom Wahlorgan und von den Behörden, die die Finanzkompetenzen besitzen. Doch wird vorausgesetzt und gefordert, dass diese Abhängigkeiten ihn bei seiner Rechtsprechung nicht beeinflussen.

Das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit anzutasten, besteht kein Anlass. Es ist deshalb geboten, von der bisherigen Auffassung über die parlamentarische Kontrolle der Gerichte nicht abzuweichen, die Justiz also, wie es einem Rechtsstaat gebührt, von Einwirkungen bei der Rechtsprechung auch gegenüber dem Parlament freizuhalten. Das ist offensichtlich auch die Auffassung des Nationalrates. Doch könnte aus seinem Artikel 47511»*^ Absatz l die Meinung genährt werden, die Geschäftsprüfungskommissionen könnten auch in Gerichtsakten (Prozessakten) Einblick nehmen, wenn sie es für die Beurteilung der Geschäftsführung für nötig erachten; denn wenn man von Geschäftsführung der Gerichte spricht, ist man leicht dem Missverständnis ausgesetzt, es sei eben ihre Rechtsprechung gemeint.

Was man nach der herrschenden Lehre und Praxis bei den Gerichten von Parlaments wegen kontrollieren kann und soll, ist ihre administrative und formale Betätigung, so etwa die Prüfung, ob Rückstände vorhanden seien, ob der Kanzleibetrieb ordnungsgemäss ablaufe, ob die Gerichtskosten eingetrieben würden und dergleichen. Eine eigentliche materielle Tätigkeitskontrolle unter den spezifischen Gesichtspunkten einer parlamentarischen Kontrolle ist weder sachlich noch politisch geboten, ja, gegenteils unerwünscht. Die Einsichtnahme in die Prozessakten ist in aller Regel nicht erforderlich, und wenn gelegentlich, etwa zur Feststellung über den zeitlichen Aufwand eines Prozesses, Angaben aus Akten benötigt werden, kann man sich mit einzelnen wenigen Dokumenten oder Auszügen begnügen. Die Formulierung des Artikels 47iuater, Absatz l in der Fassung des Nationalrates ist bezüglich der Gerichte zu allgemein und zu rigoros.

Und wenn man die Gerichte dort mit der Verwaltung in einem Zuge nennen
will, so müsste man auch in nachfolgenden Absätzen klarstellen, dass die Gerichte dieselben Befugnisse und Erleichterungen haben wie der Bundesrat. Man hätte dergestalt : - in Absatz 3 zu sagen, dass auch die Gerichte (und nicht nur der Bundesrat) anstatt der Aktenvorlage einen besonderen Bericht erstatten könnten, - in Absatz 4 hervorzuheben, dass auch die Gerichtsurteile (nicht nur Akte der Verwaltung) von den Kommissionen und der Bundesversammlung nicht aufgehoben oder geändert werden könnten.

Man umgeht Missverständnisse und Schädigungen der unabhängigen Justiz, wenn man aus Absatz l des Artikels 47ïuater die Gerichte herausnimmt und für ihre Beaufsichtigung Sonderrecht vorbehält (Art.479uater, Absatz 8 unseres Vorschlages). Dieses ist zurzeit freilich erst in begrenztem Umfang ge-

241 schriebenes Recht. Doch hilft es bereits, dass namentlich Artikel 2l des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit bei der Durchführung der Parlamentsaufsicht aufrichtet.

Abgesehen davon kann in künftigen Organisationserlassen für eidgenössische Gerichte ausdrücklich normiert werden, was heute in recht sicherer Art schon als ungeschriebenes Recht und als verfassungsmässige Übung gilt.

3. Einrichtung und Gliederung der Geschäftsprüfungskommissionen

(Art. 47ieT)

In Artikel 47ter, Absatz 2 haben wir gegenüber der Fassung des Nationalrates lediglich die Änderung vorzuschlagen, bei der Kompetenzzuscheiduiig an die Sektionen nicht starr festzulegen, jede Sektion habe ein Departement oder ein Gericht zu kontrollieren. Vielmehr soll offenbleiben, wie viele Sektionen zu bilden und für wen sie einzusetzen seien. Sonst müsste der Ständerat seine Geschäftsprüfungskommission noch mehr erweitern, was nicht zweckmässig wäre, und zudem ist die Aufgabenzuteilung nach Departementen nicht durchwegs sinnvoll ; mitunter werden besser verwandte Sachbereiche oder Ämter mit Funktionszusammenhängen, die nicht immer dem gleichen Departement angehören, durch dieselbe Sektion geprüft.

Im gleichen Absatz sowie im folgenden Absatz 3 soll unterstrichen werden, dass die Sektionen der Geschäftsprüfungskoinrnissionen Instrumente und Ausgliederungen der Gesamtkommissionen sind. Sie erhalten von diesen ihre Aufträge, berichten ihnen über ihre Befunde und stellen Anträge. Die Entscheidung über die Weiterbehandlung von Feststellungen (Bericht an das Plenum, Mitteilung an andere Kontrollkommissionen und dergleichen) fallen allein die Kommissionen. Im Gesetzestext wird der Ausdruck Gesamtkommission, den der Nationalrat verwendet hat, zu vermeiden gesucht, um keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass jeder Rat seine Geschäftsprüfungskommission hat und keine «Vereinigte Geschäftsprüfungskommission» vorgesehen ist.

4. Die Spezialbefugnisse der Geschäftsprüfungskommissionen (Art.47^TM) Es versteht sich von selbst, dass die Geschäftsprüfungskommissionen, die die ordentliche Geschäftsgebarung der Verwaltung zu kontrollieren haben, für die Erfüllung ihrer Aufgabe in Verwaltungsakten Einsicht nehmen und Auskünfte einholen müssen. Über den Umfang und die Mechanik dieser Kenntnisnahmen sind in den früheren Beratungen erhebliche Differenzen entstanden. Wir haben darüber unter Ziffer 2 bereits Ausführungen gemacht und können uns hier kurz fassen. Die Bestimmungen, wie sie schliesslich aus der Beratung im Nationalrat hervorgegangen sind, haben die wesentlichsten Bedenken, die gegen die ursprünglichen Vorschläge vorgebracht werden konnten, beseitigt. Den an sich begründeten Befürchtungen des Bundesrates, ein zu weit getriebenes Akteneinsichtsrecht könne zur Verletzung schützenswerter öffentlicher und privater Interessen führen, ist schon im Nationalrat dadurch Rechnung zu tragen versucht worden :

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- dass zur Wahrung des Amtsgeheimnisses oder mit Rücksicht auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren die Aktenherausgabe durch den Bundesrat verweigert und an deren Stelle ein Bericht erstattet werden kann (Abs. 3), - dass bei zwar herausgegebenen, aber geheimzuhaltenden Akten die Kommissionsmitglieder zu Geheimnisträgern werden, die unter einer Strafandrohung stehen (Abs. 4) und - dass weder Kommissionen noch Räte die überprüften Beschlüsse und Entscheide aufheben oder ändern können (Abs. 5).

Wir haben dazu noch einige klärende Änderungen vorzuschlagen, die wir bei den einzelnen Absätzen erwähnen.

In Absatz l dieses Artikels 47 «uater drängt sich auf, die Voraussetzung zu nennen, wofür eine «Notwendigkeit» oder eine «Zweckdienlichkeit» zur Auskunftserteilung und Aktenherausgabe eintreten kann, nämlich : die Beurteilung der Geschäftsführung der eidgenössischen Verwaltung. In der Fassung des Nationalrates kommt diese Umschreibung auch vor, jedoch erst bei der Akteneinsicht. - Dass die Akteneinsicht bei den Gerichten einer Sonderordnung vorzubehalten sei, die dann in Absatz 8 erwähnt wird, haben wir unter den grundsätzlichen Erwägungen schon dargetan (oben Ziff. 2 c). - Erwünscht ist, klarzustellen, dass es die Behörden und Amtsstellen des Bundes sind, von denen die Auskünfte eingeholt werden. - Hier wie überall in der ganzen Revisionsvorlage wird durchwegs der Begriff «Herausgabe der Akten oder Amtsakten» gebraucht.

Die nationalrätliche Fassung hat Unterscheidungen gemacht und gesprochen von : Einsicht oder Einblick nehmen, Akten zur Kenntnis bringen, Vorlage von Akten, Urkunden vorlegen, Amtsakten auszuliefern, Akten herausgeben. Diese Differenzierungen sind indessen nicht konsequent durchgeführt und zeigen nicht subtil unterschiedene Formen der Aktenhandhabung an. Wir haben die «Herausgabe» nun als Oberbegriff eingesetzt. Es wird dann Sache der Praxis und insbesondere der Arbeitsökonomie sein, ob die betreffenden Akten in Kommissionssitzungen aufgelegt, auf den Ämtern zur Einsichtnahme bereitgehalten oder in ändern Formen sinnvoll den Kommissionen zur Verfügung gestellt werden. Schliesslich beantragen wir, den Ausdruck der «vorherigen Anzeige», die der Nationalrat vor der Einsichtnahme in Akten erstatten will, zu ersetzen durch «Anhören des Bundesrates». Damit wird der Sache nach keine
praktische Differenz geschaffen ; denn auch bei der Anzeige wird sich naturgemäss ein Gespräch zwischen Exekutive und Kommission bzw. Sektion entwickeln. Diese Bestimmung muss auf alle Fälle auch bei Belassung der nationalrätlichen Formulierung so gestaltet werden, dass der Bundesrat das ihm in Absatz 3 gewährte Recht der Aktensperre gegebenenfalls realisieren könnte. Vom Anhören des Bundesrates zu sprechen, hat gegenüber der Fassung des Nationalrates auch den Vorteil, dass die Stelle genannt ist, mit der hinsichtlich der Notifikation zu verhandeln sein wird.

In Absatz 2 wird die vom Nationalrat aufgenommene Exemplifikation der allenfalls herauszugebenden Amtsakten beibehalten, während in Absatz 3 einer neuen Anregung des Bundesrates Folge gegeben wird, der auch die «Wahrung

243 schutzwürdiger persönlicher Interessen» als Grund zur Verweigerung der Aktenherausgabe genannt haben möchte. Dies ist im Hinblick auf schutzwürdige private Interessen zweifellos eine gerechtfertigte Einschränkung.

In Absatz 4 wird auf Artikel 47Wä zurückverwiesen, nachdem jetzt in dieser Bestimmung das ordentliche Recht über die Beamten- und Geheimhaltungsprozeduren enthalten ist.

In Absatz 5 werden die unangreifbaren Staatsakte in Anlehnung an die unmissverständliche und in der Praxis erhärtete Bezeichnung des Artikels 84 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege namhaft gemacht.

Der bisherige Absatz 6 («Den Geschäftsprüfungskommissionen steht ein ständiges Sekretariat zur Verfügung») gehört systematisch nicht zu Artikel 47«uater, sondern entweder als Absatz 4 zu Artikel 47ter oder in eine besondere Norm. Wir halten den letzten Weg für richtig und schlagen einen neuen Artikel 47
5. Das ständige Sekretariat der

Geschäftsprüfungskommissionen

(Art. 47
Über das Bedürfnis, den Geschäftsprüfungskommissionen ein gemeinsames ständiges Sekretariat beizugeben, wie es für die Finanzkommissionen und die Finanzdelegation bereits lange eingeführt ist, sind schon im Bericht der MirageArbeitsgemeinschaft die nötigen Ausführungen gemacht worden. Der Bedeutung dieser wesentlichen Neuerung entspricht es, ihr in einem besonderen Artikel die gesetzliche Grundlage zu geben.

a. Die organisations- und beamtenrechtliche Eingliederung der Stelle und der Funktionäre bereitet etwelche Mühe. Der Aufgabe nach gehört die Einrichtung dem Parlament. Eine eigentliche Parlamentsverwaltung kennt unser Land jedoch nicht. Vielmehr ist durch die Verfassung die Bundeskanzlei dafür eingesetzt, beiden Gewalten, der Exekutive wie der Legislative, zu Diensten zu sein; doch wird in Artikel 105, Absätze 2 und 3 der Bundesverfassung eine «besondere Aufsicht» des Bundesrates vorgesehen. Funktioneil ist eine Doppelstellung der Bundeskanzlei vorhanden, organisatorisch und beamtenrechtlich ist eine Einordnung in die Exekutivgewalt vorgenommen. Diese Sonderheit teilt sich nach verbreiteter Auffassung den Hilfsinstitutionen des Parlamentes mit, namentlich auch seinem Sekretariat. Bei der Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes im Jahre 1962 wurde in Artikel 40 das Sekretariat der Bundesversammlung organisatorisch als Glied der Bundeskanzlei bezeichnet (Abs. 1), der Generalsekretär jedoch den Präsidenten beider Räte

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funktioneil unterstellt (Abs. 2). Eine ähnliche Lösung soll nun für das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen getroffen werden. In Absatz l des Artikels 47uuinquies wjrc} eme funktionelle Unterstellung des Sekretärs unter die Präsidenten der beiden Geschäftsprüfungskommissionen vorgesehen. Hinsichtlich der organisatorisch-beamtenrechtlichen Einordnung bleibt das ordentliche Recht massgebend, ohne dass dies noch besonders gesagt werden müsste.

b. Die erhebliche sachliche und politische Bedeutung, die dem Sekretariat zukommt, macht es unerlässlich, seine Aufgabe und Organisation eingehend zu bestimmen. Es ist Sache der Bundesversammlung selbst, es zu tun. Immerhin kann es noch nicht in der hängigen Revision geschehen, weil zuvor vollends Klarheit und Übereinstimmung über die Stellung, die Einzelheiten der Obliegenheiten sowie die Arbeitsweise hergestellt werden müssen, was sich in der verfügbaren Zeit nicht auch noch hat zustandebringen lassen. In welcher Rechtssetzungsform diese nähere Ordnung zu treffen sein wird, ist wieder eine ähnlich gelagerte Frage wie bei der Einrichtung des Dokumentationsdienstes (Art. 40Ms).

Die dort angestellten Überlegungen gelten auch hier, weswegen wir vorschlagen, die Form des einfachen Bundesbeschlusses zu wählen (Abs. 2).

6. Vergleichende Zusammenfassung Hinsichtlich der Sonderbestimmungen für die Geschäftsprüfungskommissionen begnügen wir uns im Anschluss an den Nationalrat mit einer Regelung in denjenigen Problemkreisen, die heute als weitgehend geklärt gelten dürfen.

1. Vor allem werden folgende Neuerungen getroffen: a. die gesetzliche anstatt der bloss reglementarischen Fundierung der Geschäftsprüfungskommissionen und ihrer Aufgliederungen in Sektionen (Art. 47ter), b. die Erweiterung der Auskunfts- und Aktenherausgaberechte gegenüber den ordentlichen Kommissionen (Art. 47quater), c. die Einrichtung eines ständigen Sekretariates der Geschäftsprüfungskommissionen (Art.47«ulniules).

2. Gegenüber dem Nationalrat haben sich insofern Abweichungen ergeben, als: a. die Zahl der Sektionen und die Aufgabenzuweisung an sie freier gehalten, ihre Stellung gegenüber ihren Kommissionen jedoch verdeutlicht wird (Art.47ter, Abs. 2 und 3), b. das Schwergewicht des Artikels 47iuater eindeutiger auf die Kontrolle der Verwaltung ausgerichtet und die zurückhaltendere
und politisch überwiegend belanglose Aufsicht über die Justiz besonderem Recht vorbehalten wird (Art.47
245 IV. Besondere Bestimmungen für die Finanzkommissionen (Art. 49 und 50)

1. Die gesetzgeberische Situation Die Finanzkommissionen und die Finanzdelegation verfügen bereits über Rechtsgrundlagen im geltenden Geschäftsverkehrsgesetz. Die Änderungen betreffen Angleichungen an die Formulierungen und Einrichtungen, wie sie für die Geschäftsprüfungskommissionen vorgesehen wurden. Freilich hat unsere Aussprache mit der Finanzkommission des Ständerates gezeigt, dass sich auch in ihrem Bereich weittragende Regelungsfragen stellen, die der Natur der Sache nach wahrscheinlich nicht in der in Aussicht stehenden Gesetzgebung über die Finanzkontrolle und den Finanzhaushalt untergebracht werden können. So fragt es sich, ob die Bildung von Sektionen der Finanzkommissionen (und nicht nur der Finanzdelegation) auch im Geschäftsverkehrsgesetz bestimmt werden sollte, wie es jetzt für die Geschäftsprüfungskommissionen vorgeschlagen wird. Von grösserer Tragweite ist die weitere Frage, ob den Finanzkommissionen oder gar der Finanzdelegation alle Parlamentsgeschäfte mit finanziellen Auswirkungen, zu deren Behandlung sie nicht ohnehin eingesetzt sind, zur allfälligen Mitberichterstattung und Antragstellung zugewiesen werden sollten.

Damit würde für die gesamte Finanzgebarung eine sowohl zusammenfassende als auch laufende finanzpolitische Sichtung im Schosse des Parlamentes stattfinden können, und vor allem wäre für eine zielsichere Handhabung des parlamentarischen Budgetrechts die Übersicht über das finanzielle Engagement durch das Parlament selbst bedeutend erleichtert. Indessen sind diese Probleme noch nicht so weit durchdacht und geklärt, dass sie in die Vorlage aufgenommen werden könnten.

2. Das ständige Sekretariat der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation (Art.49) Dieses Sekretariat besteht bereits. Seine Funktion ist in einem von den Finanzkommissionen und der Finanzdelegation am 29. März 1962 erlassenen Reglement (Art. 16) umschrieben, wobei auch das Regulativ über die eidgenössiche Finanzkontrolle beachtlich bleibt. Mit dem Nationalrat schlagen wir die gesetzliche Fundierung im Geschäftsverkehrsgesetz vor, wobei hinsichtlich der Rechtsstellung auf die Ausführungen über das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommission verwiesen wird (Art.47»uln'lules). Fraglich ist lediglich, ob auch die Unterstellung des Sekretärs unter den Präsidenten der Finanzdelegation vorgesehen werden soll,
da es einmal vorgekommen ist, dass dieser Präsident nicht zugleich Vorsitzender seiner Kommission war. Allein, wir glauben, dass für diesen Ausnahmefall eine besondere Erwähnung kaum nötig sei, die Nennung der beiden Kommissionspräsidenten also genügen sollte (Abs. 2).

Die nähere Aufgabe und Organisation könnten an sich, wie es für das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen beantragt wird (Art.47iulniules) Abs. 2), auch in einem einfachen Bundesbeschluss geregelt werden. Doch ist, wie angetönt, zur Zeit eine ausführliche Gesetzgebung über das Finanzwesen Bundesblatt. 118. Jahrg. Bd.I.

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in Vorbereitung, und es ist vorgesehen, dort die Normierungen für das Sekretariat der Finanzkommissionen und Finanzdelegation aufzunehmen. Es ist darauf zu verweisen. Absatz 3 unseres Vorschlages ist somit keine Ermächtigung, sondern ein unechter Vorbehalt, den einzufügen sich aber aus praktischen Gründen empfiehlt.

3. Einrichtung und Gliederung der Finanzdelegation (Art. 50) Die Bestimmungen, die für die Gliederung der Geschäftsprüfungskommissionen aufgestellt werden sollen (Art. 47ter), werden auch für die grundsätzlich gleich gegliederte und ähnlich gestellte Finanzdelegation erforderlich. Soweit dort Abweichungen von der Fassung des Nationalrates vorgeschlagen worden sind, werden sie auch für die Finanzdelegation nötig: Absätze 7 Ms und 7ter des Artikels 50.

C. Parlamentarische Untersuchungskommissionen (Art. 54bis bis 54duodecies) I. Die Ausgangsfragen

Der Nationalrat hat beschlossen, in fünf Artikeln Bestimmungen über parlamentarische Untersuchungskommissionen in das Geschäftsverkehrsgesetz aufzunehmen. Dazu stellen sich drei Hauptfragen: Besteht in der Schweiz überhaupt ein Bedürfnis nach solchen Kommissionen? Wird dies bejaht, fragt es sich, ob sie eine gesetzliche Ordnung erfahren sollen. Damit ist die dritte Frage verbunden, in welchem Umfang allenfalls zu legiferieren sei.

1. Das Bedürfnis nach einer rechtlichen Regelung Man wird sich vor raschen Verallgemeinerungen hüten: Weil zur Abklärung der Mirage-Angelegenheit parlamentarische Untersuchungskommissionen sehr nützlich gewesen sind und den Erwartungen entsprochen haben, heisst es noch nicht, dass gleiche Situationen in vergleichbaren Konstellationen wieder auftreten werden, denen wiederum Untersuchungskommissionen mit gleicher Wirkung zu begegnen vermöchten. Jedenfalls sind für die Schweiz andere Bedürfnisse vorhanden als in ändern Ländern.

Die Untersuchungskommissionen sind im Ausland häufig parlamentarische «Enqueten»-Ausschüsse, die in vielerlei Spielarten sowohl für gesetzgeberische als auch für kontrollierende Aufgaben ad hoc eingesetzt werden. Ihre Einrichtung, ihre Zielsetzung und ihre Tätigkeit bemessen sich nach den konkreten Verfassungslagen, d.h. nach den speziellen verfassungsrechtlichen und politischen Gegebenheiten. Ihre Bildung und ihre Einsetzung bestimmt sich - von Land zu Land recht unterschiedlich - unter anderem darnach, welche anderen Parlamentsausschüsse bestehen, wie sich das rechtliche und politische Verhältnis zwischen Exekutive und Parlament ausnimmt, was für ein Parteiensystem im

247 Lande besteht, überhaupt welch ein politisches Klima herrscht. In der Schweiz werden verschiedene Zwecke, die im Auslande solche Untersuchungsausschüsse erfüllen müssen, durch die ständigen Kommissionen der Bundesversammlung, etwa durch die Finanz-, Geschäf tsprüfungs-, Militär-, Petitionskommission und diejenige für auswärtige Angelegenheiten wahrgenommen. Ferner sind auch die Parlamentskommissionen, die Gesetzesvorlagen vorberaten, mit Aufgaben betraut, die im Ausland mitunter Untersuchungsausschüssen überlassen werden müssen.

Eine allgemeingültige Einrichtung der rechtsstaatlichen Demokratie stellen die Untersuchungskommissionen nicht dar. Trotzdem halten wir dafür, dass sie für die Schweiz eine nützliche Einrichtung sein können. Sie mögen in schwierigen Situationen zur «politischen Einigung durch evidente Klärung politischer Fragen» (Rudolf Smend) beitragen und so der Befriedung dienen. Sie können überhaupt und schlechtweg beruhigend oder warnend wirken. Ihre Einsetzung gerade für einen abgrenzbaren Sachverhalt erlaubt eine konzentrierte und rasche Bearbeitung. Die freie Zusammensetzung gestattet, Abgeordnete mit besonderen, für den klärungsbedürftigen Fall erwünschten Sachkenntnissen einzusetzen.

2. Der Umfang einer gesetzlichen Regelung Parlamentarische Untersuchungsausschüsse einzusetzen, wäre zulässig, selbst wenn die Institution nicht zuvor gesetzlich verankert würde. So hat denn auch die Bundesversammlung die Kommissionen zur Untersuchung der MirageAngelegenheit im Sommer 1964 ins Leben gerufen, ohne dass schwerwiegende Bedenken gegen die Zulässigkeit angemeldet oder seither in der wissenschaftlichen Diskussion geltend gemacht worden wären. Wenn der Nationalrat gleichwohl eine Ordnung im Geschäftsverkehrsgesetz vorsieht, so geschieht es vor allem deswegen : - weil dadurch vollends Klarheit geschaffen wird, dass die Institution im schweizerischen Bundesstaatsrecht besteht, und - weil Zweifelsfragen in bezug auf Einsetzung, Zuständigkeiten und Verfahren vorweg und mit der nötigen überlegten Ruhe gelöst werden sollen, damit sich bei der Einsetzung nicht noch Konstituierungs- und Verfahrensschwierigkeiten auftürmen.

Im ersten Punkt haben wir uns ohne weiteres angeschlossen. In bezug auf die materielle Regelung hingegen haben wir einlässlich verschiedene Möglichkeiten geprüft.
a. Praktischer Ausgangspunkt hierfür war der Umstand, dass der Nationalrat zwar in gewissen Belangen bis ins einzelne gehende Vorschriften vorsieht, jedoch für weitere Fragen, die sich bei der Tätigkeit von Untersuchungskommissionen unvermeidlich stellen und die mit ebensolchem Gewicht der Entscheidung bedürfen, entweder generelle Verweise auf das Zivilprozessrecht vornimmt oder die Frage offen lässt. Das trifft namentlich zu hinsichtlich der rechtlichen Stellung und der Pflichten von Personen, die zur Untersuchung zugezogen wer-

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den (Betroffene, Auskunftspersonen, Zeugend, sodann in bezug auf die Aktenherausgaben durch Dritte, die Sicherung der Funktionsfähigkeit von Arbeitsgemeinschaften u.a.m. Wenn schon materiell legiferiert werden soll,mussman bei aller Zurückhaltung doch weiter gehen, als dies im Beschluss des Nationalrates geschehen ist. Das führt zwar unvermeidlich zu einer Ausweitung der Revisionsvorlage, indem für die Untersuchungskommissionen in ungefähr 10-11 Artikeln Bestimmungen niederzulegen sind. Deswegen kann man sich fragen, ob man nicht zu einer einfacheren Lösung übergehen sollte.

b. Praktisch stehen nochzwei weitere Wege offen - denkbar sind noch etliche andere, die wir aber eliminiert haben -, wobei man sich beide Male auf eine Grundsatzregelung im Geschäftsverkehrsgesetz beschränkt.

Entweder : Man nimmt im Geschäftsverkehrsgesetz eine Grundsatz- und Ermächtigungsnorm auf, worin die Voraussetzungen für die Einsetzung von Untersuchungskommissionen umschrieben werden, und beauftragt das Parlament, durch einen delegierten Bundesbeschluss im Sinne von Artikel 7 des Geschäftsverkehrsgesetzes die Detailordnung aufzustellen. Der Vorteil dieser Lösung liegt vornehmlich darin, dass man das Geschäftsverkehrsgesetz nicht mit Einschaltartikeln belastet, dass die Detailordnung ausführlich genug sein kann, und dass man Gelegenheit bekommt, verschiedene schwierige Rechtsfragen, die sich in der Sache immer noch stellen und im Ernstfall gelöst werden müssen, weiter zu verfolgen und zur Entscheidungsreife heranzuführen. Der Nachteil besteht darin, dass die endgültige materielle Regelung nun noch nicht getroffen werden kann und die Revisionsvorlage legislatorische Probleme in noch weiterem Mass vertagen muss, als es ohnehin schon geschieht (vgl. Vorverfahren der Gesetzgebung, Dokumentationsdienst, Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen).

Oder: Wie in der ersten Lösung wird die Voraussetzung zur Einsetzung umschrieben, die Detailordnung jedoch auf den Zeitpunkt vorbehalten, da eine Einsetzung wirklich stattfinden wird. Im Beschluss über die Einsetzung wäre dann die ausführliche Ordnung festzulegen. Der Vorteil dieses Weges besteht vor allem darin, dass man jetzt nicht gleichsam auf Vorrat eine gesetzliche Ordnung aufziehen müsste, und dass man in Ansehung des konkreten Falls möglicherweise zu einfacheren
Bestimmungen käme, als es jetzt bei einer generellen Vorwegnahme nötig wird. Als nachteilig muss angesehen werden, dass die nicht selbstverständlichen und rechtlich komplexen Regelungen aufgespart werden auf einen Zeitpunkt, da inmitten politischer Schwierigkeiten die sorgfältige Abwägung erschwert sein könnte.

c. Würde man sich mit einer Grundsatzregelung im Geschäftsverkehrsgesetz begnügen, könnte zum Beispiel folgender einziger Artikel 54Ws aufgenommen werden :

249 Art.54Ms Bedürfen Vorkommnisse von grosser Tragweite in der Bundesverwaltung der besonderen Klärung durch die Bundesversammlung, können zur Ermittlung der Sachverhalte und zur Beschaffung weiterer Beurteilungsgrundlagen Untersuchungskommissionen beider Räte eingesetzt werden.

2 Die Einsetzung erfolgt nach Anhören des Bundesrates durch einfachen Bundesbeschluss, der den Auftrag der Untersuchungskommissionen festlegt.

3 Die Untersuchungskommissionen können zusammenarbeiten.

4 Sie erstatten ihren Räten Bericht und stellen Antrag.

5 Das Verfahren und die Stellung der Untersuchungskommissionen werden durch einen dem Referendum nicht unterstehenden Bundesbeschluss im Sinne des Artikels 7 dieses Gesetzes geregelt.

Wollte man die materielle Regelung aufsparen bis zur Einsetzung, wäre Absatz l gleich zu formulieren, während das weitere so gefasst werden könnte : 2 Die Einsetzung erfolgt nach Anhören des Bundesrates durch einen nicht referendumspflichtigen Bundesbeschluss im Sinne des Artikels 7 dieses Gesetzes. Darin werden Auftrag, Organisation und Verfahren der Untersuchungskommissionen geregelt.

3 Die Untersuchungskommissionen erstatten ihren Räten Bericht und stellen Antrag.

Nach einlässlichen Beratungen haben wir uns entschlossen, eine unmittelbare Regelung bereits im Geschäftsverkehrsgesetz vorzuschlagen und uns dabei auf die notwendigsten Fragen zu beschränken, aber gleichwohl weiterzugehen als der Nationalrat, indem jedenfalls diejenigen Rechtsfiguren und Bestimmungen aufgenommen werden, die uns unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als unerlässlich erscheinen. Im übrigen haben wir, eingedenk der Tendenz, Abweichungen tunlichst zu vermeiden, die Bestimmungen des Nationalrates wo immer möglich beibehalten. Unsere Vorschläge bilden denn im allgemeinen mehr Ergänzungen als Änderungen.

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II. Die einzelnen Einrichtungen und Bestimmungen 1. Einige Wegleitungen der Detailordnung a. Dass wir für die Regelung namentlich rechtsstaatlichen Forderungen gefolgt sind, haben wir wiederholt erwähnt. Vor allem liessen wir uns von der im Ausland mehrfach bestätigten Einsicht leiten, dass Personen, die als Betroffene in Untersuchungen einbezogen werden, in ihrer persönlichen Stellung und in ihren Interessen entscheidend berührt sein können. Ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren kann ebenso grosse oder noch grössere Eingriffe in persönliche Interessenlagen verursachen wie ein Straf-, Disziplinar- oder Verwaltungsrechtspflegeverfahren. Die vornehmlich politische Natur und Ausrichtung der Untersuchungskommissionen trifft Personen im öffentlichen Bereich häufig voll in menschlichen, beruflichen und sozialen Lebensbereichen.

Das zwingt, ohne in ein eigentliches Prozessverfahren zu geraten, korrekte und objektivierte Verfahrensabläufe zu gewährleisten. Darin sind z. B. den betroffenen Personen die aus Artikel 4 BV zufliessenden grundrechtlichen Ansprüche auf Gehör zu gewährleisten. Aus dem gleichen Bedürfnis entspringt die Klärung, in welcher Stellung und Eigenschaft Personen Aussagen zu machen haben.

250 Derartige Sicherungen dienen letztlich der Ergiebigkeit und Sauberkeit der Untersuchung in höchstem Mass.

b. Werden neue Institutionen eingeführt, die das Ausland, wenn auch abgewandelt, kennt, so ist die Rechtsvergleichung und die Ausschöpfung von Erfahrungen von grosser Hilfe. Viele schweizerische Botschaften im Ausland haben uns äusserst wertvolles Vergleichsmaterial zukommen lassen. Neueste wissenschaftliche Bearbeitungen zum Problem der Untersuchungskomrnissionen hat sodann der Deutsche Juristentag geliefert, der im Herbst 1964 sich eingehend mit der Frage befasst hat : «Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern ?» Soweit verfahrensrechtliche Einzelanordnungen zu treffen sind, haben wir uns in den Begriffen möglichst an geltendes Verfahrensrecht angelehnt, um die dort erhärtete Praxis nutzbar zu machen. Sodannhaben wir für neue Regelungsaufgaben teilweise auf den der Bundesversammlung vorliegenden, aber in den Räten noch nicht behandelten Entwurf vom 24. September 1965 zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren zurückgegriffen (Nr. 9314/BB1 1965 II1376).

2. Voraussetzungen zur Bestellung von Untersuchungskommissionen und der Einsetzungsbeschluss (Art. 54blsJ a. Vor und in den Debatten des Nationalrates sind verschiedene Kritiken an der Umschreibung der Voraussetzungen laut geworden, die zur Bestellung von Untersuchungskommissionen erfüllt sein müssen. Es wurden auch Änderungsanträge eingebracht. Jedoch ausser der Neuerung, dass vor dem Entscheid über die Einsetzung der Bundesrat noch anzuhören sei, fanden sie keine Mehrheiten. Das Bedürfnis nach einer eingehenden Überprüfung und nach neuer Formulierung aber blieb. Mit unserem Änderungsantrag zu Absatz l des Artikels 54Ms sollte verschiedenes erreicht werden : Erstens wird die faktische Voraussetzung zur Einsetzung umschrieben. «Vorkommnisse von grosser Tragweite in der Bundesverwaltung» schliessen den vom Nationalrat gebrauchten Begriff «in schwerwiegenden Fällen» ein, vermeiden aber dessen Unbestimmtheit und lokalisieren die Fälle begrifflich fassbarer. Zweitens wird das Bedürfnis der Untersuchungen allgemeiner und der politischen Ausrichtung angemessen zu bestimmen versucht: Die «besondere Klärung durch die Bundesversammlung» schliesst in sich die
«Abklärung einzelner Vorkommnisse» und die «Feststellung der Verantwortlichkeiten», greift aber darüber hinaus. Es wird betont, dass es sich um eine Sache handelt, um die sich die Bundesversammlung kümmern muss, dass dieser die «Klärung» -und nicht nur die Abklärung-, also die Erhellung und zugleich wenn möglich die politische Sanierung anheimgegeben ist, dass es sich um eine «besondere» Klärung handelt, die nicht schon mit den ordentlichen Kontrollkommissionen und -Vorgängen erfasst wird. Drittens soll das Ziel der Untersuchungstätigkeit genannt werden. Statt von «Ermittlung bestimmter Tatsachen» und «Feststellung von Verantwortlichkeiten» soll weiterreichend gesagt werden, dass die Untersuchungskommissionen Sachverhalte («Tatbestände») zu ermitteln haben, dass sie aber auch noch andere Grund-

251 lagen beschaffen müssen, die der vom Parlament angestrebten «Klärung» dienlich sind ; der Begriff der Beurteilungsgrandlagen schliesst in sich, dass die Untersuchungskommissionen im Rahmen des Auftrages ebenfalls Faktoren beizubringen haben, die der Bundesversammlung die Bewertung der Sachverhalte und die Entscheidung über die weiteren Vorkehren erlauben.

b. Zur Entlastung von Absatz l mit seiner Umschreibung der Voraussetzung wird in Absatz 2 das vom Nationalrat beschlossene Anhören des Bundesrates aufgenommen, die Notwendigkeit der verbindlichen Auftragserteilung an die Untersuchungskommissionen festgehalten und schliesslich die Rechtsform des Einsetzungsbeschlusses genannt. Der Nationalrat hat den Einsetzungsbeschluss « Verfahrensbeschluss » genannt, und es ist in den Plenarverhandlungen ausgiebig über diese neue Form diskutiert worden. Alle substantiellen Umschreibungsversuche, die dort gemacht wurden, waren indessen nichts anderes als Definitionen des einfachen Bundesbeschlusses, und zwar des klassischen einfachen Bundesbeschlusses, der nicht Recht setzt, sondern Verwaltungs- oder Regierungs- oder konkrete Verfahrensakte der Bundesversammlung enthält. Das gerade wird mit dem Einsetzungsbeschluss gemäss Artikel 54bls auch getan. Es wird nicht Organisations- und Verfahrensrecht für die Untersuchungskommissionen aufgerichtet; denn dieses ist im Geschäfts Verkehrsgesetz enthalten oder wird bei Lücken durch rechtsschöpferische Vorgänge erst in den Untersuchungskommissionen selbst geschaffen, wie dies auch bei den Mirage-Untersuchungskommissionen der Fall war; der Einsetzungsbeschluss aktualisiert jenes Recht, und die Beauftragung ist eine konkretisierende Zielsetzung, die funktionell und strukturell nicht Rechtssetzung darstellt. Es wäre verfehlt, bei der Einsetzung nun von einem «Verfahrensbeschluss» zu sprechen. Wollte man aber daran festhalten, müsste man darauf dringen, dass in Artikel 4 und in einem neuen Artikel 8bls des Geschäftsverkehrsgesetzes das System der Erlassformen der Bundesversammlung erweitert würde; es wäre ein unschönes Bild, wenn in Artikel 4-8 die Erlassformen des Parlaments abschliessend bestimmt werden wollen und das nämliche Gesetz sich dann sogleich darüber hinwegsetzte.

c. Klarheit und Bestimmtheit des Rechts fordern, in einem Absatz 3 den Dienst der Untersuchungskommissionen
für das Plenum hervorzuheben und die Grundform ihrer Aufgabenerfüllung zu bezeichnen. Die Kommissionen haben den Räten Bericht zu'erstatten und Antrag zu stellen. Das ist das arbeitstechnische Ziel ihrer Tätigkeit.

3. Die Bildung der Untersuchungskommissionen (Art.54tel und54f^&iet A) i a. Hat die Bundesversammlung die Einsetzung von Untersuchungskommissionen gemäss Artikel 54blB beschlossen, müssen diese gebildet und konstituiert werden. In Artikel J4ter wird mit wenigen redaktionellen Modifikationen der Beschluss des Nationalrates (gemäss seinem Art. 54ter, Abs. l, 3 und 4 sowie Art. 54«uin
252

Personals) in den Absätzen 1,3 und 4. Die Amts- und Rechtshilfe, die durch alle eidgenössischen und kantonalen Behörden den Untersuchungskommissionen zu leisten ist, fügt sich als Bestandteil der für die Untersuchungen wesentlichen Hilfen systematisch besser hier in Absatz 4Ws als bei den späteren Straf bestimmungen ein ; denn sie dient primär der Untersuchung und nicht einem ihr allfällig nachfolgenden Strafverfahren.

b. Auch der Nationalrat hat vorgesehen, dass die Kommissionen «zusammenarbeiten und den Räten einen gemeinsamen Bericht erstatten» können (in Art. 54ter, Abs. 2). Wir möchten die Institution der verbundenen Untersuchungskommissionen nicht nur durch die Aufnahme eines besonderen Artikels in ihrer grossen Bedeutung unterstreichen, sondern auch die unerlässlichen Normen für die Bildung, Organisation, Stellung und Auflösung solcher «Arbeitsgemeinschaften» beibringen : Artikel 54^^^ A. Es soll den Kommissionen überlassen werden, ob sie sich zu einer vereinigten Untersuchungskommission zusammenschliessen wollen : Absatz 1. Es wird meistens einfacher und zweckmässiger sein, wenn eine solche Verbindung eintritt; trotzdem braucht es nicht schon im Einsetzungsbeschluss der Räte selbst angeordnet zu werden. Zufallsentscheidungen sollen ausgeschlossen werden, weswegen in Satz l die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jeder Kommission vorausgesetzt wird. Es kann sich im Laufe eines Verfahrens erweisen, dass die Vereinigung unzweckmässig ist oder dass aus ihr irgendwelche politischen oder personellen Schwierigkeiten erwachsen. Gemäss Satz 2 soll jede Untersuchungskommission das Recht behalten, die Gemeinschaft wieder aufzugeben, worauf die Untersuchung getrennt fortzuführen ist.

Zur Wahrung der aus dem Zweikammersystem folgenden rechtlichen Parität müssen beide Untersuchungskommissionen völlig gleichgestellt sein. Das gilt auch in numerischer Hinsicht. Es ist deshalb gegeben, die Ordnung der Einigungskonferenz hinsichtlich Zusammensetzung, Vorsitz und Beschlussfähigkeit zu übernehmen -.Absatz 2, Satz l. Jede Untersuchungskommission auf der Zahlzu belassen, diesieursprünglichgehabthatundEntscheidungeninjeder Kommission separat zu fällen, wie es bei der Mirage-Arbeitsgemeinschaft gehandhabt worden ist, kann zu Unzukömmlichkeiten führen, wenn die Beschlüsse der beiden Kommissionen voneinander
abweichen; denn man wird häufig nicht entscheidungslose Situationen stehen lassen können. Der Sinn der Vereinigung wird nur bei einer Durchzählung der Stimmen erfüllt, doch bedingt dies die gleiche Verfahrensordnung wie bei der Einigungskonferenz.

Haben sich die beiden Untersuchungskommissionen zusammengeschlossen, müssen sie als eine einzige gelten, wenn die angestrebten Vereinfachungen möglich und praktikabel sein sollen : Absatz 2, Satz 2.

4. Die allgemeinen Mittel der Untersuchungskommissionen (Art. J^iulnquies ^ fjfs J^septles)

a. Die Untersuchungen müssen sich nach den in Gesetz und Auftrag genannten Zielen ausrichten und dafür einen mehr oder wenigerfixiertenVerfahrensgang innehalten. Es bedarf der ergänzenden Festlegung von Massnahmen, die getroffen

253

werden sollen, allenfalls auch gewisser Aufträge (z. B. Bestimmung der Beweismittel, derer man sich bedienen will, Festlegung der Reihenfolgen und Formen der Zuziehung, Bildung und Beauftragung von Subkommissionen). Den Untersuchungskommissionen soll für ihr Vorgehen grosse Freiheit belassen werden.

Artikel 5^iuinquies ^ hält dies in Absatz l fest, betont aber zugleich, dass eine straffe verfahrensmässige Abwicklung geboten ist, wofür Gesetz und Auftrag den Rahmen geben, das übrige aber durch die Untersuchungskommission in pflichtgemässem Ermessen selbst bestimmt werden muss. Eine solche Generalanweisung ist unentbehrlich, wenn Gewissheit bestehen soll, dass die Untersuchungskommissionen Gesetzeslücken, auf die sie in den Verfahrensgängen immer wieder stossen werden, nicht nur ausfüllen, sondern sie auch nach den in Gesetz und Auftrag zum Ausdruck gekommenen Leitgedanken ausfüllen.

In Absatz 2 wird in Anlehnung an Artikel 54ter, Absatz 5 gemäss der Fassung des Nationalrates eine Übersicht über die den Untersuchungskommissionen zur Verfügung stehenden Beweismittel gegeben. Für die in Satz l genannten folgen im Gesetz später noch Detailbestimmungen. Für die Beweismittel, die Satz 2 erwähnt, drängt sich eine speziellere Regelung nicht auf. Die Fassung des Nationalrates (in seinem Art. 54ter, Abs. 5) verweist u. a. für Augenscheine und Sachverständige auf das Recht des Bundeszivilprozesses. Dies ist jedoch für diese beiden Beweismittel unzweckmässig, weil erschwerend. Es hätte z.B. zur Folge, dass bei Untersuchungskommissionen Sachverständige nur unter weit schwereren Bedingungen zugezogen werden dürften als bei ordentlichen Kommissionen (Art. 47bls), und auch das Recht zu Augenscheinen würde unnötig formalisiert.

Die Untersuchungskommissionen erhalten nun durch Satz 2 das freie und durch keine Verfahrensbedingungen beschränkte Recht zum Beizug von Sachverständigen und zur Vornahme von Augenscheinen. In Satz 3 von Absatz 2 wird ein Verweis auf den Bundeszivilprozess noch aufrechterhalten, jetzt aber bezogen auf die Beweismittel, für die er tatsächlich taugliche Ergänzungsnormen enthält, nämlich die Zeugen und die Urkunden. Man hätte sich fragen können, ob nicht, wie es im Ausland geschieht, statt auf das Zivilprozessrecht besser auf das Strafprozessrecht verwiesen worden wäre. Es scheint jedoch,
dass man mit dem Zivilprozessrecht, trotz seiner Bestimmung für den Privatrechtsstreit, zurecht kommen wird.

Im Nationalrat ist es abgelehnt worden, auf die Vorschrift im Bundeszivilprozess über die Protokollierung (Art. 7) zu verweisen. Das ist insofern verständlich, als dieses Prozessrecht eine recht komplizierte Protokollierung vorschreibt, die in der Tat nicht für alle Untersuchungshandlungen sinnvoll wäre. Hingegen ist die Ablehnung insofern unbegründet, als sie verunmöglicht, einen Zeugen zu bestrafen, der in einer Untersuchung falsch aussagt; die Strafbestimmung (vgl. Art. 54TMaecies) schwebt in der Luft oder bleibt toter Buchstabe; denn gemäss feststehender Gerichtspraxis zu Artikel 307 des Strafgesetzbuches kann ein Zeuge wegen falscher Aussage nur bestraft werden, wenn über diese ein peinlich geführtes Protokoll vorliegt. Darüber hinaus besteht ein naheliegendes Bedürfnis, dass wichtige verfahrensmässige Vorgänge im Laufe einer Untersuchung protokollarisch festgehalten werden.

254

Absatz 3 des neu vorgeschlagenen Artikels 54«iinauies versucht eine praktikable Linie einzuhalten. Wesentliche Vorgänge im Verfahren, z.B. etwa wichtigere mündliche Auskünfte, sollen gemäss Satz l «protokolliert» werden, wobei Form und Umfang zu bestimmen den Kommissionen überlassen ist. Bei Zeugeneinvernahmen hingegen soll die exakte Protokollierung stattfinden, die den Anforderungen des Artikels 54undecles bzw. Artikels 307 des Strafgesetzbuches Rechnung trägt : Satz 2 Hier ist der volle Verweis auf Artikel 7 des Bundeszivilprozessrechts angebracht.

b. Es empfiehlt sich, in einem besonderen Artikel über die Aktenherausgabe zu legiferieren : Artikel 54sexles A. Und zwar soll vorab klargestellt werden, dass die für die Untersuchung einschlägigen Amtsakten ohne besondere Erschwerungen den Kommissionen vorgelegt werden müssen: Absatz 1. In der Fassung des Nationakates fehlt eine entsprechende Bestimmung. Entweder wird angenommen, dies sei selbstverständlich, oder man will sich die Akten auf dem Weg über die einvernommenen Beamten, die zur Herausgabe der in ihren Händen befindlichen Akten verpflichtet werden (Art. 54iuater; ^bs. 3 nach Nationalrat), beschaffen. Beides wäre unzulänglich. Die Herausgabe ist ohne gesetzliche Normierung nicht ohne weiteres gewiss, und man wird oft mehr und andere Akten benötigen als die, die gerade bei einem einvernommenen Beamten liegen.

Hinsichtlich geheimer Akten müssen die diese betreffenden allgemeinen Regeln gelten, weswegen in Absatz 2 ein entsprechender Verweis aufzunehmen ist.

Wesentlich ist, dass auch Akten erlangt werden können, die nicht in der Bundesverwaltung vorhanden sind, die auch nicht über die Amts- und Rechtshilfe nach Artikel 54ter, Absatz 4Ms beschafft werden können, sondern in den Händen Dritter, z.B. irgendwelcher Privatpersonen, liegen. Absatz 3 nimmt hier die Regel auf, dass Dritte zur Aktenedition verpflichtet sind. Diese Editionspflicht hört gemäss allgemeinen prozessualen Grundsätzen (vgl. z.B. Art.51 des Bundeszivilprozesses und Art. 16 des Entwurfes zum Verwaltungsverfahrensgesetz) auf, wo diesbezüglich das Zeugnis verweigert werden kann.

c. Neben den Akten bilden die mündlichen oder schriftlichen Äusserungen auf speziell gestellte Fragen hin die wichtigsten Quellen für Untersuchungskommissionen. In Artikel 54seP«es ^d die entsprechende
allgemeine Ordnung aufgezogen. In Anlehnung an Artikel 49 des Bundeszivilprozessrechtes wird vorab in Absatz l die einfache Auskunft statuiert. Die Untersuchungskommissionen können sie in der zweckmässigen Form einholen (mündlich oder schriftlich, unmittelbar oder rogatorisch usw.). Diese Hauptquelle, zusammen mit Akten, Augenschein und Sachverständigen, werden häufig ausreichen, um die erforderlichen Kenntnisse zu beschaffen.

Doch wo es nicht genügt, soll die förmliche Zeugenbefragung Platz greifen dürfen: Absatz 2. Mit dieser Subsidiarität der Zeugenaussage fügt man sich in eine spezifisch schweizerische Linie ein, wie sie vom Entwurf zum Verwaltungsverfahrensgesetz auch aufgenommen wird (dort Art. 13), stellt sich aber in den Gegensatz zu den meisten ausländischen Untersuchungsrechten, die die Zeugenbefragung als hauptsächlichstes Mittel verwenden.

255

Es ist unerlässlich - und hier genügt der Verweis auf den Bundeszivilprozess nicht - zu bestimmen, wer grundsätzlich und von Gesetzes wegen zur Ablegung des Zeugnisses verpflichtet ist.

Absatz 3 auferlegt diese Pflicht vorerst jedermann. Damit sichert man den Untersuchungskommissionen dieses wohl kräftigste und unter Zwang stehende Beweismittel. Immerhin müssen, wenn das Verfahren vor den Untersuchungskommissionen rechtsstaatlich sein soll, Zeugnisverweigerungsrechte (z.B.

wegen Verwandtschaft) gewahrt werden. Wie in der Losung des Nationalrates rechtfertigt sich hier die Übernahme des Artikels 42 des Bundeszivilprozesses : Absatz 4.

Die ausländische Erfahrung legt dringend nahe, jemanden nicht als Zeugen einzuvernehmen und damit unter Strafandrohung zu stellen, wenn er durch die Untersuchung direkt und unübersehbar anvisiert ist. Im rechtsstaatlichen Strafprozessrecht würden solche Personen als Angeschuldigte behandelt. Berücksichtigt man die erwähnte einschneidende Natur, die Untersuchungen haben können, wird man sich damit begnügen müssen, Betroffene nur als Auskunftspersonen zu befragen : Absatz 5.

5. Beamtenbefragungen (Art.54°ciles) Wenn Beamte zu befragen sind, ist im Interesse der Untersuchung wie des Beamten zuvor festzustellen, in welcher Qualität er auftritt. Er kann Auskunftsperson, Zeuge oder Sachverständiger sein. Je nach dem unterliegt er anderen Verpflichtungen und Berechtigungen: Artikel 54°cties; Absatz 1.

In Absatz 2 sind der geweitete Begriff und der Schutz des Beamten durch Verweisung auf Artikel 47bis, Absätze 4 und 4bl8 wie in der nationalrätlichen Fassung festzuhalten.

In Absatz 3 wird unter Übernahme der vom Nationalrat getroffenen Regelung die Pflicht des Beamten zur wahrheitsgemassen Aussage festgelegt. Da jetzt die Amtsakten kraft Artikel 54sextcs( Absatz l ohnehin und ungeschmälert an die Untersuchungskommissionen herauszugeben sind, darf in der vorliegenden Bestimmung eine besondere Herausgabepflicht des Beamten entfallen, die ohnehin fragwürdig war, weil er in seiner Beamtenstellung nicht über die Akten zu verfügen hat. Es genügt, ihn zur Nennung zu verpflichten; die Herausgabe erfolgt dann ohne personenbezogene Begrenzungen auf Grund des Artikels 5486x1«^ Absatz 1.

Der Nationalrat ist in seinem Artikel 54iuater, Absatz 6 davon ausgegangen, dass bei Aussagen
und Akten auch Geheimnisse eröffnet werden, zu deren Wahrung der Beamte verpflichtet wäre. In diesem Falle soll die Pflicht zur Wahrung des Geheimnisses auf die Mitglieder der Untersuchungskommissionen und ihre Gehilfen übergehen. Der Bundesrat hatte sich einer schrankenlosen Preisgabe von Geheimnissen auch an die Kommissionen widersetzt, wie dies den meisten ausländischen Ordnungen entspricht. In Absatz 4 schlagen wir eine Lösung vor, die allen beteiligten Interessen vermittelnd Rechnung zu tragen sucht. Wo die befragten Beamten ein Geheimnis preiszugeben hätten, sollte

256 zunächst der Bundesrat angehört werden. Es wäre falsch, von vorneherein keine Einwände gegen die Offenbarung von Geheimnissen gelten zu lassen. Immerhin kann der Bundesrat keine endgültige Sperre erzwingen. Beschliesst eine Untersuchungskommission gegen seinen Einwand, das Geheimnis sei ihr bekanntzugeben, so hat er sich zu fügen. Hinsichtlich militärischer Geheimnisse möchten wir insofern eine Verstärkung vorschlagen, als hier beide Kommissionen zustimmen müssen, wenn der Bundesrat sich der Offenbarung widersetzt. Dabei ist diese Modalität zu wählen, ganz gleichgültig, ob die Untersuchungskommissionen zu einer Arbeitsgemeinschaft verbunden sind oder nicht.

Absatz 5 regelt, ähnlich wie Artikel 47bls, Absatz 6, den Übergang des Geheimnisses auf die Kommissionsmitglieder, die nun ihrerseits zu Geheimnisträgern werden. Die Bezeichnung der konkreten geheimen Äusserungen oder Aktenstücke ist hier - im Gegensatz zu ordentlichen Kommissionen - in die Hand der Untersuchungskommissionen gelegt, aber richtigerweise hören diese zuvor auch hier den Bundesrat an.

6. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art.54novles und Art.54aeaies) a. Artikel 5^novies jeg^ zur Vermeidung von Missverständnissen und Auseinandersetzungen fest, dass der Bundesrat bei Befragungen anwesend sein und Ergänzungsfragen stellen kann. Ferner hat er das Recht, in die Akten, Gutachten und Einvernahmeprotokolle Einsicht zu nehmen: Absatz 1. Möglicherweise ist diese Befugnis auch in der nationalrätlichen Fassung durch den Verweis auf den Bundeszivilprozess enthalten. Auf alle Fälle entspricht sie einerseits den Grundsätzen, die für jeden Bürger in einem gegen ihn gerichteten Verfahren gelten (vgl. jetzt auch den Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Art. 15, BB11965 II 1380), anderseits der staatsrechtlichen Stellung des Bundesrates, der von jeder Untersuchung gegen die Verwaltung berührt ist und dem nicht verborgen werden soll, was eine Untersuchung zutage fördert.

Ein Recht auf Anwesenheit bei Beratungen der Kommissionen dagegen ist nicht vorgesehen.

In Erweiterung des vom Nationalrat beschlossenen Verlautbarungsrechts des Bundesrates (vgl. Art. 54ter, Abs. 6 nach Nationalrat) soll diesem zusätzlich die Möglichkeit verschafft werden, sich in einem Bericht an die Räte zum Ergebnis der Untersuchung zu äussern:
Absatz 2. Diese Befugnis hätte der Bundesrat wahrscheinlich schon kraft Verfassungsrechts (Art. 102, Ziff. 4 BV), doch ist es gegeben, im Sachzusammenhang diese Möglichkeit ausdrücklich klarzustellen.

b. Was dem Bundesrat als Behörde hinsichtlich der Anwesenheit und der Einsichtsrechte zusteht, sollte wegen der persönlichen Betroffenheit auch denjenigen Personen gewährt werden, die durch die Untersuchung in ihren Interessen unmittelbar berührt sind : Artikel j^eeies^ Absatz 1. Dieser Kreis ist weiter als derjenige der gemäss Artikel 54septies) Absatz 5 unmittelbar anvisierten Personen.

Freilich kann sich hier nun die Notwendigkeit ergeben, Personen von der An-

257 Wesenheit oder von der Akteneinsicht auszuschliessen, wenn dadurch der Gang und das Ziel der Untersuchung gefährdet würden : Absatz 2. Doch sollte auf die betreffenden Beweismittel nur abgestellt werden, wenn das rechtliche Gehör in einem Umfange gewährt worden ist, wie es rechtsstaatlicher Auffassung allgemein entspricht (vgl. Art. 24 und 25 des Entwurfes zum Verwaltungsverfahrensgesetz). Wie der Nationalrat es vorgesehen hat, soll diesen Personen Gelegenheit gegeben werden, sich vor der Berichterstattung zu äussern : Absatz 3.

7. Straf- und Kollisionsrecht (Art.54^^Ki^ und J^odeciesj a. In Artikel j^undeoies Werden die Strafbestimmungen übernommen, wie der Nationalrat sie aufgestellt hat. Absatz 3 verzichtet auf die schwerfällige und unnötige Bestimmung, dass die Bundesversammlung es sei, die eine Strafsache zur, Verfolgung und Beurteilung einem Kanton überweisen könne. Wenn die Übertragung schon angezeigt erscheint, kann es auf dem ordentlichen und einfachen Weg des Artikels 18 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 geschehen. Ein Verweis hierauf ist nicht erforderlich.

b. Dem Nationalrat ist darin beizupflichten, dass mit der Einsetzung von Untersuchungskommissionen andere parlamentarische Kommissionen in der gleichen Sache nicht mehr tätig sein sollen : Artikel 54auoAecles, Absatz L Darüber hinaus sind Zweifel geäussert worden, ob mit der Einsetzung von parlamentarischen Untersuchungskommissionen auch andere rechtliche Verfahren dahinfielen. Das wäre nicht richtig. Die Untersuchungskommissionen werden bestimmungsgemäss vorwiegend unter politischen Fragestellungen an die Ermittlung herantreten, und die unmittelbar anschliessenden Sanktionen werden in der Regel die der politischen Verantwortlichkeit sein. Wenn die Untersuchungskommissionen Verantwortlichkeiten feststellen, so können sie nicht die vermögensrechtliche, strafrechtliche oder disziplinarrechtliche Haftung, wie sie im Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes gegenüber Behördemitgliedern und Beamten vorgesehen ist, realisieren. Die Folge einer Konsumption der Rechtsverfahren durch das parlamentarische Untersuchungsverfahren wäre, dass z. B.

gegen fehlbare Beamte, die in eine parlamentarische Untersuchung einbezogen wurden, auf Grund von anderem Verantwortlichkeitsrecht nicht mehr vorgegangen werden
kann : Die rechtliche, gemäss Gesetz meist durch die Richter durchzusetzende Verantwortlichkeit wäre nicht mehr vollziehbar, und die parlamentarischen Organe könnten nicht Schadenersatz anordnen, Strafen verhängen oder Disziplinarmassnahmen treffen. Ähnliches gilt gegenüber Verfahren, die ausserhalb des Verantwortlichkeitsgesetzes im Gange wären oder eingeleitet werden wollten, z.B. Ehrverletzungsprozesse, zivile Schadenersatzprozesse, Verwaltungsgerichtsverfahren. Ausserhalb des parlamentarischen Raumes sollen Untersuchungen andere Rechtsverfahren nicht hindern oder ersetzen. Eine andere Frage ist, ob Verantwortlichkeitsprozesse oder andere Rechtsverfahren sistiert oder nicht eingeleitet werden sollen, solange eine parlamentarische Untersuchung im Gange ist. Doch darüber zu entscheiden, ist Sache der das Verantwortlichkeitsverfahren durchführenden Behörde.

258

D. Anpassungen des Beamtengesetzes und des Geschäftsreglementes

Dem Nationalrat ist in der Anpassung des Beamtenrechtes (Art. 27, Abs. 3 des Beamtengesetzes) zu folgen.

Was das Geschäftsreglement des Ständerates betrifft, sind, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Nationalrat, Angleichungen zu beschliessen. Davon hat lediglich Artikel 46bl9 unseres Vorschlages eine materielle Bedeutung : Die ständigen Kommissionen werden nunmehr ausdrücklich dazu ermächtigt, sich Réglemente zu geben. Doch wird die Genehmigung durch den Rat verlangt.

Dadurch wird die heutige unsichere Grundlage der Kommissionsreglemente gefestigter.

Dritter Teil. Schlussbetrachtungen Wenn wir abschliessend nochmals eine Übersicht über die Revisionsvorlage zu gewinnen versuchen, so mag vorab daran erinnert werden, dass die Vorschläge auf das innert kurzer Frist und bei Vermeidung von Verfassungsänderungen Erreichbare zu begrenzen gewesen sind. Schon im Bericht zur MirageAngelegenheit wurde allerdings festgestellt, dass der Ausbau der parlamentarischen Oberaufsicht nur eines der Mittel zur Verbesserung der Verwaltungstätigkeit darstellt, womit auch Voraussetzungen geschaffen würden, um eine Wiederholung von Vorgängen wie den Mirage-Fall zu vermeiden. In dieser Angelegenheit waren die grundlegenden Fehler in der Verwaltung vorgekommen.

Die Mängel betrafen die Organisation, die Zusammenarbeit, die Aufsicht, die Kompetenzfestlegung und anderes mehr. Dazu stand man unter einem Zeitdruck und verliess sich vielfach auf das Können und das richtige Verhalten anderer. Darnach kann und soll die vorgeschlagene Verbesserung der parlamentarischen Verwaltungskontrolle keinen Ersatz bieten für das, was im Bereiche der Verwaltung in Ordnung gebracht und richtig gemacht werden muss.

Demgemäss wurde bei der Behandlung der Mirage-Angelegenheit mit Recht das Schwergewicht darauf gelegt, dem Bundesrat eine Reihe von Aufträgen zur Verbesserung der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit zu erteilen. Wir möchten mit Befriedigung feststellen, dass diese Aufträge entweder bereits fristgemäss ausgeführt worden sind (wie die Vorlage der Gesetzesentwürfe für das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsgerichtsbarkeit), oder sofort an die Hand genommen wurden (wie die Reorganisation des Militärdepartements und die Prüfung der zur Entlastung des Bundesrats durch die Postulate Schmitt, Chevallaz und Borei aufgeworfenen
Probleme). Zu verweisen ist ferner auf die gegenwärtige Mitwirkung des Bundesrats bei der Ausarbeitung der Entwürfe zu einem Finanzkontrollgesetz und einem Finanzhaushaltsgesetz.

Im Bericht der nationalrätüchen Kommission werden die im Verlaufe der Jahre getroffenen Massnahmen erwähnt, die dem Bundesrat gestatten, seine Aufsicht über die Verwaltung intensiver zu gestalten. Unsere Kommission hat den Eindruck, dass diese Aufsicht noch wirksamer gestaltet werden könnte und müsste. Insbesondere ist zurzeit die Rede vom Ausbau der Zentralstelle

259

für Organisationsfragen zu einem eigentlichen Kontrollorgan, dem in seinem Bereich eine ähnliche Stellung zukommen sollte wie der Finanzkontrolle.

Will man die Lehren, die aus der Mirage-Angelegenheit gezogen wurden und die noch zu ziehen sind, zusammenstellen, dann gehören diese Anstrengungen ebenfalls dazu. Wir möchten denn unsere Revisionsvorlage ausdrücklich in diesen grösseren Rahmen stellen.

Bei der Revision, die uns hier beschäftigt, haben sich drei Komplexe aufgreifen und einer rechtlichen Ordnung zuführen lassen.

Erstens wird eine rechtliche Regelung des Vorverfahrens der Gesetzgebung in die Wege geleitet.

Zweitens wird eine bessere Information sowie eine Verbreiterung und Vertiefung des Wissens des Parlamentariers und des Parlaments angestrebt, vornehmlich durch: - die Erweiterung des informativen und konsultativen Instrumentariums aller parlamentarischen Kommissionen, - die gesetzliche Verankerung und damit Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen, verbunden mit einer Erweiterung ihrer Einsichtsmöglichkeiten in Verwaltungsabläufe, - die gesetzliche Einrichtung von ständigen Sekretariaten für die Finanz- und die Geschäftsprüfungskommissionen, - die Einrichtung eines parlamentarischen Dokumentationsdienstes.

Drittens wird die rechtliche Normierung von parlamentarischen Untersuchungskommissionen geschaffen.

Der Sache nach mag das Schwergewicht beim ersten Punkte liegen; für die unmittelbare praktische Auswirkung steht der zweite Punkt im Vordergrund. In gewissen Belangen werden bereits eingeleitete Schritte in der Regelung parlamentarischer Tätigkeit konsequent fortgeführt (zum Beispiel beim Ausbau der ständigen Kommissionen), zum Teil wird Neuland betreten. Für den Bund ergibt sich daraus vorerst eine Phase der Erprobungen und Bewährungen. Dazu können die Erfahrungen in den Kantonen nicht viel beitragen, wie umgekehrt die neuen Vorkehren von den Kantonen nicht einfach übernommen werden können, da die organisatorischen und funktionellen Unterschiede der beiden staatlichen Gebilde, Bund und Kanton, recht gross geworden sind und die Organisations- und Einrichtungsfragen einer sehr differenzierten Behandlung bedürfen.

In der ganzen Revision geht es aber im Grunde darum, das Parlament in seiner Sicherheit zu stärken, derer es bedarf, um seine verfassungsmässigen Kompetenzen im Bereiche
der Oberaufsicht und der Gesetzgebung sachgemäss wahrzunehmen. Dieses Ziel zu erreichen, fällt nicht leicht, weil die Schwierigkeiten, die sich heute derWirksamkeit des Parlaments entgegenstellen, aus vielerlei Ursachen erwachsen. Nicht jeder kann durch rechtliche Vorkehren entgegengetreten werden, und für etliche Belange fehlen heute noch die Erfahrungen und Klärungen, die vorhanden sein müssten, um eine Normierung aufzuziehen.

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Sodann können nicht alle Regelungen gewissermassen im Innern des Parlaments bleiben. Vielmehr muss bei verschiedenen Institutionen auch das breite Grenzband betreten werden ,wo sich die beiden Gewalten, Parlament und Exekutive, notwendigerweise begegnen. Diese Berührung und teilweise Durchdringung sind nicht ein- für allemal abgeschlossen. Sie stehen in der für Staat und Recht unvermeidlichen Entwicklung, die von Zeit zu Zeit die Überprüfung der Beziehungen zwischen den Gewalten nicht nur zulässt, sondern auch fordert.

Die Revisionsvorlage hat auch in dieser Hinsicht keine vollendete Lösung anzubieten, und wenn das Unterfangen schliesslich zu einem Erfolg führen soll, sind ebenfalls Voraussetzungen ausserrechtlicher Natur zu schaffen, die die Gesetzesänderung ergänzen und stützen. Wir begnügen uns hier mit dem Hinweis auf drei Faktoren, auf die wir in unserem Bericht immer wieder aufmerksam gemacht haben und die nicht übersehen werden sollten.

a. Abgesehen von den vielen sachlichen Erschwerungen der Parlamentsarbeit, die nun durch die vorgeschlagenen Verbesserungen gemildert werden sollen, bleibt das alte Problem der offenkundigen Zeitnot der Parlamentarier, der Kommissionen und des Plenums bestehen. Die neuen Mittel der Information und Prüfung beheben diese Zeitnot nicht automatisch. Ihnen wohnt gegenteils die Gefahr inné, durch die Beschaffung von vermehrten Unterlagen und Kenntnissen sowie durch die Forderung nach Intensivierung der Kontrolltätigkeit die Zeitnot zu verschärfen. Gelingt es nicht, sie-zu bannen, würde die Revision leerlaufen oder man würde allmählich in ein Berufsparlament gedrängt, was die schweizerischen Parlamentarier in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung offensichtlich zu vermeiden trachten. Um solchen Alternativen zu entgehen, wird man von der künftigen Kontrolltätigkeit voraussetzen müssen, dass sie in bestmöglicher Art rationell gehandhabt wird. Dazu gehört unter anderem: die Bildung von Schwergewichten, die Erfassung typisierter Verwaltungshandlungen in wesentlichen Stadien des Vollzugs bestimmter Gesetze, die oberaufsichtsrechtliche Kontrolle der verwaltungsinternen Kontrolleinrichtungen.

Zugleich wird man sich aber auch bemühen, die Ergebnisse der verwaltungsinternen Kontrollmittel durch sinnvolle Koordination und Kooperation für die parlamentarische
Oberaufsicht dienstbar zu machen, wie es bereits hinsichtlich der Finanzkontrolle mit Erfolg praktiziert wird. Vom ständigen Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen und von einem genügend ausgebauten Dokumentationsdienst darf für das Parlament eine beachtliche Erleichterung erwartet werden. Darüber hinaus ist es eine wichtige Aufgabe der nächsten Zeit, in den Kontrollvorgängen Methodik und Arbeitstechniken weiter zu entwickeln, wozu der Kontakt und die systematische Zusammenarbeit unter allen Kontrollkommissionen beider Räte gehört. Das ist praktisch kein leicht erfüllbares Postulat, und es wird des eifrigen Einsatzes vor allem der Kommissionspräsidenten bedürfen, um echte Fortschritte zu erzielen.

b. Parlamentarische Kontrolle ist in der Schweiz ihrem Wesen nach nicht jedenfalls nicht in der Regel - politisches Mittel der Legislative gegen die Regierung, womit sich einfach Macht und Gegenmacht auseinandersetzten. Sie kann auch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, was die Exekutive leistet und

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unterlässt. Sie bildet zusammen mit ändern Kontrollvorgängen über die Verwaltung vielmehr ein Ganzes. Sie schliesst insbesondere die Selbstkontrollen der Exekutive (Aufsicht des Bundesrats, Finanzkontrolle, Organisationskontrolle usw.) nicht aus. Sie rahmt diese ein und ergänzt sie. Sie ist insofern nicht Répétition und Lückenbüsser der administrativen Selbstkontrollen, sondern eine Art integrierender Vollendung all derjenigen Vorgänge, die über die rechtliche und sachliche Richtigkeit der Staatsakte wachen sollen.

c. Die neuen Mittel des Parlaments sollen und dürfen die Arbeit und die Stellung des Bundesrats nicht beeinträchtigen. Wichtig bleibt vor allem, dass er die Verantwortung für die Verwaltungstätigkeiten behält und die Aufgaben des Regierungsorgans erfüllt. Das setzt unter anderem voraus, dass die reicheren Mittel, die sich die Bundesversammlung nunmehr verschafft, nicht missbräuchlich angewendet werden. Die parlamentarische Kontrolle steht mitunter in Gefahr, in politische Interessenkämpfe einbezogen zu werden, wobei die verfügbaren Mittel nicht so sehr zur verfassungsmässigen Beaufsichtigung der Verwaltung als im Kampf gegen politische Gegner zur Erreichung politischer Ziele eingesetzt werden. Rechtlich würden sich Schranken gegen Missbräuche aufrichten lassen. Sie würden jedoch die erwünschte Bewegungsfreiheit der Parlamentsarbeit reduzieren. In Abwägung dieser Wirkungen haben wir darauf verzichtet, dem Parlament hemmende Schranken aufzuerlegen. Wir setzen unser Vertrauen auf eine vernünftige und massvolle Handhabung der neuen Einrichtungen. Bewahrheitet sich dieses Vertrauen, ist die Revision geeignet, die staatliche Organisation sinnvoll und zeitgemäss fortzuentwickeln.

Im Sinne dieser Ausführungen scheint es uns aber auch geboten, dass man den weiteren Ausbau einer Lösung, die keine Verfassungsänderung voraussetzt, nicht vernachlässigt. Denn eine Reform, die eine Verfassungsänderung bedingt, dürfte wahrscheinlich nicht schnell zu verwirklichen sein. Deshalb sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, Gesetzgebung, Aufsicht und Oberaufsicht weiter zu verbessern, um so bei der heutigen Verfassungslage ein Optimum an Zweckmässigkeit und Wirksamkeit zu garantieren. In dieser Richtung gedenken wir unsere Anstrengungen fortzusetzen, und wir glauben erwarten zu dürfen, dass Sie unsere
Auffassung teilen.

Wir empfehlen Ihnen, Herr Präsident, verehrte Herren Kollegen, auf die Vorlage einzutreten und unseren Anträgen zuzustimmen.

Bern, den 12. Februar 1966.

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates : Der Präsident : Eugen Dietschi

Bundesblatt. 118. Jahrg. Bd.I.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Geschäftsprüflingskommission des Ständerates an den Ständerat über den Ausbau der Verwaltungskontrolle (Vom 12. Februar 1966)

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1966

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09

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9194

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03.03.1966

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