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10357 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Initiative des Kantons Waadt betreffend Mieterschutz (Vom 3. September 1969)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Am 26. Februar 1969 hat der Grosse Rat des Kantons Waadt folgenden Beschluss gefasst: «Der Grosse Rat des Kantons Waadt, in der Erwägung : - dass in den wichtigsten städtischen Zentren unseres Landes und des Kantons Waadt weiterhin Wohnungsnot herrscht ; - dass diese Wohnungsnot regionalen, ja örtlichen Charakter hat ; - dass bei dieser Sachlage die vollständige Abschaffung der Mietzinsüberwachung zu Mietzinserhöhungen zu führen droht, die für Leute mit geringem oder mittlerem Einkommen in den von der Wohnungsnot betroffenen Gemeinden untragbar sind, fordert den Staatsrat auf, im Namen des Kantons von dem in Artikel 93 Absatz 2 der Bundesverfassung vorgesehenen Vorschlagsrecht Gebrauch zu machen und bei den Behörden der Eidgenossenschaft im Sinne des Postulates Debétaz vorstellig zu werden, damit sie : 1. eine neue Verfassungsbestimmung vorschlagen, die den Kantonen die gesetzgeberische Befugnis verleiht, den Schutz der Mieter vor übersetzten Mietzinsen und Mietzinserhöhungen sowie vor ungerechtfertigten Kündigungen zu gewährleisten; wobei diese Massnahmen nur in den Gemeinden getroffen werden können, wo der Mangel an Wohnungen oder Geschäftsräumen besteht und solange er andauert ; 2. nötigenfalls die Anwendung des Artikels 89Ms der Bundesverfassung beantragen;

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3. für den Fall, dass die unter Ziffer l verlangte Neuregelung nicht auf den 1. Januar 1970 in Kraft treten könnte, die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 30. September 1965 über Mietzinse für Immobilien beschliessen.» Der waadtländische Staatsrat hat diese Initiative am 4. März 1969 der Bundesversammlung zugestellt. Sie haben uns durch Beschluss beider Räte vom 6. März 1969 die Initiative zum Bericht überwiesen. Wir haben die Ehre, Ihnen hiermit diesen Bericht zu erstatten.

1. Übersicht Die Standesinitiative des Kantons Waadt befasst sich mit Fragen, die sich zufolge des Wegfalles der Ergänzung der Bundesverfassung betreffend Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen auf 31. Dezember 1969 ergeben.

Den gleichen Problemkreis betreffen : - der Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Obligationenrechts durch Bestimmungen über eine Beschränkung des Kündigungsrechts im Mietverhältnis (BB11969 II 849); - der Bericht über das Volksbegehren für das Recht auf Wohnung und den Ausbau des Familienschutzes, der den Räten gleichzeitig mit dem vorliegenden Bericht unterbreitet wird; - die Botschaft über ein Bundesgesetz betreffend Verlängerung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues, der ebenfalls gleichzeitig vorgelegt wird.

In bezug auf den gesamten Fragenkomplex muss auf die in den erwähnten Botschaften und im hievor erwähnten Bericht enthaltenen Stellungnahmen verwiesen werden. Im Bericht über die Standesinitiative beschränken wir uns auf die Behandlung der darin aufgeworfenen speziellen Probleme.

2. Die Ausgangslage 2. l Die Regelung bis Ende 1969 Befristung und Inhalt des Verfassungszusatzes vom 9. Oktober 1964J) über die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen lassen unschwer erkennen, dass er als Auslaufaktion konzipiert war, d. h. von der staatlichen Mietzinsreglementierung zum freien Wohnungsmarkt überleiten sollte. Dieses Ziel ist insbesondere durch eine von den Sozialpartnern innerhalb der Eidgenössischen Wohnbaukommission seinerzeit ausgehandelte Verständigung gesetzt worden. So schrieb der Verfassungszusatz die Ersetzung der Mietzinskontrolle durch die Mietzinsüberwachung in den fünf Grossstädten und ihren Agglomerationsgemeinden spätestens auf Ende 1966 vor. Nachdem die vier übrigen Grossstädte die Mietzinsüberwachung schon vor dem letztmöglichen x

> AS 1964 1425; BB1 1964 I 729

916 Datum eingeführt hatten, ist die Mietzinskontrolle in Lausanne und seinen fünf Agglomerationsgemeinden erst Ende 1966 durch das flexiblere System der Mietzinsüberwachung ersetzt worden.

Im Rahmen der schrittweisen Lockerung der Mietzinsreglementierung sind durch Bundesratsbeschluss vom 22. Dezember 1967 im Kanton Waadt 273 Gemeinden auf den 1. Januar 1968 freigegeben worden; weitere 64 Gemeinden folgten auf den 1. Oktober 1968 (BRB vom 23. September 1968). Gegenwärtig sind noch 44 Gemeinden des Kantons Waadt der Mietzinsüberwachung und damit auch dem Kündigungsschutz unterstellt. Auch in diesen Gemeinden sind jedoch gewisse in den Ausführungsvorschriften näher bezeichnete Kategorien von Mietobjekten, vor allem die nach dem 31. Dezember 1946 bezugsbereit gewordenen Neubauten, von der Mietzinsreglementierung ausgenommen. Nach der Statistik verfügte Lausanne am 1. Dezember 1966 über 50 893 Wohnungen; davon sind 54 Prozent vor 1947 und 46 Prozent seit 1947 erstellt worden. Bei 2378 Objekten handelt es sich um Eigentümerwohnungen. Ferner sind 6339 Wohnungen mit Hilfe der öffentlichen Hand erstellt worden. Diese letztere Kategorie und die vor 1947 erstellten Wohnungen unterliegen der Mietzinsüberwachung bzw. der Kontrolle durch die Subventionsbehörden und geniessen den Kündigungsschutz gemäss dem noch geltenden Recht.

2.2 Die Regelung nach 1969 Inwiefern nach dem 31. Dezember 1969 noch ein Kündigungsschutz bestehen wird, hängt vorerst davon ab, ob und mit welchen Änderungen die eidgenössischen Räte die Vorlage zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Obligationenrechts durch Bestimmungen über eine Beschränkung des Kündigungsrechts im Mietverhältnis in der kommenden Herbst- bzw. Dezembersession verabschieden werden. Es war die Absicht des Bundesrates, auf den Zeitpunkt des Ablaufes des mietnotrechtlichen Kündigungsschutzes eine Kündigungsbeschränkung im Obligationenrecht in Kraft treten zu lassen. Sollten die Räte einen übereinstimmenden Beschluss über die Revision des Obligationenrechts fassen, dieser aber wegen der Referendumsfrist ab 1. Januar 1970 nicht in Kraft gesetzt werden können, so beabsichtigt der Bundesrat, den Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses, gestützt auf Artikel 89bls Absatz l der Bundesverfassung, vorzuschlagen. Dieser Bundesbeschluss wäre auf den l. Januar 1970 in
Kraft zu setzen und würde sich an die von den Räten bis dahin beschlossene Regelung der Kündigungsbeschränkung halten.

Als weitere Massnahme wurde die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterführung des bisherigen Mieterschutzes nach den Grundsätzen der Mietzinsüberwachung für weitere zwei Jahre erwogen. Zwischen der Regierung des Kantons Genf einerseits und den organisierten Vertretern der Genfer Liegenschaftsbesitzer anderseits ist eine solche Vereinbarung über die Mietzinsüberwachung und die Beschränkung des Kündigungsrechts zustande gekommen.

Am 3. September 1969 ist nun auch im Kanton Waadt zwischen der Kantons-

917 regierung und den Organisationen des Immobilienbesitzes ein derartiges Abkommen abgeschlossen worden.

2.3 Die Situation in Lausanne Von besonderem Interesse sind im Zusammenhang mit der Standesinitiative des Kantons Waadt die Verhältnisse in der Hauptstadt Lausanne. Darüber geben die Publications statistiques du service des intérêts généraux» der Stadt Lausanne Auskunft. Auf den Umfang des Geltungsbereiches der Regelung nach bisherigem Recht ist bereits hingewiesen worden.

2.31 Wohnbautätigkeit, Leerwohnungsstand, Wohndichte in Lausanne Für die Jahre 1958-1967 verzeichnet die Statistik einen Nettozuwachs von 7850 Wohnungen und eine Bevölkerungszunahme von 15700 Einwohnern.

Die Wohnungszunahme betrug für diesen Zeitraum 18 Prozent und war damit bemerkenswert höher als die Bevölkerungszunahme von 13 Prozent. Das Total der fünf grössten Schweizer Städte ergibt einen Gewinn von 63 300 Wohnungen (+ 17%) oder 57 neuen Wohnungen auf 1000 Einwohner gemäss Volkszählung von 1960; für Lausanne ist dieses Verhältnis günstiger, nämlich 62 Wohnungen auf 1000 Einwohner. Im Jahre 1968 wurden in Lausanne 1330 neue Wohnungen erstellt gegenüber 740 im Vorjahr; Baubewilligungen wurden für 1671 Wohnungen erteilt gegenüber 1229 im Jahre 1967.

Diese überdurchschnittliche Bautätigkeit Hesse ein Ansteigen des Leerwohnungsbestandes erwarten. Die Stadt Lausanne folgt jedoch der gesamtschweizerischen Entwicklung, die ab 1967 einen Rückgang des Leerwohnungsbestandes verzeichnet. In Lausanne wurden am I.Dezember 1966 126, ein Jahr später 272 und am 1. Dezember 1968 noch 178 leere Wohnungen oder 0,34 Prozent gezählt. Dieser Bestand ist immerhin höher als derjenige der vier übrigen Grossstädte; der Durchschnitt aller fünf Grossstädte beträgt nur 0,08 Prozent. Der Leerwohnungsbestand der Stadt Lausanne deckt sich dagegen ziemlich genau mit dem gesamtschweizerischen Durchschnitt (0,37% am 1. Dezember 1968 in den Gemeinden mit über 2000 Einwohnern).

Ein Grund für das Absinken des Leerwohnungsbestandes ist der auch in Lausanne zu verzeichnende Rückgang der Wohndichte. Die durchschnittliche Zahl der Bewohner je bewohnbares Zimmer ist in Lausanne von 0,93 im Jahre 1960 auf 0,89 im Jahre 1966 zurückgegangen, gegenüber dem schweizerischen Gesamtmittel von 0,86 (alle Arten von Wohnungen). Auf die in Lausanne ansässigen Schweizer
bezogen, beträgt die Wohndichte 1966 sogar nur 0,87, während die Wohndichte der in Lausanne ansässigen Italiener und Spanier 1,18 bzw. 1,35 beträgt. Die Wohndichte in den Altwohnungen in Lausanne betrug 1966 0,83, in den seit 1947 erstellten, also freien Wohnungen dagegen 0,97; die geschützten Altwohnungen sind somit «unterbewohnt».

2.32 Mietzinsentwicklung, Verhältnis Einkommen/Mietzins in Lausanne Der mittlere Jahresmietzins aller Wohnungen belief sich 1960 auf 655 Franken je Zimmer; für sich allein betrachtet, stellte sich der Durchschnitt der

918 Altwohmmgen auf 563 Franken, derjenige der Neuwohnungen (nach 1947 erstellt) auf 844 Franken. Bis 1966 hat sich der Gesamtdurchschnitt auf 891 Franken erhöht. Unter dem System der Mietzinskontrolle hat sich bis 1966 die Diskrepanz zwischen den geschützten Altwohnungen und den freien Neuwohnungen weiter verschärft (697 Fr. für Altwohnungen, 1139 Fr. für Neuwohnungen).

Die Einführung der Mietzinsüberwachung Ende 1966 verlief ohne die befürchteten Schwierigkeiten. Vom I.Dezember 1966 bis I.Dezember 1967 haben 16 Prozent der Altwohnungen überhaupt keine Mietzinserhöhungen erfahren. Bei nicht ganz einem Drittel der übrigen Wohnungen sind die Mietzinse im gleichen Zeitraum um 6-10 Prozent und bei einem Viertel um 11-15 Prozent erhöht worden.

Von Mai 1966 bis November 1968 ist der Mietindex in Lausanne um 24 Prozent gestiegen (Landesdurchschnitt : +19%). Ungefähr im gleichen Zeitraum, von Oktober 1965 bis Oktober 1968, ist der Index der Verdienste der Arbeiter und'Angestellten in der Schweiz um 21 Prozent gestiegen.

Die in Lausanne über das Verhältnis Einkommen/Mietzins angestellten Untersuchungen beruhen auf den Mietzinsen am 1. Dezember 1966 und den Einkommen der Steuerperiode 1965-1966. Danach mussten rund 27 Prozent der Haushaltungen zwischen 6-10 Prozent des Einkommens für die Miete aufwenden; für 26 Prozent belief sich der Mietanteil auf 11-15 Prozent des Einkommens, für 16 Prozent auf 16-20 Prozent und für 13 Prozent auf 21-30 Prozent. Eine auf sechs Haushaltungen muss mehr als einen Drittel für die Miete aufwenden.

3. Die Rechtswirkungen und der Zweck der Standesinitiative 3.1 Die Rechtswirkungen Das Initiativrecht, das jedem der beiden Räte und jedem Mitglied derselben zusteht, können die Kantone durch Korrespondenz ausüben). (BV Art. 93 Abs. 2). Eine solche Initiative wird bei der Bundesversammlung anhängig, und die Räte sind verpflichtet, darüber zu beschliessen, ob sie ihr Folge geben wollen. Darin erschöpft sich aber die Rechtswirkung der Standesinitiative. Die Wirkung kann somit nicht mit dem Volksbegehren auf Verfassungsrevision (BV Art. 120 und 121) verglichen werden. Ein solches Volksbegehren ist auch dann der Volksabstimmung zu unterbreiten, wenn die Räte mit ihm nicht einverstanden sind. Beschliessen die Räte, einer Standesinitiative keine Folge zu geben, so ist das Geschäft
erledigt.

3.2 Der Zweck Der Zweck der Initiative ist aus ihrem Wortlaut ohne weiteres ersichtlich.

Er wird jedoch durch den Hinweis verdeutlicht, dass die Begehren im Sinne des Postulates Debétaz gestellt werden. Das Postulat Debétaz vom 20. Dezember 1968 (Nr. 10152) ist am 12. März 1969 im Nationalrat beantwortet und

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entgegengenommen worden. Nach diesem Postulat, dessen Begehren sich mit denjenigen der Standesinitiative decken, müssen die zuständigen Behörden in die Lage gesetzt werden, in den von der Wohnungsnot betroffenen Gemeinden sofort die nötigen Massnahmen zu ergreifen, und zwar ohne Unterscheidung der Wohnungen und Geschäftsräume nach dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Markt zur Verfügung gestellt wurden. Wie bereits erwähnt, erstreckt sich der Geltungsbereich der Massnahmen nach dem noch geltenden befristeten Verfassungsrecht nicht auf die nach dem 31. Dezember 1946 bezugsbereit gewordenen Neubauten. Ausgenommen sind auch die durch Verordnung des Bundesrates vom 23. Februar 1962 *> über Lockerung der Mietzinskontrolle freigegebenen Wohnungen; es betrifft dies Wohnungen, die seinerzeit eine bestimmte Preisgrenze erreichten.

Der Hinweis in der Initiative auf das Postulat Debétaz macht deutlich, dass mit der verlangten neuen Verfassungsbestimmung der Zweck verfolgt wird, auch bisher freie Mietsachen wiederum der Mietzinsreglementierung unterstellen zu können.

4. Würdigung der Begehren der Standesinitiative 4.1 Allgemeines

In der Präambel zum Beschluss des Grossen Rates des Kantons Waadt wird auf die Wohnungsnot und ihren ausgeprägten örtlichen Charakter hingewiesen und der Befürchtung Ausdruck gegeben, dass die vollständige Abschaffung der Mietzinsüberwachung zu Mietzinserhöhungen zu führen droht, die für Leute mit geringem oder mittlerem Einkommen untragbar sind. Sofern man als Gradmesser für die Wohnungsnot auf den Leerwohnungsbestand abstellt, erweisen sich die Verhältnisse in Lausanne gegenüber den ändern Grossstädten als weniger gravierend. Trotz der örtlichen Verschiedenheit handelt es sich um ein gesamtschweizerisches Problem. Seine Lösung ist nicht auf dem Wege einer staatlichen Mietzinsreglementierung zu suchen, sondern darin zu finden, dass marktwirtschaftliche Prinzipen und soziale Postulate harmonisiert werden. Die Aufgabe der öffentlichen Hand besteht deshalb in der Schaffung besserer Voraussetzungen und Grundlagen für die Bauproduktion bei gleichzeitiger Versorgung der untersten Einkommensgruppen mit preisgünstigen Wohnungen, in der angestrebten Verankerung der Kündigungsbeschränkung im Obligationenrecht und in der Förderung von Vereinbarungen mit den am Wohnungsmarkt interessierten Organisationen. Die Gründe, die gegen die Weiterführung einer staatlichen Mietzmsreglementierung sprechen, sind in den eingangs erwähnten Verlautbarungen näher dargelegt worden. Aus den gleichen Motiven muss auch eine kantonale Ordnung des Mietzinsrechtes auf Grund einer neuen Verfassungsbestimmung im Sinne von Ziffer l der Standesinitiative abgelehnt werden. Nach dem Entwurf des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Obligationenrechtes waren übrigens die Kantone zuständig, die Gemeinden und die Kategorien der Mietobjekte zu be»> AS 1962 177

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zeichnen, auf welche die Bestimmungen über die Kündigungsbeschränkung anwendbar sind. Der Ständerat hat jedoch einer gesamtschweizerischen Lösung den Vorzug gegeben.

Eine unveränderte oder auch eine modifizierte Verlängerung der Mietzinsüberwachung im Sinne von Ziffer 3 des Initiativbegehrens könnte nur gestützt auf Artikel 89Ms Absatz 3 der Bundesverfassung erfolgen, müsste also, Genehmigung durch Volk und Stände vorbehalten, nach einem Jahr dahinfallen. Das Problem wäre damit nicht gelöst und die Situation nach Jahresfrist wieder die gleiche wie heute.

4.2 Das Begehren auf Ausdehnung der Mietzinsreglementierung Wie bereits dargelegt (Ziff. 3.2), möchte die Standesinitiative den Kantonen die Kompetenz einräumen, Mietzinsvorschriften auch für die nach 1946 erstellten Wohnungen zu erlassen. Dazu ist folgendes festzuhalten: Die nach dem 31. Dezember 1946 bezugsbereit gewordenen Neubauten sind durch Bundesbeschluss vom 19. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle mit Wirkung ab 1. Januar 1954 freigegeben worden. Schon vor diesem Datum hatte sich für diese Kategorie von Mietobjekten im Interesse des Wohnungsbaues eine Sonderregelung (Gewährung einer Bruttorendite von 6,8% bei der behördlichen Mietzinsfestsetzung) als notwendig erwiesen. Aus dem Beschluss des Grossen Rates des Kantons Waadt ist nicht ersichtlich, ob die gewünschte Kompetenz sich auf die gesamte Neubautätigkeit erstrecken soll. Würde auch die zukünftige Bautätigkeit der Mietpreisreglementierung unterstellt, so käme dies für den privaten Wohnungsbau einem schwerwiegenden Hindernis gleich und könnte praktisch zur Folge haben, dass er zum Erliegen kommt. Wollte man aber nur die Mietzinse der seit 1947 bis heute erstellten Wohnungen der Reglementierung neu unterstellen, so würde damit ein zusätzlicher Kreis privilegierter Mieter und eine neue Kategorie von Wohnungen mit künstlich beeinflussten Mietzinsen geschaffen. Damit wäre man aber vom Ziel der Wiederherstellung eines freien Wohnungsmarktes weiter als je entfernt. Seit der Freigabe der nach 1946 erstellten Wohnungen ist wiederholt, insbesondere durch die am 21. März 1963 vom Nationalrat angenommenen Postulate Debétaz und Sollberger, die Wiedereinführung einer behördlichen Reglementierung der Mietzinse für Neubauten gefordert worden.

Wir verweisen auf die
Ausführungen der Botschaft zum ablaufenden Verfassungzusatz (BB1 1964 I 761 ff.) Durch Annahme des Verfassungszusatzes vom 9. Oktober 1964 sind diese Begehren abgewiesen worden. Die erneute Reglementierung der Mietzinse von Neuwohnungen müsste heute als besonders sinnlos und zweckwidrig anmuten.

5. Anträge Aus diesen und aus den in den eingangs erwähnten Verlautbarungen dargestellten Gründen beantragen wir Ihnen, der Standesinitiative des Kantons

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Waadt keine Folge zu geben und das Postulat Debétaz (Nr. 10152) mit den gleichlautenden Begehren abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 3. September 1969 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespràsident : L. von Moos Der Bundeskanzler : Huber 0954

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Initiative des Kantons Waadt betreffend Mieterschutz (Vom 3. September 1969)

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19.09.1969

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