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3262 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 7. Mai 1935 abgeschlossenen Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Finnland.

(Vom 31. Mai 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Nachdem Finnland seine staatliche Selbständigkeit erlangt hatte, schien es dem Bundesrat angezeigt, wie dies mit fast allen europäischen Staaten geschehen ist, auch mit diesem Land, in dem mehrere hundert Schweizer leben, eine Abmachung zu treffen, um für die dortigen schweizerischen Interessen eine vertragliche gesicherte Grundlage zu schaffen. Anfangs 1922 wurde deshalb der finnländischen Eegierung der Entwurf einer Gegenseitigkeitserklärung unterbreitet, worauf Pinnland im Jahre 1924 seinerseits vorschlug, einen Handelsvertrag abzuschliessen, der auch Bestimmungen über die Niederlassung enthalten sollte. Die weitern Verhandlungen führten zunächst zum Abschluss einer reinen Handels Übereinkunft in Form eines Notenwechsels vom 24. Juni 1927. Um die dringend gewordene Eegelung der handelspolitischen Fragen nicht zu verzögern, stellten wir damals die Niederlassungsfragen zurück.

Anfangs 1929 ist dann aber der finnländischen Eegierung der Entwurf zu einem Niederlassungsvertrag unterbreitet worden, da sich neuerdings ergeben hatte, dass eine vertragliche Eegelung der Behandlung der Schweizer in Finnland einem Bedürfnis entspreche. Trotzdem angesichts der geringen Anzahl der Finnländer in der Schweiz Finnland kein grosses Interesse an einer solchen Abmachung hat, antwortete die finnländische Eegierung Ende 1933 mit einem zwar wesentlich kurzern, aber in der Hauptsache den schweizerischen Wünschen entsprechenden Gegenentwurf. Über die wenigen Punkte, die noch zu Meinungsverschiedenheiten Anlass gaben, konnte durch mündliche Verhandlungen mit der Finnländischen Gesandtschaft in Bern eine Einigung erzielt werden. Der Vertrag ist am 7. Mai 1935 in Bern unterzeichnet worden.

923 Der Vertrag zwischen der Schweiz und Finnland über die Behandlung der Staatsangehörigen und der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine des andern Landes besteht aus 5 Artikeln und einem Zusatzprotokoll.

Art. l betrifft die physischen Personen und sieht für die Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen, insbesondere hinsichtlich der Einreise, der Niederlassung, der Ausübung von Handel, Industrie, Gewerbe und andern Berufen und mit Bezug auf das Vermögen die Meistbegünstigung vor. Für die Steuern und Abgaben gilt die Gleichbehandlung in Verbindung mit der Meistbegünstigung.

Art. 2 betrifft die Gesellschaften, Genossenschaften und die Vereine mit wirtschaftlichen Zwecken. Er ordnet die Anerkennung ihres rechtlichen Bestandes und ihre Zulassung zur Geschäftstätigkeit. Sie haben in jeder Hinsicht Anspruch auf die Meistbegünstigung, namentlich mit Bezug auf das Vermögen und die Steuern und Abgaben.

Art. 8 sichert den i beiderseitigen Staatsangehörigen und Gesellschaften den rechtlichen Schutz unter den gleichen Bedingungen wie für die einheimischen Staatsangehörigen und Gesellschaften zu.

Art. 4 gewährt die Befreiung von jeder Art von Militärdienst und von den Geld- oder Naturalleistungen an Stelle des persönlichen Dienstes. Hinsichtlich der Zwangsanleihen, der Bequisitionen und der Leistungen zu militärischen Zwecken im Krieg oder unter aussergewöhnlichen Umständen wird die Meistbegünstigung zugesichert. Für die das Grundeigentum treffenden Lasten, insbesondere Enteignungen und die dafür gewährten Entschädigungen ist die Gleichbehandlung in Verbindung mit der Meistbegünstigung vereinbart worden.

Nach Art. 5 tritt der Vertrag mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Er ist auf ein Jahr geschlossen und bleibt mangels Kündigung auf Ablauf dieser Frist weiter in Kraft, kann aber alsdann jederzeit auf 6 Monate gekündigt werden.

Im Zusatzprotokoll wird festgestellt, a. dass die Meistbegünstigung keine Anwendung findet auf die den Nachbarstaaten im Grenzverkehr gewährten Vergünstigungen, b. dass Artikel l nicht auf den Hausierhandel, die Wandergewerbe und den Kleinreisendenberuf anwendbar ist, c. dass die Gleichbehandlungsklausel in Artikel l, Absatz 2, nicht für die Aufenthaltsabgaben gilt, d. dass die Vertragsstaaten die Doppelbesteuerung zu vermeiden wünschen und bereit sind, hierüber ein Abkommen zu treffen.

Das Abkommen, das wir Ihnen hiermit zur Genehmigung vorlegen, bildet eine geeignete Grundlage für die Entwicklung der Beziehungen zwischen

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i beiden Ländern. Es sichert den beiderseitigen Staatsangehörigen im wesentlichen die gleiche Behandlung wie den meistbegünstigten Ausländern zu. Entsprechendes gilt von den beiderseitigen Gesellschaften. Die Finnländer in der Schweiz werden daher in Zukunft eine gleich günstige Behandlung gemessen wie die Angehörigen der andern Staaten, mit denen die Schweiz Niederlassungsverträge geschlossen hat. In entsprechender Weise wird die Rechtsstellung der Schweizer in Finnland gesichert.

Wir bitten Sie deshalb, den untenstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses gutheissen zu wollen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 81. Mai 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : R. Minger.

Der Bundeskanzler:

G. Boyet.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss tiber

die Genehmigung des zwischen der Schweiz und Finnland abgeschlossenen Vertrages betreffend die Behandlung der Staatsangehörigen und der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine des andern Landes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates -vom 31. Mai 1935, beschliesst :

Art. 1.

Der am 7. Mai 1935 zwischen der Schweiz und Pinnland abgeschlossene Vertrag betreffend die Behandlung der Staatsangehörigen und der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine des andern Landes wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

926 Übersetzung.

Yertrag zwischen

der Schweiz und Finnland betreffend die Behandlung der Staatsangehörigen und der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine des andern Landes.

(Vom

7. Mai 1935.)

Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung des Freistaats Finnland, von dem Wunsche beseelt, die Bedingungen festzustellen, gemàss denen die schweizerischen Staatsangehörigen in Finnland und die finnländischen Staatsangehörigen in der Schweiz behandelt werden sollen, sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag zu schliessen, und haben hiefür zu ihren Bevollmächtigten ernannt : der Schweizerische Bundesrat: Herrn Giuseppe Motta, Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements, die Regierung des Freistaats Finnland: Herrn E. Holsti, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister von Finnland in Bern, die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgende Bestimmungen vereinbart haben:

Art. 1.

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile sollen auf dem Gebiet des andern Teils in jeder Hinsicht auf dem gleichen FUSS behandelt werden wie die Staatsangehörigen der meistbegünstigten Nation; sie

927 haben unter den gleichen Bedingungen wie diese und unter Vorbehalt der daselbst jetzt oder künftig geltenden Gesetze und Verordnungen das Eecht, dort frei einzureisen, sich dort niederzulassen, Handel, Industrie und alle zulässigen Gewerbe und Berufe auszuüben, dort bewegliches und unbewegliches Vermögen durch Erbschaft, Schenkung, Vermächtnis, Kauf, Tausch oder auf jedem andern gesetzlichen Wege zu erwerben und dieses Vermögen zu besitzen, innezuhaben und zu veräussern.

Jeder vertragschliessende Teil verpflichtet sich, von den Staatsangehörigen des andern Teils keine höhern oder andern Steuern, Gebuhren oder Abgaben irgendwelcher Art zu erheben, als die, die jetzt oder künftig von seinen eigenen Bürgern oder den Staatsangehörigen der meistbegünstigten Nation erhoben werden.

Art. 2.

Die Handels-, Industrie-. Finanz-, Versicherungs-, Landwirtschafts-, Transport- und andern Gesellschaften, die Genossenschaften und die wirtschaftlich tätigen Vereine, die ihren Sitz auf dem Gebiet des einen der beiden Länder haben und dort gesetzmässig errichtet worden sind, werden im andern Land als gesetzmässig errichtet und rechtlich bestehend anerkannt. Wenn die Gesetze des andern Landes nicht entgegenstehen und vorausgesetzt, dass alle in diesen Gesetzen vorgesehenen Formalitäten erfüllt werden, können sie ihre Geschäfte auf dieses letztere Land ausdehnen und dort Bechte erwerben und ausüben sowie daselbst ihre Industrie betreiben. Sie gemessen in jeder Beziehung eine ebenso günstige Behandlung wie sie den entsprechenden Gesellschaften irgendeiner dritten Macht gewährt wird, und sie haben das gleiche Eecht wie die Gesellschaften der meistbegünstigten Nation, dort bewegliches und unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu besitzen, innezuhaben und zu veräussern.

Die Steuern, Gebühren und Abgaben, welches immer ihre Bezeichnung oder Natur sein mag, dürfen sie nicht härter belasten als die Gesellschaften, Genossenschaften oder Vereine der meistbegünstigten Nation.

Art. 3.

Die Staatsangehörigen jedes der vertragschliessenden Teile und die in Art. 2 genannten Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine sollen auf dem Gebiete des andern Teils, sofern sie die den Einheimischen auferlegten Bedingungen erfüllen, den beständigsten Schutz gemessen, und sie sollen in dieser Hinsicht in dem vom Völkerrecht vorgeschriebenen Grade des Schutzes teilhaftig sein. Sie haben unter den gleichen Bedingungen wie die Einheimischen freien Zugang zu den Gerichten und den verschiedenen Behörden des andern Teils. Bei der Ausübung dieses Eechts dürfen sie keinen andern oder höhern Lasten unterworfen werden als denjenigen, die den Einheimischen oder den Gesellschaften, Genossenschaften oder Vereinen des Landes auferlegt sind.

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Art. 4.

Die Staatsangehörigen des einen vertragschliessenden Teils sind auf dem Gebiet des andern Teils befreit von jedem Militärdienst sowie von der Ersatzleistung durch irgendwelche Geld- oder Naturalsteuern oder -Abgaben. Die beiden vertragschliessenden Teile garantieren sich gegenseitig die Meistbegünstigung hinsichtlich der Zwangsanleihen und der Bequisitionen und militärischen Leistungen, die in Kriegszeiten oder unter aussergewöhnlichen Umständen festgesetzt werden. Indessen sind die beiderseitigen Staatsangehörigen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Mieter oder Benutzer von Liegenschaften oder Handels- oder Industrieunternehmungen der gleichen Behandlung wie die Einheimischen unterworfen, besonders mit Bezug auf Enteignungen, und sie haben Anspruch auf die gleichen Entschädigungen wie die Einheimischen oder die Staatsangehörigen des meistbegünstigten Landes.

Art. 5.

Dieser Vertrag soll ratifiziert werden, und der Austausch der Batifikationsurkunden soll sobald als möglich in Bern stattfinden.

Der Vertrag tritt am Tage des Austausches der Batifikationsurkunden in Kraft und gilt für die Dauer eines Jahres. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, so bleibt er weiter in Geltung bis er gekündigt wird, wobei diese Kündigung erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten wirksam wird.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den vorliegenden Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

So geschehen in doppelter Ausfertigung in Bern am 7. Mai 1935.

(gez.) Motta.

L. S.

.

(gez.) Rudolf Holsti.

L. S.

929

Zusatzprotokoll.

Bei der Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Schweiz und Finnland betreffend die Behandlung der Staatsangehörigen und der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine des andern Landes haben die hiezu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten folgendes vereinbart: a. Keiner der Vertragsstaaten kann die Bestimmungen dieses Vertrages betreffend die Meistbegünstigung anrufen, um Vergünstigungen zu beanspruchen, die der eine oder andere der vertragschliessenden Teile den Staatsangehörigen der angrenzenden Staaten zur Erleichterung des Grenzverkehrs gewährt hat oder gewähren könnte.

fe. Der Artikel l ist nicht anwendbar auf den Hausierhandel, die Wandergewerbe und das Aufsuchen von Warenbestellungen bei Personen, die weder Gewerbe noch Handel treiben; die vertragschliessenden Teile behalten sich diesbezüglich ihre volle Freiheit vor.

c. Die in Artikel l, Absatz 2, enthaltene Bestimmung über die Gleichbehandlung mit den Einheimischen hinsichtlich der Bezahlung von Steuern, Gebühren oder Abgaben ist nicht anwendbar auf die Abgaben und Lasten für den Aufenthalt und die Niederlassung.

d. Die vertragschliessenden Teile erklären, dass sie grundsätzlich mit einer Abmachung zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung durchaus einverstanden und geneigt sind, gegebenenfalls in Verhandlungen über den Abschluss eines besondern Abkommens über diesen Gegenstand zu treten.

So geschehen in doppelter Ausfertigung in Bern am 7. Mai 1935.

(gez.) Motta.

(gez.) Rudolf Holsti.

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05.06.1935

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