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3230 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Zusatzabkommen vom 19. Dezember 1934 zum Ausliefeningsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien.

(Vom 15. März 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Nachdem im Jahr 1932 in Grossbritannien infolge verschiedener Kesolutionen der Opiumkommission des Völkerbundes ein Gesetz erlassen worden war, durch welches die Vergehen gegen die Vorschriften über die Bauschgifte als Auslieferungsdelikte bezeichnet wurden, liess die britische Eegierung im Sommer 1933 durch ihre Gesandtschaft in Bern anfragen, ob die Schweiz zum Abschluss eines Abkommens über die Auslieferung wegen Bauschgiftvergehen bereit sei. Da wir das ßundesgesetz über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 bereits im Jahr 1928 entsprechend ergänzt hatten (A. S44, 714) und mit verschiedenen Staaten die Auslieferung wegen der Bauschgiftvergehen vereinbart war, stand nichts entgegen, mit Grossbritannien in Unterhandlungen einzutreten. Es zeigte sich aber während derselben, dass beide Teile geneigt waren, das Zusatzabkommen nicht auf die Betäubungsmittelvergehen zu beschränken, sondern auf weitere Straftatbestände auszudehnen, da der schweizerisch-britische Auslieferungsvertrag vom 26. November 1880, im Verhältnis zu andern Auslieferungsverträgen, nur eine beschränkte Zahl von Auslieferungsdelikten aufführt und deshalb, und weil Grossbritannien sich nie auf den Austausch von Gegenrechtserklärungen in Einzelfällen einliesSj ein oft unwirksames Mittel zur Verbrechensbekämpfung darstellte.

Die Verhandlungen kamen gegen Ende vorigen Jahres zum Abschluss und führten am 19. Dezember 1934 zur Unterzeichnung des Zusatzabkommens.

Ausser der üblichen Präambel enthält das Abkommen 5 Artikel. Art. l enthält die wichtigste Bestimmung über die Vermehrung der Auslieferungsdelikte. Während der Verhandlungen fassten wir zunächst ins Auge, im Zusatzabkommen die neuen Delikte, unter denen sich auch der «Frauen- und Kinderhandel» und die «Sprengstoffvergehen» befinden sollten, einzeln aufzuführen.

Allein, die Verschiedenartigkeit der Gesetzgebungen bewirkte, dass man sich auf eine Generalklausel einigte, wonach die Auslieferung, sofern der ersuchte

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Staat ihr zustimmt, für jedes andere, im Vertrag von 1880 nicht vorgesehene Verbrechen oder Vergehen soll erwirkt werden können, für welches nach der Gesetzgebung der beiden Lander die Möglichkeit zur Auslieferung geschaffen ist. Wir können also nach dieser Bestimmung bei Grossbritannien die Auslieferung nachsuchen und britische Auslieferungsbegehren berücksichtigen, wenn immer es sich um ein Verbrechen oder Vergehen handelt, das im oben .zitierten Bundesgesetz über die Auslieferung gegenüber dem Ausland vorgesehen ist und sowohl die Voraussetzungen des Vertrages als auch dieses Gesetzes erfüllt sind. Die neue Vereinbarung hält sich im Eahmen der Vorschrift von Art. l, Abs. 3, des Auslieferungsgesetzes, wonach Auslieferungsverträge mit fremden Staaten innerhalb der Grenzen dieses Gesetzes abgeschlossen werden können.

In Art. 2 ist der Geltungsbereich des Zusatzabkommens umschrieben, und zwar in der Weise, dass das Abkommen, was Grossbritannien betrifft, sich erstrecken soll auf das Vereinigte Königreich und Nordirland, die Kanalinseln, die Insel Man, Neufundland, die britischen Kolonien und Protektorate, auf die der Auslieferungsvertrag vom 26. November 1880 anwendbar ist, sowie auf die britischen Mandatgebiete, auf die der Vertrag bereits ausgedehnt ist oder noch ausgedehnt werden kann, sofern von Grossbritannien ein Mandat ausgeübt wird. Diese Bestimmung gibt zu keinen Bedenken Anlass, da der Auslieferungsvertrag gemäss Art. XVIII ohnehin auf die britischen Kolonien und auswärtigen Besitzungen Anwendung findet und im Laufe der letzten Jahre durch Notenwechsel auch auf eine Reihe von britischen Mandatgebieten und auf verschiedene Protektorate ausgedehnt worden ist (A. S. 45, 619 ff., 48, 278 ff., und 51 [1935], 26). Da in allen diesen Gebieten die Strafjustiz von britischen Richtern ausgeübt wird und britisches Strafrecht zur Anwendung gelangt, ist auch eine Garantie dafür geschaffen, dass ein allenfalls von der Schweiz Ausgelieferter nach unserem Straf- und Straf prozessrecht analogen Bestimmungen beurteilt würde. Sollte im Einzelfall diese Gewähr nicht vorliegen, so bestünde für uns keine Auslieferungspflicht.

In Art. 8 des Zusatzabkommens ist sodann vorgesehen, dass es der britischen Regierung freistehen soll, durch eine einfache Mitteilung ihres diplomatischen Vertreters in der Schweiz den
Beitritt irgendeines andern Gliedes des britischen «Commonwealth of Nations» (gemeint sind die Dominions), zum vorliegenden Zusatzabkommen zu erklären und dass diese Beitrittserklärung auch irgendein Gebiet umfassen könne, für das die britische Regierung ein Mandat übernommen habe, das von einem Dominion verwaltet werde.

Da auf die Dominions, die früher britische Kolonien waren, nach Auffassung der britischen Regierung der schweizerisch-grossbritannische Auslieferungsvertrag von 1880 Anwendung findet, ist es natürlich, dass sie auch dem gegenwärtigen Zusatzabkommen sollen beitreten können und ihr Beitritt auch für die allenfalls von ihnen verwalteten Mandatgebiete wirksam werden kann.

Deshalb können auch die Bestimmungen von Art. 3 des Zusatzabkommens Als unbedenklich bezeichnet werden.

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Nach den Art. 4 und 5 soll das Zusatzabkommen ratifiziert und die Eatifikationsurkunden in London ausgetauscht werden. Das Abkommen wird drei Monate nach Austausch jener Urkunden- in Kraft treten und solange gültig sein wie der Auslieferungsvertrag.

Wir empfehlen Ihnen, dem vorliegenden Zusatzabkommen durch Annahme des nütfolgenden Beschlussesentwurfes die Genehmigung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung; unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 15. März 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates : Der B u n d e s p r ä s i d e n t : R. Minger.

Der Bundeskanzler: (J. Bovet.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

das Zusatzabkommen zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 15. März 1935, beschliesst : Art. 1.

Das am 19. Dezember 1934 abgeschlossene Zusatzabkommen zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien, vom 26. November 1880, wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollzielïung dieses Beschlusses beauftragt.

431 Übersetzung.

Zusatzabkommen zum

Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien, Der Schweizerische Bundesrat und

Seine Majestät, der König von Grossbritannien, von Irland und der britischen, überseeischen Gebiete, Kaiser von Indien,

vom Wunsche geleitet, erweiterte Bestimmungen für die gegenseitige Auslieferung flüchtiger Eechtsbrecher zu treffen, haben, um dieses Ziel zu erreichen, den Abschluss eines Zusatzabkommens vereinbart und zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Schweizerische Bundesrat:

Herrn Bundesrat Giuseppe Motta. Vorsteher des Eidgenössischen Politischen.

Departementes ; Seine Majestät, der König von Grossbritannien, von Irland und der britischen überseeischen Gebiete, Kaiser von Indien : für Grossbritannien und Nordirland :

Sir Howard Kennard, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Seiner britischen Majestät in der Schweiz; welche, nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenem Vollmachten, folgendes vereinbart haben: Artikel 1.

Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des gegenwärtigen Abkommens hinweg wird Art. 2 des am 26. November 1880 in Bern unterzeichneten Auslieferungsvertrages durch Beifügung der nachfolgenden Bestimmung ergänzt: «Die Auslieferung kann, wenn der ersuchte Teil ihr zustimmt, auch erwirkt werden für jedes andere Verbrechen oder Vergehen, für welches die auf den Gebieten des einen und des andern der Hohen vertragschliessenden Teile in Kraft befindlichen Gesetze die Möglichkeit einer Auslieferung vorsehen.»

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Artikel 2.

Die vorerwähnte Zusatzbestimmung findet Anwendung auf die Auslieferungsverfahren zwischen der Schweiz einerseits und folgenden Gebieten Seiner britischen Majestät andererseits, nämlich das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Nordirland, die normannischen Inseln, die Insel Man, Neufundland, die britischen Kolonien, die britischen Protektorate, auf die der Vertrag vom 26. November 1880 anwendbar ist, sowie die Mandatgebiete, auf die der genannte Vertrag ausgedehnt ist oder werden kann, sofern dort das Mandat durch die Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreich von tìrossbritannien und Nordirland ausgeübt wird.

Artikel 3.

Die Hohen vertragschliessenden Teile kommen überein, dass Seine Majestät der König, durch eine Mitteilung des zuständigen diplomatischen Vertreters Seiner Majestät in Bern, für jedes andere Mitglied des britischen Commonwealth of Nations, wenn dessen Eegierung einen dahingehenden Wunsch äussert, dem gegenwärtigen Abkommen beitreten kann. Vom Zeitpunkt hinweg, an dem eine solche Mitteilung wirksam wird, findet die in Art. l enthaltene Abänderung auf die Auslieferungsverfahren zwischen der Schweiz einerseits und dem Gebiet des beitretenden Mitgliedes des britischen Commonwealth of Nations andererseits1 Anwendung.

Jede gemäss dem Absatz l dieses Artikels für ein Mitglied des britischen dommonwealth of Nations gemachte Mitteilung kann jedes beliebige Gebiet umfassen, für das Seine Majestät im Namen des Völkerbundes ein Mandat übernommen hat und das von der Eegierung des betreffenden Mitgliedes ausgeübt wird.

Artikel 4.

Das gegenwärtige Abkommen soll ratifiziert werden. Die Eatifikations^arkunden werden baldmöglichst in London ausgetauscht werden.

Artikel 5.

Das gegenwärtige Abkommen tritt drei Monate nach Austausch der Eatifikationsurkunden in Kraft und gilt für die nämliche Dauer wie der AusJieferungsvertrag vom 26. November 1880.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten das gegenwärtige Abkommen unterzeichnet und es mit ihren Siegern versehen.

Also geschehen in doppelter Ausfertigung, in französischer und englischer Sprache, in Bern, den neunzehnten Dezember tausendneunhundertvierund..dreissig.

(LS) (gez.) Motta.

(LS) (gez.) Kennard.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Zusatzabkommen vom 19. Dezember 1934 zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien. (Vom 15. März 1935.)

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20.03.1935

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