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Bundesblatt

87. Jahrgang.

Bern, den 20. November 1935.

Band II

Erscheint wöchentlich Preis 20 Franken im Jahr, in franken int Halbjahr, anzüglich Nachnahme- mia Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgeblir: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die wirtschaftlichen Notmassnahmen.

(Vom 12. November 1935.)

Hochgeachteter Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Hiemit unterbreiten wir Urnen eine Botschaft samt Entwurf eines Bundesbeschlusses über die wirtschaftlichen Notmassnahmen.

Einleitung.

Der Umstand, dass einzelne, mit der Dringlichkeitsklausel versehene Bmidesbeschlüsse, die die rechtliche Grundlage ausserordentlicher Massnahmen wirtschaftlicher Natur bilden, auf den 31. Dezember 1935 oder im Verlauf des Jahres 1986 auslaufen, veranlasst uns, Ihnen den beigelegten Entwurf vorzulegen.

Der Gedanke, die bisher getroffenen Maßnahmen in einem Bundesbeschluss zusammenzufassen, der gleichzeitig im Rahmen des Notwendigen dem Bundesrat noch weitergehende Kompetenzen geben wurde, ist bereits anlässlich der Frühjahrssession der Bundesversammlung im Zusammenhang mit einer Motion des Herrn Nationalrat Walter-Olten vom 3. April 1935 erörtert worden. Diese Motion lautete folgendermassen : «Der Bundesrat wird beauftragt, die bisher getroffenen Krisenmassnahmen in ihrer Auswirkimg zu überprüfen und sie in Verbindung mit weiter zu ergreifenden Massnahmen in einen einheitlichen Gesamtplan zur Krisenabwehr einzuordnen.

Leitgedanke dieses Gesamtplanes soll sein die tatkräftige Hilfeleistung für die wirklich Bedürftigen im Rahmen der verfügbaren Mittel und die wirksame Zusammenfassung der in den beruflichen und berufsständischen Selbsthilfeorganisationen ruhenden Kräfte.» Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

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534 Bei der Behandlung dieser Motion erklärte der Vertreter des Bundesrates am 19. Juni 1935 im Nationalrat, der Bundesrat beabsichtige, der Bundesversammlung eine Vorlage zu unterbreiten, in der eine Art von Wirtschaftsprogramm niedergelegt werden soll, das Auskunft darüber gibt, was geschieht und was weiter geschehen soll.

Wie wir noch ausführlicher darlegen werden, erlaubt jedenfalls die gegenwärtige Wirtschaftslage der Schweiz noch nicht, auf die getroffenen ausserordentlichen Massnahmen zu verzichten ; deren rechtliche Grundlage muss weiterhin aufrecht erhalten bleiben. Das ist der Grund, warum wir Ihnen in erster Linie beantragen, die bezüglichen Bundesbeschlüsse samt und sonders bis zum 31. Dezember 1937 zu verlängern (Art. l.des Entwurfes).

Sodann enthält unser Entwurf eine Bestimmung, die dem Bundesrat die Möglichkeit geben soll, von sich aus zu handeln in Fällen, wo ein rasches Vorgehen sich im Interesse der Allgemeinheit aufdrängt, wofür aber die in Kraft stehenden Bundesbeschlüsse die nötige Kompetenz nicht bieten. Wir möchten hier schon ausdrücklich bemerken, dass diese Bestimmung mit den Generalvollmachten, wie sie dem Bundesrat am 3. August 1914 durch die Bundesversammlung eingeräumt worden sind, nicht verglichen werden kann.

Die Bestimmung in Art. 2 der Vorlage würde den Bundesrat lediglich ermächtigen, da einzuschreiten, wo eine rasche Intervention unumgänglich notwendig erscheint und sich nicht auf bereits bestehende Bundesbeschlüsse stützen kann. Die Ermächtigung ist zeitlich begrenzt. Sie würde gelten' bis Ende 1937.

Der Bundesrat wird verpflichtet, halbjährlich der Bundesversammlung über die getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten, und es steht den eidgenössischen Bäten frei, diese Massnahmen zu genehmigen oder aufzuheben, zu ergänzen oder abzuändern. Ausserdem ist die Bewilligung allfälliger Kredite der Bundesversammlung vorbehalten, und der Bundesrat wird sich selbstverständlich auch hier an den Grundsatz halten, dass Kredite wenn immer möglich rechtzeitig im voraus nachgesucht werden müssen. Infolgedessen lässt sich im Ernste nicht behaupten, dass die in Art. 2 des Beschlussentwurfes vorgesehene Ermächtigung eine unbeschränkte Generalvollmacht sei.

Unser Volkswirtschaftsdepartement hatte eine Vorlage schon für die Septembersession ausgearbeitet. Es erwies sich aber nicht als möglich, den abtretenden Nationalrat in der letzten Session der Amtsperiode noch für eine solche Vorlage in Anspruch zu nehmen. Auch war inzwischen die Sorge um die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Bundeshaushalt in den Vordergrund getreten; es ging nicht an, von neuen Massnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet zu sprechen, bevor die finanziellen Probleme eine bessere Abklärung und einen tröstlichen Ausblick gefunden hatten.

Auf Antrag des Volkswirtschaftsdepartements benützten wir dann die Zeit, um die Departementalvorlage vorerst noch einer Expertenkommission

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unterbreiten zu lassen. Diese Expertenkommission tagte in Bern ain 2. und 8. Oktober 1935.Ì Die Aussprache,führte zu einer gründlichen Erörterung der Lage unserer Wirtschaft, der Mittel zur Behebung der vielseitigen und ernsten wirtschaftlichen Störungen sowie des Ausmasses der staatlichen Mitwirkung.

Es kam auch hier zum Ausdruck, dass weitere wirtschaftliche Massnahmen des Staates die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtes im Bundeshaushalt zur. Voraussetzung haben.

In ihrer überwiegenden Mehrheit pflichtete die Expertenkommission den Absichten des Volkswirtschaftsdepartements und des Bundesrates grundsätzlich bei.

Eine Minderheit nahm Stellung gegen die Erteilung von Vollmachten durch einen dringlichen Bundesbeschluss : das Parlament solle dem Volke und den Ständen einen Verfassungsartikel vorschlagen, der für eine Übergangszeit wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen zur Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen vorsehen würde: diese verfassungsmässige Lösung sei in kurzer Zeit erreichbar.

-· Über den Umfang der wirtschaftlichen Massnahmen, über die Form des hierzu erforderlichen Bundesbeschlusses und über das gesetzgeberische Vorgehen wurden wertvolle Anregungen gemacht, die das Volkswirtschaftsdepartement veranlassten, seine Vorlage zuhanden des Bundesrates in verschiedenen Punkten neu zu bearbeiten.

So enthielt die Vorlage des Volkswirtschaftsdepartements eine Aufzählung der Einzelgebiete, auf denen der Bundesrat bereits eingegriffen hat und auf denen er voraussichtlich weiterhin einzugreifen in die Lage kommen wird. Man wollte damit eine Art Wirtschaftsprogramm festlegen und zeigen, dass es sich nicht darum handelt, allgemeine und diktatorische Vollmachten zu verlangen. Die Expertenkommission sprach sich aber gegen die Nennung der einzelnen Gebiete aus, mit der Begründung, die Aufzählung sei doch nicht vollständig; es sei heute ausgeschlossen, ein Programm mit allen Einzelheiten aufzustellen ; anderseits würden die Eingaben und Anträge :für die Ergänzung der Aufzählung und für die Anwendung der einzelnen Kompetenzen sich ins Ungemessene auftürmen. Es sei: zweckmässiger, die Bechtswirksamkeit der dringlichen, zeitlich begrenzten Bundesbeschlüsse zu verlängern und den Bundesrat in die Lage zu versetzen, sofort und wirksam eingreifen zu können, wenn und wo die Umstände es
gebieterisch erfordern.

, Nach allseitiger Auffassung soll die Vorlage nur den Übergang zur Herbeiführung einer neuen verfassungsrechtlichen Grundlage bilden. Dieses von der Expertenkommission empfohlene i Vorgehen scheint uns richtig zu sein; unser Entwurf zu einem Bundesbeschluss ist entsprechend formuliert.

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Es scheint uns nicht ratsam, in den Bundesbeschluss über die wirtschaftlichen Notmassnahnien auch das Finanzprogramm einzubeziehen, wiewohl nicht bestritteii werden kann, dass die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Haushalt des Bundes und der Bundesbahnen auch wirtschaftlich ihre grosse Bedeutung hat. Wie bisher muss eine Trennung zwischen den wirtschaftlichen und den finanziellen Massnahmen beibehalten werden. Die fiskalischen Massnahmen eignen sich nicht in jedem Falle als Bestandteil einer programmatischen Vorlage. Es wäre z. B. undenkbar gewesen, die Zucker- und Benzinzollerhöhimg in einem umfassenden Programm im voraus anzukündigen, \reil solche Massnahmen, wenn sie ihren Zweck nicht auf lange Zeit verlieren sollen, überraschend zur Einführung gelangen müssen.

Eine Vorankündigung hätte zur Folge, dass sich die Importeure. Händler und Konsumenten reichlich mit Vorrat eindecken, mit der Wirkung, dass für den Fiskus Unsummen verloren gingen.

Auch die Sparmassnahmen müssen ein Kapitel für sich bleiben. Sie werden Bestandteil jener Vorlage sein, die wir Ihnen -- ebenfalls für die bevorstehende Dezembersession -- als Ergänzung des Finanzprogramms von 1988 unterbreiten werden zu dem Zwecke, die laufenden Ausgaben und Einnahmen der Eidgenossenschaft wieder so zu gestalten, dass eine weitere Vermehrung der Staats- und Bmidesbahnschulden nicht mehr eintritt. Auch dieses Ergänzungsprogramm soll, wie das grundlegende Finanzprogramm 1933, auf die Zeit bis Ende 1937 befristet sein. Im Verlaufe dieser Periode wird der Bundesrat daran gehen, ein umfassendes, neues Finanzprogramm auszuarbeiten und es so zeitig bereitzustellen, dass es a u f . den I.Januar 1938 in Kraft treten kann.

Bedeutung und Wirkungen der zeitlich begrenzten Bundesbeschlüsse.

Warum muss ihre Bechtswirksamkeit verlängert werden ?

Nachdem die Ihnen unterbreitete Vorlage bis Ende 1937 gelten soll, erwähnt Art. l des Entwurfes nur diejenigen Bundesbeschlüsse, deren Kechtswirksamkeit vor dem 1. Januar 1938 zu Ende geht.

1. Buadesbesehluss über wirtschaftliche Maßnahmen gegenüber dem Ausland, vom 14. Oktober 1938.

Als sich im Verlaufe des Jahres 1931 die Wirtschaftslage unseres Landes zusehends verschlimmerte, weil der Import gewaltige Dimensionen annahm und der Export infolge der Abwehrmassnahmen des Auslandes, der Währungsschwierigkeiten und der Verarmung vieler Völker zusammenschrumpfte, sah sich der Bundesrat genötigt, im Dezember 1931 außerordentliche Kompetenzen zu verlangen, die ihm von der Bundesversammlung durch den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1981 über die Beschränkung der Einfuhr auch erteilt wurden.

537 Dieser Bundesbéschluss wurde durch den Bundesbescliluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahinen gegenüber dem Ausland abgelöst, der die bestehenden Kompetenzen erneuerte und ergänzte. Art. l dieses Bundesbeschlusses ermächtigt den Bundesrat, die nötigen Massnahraen zu treffen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zum Schutze der nationalen Produktion, soweit diese in ihren Lebensbedingungen bedroht ist, zur Förderung des Exports und zur Verbesserung der schweizerischen Zahlungsbilanz. Insbesondere ist er befugt, ausnahmsweise und vorübergehend die Einfuhr von Waren, die er selbst bezeichnet, zu beschränken oder von Bewilligungen abhängig zu machen (Art. 2). Er kann gegenüber Staaten mit beschränktem Zahlungsverkehr die schweizerischen Interessen durch den Abschluss kurzfristiger Abkommen wahrnehmen: wenn solche Abkommen nicht erreichbar sind, ist der Bundesrat ermächtigt, durch einseitige Massnahmen, insbesondere durch Beschränkung des Zahlungsverkehrs, die schweizerischen Interessen zu wahren (Art. 3). Unsere Botschaften an die Bundesversammlung vom 14. Dezember 1931 über die Beschränkung der Wareneinfuhr und vom 25. September 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland begründen in ausführlicher Weise die damals bei der Bundesversammlung nachgesuchten Ermächtigungen.

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Über die auf Grund der beiden Bundesbeschlüsse getroffenen ' Massnahmen haben wir Ihnen in 11 Berichten erschöpfende Auskunft gegeben.

Die drei letzten Berichte wurden von den Kommissionen, beider Bäte einstimmig genehmigt. Dabei möchten wir jetzt schon feststellen, dass die getroffenen Schutzmassnahmen die Funktion einer Preiskontrolle notwendig machten; das hiefür erforderliche Organ ist bereits geschaffen, bedarf aber noch des Ausbaues. Auf diese Erage werden wir noch zurückkommen.

Aus den 11 Berichten ergibt sich, dass die getroffenen Massnahmen sich im allgemeinen wohltätig ausgewirkt haben. Ohne sie wäre die Arbeitslosigkeit in den für das Inland produzierenden Wirtschaftszweigen bedeutend grösser.

Der Passivsaldo unserer Handelsbilanz betrug (ohne Veredlungsverkehr) im Jahre 1932 962 Millionen Pranken, im Jahre 1933 751 Millionen Franken und im Jahre 1934 591 Millionen Franken. Er wird sich für das Jahr 1935 voraussichtlich auf 450 Millionen Franken reduzieren. In den ersten 9 Monaten
des laufenden Jahres belief sich der Passivsaldo (inklusive Veredlungsverkehr) auf 342 Millionen Franken gegenüber 447 Millionen Franken in der gleichen Zeit des Vorjahres. · · '.'

. ' Diese Verminderung des Handelsbilanzdefizits ist die Folge eines starken Eückgangs unserer Einfuhr bei gesunkenem, in letzter Zeit allerdings fast stabil gebliebenem Export.

Die Einfuhrbeschränkungen dienten nicht nur der Abwehr an der Grenze ; sie haben sich auch insofern ausgewirkt, als sie als Verhandlungsobjekt in den Dienst der Exportförderung gestellt wurden. Die Kompensationspolitik ist eine der letzten Möglichkeiten für · die Aufrechterhaltung dés schweizerischen Exports.

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538 Diese Politik geht von der Tatsache aus, dass unser Land eine starke Kaufund Importkraft aufweist und dass wir gute Zahler sind, die ohne Devisenbeschränkung in einer begehrten Valuta zahlen. Das Wesen dieser Kompensationspolitik besteht darin, dass wir unsern Import nach Möglichkeit in den Dienst des Exports, des Fremdenverkehrs und der Eapatriierung unserer Kapitalanlagen im Ausland stellen. Die Schweiz treibt heute mit sämtlichen Ländern Kompensationsverkehr. Der Abschluss von Clearingverträgen stellt nur eine und zwar die schärfste Form dieser Ordnung dar.

Die Kompensationspolitik ist aber auch mit Nachteilen behaftet. Der Hauptnachteil besteht darin, dass der Importeur nicht mehr frei einkaufen kann, sondern gezwungen ist, seine Einkäufe dorthin zu verlegen, wo sie sich in bezug auf die schweizerische Handels- und Zahlungsbilanz am günstigsten auswirken. Eine gewisse Hemmung des Verkehrs und die Verteuerung der Ware sind die unvermeidlichen Folgen.

Seit einem halben Jahre hat der Bundesrat nur noch vereinzelt Einfuhrbeschränkungen erlassen und bereits erlassene auch schon wieder gelockert.

Jede Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr einer normalen Gestaltung des internationalen Waren- und Kapitalverkehrs erscheint vorderhand unbegründet. Alle internationalen Bestrebungen auf diesem Gebiete (Weltwirtschaftskonferenz in London, Konferenzen von Ouchy und Oslo) sind gescheitert. Wir werden deswegen unsere bilaterale Handelspolitik beibehalten müssen.

Die Lage des Aussenhandels bleibt nach wie vor besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass unsere Einfuhr in der Vorkriegszeit nahezu 2 Milliarden Franken betrug gegenüber nur noch 1,4 Milliarden Franken im vergangenen Jahre, während die entsprechende Zahl für die Ausfuhr von rund 1,4 Milliarden im Jahre 1913 auf zirka 750 Millionen Franken im Jahre 1934, also fast auf die Hälfte, gesunken ist. Die ernste Lage der einzelnen Zweige der schweizerischen Exportwirtschaft geht aus folgenden Zahlen hervor: Die Maschinenindusfcrie zählt 9000 Arbeitslose: ihre Ausfuhr ist von 200 Millionen auf 100 Millionen gesunken. Der Uhrenexport ist wertmässig auf einen Drittel zurückgegangen, die Stickereiausfuhr sogar auf einen Siebentel.

Die Seidenindustrie stellt von dem. was sie einst war. noch einen Viertel dar;, ihr Export ist von 200 Millionen auf 16.5
Millionen Franken gesunken : sogar in der Schweiz selbst wird sie von der ausländischen Seidenindustrie hart bedrängt. Milch und Schokolade sind für den Export unbedeutend geworden.

Das Geschäftsvolumen der Fremdenindustrie ist auf die Hälfte zurückgegangen, und ihre finanziellen Grundlagen sind vielerorts ins Wanken gekommen.

Schliesslich erwähnen wir in diesem Zusammenhange die Tatsache, dass unserm Export in letzter Zeit in noch vermehrtem. Masse Schwierigkeiten bereitet worden sind durch neue Zollmassnahmen und durch Einfuhrkontingentierungen verschiedener Staaten, aber auch durch Massnahmen auf dem Gebiete der Devisenbewirtschaftung. Besonders unangenehm ist dabei die Feststellung,

539 dass sogar Staaten des sogenannten Goldblocks sich zu Erschwerungen auf dem Gebiete des Zahlungsverkehrs veranlasst gesehen haben, l Auf die bisherigen ausserordentlichen Massnahmen kann daher vorläufig nicht verzichtet werden. Im Gegenteil erscheint es als eine absolute Notwendigkeit, den Kompensationsverkehr noch weiter auszudehnen, damit unsere verhältnismässig grosse Kaufkraft in noch kräftigerem Masse in den Dienst unseres Exports gestellt werden kann. Anderseits ist es notwendig, bei der gegenwärtigen Gestaltung der Zahlungsbilanz die Clearing? und Kompensationsverträge neben dem Warenverkehr nach Möglichkeit auch der Bapatriierung von Forderungen der Finanz und solcher für Transitwaren (d. h. solche nicht' schweizerischer Provenienz) sowie auch den Bedürfnissen des Eeiseyerkehrs noch mehr dienstbar zu machen. Wir sehen mit grosser Sorge der zunehmenden Verknappung und Verteuerung unseres Geldmarktes entgegen.

Eine vermehrte Heimschaffung von Auslandsanlagen wäre geeignet, hier entspannend zu wirken.

Der dringliche Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933, der nur noch bis Ende 1935 gilt, muss sowohl im Interesse der Inlandswirtschaft wie des Exports unter allen Umständen verlängert werden und zwar bis Ende Dezember 1937. Ohne diese Verlängerung würden alle ausserordentlichen handelspolitischen Sehutzmassnahmen dahinfallen, was heute unsere Wirtschaft einer Katastrophe entgegenführen müsste.

, 2. Bundesbeschluss über eine weitere Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage, vom 28. März 1934 (mit Ausnahme von Art. l, 2 und 9).

Neben den finanziellen Bestimmungen über die Milchpreisstützung enthalten die Bundesbeschlüsse über die Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage vom 13. April 1933, 28. März 1934 und 5. April 1935 wichtige und weitgehende organisatorische Vorschriften über die Verbesserung und Einschränkung der Milchproduktion und über die Beaufsichtigung des Milchhandels und der Milchverwertung.

Die zunehmenden Schwierigkeiten, die sich dem Absatz von Milch und Milchprodukten entgegenstellten, und die finanziellen Verpflichtungen, die dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten als rechtlichem Träger der Milchpreisstützung erwachsen sind, konnten von den Verbänden nicht mehr allein bemeistert werden und mächten schon vor Jahren die Mithilfe des Bundes notwendig. Diese konnte, sich mit der Zeit nicht mehr auf die handelspolitische und finanzielle Seite beschränken, sondern müsste sich : in zunehmendem Umfange auch auf das organisatorische Gebiet, mit Eiiischluss der Förderung der Qualitätsproduktion, ausdehnen.

Die Bundesbeschlüsse vom 13. April 1933 und 28. März 1934 ermächtigen den Bundesrat, den Milchhandel auch nach ·wirtschaftlichen Gesichtspunkten

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zu beaufsichtigen und die Errichtung neuer Milchverkaufsstellen, das Detaillieren der Produzenten inbegriffen, nötigenfalls zu unterbinden. Ferner ist der Bundesrat ermächtigt, Milchproduzenten, die Milch in den Verkehr bringen, die Pflicht aufzuerlegen, sich bestehenden Milchverwertungsgenossenschaften anzuschliessen oder ihre Milchproduktion in gleichen Eechten und Pflichten wie deren Mitglieder an die Sammelstellen abzuliefern. Auf Grund der gleichen Bestimmungen können einzelstehende Milchgenossenschaften verhalten -werden, sich einer Sektion des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten anzuschliessen.

Auch diese verschiedenen Vorschriften hatten ihre guten Wirkungen. Sie erlaubten, eine Anzahl nichtorganisierter Milchproduzenten, die die Vorteile der Milchpreisstützungsaktion genossen, ohne die Pflichten der organisierten Produzenten übernehmen zu wollen, diesen gleichzustellen.

Ohne die tatkräftige Mitarbeit leistungsfähiger Berufsorganisationen, der Produzenten, der Milchkäufer und des Handels könnte die Milchpreisstützung nicht mit Erfolg durchgeführt werden. Den Eechten dieser Organisationen stehen mannigfache Pflichten gegenüber, denen sie bei ihren Mitgliedern Geltung zu verschaffen haben. Für die Milchproduzenten kommt dies besonders bei der Einhaltung der Milchlieferungsregulative, der Entrichtung des Kriserirappens, der Kontingentierung der Milcheinlieferungen, der obligatorischen Übernahme von Molkereiprodukten und der öftern Umstellung in der Milchverwertung zum Ausdruck. "Wenn die abseits stehenden Berufsgenossen sich solchen oder ähnlichen Verpflichtungen nicht zu unterziehen hätten oder wenn die Mitglieder sich durch Verzicht auf die Mitgliedschaft ihnen entziehen könnten, würde dies zu einer folgenschweren Lockerung der Organisationen führen, was diesen die Lösung ihrer Aufgaben erschweren oder gar verunmöglichen würde und damit die ganze Milchpreisstützung illusorisch machen könnte.

Der Bundesbeschluss vom 13. April 1933 über die Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten, und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage ist zeitlich nicht begrenzt.. Hingegen gilt der Beschluss vom 28. März 1934 bis 1. Mai 1986. Die in Art. 3. bis 9 und in Art. 10, 2. Absatz, erteilten Kompetenzen sind zweckmässig und müssen ebenfalls verlängert werden.
Der Bundesbeschluss vom 5. April 1935 über eine neue Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage enthält in der Hauptsache Bestimmungen finanzieller Natur, die bis zum 30. April.1936 gelten. Hierüber wird der Bundesversammlung eine besondere Vorlage eingereicht werden, da die Bewilligung der notwendigen Kredite dem Parlament vorbehalten bleiben soll. Die Bestimmungen dieses Beschlusses, die organisatorischer Natur sind, unterliegen keiner zeitlichen Begrenzung.

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3. Bundesbeschluss über die Förderung des Exportes durch staatliche Risikogarantie, vom 28. März 1934.

Dieser Beschluss ermächtigt den Bundesrat, den Export der Maschinen-: und Metallindustrie dadurch zu unterstützen, dass der Bund für die Deckung allfälliger Verluste aus gewissen, mit besonderen Risiken verbundenen Aufträgen eine Garantie übernimmt. ! Die Ermächtigung des Bundesrates, Bisikogarantien im Sinne des zitierten Bundesbeschlusses einzugehen, war in Art. 4 dieses Beschlusses zeitlich für die Dauer der ausserordentlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, längstens bis 31. Dezember 1936, und, was das Ausmass betrifft, auf den Höchstbetrag von zehn Millionen Franken begrenzt. Die vom Bunde bis 15. Oktober 1935 zugesicherten oder in Aussicht gestellten Garantien beliefen sich auf Fr. 9,719,655. Hievon wurden durch das Dabinfallen einzelner Gesuche und den Eingang von Zahlungen durch die Besteller der Ware Fr. 3,096,151 wieder verfügbar, so dass im genannten Zeitpunkt noch eine Summe : von Fr. 6,623,504 gebunden war.

: · Die Bisikogarantie des Bundes hat sich als Mittel der Arbeitsbeschaffung gut bewährt. Das zeigt sich unter anderem auch darin, dass eine Anzahl von Kantonen und Gemeinden zusätzliche Garantien bewilligen, obwohl die Leistung des Bundes hievon nicht abhängig gemacht wird. Wenn die Garantieleistung im Bundesbeschluss vom 28. März 1934 auf die Zeit bis Ende 1936: befristet wurde, so war damals zweifellos die Auffassung massgebend, es.sollten die Wirkung und der Nutzen dieser Massnahmen zunächst einmal erprobt werden.

Daneben bestand auch eine gewisse Hoffnung, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse bis dahin sich derart bessern könnten, um die Wiedereinstellung der Aktion zu rechtfertigen. Nachdem sich diese Hoffnung nach allen Anzeichen nicht erfüllen wird und die staatliche Bisikogarantie anderseits ihre Probe gut bestanden hat, : sollte die Möglichkeit ihrer Anwendung für eine weitere Dauer durch eine Verlängerung der Frist bis 31. Dezember 1937 sichergestellt !

werden.

' 4. Bundesbeschluss über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes, vom 28. September 1934.

. Dieser Beschluss, der bis 81. Dezember 1936. gilt, macht die Eröffnung neuer und die Erweiterung bestehender Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen für Schuhreparaturen von einer Bewilligung der
zuständigen Behörden abhängig. Die Erfahrungen während des ersten Jahres der praktischen Durchführung dieses Beschlusses haben gezeigt, dass seine Vorschriften ermöglichen, in wirksamer Weise eine weitere Ausdehnung der mechanischen Schnellsohlereien auf Kosten des kleinen handwerksmässigen Gewerbebetriebes hintanzuhalten. .Es wäre bedauerlich, wenn diese Bestimmungen, die sich für das durch die neuere Entwicklung der Bedürfnisse der Bevölkerung und durch die Krisis so stark heimgesuchte Gewerbe wirklich wohltätig erweisen, nicht noch eine gewisse Zeit aufrechterhalten würden.

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Die auf Grund von Art. 8 des Bundesbeschlusses eingesetzte Fachkommission hat umfangreiche Arbeiten unternommen, um die Lage im Schuhmachergewerbe und die Vorschläge zu seiner Gesundung gründlich abzuklären. Sie hat sich allerdings darauf eingestellt, ihren Bericht dem Bundesrate so rechtzeitig einzureichen, dass die allfällige Ausarbeitung.einer neuen Vorlage auch dann möglich wäre, wenn jetzt eine Verlängerung nicht stattfinden und der Endtermin vom 31. Dezember 1936 beibehalten würde. Angesichts der Vielseitigkeit des Problems und der Notwendigkeit, Einblick in die Verhältnisse verschiedener Landesgegenden zu gewinnen, kann es die Kommission aber nur begrüssen, wenn die Zeit zur Erledigung ihrer Aufgabe es ihr gestattet, den Bericht und die neuen Vorschläge besser ausreifen zu lassen und einlässlicher zu begründen. Inzwischen wird auch die Frage einer Neuordnung der Verfassungsgrundlage ihre. Abklärung finden.

5. Bundesbeschluss über Krisenhilfe für Arbeitslose, vom 13. April 1933.

Dieser Beschluss ermächtigt den Bundesrat, den Kantonen, die eine Krisenunterstützung für Arbeitslose einführen, unter den im Bundesbeschluss genannten Voraussetzungen Beiträge zu gewähren und ihnen damit die Durchführung dieser Hilfe zu erleichtern. Der Bundesbeschluss ist seinerzeit für zwei Jahre, d. h. bis 15. April 1935. in Kraft erklärt worden. Durch die Annahme des Bundesbeschlusses über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung vom 21. Dezember 1934, speziell der Art. 18, 21 und 22, sind diejenigen Teile des Bundesbeschlusses vom 13. April 1933, die nicht auf die Krisenunterstützung Bezug haben, aufgehoben und anderseits ist indirekt die Geltungsdauer der die Krisenunterstützung regelnden Bestimmungen verlängert worden.

Seit Beginn der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist die Krisenunterstützung auf weitere Erwerbszweige ausgedehnt worden. Zurzeit ist sie allgemein eingeführt für die Angehörigen der Uhren-, Textil-, Metall- und Maschinenindustrie. Darüber hinaus wird sie da und dort, nach Massgabe der besonderen Verhältnisse, auch Unterstützungspflichtigen Arbeitslosen zuteil, die andern Berufen, wie namentlich dem Baugewerbe, angehören.

Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt lassen eine Besserung in absehbarer Zeit leider nicht erwarten. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass sich die Ausrichtung von Krisenunterstützungen auch weiterhin als notwendig erweisen wird. Infolgedessen muss auch die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über Krisenhilfe für Arbeitslose vom 13. April 1933, soweit er nicht durch die Bestimmung in Art. 21 des Bundesbeschlusses über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung vom, 21. Dezember 1934.ausser Kraft gesetzt ist, bis 31. Dezember 1937 verlängert werden. Von dieser Verlängerung würden erfasst die Vorschriften in-Art. l bis 6, Art. 7, zweiter Satz, Art. 8 bis 13 und Art. 15, sowie 23 und 24 des Bundesbeschlusses vom 13. April 1933.

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6. Bundesbeschluss über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung vom 21. Dezember 1934.

Dieser Bundesbeschluss gilt gemäss Art. 22 bis zum 31. Dezember 1986.

Die stark zunehmende Arbeitslosigkeit zwingt leider dazu, eine Fortsetzung1 der getroffenen. Massnahnien auf längere Sicht ins Auge zu fassen, und es ist deshalb gänzlich ausgeschlossen, die Wirksamkeit des Bundesbeschlusses auf Ende des. nächsten Jahres dahinfallen zu lassen. Wir verweisen in bezug auf die Arbeitslosigkeit auf unsere Ausführungen im allgemeinen und ferner auf die Tatsache, dass das Baugewerbe, das bis vor kurzem ausser seiner regelmässigen Belegschaft noch eine grössere Zahl von Arbeitslosen anderer Berufsgruppen und von ausländischen Saisonarbeitern aufzunehmen vermochte, gegenwärtig das Hauptkontingent aller Arbeitslosen stellt; Ende September 1935, also zu einer Zeit, da die Bausaison noch nicht zu Ende war, gab es 23,659 arbeitslose Bauarbeiter.

Bei dieser .Entwicklung der' Verhältnisse empfiehlt es sich schon jetzt, die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1934 zu verlängern, dies auch, damit über die zur Verfügung stehenden Kredite in zweckmässiger Weise disponiert werden kann. Art. 19 des Bundesbeschlusses sieht insgesamt Kredite von 40 Millionen Franken vor, und zwar a. für ausserordentliche Arbeiten und Aufträge der SBB und anderer Eisenbahnunternehmungen, während der Jahre 1935--1937 . . . .

. je Fr. 4,000,000; b. für Projektierung und Ausführung von Grenzschutzanlagen während der Jahre 1935 und 1936. . . . je » 3,000,000 c. für Beiträge an Notstandsarbeiten, Förderung von Versuchsabteilungen der Industrie und von neuen Industrien, Umschulung, berufliche Förderung, Überleitung in andere Erwerbsgebiete, Beiträge an gewerbliche Bürgschaftsgenossenschaften je » ' 11,000,000 Total jährlich

Fr. 18,000,000

Am 1. Oktober 1935 standen für Arbeiten gemäss lit. a und & sowie für Notstandsarbeiten noch rund Fr. 11,400,000 zur Verfügung, ein Betrag, der bis Ende des Jahres nicht aufgebraucht wird und teilweise für das Jahr 1936 verfügbar bleibt. Die ursprünglich für das Jahr 1936 vorgesehenen Kredite werden teilweise erst im Jahre 1937 zur Auszahlung gelangen. Art. 19, lit. a, des Bundesbeschlusses sieht ausdrücklich vor, dass ein Teil der dort vorgesehenen Arbeiten erst im Jahre 1937 ausgeführt werden soll. Es empfiehlt sich somit, auch diesen Bundesbeschluss über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung bis Ende 1937 zu verlängern. Wir verweisen im übrigen auf die besondere Botschaft vom 16. September 1935, in welcher wir verschiedene Abänderungen für die Subventionsbedingungen vorgeschlagen haben.

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Begrenzung der in Art. 2 der Vorlage vorgesehenen Ermächtigung.

Der Bundesrat gedenkt .nicht, von der in Art.. 2 vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch zu machen und sich damit neue Verantwortlichkeiten aufzubürden, wenn nicht Verhältnisse vorliegen, die sein Eingreifen gebieterisch erfordern. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Bundesrat sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Abgrenzung festlegen kann. Er muss die Möglichkeit haben, die den Umständen und Bedürfnissen entsprechenden Massnahmen im Kahmen von Art. 2 ungesäumt treffen zu können. Der Euf nach einem Wirtschaftsprogramm des Bundesrates ist an sich verständlich.

Der krisenhafte Zustand unserer Wirtschaft geht bereits auf einige Jahre zurück, und trotz aller staatlichen Massnahmen ist eine Besserung nicht eingetreten.

Ohne sich zu fragen, in welcher kritischen Lage unser Land heute wäre, wenn .die öffentliche Gewalt nicht gehandelt hätte, um die Folgen der von aussen hergekommenen und nicht auf unserem Boden entstandenen Krise zu mildern, sind viele in guten Treuen der Meinung, es fehle'dem Bundesrat ein wirtschaftliches Programm; die von ihm getroffenen Massnahmen seien unzusammenhängend, und daraus erkläre sich, warum die Verhältnisse unerfreulich bleiben.

Demgegenüber ist festzustellen, dass der Bund, statt untätig den Dingen ihren Lauf zu lassen, eine ganze Eeihe von nicht etwa improvisierten, sondern in einem innern sachlichen Zusammenhang stehenden Massnahmen getroffen hat, deren Endzweck die Aufrechterhaltung unseres wirtschaftlichen Lebens ist.

Da sich die Wirtschaft in ständigem Wandel bewegt, lassen sich die unstabilen Verhältnisse nicht nach einem schematischen Eezept oder nach einer' starren Lehre zum voraus bestimmen. Der Staat muss nach den jeweiligen Bedürfnissen handeln.

Die dem Bundesrat zu diesem Zwecke nach Art. 2 zu erteilende Ermächtigung, ist nicht allgemein und nicht unbegrenzt. Der Bnndesrat wird nur dort Massnabmen treffen, wo ein Notstand eintritt, der durch Selbsthilfe nicht überwunden werden kann. Er wird nicht eingreifen, wenn eine solche Intervention sich nicht gebieterisch aufzwingt. Diese Notrnassnahmen müssen ganz bestimmten Zwecken dienen, nämlich dem Schutze der nationalen Wirtschaft, der Verbesserung der Zahlungsbilanz, der Förderung der Ausfuhr, der Entlastung des Arbeitsmarktes oder
dem. Schutze der Landeswährung und des nationalen Kreditwesens. Diese Zwecke sind von lebenswichtiger Bedeutung und mit der Erhaltung unseres Wirtschaftslebens überhaupt identisch. Die Bestimmung von Art. 2 soll dem Bundesrate die Möglichkeit geben, in jeder Lage dringliche Massnahmen wirtschaftlicher Natur sofort ins Werk setzen zu können. Es wird sich meist um Massnahmen handeln, die die Finanzen des Bundes nicht in Anspruch nehmen müssen. Wir geben diesen Massnahmen den Vorzug und haben es ganz besonders darauf abgesehen, dass der Staat organisatorisch und durch seinen Einfluss hilft, ohne dabei finanzielle Opfer bringen zu müssen. Es wäre unverständlich, wenn man die finanziellen Lei-

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stimgen des Bundes immer wieder vermehren und verstärken wollte, nachdem es schon einer fast unerhörten Kraftanstrengung bedarf, tini das bereits vorhandene Verwaltungsdefizit zum Ausgleich zu bringen, namentlich wenn der Verlustsaldo der Schweizerischen Bundesbahnen mit eingerechnet wird.

Die Haltung des Bundesrates gegenüber den Anforderungen unserer Wirtschaft wird also die sein, dass die Hilfe des Bundes in Aussicht gestellt wird und auch wirklich einsetzt, wo diese Hilfe notwendig und geeignet erscheint, um eine bedrohte Lage zu retten. Aber der Bundesrat wird nur in ausserordentlichen Fällen dafür zu haben sein, die Hilfe des Staates zu gewähren, wenn sie mit neuen finanziellen Lasten verbunden ist. Er wird immer die Lösung suchen, die unter Schonung der Bundesfinanzen zum Ziele führen kann.

.Es sei uns gestattet, der Überzeugung Ausdruck zu geben, dass ein rechtzeitiges Eingreifen vielfach geeignet ist, einer Verschlimmerung der Lage zuvorzukommen und damit zu vermeiden, dass schliesslich der Einsatz finanzieller Staatsmittel zur unabweisbaren Notwendigkeit wird.

Mit Bücksicht auf die wirtschaftliche Lage hat die Bundesversammlung die Pflicht, dem Bundesrat die Möglichkeit zu geben, je nach der Entwicklung Sofort und wirksam eingreifen zu können. Es ist nicht übertrieben, wenn wir die heutige wirtschaftliche Lage. sowohl in ihrer internen Verfassung wie in den Beziehungen zum Ausland als schwieriger bezeichnen, als es nach dem Kriegsausbruch 1914 jemals der Fall war. Damals hat die Bundesversammlung nicht gezögert, dem Bundesrat Generalvollmachten auf allen Gebieten zu erteilen. Jedermann war der Überzeugung, dass ohne solche Vollmachten eine Rettung aus den Schwierigkeiten der ausserordentlichen Zeit nicht möglich wäre. Heute liegen die Dinge ebenso ernst, wenn nicht ernster. In verschiedenen Gebieten: Warenverkehr, Eegelung der Zahlungen von Land zu Land, Kreditwesen, Landeswä.hrung, Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe treten, wie die letzten Monate es drastisch veranschaulicht haben, Gefahren zutage, wie sie in diesem Umfang und in dieser Vielgestaltigkeit während des. Weltkrieges nie bestanden haben. Gegenüber Massnahmen des ^ Auslandes müssen wir mit Gegenmassnahmen operieren und zwar oft mit äusserster Dringlichkeit.

.Die Angriffe auf unsere Währung wurden im Frühjahr abgewiesen. Sie
können wiederkehren, wie das Beispiel Hollands erst kürzlich wieder bewiesen hat. Im lebenswichtigen Kreditwesen, das für die Zinsgestaltung von ausschlaggebender Bedeutung ist, haben wir Einbrüche ernsthaftester Natur bereits .erlebt.

Drohende Wolken verdüstern den politischen Himmel Buropas. Wir müssen heute mit Überraschungen jedweder Art rechnen. In solcher Zeit muss die verantwortliche oberste. Leitung der Geschicke des Landes operationsfähig handeln können. Das kann der Bundesrat aber nur tun, wenn er dazu ermächtigt wird. Er bedarf eines Minimums an Rüstzeug, um schlagkräftig je nach Umständen eingreifen zu können. Wir leben in ganz ausserordentlichen Zeiten, und es war immer.so, dass ausserordeiitliche Zeiten ansserordentliche Mittel erforderten.

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Die zu erteilende Ermächtigung ist vorübergehender Natur. Sie ist auf Ende 1937 befristet, und der Bundesrat wird jedes halbe Jahr über dai?, was er vorgekehrt und angeordnet hat, der Bundesversammlung Bericht erstatten.

Bei der Behandlung dieser Berichte wird die Bundesversammlung die Möglichkeit haben, zu beschliessen, dass diese oder jene Massnahme aufgehoben, gemildert oder abgebaut werde. .

Der Gedanke, das Parlament sollte dem Volke und den Ständen einen Verfassungsartikel (Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung) vorschlagen, durch den der Bundesversammlung oder dem Bundesrate zu gewissen wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen für die Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen vorübergehend Vollmachten erteilt würden, verdient grundsätzlich alle Beachtung. Seine Verwirklichung würde aber in der jetzigen Lage zu viel Zeit beanspruchen. Wir würden uns der Gefahr aussetzen, durch die Ereignisse überrascht zu werden, ohne in der Lage zu sein, rechtzeitig und zweckmässig handeln zu können. Wir möchten den Bechten des Volkes in einer Weise Rechnung tragen, die auch seinen Lebensinteressen gerecht wird; wir werden darauf noch zurückkommen.

In finanzieller Hinsicht bleiben die Kompetenzen der eidgenössischen Bäte gewahrt. Soweit die auf Grund von Art. 2 zu erfassenden Massnahmen mit finanziellen Opfern verbunden sind, wird der Bundesrat nach dem ordentlichen Recht die erforderlichen Kredite bei der Bundesversammlung anbegehren und zwar, wo immer die Verhältnisse es zulassen, rechtzeitig im voraus. Wir benützen übrigens die Gelegenheit, uni ausdrücklich festzustellen, dass in allen finanziellen Leistungen des Staates für die Erhaltung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen eine schrittweise Rückbildung anzustreben ist. Die Bundesmittel werden über das erträgliche Mass hinaus in Anspruch genommen. Um einer vollständigen Erschöpfung unserer finanziellen Leistungsfähigkeit vorzubeugen, ist es dringend geboten, unsere Ausgaben mit der Elle des Tragbaren zu messen. Dies ist zur Erhaltung unserer Währung und des Landeskredites unerlässlich.

Die Frage, ob die verschiedenen Notrnassnahnien, die wir schon haben treffen müssen und die noch folgen werden, mit dem Grundsatze der in der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar seien, ist umstritten. Jedenfalls
ist aber festzustellen, dass die Bundesverfassung den Bundesrat nicht nur für die Ruhe und Ordnung im Lande, sondern auch für die allgemeine Wohlfahrt verantwortlich macht. Dieses Ziel ist in Zeiten ganz ausserordentlicher Natur nur mit Mitteln, die den Freiheiten des einzelnen Eintrag tun, zu erreichen. Es dürfte nicht allzu schwer halten, die von uns vorgeschlagenen Kompetenzen zufolge ihres ausserordentlichen Charakters verantworten zu können.

Es ist leicht, sich immer und immer wieder auf die Freiheit der Wirtschaft und auf die durch die Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit zu berufen. Wer aber unter den heutigen Arerhältnissen glauben sollte,

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dass man auch ohne die Machtbefugnisse des Staates auskommen könnte, verkennt die .Wirklichkeit. Es vergeht kein Tag. an dem nicht an diesen oder jenen Zweig der Bundesverwaltung dasi Ansuchen gestellt wird, es möchte der Staat mit seiner starken Hand eingreifen, Ordnung schaffen und Missstände ausmerzen.

Die gleichen Kreise, die am einen Tage in Zeitungen oder Versammlungen den Staat als. wirtschaftlichen Einmischung ablehnen, stehen am andern Tag vor den Türen des Bundeshauses, um von uns Hilfe und Bettung zu verlangen.

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· ; Nun möchten wir uns aber auf eines verpflichten. Es 1 steht für uns fest, dass in der Zukunft der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit weitergehenden Einschränkungen unterworfen bleiben wird, als dies in der Vorkriegszeit der Fall war. Es genügt, sich den ungemein scharfen Wirtschaftskampf von Land zu Land, von Erdteil zu Erdteil vor Augen zu halten, um sich die Überzeugung zu bilden, dass eine Ökonomie des Landes ohne gewisse Eingriffe der politischen Führung und ohne eine gewisse Ordnung der Wirtschaft selbst nicht mehr denkbar ist. Wir sind deshalb dafür eingenommen, eine Bevision der Art. 81 und 34 der Bundesverfassung endlich in die Wege zu. leiten, um den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit neu zu umschreiben und mit den Forderungen des öffentlichen Wohls und den Interessen der Wirtschaft selbst in Einklang zu bringen. Für wesentlich gestörte Wirtschaftsbereiche sollte die Bundesversammlung ausdrücklich befugt sein, den Bundesrat zu Massnahmen zu ermächtigen, die dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit Eintrag tun. Unser Ziel geht dahin, in der Zeit bis Ende 1937 eine neue verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen, die die Bechtsstellung der Bundesversammlung in der Erteilung. wirtschaftlicher Vollmachten den Erfahrungen anpasst, die wir in der Kriegszeit, und seither nun nachgerade ausreichend gesammelt haben.

Den Einwand, dass man nicht in ausserordentlichen Zeiten eine neue verfassungsrechtliche Grundlage schaffen sollte, halten wir nicht mehr für stichhaltig, denn kein Mensch ist sich darüber klar, wann die Zeiten anbrechen werden, die wir wieder als normal bezeichnen können.

Der Bundesrat kann nicht abschliessend voraussagen, welche Massnahmen er auf Grund von Art. 2 des Entwurfes zu treffen gezwungen sein wird. Wiederholt sei aber versichert : Von der ihm erteilten Ermächtigung wird der Bundesrat nur dann Gebrauch machen, wenn die Verhältnisse es dringend erfordern.

Auf einige wahrscheinliche Aktionen möchten wir schon heute hinweisen.

Seit geraumer Zeit ist die Preisfrage Gegenstand von Auseinandersetzungen. Die einen sind grundsätzliche Anhänger, die andern grundsätzliche Gegner eines Preisabbaues. Inwieweit soll der Staat sich in die Preisbildung einmischen?

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Zunächst ist festzustellen, dass die Forderung nach einem generellen Preisabbau den lebhaftesten Widerstand hervorgerufen hat. Nur eine mit diktatorischer Gewalt versehene Eegierung könnte : ihn durchführen. Eine solche Kompetenzerteilung kommt in unserer Demokratie aber nicht in Frage.

Eine gewalttätige rasche und allgemeine Preisrückbildung hätte auch wirtschaftlich ihre grossen Gefahren. Immerhin werden wir uns nach und nach an die Weltwirtschaft wieder angliedern müssen. Die wachsende Zahl von Staatsbürgern, die einen Gehalts- oder Lohnabbau über sich ergehen lassen mussten, verlangen.immer nachdrücklicher eine Entlastung ihres verknappten Haushalt budgets durch eine Verbilligung der Lebenskosten.

1. Der Bund gewährt der L a n d w i r t s c h a f t den notwendigen Preisschutz.

Auf Grund des Bundesgesetzes über die Getreideversorgung des Landes vom T.Juli 1932 garantiert er die.Abnahme des Brotgetreides, sichert die Preise und gewährt den Selbstversorgern eine Mahlprämie. Die Bundesversammlung kann bei ausserordentlichen Verhältnissen die im Gesetze vorgesehenen normalen Preisgrenzen ändern. Das hat sie getan infolge des ausserordentlichen Tiefstandes der Getreidepreise auf dem Weltmarkt. Der Übernahmepreis für Weizen hätte nicht mehr als 28 Franken betragen, wenn er im Eahmen der Bestimmung von Art. 6, Absatz l, des Bundesgesetzes geblieben wäre. Die Bundesversammlung hat ihn aber in der Dezembersession 1934 für die Ernte des gleichen Jahres auf 34 Franken festgesetzt und den Bundesrat gleichzeitig ermächtigt, diesen Preis auch für die Ernte 1935 zu bewilligen.

Durch die Alkoholgesetzgebung werden die. Kartoffel- und Obstpreise bis zu einem gewissen Grade garantiert.

Die eidgenössischen Bäte haben durch dringliche Bundesbeschlüsse dem Bundesrat Kredite erteilt, um die Milchpreise und damit die Käse- und Butterpreise zu stützen und den Viehabsatz zu fördern.

Seit Jahren ist die Lage unserer Milch- und Viehwirtschaft durch eine anhaltend grosse Produktion und durch zunehmende Absatzschwierigkeiten charakterisiert. Da die viehwirtschaftliche Produktion die wichtigste Einnahmequelle (ca. 77 % des Endrohertrages) der schweizerischen Landwirtschaft darstellt, mussten die Behörden dem Milch- und Viehproblem fortgesetzt ihre besondere Aufmerksamkeit schenken. Ohne die Stützungsaktion des Bundes
wäre der Milchpreis, der seit dem 1. Mai 1932 auf 18 Eappen pro kg gehalten wurde, seit Jahren gesunken und würde heilte wahrscheinlich nicht mehr als 10, höchstens 12 Eappen pro kg betragen.

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Die Stützungsaktion hat für das Milchjahr 1934/35 insgesamt rund 35 Millionen beansprucht, und 39,5 Millionen mussten für das laufende Jahr zur Verfügung gestellt werden. Wenn auch die Landwirtschaft durch die Zollund Preisbelastung eingeführter Futtermittel und durch die Erhebung des Krisenrappens auf Konsummilch etwa die Hälfte hievoii selbst aufbringt, so mussten im laufenden Betriebsjahr immerhin 15 Millionen aus allgemeinen Bundesmitteln für die Milchpreisstützung bereitgestellt werden. Diese Be-

549 träge werden nicht als Subventionen ausbezahlt, sondern dienen lediglich dazu, die Verluste zu decken, diel dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten, dem rechtlichen Träger der Milchpreisgarantie, auf der Fabrikationsmilch erwachsen.

Ein Drittel der Einnahmen aus Zoll- und Preiszuschlägen auf Futtermitteln steht dem Bundesrate zur .Linderung der landwirtschaftlichen Notlage, insbesondere für die Förderung des Viehabsatzes zugunsten der Gebirgsgegenden, zur Verfügung. Die Stützung der Viehpreise, verbunden mit der Förderung des Exportes, ist im Hinblick auf die Lage der Viehzucht treibenden Bergbauern vollauf begründet. Sie liegt auch im ureigensten Interesse der Milchproduzenten, da sie in hohem Masse geeignet ist, Milchproduktion und Milchablieferung zu vermindern und damit den Milchmarkt und die Aufwendungen für die Milchpreisstiitzung zu entlasten.

Unter gar keinen Umständen kann davon die Eede sein, zurzeit den der Landwirtschaft gewährten Preisschutz aufzuheben. Wie wir in einer amtlichen Mitteilung vom 23. April 1935 festgestellt haben, wird die. Landwirtschaft infolge des Preisrückganges für die meisten landwirtschaftlichen Erzeugnisse hei nur wenig gesunkenen Produktionskosten stark in Mitleidenschaft gezogen.

Eine Aufhebung der Preisstützungsmassnahmen, die der Landwirtschaft ein Existenzminimum gewähren, wäre für sie untragbar, müsste grosse Entwertungen nach sich ziehen und die Lösung des Entschuldungsproblems noch mehr erschweren.

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Über die Fortsetzung und das Ausmass der Milchpreisstützung werden ·wir-Ihnen"eine.Vorlage für, die Frühjahrssession 1936 unterbreiten.

2. Wir haben nicht die Absicht, generelle Preisvorschriften aufzustellen. Aber wir glauben, auf dem Wege von Verhandlungen die Herabsetzung einer Reihe von Preisansätzen, die noch übersetzt, sind, erwirken zu können; Diese Methode braucht ; mehr Zeit und Geduld ; sie entspricht aber unserer demokratischen Grundanschauung.

: Der Weg der Verhandlungen ist, wie das'Beispiel der Weinpreise zeigt, keineswegs aussichtslos. Wir dürfen jedenfalls die Dinge nie so weit gehen lassen, bis ein Staatseingriff mit finanziellen Aufwendungen unvermeidlich wird.

3. Der Stand gewisser Baupreise trägt mit dazu bei, dass so wenig gebaut wird und sozusagen keine Reparaturen mehr vorgenommen werden. Übersetzte Preise halten
die Belebung auf dem Baumarkt zurück. Unser Volkswirtschàftsdepartement steht mit den Berufsorganisationen in Verhandlungen und nimmt den Standpunkt ein, dass staatliche Bausubventionen so lange nicht zu rechtfertigen sind,, bis die Preise für Material und Arbeit dem darnieder: liegenden Markte Rechnung tragen.

i 4. Es gibt aber ein Gebiet, auf dem der Staat direkt eingreifen, n ö t i g e n f a l l s die Preise f e s t s e t z e n und sogar Sanktionen e r g r e i f e n muss.

· · Btmdesblatt.

87. Jahrg.

Bd. II.

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550 Die wirtschaftlichen Schutzmassnahmen des Staates, die an der Grenze zur Anwendung gelangen, haben eine gewisse preisversteifende Wirkung. Es wird da und dort versucht, den gewährten Schutz auszunützen, um die Preise hochzuhalten. Hier hat der Staat die Pflicht, Missbräuche zu verhindern.

Unmittelbar mit der Wiedereinführung des ausserordentlichen Einfuhrschutzes im Dezember 1931 wurde im Volkswirtschaftsdepartement eine Preiskontrolle für die kontingentierten .Waren eingerichtet.

Zur wissenschaftlichen Abklärung verschiedener Preisfragen haben wir schon 1926 die Preisbildungskommission eingesetzt, die in einer Eeihe bedeutender Arbeiten auf dem Gebiete der Preisbildung eine objektive Darlegung der Verhältnisse gegeben hat, aber damit -- und dazu war sie auch nicht berufen -- keinen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung auszuüben vermochte 1).

Die Preiskontrollstelle hat die Aufgabe, den Einfluss der Einfuhrmassnahmen auf die Preisentwicklung und die Preislage zu beobachten, Anfragen und Klagen von Produzenten, Händlern oder Konsumenten über ungerechtfertigte Preisgestaltung bei einfuhrgeschützten Waren zu beurteilen, sowie insbesondere zu verhindern, dass die einfuhrgeschützten Betriebe ihre privilegierte Stellung zu ungerechtfertigter Erhöhung oder Hochhaltung der Preise ausnützen. Ebenso hat die Preiskontrolle zahlreiche Gesuche um Erteilung von Sonderkontingenten zu begutachten, sofern sich die Petenten darauf berufen, dass zwischen den Preisen in der Schweiz und im Auslande eine zu hohe Spanne bestehe oder dass der schweizerische Produzent einen ungerechtfertigt hohen Gewinn erziele. In einigen Fällen hatte zudem die Preiskontrolle vor Erlass der Schutzniassnahmen genau zu prüfen, ob die Preislage des betreffenden Artikels in der Schweiz einen solchen Schutz rechtfertige oder nicht.

Bei einer Anzahl von Artikeln stellt die Preiskontrollstelle fest, welches der vom Importeur für die Abnahme von Inlandsware zu bezahlende Übernahmepreis ist. Endlich wurde ihr eine Anzahl anderer Fragen, die nichtkontingentierte Artikel betreffen, zur Begutachtung überwiesen. Die Preiskontrollstelle ist aber bei ihren Erhebungen auf den guten Willen der Beteiligten angewiesen, weil ihr die geltenden Vorschriften keine Kompetenzen einräumen und sie keineIndividualsanktionen ergreifen kann.

Uni diese
Lücke auszufüllen, haben wir Ihnen mit Botschaft vom 18. März 1935 den Entwurf zu einem. Bundesbeschluss über die Überwachung von Warenpreisen unterbreitet. Der jSTationalrat, der die Priorität für die Behandlung dieser Vorlage hatte, stimmte ihr mit einigen Abänderungen am 12. Juni 1935 zu, allerdings nicht ohne Widerstände. Man befürchtete, die Vorlage könnte der Ausgangspunkt zu einer allgemeinen Preiskontrolle mit behördlicher !) Die bisherigen 12 Arbeiten behandelten die Preisverhältnisse bei Milch,.

Brot, Fleisch, Zement, Hausbrandkohle, Kaffee, Wein, Zucker, Tapeten, ferner die Warenhausfrage und die Verhältnisse im Lebensmittelkleinhandel.

551 Preisbestimmung sein, zu deren Durchführung ein komplizierter bureaukratischer Apparat geschaffen werden müsste. Auch darüber wurden Bedenken laut, dass die Vorlage nach dem 'Ergebnis der nationalrätlichen Behandlung bezwecken sollte, nicht nur überhöhte Preise zu verhindern, sondern auch im Sinne der Preisstützung zu wirken.

Die ständerätliche Zolltarifkommission, die ani 4. und 5. Juli tagte, hat gegen die meisten Bestimmungen der Vorlage Bedenken geltend gemacht.

Insbesondere wurde, wie bereits im Nationalrat, der Wunsch :geäussert, es sollte geprüft werden, ob die Präge der Preiskontrolle nicht in einer zusammenfassenden Vorlage zur Krisenbekämpfung zu behandeln sei. Die Kommission beschloss, die Weiterberatung des Bundesbeschlussentwurfes vorläufig zu verschieben und den Bundesrat einzuladen, eine Ergänzungsbotschaft auszuarbeiten. , Nach reiflicher Überlegung und um den in den parlamentarischen Verhandlungen erhobenen Einwendungen und Anregungen Eechnung zu tragen, haben wir uns entschlossen, auf die besondere Vorlage betreffend die Überwachung von Warenpreisen zu verzichten. Statt dessen soll die notwendige Eegelung auf Grund von Art. 2 des beigedruckten Beschlussesentwurfes über die wirtschaftlichen Notmassnahmen ihre Erledigung finden.

Die Preiskontrolle ist die natürliche Folge der staatlichen Schutzmassnahmen. Es ist Selbstverständlich, dass der Bund die Kompetenz haben muss, gegen diejenigen vorzugehen, die den ihnen gewährten Schutz ausnützen, um die Preise in ungerechtfertigter Weise hochzuhalten oder gar noch zu erhöhen.

Über die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle scheint nur eine Meinung zu bestehen. Es handelt sich aber nicht darum, eine allgemeine Kontrolle der Warenpreise ein- und durchzuführen, sondern vor allem dafür zu sorgen, dass unter dem Schutz von staatlichen Massnahmen die Preise für Fabrikate und Handelswaren nicht ungebührlich hochgehalten werden.

Wir wiederholen, dass. die Preiskontrollstelle seit dem Inkrafttreten des Bundesbeschlusses vom 23. Dezember 1931 über die. Beschränkung der Einfuhr bereits besteht. Sie und die Preisbildungskommission sind da; durch die Annahme der jährlichen Voranschläge und Rechnungen des Bundes, durch Genehmigung der elf Berichte über die gemäss den Bundesbeschlüssen vom 23. Dezember 1931 und 14. Oktober 1933 erlassenen
Massnahmen hat die Bundesversammlung das. Bestehen und die Tätigkeit der Preiskontrolle mehrfach zur Kenntnis genommen und gutgeheissen. Ein neuer Organismus steht nicht in Frage, ebensowenig eine wesentliche Erweiterung des bestehenden.

Eine Überwachung der Preise ohne Auskunftspflicht kann nicht genügen.

Auch muss die Möglichkeit gegeben sein, Individualsanktionen zu treffen.

Die Aufhebung öder Lockerung der Schutzmassnahmen wird als Straf ma ssnahme nicht immer zum Ziele führen. Meistens schützt die nämliche Einfuhr-

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beschränkung eine grössere Zahl von Unternehmungen, so dass deren Widerruf nicht nur .die schuldige Firma, sondern alle Geschützten treffen würde.

Ob Massnahmen zur Stützung von Preisen und ob durch Zusammenschlüsse oder kartelhnässige Abreden geregelte Preise einer staatlichen Kontrolle unterzogen werden müssen, bleibe vorläufig dahingestellt. Der Bundesrat möchte in dieser.Beziehung freie Hand haben. Er muss jedenfalls in die Lage versetzt werden, Preisunterbietungen, die dem Vernichtungswillen dienen oder zum mindesten einen ganzen Wirtschaftszweig in der Existenzfähigkeit bedrohen, unter. Umständen Schranken zu setzen..

5. Der Bundesrat kann in die Lage versetzt werden, die A u s f u h r bestimmter Industrieerzeugnisse und Produktionsartikel zu u n t e r sagen und den Handel mit ihnen besondern Bedingungen zu unterstellen.

Auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande hat der Bundesrat den Verkauf zum Zwecke der Ausfuhr und die Ausfuhr selbst von Eohwerken, Schablonen und Taschenuhrenbestandteilen untersagt (Art. 5 des Bundesratsbeschlusses zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie, vom 12. März 1934).

Derartige Eingriffe würden sich in der Zukunft auf Art. 2 unseres Entwurfes stützen, der dem Bundesrat die Möglichkeit geben würde, auch die Ausfuhr bestimmter Spezialmaschinen zu untersagen, anstatt sie mit einem erhöhten Ausfuhrzoll zu belasten. Wir erwähnen die Bundesratsbeschlüsse vom 23. Dezember 1932, Ì7. Oktober 1933, 23. April 1935 und 9. Juli 1935, welche hohe Ausfuhrzölle auf Spezialmaschinen der Uhrenindustrie und der Textilindustrie vorsehen.

6. Es ist auch denkbar, dass der Bundesrat in dringenden Fällen gezwungen sein wird, die E r ö f f n u n g oder Erweiterung, die Verlegung oder Umgestaltung von Betrieben zeitweise zu untersagen oder ari b e s t i m m t e Bedingungen zu k n ü p f e n .

Die tiefgreifende Veränderung der Wirtschaftsposition des Landes, welche durch die Abschnürimg vom Weltmarkt und den Rückgang des Volkseinkommens bewirkt wurde, hat auf gewissen Tätigkeitsgebieten eine Übersättigung und Überorganisation des Wirtschaftsapparates zur Folge gehabt. Dies veranlasste verschiedene Berufsgruppen, vom Staat den Schutz gegen die Eröffnung neuer Betriebe zu verlangen, um den Zusammenbruch der bestehenden,
mühsam um ihre Existenz ringenden Unternehmungen zu verhindern. Der Bundesrat konnte sich der Einsicht nicht verschliessen, dass wirklich für einzelne Tätigkeitsgebiete derartige Massnahmen sich aufdrängen können. Wenn in einem bestimmten Berufe die Leistungsfähigkeit der bestehenden Betriebe schon bei weitem nicht mehr, ausgenutzt-werden kann, dann hat es wahrhaftig keinen Sinn, dass noch neue Betriebe hinzukommen und die Lage noch verschärfen. Es handelt sich ohnehin hier meistens um ausgesprochene Fehlgründungen.

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Soweit die fabrikmässige Industrie in Frage kommt, sind einschränkende Massnahmen bisher für die Uhrenindustrie und die Schuhindustrie ergriffen worden, und der Bundesrat konnte sich dafür auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland stützen, weil in beiden Fällen Wirtschaftszweige in Frage standen, die, der eine überwiegend, der andere in erheblichem Masse, exportorientiert sind.

Das für die beiden Industrien eingeführte Yerbot der Eröffnung neuer und der Erweiterung, Umgestaltung und Verlegung bestehender Betriebe hat zweifellos eine gewisse Beruhigung gebracht, bei der Uhrenindustrie die bereits durch andere Massnahmen eingeleitete Sanierungsaktion unterstützend und ergänzend.

bei der Schuhindustrie den rücksichtslosen Kampf aller gegen alle um den inländischen Markt, mit, der Perspektive des Zusammenbruches von Betrieben und von Arbeitsgelegenheiten, verhindernd oder mildernd.

Die Verbote sind nicht absolut; das Volkswirtschaftsdepartement kann Bewilligungen erteilen, sofern das Gesamtinteresse der betreffenden Produktionsgruppe durch sie nicht beeinträchtigt wird.

Beide Bundesratsbeschlüsse sind bis Ende 1935 befristet, und es stellt sich daher die Frage, was nach .diesem Zeitpunkt zu geschehen habe. Der Bundesrat: und mit ihm die interessierten. Industrieverbände sind der bestimmten Ansicht, dass die Beschränkungen auf den genannten Gebieten beizubehalten seien. Die 'Verhältnisse in diesen Industriezweigen sind immer noch schwierig und bei weitem nicht so konsolidiert, dass die Wiederherstellung des frühern Zustandes möglich wäre.

, Darüber hinaus zeigt sich aber die Notwendigkeit, eine Grundlage zu schaffen, um ausnahmsweise auch andern in Not geratenen Zweigen der Wirtschaft beizustehen und durch die Beschränkung der Eröffnung neuer und Erweiterung bestehender Betriebe eine Atempause zu verschaffen und die unvermeidliche Anpassung an die neuen Verhältnisse zu erleichtern. Der Bundesrat ist entschlossen, die Massnahme nur dort zur Anwendung zu bringen, wo zwingende Gründe des volkswirtschaftlichen Allgemeininteresses es rechtfertigen können; Entsprechende Begehren sind schon in einer Anzahl Fälle an das Volkswirtschaf tsdepartement gelangt, doch konnte ihnen mangels gesetzlicher Grund-; läge nicht Folge gegeben werden. Wenn solche
Massnahmen ausnahmsweise notwendig werden mögen, wird der Bundesrat mit Sorgfalt darüber wachen müssen, dass sie nicht zu einer Erstarrung und Versteifung der betreffenden Wirtschaftszweige führen oder zur künstlichen Erhaltung unhaltbarer Zustände in Anspruch genommen werden. Ferner wird im Auge behalten werden müssen, dass nicht initiativen, tatkräftigen jungen Wirtschaftskräften durch die Beschränkungen der WTeg zur selbständigen Betätigung und zum Aufstieg versperrt .werde. Die.-Beschränkungen dürfen deshalb nur da,, wo eine wirkliche Notlage vorliegt, ins Auge gefasst werden.

7. Der Bundesrat muss sich auch das Hecht vorbehalten, P r e i s t a r i f e u n d ' L i e f e r u n g s b e d i n g u n g e n von Berufsverbänden und ähnlichen

554 Organisationen zur allgemein verbindlichen Begelung zu erklären und die erforderlichen Massnahmen zur Sicherung ihrer Durchführung zu ergreifen, sofern. die zuständigen Spitzenverbände ihre Zustimmung erteilen und Garantien geschaffen werden können, dass daraus nicht eine ungerechtfertigte Hochhaltung der Preise entsteht oder eine bereits bestehende nicht erhalten bleibt.

In dieser Beziehung sind auf eidgenössischem Boden verschiedene Vorschriften, erlassen worden: a. Der Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie ermächtigt den Bundesrat, Verträge, die zwischen wirtschaftlichen Verbänden über Stichpreise oder Löhne abgeschlossen wurden, für die betreffenden Erwerbsgruppen allgemein verbindlich zu erklären, und nötigenfalls den .Abschluss solcher Verträge durch vermittelndes Eingreifen zu erleichtern. Diese Bestimmung über die Allgemeinverbindlicherklärung ist praktisch nicht zur Anwendung gelangt.

b. Die Allgemeinverbindlicherklärung hat auch in verschiedenen, die Uhrenindustrie betreffenden Erlassen in abgeschwächter Form Eingang gefunden. Der Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1932 über eine vorübergehende Hilfsaktion zugunsten der notleidenden Kleinindustriellen der Uhrenindustrie sieht in Art. 3, lit. d, vor, dass die Hilfeleistung in der Eegel nur dann gewährt werden soll, wenn sich der Betriebsinhaber verpflichtet, jede Art der Geschäftsführung, die den allgemeinen Interessen der schweizerischen Uhrenindustrie zuwiderläuft, zu unterlassen, d. h. wenn er sich verpflichtet, die abgeschlossenen Konventionen einzuhalten. Nach dem Bundesratsbeschluss vom. 9. Januar 1934 über die Kontrolle der Uhrgehäuse aus Gold und aus Platin dürfen die Kontrollämter für Edelmetallwaren Uhrgehäuse aus Gold und Platin schweizerischer Produktion nur dann mit, dem amtlichen Feingehaltsstempel versehen, wenn sie die Verantwortlichkeitsinarke der «Fédération des associations de fabricants des boîtes de montres en or» tragen. Der Verband stempelt nur solche Uhrgehäuse mit seiner Verantwortlichkeitsmarke ab, die von Fabrikanten stammen, die seine Verkaufs- und Lieferungsbedingungen einhalten und sich einer bezüglichen Kontrolle unterziehen. Dadurch sind alle Uhrenschalenfabrikanten gezwungen, auch wenn sie dem Verband nicht angehören, die
Verbandsvorschriften einzuhalten. Der Bundesratsbeschluss vom 12. März 1934 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie verbietet die Ausfuhr von Eohwerken und Uhrbestandteilen ohne ein Ausfuhrattest der Schweizerischen Uhrenkammer oder der Fiduciaire horlogère suisse (Art. 5).

c. Der Bundesbeschluss vom 5. April 1935 über die Fortsetzung der Hilfsmassnahmen für das schweizerische Hotelgewerbe ermächtigt den Bundesrat, einen zwischen Berufsverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Hotelgewerbes über Bedienungsgelder abgeschlossenen Vertrag zur allgemeinverbindlichen Eegelung zu erklären und die nötigen Massnahmen zu ihrer Durchführung zu treffen (Art. 3).

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d. Der Bundesbeschluss über eine weitere Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage vom 28. März 1934, Art. 6, ermächtigt den Bundesrat, Milchproduzenten, die Milch in den Verkehr bringen, die Pflicht aufzuerlegen, sich bestehenden Milchverwertungsgenossenschaften anzuschliessen oder ihre Milchproduktion in gleichen Rechten und Pflichten wie deren Mitglieder an die Sammelstellen abzuliefern. .Auf Grund der gleichen Bestimmung können einzelstehende Milchgenossenschaften verhalten werden, sich einer Sektion des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten anzuschliessen.

e. Das Bundesgesetz vom 26. Juni 1930 über die beruf liehe Ausbildung schreibt nicht nur die Anhörung der beteiligten Berufsverbände vor, sondern überträgt den Verbänden bestimmte Aufgaben wie die Durchführung von Lehrabschlussr und Meisterprüfungen und die Aufstellung von Eeglementen, denen allgemeinverbindliche Geltung zukommt (Art. 36 u. a.).

Wir betrachten die Einführung der allgemeinen Verbindlichkeit von Preistarifen und Lieferungsbedingungen von Berufsverbänden und ähnlichen Organisationen als einen Versuch, welcher geeignet sein kann, in der Zeit der allgemeinen wirtschaftlichen Eückbildung den in einer Notlage befindlichen, schwer ringenden Gewerben und Industrien einen Bückhalt zu bieten. Sicher vermag eine solche Eegelung der Preisverhältnisse für sich allein nicht eine durchgreifende Sanierung notleidender Erwerbszweige zu bewirken. Es kann aber doch verschiedenen, besonders krassen Missständen abgeholfen, werden und zwar in einer Art, in der die Berufsverbände die Hauptverantwortung selbst mittragen. Die Verbindlichkeitserklärung findet in Art. 34ter der Bundesverfassung teilweise ihre Grundlage.

8. Der Bundesrat sollte die Möglichkeit haben, nicht nur über die Eegelung, Verbesserung und Einschränkung, sondern auch über die Erweiterung der landwirtschaftlichen Produktion Vorschriften zu erlassen.

9. Soweit den arbeitswilligen Erwerbslosen nicht durch Arbeitsbeschaffung geholfen werden kann, muss ihnen mit der Barunterstützung das Existenzminimum gegeben werden. Diese Hilfeleistung erfolgt in erster Linie auf dem Wege der A r b e i t s l o s e n v e r s i c h e r u n g ; ergänzend tritt die Krisenunterstützung hinzu... Die
Arbeitslosenversicherung beruht auf dem Bundesgesetz vom 17. Oktober 1924.

; Einerseits das rasche Übergreifen der Arbeitslosigkeit auf die Kassenmitglieder fast aller Erwerbsgebiete, anderseits das Anschwellen des Versichertenbestandes, haben eine ausserordentliche Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung bewirkt. ;. Erschwerend ist die Tatsache hinzugetreten, dass die ordentliche Unterstützungsdauer sich der langen Erwerbslosigkeit wegen als unzulänglich erwies und für die Angehörigen der notleidenden Berufe verlängert werden musste. Die Verlängerung ist für die Uhrenindustrie erstmals im Jahre 1930 von 90 auf 180 Tage erfolgt ; im Jahre 1931 hat der Bundesrat für die Angehörigen dieses Erwerbszweiges eine Bezugsdauer bis auf 210

556 Tage bewilligen müssen. In den andern Krisengebieten ist der Jahresanspruch bis auf 120, 150 und 180 Taggelder heraufgesetzt worden. Erst mit der Einführung der Krisenunterstützung im Jahre 1982 haben die Arbeitslosenkassen sukzessive entlastet werden können. Die im Gesetz vorgesehene normale Bezugsdauer ist erstmals im Jahre 1934 nicht mehr überschritten worden.

Für die Arbeitslosenfürsorge besteht ein besonderes Konto, das aus den jährlichen, im Voranschlag des Bundes enthaltenen Krediten gespiesen wird und aus dem die Aufwendungen für die Beiträge an die Arbeitslosenversicherungskassen und an die Leistungen der Kantone für die Krisenhilfe bestritten werden. Wir glauben, dass wir ungefähr mit den bisherigen Leistungen des Bundes weiterhin werden auskommen, können, obschon die Zahl der Arbeitslosen leider eher im Zunehmen begriffen ist und bei einzelnen Kantonen und Gemeinden die Beitragsleistung in bisheriger Höhe in Frage gestellt erscheint.

Unter keinen Umständen könnten wir den Grundsatz aufgeben, dass die Kantone und Gemeinden mit beisteuern. Da sie der Verteilung der Mittel näher stehen als die Bundesverwaltung, müssen sie die Lasten mittragen, damit sie daran interessiert bleiben, dass überall Mass gehalten wird und öffentliche Mittel nur da eingesetzt werden, wo es unbedingt sein muss.

Wir müssen den Kantonen und Gemeinden grundsätzlich die Sorge überlassen, wie sie sich die erforderlichen Mittel für ihre Lasten aus der Arbeitslosenfürsorge beschaffen. Die in dieser Bichtung vorhandenen und immer stärker hervortretenden Schwierigkeiten werden aber unerbittlich zur Folge haben, dass sowohl die Beiträge an die Arbeitslosenversicherungskassen als auch die Leistungen an die Krisenhilfe da und dort einem gewissen Abbau unterworfen werden müssen. Es wird insbesondere nicht länger angehen, dass gerade solche Kantone, denen der Bund finanziell schon hat aushelfen müssen, durchschnittlich höhere Leistungen aufweisen als die andern Kantone, die sich auf ihre Mittel einrichten und infolgedessen in der Lage sind, den Anforderungen an ihre Finanzen gerecht zu werden.

Dem Bundegrat sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Eegelung der Beitragsleistung an die A r b e i t s l o s e n f ü r s o r g e vorgängig der allfälligen Eevision des B u n d e s g e s e t z e s über die Beitragsleistung an
die Arbeitslosenversicherung vom 17. O k t o b e r 1924 an die verminderte Leistungsfähigkeit einzelner Mitträger dieser ö f f e n t lichen Lasten anzupassen, ohne dass grundsätzlich und allgemein eine Mehrbelastung des Bundes daraus hervorgeht.

Dies sind einige Gebiete/ die für das bundesrätliche Eingreifen voraussichtlich in Frage kommen werden. Wir wiederholen, dass eine erschöpfende Aufzählung 'nicht möglich ist und dass wir nicht voraussagen können, wo,

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wann und in welcher Form eine Intervention sich als unumgänglich notwendig erweisen wird. Wir beschränken uns darauf, ergänzend noch auf die lebenswichtigen Gebiete der Landeswährung und des nationalen Kreditwesens hin: zuweisen.

Was die Frage der Unterstützung von K o l o n i s a t i o n s p r o j e k t e n und Organi sierungder Au s W a n d e r u n g anbelangt, erwähnen Wir unsern Bericht an die Bundesversammlung vom 18. September 1935.

Die Wirtschaftskommission.

.Der Bundesrat hat es sich von jeher angelegen sein lassen, die wichtigen wirtschafte- und sozialpolitischen Massnahmen in enger Fühlung mit den Vertretern der Wirtschaft vorzubereiten. Diesem Zwecke dienten vornehmlich die Einberufung grösserer und kleinerer Wirtschaftskonferenzen, die Einsetzung von Expertenkommissionen zur Beratung bestimmter Gesetzesvorlagen und die Einholung von Gutachten bei einzelnen Fachleuten. Konferenzen, zu welchen die Vertreter wirtschaftlicher Spitzen verbände eingeladen wurden, um allgemein die Wirtschaftslage zu besprechen und daneben gewisse wirtschaftspolitische Postulate zu behandeln, die innerhalb oder ausserhalh des Parlaments gestellt worden waren, haben gerade in den letzten Jahren wiederholt, stattgefunden, und der Bundesrat hat durch Beschluss vomii. Juni 1984 das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf dessen Antrag hin :ausdrücklich ermächtigt, zur Besprechung aktueller Fragen der Wirtschaftspolitik und zur regelmässigen Fühlungnahme mit den schweizerischen Wirtschaftskreisen Wirtschaftskonferenzen und Expertenkommissionen einzuberufen. Neben diesen Konsultationen, die je nach Bedürfnis von Fall zu Fall vorgenommen wurden, kam es noch zur Bestellung verschiedener Kommissionen mit ständigem.

Charakter, so der Zollexpertenkommission, der Preisbildungskommission, der Konjunkturkommission und der ' sozialstatistischen Kommission,, die aber entsprechend ihrer Aufgaben nur ganz bestimmte Spezialgebiete behandeln.

Dem bisher. angewandten Verfahren haften einige Mängel an : die einzelnen Fachkommissionen stehen unter sich in keiner näheren innern Verbindung, und die Wirtschaftskonferenzen, bei denen Zahl und Person der Teilnehmer stark wechselten, behandelten vielfach ebenfalls nur Einzelfragen, die nicht immer miteinander im Zusammenhang standen. Es fehlte also bis jetzt ein Kollegium, welches -mit einer gewissen Kontinuität das wirtschaftliche Geschehen als Ganzes verfolgt uiid sich über die wichtigsten Fragen ausspricht. So entstand verschiedentlich der Gedanke nach Schaffung eines Wirtschaftsrates oder: einer Wirtschaftskommission, namentlich in Kreisen der Angestellten und zum Teil auch in denjenigen, die sich für eine berufsständische Wirtschaftsordnung einsetzen. Sein parlamentarisches Echo fand dieser Gedanke in einer Motion folgenden Wortlauts, die im Nationalrat am 3. Oktober 1930 von Herrn Schmid, .Zürich, eingereicht wurde:

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Der Bundesrat wird eingeladen, die Schaffung eines kleinen Wirtschaftsrates vorzubereiten, der als Begutachter des Bundes dienen soll, in welcher Eigenschaft ihm alle wichtigen Wirtschaftsangelegenheiten zur Prüfung vorgängig ihrer Erledigung durch die zuständigen Behörden zu unterbreiten sind. Er. soll, als Führerorgan für die private Wirtschaftstätigkeit wirken mit dem Zweck, planmässigere Zusammenarbeit unter den Berufsständen herbeizuführen.

In seiner Begründung machte Herr Nationalrat Schmid u. a. geltend, -«er wolle nicht so weit gehen, wie man sich in früheren Jahren das Ziel gesteckt habe, und nicht verlangen, dass ein richtig ausgebauter Wirtschaftsrat geschaffen werden solle. Allein er glaube, es läge im Interesse unserer Volkswirtschaft und unseres'Landes, wenn gerade gegenwärtig, gerade in dieser -schweren Krisenzeit, eine Wirtschaftskommission, ein kleines Kollegium, dem Bundesrat beratend zur Seite stehen würde. Damit könnte der Bundesrat entlastet werden von vorberatenden Verhandlungen in Wirtschaftsfragen, und er könnte dann seine Mission als Landesregierung zweifelsohne wieder besser ausüben». Nachdem der Vertreter des Bundesrates sich bereit erklärt hatte, die Motion in Form eines Postulates entgegenzunehmen, wurde vom Nationalrat am 15. Juni 1932 in diesem Sinne beschlossen.

Dieses Postulat ist an einer der bereits erwähnten Wirtschaftskonferenzen -- derjenigen vom 21. bis 23. Februar 1934 -- eingehend behandelt worden.

Überwiegend war man der Auffassung, dass ein eigentlicher Wirtschaftsrat nicht in Frage kommen könne und dass es übrigens von vornherein ausgeschlossen wäre, ihm ohne Verfassungsänderung andere als konsultative Befugnisse zu übertragen. Anderseits wurde die Schaffung einer begutachtenden Wirtschaftskommission von verschiedenen Seiten lebhaft befürwortet, insbesondere auch, weil man sich davon eine Entlastung von Bundesrat und Parlament versprach. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement beauftragte dann die Herren Nationalrat Schirmer (Schweizerischer Gewerbeverband), alt Nationalrat Bauraann (Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände) und Dr. Weber (Schweizerischer Gewerkschaftsbund), die Hauptbefürworter dieser Idee, ein Exposé über die Organisation und die Aufgaben eines derartigen Kollegiums auszuarbeiten. In ihrem Bericht vom Juni 1934 kamen
sie zum Schlüsse, dass versuchsweise eine Wirtschaftskommission aus 19--23 Mitgliedern zu ernennen sei mit der Aufgabe, den Bundesrat in wirtschaftlichen Dingen zu beraten und auch aus eigener Initiative bestimmte Wirtschaftsfragen zur Diskussion zu stellen und Vorschläge für eine zweckmässige Eegelung zu machen ; die Übertragung entscheidender Kompetenzen wird selbst für den Fall abgelehnt, dass eine verfassungsmässige Grundlage bestünde, da eine solche Lösung bei der Wichtigkeit der Wirtschaftsfragen eine Nebenregierung ergäbe, welche für die Stellung des Bundesrates und unsere ganze demokratische Staatsauffassung untragbar wäre.

In Ausführung des vom Nationalrat angenommenen Postulats Schmid, Zürich, und der auch von anderer Seite vorgebrachten Wünsche sieht der

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Bùndesrat in beiliegendem Beschlussentwurf (Art. 3) die Ernennung einer eidgenössischen Wirtschaftskommission mit begutachtendem Charakter vor. Er betrachtet allerdings die Schaffung einer solchen, vorab für die Krisenzeit bestimmten Kommission zunächst bloss als einen Versuch und möchte sich damit für die Zukunft nicht, binden. Die Kommission, deren Mitglieder durch den Bundesrat ernannt würden, soll bestehen aus Vertretern der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft, des Handels, des Verkehrs, des Bankwesens, der Verbraucher und der Wissenschaft. Im Interesse einer erspriesslichen Arbeit beschränken wir die Zahl der Kommissionsmitglieder auf 17--21 ; die letztere Zahl sollte unter keinen Umständen überschritten werden. Die Organisation würde ,so einfach wie möglich sein und wäre durch besondere Ausführungsbestimmungen zu regeln. Auch die nähere Umschreibung des Aufgabenkreises hätte durch eine VollziehungsVerordnung zu erfolgen. Ganz allgemein soll die Aufgabe der Kommission darin bestehen, periodisch die Wirtschaftslage zu prüfen und die vom Bundesrat geplanten Massnahmen zu begutachten, welche für die gesamte Wirtschaft oder einen grössern Teil derselben von erheblicher Bedeutung sind.

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Der Vollzug des Bundesbeschlusses über die wirtschaftlichen Notinassnahnieu (Art. 4, 5 und 6).

Diese Bestimmungen bedürfen keiner besondern Erläuterung. Sie erklären sich von selbst und sind denjenigen anderer dringlicher Bundesb.eschlüsse nachgebildet.

Wir wiederholen, dass die Bundesversammlung bei der Behandlung der ihr jedes halbe Jahr zu erstattenden Berichte über die auf Grund des Bundesbeschlusses erlassenen bundesrätlichen Massnahmen Gelegenheit haben wird, sich zu den Ausführungsbeschlüssen des Bundesrates auszusprechen. Sie kann verlangen, dass der Bundesrät auf diese Beschlüsse zurückkommt, um sie zu ändern oder everituell wieder aufzuheben.

i · .

Schiassbemerkungen.

Die wirtschaftliche Lage der Schweiz ist ausserordentlich ernst. Wir sind uns dessen vollkommen, bewusst. Die Krise, die auf der ganzen Welt lastet, hat .die Wirtschaft unseres1 Landes schwer erschüttert. Unsere einst blühende Exportindustrie liegt darnieder. Die Arbeitslosigkeit, die eher im Anwachsen begriffen ist, droht zu einem Dauerzustand zu werden und birgt die grössten Gefahren in sich. Unsere Landwirtschaft und die Industrie, die für das Inland arbeitet, führen einen harten Kampf um ihre Existenz. Dem Gewerbestand geht es nicht besser. Sehr bedeutende schweizerische Guthaben sind im Ausland eingefroren und dadurch unserer Wirtschaft vorenthalten. Unsere Banken leiden darunter. Die Handels- und Zahlungsbilanz des Landes weist Rückschläge auf,. die durch die Erträgnisse des Fremden-

560 Verkehrs und des schweizerischen Kapitals im Auslande nicht mehr zuverlässig gedeckt werden können. Das Volkseinkommen ist seit einigen Jahren stark zurückgegangen, und unsere Währung ist namentlich deswegen Angriffen ausgesetzt, weil die Finanzen des Staates infolge Verminderung der Einnahmen und ausserordentlicher Belastung durch Ausgaben für Hilfeleistungen der verschiedensten Art nicht haben im Gleichgewicht gehalten werden können.

Das schweizerische Bankwesen im bes'ondern hat in der Nachkriegszeit einen sprünghaften Aufschwung genommen. Aber auch hier folgten die Enttäuschungen und die Eückschläge auf dem Fusse. Es handelt sich darum, die Entwicklung auf die Basis der normalen, gesunden Geschäftsmöglichkeiten zurückzuführen. Die bereits erfolgte Eeduktion des Eigenkapitals verschiedener Institutionen entspricht diesem Anpassungsversuch, der noch nicht zum vollen Abschluss gelangt sein dürfte. Es sind Zusammenbräche vorgekommen, deren Wirkungen tiefgreifend sind und auf das Gebiet des Hypothekarkredites überspielen. Die Kurse der Obligationen und Aktien sprechen eine leider allzu deutliche Sprache. Aber auch die Staatspapiere sind kursmässig zum Teil stark beeinflusst, was darauf zurückzuführen ist, dass Bund und Bundesbahnen, Kantone und Gemeinden in den Verwaltungs- und Vermögensrechnungen vielfach recht bedenkliche Ziffern aufweisen.

Es ist nicht übertrieben, wenn wir behaupten, dass die Schwierigkeiten der heutigen Lage grösser sind als während des Krieges, namentlich deshalb, weil damals der Export nicht lahmgelegt war und keine Arbeitslosigkeit herrschte.

Der Bund hat seine helfende Hand, Wo immer es möglich war, geboten, um die Folgen der Krise zu mildern. Wir glauben, darauf verzichten zu können, hier die vielen Krisenmassnahmen aufzuzählen und zu beschreiben, die seit 1981 im Gebiete der Sozialpolitik, der Handelspolitik, der Landwirtschaft, der Industrie und des Gewerbes getroffen worden sind. .Unser Bericht vom 6. März 1935 über das Volksbegehren zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise und Not hat übrigens eine solche rückblickende Übersicht bereits enthalten, und wir dürfen uns gestatten, hier darauf zu verweisen.

Unseres Erachtens ist heute nicht die Rückschau von Belang, sondern die praktische Arbeit, die wir weiterhin leisten sollen und möchten, um die wachsenden Sorgen
und Schwierigkeiten zu bemeistern. Diese Arbeit muss ganz allgemein darauf angelegt sein, unsere Wirtschaft mit der notwendigen Kreditbasis organisch zu erhalten und unserem Volke mehr und mehr zur täglichen Arbeit wieder zu v e r h e l f e n . . Mit einer baldigen Wiederkehr der Verhältnisse der Vorkriegs- oder Vorkrisenzeit können wir nicht rechnen. Im Gegenteil muss endlich die Erkenntnis durchdringen, dass wir auf einer ökonomisch geschwächten und verengerten Grundlage neu aufbauen müssen, dass jeder sich dem allgemeinen Eückschlag der Wirtschaft und der Rückbildung des Volkswohlstandes anpassen muss, dass dieser Prozess der geistigen und materiellen Umstellung sich aus der

561 Veränderung der Welt zwangsläufig auch für uns ergibt und 'dass jeder Widerstand in Theorie und Organisation nur dazu führen kann, das Unbehagen, das mit jeder Rückwärtsentwicklung verbunden ist, und die Schwierigkeiten der verschiedensten Art auch noch künstlich zu steigern.

Der Bundesrat erwartet von der Bundesversammlung,, dass sie ihm auf zwei Jahre die nötige Handlungsfreiheit gebe, damit er rechtzeitig eingreifen kann, wenn und wo die Verhältnisse es erheischen. Nichts liegt ihm ferner als der Gedanke, die Demokratie in Frage stellen zu wollen. Ohne Demokratie, verbunden mit einem gesunden Föderalismus, wäre die Schweiz erfahrungsgenaäss nicht lebensfähig. In einer Zeit der wirtschaftlichen Notstände, wie sie unser Land gegenwärtig erlebt, ist aber die Regierung dem Volke gegenüber verpflichtet, nichts zu unterlassen, um über die noch nie dagewesenen Schwierigkeiten hinwegzukommen. Es geht um Sein oder Nichtsein unserer Wirtschaft und damit auch um unsere Unabhängigkeit. Das zu erreichende Ziel ist so eminent wichtig, dass das Parlament und das Schweizer voïk vorübergehend von der Ausübung gewisser, auf normale Verhältnisse zugeschnittener Rechte notgedrungen absehen müssen. Dies liegt im Interesse aller. Eine vorübergehende, unter der Kontrolle der Bundesversammlung und der öffentlichen Meinung stehende Einschränkung einiger demokratischer ; Grundsätze und Rechtssphären dürfte geradezu berufen sein, unserer Demokratie die Bettung : zu gewährleisten.

In der Botschaft vom 2. September 1933 über die ausserordentlichen und vorübergehenden Massnahrnen zur Wiederherstellung des Budgetgleichgewichts betonten wir, dass es Situationen gibt, in denen die getreue Beobachtung der verfassungsmässigen und gesetzlichen Formen, der im Staatsleben die grösste Bedeutung zukommt, nicht möglich ist, da eine rasche Entscheidung und Anpassung an die unsteten Verhältnisse geboten erscheint und Notrecht Platz greifen muss. Es besteht, sagten wir. «ein ungeschriebenes Eecht, welches den Leitern des Gemeinwesens nicht nur die Befugnis verleiht, sondern es geradezu zur Pflicht macht, den Staat nicht über der Erfüllung von starren Formen zugrunde gehen zu lassen... Es darf nicht bloss auf die Sinnfälligkeit des Notstandes abgestellt werden, wie sie z. B. bei Ausbruch des Weltkrieges mit, seiner sofort sichtlich
einsetzenden Bedrohung unserer staatlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit vorhanden war. Eine solche schwere Bedrohung ist heute ebenfalls vorhanden, wenn auch in mehr unsichtbarer Form».

Was wir damals über die ausserordentlichen finanziellen Massnahrnen sagten, trifft heute für die wirtschaftlichen Belange noch in stärkerem, Masse zu.

Wir hoffen, dass das Parlament und mit ihm das Schweizervolk das nötige Verständnis für das Gebot des Handelns aufbringen und in die Bundesregierung ihr Vertrauen setzen werden.

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Gestützt auf die vorstehenden Darlegungen haben wir die Ehre, Ihnen den nachstehenden Entwurf eines dringlichen Bundesbeschlusses zur Annahme zu empfehlen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 12. November 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : R. Minger.

Der Bundeskanzler :

G. Bovet.

563 (Entwurf.)

Bundesfoeschluss über

die wirtschaftlichen Notmassnahmen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , auf Grund einer Botschaft des Bundesrates vom 12. November 1935..

beschliesst :

Art. 1.

Die Eechtswirksamkeit folgender Bundesbeschlüsse wird bis zum 31. Dezember 1937 verlängert: 1. Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, vom 14. Oktober 1933; 2. Bundesbeschluss über eine weitere Portsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und für die Linderung der landwirtschaftlichen Notlage, vom 28. März 1934 (mit Ausnahme der Art. l, 2 und 9); 3. Bundesbeschluss über die Förderung des Exportes durch staatliche Bisikogarantie, vom 28. März 1934; 4. Bundesbeschluss über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes, vom 28. September 1934; 5. Bundesbeschluss über Krisenhilfe für Arbeitslose, vom 13. April 1933; 6. Bundesbeschluss über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung, vom 21. Dezember 1934.

Art. 2.

Ausserdem ist der Bundesrat ermächtigt, zur Behebung von Notständen von sich aus weitere Massnahmen zu treffen, die er zum Schutze der Wirtschaft oder zur Erhaltung des Landeskredites als notwendig erachtet.

564

Art. 3.

Der Buridesrat bestellt eine eidgenössische Wirtschaftskommission, bestehend aus 17--21 von ihm bezeichneten Vertretern der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft, des Handels, des Verkehrs, des Bank- und Versicherungswesens, der Angestellten und Arbeiter sowie der "Wissenschaft.

Diese Kommission hat die Aufgabe, diejenigen wirtschaftlichen Fragen zu begutachten, die ihr vom Bundesrat oder von seinen Departementen unterbreitet werden.

Art. 4.

Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Vollzugs- und Strafbestinnnungen.

Er kann Bussen bis auf Fr. 20,000 oder Gefängnis bis auf 3 Monate androhen.

Die beiden Strafen können verbunden werden.

Der Bundesrat kann auch die für die Vorbereitung des Vollzuges sich allenfalls als notwendig erweisenden Erhebungen anordnen.

Art. 5.

Der Bundesversammlung ist über die in Ausführung dieses Beschlusses getroffenen Massnahmen je nach Mitte und Ende des Kalenderjahres Bericht zu erstatten.

Auf Grund dieser Berichterstattung entscheidet die Bundesversammlung darüber, ob die einzelnen Massnahmen in Kraft bleiben oder ergänzt oder abgeändert werden sollen.

Art. 6.

Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Er gilt bis Ende 1937.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

-«SS«

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die wirtschaftliche Notmassnahmen. (Vom 12. November 1935.)

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1935

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20.11.1935

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