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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs der Frau Franziska F u c h s , geb. Meyer, von Starrkirch (Solothurn), wohnhaft im Grendel zu Luzern, betreffend Wirthschaftspatentverweigerung.

(Vom 25. September 1885.)

Der schweizerische Bundesrath

hat in Rekurssaehe der Frau Franziska Fuchs, geb. Meyer, von Starrkirch (Solothurn), wohnhaft im Grendel zu Luzern, betreffend Wirthschaftspatentverweigerung; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßigen Sachverhältnisse: I. Mit Eingabe vom 6. Juli 1885 stellte die Rekurrentin an den Regierungsrath des Kantons Luzern das Gesuch um Ertheilung eines Patentes für Ausübung eines Wein- und Speisewirthschaftsrechtes im Hause Nr. 609 a des Adolf Lutz, Metzger im Untergrund in Luzern, nach § 11 b des luzernischen Wirthschaftsgesetzes vom 22. Wintermonat 1883. Durch Beschluß des Regierungsrathes vom 22. Juli 1885 wurde das Begehren der Frau Franziska Fuchs unter Berücksichtigung der Gutachten des Stadtrathes und Statthalteramtes Luzern abgewiesen, gestützt auf die Erwägung, ,,daß ihr Ehemann Konkursit sei, gerichtlich akkordirt habe, schon dreimal bestraft worden sei und keinen guten Leumund genießen solle," sowie, ,,daß die Lokalverhältnisse im betreffenden Hause den Vorschriften des § 19 des Wirthschaftsgesetzes nur theilweise entsprechen."

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II. Gegen dieses Erkenntniß legt nun Frau Franziska Fuchs mittelst Schreibens d. d. Willisau September 1885, eine Beschwerde bei dem Bundesrathe ein und stellt unter Berufung auf Art. 31 und 32 der Bundesverfassung das Gesuch, es sei die Regierung des Kantons Luzern anzuhalten, ihr im Sinne des § 11 litt, b des Gesetzes über Wirtschaften die Ausübung eines Wirthschaftsrechtes in dem in Frage stehenden Hause zu gestatten.

Die Rekurrentin stützt sich darauf, daß sie in ihren bürgerlichen Ehren und Rechten stehe und unbescholtenen Leumund genieße. (Es liegen diesfällige Zeugnisse des Stadtrathes von Luzern und des Gemeinderathes von Starrkirch vor.) Da keine Gründe vorhanden seien, ihr und ihrem Ehemanne die Niederlassung in Luzern zu entziehen, so müßten sie und ihr Mann auch ganz wie Kantonsangehörige behandelt werden, und es würde Art. 4 der Bundesverfassung verletzt werden, wenn man ihr ein Recht vorenthalten würde, das Luzerner Bürgern unter gleichen Verhältnissen nicht abgeschlagen worden wäre.

Die Lokalitäten, in welchen sie die Wirtschaft ausüben wolle, besitzen in allen Theilen die vom luzernischen Wirthschaftsgesetze geforderten Requisite.

Die Rekurrentin weist ferner durch eine Bescheinigung der Kanzlei des Bezirksgerichtes Luzern nach, daß ihr Ehemann unterm 29. Oktober 1881 in Luzern am Konkurse gestanden, jedoch mit seinen Gläubigern ein Akkommodement abgeschlossen habe und deßhalb nicht fallit erklärt worden sei. Das luzernische Wirthschaftsgesetz verbiete im Art. 16, Absatz 2, den Betrieb einer Wirthschaft nur den Ehefrauen von Palliten. Auch sei sie nicht die Ehefrau eines Kriminalisirten, von welchen der gleiche Absatz des angeführten Gesetzes spreche, sondern ihr Ehemann sei nur polizeilich bestraft worden und zwar nicht dreimal, sondern nur zweimal, einmal wegen Beleidigung eines obrigkeitlichen Dieners und sodann wegen Ueberwirthens (Wirthens über 11 Uhr).

III. Der Regierungsrath dee Kantons Luzern, zur Vernehmlassung eingeladen, antwortete dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartetnente am 11. September 1885. Derselbe beruft sieh vornehmlich auf das Gutachten des Stadtrathes von Luzern, welcher mit Bezug auf den Ehemann der Rekurrentin sagt: ,,Er ist Konkursit, hat gerichtlich akkordirt und wurde dreimal gerichtlich bestraft (1877: wegen Beleidigung einer Behörde; 1880: wegen
lebensgefährlicher Drohung; 1884: wegen Beleidigung eines Beamten).

Er war zur Zeit auch betheiligt in einer Kriminaluntersuchung und es darf angenommen werden, daß, wenn die Wirthsehaft auf den

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Namen seiner Frau konzedirt würde -- was gleichbedeutend wäre, wie wenn Fuchs der Konzessionär wäre -- daselbst nicht nur gewirthet würde, sondern auch Gelegenheit gegeben wäre zu betrüglichen Geschäften,11 Nach § 15, Absatz 2, des Wirthsgesetzes müsse aber nicht nur der Wirthspatentbewerber, sondern auch seine Familie in unbescholtenem Rufe stehen und dürfen keine Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß das Wirthsgewerbe zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit mißbraucht werde. Auch entspreche nach dem Gutachten des Luzerner Stadtrathes die Lokalität nicht den gesetzlichen Bedingungen mit Rücksicht auf die Lage und Einrichtung des Abortes. Das Luzerner Wirthsehaftsgesetz schreibe nämlich in § 19, Ziff. 4, für die Aborte ,,eine zweckmäßige, der Gesundheit entsprechende Einrichtung" vor, welche Bedingung im vorliegenden Falle nicht erfüllt sei; in Erwägung: Daß der Regierungsrath des Kantons Luzern nach Maßgabe der Akten mit Recht den Art. 15, Absatz 2, des kantonalen Wirthsehaftsgesetzes gegenüber dem Patentbegehren der Rekurrentin zur Anwendung gebracht hat, welche Gesetzesstelle das Requisit aufstellt, daß der Bewerber und seine Familie in unbescholtenem Rufe stehen müssen, eiu Requisit, welches in Ansehung des mit der Rekurrentin in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Ehemannes im vorliegenden Falle nicht als erfüllt betrachtet werden kann, beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Luzern und der Rekurrentin schriftlieh mitzutheilen.

B e r n , den 25. September 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs der Frau Franziska Fuchs, geb. Meyer, von Starrkirch (Solothurn), wohnhaft im Grendel zu Luzern, betreffend Wirthschaftspatentverweigerung. (Vom 25. September 1885.)

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19.12.1885

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