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Kreisschreiben des

Bundesrathes an die Regierungen sämmtlicher Kantone und die schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffverwaltungen, betreffend die Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

(Vom 27. Juni 1885.)

Tit.

Die Bestimmungen des ,, U e b e r e i n k o m m e n s z w i s c h e n der S c h w e i z u n d Oesterreich-Ungarn b e h u f s V e r h i n d e r u n g der A u s b r e i t u n g v o n T h i e r s e u c h e n d u r c h d e n V i e h ve r k e h r a, abgeschlossen den 31. März 1883*), macht eine Aenderung der Verordnungen a. vom 20. Wintermonat 1872 betreffend Vollziehung des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen, vom 8. Körnung 1872, b. vom 3. Weinmonat 1873 betreffend Maßregeln zur Tilgung der Maul- und Klauenseuche, in folgendem Umfang nothwendig: 1. Alle Eisenbahnwagen, in welchen Pferde, Maulthiere, Esel, Rindvieh, Ziegen, Schafe, Schweine oder frische Häute transportirt worden sind, sowie alle Geräthe und Werkzeuge, die zur Fütterung, Tränkung, zum Anbinden oder zu andern Zwecken beim Transport von Vieh genannter Gattungen benutzt wurden, müssen vor ihrer neuen Verwendung im Verkehr einem Reinigungs- (Desinfektions-) Verfahren unterworfen werden, welches geeignet ist, die Ansteckungsstoffe vollständig zu zerstören.

*) Siehe eidg. Gesetzzammlung n. F., Band VII, Seite 142.

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Die Werkzeuge und Geräthe, welche behufs Durchführung der Desinfektion benutzt wurden, sind jevveilen gleichfalls zu desinfiziren. Beim Auftreten der Rinderpest haben sich die bei der Desinfektion der Transportgeräthe verwendeten Personen einer Reinigung zu unterziehen.

Rampen und Quais, von welchen aus die Thiere verladen werden, sind nach jedem Gebrauch sorgfältig zu reinigen.

Es ist also die Desinfektion nicht mehr bloß in dem Falle vorzunehmen, wo Eisenbahnmaterial durch Thiere verunreinigt wurde, die an einer ansteckenden Krankheit litten (§ 28 der Verordnung von 1872), sondern in alleu Fällen, wo Thiere vorgenannter Gattungen und frische Häute transportât wurden (Art. III des Uebereinkommens).

2. Jeder zum Viehtransport verwendete Wagen ist unmittelbar nach der Entladung durch einen, auf einer der beiden Längsseiten des Wagens angebrachten w e i ß e n Zettel, welcher die großgedruckten Worte : ,,zu desiufiziren" enthält und auf welchem auch Tag und Stunde der Entladung unter Beifügung des Stationsstempels zu bemerken ist, kenntlich zu machen.

Nach der Desinfektion ist unter dem weißen Zettel ein g e l b e r Zettel aufzukleben, welcher das großgedruckte Wort ,,desinfizirt a enthält und auf welchem auch der Tag und die Stunde der Beendigung der Desinfektion nebst dem Stationsstempel anzubringen ist.

Die Desinfektion hat wenn möglich auf der Ausladestation oder dann auf der nächsten Hauptstation in geeigneter Entfernung vom Verladungsplatz stattzufinden.

Bevor die desinfizirtea Wägen getrocknet und gelüftet worden sind, ist deren Verwendung untersagt.

3. Der Desinfektion der zum Viehtransport benutzten Wägen und Schiffe hat eine gründliche Reinigung voranzugehen. Die vorhandenen Abfälle, Streuematerialien und Exkremente werden beseitigt und mit dem halben Gewicht ungelöschten Kalk vermengt oder mit verdünnter Schwefelsäure (l Theil Schwefelsäure auf 20 Theile Wasser) übergössen. Der Boden, die Wände und Thüren werden mit steifen Bürsten oder stumpfen Besen unter Abspülen mit Wasser ausgefegt, die zum Transport benutzten Geräthe ebenfalls mit Wasser gewaschen. Bei Frost ist heißes Wasser zu verwenden, um angefrorene Unreinigkeiten hesser loszubringen.

4. Die Desinfektion der Wägen und Schiffe muß bewirkt werden entweder

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H. durch heiße Wasserdämpfe, die unter einer Spannung von mindestens 2 Atmosphären auf alle Theile im Innenraume des Wagens geleitet werden, oder b. durch heißes Wasser von mindestens 70° C., dem ein halbes Prozent calcinirter Soda oder Pottasche zugesetzt ist, womit alle Theile des Wagens und der Schiffe bis zum Verschwinden des thierischen Geruches zu waschen sind.

c. durch gründliche Waschung mit (bei Frost heißem) Wasser, in dem 2% Karholsäure oder 10% Chlorkalk aufgelöst worden sind.

5. Die Gerätschaften, welche während der Beförderung der Thiere zum Tränken und Füttern benutzt wurden, sind ausschließlich entweder durch Abbrühen mit heißem Wasserdampf (wie oben unter a) oder mit heißer Lauge (wie oben unter b) zu desinfiziren.

6. Ist Transportmaterial, Quais und Rampen mit Vieh in Berührung gekommen, das besonders seucheverdächtig ist, oder das verseucht war und auf Anordnung von Sanitätsbehörden transportirt wurde (§ 27 der Verordnung von 1872), so hat die Desinfizirung unter tierärztlicher Ueberwachung mittelst einprozentiger Quecksilbersublimatlösung zu geschehen.

Die übrigen Bestimmungen der Vollziehungsvevordnung vom 20. Wintermonat 1872 und der Verordnung vom 3. Weinmonat 1873 bleiben in allen Theilen in Kraft.

Wir bitten Sie, von diesen Verfügungen Ihren mit der Vollziehung der viehseuchenpolizeilichen Vorschriften betrauten Organen Kenntniß zu geben, und benutzen den Anlaß zur Versicherung .unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 27. Juni 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an die Regierungen sämmtlicher Kantone und die schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffverwaltungen, betreffend die Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr. (Vom 27. Juni 1885.)

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