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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Strasseneisenbahn von St. Gallen nach Gais.

(Vom 18. Juni 1885.)

Tit.

Am 8. Juni 1885 reichten die Herren Dr. Otto R o t h , und Job.

T o b l e r in T e u f e n und E. Z o l l i k o f e r - W ir th in St. G a l l e n zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, resp. der zunächst betheiligten Gemeinden, beim Bundesrath ein vom 3. Juni 1885 datirtes Konzessionsgesuch für eine Straßeneisenbahn von St. Gallen nach Gais ein.

In dem beigelegten allgemeinen und technischen Bericht wird angegeben, daß bei ihrer ausschließlich lokalen Bedeutung die Bahn als schmalspurige Straßenbahn angenommen sei, immerhin nach einem System, welches eine Leistungsfähigkeit für alle zukünftige Entwicklung des Landes verbürge.

Die projektirte Bahn soll ihren Anfangspunkt in der Nähe des Bahnhofes St. Gallen haben, bis auf die circa l 1/2 Kilometer entfernte Berneckhöhe mit eigenem, selbständigem Tracé geführt und von da auf der Staatsstraße St. Gallen-Gais angelegt werden und die von dieser durchzogenen Ortschaften bedienen. Der Endpunkt der Bahn ist in Gais.

Als Veranlaßung zum Konzessionsgesuch ist der ziemlich lebhafte Personen- und Güterverkehr der gewerbereichen appenzellischen Ortschaften genannt.

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Da bei den bedeutenden Niveauunterschieden der zu verbindenden Orte St. Gallen (Bahnhof 644 m. über Meer) und Gais (934 m. Über Meer) das bloße Adhäsionssystem nicht genügen würde, so ist zur Ueberwindung der starken Steigungen das Zahnradsystem in Aussicht genommen, und zwar soll die Zahnstange wenigstens da eingelegt werden, wo die Steigung 50 °/oo überschreitet.

Als Spurweite ist l Meter, als Wagenbreite 1,8--2 Meter vorgesehen.

Da das Terrain ganz außerordentliche Anschmiegung erfordere, so ist der kleinste Kurvenradius zu blos 30 Meter angenommen und soll demgemäß das Rollmaterial mit drehbaren Achsen konstruirt werden. Die Lokomotive ist nach einem neuen System projektirt, welches die besondere Eigenschaft aufweise, daß Steigungen bis 100 %o anstandslos auf der Zahnstange bewältigt werden können.

Das Nettozugsgewicht soll 30 Tonnen bis zu einem Maximum von 40 Tonnen betragen dürfen.

Da eine besondere Bewachung nach der Natur der Bahn als Straßenbahn nicht vorgesehen sei, so werde mit Rücksicht darauf die Fahrgeschwindigkeit entsprechend regulirt werden müssen.

Der Kosten Voranschlag für die projektirte Linie, welche eine Gesammtlänge von circa 15 Kilometer hat, ist sehr summarisch gehalten und enthält keinerlei nähere Nachweisungen. Es werden in Anschlag gebracht : für Expropriation, Unterbau, Kunstbauten und Oberbau ,, Betriebsmaterial ,, Hochbau ,, Stationsausrüstungen .

. . . .

,, Unvorhergesehenes .

.

.

.

.

Total

Fr. 1070000 ,, 350 000 ,,75000 20 000 " 35 000 " Fr. l 550 000

oder per Kilometer circa Fr. 103 000.

Die Konzessionspetenten legten ihrem Gesuche einen ausgearbeiteten Konzessionsentwurf bei, in welchem ihre Begehren niedergelegt sind. Ferner brachten dieselben zu den Akten den Beschluß des Großen Rathes von St. Gallen vom 21. Mai 1884 und den Zusatz zum Straßengesetz von Appenzell A. Rh. vom 27. April 1884, in welchen beiden Akten die Bedingungen festgestellt sind, unter welchen seitens der Kantone St. Gallen und Appenzell A. Rh. die Benutzung der Staatsstraßen zur Bahnanlage gestattet werden soll.

331 In ihrer Eingabe sprachen die Konzessionspetenten den besondern Wunsch aus, es möchte das Geeignete zur Behandlung ihres Gesuches noch während der gegenwärtigen Session der Bundesversammlung veranlaßt werden.

Mit Schreiben vom 8. Juni wurde das Konzessionsgesuch nebst den eingereichten Belegen den betheiligten Kantonsregierungen von St. Gallen und Appenzell A. Rh. zur Vernehmlassung mitgetheilt.

Der Regierungsrath des Kantons Appenzell A. Rh. zeigte dem Departement durch Zuschrift vom 11. Juni an, daß er nicht im Falle sei, gegen Ertheilung der Konzession Einwendungen zu erheben. Von der Regierung von St. Gallen langte eine schriftliche Vernehmlassung nicht ein; dagegen hat der Vertreter derselben anläßlich der im Sinne von Art. 2 des Bundesgesetzes über den Bau und- Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 angeordneten Konferenz erklärt, daß sich die st. gallische Regierung der Konzessiohirung nicht widersetze.

Zu welchen Bemerkungen der Regierungsvertreter und der Konzessionspetenten die vorgeschlagenen Abänderungen gegenüber dem von den Petenten eingereichten Konzessionsentwurfe bei der Konferenz Anlaß gaben, ist dem ausführlichen Protokoll zu entnehmen, auf das wir der Kürze halber hier im Allgemeinen verweisen.

Besondere Erwähnung verdienen folgende Punkte : Bei frühern Konzessionsertheilungen für Straßenbahnen wurde jeweilen verlangt, di»ß vorgängig eine Verständigung des Unternehmens mit den betreffenden Kantonsregierungen über die Benutzung der Staatsstraßen stattgefunden habe. In dieser Beziehung nun lag bei der Konferenz der oben erwähnte, die Bedingungen für Benutzung der Staatsstraße auf st. gallischem Gebiete feststellende Beschluß des Großen Käthes vom 21. Mai 1884 vor, und es gaben die Petenten die förmliche Erklärung ab, sich demselben zu unterziehen. Danach und insbesondere nach den Mittheilungen des Regierungsvertreters von St. Gallen bei Anlaß der Konferenz darf die Frage der Straßenbeuutzung auf st. gallischem Gebiet als geregelt angesehen werden. Dagegen war das Gleiche bei der Konferenz nicht der Fall, soweit es Appenzell A. Rh. betrifft.

Der von den Petenten vorgelegte Zusatz zum Straßengesetx von Appenzell A. Rh. stellt zwar grundsätzlich die Bedingungen fest, unter welchen Gemeinden eine Bewilligung zur Benutzung von Staatsstraßen für Erstellung von Straßeneisenbahnen ertheilt werden kann, sieht aber für jeden einzelnen Fall noch eine besondere Bewilligung

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durch den Kantonsrath vor. Eine solche war nun allerdings nach den Mittheilungen des Vertreters der Regierung von Appenzell A. Rh.

an die Gemeinden Teufen, Bühler uad Gais wirklich ertheilt worden und es haben die Petenten seither den bezüglichen Auszug aus dem Protokoll der Kantonsrathssitzung vom 12. Mai 1884 beigobracht. Ferner gab schon während der Konferenz der Vertreter der Kantonsregierung die Erklärung ab, daß einer Abtretung oder Uebertragung dieser Bewilligung von den Gemeinden an die Gesellschaft keinerlei Hindernisse im Wege stehen. Eine bezügliche förmliche Erklärung der Gemeinden mit Datum vom 3. Juni 1885 ist nachtraglich ebenfalls noch beigebracht worden.

Mit Rücksicht darauf, daß es sich um Einführung einer bis jetzt nicht angewendeten Kombination von Adhäsions- und Zahnradsystem für eine Straßenbahn bei bedeutend kleinern als den üblichen Kurvenradien handelt, erklärten die Petenten, im eigenen Interesse rechtzeitig die nothwendig erscheinenden praktischen Versuche anstellen zu wollen.

Was nun die speziellen Bedingungen anbelangt, unter denen wir bei Ihnen die Konzessionirung beantragen, so sind dieselben einerseits der Normalkonzession und anderseits denjenigen, welche für ähnliche Unternehmen, so namentlich die Straßeneisenbahn von Frauenfeld nach Wyl (Eisenbahnaktensammlung n. P. VIII, 36 ff., Konzession vom 27. Juni 1884), von Ihnen aufgestellt wurden, nachgebildet und es haben die Petenten gegen.die bezüglichen Aenderungen gegenüber ihrem Entwurf, die übrigens zum Theil nur redaktioneller Natur sind, wenig Einwendungen erhoben.

Was die Taxen betrifft, so sind die von den Konzessionspetenten beantragten Ansätze im Entwurf mehrfach einer. Reduktion unterworfen worden. Es konnte aber anläßlich der Konferenz mit den Petenten eine Verständigung in dem Sinne erzielt werden, daß sie sich mit nach bisheriger Praxis admittirten Maximalansätzen begnügten, wie sie sich ergeben, wenn man nach Mitgabe der in der Botschaft des Bundesrathes betreffend die Taxerhöhung für Eisenbahnstreeken mit größeren Steigungen vom 11. September 1873 (Bundesblatt 1873, III, 708 ff.) ausgesprochenen Grundsätze für die zu konzessionirende Bahn St. Gallen-Gais die Taxen der Normalkonzession vom 17. September 1873 (Eisenbahnaktensammlung n. F. T, 137 ff.) mit einem Durchschnittssteigerungskoeffizienten
von 2,5 multiplizirt. Nach dieser Berechnung sind demnach die Taxansätze, soweit nicht die von den Petenten vorgeschlagenen unter der Maximallimite sich hielten, im Entwurf (Art. 15, 17 und 18) festgestellt. Mit der Erhöhung des Gewichts des freien Reisegepäcks auf K) Kilogramm und der frachtfreien Traglasten landvvirthschaf't-

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lieber Erzeugnisse auf 15 Kilogramm, erklärten sich die Potenten einverstanden.

Dagegen sprachen dieselben den Wunsch aus, zum Viehtrausport nicht verpflichtet zu werden, und es drangen die Vertreter der Kantonsregierungen nicht auf ein Obligatorium. Allein mit Rücksicht darauf, daß die zu konzessionirende Bahn bestimmt ist, Gegenden mit bedeutender Landwirtschaft zu bedienen und bei ähnlichen Unternehmungen (Aarg.-luzernischeSeethalbahn, vom 25. Mai/18. Juli 1871, Eisenbahnaktensammlung a. P. VII, 120; Liestal-Waldenburg, vom 19. April 1870 und 20. Juli 1871, B. A. 8. a. F. VII, 93; Frauenfeld-Wyl, vom 27. Juni 1884, E. A S. n. F. VIII, 39) der Viehtransport obligatorisch erklärt wurde, glaubten wir nicht auf den Wunsch der Petenten eintreten zu dürfen, um so weniger, als den besondern Verhältnissen in den Transportreglementen, welche zur Genehmigung dem Bundesrath vorzulegen sind, in billiger Weise Rechnung getragen werden kann.

Ansehend die Rückkaufsbestimmungen hielten zwar die Vertreter der Kantonsregierungen die kürzere Passung, wie sie in einigen neuern Konzessionen für Touristenbahnen Aufnahme fand, für ebenso zweckentsprechend wie diejenige der ïiormalkonzession. Wir sehen aber keinen Grund ein, vom Wortlaut der letztern abzugehen, der bei Konzessiouirung anderer Straßenbahnen von ähnlicher Bedeutung wie die vorliegende, z. B. Frauenfeld-Wyl (Eisenbabnaktensammlung n. F. VIII, 41), durchgängig angewendet wurde.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 18. Juni 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Kingier.

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Bnndesbeschluß betreffend

Konzession einer Straßeneisenbahn von St. Gallen nach Gais.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) eines Gesuches der Herren Dr. Otto R o t h und Job. T o b l e r in T e u f e n und E. Z o l l i k o f e r - W i r t h in St. G a l l e n , vom 3. Juni 1885; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 18. Juni 1885, '

beschließt:

Den Herren Dr. Otto R o t h und Johann T o b l e r in T e u f e n und E. Z o l l i k o f e r - W i r t h in St. G a l l e n zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Straßeneisenbahn von St. G a l l e n nach G a i s unter den in nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von achtzig Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Sitz der Gesellschaft ist in T e u f e n .

Art. 4. Die Mehrheit der Mitglieder der Verwaltung muß aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer Frist von zwölf Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert sechs Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Innert zwei Jahren nach stattgefundener Plangenehmigung ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Tracé eine Abänderung desselben zu verlangen , wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird unter Benützung der Staatsstraße von St. Gallen nach Gais für die Geleiseanlage mit einspurigem Oberbau und einer Geleiseweite von l Meter erstellt, unter Einlegung einer Zahnstange, wo die Steigungen dies nöthig machen. Soweit zur planmäßigen Ausführung Grunderwerbungen nöthig sind, findet das Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850 Anwendung.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum desjenigen Kantons , auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltimg behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu gegründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens dreimal nach beiden Riehtungen von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

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Dem Bundesrath bleibt vorbehalten, die Geschwindigkeit der Züge zu bestimmen. Jedenfalls darf die Fahrgeschwindigkeit in Ortschaften und in gedeckten Kurven nicht mehr als 10 Kilometer pro Zeitstunde betragen.

Art. 13. Das mindestens drei Monate vor der Betriebseröffnung dem Bundesrathe vorzulegende Transportreglement soll nicht vor ausgesprochener Genehmigung in Vollzug gesetzt werden. Jede Aenderung 'desselben unterliegt ebenfalls der Zustimmung des Bundesrathes.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit zwei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügeu Wagen beider Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren.

Die Gesellschaft Imt stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben , und zwar auf Sitzplätzen , befördert werden können.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt-, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 16 Rappen, l per Kilometer in der zweiten Wagenklasse 12 Rappen, / der Bahnlänge.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepiicks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwwgen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 12r/2 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden. Die Minimaltaxe beträgt 40 Rappen.

Für Hin- und Rückfahrt am gleichen oder folgenden Tage sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnementsbillets zu .einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kan-

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tonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren. Die Gesellschaft hat sich den hierüber vom Bundesrathe aufzustellenden Vorschriften zu unterziehen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 36 Rp. ; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 20 Rp. ; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 71/a Rp.

Die Minimaltaxe für einzelne Sendungen beträgt 40 Rappen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 5 Rappen, die niedrigste nicht über 2 ] /2 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirthschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen,- Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen mögliehst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für \ 000 Fr. per Kilometer höchstens 2 lla Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirthschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

Bundeablatt. 37. Jahrg. Bd. III.

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Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sieb aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Eest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen acht Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

339 Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Sofern die Gesellschaft eine grundsätzliche Aenderung der Tarife vorzunehmen beabsichtigen sollte, so hat sie ihr daheriges Projekt sammt dem neuen Tarife der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organen freien Zutritt in den Stationen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 27. Im Uebrigen wird die Gesellschaft betreffend Benützung der Staatsstraße von St. Gallen nach Gais den Bestimmungen unterworfen, welche durch Beschluß des Großen Käthes von St. Gallen vom 21. Mai 1884, und den Zusatz zum Straßengesetz von Appenzell A. Rh. vom 27. April 1884 und die bezügliche Bewilligung des Kantonsrathes des nämlichen Kantons vom 12. Mai 1884 festgestellt worden sind, soweit dieselben der gegenwärtigen Konzession nicht widersprechen.

Art. 28. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der betheiligten Kantone St. Gallen und Appenzell A. Rh., gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1903 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rüekkäufer Eigenthiimer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugeherin vollkommen befriedigendem Zustande dem Bunde, beziehungsweise den Kantonen St. Gallen und Appenzell A. Rh. abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaut'ssumme in Abzug zu bringen.

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c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1918 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1918 und 1. Mai 1933 erfolgt, den 22 1/2 fachen Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1933 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages, -- immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger; als die flachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Eeservefonds, betragen darf.

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Bei Ermittlung der Anlagekosten und des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderer etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefond einverleibt wurden.

e. Streitigkeiten, die über den Rückkauf .und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes..

' Art. 29. Haben die Kantone St. Gallen und Appenzell A. Rh.

den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im, Artikel 28 definirt worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone St. Gallen und Appenzell A. Rh. haben unter den : gleichen Rechten" und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies! von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern kompetent gewesen wäre.

Art. 30. Der Bundesrath ist mit dem Vollzüge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Nachtrags -Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Ankauf eines Bauplatzes zum Zwecke der Erstellung eines neuen Post- und Telegraphengebäudes in Luzern.

(Vom 18. Juni 1885).

Tit.

Der Ständerath, welcher in der obgenannten Frage die Priorität hat, faßte in seiner Sitzung vom 16. dies folgenden Beschluß : ,,Die Angelegenheit wird an den Bundesrath zurückgewiesen mit dem Auftrage, noch andere Bauplätze, namentlich die der Stadt gehörende Promenade vor dem Bahnhof und die Nigg'sche Besitzung, in Aussicht zu nehmen und vergleichende Projekte der Bundesversammlung vorzulegen."

Der Bundesrath hatte bisher in solchen Dingen die Uebung, über Projekte, die sieh in Folge eingehender Prüfung als unannehmbar oder nicht realisirbar erwiesen, in den Berichten an die Bundesversammlung sich nicht näher auszusprechen, dagegen jeweilen den K o m m i s s i o n e n der Räthe auf ersten Wunsch alle weitern Aufschlüsse, die denselben vollste Sachkenntniß zu verschaffen geeignet sein mochten, bereitwillig zu ertheilen. Da die ständeräthliche Kommission, welche in Sachen des Ankaufes eines Bauplatzes für ein neues Post- und Telegraphengebäude in Luzern gebildet worden war, den Wunsch nach näherer Aufklärung weder dem Bundesrathe, noch den in Frage kommenden Verwaltungen gegenüber ausgesprochen hat, so sehen wir uns veranlaßt, Über a 11 e Projekte, welche der Bundesrath, soweit an ihm, eliminirt hat,

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Strasseneisenbahn von St. Gallen nach Gais. (Vom 18. Juni 1885.)

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1885

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.06.1885

Date Data Seite

329-341

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10 012 781

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