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Sehr eib en des

Bundesrathes an die ständeräthliche Kommission, betreffend das Militärstrafgesetzbuch.

(Vom 3. Februar 1885.)

Tit.

Von Seite Ihrer Kommission, welche sich in zwei Sitzungen vom September und November vorigen Jahres mit dem Entwurfe des neuen M i l i t ä r s t r a f g e s e t z b u c h e s beschäftigte, sind uns mit Schreiben vom 5. Dezember eine Reihe von Bemerkungen zur Erwägung zugekommen, worüber wir in Kürze folgendermaßen referiren wollen.

I.

Eine Anzahl dieser Bemerkungen, welche vorzugsweise in der ersten Sitzung geflossen und in einem bei den Akten liegenden Protokolle enthalten sind, sind zum Theil in der zweiten Kommissionssitzung laut dem schriftlichen Protokoll derselben neuerdings geprüft und modifizirt worden, theils haben sie überhaupt nur die Bedeutung von Redaktionsänderungen. Von wesentlicher m a t e r i e l l e r Bedeutung scheinen uns, a u ß e r denjenigen Punkten, welche die Kommission selbst in ihrem obzitirten Schreiben als die der Erwägung zunächst empfohlenen bezeichnet, folgende Fragen zu sein :

338 Art. Ì9. Milderungsgründe.

Das gedruckte Protokoll, pag. 5, wünscht den im Gesetze aufgezählten, somit stets zu berücksichtigenden, Milderungsgründen noch mehrere andere beizufügen, welche zum Theil in dem ursprünglichen Entwürfe selber standen und im französischen Texte erhalten geblieben sind. theils im Sehooße der Kommission neu angeregt wurden. Wir glauben, dieselben nicht in den Artikel aufnehmen zu sollen. Selbstverständlich steht es dem Richter in jedem Falle zu, alle solchen Verhältnisse bei der Strafausmessung zu berücksichtigen ; sie in das Gesetz selber aufnehmen heißt jedoch ihm eine Verpflichtung zur Nichtanwendung des höchsten Strafmaßes auferlegen, insofern diese Voraussetzungen faktisch begründet sind. Es könnte daher gegen Leute, die Reue bezeugen, oder früher unbescholten waren, oder zum Verbrechen verleitet, oder durch eine solche Aufregung veranlaßt worden sind, welche auch nicht schon unter die Bestimmungen von Art. 18 und Art. 19, Ziffer l, fallen würde, niemals die h ö c h s t e Strafe (im Kriege beispielsweise die T o d e s s t r a f e ) ausgesprochen werden. Wir glauben, die Vorschriften der beiden genannten Artikel lassen dem Richter einen g r o ß e n Spielraum, ohne ihn zu sehr zu binden, und sie entsprechen auch im Ganzen den jetzigen strafrechtlichen Anschauungen.

k Art. 36 und andere (46, 57J. Zustimmung des Obe,r-'i auditors zur disziplinarischen Behandlung.

Die Kommission streicht an verschiedenen Punkten dieselbe. Der Entwurf dagegen nimmt durchgängig an, daß im Interesse einer übereinstimmenden und gleichmäßigen Justiz in der ganzen Eidgenossenschaft diese ganz a u s n a h m s w e i s e , bloß g e s t a t t e t e , disziplinarische Behandlung von Vergehen, die an und für sich keineswegs Ordnungsfehler sind und lediglich der Geringfügigkeit im konkreten Falle wegen nicht vor die Militärgerichte gebracht werden, nicht ohne einheitliche Kontrole stattfinden dürfe.

Die Nothwendigkeit einer solchen wird noch dadurch erhöht, daß jedes neue Gesetz bis zu einer Zeit, wo sich eine gewisse Praxis gebildet hat, einer solchen gleichmäßigen Anwendung dringend bedarf. Wir theilen unserseits diese Anschauung.

339 Titel des Gesetzes (gedrucktes Protokoll, Seite 1).

Die Kommission will den bisherigen Titel beibehalten.

Der von dem Entwürfe gewählte entspricht dagegen den Titeln anderer Gesetzbücher, besonders demjenigen des deutschen Bundesstaates. Ueberdies sind nach dem System des neuen Gesetzes, übereinstimmend mit der Militärorganisation, nicht bloß die eidgenössischen Truppen, sondern auch die kantonalen, soweit von solchen gesprochen werden kann, dem Gesetze unterworfen und existiren fortan überhaupt keine kantonalen Militärgerichte mehr, was bisher anders war (Art. 209 des jetzigen Gesetzes). Es erscheint uns zweckmäßig, diesen Unterschied zwischen ehemals und jetzt schon in dem Titel auszudrücken.

.

IIUebergehend zu den von der Kommission selbst in ihrem Schreiben vom 5. Dezember 1884 als besonders relevant angesehenen Punkten, bemerken wir:

Ad Art. 30. Duell.

Ein besonderer Artikel über die Körperverletzung oder Tödtung im regelmäßigen Duell ist jedenfalls beizubehalten, denn es wird eine solche auch nach unseren Sitten und ganz besonders in der Armee anders angesehen, als ein unter andern Umständen erfolgtes Vergehen dieser Kategorie, und es kann bei uns auch nicht durch eine so systematisch ausgeübte Begnadigung seitens der obersten Militärbehörden geholfen werden, wie dieß in monarchischen Ländern der Fall zu sein pflegt. Es muß also eine ausnahmsweise Milde, namentlich in Bezug auf Ehrenfolgen, im Gesetze selber möglich gemacht sein, wenn man nicht völlige Ignorirung oder prinzipielle Freisprechungen riskiren will. Das Duell selber, unter militärisch Gleichstehenden, zu strafen, auch wenn es k e i n e F o l g e n gehabt hat, erscheint uns nicht zweckmäßig und entspricht ebenfalls nicht dem bisherigen Gesetze (Art. 117), das auch nur von ,,Körperverletzung durch Duella spricht. Ueberdieß müßte man dann konsequent, auch selbst bei vorgekommener Verletzung, nicht allein den Verletzer, sondern auch den Beschädigten und ebenso unter allen Umständen die Sekundanten, Kartellträger, Aerate etc. strafen, die doch nur im Interesse einer Minderung der Gefährlichkeit

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thätig sind und überhaupt einen solchen Dienst einem Karneraden nicht abschlagen k ö n n e n . Eine Bestrafung des Duells selber, sowie eine völlige Ignorirung desselben als b e s o n d e r e A r t der Körperverletzung oder Tödtung wäre höchstens denkbar, wenn es gegen das Verbot eines aufzustellenden Ehrenrathes erfolgen würde. Einen solchen einzuführen, während die Ehrengerichte, wie sie vorgeschlagen sind, in ihrer Zweckmäßigkeit bezweifelt werden, würden wir einstweilen nicht vorschlagen.

Art. 33. Vergehen gegen die Sittlichkeit.

Die Absicht der Kommission, durch Kreirung eines besondern Artikels die schwerern dieser Vergehen von den leichtern besser auszuscheiden, kann hierseits kein Bedenken erregen, insofern man nicht grundsätzlich dem überall hervortretenden Bestreben des Entwurfes beistimmt, gleichartige Gegenstände, der leichteren und sicherern Uebersicht halber, möglichst in E i n e n A r t i k e l zusammenzufassen.

Art. 39.

Brandstiftung.

Das Gleiche ist zunächst hier zu sagen. Die vorgeschlagene bedeutende Herabmilderung der angedrohten Strafmaxima würde uns, im Vergleich mit dem jetzigen Gesetze (Art. 125) und mit der Gefährlichkeit dieses Verbrechens im militärischen Lehen, zu stark erscheinen.

Der Art. 47 ist nicht üherflüssig neben Art. 39 und auch in andern Gesetzen n e b e n der Brandstiftung vorhanden. Er unterscheidet sich sehr wesentlich von derselben dadurch, daß Brandstiftuug auch e i g e n e Sachen betreffen kann und überhaupt (auch bei fremden Sachen) eine besonders gemeingefährliche Art der Eigenthumsbeschädigung ist.

Die Aufzählung der Gegenstände der Brandstiftung scheint uns den möglichen Vorkommnissen im militärischen Leben entsprechend und findet sich ganz ähnlich in den besten neuern Gesetzbüchern. (Vgl. ungarisches Gesetzbuch, das als eines der besten betrachtet wird, Art. 422.)

Art. 44. Diebstahl.

Die Zuchthausstrafe erst bei einem Diebstahl im Betrage von 200 Franken eintreten zu lassen, der (außer etwa bei

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Verwaltungstruppen) zu den Seltenheiten gehören wird, mußte gegenüber dem jetzigen Gesetze (Art. 133--135), das sie schon bei 40 Franken eintreten läßt, und gegenüber den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens auffällig erscheinen und würde wohl nicht allgemeine Billigung finden. Für Fälle mit besonders mildernden Umständen soll durch den Beisatx ,,in der Regela geholfen werden.

Ebenso ist bloße Disziplinarstrafe bis zum Belauf von 30 Franken zu gelinde gegenüber den Anschauungen des bürgerlichen Lebens. Es sind unter den schriftlichen Kritiken des Entwurfs solche vorhanden, die überhaupt die Möglichkeit, Diebstähle disziplinarisch zu bestrafen, als unzuläßig und selbst unmoralisch ansehen, und es sind auch thatsäch lieh bisher in mehreren Divisionskreisen selbst die kleinsten Diebstähle (z. B. im Betrag von 5 Franken, oder Diebstahl an einem gewöhnlichen Glase in einer Wirthschaft) kriegsgerichtlich behandelt worden. So sehr wir aus p r a k t i s c h e n Gründen für die Möglichkeit einer disziplinarischen Ahndung k l e i n e r Diebstähle sind, so sehr glauben wir doch, die Gränze von allerhöehstens 20 Franken festhalten zu sollen, um eben die beabsichtigte Neuerung nicht zu gefährden.

Art. 70. Militärische Bestrafung

von Civilpersonen.

Bei diesem Gegenstand erscheint es uns, nebst den Gründen, die für seine Beibehaltung schon in den Kommissionssitzungen geltend gemacht worden sind, zunächst f o r m e l l wünschenswerth, keine Trennung in zwei Artikel eintreten zu lassen. Es ist, abgesehen von dem oben ad Art. 33 Gesagten, hier von ganz besonderem Werthe, darauf aufmerksam machen zu können, daß diese ausnahmsweise und auf den ersten Blick vielleicht befremdliche Behandlung von Civilisten nur in einem einzigen Artikel des Gesetzes vorkommt; so daß man sich keiner Besorgniß hinzugeben braucht, solche Bestimmungen etwa zu übersehen. Das "dient zur B e r u h i g u n g und es hat überhaupt diese Zusammenfassung zusammengehöriger Dinge möglichst in Einen Artikel, die das Gesetz, im Gegensatze zu dem bisherigen, sehr leicht übersichtlich machen wird, unseren Beifall.

342 Ob man das zweite Lemma des Artikels, die ,,Aufreizuug gegen die militärische Zucht und Ordnung", beibehalten oder streichen soll, mag verschiedener Beurtheilung unterliegen. In einem Staate, wie der unsere, wo von diesem Passus sicherlich nur in Nothfällen Gebrauch gemacht und jede solche Verhandlung ein ungemeines Aufsehen verursachen wird, erscheint derselbe unbedenklich.

Die Bemerkung, daß im A r t . l des Entwurfs neben Art. 70 auch noch die Kriegsartikel VII und VIII (wenigstens in Parenthese) citirt werden sollten, scheint uns richtig.

Art. 73 u. folg.

Militärgerichte.

Dem Vorschlag der Kommission, die Schöffengerichte des Entwurfs durch ständige Militärgerichte zu ersetzen, können wir nicht beipflichten. Es wurde schon von der großen Kommission von 1879 ausdrücklich die Aufgabe gestellt, ein Mittelsystem zwischen der Jury und den ständigen Militärgerichten zu finden, und es hat dasselbe laut den vorhandenen Kritiken auch den Beifall der französiüchen Landestheile, und ist dort sogar, mit Berufung auf unseren Entwurf, schon für das Civilleben vorgeschlagen worden, so daß uns ein Abgehen davon ungerechtfertigt scheint.

Der spezielle Vorschlag der Komtnissiou (Annex a /AI deren zweitem Protokoll} hätte das Bedenken gegen sieh, daß ein solches Militärgericht von mindestens sieben ständigen Personen nicht so leicht und rasch in allen Fällen besammelt werden könnte, als dasjenige des Entwurfs, das nur drei ständige Personen, eigentlich nur zwei noch in anderer militärischer Stellung befindliche und daher leicht abgehaltene, zählt. Es ist aber das, von uns sehr gebilligte, System des Entwurfs, daß das Verfahren u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n , selbst im eigentlichen Kriege, a n w e n d b a r s e i n s o l l , und es müssen, wie schon in der Botschaft des Bundesrathes ausgesprochen ist, alle Einrichtungen der militärischen Justiz an di es e m Prüfsteine gemessen werden. Ein Kriegsgericht, wie das vorgeschlagene, ist aber mitten in der Aktion schwer zu besammeln, bei abgeschnittenen Korps (IX, 4) gar nicht.

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Der Vorschlag der Kommission wäre nur für den Instruktionsdienst zuläßig, für welchen der Bundesrath alle drei Jahre ein solches Divisionsmilitärgericht, nach Einholung der von der Kommission befürworteten Doppelvorschläge , aufstellen könnte. Dagegen müßte im aktiven Dienst (Art. IX) der Höchstkommandirende die Freiheit haben , nicht zur Hand befindliche Mitglieder oder Ersatzmänner seines Kriegsgerichts selbst durch andere vorhandene Offiziere zu ersetzen.

Daß, in diesem Falle namentlich, die Sache einen willkürlicheren Anschein gewinnt, als bei der jedenfalls auch im Kriege ausführbaren Einrichtung des Entwurfs, ist wohl nicht näher darzuthun.

Der Art. 75 in der Redaktion der .Kornmission (Annex a) scheint überflüssig, da die Richter nach dem vorgeschlagenen Art. 74 überhaupt O f f i z i e r e sein sollen. Der obligatorische Beizug einer großen Anzahl von Verwaltungsoffizieren würde, unter der Voraussetzung, daß 'das System des Entwurfs verlassen wird, unseren Beifall haben.

Art. 76. Voruntersuchung. · Hier scheint die Kommission einen Gedanken in das Gesetz introduziren zu wollen, der sowohl dem Entwurf, als dem jetzigen Gesetze (Art. 212 und 305) fremd ist.

Es handelt sich bei der im Art. 76 des Entwurfs genannten Verfügung des Kommandirenden nicht um einen B e s c h l u ß in der Art einer A n k l a g e k a m m e r , sondern bloß um die A n h a n d n a h m e e i n e r U n t e r s u c h u n g , wie sie bisher dieser Kommandirende selbst, oder durch Stellvertretung, nach dem Entwurf aber der Auditor vornehmen soll. Aus diesem Grunde schien es zweckmäßig, demselben einen formellen Auftrag dazu zugehen zu lassen, sonst wäre dieß nicht einmal nothwendig gewesen. Die Frage, ob eine Strafuntersuchung weiter fortzuführen, oder in eine Strafverhandlung überzuleiten, oder endlich auf sich beruhen zu lassen sei, welches letztere allein Sache einer Anklagekammer ist, darf mit diesen ersten Schritten der Untersuchung, die nothwendig und sofort auf jeden Verdacht eines Verbrechens hin erfolgen müssen, nicht confundirt werden. Diese Funktion besteht bereits (Art. 329 bis 331) und Entwurf Art. 82, und kommt, wenn überhaupt ein Zweifel über die Versetzung in Anklagezustand besteht, dem Oberauditor zu.

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An die Stelle des Oberauditors eine Anklagekammer zu setzen, würde nicht zu empfehlen sein, indem Verbrechen sehr oft erst bei Entlassung der Truppen entdeckt werden und dann die Anklagekammer n a c h erfolgter Untersuchung durch den Auditor erst zu besammeln sein würde.

Für die bloße Ordre zur A n h e b u n g einer U n t e r s u c h u n g bedarf es aber einer solchen Komplikation keineswegs. Es wird z. B. gemeldet, ein Mann vermisse seinen Geldbeutel, den er noch eine Stunde früher in seinem Tornister besessen habe, ohne daß man noch irgend einen ganz bestimmten Verdacht eines Thäters hat, oder es erfolgt der Bericht, es habe eine Körperverletzung stattgehabt, so wird der Auditor den Befehl zur Untersuchung des Falles bekommen müssen , ohne alle Notwendigkeit, darüber noch zwei Offiziere zu befragen. Erst aus dieser Untersuchung selbst würde sich die Frage ergeben, die etwa einer Anklagekammer vorzulegen wäre. Dieselbe beantwortet, wie gesagt, in zweifelhaften Fällen der Oberauditor. Sollte eine grundlose. Anzeige gemacht werden, die entweder auf den ersten Blick schon nicht der Bemühung des Auditors werth ist, oder (was häufiger vorkommen wird) ein sofort erkennbares Disziplinarvergehen enthält, so muß es der Kommandirende allein auf sich nehmen, die Ordre zur Anhebung einer Voruntersuchung n i c h t zugeben, wofür er verantwortlich ist.

Sehr gefährlich dagegen könnte es unter Umständen sein , wenn drei Offiziere sogar eine jede V o r u n t e r s u c h u n g , also überhaupt die Nachfrage, o h ein Verbrechen stattgefunden h a b e , von vornherein durch einen Beschluß beseitigen könnten, o h n e daß d a r a u s e i n e V e r a n t w o r t l i c h k e i t für sie entsteht.

Es scheint uns daher die bezügliche Diskussion auf einem theilweisen Mißverständniße zu beruhen.

Art. 444, Ziffer

43 und 44. Versammlungen, Publikationen.

Auch hier scheint ein theilweises Mißverständnis obzuwalten. Versammlungen und Sammlungen von Unterschriften sind nur strafbar, wenn sie hinter dem Rücken der Vorgesetzten , ohne vorherige Anfrage an dieselben, geschehen ; mau soll von dieser Absicht dienstliche Meldung macheu,

345 das gehört schon zur O r d n u n g , in einer Kaserne zum Beispiel. Wird die Brlaubniß abgeschlagen, so kann der Beschwerdeweg bis zur höchsten Instanz verfolgt, j» es kann d a n n die Thatsache öffentlich gemacht werden. Nicht aber soll man sich mit Beschwerden über den Dienst und aus dem Dienste heraus an die Zeitungen wenden, o h n e dieselben vorher gehörigen Orts angebracht zu haben. Man wird bei uns nicht sagen können, daß man Klagen beiden V o r g e s e t z t e n aus Furcht vor Mißhandlung nicht wagen dürfe.

Hievor sichern überdies jetzt sehr wirksam die Bestimmungen des Entwurfes Art. 67 und 68. Wenn man dagegeji diesen Dingen völlig freien Lauf läßt, so erfolgen aus denselben im Kriege Vorfälle, wie die historischen von Bicocca oder aus dem Jahr 1815 (Brigade Schmiel), deren Anfänge schon abgeschnitten werden müssen, oder in Friedenszeiten die Schwierigkeiten, die vor Kurzem die Offiziere des Kantons Zürich bewogen haben, selbst im jetzigen Gesetze (jedoch vergeblich) einen Schutz gegen eine solche Publizität zu suchen. Diese beiden Ziffern des Art. 114 sind mit Bedacht s e h r m i l d e gehalten. Der Vorschlag der Kommission auf Seite 9 des Protokolls scheint uns sogareine V e r s c h ä r f u n g zu enthalten, indem man nämlich danach auch angebrachte und abgeschlagene Beschwerden uicht veröffentlichen dürfte , was nicht die Meinung des Entwurfes ist. Derselbe würde dies (ansländige Form der Publizirung immer natürlich vorausgesetzt) gestatten. Der vorgeschlagene Zusatz ,,während des Dienstes"1 zu Ziffer 13 hat kein Bedenken, obwohl er sich bei Disziplinarvergehen von selber versteht, da überhaupt das ganze Gesetz auf den Dienst berechnet ist, mit wenigen, immer speziell genannten Ausnahmen.

Art. 424--432. Ehrengerichte.

Diese sind im Anschlüsse an Art. 80 der Militärorganisation proponirt und von der Kritik günstig aufgenommen worden. Es scheint auch dem Gedanken der Militärorganisation sowohl als unserm demokratischen Gefühle eher zu eqtsprechen, daß unwürdige Offiziere durch Wahrspruch ihrer sämmtlichen nächsten Kameraden, die sie in Werth und Unwerth am besten beurtheilen können, entfernt werden, als durch irgend eine Verfügung von Oben herab. Das im Entwurf vorgeschlagene Verfahren scheint uns so einfach und für den Beschuldigten so wenig beschwerlich und ehren-

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rührig, als dies unter den gegebenen Umständen möglich ist.

Der Entwurf gibt dem Gedanken Ausdruck, daß unwürdig« Offiziere durch ein Verdikt der militärischen ö f f e n t l i c h e n M e i n u n g zuentfernen seien, und wir können darin nur einen für den davon Betroffenen w e n i g e r gefährlichen Gesichtspunkt erblicken, als in dem schließlichen Vorschlage der Kommission. Soviel behufs Auslegung des Sinnes von Art. 80 der Militärorganisation, der uns richtig aufgefaßt worden zu sein scheint.

. Hingegen sind wir einem Di s z i p l i n a r h o f , wie ihn die Kommission (Prot. pag. 1) an Stelle dieser Ehrengerichte vorschlägt, auch keineswegs abgeneigt und schlagen e v e n t u e l l vor, einfach zu sagen :

Art. 124.

,,In Ausführung von Art. 80 der Militärorganisation ernennt der Bundesrath jeweilen gleichzeitig mit der Bestellung der Militärgerichte (Art. 73) und ebenfalls für 3 Jahre einen aus 4 Offizieren verschiedener Waffengattungen zusammengesetzten D i s z i p l i n a r h o f , welcher unter Vorsitz des Vorstehers des eidg. Militärdepartements über die in dem genannten Artikel vorgesehene Entlassung von Offizieren zu erkennen hat, die sich ihrer Stellung unwürdig zeigen. Einem solchen Angeschuldigten soll vor dem Entscheide Gelegenheit gegeben werden, sich über die gegen ihn vorliegende Beschwerde schriftlich oder mündlich, je nach seinem eigenen Verlangen, zu äußern und es kann derselbe jederzeit bei der nämlichen Behörde um Revision des Verfahrens oder Rehabilitation einkommen.

Ein von dem Disziplinarhof entlassener Offizier fällt für die übrige Dauer seiner Dienstpflicht in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen."

Noch einfacher könnte dieser Disziplinarhof aus den sämmtlichen Waffenchefs zusammengesetzt werden, welche eigentlich die naturgemäße Behörde hiefür sind und auch jederzeit mit Leichtigkeit in Bern besammelt werden können.

.,

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Art. f!4 und 1Ì8,

Veränderungen.

Wir stellen bei dieser Gelegenheit der Kommission zur Erwägung anheim, ob sie nicht in Art. 114, Ziff. 5, 9 u. 22, die Citationen des Dienstbüchleins, oder wenigstens der Seitenzahlen desselben streichen will, da dieselben sich verändern werden. Ebenso, ob sie nicht die Kompetenz zu Geldbußen in Art. 118 auch noch den Kreiskommandanten verleihen will.

Art. XXIV

(Kriegsartikel!'.

Wenn wir das zweite Protokoll der Kommission richtig auffassen, so wünscht dieselbe Streichung der Z i f f e r u w ei dieses Artikels. Eine solche wäre nicht zuläßig mit Bezug auf die sogen. Petersburger Konvention, welcher die Eidgenossenschaft am 29. Dezember 1868 beigetreten ist, die sie also unter Strafandrohung aufrecht zu halten verpflichtet sein wird. Eine gleiche Strafandrohung muß die Eidgenossenschaft an die Nichtbeobachtung anderer, entweder durch neue Verträge dieser Art, oder sonst, gewohnheitsrechtlich, festgestellter Regeln des zivilisirten Völkerrechts knüpfen. Es ist dieß um so notwendiger, als die Schweiz bei der letzten Konferenz über die Regelung solcher Verhältnisse, in Brüssel 1874, vertreten war und dem sog.

Schlußprotokoll dieser Konferenz, das zwar kein Vertrag ist, aber dennoch das Ansehen eines völkerrechtlichen Dokuments besitzt, auf das man sich, als auf eine communis opinio, berufen kann, beigetreteu ist. In diesem KonferenzProtokoll finden sich zwei Artikel, 12 und 14, welche den Inhalt der obgedachten Ziffer 2 von Art. XXIV haben.

Ebenso finden sieh diese Bestimmungen in dem sogen, ,,manuel sur les lois de guerre sui 1 terre" des völkerrechtlichen Instituts (Art. 8), das ein gleiches Ansehen im Völkerrechte genießt. Auch das theoretische Völkerrecht ist über diesen Punkt der unter- zivilisirten Völkern v e r b o t e n e n K r i e g s m i t t e l ganz einig und jeder Staat, der sich derselben bedienen würde, würde sich selbst dadurch die schwersten Nachtheile, nämlich den Ausschluß von gewöhnlicher kriegsrechtlicher Behandlung zuziehen, deren Vortheile für kleine Staaten ebenso bedeutend, wenn nicht bedeutender sind, als für große.

Die Garantien für den berechtigten Volkskrieg, die wir zu suchen haben, beruhen n i e h t auf dem Gebrauch solcher,

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von dem gemeinsamen Recht zivilisirter Völker perhorreszirter K r i e g s m i tt, e l , sondern vielmehr in der A n e r k e n nung der Berechtigung des Volkskrieges selbst, d. h. in der mehr oder weniger bedingten Zulassung von Freischaaren und Landsturm, mit den Rechten ,,Kriegführender" (belligérants), ein Verlangen, dem in der nämlichen Brüsseler Konferenz, e n t g e g e n dem ursprünglichen Projekte von Rußland und Deutschland, auf Antrag der Schweiz in billiger Weise entsprochen worden ist. (Vergi. Art. 9 des Schlußprotokolls.)

M e h r als das dürfen wir nicht verlangen und niemals dürfen wir auch Freischaaren oder Landsturm mit v e r b o t e n e n W a f f e n (Gift, Ladungen von gehacktem Blei, Glassplittern u. dgl.) fechten lassen, so wenig als die regulären Truppen selbst. Die weiteren Bedingungen der Brüsseler Konferenzbeschlüsse, welche eine gewisse Organisation des Landsturmes unter einem verantwortlichen Oberbefehl verlangen, werden, soweit sie nicht durch Art. 2, Ziffer 3, des Entwurfes Berücksichtigung finden, durch ein besonderes Organisationsgesetz herzustellen sein. Selbst wenn man annehmen wollte, daß anerkannte Grundsätze des Völkerrechts s e l b s t v e r s t ä n d l i c h und d e ß h a l b nicht aufzuführen seien, so würde es unregelrecht erscheinen, sie in einem Artikel zu streichen, dessen Bestimmung es eben ist, die V e r g e h e n gegen das V ö l k e r r e c h t vollständig aufzuzählen. Es soll auch dieser Theil des neuen Gesetzes (Art. X--XXXIII) künftig zur Ins t r u k t i o n der Offiziere und Soldaten in den für-sie notwendigen Lehren des Völkerrechts dienen, und endlich ist auf diesen VII. Titel des Gesetzes die Aufmerksamkeit des Auslandes, besonders in einer Zeit, wo sehr viele Staaten ihre Militärstrafgesetze verbessern, naturgemäß am meisten gerichtet, da in diesen Paukten ein g e m e i n s a m e s R e c h t und nicht weniger ein allgemeines Interesse an einer korrekten Definition besteht. Es würde sich daher nicht empfehlen, sich gerade hier besondern Ideen hingeben zu wollen.

Im Ganzen und abgesehen von den erwähnten Punkten haben wir mit Vergnügen gesehen, daß die ständeräthliche Kommission in richtiger Auffassung der ganzen Sache und

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des Zweckes, den wir mit dem neuen Gesetze verfolgen, mit der allgemeinen Anlage und mit den weitaus meisten Bestimmungen desselben sieh einverstanden erklären kann, und dürfen demnach hoffen, daß auch über die noch obwaltenden Differenzen der Anschauung auf Grund unserer Gegenbemerkungen eine Verständigung sich werde herbeiführen lassen.

Mit ausgezeichneter Hochachtung !

Bern, den 3. Februar 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Sundesblatt. 37. Jahrg. Bd. I.

25

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Bundesrathsbeschluß in

der Rekurssache der Munizipalität von Lugano gegen fünf Dekrete des Staatsrathes von Tessin, betreffend die Nationalrathswahlen vom 26. Oktober 1884.

(Vom 6. Februar 1885.)

Der s c h w e i z e r i s c h e Bundes r a t h hat

in der Rekurssache der Munizipalität von Lugano betreffend fünf Dekrete des Staatsrathes von Tessin vom 25. Oktober 1884 ^ auf Bericht und Antrag des eidg. Justiz- und Polizeidepartements ; gestützt auf folgenden T h a t b e s t a n d : l. Am Nachmittag des 22. Oktober 1884, also am letzten Tage, der zur Anbringung von Reklamationen in Bezug auf das Stimmregister benutzt werden konnte, welches im Hinblick auf die Gesammterneuerung des Nationalrathes am 26. gleichen Monats zu bereinigen war, verlangte Herr Paul Solari, als Präsident des liberal-konservativen Komites, von der Munizipalität von Lugano die Streichung von 113 Wählern, die er als unberechtigt eingesehrieben beanstandete, und die Eintragung von 12 Bürgern, die, ebenfalls mit Unrecht, weggelassen worden seien.

· II. Die Munizipalität von Lugano versammelte sich sofort zur Erledigung dieser Reklamationen. Sie konstatirte, daß denselben

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Schreiben des Bundesrathes an die ständeräthliche Kommission, betreffend das Militärstrafgesetzbuch. (Vom 3. Februar 1885.)

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14.02.1885

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