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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Erhöhung des Bundesbeitrages für die Tessinkorrektion.

(Vom 3. Juni 1885)

Tit.

Durch Bundesbeschluß vom 21. März 1884 ist dem Kanton Tessili die auf 3. April 1884 ablaufende Frist für Vorlegung der Ausweise über Sicherung der Ausführung der Tessinkorrektion um ein Jahr, also bis 3. April 1885, verlängert worden.

Dadurch fand eine vom 10. März 1884 datirte Eingabe der Regierung von Tessin nur zum einen Theil ihre Erledigung. Bezüglich des andern Theiles, bestehend in dem Gesuche um Erhöhung der durch Bundesbeschluß vom 3. April 1883 zugesicherten Subvention von 40°/o auf 50°/o der wirklichen Kosten , hatten wir in unserer Botschaft vom 18. März 1884 erklärt, uns nicht in der Lage zu befinden, den h. eidg. Räthen schon für die damalige Session Bericht und Antrag unterbreiten zu können.

Indem wir auch nicht vermochten, in besagter Eingabe eine genügende Motivirung dieses Gesuches zu finden, wurde dies der Regierung von Tessin bemerklich gemacht und dieselbe eingeladen, die nach ihrem Befinden für eine so ausnahmsweise Berücksichtigung der Tessinkorrektion sprechenden Gründe uns noch näher zur Kenntniß zu bringen. Eine Antwort hierauf erfolgte jedoch nicht, und es ist uns daher auch nicht möglich gewesen , gemäß in vorgenannter Botschaft vom 18. März 1884 ausgesprochener Absicht unsere bezugliche Vorlage in einer der nächstfolgenden Sessionen einzubringen.

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Gegenwärtig liegt uun ein Schreiben der genannten Regierung vom 16. Mai 1885 vor, mit welchem sie zwei Dekrete des Großen Käthes des Kantons Tessin vom 12. und vom 13. Mai dieses Jahres, sowie eine in Beziehung auf Projekt und Kostenvoranschlag modifizirte Vorlage für die Tessinkorrektion einreicht und zugleich das Gesuch um Erhöhung des Bundesbeitrages auf 50% wiederholt.

Mit dem ersten jener Dekrete wird dieser Korrektion ein Kantonsbeitrag von 20% des Voranschlages bewilligt, mit dem zweiten die Ausführung in verschiedener Beziehung geregelt und besonders in Abänderung der diesbezüglicheo Bestimmungen des dortigen Wasserbaugeselzes die nach diesem dem betreffenden Consortium zustehende Direktion der Arbeiten gänzlich dem Staate anvertraut.

Zu dem Projekte bemerkt die'Regierung, sie habe die Aufstellung dieses definitiven Ausführungsprojektes mit derjenigen möglichsten Beschleunigung betrieben, welche die Rücksicht einerseits auf die am linken Ufer von der Marobbia bis Magadino sich ausdehnende, durch den zügellos herumschweifenden Tessin dringend gefährdete weite Zone von Privateigentum und anderseits die ihr von Seiten des Bundesrathes bezüglich der Gefährdung der Gotthardbahn auferlegte Verantwortlichkeit verlangte. Uebrigeus sei das Projekt mit Berücksichtigung in unserer Botschaft vom 10. Oktober 1882 über die Tessinkorrektion enthaltener Bemerkungen sowie von Kathschlägen des eidg. Oberbauinspektors angefertigt worden, und die dabei gegenüber dem früher vorgelegten Projekte eingeführten Modifikationen bezögen sich besonders auf diejenigen vorbereitenden Arbeiten, deren Zweck sei, den Fluß einestheils zum Ausgraben seines Bettes und anderseits zur Colmatirung des tiefer liegenden und verwüsteten Bodens zu veranlassen. Dabei wurde zugleich der früher Fr. 3,800,000. betragende Kostenvoranschlag auf Fr. 2,780,000 reduzirt.

Der weitere Inhalt des Schreibens der Regierung von Tessin läßt sich in Folgendem zusammenfassen: Angesichts des schlechten Erfolges, welchen die von ihr bisher zu dem Zwecke, die Tessinkorrektion in die Zahl der vollendeten Thatsachen zu versetzen, gemachten Anstrengungen gehabt hätten, habe sie, statt ein Subventionsgesuch ohne nöthige Grundlage zu wiederholen, vorgezogen, den Großen Rath zu vorgenannten Dekreten zu veranlassen. In der damit geschaffenen Situation finde
sich nun (die Regierung erachte es angemessen, dies zu erklären) die größte Kraftanstrengung repräsentirt, welcher der Kanton fähig sei, und es müßte daher, wenn dieser dennoch der Erfolg fehlen sollte, nachher auf jede Idee, den größten der dortigen Flüsse zu korrigiren, verzichtet werden.

225 Wenn das Inkrafttreten jener Dekrete an die Erhöhung des Bundesbeitrages geknüpft worden sei,.so habe die Regierung diese Bedingung zwar mit Widerstreben gegenüber der Opposition, welcher dieselben im Großen Rathe begegneten, acceptiren müssen, denn es stehe außer Zweifel, daß sie sonst im Sturme der stattgehabten Diskussion Schiffbruch erlitten haben würden. Dabei glaubt die Regierung ein Präcedenz in einem die Rhonekorrektion betreffenden Beschlüsse des Großen Rathes von Wallis, vom 29. November 1862, erblicken zu dürfen, und fügt, bei, übrigens ergäben 50 % des neuen Voranschlages immer noch eine kleinere Beitragssumme als diejenige, welche durch Bundesbeschluß vom 3. April '1883 mit 40% des damals zu Grunde gelegten höhern Voranschlages bewilligt wurde.

Schließlich spricht die Regierung die Hoffnung aus, daß in der von ihr gezeichneten Sachlage, in der Größe der Gefahren, um deren Beschwörung es sich handelt und der hieraus nach allen Seiten sich ergebenden Verantwortlichkeit die vom Gesetze vom 22. Juni 1877 für die Gewährung des höchsten Bundesbeitrages verlangten Erfordernisse erblickt, werden dürfen; sie hegt daher auch die Zuversicht, daß die eidgenössischen Behörden kräftig Hand bieten werden, um dem zerstörenden Elemente den Besitz dieses äußersten Randes des Schweizerbodens streitig zu machen.

Diesen Ausführungen der Regierung von Tessin fügen wir Folgendes bei : Nachdem laut dem Bundesbeschlusse betreffend Zusicherung eines Beitrages an die Tessinkorrektion, vom 3. April 1883, die Genehmigung des definitiven Ausführungsprojektes dem Bundesrathe überlassen ist, braucht dasselbe hier nur insoweit besprochen «u werden, als sich daraus eine sehr wesentliche Modifikation des Kostenvoranschlages ergibt und daher ein anderes Beitnigsmaximum, auch ohne Veränderung des Beitragsverhältnisses, ergeben würde.

Die laut Erwähnung in obigem Schreiben bei Ausarbeitung dieses Ausführungsprojektes berücksichtigten Bemerkungen unserer Botschaft vom 10. Oktober 1882 sind besonders in folgendem Passus derselben enthalten: ,,Zu Erzielung der möglichsten Oekonomie ist es nothwendig, die Anlage der Bestandteile des Systems in ihrer definitiven Gestalt so weit als möglich auf den Zeitpunkt zu verschieben, wo die ihre richtige Lage bedingenden Verhältnisse des Flußbettes sieh schon in bedeutendem Maße
ausgebildet haben, und es ist dies möglich, wenn diese Ausbildung entweder mit provisorischen, bloß diesem transitorischen Zwecke dienenden Anlagen oder mit Elementen des Systems selbst bewirkt wird, die aber so konstruirt werden, daß

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das Material derselben je nach eintretendem Bedürfnisse ohne großen Verlust an Konstruktionskosten in die dem veränderten Zustande des Flußbettes angepaßte Form umgesetzt werden kann."1 Diese Stelle ist in dem technischen Berichte zum vorliegenden Projekte als Programm für die Ausarbeitung des letztern und für den Baubetrieb angeführt, und wir können auch bestätigen, daß dessen Anwendung in erster Beziehung unter wiederholter Berathung des Oberbauinspektorates stattgefunden hat. Die Möglichkeit der Erzielung von Ersparnissen auf diesem Wege ist schon in unserer vorgenannten Botschaft des Nähern nachgewiesen, und indem wir daher darauf nicht zurückgreifen wollen, mag hier nur noch der Umstand Erwähnung finden, daß eine große Gewähr für die Verhütung von Beschädigungen und Zerstörungen während der Bauperiode darin liegt, daß die Erstellung der definitiven Bestandtheile der Korrektion und so namentlich auch der Hinterdämme auf die Zeit verschoben wird, wo der Fluß infolge Ausbildung seines Bettes schon einen regelmäßigen Lauf besitzt. Dabei kommt in Betracht, daß ein solches Verfahren in vorliegendem Falle mehr als in manchen andern zuläßig erseheint. Die Gefahr, welcher hier in erster Linie -begegnet werden muß, ist die eines Einbruches des ganzen Flusses in die linkseilige Ebene, welche in Wirklichkeit an verschiedenen Stellen in dringender Weise mit der Folge von ungeheurem Schaden droht. Dagegen sind die Nachtheile, welche die auch bei Verhinderung eines solchen Einbruches bei außerordentlichen Hochwassem fil r so lange, als die Hinterdämme nicht bestehen, möglichen Ueberwasser unter gegenwärtigen Kulturverhältnissen zu veranlassen vermögen, nicht so groß, daß sie die Vortheile des fraglichen Ausführungsmodus der Korrektion im ungünstigsten Falle, nämlich in dem des wirklichen und öftern Eintretens solcher außerordentlichen Hochwasser während dieses (Jebergangszustandes aufzuheben vermöchten.

Uebrigens beruht der reduzirte Kostenvoransi'hlag nicht auf einem bloßen Abzüge vom frühem, sondern auf selbstständiger Berechnung nnch dem gegenwärtigen Projekte, und es mag als eine Gewähr für den günstigen Erfolg hier noch die Erwähnung ihre Stelle finden, daß dahei für die präparativen Arbeiten zu Regelung des Flußlaufes und Ausbildung des Flußbettes vorzugsweise die Verwendung von Bruchsteinen und dies
in solcher einfacher Anlage vorgesehen ist, daß der Hauptwerth in der Materiallieferung liegt und daher der Schaden, beziehungsweise der Verlust an Arbeit nicht groß sein wird, wenn auch diese ersten Anlagen etwelche Derangirungen erleiden oder infolge Vertiefung des Flußbettes das daran befindliche Material ganz in andere Lage umgesetzt werden muß.

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In dem vorliegenden gedruckten technischen Berichte über das definitive Projekt ist das Ergebniß der neuen Kostenberechnung in einer Totalsumme von Fr. 2,480,000 angegeben.

Darin sind die gesammten Kosten der eigentlichen Korrektions1 arbeiten am Tessin selbst auf fraglicher Strecke und an seinen Zuflüssen auf derselben ^Marobbìa, Riale di Progero, Riale di Cugnasoo und Riale di Trodo) enthalten. In der im Schreiben der Regierung von Tessin ausgesetzten Summe von Fr. 2,780,000 sind dagegen weitere Fr. 300,000 einbegriffen, welche sich nach besonderm Kostenvoranschlage für Arbeiten zum Zwecke der Abbauung und Verlandung der alten Wasserläufe ergeben. Die Verschließung dieser letztern bildet ebenfalls einen wesentlichen Bestandtheil der Tèssinkorrektion, indem sie die Ausbildung des neuen Bettes befördert, während die Erhöhung des nebenliegenden Bodens an sich zur Sicherheit beiträgt und überdies die Anlage der Hinterdämme erleichtert, zum Theil erst ermöglicht. Wir finden daher gegen die Aufnahme jener Summe nichts einzuwenden. Wahrscheinlich infolge der im technischen . Berichte ausgesprochenen Zuversicht, daß der in Aussicht genommene Baubetrieb noch weitere Ersparnisse gestatten werde, ist ein verhältnißmäßig siihr kleiner Betrag, nämlich bloß Fr. 16,804, für Unvorhergesehenes ausgesetzt. Das eidgenössische Oberbauinspektorat hält es nicht für unmöglich, daß die hienach sich ergebende Devissumme genüge, würde es aber doch räthlieh erachten, für Unvorhergesehenes einen größern Betrag, und zwar üblicherweise etwa 10 °/o, anzunehmen. Hienach wäre von der Summe von Fr. 2,780,000 abzuziehen der Betrag von ,, 16,804 wonach bleiben Fr. 2,763,196 wovon 10°/o betragen ,, 276,319 durch deren Beifügung sich das Total ergibt in runder Summe von Fr. 3,039,000 Wir finden es angemessen, dieses aus der immerhin im Allgemeinen berechtigtem Art der Berechnung hervorgehende Total anzunehmen, zumal, falls es möglich wird, die Korrektion für eine kleinere Summe auszuführen, auch der Bundesbeitrag nur nach Maßgabe derselben ausbezahlt wird.

Zu zwei Punkten des Schreibens der Regierung von Tessin, betreffend die ihr mit Rücksicht auf die Gotthardbahn zugemuthete Verantwortlichkeit und betreffend das von ihr in einem Großrathsbeschlusse von Wallis erblickte Präcedenz ertheilen wir folgende Auskunft:

228 In ersterer Beziehung war es die Meinung eines von uns an die genannte Regierung gerichteten Schreibens, daß, wenn der Kanton Tessin es unterlasse, in Gemäßheit des eidgenössischen und des dortigen kantonalen Wasserbaupolizeigesetzes für die Ausführung der vom öffentlichen Interesse dringend verlangten Tessinkorrektion Sorge zu tragen, daraus demselben gegenüber der durch den verwilderten Zustand des Tessin gefährdeten Gotthardbahn für den Fall der Beschädigung derselben eine Verantwortlichkeit erwachsen würde, wobei selbstverständlich eine verhältnißmäßige Betheiligung der letztern aa diesem Werke vorausgesetzt war.

Was dann -den fraglichen, auf die Ausführung der RhoneKorrektion bezüglichen Großrathsheschluß von Wallis betrifft, so enthält derselbe die Bestimmung, daß die Ausführung dieses Unternehmens durch die Voraussetzung eines Bundesbeitrages von einem Drittel der Kosten bedingt werde. Somit liegt darin ein einschlägiger Vorgang nur bezüglich der Stellung einer solchen Bedingung überhaupt, nicht aber bezüglich des von Tessin verlangten Betrages der Subvention von 50%, wobei in ersterer Beziehung noch in Betracht k o m m t , daß eine Verpflichtung zu Ausführung solcher Werke infolge eines Bundesgesetzes für die Kantone damals noch nicht bestand.

Wir treten nun auf das Begehren um die Beitragserhöhung selbst ein. Die von der Regierung von Tessin dafür vorgebrachten Gründe betreffen einerseits die Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser Korrektion und anderseits die sonstige Unmöglichkeit, im Großen Rathe die betreffenden Dekrete zur Annahme zu bringen.

Wir haben uns in der Botschaft vom 10. Oktober 1882 wie schon bei verschiedenen andern Anlässen dahin ausgesprochen, daß der vom eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze gestattete Maximalbetrag für Flußkorrektionen überhaupt nicht und nur ausnahmsweise für solche Verhauungen hewilligt werde, welche unter in verschiedener Beziehung besonders schwierigen Verhältnissen sonst nicht zu Stande gebracht werden könnten.

Die betreffende Bestimmung lautet in Art. 9, Alinea 4 des genannten Gesetzes: ,,ausnahmsweise können dieselben (die Beiträge), wo die Kräfte der Kantone nicht ausreichen und ein namhaftes öffentliches Interesse an dem Zustandekommen eines Werkes in Frage liegt, bis auf die Hälfte der Kostensumme erhöht werden.tt Dali die letztere
dieser beiden Voraussetzungen im vorliegenden Falle zutrifft, steht außer Zweifel.

WHS die erstere betrifft, so kann ihr Zutreffen in dem Sinne, daß es dem Kanton Tessin nicht möglieh wäre, mehr ala die Hälfte der Kosten zu bestreiten, wohl nicht angenommen werden.

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Außer dem schon erwähnten Beitrage des Kantons hat dieser noch mit Rücksicht auf eine in Gefahr befindliche längere Straßenstrecke sich als Interessent zu hetheiligen; in diesem Falle befindet sich auch die Gotlhardbahn wegen ihrer dem Tessin ausgesetzten Strecken , und es wird den übrigen Interessenten daraus, indem die bezüglichen Längen für die Straße zu 12,5 km. und für die Eisenbahn'zu 15,5 km. angegeben sind, noch eine vielleicht nicht ganz unwesentliche Erleichterung erwachsen.

Das Maß des im Perimeter liegenden Bodens ist im technischen Berichte zu 2340 ha. angegeben und davon 1876 ha. als mehr oder weniger kultivirt durchschnittlich zu Fr. 2000 und 463 ha.

als unkultivirt zu Fr. 600 geschätzt, was einen G-esammtwerth von rund Fr. 4,000,000 ergibt.

Dem gegenüber stellt sich bei Annahme eines Bundesbeitrages von 40°/o und eines Kantonsbeitrages von 20°/o als restirende 40°/o der vorgenannten Kostensumme von Fr. 3,039,000 eine Leistung der Interessenten von Fr. 1,215,600, an der sich aber, wie gesagt, auch Kanton und Gotthardbahn zu betheiligen haben, so daß also ungefähr 30 °/o Mehrwerth gegenüber vorstehenden Preisansätzen zu Ausgleichung dieser Leistung erforderlich ist.

Bei 50 % Bundesbeitrag würde sich die Leistung der Interessenten, immer einschließlich Kanton und Eisenbahn, auf 30 °/o, also Fr. 911,700, reduziren.

Dabei muß aber bemerkt werden, daß die Bereitwilligkeit des Kantons Tessin zu Ausführung der in Rede stehenden Korrektion gegen diesen maximalen Bundesbeitrag noch nicht außer Zweifel steht. Die Regierung hat zwar , wie aus Obigem ersichtlich , um die Erhöhung des Beitrages nachgesucht; sie hat sich dabei auch auf die zwei vom Großen Rathe beschlossenen Gesetze berufen, von welchen das eine der Tessinkorrektion den Kantons bei trag von 20 °/o bewilligt und das andere die Ausführung dieser Korrektion anordnet ; aber, wie aus den mitgetheilten Abdrücken dieser Gesetze ersichtlich ist, befinden sich dieselben noch nicht in Kraft.

Dasjenige vom 12. Mai, betreffend den Kantonsbeitrag, erhält Wirksamkeit, nachdem ein Gesetz vom 6. Mai abbin, welches im Allgemeinen die Bewilligung von Kantonsbeiträgen von 20 °/o der Kosten an solche Werke festsetzt, in Kraft getreten sein wird.

Pur dasjenige vom 13. Mai, betreffend die Ausführung der Tessinkorrektion, ist unmittelbar das
Referendum vorbehalten, mit Termin für das Begehren desselben bis 15. Juni näehsthin.

Wir wollen daher nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, daß diese Sachlage geeignet scheint, zu einer Frage Anlaß

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zu geben betreffend die Bedeutung des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes vom 22. Juni 1877.

Dieses Gesetz zerfällt in drei Hauptabtheilungen: I. Oberaufsicht des Bundes, II. Pflichten der Kantone und III. Bundesbeiträge, wozu dann noch Straf- und Uebergangsbestimmungen kommen.

Wenn es nun lediglich in der Absicht gelegen hätte, durch dieses Gesetz das Verhältniß zwischen dem Bunde und den Kantonen in Beziehung auf von ersterm subventionirte Werke zu ordnen, so würde es genügt haben, dem Inhalte dei1 III. Abtheilung noch die nöthigen Bestimmungen über die dem Bunde bezüglich solcher von ihm subventionier Werke zukommende Oberaufsicht bei Bau und Unterhalt beizufügen ; wo man sich dann auf dem Standpunkte des Bundesbeschlusses vom 21. Juli 1871 (Ämtl. Samml. X, 517) befunden und es auch vollkommen genügt haben würde, die Bestimmungen dieses Beschlusses in das fragliche Gesetz zu übertragen.

Aber es kann nicht zweifelhaft sein, daß diesem eine ganz andere, viel weiter gehende Bedeutung beigelegt werden wollte und in Wirklichkeit zufolge seiner Fassung zukommt. Der Bund übt danach (Art. l, a und b) die Oberaufsicht über die Wasserbaupolizei ganz unabhängig von Subventionirung aus, ohne Weiteres innert dem schweizerischen Forstgebiete und nach Einverständniß des Bundesrathes mit den betreffenden Kantonsregierungen oder auf Beschluß der Bundesversammlung auch an Gewässern außerhalb demselben. Dabei hat der Bund (Art. 2) darüber zu wachen, daß die Kantone die Pflichten erfüllen, welche ihnen nach Maßgabe eidgenössischer und kantonaler Gesetze und Verordnungen obliegen, er hat selbst gegenüber säumigen Kantonen einzuschreiten mittelst Ausführung der nöthigen Arbeiten und überhaupt Ergreifung derjenigen Maßregeln, welche durch die Umstände geboten erscheinen.

Es ist aber als Pflicht der Kantone (Art. 5) bezeichnet, an Gewässern, welche unter die Oberaufsicht des Bundes fallen, mit thunlicher Beförderung die vom öffentlichen Interesse verlangten Verbauungen, Eindämmungen und Korrektionen etc. auszuführen.

Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung zu Stellung der Frage, ob zwischen Abtheilung II und III des Gesetzes die Beziehung bestehe, daß der Bund verpflichtet sei, diejenigen Arbeiten zu subventioniren, deren Ausführung er von den Kantonen verlangt; dagegen würde man im Falle der Verweigerung der Ausführung der Tessinkorrektion mittelst des Referendums sich vor die Frage gestellt finden, ob ein Kanton die Ausführung einer als dringend

231 nothwendig anerkannten Korrektion, wenn der Bund dieselbe verlangt und sich auch zur Subventionirung ° eines solchen Werkes bereit erklärt, ahsolut ablehnen können.

Wir finden, diese Frage müßte auf Grund der vorstehend erwähnten Bestimmungen des Gesetzes verneint, werden und es konnte sich nur darum handeln, welchen Spielraum in Beziehung auf die Zeit der Ausführung der Ausdruck mit t h u n l i c h e r B e f ö r d e r u n g gestatte.

Dazu kommt aber noch, daß der Bund auch Über die Erfüllung der den Kantonen nach Maßgabe der kantonalen Gesetze obliegenden Verpflichtungen zu wachen hat.

Das tessinische Gesetz vom 6. Juni 1853 verfügt, es sollen alle Flüsse und Wildbäche des Kantons mit geeigneten Dämmen und andern passenden Werken geregelt und verwahrt werden und es ermächtigt den Staatsrath für den Füll, dali von einzelnen Interessenten die Ausführung eines solchen Werkes verlangt wird, oder auch auf den Vorschlag des Bnudepartements und beim Bestehen der Voraussetzung der Nützlichkeit, die Bildung eines Konsortiums zum Zwecke der Ausführung dieses Werkes und überhaupt diese letztere zu verfügen.

Dies ist aber das gegenwärtig noch in Kraft bestehende Wasserbaupolizeigesetz des Kantons Tessin, welches in Geuiäßheit des Art. 7 des in Rede stehenden eidgenössischen Gesetzes dem Bundesrathe als solches vorgelegt und von diesem genehmigt worden ist.

Das Bestehen der Voraussetzung nicht nur der .Nützlichkeit, sondern selbst der höchsten Nothwendigkeit des fraglichen Werkes kann im vorliegenden Falle nio.ht in Frage stehen. Laut näherer Mittheilung in unserer oben genannten Botschaft ist von der Regierung von Tessin schon bei dem ersten Subventionsgesuche der traurige und gefahrvolle Zustand auf fraglicher Flußstrecke in den lebhaftesten Farben dargestellt worden. In der gegenwärtigen Eingabe dieser Regierung wird neuerdings auf die Dringlichkeit der Ausführung der Korrektion hingewiesen, auch der Große Rath hat seine Beschlüsse vom 12. und 13. Mai mit den an Gesundheit und Wohlstand sich knüpfenden öffentlichen Interessen und mit der Nothwendigkeit möglichst beschleunigter Ausführung motivirt und es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß nach Vorschrift des tessinischen Gesetzes diese Ausführung stattfinden muß.

Ob es als eine absolute Ablehnung derselben anzusehen sei, wenn gleichwohl vom tessinischen Volke diese Dekrete des Großen Käthes verworfen würden, müssen wir dahin gestellt sein lassen,

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wiewohl dies nach oben angeführter Aeußemng der Regierung von Tessin bezüglich der Folgen eines Nichterfolges der letztern der Fall wäre, da diese Folgen die gleichen sein werden, ob sie denn durch die Nichtgenehmigung der Erhöhung des Bundesbeitrages oder durch das Referendum veranlaßt würden.

Wenn also immerhin eine solche Ablehnung als mögliche Eventualität angesehen werden muß, so scheint sich die Frage zu stellen, ob unter Umständen, \vo auf ein neues Anerbieten des Bundes ein wiederholter Abschlag von Seiten des Kantons Tessin erfolgen kann, es angemessen sei, ein solches Anerbieten in Form der Bewilligung des verlangten maximalen Bundesbeitrages zu machen?

Wir würden diese Frage verneinen, wenn wir der Ansicht wären, daß es beim Kanton Tessin stehe, die Ausführung der Tessinkorrektion definitiv abzulehnen. Aus den oben angeführten, auf das eidgenössische Wasserbaupolizeigesetz sich stützenden Gründen, müssen wir aher diese Ansicht als ausgeschlossen und nur das als fraglich erachten, was in Beziehung auf die Zeit, beziehungsweise die Dauer der Ausführung, für Zugeständnisse zu machen seien.

Wir müssen nämlich finden, daß das Bedürfniß und die Dringlichkeit einer Flußkorrektion vom Gesichtspunkte verschiedener höchst wichtiger öffentlicher Interessen überhaupt kaum größer aein können, als sie im vorliegenden Falle sind und daß daher, wenn in diesem Falle das Einschreiten des Bundes auf Grund der ihm obliegenden Oberaufsicht nicht als statthaft und geboten angesehen würde, den diesbezüglichen Bestimmungen des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes eine Bedeutung weiterhin überhaupt nicht mehr beizumessen sein dürfte.

Wenn wir also das Eintreten auf das vorliegende Gesuch auch unter bestehenden Umständen für zuläßig erachten, so geschieht dies in der Voraussetzung, daß der Bund eine allfällige Ablehnung der Ausführung der Tessinkorrektion auch mit Hülfe eines solchen Bundesbeitrages nicht zu acceptiren habe.

Ueber das Verhältniß zwischen dem betheiligten Eigenthum und den von demselben zu übernehmenden Kosten sind die Angaben , wie sie uns vorliegen, oben mitgetheilt worden ; dabei ist, wie dort ebenfalls erwähnt, noch nicht bekannt, in welchem Maße dasselbe durch die Betheiligung des Kantons wegen der Straße und durch diejenige der Gotthardbahn modifizirt wird.

Die Regierung von Tessin hat schon bei dem ersten Subventionsgesuche auf die sehr große Parzellirung des Bodens und das

23S Unvermögen der daher meist kleinen Besitzer zu irgend bedeutenden Leistungen hingewiesen.

Wir finden aber , es unterlassen zu können , auf die Grunde hier weiter einzutreten, welche für eine so hohe Bemessung des Bundesbeitrages im vorliegenden Falle sprechen, wie es bei Flußkorrektionen überhaupt zuläßig gefunden wird. Die Berechtigung dieser Gründe steht außer Zweifel, und es fragt sich eben nur, ob die Verhältnisse hier in dem Maße ausnahmsweise seien, daß sie das Ueberschreiten des bisher eingehaltenen Maximums von 40°/o ·und also die Bevrilligung von 50 °/o rechtfertigen, beziehungsweise gestatten, ohne damit einen für die Zukunft maßgebenden Vorgang aufzustellen. Man hat allerdings seit der Anwendung des Verhältnisses von 40 °/o neben demselben auch noch das von SS1^ °/o angewendet, und so wird auch neben der Kategorie von 50 °/o diejenige von 40 °/o noch festgehalten werden können, wiewohl eine so ganz genaue Klassifikation solcher Werke nach dem Maßstabe der technischen Schwierigkeit, sowie nach dem der Größe der Kosten im Verhältnisse zum Nutzen und zur Leistungsfähigkeit der Interessenten oder der betreffenden Kantone schwierig ist.

Daher ist kaum zu bezweifeln, daß, nachdem einmal für eine TJiußkorrektion der höchste Bundesbeitrag bewilligt worden ist, derselbe auch für andere beansprucht werden wird und dieser An«pruch nicht immer auf Grund unzweifelhafter Verschiedenheit der maßgebenden Verhältnisse wird abgelehnt werden können.

Aus dieser Betrachtung ergibt sich auch von selbst, daß eine unanfechtbare Beweisführung auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und der thatsächlichen Verhältnisse weder für die Ablehnung noch für die Genehmigung des vorliegenden Gesuches möglich ist. Indem wir uns nach reiflicher Erwägung für letztere aussprechen, lassen wir uns durch den allgemeinen Eindruck bestimmen, daß dies unter den waltenden Umstanden die dem Sinne und Geiste des Art. 24 der Bundesverfassung und des eidgenössischen , Wasserbaupolizeigesetzes entsprechende Entscheidung sei, indem daraus der bestimmte Wille spricht, einerseits , daß die das Land verunzierenden und seine Interessen schädigenden Zustände an den Oewässern verbessert werden sollen, anderseits aber auch, daß der Bund den Kantonen die Hand reiche, um ihnen zu ermöglichen, die der Ei-reichung dieses Zieles entgegenstehenden
Schwierigkeiten zu. überwinden.

Die von Tessin nachgesuchte Aenderung am Bundesbeschlusse vom 3. April 1883 würde also in der Aussetzung eines Bundesbeitrages von 50 °/o statt bloß 40 °/o der Kosten bestehen. Die Regierung bemerkt dazu, daß infolge der reduzirten Devissumme Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd..111.

16

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sich gleichwohl der Bundesbeitrag weniger hoch belaufe, als er durch vorstehenden Beschluß zugesichert wurde. Dies ist nach der von uns vorgenommenen Erhöhung des Devises nicht mehr der Fall, indem 50 °/o von Fr. 3,039,000 sich auf rund Fr. 1,520,000 belaufen, d. h. gleich der schon zugesicherten Summe.

Das Gesuch des Kantons Tessin beschränkt sich auf diesen Punkt, der technische Bericht sieht eine längere Bauzeit als die in Artikel 3 genannten Bundesbeschlusses festgesetzte vor. Es ist auch möglich, daß das mehrerwähnte, im Interesse möglichster Oekonomiebeabsichtigte Verfahren eine solche verlangt. Dies läßt sich aber jetzt noch nicht mit Bestimmtheit voraussehen, anderseits kann im.

Falle des Bedürfnisses darauf zurückgekommen werden.

Sonach erlauben wir uns, Ihnen die Abänderung des genannten Beschlusses noch mitfolgendem Entwurfe zur Genehmigung zu empfehlen, indem wir Sie, Tit., zugleich ersuchen, die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung genehmigen zu wollen.

B e r n , den 3. Juni 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes,, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

235 (Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Abänderung des Bundesbeschlusses vom 3. April 1883 Über Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin fUr die Korrektion des Tessinflusses von Bellinzona bis zum Langensee.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Schreibens der Regierung von Tessin vom 16. Mai 1885; einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Juni 1885, beschließt: In theilweiser Abänderung des Art. l des genannten Beschlusses wird der Bundesbeitrag zu 50 °/o der wirklichen Kosten festgesetzt, mit Bestätigung des Maximums von Fr. 1,520,000, als 50% der reduzirten Devissumme von Fr. 3,039,000.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Erhöhung des Bundesbeitrages für die Tessinkorrektion. (Vom 3. Juni 1885)

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