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Bericht des

Bundesrates an die nationalrätliche Kommission zur Behandlung der Vorlage über die Verlängerung der Geltungsdauer von Massiiahmeii zur Sicherung der Brotgetreide Versorgung des Landes (Vom 22. Februar 1952)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Im Verlaufe der am 16. und 17. November 1951 in Nyon abgehaltenen Sitzung hat Ihre Kommission beschlossen, die Behandlung der Vorlage zu verschieben und den Bundesrat einzuladen, ihr einen Bericht darüber zu erstatten, ob die für die Versorgung des Landes mit Brotgetreide nötige Eegelung nicht auf dem Wege über die Eevision des Getreidegesetzes vom 7. Juli 1932 rechtzeitig erfolgen könne. Diesem Auftrage kommen wir hiermit nach.

I.

Die für die Getreideversorgung des Landes zurzeit massgebenden Bestimmungen sind in der Gesetzgebung von 1932 sowie in verschiedenen kriegswirtschaftlichen Vorschriften enthalten. Wenn von einer Abänderung dieser Ordnung die Eede ist, so ist zu unterscheiden zwischen: A. Änderungen, die sich auf das Getreidegesetz beziehen und mit dem auf den ausserordentliehen Vollmachten beruhenden Ausnahmerecht in keinem Zusammenhang stehen; B. Massnahmen, die wir gestützt auf diese Vollmachten während des Krieges erlassen haben und die( definitiv in das neue Getreidegesetz, aufgenommen werden könnten;

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'·C.-Kriegswirtschaftlichen Massnahmen, für die keine verfassungsmässige Grundlage besteht und die trotzdem nach der Auffassung des Bundesrates für eine begrenzte Zeit noch über das Jahr 1952 hinaus Gültigkeit !

; behalten sollten.

Ad A. Die in der ersten Gruppe vorgesehenen Abänderungen ergeben sich aus den Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre und betreffen rund zwanzig: Artikel des Gesetzes von 1932. Es handelt sich um neue Bestimmungen und nicht um die Verlängerung kriegswirtschaftlicher Massnahmen. Die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten Ende 1952 berührt somit diese Revision nicht.

Die Gesetzgebung von 1932 bedarf aber dringend der Anpassung an die heutigen Erfordernisse und der Ergänzung: daher soll die Eevision so bald wie möglich zu Ende geführt-werden.

Ad B. Die zweite Gruppe betrifft die Massnahmen, welche seit 1942 die Verteilung des Brotgetreides an die Mühlen regeln. Diese Anordnungen, welche eine Kontingentierung der Müllerei zum Gegenstand haben, schalten eine überbordende Konkurrenz aus und sind für die Beibehaltung des heutigen Preisgefüges unerlässlich. Sie wurden gestützt auf die ausserordentlicheii Vollmachten getroffen und miissten daher Ende dieses Jahres ausser Kraft treten, sofern es nicht möglich wäre, sie im Bahmen der im revidierten Getreidegesetz vorgesehenen Schutzmassnahmen zugunsten der Müllerei beizubehalten. Sollte dieses indessen nicht spätestens am 1. Januar 1953 in Kraft treten können, so wäre eine Verlängerung der Geltungsdauer dieser Massnahmen zusammen mit denjenigen der dritten Gruppe unerlässlich.

Ad C. Die Massnahmen dieser Gruppe haben wir unter Ziffer III unserer Botschaft vom 81. Juli 1951 erläutert. Sie umfassen folgende Gebiete: a. Einfuhr, Lagerung, Verteilung, Verwendung und Vermahlung des Brotgetreides; b. Herstellung, Abgabe, Bezug, Verwendung, Preise und Ausfuhr von Mahlerzeugnissen und von Brot.

Es geht nur darum, für diese Massnahmen eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen und keinesfalls darum, die in den letzten Jahren erlassenen Einzelbestimmungen unverändert beizubehalten; diese wären vielmehr den wechselnden Verhältnissen laufend anzupassen.

In Ermangelung einer verfassungsmässigen Grundlage sehen wir zurzeit keine Möglichkeit, diese Vorschriften auf dem Wege der Getreidegesetz-Revisiqn beibehalten zu können. Im Gegensatz
zu den unter lit. A erwähnten Bestimmungen handelt es sich hier um Ausnahmerecht, das ausschliesslich zur Sicherung genügender Vorräte und zur Beibehaltung des bisherigen Preisgefüges vorläufig noch in Kraft bleiben sollte. Dabei ist nicht vorgesehen, diesen Massnahmen endgültigen und dauernden Charakter zu verleihen.

Es stehen zwei Wege offen zur Schaffung einer neuen, verfassungsmässigen Grundlage für die provisorische Beibehaltung dieses Ausnahmerechtes über den

456 81. Dezember 1952 hinaus : Der eine führt über einen Bundesbeschluss betreffend die Ergänzung der Verfassung gemäss den Bestimmungen der Artikel 85, Ziffer 14, 118 und 121, Absatz l, der Bundesverfassung; der andere besteht im Erlass eines dringliehen Bundesbeschlusses gemäss Artikel 89bls der Bundesverfassung, unmittelbar vor dem Wegfall der ausserordentlichen Vollmachten.

- Wir haben unter Ziffer IV unserer Botschaft vom 31. Juli 1951 die Gründe, weshalb wir die erstgenannte Lösung gewählt haben, dargelegt. Nachdem wir schon damals von der Notwendigkeit einer Verlängerung des Ausnahmerechtes überzeugt waren, wollten wir die damit zusammenhängenden Vorarbeiten nicht bis 1952 hinausschieben. Wir hielten es im Gegenteil für angezeigt, möglichst frühzeitig an die Eäte zu gelangen, um ihnen eine gründliche Prüfung der vielgestaltigen Fragen, welche sich aus der Verlängerung dieser Massnahmen ergeben, zu ermöglichen. Man hätte ja nicht geltend machen können, dass die Dringlichkeit im Sinne von Artikel 89bls, Absatz l, der Verfassung schon im Juli 1951 vorhanden gewesen wäre. Dieser Artikel konnte somit unseres Erachtens nicht angerufen werden. Die andere Lösung schien uns deshalb eher angebracht als das Ausnahmeverfahren auf dem Wege eines dringlichen Bundesbeschlusses. Das Volkswirtschaftsdepartement hat daher mit Becht alle Vorkehren beizeiten getroffen, um zu verhindern, dass durch eine Verzögerung der Vorarbeiten oder sonstwie ein Dringlichkeitsfall geschaffen werden könnte.

Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass in materieller Hinsicht zwischen den beiden Verfahrensmöglichkeiten kein wesentlicher Unterschied besteht, indem die eine wie die andere die Befragung des Volkes und der Stände erfordert.

Die Eechte des Volkes sind somit unter allen Umständen voll gewahrt.

II.

Nachdem wir in den bisherigen Ausführungen die drei G r u p p e n von Problemen aufgezeigt haben, welche sich bei der Änderung und Ergänzung der gegenwärtigen Getreideordnung stellen, ist zu p r ü f e n , in welcher Eeihenfolge sie gelöst werden sollten. Wir vertraten die Auffassung, dass sie nacheinander zu behandeln seien, weil es uns nur auf diese Weise möglich schien, Verwechslungen zu vermeiden zwischen Fragen, die sich einesteils aus der Eevision des Getreidegesetzes und andernteils aus der Verlängerung der Gültigkeitsdauer kriegswirtschaftlicher Massnahmen ergeben. Nachdem die Eevision des Getreidegesetzes nicht an eine bestimmte Frist gebunden ist, hielten wir dafür, dass die Priorität der Verlängerung der Gültigkeit kriegswirtschaftlicher Massnahmen zukomme. Dieses Vorgehen bietet auch, wie wir bereits bemerkt haben, den Vorteil, den gesetzgebenden Eäten die Prüfung unserer Vorlage in Euhe zu ermöglichen, was vielleicht nicht der Fall gewesen wäre, wenn die Eevision des Getreidegesetzes vorweggenommen worden wäre und wir die Behandlung des kriegswirtschaftlichen Teiles bis 1952 verschoben hätten, um Ihnen dann den Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses vorzuschlagen.

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Nach den bisherigen Beratungen Ihrer Kommission gewannen wir den Eindruck, sie hätte es vorgezogen, dass man in erster Linie die Eevision des Getreidegesetzes beendet hätte und sich erst gegen Ende des Jahres über die Zweckmässigkeit der Verlängerung der Geltungsdauer gewisser kriegswirtschaftlicher Massnahmen über den 31. Dezember 1952 hinaus schlüssig geworden wäre. Wie bereits ausgeführt, vertritt der Bundesrat die gegenteilige Auffassung.

Ihre Kommission wünscht ferner zu wissen, ob die für die Versorgung des Landes mit Brotgetreide nötige Regelung nicht auf dem Wege über die Revision des Getreidegesetzes vom 7. Juli 1932 rechtzeitig, d. h. bis zum 31.

Dezember 1952, erfolgen könnte. Diese Frage beantwortet der Bundesrat wie folgt: Die Revisionsarbeiten am Getreidegesetz wurden im Herbst 1948 aufgenommen. Wir beauftragten eine Expertenkommission mit der Prüfung eines Gesetzes-Vorentwurfes, der nachher dem Justiz- und Polizeidepartement unterbreitet wurde. Dieses Departement, das eine Reihe von verfassungsrechtlichen Fragen abzuklären hatte, legte seine Auffassung in fünf Gutachten nieder.

Ein zweiter Gesetzes-Vorentwurf kann demnächst der Expertenkommission zusammen mit einem Bericht über den Hauptinhalt der erwähnten Gutachten unterbreitet werden. Die Experten werden bald tagen können, worauf der Vorentwurf den Kantonen unterbreitet werden muss, welche nach bisheriger Erfahrung mindestens zwei Monate Zeit beanspruchen, um Stellung zu beziehen.

Wir werden'somit aller Wahrscheinlichkeit nach den Räten den Gesetzesentwurf mit unserer Botschaft nicht vor der nächsten Herbstsession unterbreiten können.

III.

Die kriegswirtschaftliche Massnahme, deren Verlängerung der stärksten Opposition zu begegnen scheint, ist die Zentralisation des Einkaufs und der Einfuhr von Brotgetreide. Seit unsere Vorlage vom 31. Juli 1951 erschienen ist, haben sich in der Presse fast ausschliesslich solche Stimmen gegen die zeitlich beschränkte Verlängerung des beim Bunde zentralisierten Einkaufes und Importes geäussert, welche die Interessen des Importhandels und der Grossmüllerei vertreten. Mit dieser Opposition hatte aber der Bundesrat zum vornherein gerechnet. Schon am 9. Juli 1949 und am 6. Februar 1950 war nämlich die Getreidebörse Zürich an die schweizerische .Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) mit dem Begehren um Wiederherstellung der Einfuhr- und Handelsfreiheit für Brotgetreide gelangt. In jenen Eingaben wurde die Auffassung vertreten, die allgemeine Lage und der Weltmarkt würden die weitere Beibehaltung des Einfuhrmonopoles, nicht mehr rechtfertigen, ohne :dass jedoch konkrete Vorschläge gemacht wurden.

Als der Bundesrat bereits grundsätzlich beschlossen hatte, eine befristete Verlängerung der gegenwärtigen Getreideordnung zu beantragen, verlangte die Getreidebörse Zürich neuerdings -- in einer vom 21. Juli 1951 datierten

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Eingabe -- die Freigabe des Importes von Brotgetreide. Der Ausgang der Beratungen Ihrer Kommission vom 16./17. November 1951 in Nyon veranlasste den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, eine Vertretung des Gesuchstellers auf den 7. Dezember 1951 zu einer Konferenz einzuladen. An dieser Besprechung bestätigte jene erneut ihre Auffassung, es bestehe zur Sicherung unserer Landesversorgung keine Notwendigkeit mehr, das Brotgetreide zentral einzukaufen und zu bewirtschaften, aber konkrete Vorschläge für eine Lösung waren immer noch nicht erhältlich. Der Chef des Volkswirtschaftsdepartements ersuchte deshalb die Getreidebörse Zürich, ihm ihre Vorschläge bis zum 15. Januar 1952 schriftlich vorzulegen.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1952 unterbreitete dann die Getreidebörse Zürich dem Volkswirtschaftsdepartement ihre Anträge. Sie erklärte sich grundsätzlich bereit, einen wesentlichen Teil der vom Bundesrat als Mindestmass geforderten Getreidelager als Pflichtvorräte in ähnlicher Weise zu übernehmen, wie die Lagerhaltung bei andern lebenswichtigen Gütern geordnet ist. Als Gegenleistung verlangte aber die Getreidebörse Zürich für 29 Weizenimportfirmen das alleinige Einfuhrrecht für Brotgetreide, verbunden mit einer Verpflichtung der Müller, ihren Getreidebedarf bei diesen 29 Weizenimporteuren zu decken, soweit sie nicht auswechslungsbedürftiges Auslandgetreide oder Inlandgetreide von der Getreideverwaltung gemäss den Bestimmungen der Getreide gesetzgebung übernehmen müssen. Die Kosten der Lagerhaltung wären nach dem Vorschlage der Getreidebörse Zürich auf den Verbraucher abzuwälzen.

Der Bundesrat hält den Vorschlag der Getreidebörse Zürich nicht für durchführbar, auf alle Fälle nicht innerhalb der für die Neuordnung verfügbaren Zeit. Der Vorschlag würde ja auch nicht die Freiheit des Importes bringen, sondern das bisherige Monopol des Staates durch ein solches zugunsten einiger Importeure ersetzen. Ein derartiges Privileg zugunsten der Importeure bestand aber auch nicht vor dem Kriege. Heute müsste dafür erst noch eine Verfassungsgrundlage geschaffen werden. Ob eine solche in der Volksabstimmung grössere Aussicht auf Annahme hätte als die von uns beantragte Verlängerung eines Zustandes, der sich im grossen und ganzen unter schwierigsten Verhältnissen seit 10 Jahren bewährt hat, mag dahingestellt
bleiben. Abgesehen davon vermag aber der Vorschlag der Getreidebörse Zürich keine unbedingte Gewähr für eine Vorratshaltung im heutigen Ausmass zu bieten. Ferner wäre bei seiner Verwirklichung auf jeden Fall mit einer Mehrbelastung des Brotverbrauchers oder des Fiskus zu rechnen. In Anbetracht der allgemeinen Erhöhung der Kosten der Lebenshaltung seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten in Korea und mit Büeksicht auf den Stand der Bundesfinanzen halten wir dafür, dass alles getan werden sollte, um eine derartige Mehrbelastung zu vermeiden. Vom politischen Standpunkte aus scheint es uns nicht ratsam, die Allgemein-Interessen zugunsten einiger Getreide-Grossimporteure zu opfern. Ebensowenig erachten wir es als wünschbar, eine Lösung vorzusehen, welche in bezug auf die Vorratshaltung geringere Sicherheit böte, weniger leicht durchführbar wäre und nach unserer Überzeugung nicht billiger zu stehen käme als die gegenwärtige Regelung.

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IV.

Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen beantworten wir die uns von Ihrer Kommission gestellte Frage wie folgt: a. Eine Verlängerung der in unserer Vorlage vom 31. Juli 1951 behandelten kriegswirtschaftlichen Massnahmen ist im Eahmen der Eevision des Getreidegesetzes von 1932 nicht möglich. Wenn eine solche Lösung durchführbar gewesen wäre, so hätten wir sie von uns aus vorgeschlagen.

i>. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass dem Erlass eines auf Artikel 89Ms der Verfassung sich stützenden dringlichen Bundesbeschlusses die Lösung vorzuziehen sei, welche wir mit unserer Botschaft vom 31. Juli 1951 vorgeschlagen haben, nämlich der Erlass eines Bundesbeschlusses, durch den die Verfassung für eine begrenzte Zeit ergänzt würde.

c. Wir wiederholen, dass die im erwähnten Beschluss vorgesehenen Massnahmen ein organisches Ganzes darstellen, aus dem man nicht einzelne Elemente herausbrechen kann, ohne das ganze Gebäude zum Einsturz zu bringen. Wenn man aber die Zentralisation des Einkaufs und der Einfuhr von Brotgetreide aufheben und gleichzeitig die Vorschriften zur Brotverbilligung beibehalten wollte, müssten die Verfassung ergänzt und verschiedene neue gesetzliche Vorschriften erlassen werden. Ein solches Gesetzeswerk wäre jedoch bis zum Jahresende unmöglich unter Dach zu bringen.

d. Wir werden die Eevision des Getreidegesetzes abschliessen, sobald das Schicksal unserer Vorlage vom 31. Juli 1951 überblickt werden kann.

Wir benützen den Anlass, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, um Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

; Bern, den 22. Februar 1952.

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Im Namen des Schweizerischen Bündesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Kobelt Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die nationalrätliche Kommission zur Behandlung der Vorlage über die Verlängerung der Geltungsdauer von Massnahmen zur Sicherung der Brotgetreideversorgung des Landes (Vom 22. Februar 1952)

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28.02.1952

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