#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

XVll. Jahrgang. .lll.

Nr. 32.

#ST#

13. Juli 1865.

Botschaft de...

Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Revision der Bundesverfassung.

(Vom 1. Juli 1865.)

Tit.l Durch den am 30. Juni 1864 mit Frankreich abgeschlossenen Riederlassungsvertrag ist bekanntlich den französischen Bürgern , ohne Rüksieht auf il.re Konsession, das Recht freier Riederlassung und sreier Gewerbsbetreibuug in der .Schweiz zugestanden worden. Dieses Zugestandniss hat sofort die Aufmerksamkeit der Bundesversammlung auf die allerdings nun anormale Lage der schweizerischen Jsraeliten hinlenken müssen , und es wurde für dringend erachtet, die Beschränkungen, welche diessalls noch in einer Reihe von Kantonen bestehen , in angemessener Weise zu beseitigen.

Anlässlich der Ratifikation der schweizerisch-französischen Verträge haben Sie daher am 30. September 1864 folgenden Beschluß gefasst : ,,Der Bundesrath ist eiugeladen, der Bundesversammlung so bald .,als moglich Berieht und Antrag zu hinterbringen zu dem Zweke, die .,in den Artikeln 4l und 48 der Bundesverfassung gewährleisteten Rechte ,,von dem Glaubensbekenntniss der Bürger unabhängig zu machen."

Jn der Absicht, uns dieses Auftrages zu entledigen , haben wir die Ehre, den gegenwärtigen Bericht Jhrer nähern Würdigung zu unterbreiten.

Um zu dem von Jhnen in Aussicht genommenen Ziele zu gelangen, war eine Revision der beanstandeten Versassnngsartikel das einfachste und Bundesblatt. Jahrg. XVII. Bd. III

3

34 direkteste Mittel. Doch schien auch ein anderer Weg dahin ^u führen, nämlich eine freiwillige Verzichtleistung aus die in jenen Artikeln enthaltenen Beschränkungen der Niederlassung von Seite derjenigen Kantone, welche diese Ver^chtleistung bis jezt noch nicht ausgesprochen habeu, sondern in Betreff der Niederlassung der S.hweizerbürger einfach bei den in d^er Bundesverfassung gegebenen Gruudlagen stehen geblieben sind.

Verschiedene Gründe veranlassen uns, zunächst diesen leztern Weg ^u versuchen, wobei wir von der Ansicht ausgingen, dass, wenn er gelänge, die angestrebte Unabhängigkeit der in den Artikeln 41 und 48 gewährleisteten Rechte von dem Glaubensbekenntnisse der Bürger faktisch erreicht und wohl auch für die Zul.nnst als gesichert betrachtet werden konnte, und dass, wenn er erfolglos bliebe, durch sein Betreten sür die Sache selbst nichts verloren, vielmehr eine grossere Einigung sür die sosortige Revision das Resultat seine würde.

Jn unserm Kreisschreiben vom .^4. Dezember 1864^) legten ^wir unsere Ansichten den Kantonen naher dar, mit der Einladung, sich darüber aufsprechen , ob sie in den vorgeschlagenen Weg freiwilliger Verziehtleistung eintreten wollten, oder ob bei ihnen Gründe bestünden , welche eine Erledigung der ^rage durch Revision als wünschenswerter erscheinen liessen. Wir ermangeln nicht, die Rükäusserungen der Kautonsregiernugen aus dieses Kreisschreiben wenigstens dem wesentlichsten Jnhalte nach hier anznschliessen.

.Zürich erklärt sich dahin, dass die nothwendigen Schritte gethan werden müssen , damit die schweizerischen Jsraeliten die gleiche Berechtigung erlangen und dass, insosern bei denjenigen Ständen, wo gegenwärtig noch Beschränkungen in der Rechtsstellung der Jsraeliten be^ stehen, die gehofste Bereitwilligkeit, solche aus dem Wege der kantonaleu Gese^gebuug ^u beseitigen , uicht vorhanden sein sollte , ohne alles Bedenken der Weg der Bartialrevisiou der Bundesversassung betreten werden mochte , weil kein anderer ^ur Erreiehuug des Zwekes übrig bleibt.

B e r u . Da im Kanton Bern die niehtehristlichen ..^ehwei^er bezüglich der Niederlassung gleich gehalten werden , wie die ehristli.^hen , so habe die vorgelegte Frage für den Kanton Bern keinen praktischen Werth, und es sehe sich desshalb der Regiernngsrath nicht veranlagt, sieh über die vorgelegte Frage auszusprechen.

... u z e r n hätte sich entschlossen tonnen, dem Großen Rathe die frei .

willig^ Vornahme der fraglichen Veränderungen vorzuschlagen , wenn Aussieht vorhanden gewesen wäre, dass aus dem Wege des freiwilligen

Verzichtes eine Gleichstellung der schweizerischen Richtchristen in der gan..

^en Ei^geuosseusch.ast zu erzielen sei. Run sei aber bereits offeutlieh bekannt geworden, dass hierin keine Einstimmigkeit stattfinde, sondern be^reits von andern Kantonen die Revision der Bundesverfassung ^ur Er-

^ Siehe ......nndesbl^ v. J. 18.^4, Band III, Seite ...70.

35 reiehnng des bezeichneten ^wekes verlangt worden sei. Ueberdies dürfe nicht übersehen werden, dass mit der freiwilligen Verziehtleistnng auf dem

Wege der Gesezgebnug eine vollständige Sicherung der Rechtsstellung der

Jsraeliten nicht zu erreichen wäre.

Uri hätte sich troz der Unnatürlichkeit des ganzen Versahrens gleichwohl ernstlich gefragt, ob es nicht auch durch eine entsprechende Vorlage au die kantonale gesezgebende Behorde den jezt der ..Bundesverfassung untergeschobenen ^inn, als kenne sie in ihren Grundrechten Vorlheile für Fremde , die sie den eigenen Bürgern nicht gewähre , wolle verwischen helfen. Allein jezt, nachdem schon mehrere Kantone sieh gegen ein soldes Vorgehen erklärt, sei hiefür keine Aussicht auf Erfolg mehr vorhanden.

S ch w ... z. Die schweizerische Verfassung gewähre nur die Ausübung des christliehen Kultus, und es stehe dem Kantonsrath ^ieht zu, dem ^ 18 der Riederlassuugsverord..uug , welche die Vflicht der Niederlassung....^währuug nur gegenüber Sehweizerbürgern, die einer christlichen Konfession angehören, kenne, entgegen einem verfassnngsmässigeu Grundsaze auszudehneu. Aber selbst wenn eine solche Ausdehnung, resp. Verzichtleiftuug aus keine Hindernisse stosse , so wür^e Sehw.^z Bedenken tragen, daraus einzugehen , weil ein Arrangemeut durch die Kautoue in.. Sinne des Kreisschreibeus mehr eine S.^pension , als eine Revision des Art. 41 der Bundesverfassung und moglicher.veise nur für kurze Zeit wirksam wäre. .......esshalb sei die Revision das einzig wirtsame Mittel. sie sei

aber anch naeh ihrer Ausicht das buudesgemäss einzig zulässige Mittel,

weil für Abänderungen der Bundesverfassung nicht nur die Mehrheit der Kantone, sondern anch die Mehrheit der stimmenden ...^hweizerburger erforderlich sei.

U n t e r w a l d e n ob dem Wald. .Laut Art. 8 der obwaldis.hen Versafsung konne das Riederlassnngsreeht an Bürger anderer Kantone nur nach Art. 4l der Bundesverfassung ertheilt werden. ^a nm. aber durch leztere die Niederlassung nur denjenigen Sehweizerbiirgern gewährleiste^ sei, welche einer der christlichen Konfessionen angehoren, so sei ^bwalden.

nicht im Falle, ohne vorläufige Revision der Bundesverfassung die Riederlassung im Kauton erteilen zu können.

U u t e r w a l d e n nid dem Wald. Da laut Art. .) der Kantons-^ Verfassung und nach Art. 4l und 48 der Bundesverfassung das Riederlasfungsrecht nnr denjenigen Sehweizerbürgern gewährleistet sei , welche einer der christliehen Konfessionen angehören , so könne man aus die ge-^ stellte Alternative weder in Verziehtleistung aus die den Kautouen garan-.

tirteu Rechte bezüglich^ der Niederlassung der schweizerischen Jsraeliten,.

resp. Richt^hristen, noch in Revision einzelner Artikel der Bundesverfassung eintreten.

G l a r u s erklärt, dass die .^rage freiwilliger Ver.ziehtleistung , was den Kanton Glarus anbetreffe, unbedenklich bejaht werden dürfe. Schon gegenwärtig bestehe in Glarus keinerlei verfassuugs- oder gesezmässige

36 Bestimmung , welche die Jsraeliten in Betreff der Niederlassung oder in irgend einem Vnnkte ihrer zivilreehtliehen Stellung anders zu behandeln nothigte, als die Bekenner einer christlichen Konfession, und die ^rar.i...

habe dieses Schweigen in liberalstem Sinne ausgelegt. Sollte aber eine positive und bindende Erklärung sür alle Zukunft verlangt werden, so konnte diese nur von der Landsgemeinde ausgehen. Man habe aber von der Befragung der Landsgemeinde vorderhand Umgang nehmen zu sollen geglaubt, da die aus einer Reihe von Kantonen einaelangten Antworteu es als hoehst unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Weg einer durch freiwilligen Verficht der Kantoue zu bewerkstelligenden , that-

sächlichen Beseitigung der Beschränkungen der Richtchristen ^u dem ge-

wünschten ^iele führen werde.

Z u g sagt , dass eine Veränderung der Stellung der Riehtchristen ans direktem Wege durch Revision der kantonalen Gesezgebung in Zng aus erhebliche Schwierigkeiten ftossen würde und der Regierungsrath stch jedenfalls nicht entfchliessen könnte , von sich aus in diesem Sinne die Jnitiative zu ergreifen. Aber auch abgesehen hievon sei der Regierungsrath der Ansicht, dass wenn eine Veränderung der Artikel 41 und 48 der gegenwärtig bestehenden Bundesverfassung angestrebt werden wolle, dieses nur auf dem sür Reformen verfassungsgemäss vorgeschriebenen Wege, unter Einholung der Sanktion des Schweizervolkes, geschehe.

F r e i b u r g sagt, dass im Kantone weder eine Verfassungs-, noch Gefezesbeftimmuug bestehe, welche die Gleichstellung der Jsraeliten mit den Schwei^erbürgern christlicher Konfessionen verhinderte, und dass in pr.^i diese Gleichftelluug bereits gehandhabt werde. Da aber eine Ver^ichtleistung aus die den Kantonen in den Artikeln 41 und 48 der Bundesverfassung eingeräumten Rechte eine Abänderung dieser Verfassung wäre, und eine solche nur nach den in der Bundesverfassung selbst vorgeschriebenen formen vorgenommen werden könne, so gehe ihre Ansicht dahin, dass der in Aussteht genommene Zwek nur durch eine partielle Revision der Verfassung erreicht werden könne.

Solothurn. Der angedeutete Weg freiwilliger ....^ichtleistung erscheint dem Regierungsrathe unstatthaft.

Die folothurnische Versassung

berufe sich bezüglich der Riederlassung eben auf die Artikel 41 und 48 der Bundesverfassung. Rnn stehe die Vornahme einer Abänderung der KantonsVerfassung in lester Jnstanz nur dem Volke zu. ^tatt aber in Solotl.urn und den verschiedenen andern Kantonen eine Versassungsrevision hervor^urnsen, erscheine es ^vekmässiger, die beiden Artikel der Bundesverfassung abzuändern, und ^war nicht anf dem Wege des Konkordates, sondern der Bundesgesezgebung in der von der Bundesverfassung selbst dasür vorge^ schriebene.. Weise.

B a s e l ^ t a d t erklärt von seinem kantonalen Standpunkte aus den Weg freiwilligen Verzichtes für durchaus zulässig, und wäre um so bereiter,

37 dem Grossen Rathe in diesem Sinne Vorschlage zu machen, als in pr.^i von den in den Artikeln 41 und 48 der Bundesverfassung den Kantonen gegebenen Rechten gegenüber Jsraeliten vielfach nicht Gebrauch gemacht worden sei. Eine solche tatsächliche Verbesserung des dermaligen Zu^ standes sei die Hauptsache und sie genüge, weil sie auch neben den Artikeln 41 und 48 der Bundesverfassung in Kraft treten könne. Sollte jedoch von andern Kantonen aus sormlicher Beseitigung der bisherigen Bestimmungen bestanden werden , so schiene dann allerdings die Revision dieser Artikel dem ^inne des Beschlusses der Bundesversammlung vom 30. Sep-

tember 1864 der geeigneteste Weg zu sein.

B a s e l ^ L a n d s c h a s t antwortet, es stehe ihm eine Wahl zwischen den zwei vom Bundesrathe angegebenen Wegen nicht ofsen, da seine Kantonsversassung in der Sache zu bindend laute. Eine Revision der Kantonsverfassung liege weder in dem Wunsche der Mehrheit des basellandschaftlichen Volkes, noch seiner Behorden. ^ie angestrebte Gleichheit der Rechtsstellung sür die Jsraeliten sei daher aus dem Wege der Revision der Bundesverfassung herzustellen.

. S c h a f f hau s en theilt mit, dass es schon vor der Ratifikation der schweizerisch-sran^osischen Verträge seinem Grossen Rathe die nothigen Vorlagen zur Gleichstellung der Jsraeliten gemacht und dass dieser den Anträgen bereits vorläufig beigepflichtet habe.

Appenzell A. Rh. findet, dass es allerdings der Ehre und Würde der ^ehwei^ am meisten entsprechen würde, wenn jeder Danton bei sich ^u Hanfe mit der Antiquität der Juden-Ausschliessung aufräumen würde, muss aber gleichwohl den Weg der Bundesversassuugsrevision vorgehen, weil nach den bereits eingegangenen Antworten mehrerer Kautone der vorgeschlagene Weg ohne Erfolg zu sein scheine und eine Anfrage an die Landsgemeinde bei der Voraussicht, dass doch ^..r Revisiou der Bundesverfassung gegrisfeu werden müsse, nunüz erscheine.

A p p e n ^ e l l J. Rh. glaubt, dass eine Ver^chtleistung aus Rechte, welche durch die Bundesverfassung gewährleistet seien, in diesem und in andern Kautouen auf grosse Schwierigkeiten stossen müsste, und dass der angestrebte Zwek, der seinerseits vollkommen gebilligt werde, auf allseitig befriedigende Weise nur vermittelst einer saehbe^üglichen Revision der Artikel 41 und 48 der Bundesverfassung erreicht werden konne.

^t. Gallen erklärt sich mit der Anschauung des Bundesrathes, so weit sie die ^.ache selbst betrisst, einverstanden, und hätte auch weder in der kantonalen Verfassung, noch in der Gesetzgebung Hinderungsgründe, den Weg freier, kantonaler Ver^ichtleistung ^u betreten , erachtet aber gleichwohl den Weg einer Vartialrevision der bezüglichen Artikel der Bundesverfassung für den einzig zulässigen und zwekmässigen.

G r a u b ü u d e u theilt einfach mit, dass für Graubünden die in den Art. 41 und 48 der Bundesverfassung gewährleisteten Rechte bereits im

^ Jahr 1861 von dem Glaubensbekenntniss der Bürger unabhängig gemacht worden seien.

Aarg.^u eröffnet, dass es im Begriffe sei, die Gleichstellung der Jsraeliten auf dem Wege des Gesezes sicher zu stellen , andere Kantone scheinen aber ans konstitutionellen Gründen eine Revision der Art. 41 und 48 der Bundesverfassung vorzuziehen, und Aargau könne es nur erwünscht sein, wenn die Gleichstellung der Schweizer nichtchristlicher Konsession, statt dem freien Ermessen der Kantone, dem Bnndesrechte vorbehalten bleibe.

T h u r g a u ist entschieden sür Beseitigung des veralteten Ausnahme verhältaisses , und hat in diesem Sinne bereits dem Grossen Rathe Vorlagen gemacht, kann aber gleichwohl dem Modus der Verzichtleistuug, wenn damit wirklich wolle Genüge geleistet werden, ans verschiedenen Gründen nicht beistimmen, sondern ist der Ansieht, dass uni das augestrebte Ziel, auch den uiehtchristlichen S.^weizerbürgern das freie Riederlassungsrecht im Gesammtgebiete der Eidgenossenschast zuzusichern, erreichen ^u können, eine Revision der Art. 41 und 48 der Bundesverfassung sowohl

aus Zwekmässigkeitsgrüudeu, als in restlicher Hinsicht nuerlässlich sei.

H e s s i n sagt, dass ihm jeder Weg gleichgültig sein konnte, l^a im Kanton schon jezt faktisch in Betreff der Niederlassung und GewerbsAusübung kein Unterschied ^wischen Christen und Richtchristen gemacht werde, gebe aber doch dem Wege der Revision den Vorzug, schon desswegen, weil einem Statut, welches das Volk angenommen, rechtlich keine Behorde, weder kantonale noch eidgenössische, derogiren könne. dan.. aber auch, weil die Revision der einzig sichere und die Zukunft garautirende Weg zum Ziele sei.

W a a d t hat sür sich keine Massregel zu treffen, um das Prinzip der Gleichheit unter allen ..^ehweizerbürgern in seiner ganzen Ausdehnung festzustellen, und steht, was die vorgelegte Alternative betrifft, keinen An-

geublik au, den Weg freiwilliger Ve^iehtleistnng durch die Kantone zu

empfehlen, da eine Revision der Bundesverfassung für den Kanton Waadt, der keine waadtlän^ischen Jsraeliten habe, anch von den Einschränkungen der Artikel 41 und 48 nie Gebrauch gemacht habe, ohne Juteresse sei.

W a l lis ist überzeugt, dass der Weg freiwilliger Ver^iehtleistung, welcher der praktischere sei, im Kanton keinen ^ehwierigkeilen begegnen würde, und wäre bereit , dem Grossen Rathe entsprechende Vorlagen z.. machen, kann sich jedoch nicht verhehlen, dass dies nicht der regelmäßige Weg ^ur Abänderung der Bundesverfassung sei, und dass nur diejenigen gebunden wären, welche den Verficht wirklich ausgesprochen hätten.

Reuenburg hat bereits verfassungsmäßig die vollste Rechtsgleichheit unter den Bürgern, und maeht keinerlei Einwendung gegen eine Revision der Bundesverfassung in diesem Sinne, wenn dieselbe notwendig werden

sollte.

^

39 G e n f ist, was Verfassung und Gesez anbetrisst, im gleichen Falle wie Reuenburg, glaubt aber, was die gestellte Alternative anbelangt, dass einzig eine partielle Revision der Bundesverfassung volle Garantie gebe für die allgemeine und bleibende Abschaffung der in manchen Kantonen noch bestehenden Rechtsungleichheit, und wünscht, dass zu einer solchen Revision geschritten werden mochte.

Aus diesen Antworten ergibt es sich, dass einige Kantone aus konstitutionellen Gründen es ablehnen, aus den vorgeschlagenen Weg sich einzulassen, während andere ihn desshalb zu vermeiden wünschen, weil er bei ihnen nicht bloss die Abänderung eines Gesezes , sondern der Verfassuug selbst voraussehen würde, und dass endlich ^auch diejenigen, welche für sich keinen Anstand nehmen, die Angelegenheit auf dem Wege der Verzichtleistung zu ordnen, dieses Verfahren s.l.ou desshalb nicht mehr ernstlich in ^rage nehmen ^u können erklären , weil nur bei allseitiger Zustimmung das angestrebte Ziel sich erreichen lasse , eine Anzahl Kautone aber bereits ablehnend sich ausgesprochen habe.

Ohne die uns gewordenen Rükäusserungen näher zu erortern, genügt es, ^u erwahren, dass die Beseitigung der fraglichen Beschränkungen auf dem Wege der Vorleistung durch die Kantone nicht gelungen ist. Daher bleibt, um zu den in Jhrem Beschlusse vom 30. September vorigen Jahres angestrebten Ziele zu gelangen, kein anderer Weg mehr übrig, als die betreffenden Artikel durch eine Revision mit Jhren Absichten besser in Einklang ^u bringen. Wer auch ans irgend einem Grunde mit dem von uns gemachten Versuche uicht einverstanden war, wird immerhin zugeben dürfen, dass, eine unerhebliche Ver^ogernng abgerechnet, nach den vorliegenden Erklärungen der Kantone je^t eine besriedigende Losuug mittelst der Verfassungsrevision noeh sicherer erwartet werden kann , als es vielleicht vorher und auf dem erstmals eingeschlagenen Wege der ^all ge^wesen wäre.

^ Die Bundesverfassung hat im Art. 41 das Recht der freien Riederlassnng im U.^fange der Eidgenossenschaft nur denjenigen Schweizern ^ugesichert, welche einer der chriftliehen Konfessionen angehoren, und kouse.^uent damit hat der Art. 48 den Kantonen auch unr gegenüber den Schweizern christlicher K o n f e s s i o n die Verpflichtung auferlegt, diese in der Gesetzgebung sowohl, als im gerichtlichen Verfahren
den Bürgern des ^ eigenen Kantons gleich ^.. halten. Diese Ausschliessnng aus der allgemeinen Rechtsgleichheit der Schweizer war, wie aus den Verhandlungen der Tagsa^ung erhellt , zunächst und hauptsächlich gegen die Jsraeliten gerichtet. An der Hand der daherigen Protokolle dürfen wir uoch einen Sehritt weiter gehen und behaupten, dass man nicht sowohl die schweizerischen als vielmehr die französischen Jsraeliten im Auge gehabt hat, deren Aussehluss von der freien Riederlafsung im Jahr 1827 na.h den weitläufigsten und mühevollsten Unterhandlungen erreicht worden war. Hinwieder dürste es eben so unbestritten sein, dass nicht religiose Vorurtheile hauptsächlich

40

^

zn dem gegenwärtigen Resultate geführt haben, fondern dass man vielmehr den Jsraeliten wegen seiner eigenthümlichen Richtung des Geistes und des Geschäftsbetriebes glaubte scheuen und daher von der Wohllhat des unbedingten freien Verkehrs ausschliessen zn sollen.

Es waren somit mehr .Antipathie sozialer Ratnr, welche den Jsraeliten die Gleich..

stellung mit den übrigen Bürgern versagen Dessen.

Es ist r^ch.tig, dass die Beschränkungen der Jsraeliten in ihren Lebensverhäll^issen in dem Masse, wie es in der Schweiz der Fall ist, in vielen .Ladern zum Theil schon seit langem nicht mehr bestehen, namentlich in solchen Ländern nicht mehr^ die gleich uns dem Fortsehritte

in religiöser und politischer Richtung zugethan sind. Um sich zu erklären,

wie gerade in dem freiesten Lande Europas, in der S c h w e i g mit ihren milden und wohlwollenden Sitten und Gesinnungen eine solche Anomalie vom ^tandpnnkte der Humanität sich bis heute hat halten konnen, darf man nicht übersehen, dass die Schweiz eben ein Land ist, das nicht durch den Wink eines Einzelnen oder auch eines erleuchteten Parlamentes unbedingt regiert wird, sondern ein Land, in welchem auch die Ansehauungsweise des einzelnen Bürgers mehr als anderwärts beachtet werden muss, ein Land, wo die volle Ausnahme in alle Rechte der Volkssamilie sur den Einzelnen, wie für das Ganze, von grosserer Tragweite .st als anderswo . ^ ein .Land , wo selbst ein Jrrthum nicht von oben herab und oft im Gegensaze zur Volksansicht, sondern nur mit dem Bolk und durch das Volk berichtigt werden kann , --- in welchem daher mancher Fortschritt aus gewissen Gebieten vielleicht später als anderwärts kommen mag, dann aber aneh als wirkliche und bleibende Errungenschaft des Volksgeistes betrachtet werden dars.

Und wenn nnn die ...^ehwei^ heute daran geht, gewisse, allerdings nicht mehr zeitgemäße Bestimmungen , die an das Religiose anstreifen, aus ihrem politischen Grundgeseze zn beseitigen, so^darf man mit allem Rechte behaupten, dass dieser .Standpunkt in Wahrheit kein ihr von Aussen her aufg^wungener ist und somit den Ausehauuugen des Volkes in seiner überwiegenden Mehrheit nicht mehr entgegensteht. Der Beweis hiesür liegt darin, dass Unabhängigkeit der Niederlassung und der bürgerlichen Rechtsstellung von dem Glaubensbekeunt..iss schon in mehreren Kantonen vorhanden und vou den betreffenden Bevölkerungen ausdrüklich angenommen worden ist, trozdem dass die Bundesverfassung gewisse Besehränkungen bis anhin gestattet hat, ja man dars unbedenklich sagen, dass die fraglichen Beschränkungeu in einem bedeutenden Theile der Schweiz ein todter Buchstabe waren, bevor man an einen ^ertrag mit Frankreich dachte, - ei^. verblasster Buchstabe fast überall auch da, wo kantonale ...^erfassuugen ihn bisanhin noch enthielten und gerade, weil die Bundesversammlung mit uns die Ueberzeugung theilte, dass es dem also sei, durste sie von ihrem formellen Rechte Gebrauch machen und Frankreichs Bürgern ohne Unte..^ schied des Glaubeus freie Niederlassung h. der Schweiz zufagen. Diefe

^

4t Thatsache gibt uns aber den bestimmten Aniass und muss uns dazu vermögen , gewisse Beschränkungen , welche weder mit dem Geiste der Verfassnng, noch mit den. Geiste der Zeit mehr zu vereinbaren sind, in ausdrüklicher und formlicher Weise sallen zu lassen. Das Sehweizervolk, an dem die Spuren der Zeit noch niemals umsonst vorübergegangen sind.

das noch jeweilen viel gelernt und viel vergessen hat, wird nicht anstehen, den eigenen Landeskindern , die mit uns alle Lebensschiksale zu theilen haben, freudig diejenigen Wohlthaten einzuräumen, welche man Bürgern anderer Staaten vertragsmäßig zugestanden hat und auch fernerhin zugestehen wird.

Die in Folge dessen nothige.. Abänderungen in den berührten Ver^ fassungsartikeln ergeben sich daher ohne Schwierigkeiten.

Es bedarf im Art. 41 nur Streichung der Worte . ,,welche einer der christliehen Konfessionen angehoren^, und im Art. 48 Streichung der Worte. ,,christlicher Koufessiou^, und es sind fortan alle Schweizerbürger ohne Unterschied der freien Niederlassung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft theil^ hastig und den Bürgern des eigenen Kantons in der Gesezgebung sowohl,

als im gerichtlichen Verfahren gleichgestellt.

Jndem wir die Ehre haben, aus Revision der Art. 41 und 48 in der angegebeneu Weise anzutragen, könnten wir damit den uns gewordenen Austrag als erledigt betrachten. Allein durch den Vorschlag einer Revision .^er Bundesverfassung , wenn auch in dem angedeuteten eng begrenzten Umsange, erhält die Saehe eine andere Gestalt, und es muss sieh mit Rothwendigl^eit die Frage ausdrängen , ob sich die Revision einfach aus die zwei genannten Artikel beschränken solle, oder ob nicht noch andere Artikel in den Bereich derselben zu ziehen seien.

Hier angelangt, sei es uns gestattet, Jhre Aufmerksamkeit aus sol-

gende Gesichtspunkte hinzulenken.

Das Schweizervolk hat uuter der jezigen Bundesverfassung, es wäre ein schweres Unrecht, dies nicht allezeit dankbar anzuerkennen, bald 17

glükliche Jahre verlebt. ^

Eng genng sich ausehliessend an das bei ihrer Entstehung Gegebene, um allgemeinen Vertrauens theilhaftig zu werden, und ohne Verwirrung der Geister und der Verhältnisse das Volk in neue Bahnen einzuführen, hat diese Verfassung auch weit genug die Ziele gestekt, nm ans Jahre hinaus dem Lande Bewegung und Fortschritt im ...^inne der Einigung, der Rationalisirung, der Freiheit, der geistigen und materiellen Kultur, der Sicherung seiner Unabhängigkeit zu ermöglichen. Vorsichtig genng, um des Landes Zukunft nur aus ganz sichere Grundlagen zu stellen, und ängstlich die vorhandenen Kräfte ermessend, war sie auch so muthig und so vertrauensvoll genug, um grosse Zweke in Aussieht zu nehmen und lhrer Verwirklichuug in spätern Zeiten .^ie Bahn osfen zu erhalten. Jdeal genug , um in ihren Grundprinzipien die Entwikluug zur Freiheit uud

42 Humanität sicher zu begründen, war sie auch praktisch genug, unt manche Unebenheit der wirkenden Kraft jener Grnndsäze anheimzustellen und nicht alle Konsequenzen sofort selbst ziehen ^u wollen.

Unter dieser Verfassung hat das schweizerische Volksleben sich rasch und glüklich entwikelt. Es hat in hohem Masse an innerer Einheit zugenommen , es hat eine Freiheit und Leichtigkeit der Bewegung gewonnen, die es früher nicht gekannt und die seiu Wohlsein und seinen Wohlstand bedeutend vermehrt hat, es hat eine Rechtsgleichheit und Rechtsterheit erworbeu, welche jedem, wo au^h im Lande er sich niederlassen mag, diesen Wohnort ^ur ruhigen Heimat umsehafst, es hat in deu einzelnen Kantonen freiere politische Institutionen aufgebracht und diese Umgestaltungen unter dem Eiuflusse ^es .starken allgemeinen Bandes rnhig voll^ogen. Es hat eine Steigerung des nationalen Sinnes gewonnen, welche es besahigt, Uebeln, die zur Schmach des Landes Jahrhunderte gedauert haben , ein rasches Ende zu bereiten. Es hat reiche Mittel in seinen

Schooss fallen und durch diese Mittel herrliehe Werke für geistige Bildung,

materielle Kultur und zur Sicherung des Vaterlandes entstehen sehen.

Es hat eine moralische und physische Krast gewonnen, welche ihm troz seiner Kleinheit eine ehrenhaste Stellung unter den Staaten fi.hert.

Dass bei solcher Sachlage diese Verfassung dem Lande von hohem, ja von grösstem Werthe ist und dass man nur ^ogernd an den Gedanken geht , in umfassender Weise Hand an sie zu legen, ist eben so natargemäss als wohl begründet.

Eben so natürlich ist aber aus der andern ^.eite, dass, nachdem einmal die Versassnn^srevision angeregt worden ist, auch mancherlei Wüns.he, Begehren und Antrage ^ur .^praehe gekommen sind. Es wird dies das .Loos jeder Verfassung seiu , auch derjenigen . welche nach menschlichem Wissen und Konnen ^e... hoehsteu Gr...^ der Vollkommenheit errei.ht haben sollte. So ist es anch unserer Verfassung ergangen. Von verschiedenen leiten find Verbesserungsvorschläge in mehr oder weniger einlässlieher und begründender Weise, do.h gewiss immerhin in guten Treuen, gemacht worden.

Jndefsen ist doch nicht zu übersehen , dass eingreifende .Abänderungen nur in einem kleineu Kreise ihre Vertreter gesnndeu habeu, und dass eine eigentliehe Stromnng nach einer Revision in umfassendem Massstabe überall nicht vorhanden ist. Ma.. würde sich daher sicher täuschen und irre gehen, wenn man au den Grundpfeilern des Gebäudes rütteln wollte, unter dessen geheiligtem Dache die überwiegende Mehrheit des Schweizervolkes aneh heute noch si.h wohl befindet und um deinetwillen , wir dürfen es ohne Ueberhebung sagen, nns die andern Volker glüklich preisen.

Nichts desto weniger halten wir dafür, dass wir bei den erwähnten .^wei Artikeln nicht stehen bleiben dürfen, sondern dass ein Schritt weiter gethan werden soll.

^

43 Die Zeiten haben sich innerhalb der verflossenen l7 Jahre wesentli.h geändert. Anstauungen, welche im Jahr ^848 noch mächtig waren und in der Verfassung ihren Ausdruk sanden , sind veraltet . Ziele, ^ie sie gestekt hatte , find erreicht und werden zum Theil als beengende Schranken empfunden. ^ene Verhältnisse und neue Bedürsnisse sind entstanden, denen man aus dem Boden der je^igen Verfassung nicht mehr in ganz entsprechender Weise gerecht zu werden vermag. Fragen von .

Bedeutung si^.d ausgetaucht , welche einer bestimmten und allgemein verbildlichen Losung bedürfen. Reue Eutwiklungen sind vorauszusehen, welchen für die Zukunft Raum geschafft werden sollte.

Inzwischen geht unsere Meinung keineswegs dahin , dass allzuweit abgegriffen werden solle. Der realistische Geist, welcher die Bundesversasfung erzeugt hat und die Methode in der Behandlung der damalige.. Zeit haben sich in den Erfolgen so gut bewährt, dass wir nichts Besseres thun ^u konnen glauben, als in demselben Geiste und nach derselben Methode fort^ubanen. Das subjektive Wünschen wird dem objektiven Erwägen nachgehen müssen. Theoretisch-logische Richtigkeit eines Gedankens wird nicht allein entscheidend sein , sondern eben so sehr die Realität des Bedürfnisses, der Stand der Verhältnisse und Anschauungen

und gan^ besonders die Möglichkeit einer friedliehen Einigung, dies rieh-

tig zu beurteilen, dazu wird am besten die bisherige Erfahrung führen.

Forderungen, auf die man immer wieder gestossen ist, Mängel, die wiederholt gefühlt und zum klaren Bewußtsein gekommen sind, .^onse^uenzen bundesreehtlieher Prinzipien, welche einzelne Kantone schon gezogen haben, Schranken, deren hindernde Einwirkung auf die Weiterentwikluug des Landes oftmals schmerzlich empfunden worden sind , das sind die Wahrzeichen, an deren Hand wir richtig werden vorwärts gehen können.

Wir wiederholen somit unsere Ansicht, dass es nicht wohlgethan wäre , wenn man ohne Rül.si.ht aus diese Ergebnisse die Revision der Bundesverfassung lediglich aus diejenigen funkte beschränken wollte, welche dazu den änssern Anlass gegeben haben, während andere an Bedeutung ihnen offenbar nicht nachstehen. Eine solche Behandlung dürfte dem Lande eben so wenig ^um Rnzen gereichen, als diejenige, welehe ebenfalls bloss subjektivem Verhalten entspringend, den Anlass der Revision zu Umgestaltungen bennzen wollte, deren Notwendigkeit noch als zweifelhafter ^atnx bezeichnet werden muss. Es hat sich gefügt, dass eine Frage die beiden gese^gebenden Räthe ^nr Vornahme einer gemeinsamen Versassnugsrevision geeinigt hat und dass die grosse Anzahl der Kantonsregierungen leztere fordert. Richt leicht wird ein so günstiges Znsammentrefsen der Umstände sich feigen. Die Bedürfnisse und Wünsche in. grosse.. Ganzen sind zu verschieden , als dass sich auf dem durch die Verfassung vorgezeiehneten Wege auch nur eine partielle Revision so bald wieder voraussehen liesse. Gegenwärtig ist jedoch die Situation eine an-

^4

^

dere. Die Lage , die nur äusserst schwer zu gewinnen wäre und wenn sie erstritten werden müsste, leicht bedeutende Zerwürfnisse herbeisühren

konnte , fällt jezt fertig nnd friedlich in die Hand der Gesezgebung und

trifft .Land nnd Behorden in einer Stimmnng , in der ohne leidenschastliehe Barteiung uud ohne storeude Einwirkung von Tagessragen .^ie Revisionsarbeit vorgenommen werden kann. Es erscheint daher als in hohem Grade rathsam, diese günstige Lage zu benuzen , nm das, was nach den bisherigen Erfahrungen ^ur Verbesserung der Verfassung gethan werden kann, auch wirklich ins Werk zu sezen.

Die weitern Bunkte, die wir Jhnen zur Revision empfehlen möchten, stehen vorerst im nächsten Zusammenhange mit denjenigen Artikeln, welche sich aus das Riederlassungswesen beziehen.

1. Werden die Artikel 41 und 48 nach unserm Vorschlage revidirt, so scheint uns die entsprechende Verbesserung des Art. 44 als eine logice Rothwendigkeit sich zu ergeben. Dieser Artikel schreibt nemlich in seinem ersten Absage vor : ,,Die freie Ausübung des Gottesdienstes ist den anerkannten christ^lichen Konfessionen im ganzen Umsange der Eidgenossenschast gewähr,, leistet.^ Wenn der Bund die Riederlassnug vom religiosen Bekenntnisse uuabhängig erklärt; wenn er die Gleiehhaltung aller Bürger, abgesehen von ihrer Konsession , in der Gesezgebung und im gerichtlichen Verfahren vorsehreibt , so liegt kein zureichender Grund mehr vor, die Gewährleistung der freien Ausübuug des Gottesdieustes aus die anerkannt christlichen Koufesstouen ^u beschränken. Vielmehr ergibt sich dieses ^ugeständuiss als ein Ausfluss derjenigen Rechtserweiterung , welche in den revidirten Artikeln 41 und 48 der Verfassung zugestanden worden ist. Schon je^huldig^u mehrere Kantone, wie Bern, Waadt, Reueuburg, Gens n. a.

diesem, einer wahrhast christlichen Toleranz entsprechenden Gruudsa^e, und es würde in der That dem Bunde übel anstehen, wenn er glauben sollte, denselben ablehnen zu müsseu, oder nicht ertragen zu konnen.

Die Erfahrung lehrt uns, dass die religiosen Anschauungen mit der Zeit wechseln ; dass sie namentlich im Gefolge der wisseus.haftlichen .^orsehungeu sich, immer neu belebend uud anregend, gestalten, uud ^ass somit auch im religiosen Gebiete der ewig sich entwikelnde Geist keinen Stillstand kennt.

Mit dieser Wahrnehmung verträgt sich die Beschränkung .^er Got^ tesverehrung aus gewisse Religionsverwandtschaften uud der Ausschluss aller auderu in der That nicht mehr. Er tritt vielmehr^ mit den hochsten Gütern des Mensehen, der sreien ^orschnng und der
Ueber^ugu..gstreue, in offenbaren Widerspruch. Was in dieser Beziehung von Staates und Rechtes wegen gefordert werden kann, beruht einfach darauf, dass die Religionsgeuossenschast . welehe aus sreie Bewegung Anspruch

^

45 machen will , weder in ihrem ^weke , noch in ihren Mitteln als rechtswidrig oder staatsgesährlich sich erweise und dass sie den Anforderungen der osfentlichen Moral zu genügen vermoge.

2. Ein ^weiter, fernerer Vunkt, der uns zur Revision reis erscheint, ist der Rachsaz in ^isfer 1 des Art. 41, welcher vorschreibt: ..Raturalisirte Schweizer müssen (um die freie Niederlassung anspre,,chen zu konnen) überdies die Bescheinigung beibringen, dass ste wenigOstens fünf Jahre lang im Bestie eines Kantonsbürgerrechtes sich be,, finden...

Diese Restriktion hat so viel wir wissen im wirklichen Leben wenig oder keine Anwendung gesunden, und man müsste bei unsern jezigen Verhältnissen eine ganz eigentümliche Anwandlung voraussehen , um anzunehmen, dass eine Kantonsregierung versucht sein konnte, die Eigenschaft des Schweizerbürgers naeh dieser Anzahl von Jahren zu sichten und zu unterscheiden. Es mag jener Bestimmung wohl ursprünglich der ..Bedanke zu Grunde gelegen haben , dass sieh die Kantone in Betreff der Ausnahme von Fremden ins Kantons-, beziehungsweise ins Schweizerbürgerrecht einige Garantien zu leisten hätten.

Wollen wir nun auch den Umstand nicht besonders betouen , dass der Ausländer nach Massgabe der Vertrage die Niederlassung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft überall in .Anspruch nehmen kann, während dies bei dem naturalisirten Schweizer erst nach Ablauf von fünf Jahren seit seiner Einbürgerung der Fall sein soll, so ist doch nicht zu verkennen, dass jeder Kanton so viel Achtung und Zutraueu von dem andern verlangen darf, dass wer von ihm wnrdig und tauglich zur Aufnahme in das volle Bürgerrecht erfunden worden ist, von dem andern Kantone nicht noch fünf Jahre von einem so wichtigen Rechte, wie die Riederlassung ist , ausgeschlossen und gleichfalls in einen ^rüfungsstand verseht werden dars. Diese Achtnng und dieses Zutrauen haben die Kantone übrigens einander ersahrungsmässig immer bewiesen. Die angefochtene

Bestimmung ist glüklieherweise niemals lebenssähig gewesen, und darin dürste Grund genng liegen , um sie aus der Versassung wegsallen zu lassen.

Die genannte Bestimmung ist übrigens nur noch als Reminiszenz au^ vergangenen Zeiten zu betrachten, in denen man die sreie Niederlassung noch mit etwas ungünstigem Auge anzusehen gewohnt war. Jn d^..

Mediationszeit nämlich musste die sreie Niederlassung jedem Schweizer gewährt werden, welcher nachweisen konnte, dass er seit 10 Jahren ^chweizerbürger sei. Daher hat steh diese, jezt sinnlos gewordene Formel in den Heimatscheinssormularen mancher Kantone bis aus den heuti^en Tag fortgeerbt.

Etwas Aehnliches glaubte man im ^ahr 1848 noch ausnehmen zu sollen ; jedoch wnrde die Zeit der .^uast-Eingrenzung in den Raturalisationskanton aus fünf Jahre herabgesezt.

46

^ 3. Wichtiger, als die eben angeführte Bestimmung ist d.e Frage

wegen der Rechtsstellung der Niedergelassenen gegenüber der doppelten Jnansprnehnahme von Seite des Ri.^erlassungs- und des Heimat^autons.

Es ist leicht vorauszusehen, dass der vorgeschlagene Artikel zu mannigfaeheu Erörterungen führen, dass er Freunde und Gegner finden wird.

Unter Hinweisnng ans die grosse Zahl der ausserhalb ihres Heimatkantons in andern Kantonen niedergelassenen Schweizer, machen wir aus den Zustand der Rechtssicherheit aufmerksam, in welchem sieh die ganze Masse befindet, - ei..e Unsicherheit, welche sich vornemlich auf die ^teuerpflicht, das Vormm.dschaftsreeht, das Ehereeht, das eheliche Güterrecht und das Erbrecht begeht. Sie sei nicht nur für die Riedergelas.^ senen selbst schädlich und mitunter geradezu verderblich , sondern sie ver..

sezt das ganze Bublikum, das mit diesen Niedergelassenen verkehrt, in gewisse Gefahren.

Sie bereitet aber auch ^. B. wegen der Steuer^ und Vormundschastsfragen den Gemeinden und selbst den Kantonen Verlegenheiten , und hat bekanntlich schon zu zahlreichen Konflikten Anlass gegeben, welche so zu sagen nach dem freien Belieben der Behörden entschieden werden. ^iese Konflikte drehen sieh sast alle um eine und dieselbe Frage. Ans der einen Seite tritt der Heimatl^anton auf und behauptet , sein Recht sei massgebend für seine Bürger. ^enn von ihm gehen diese aus und zu ihm kehren sie, namentlich im U..glüksfalle, wieder ^urük. Auf dem Heimatkanton laste daher die ganze Verantwortlichkeit, welche billigerweise auch mit gewissen Rechten gepaart sein müsse. Auf der andern Seite steht der Riederlass....gskautou und sagt : Ri^t Vergangenheit und nicht ungewisse Zukunft dürfen maßgebend sein, sondern die Verhältnisse der Gegenwart und der Wirklichkeit. Wer den Schuz des Riederlassungskantons in Anspruch nehme , stelle sich damit auch unter dessen Gesez. Allgemein ist das Bedürsniss vorhanden , dass ein festes Recht gegeben werde, damit ein Jeder w.sse, woran er sieh zu halten habe und damit der Skandal aufbore . wornaeh der Bur^er dess^ halb, weil die regierenden Herren sich nicht perständigen können, doppelt für Steuern, Vormundschasten u. s. w. in Anspruch genommen wird.

So lange die Niederlassung iu einem andern Kantone mit sollen Rechtsnaehtheileu belastet ist, kanu man von einer freien .Niederlassung nicht sprechen, und es nimmt sieh beinahe
komisch aus , wenn die Bundesgesezgebnng vorsorgt, dass die Kan^leigebühr für die Niederlassung iu 4 Jahren 6 ^r. nicht übersteigen dürfe, wahrend keinerlei Vorsorge gegen Doppelbefteuernng der Niedergelassenen getroffen sind. Gestü^t auf diese Erwägungen sehlagen wir^vor, als neue Zifser dem Art. 4l die Bestimmung beizufügen , dass der Bund befugt sei , im Wege der Gesezgebung dasür zu sorgen , dass der Riedergelass.^.ne in den verschiedenen Materien des öffentlichen und Brivatrechtes nicht gleichzeitig von mehreren Kantoualgesezgebungen beansprucht werden koune.

Man wird einwenden , die Besugniss , in bezeichneter Weise gese^geberiseh einzuschreiten, sei bereits vorhanden ; die Bundesversammlung habe

47 seinerzeit bei Behandlung des Gesezentwurfes über Ordnung und Ausscheidung der Kompetenzen der Kantone in den interkantonalen Riederlassungsstreitigkeiten dieselbe tatsächlich anerkannt. Bedürfe es aber ^um angegebenen Zweke keines neuen Versassungsartikels, so sei es nicht gerathen , einen solchen in Frage zu stellen, durch dessen Annahme positiv nichts gewonnen werde , dessen Verwerfung dagegen den Boden , den man jezt iune habe, unter den Füsseu weggehen und die ganze fortschrittliehe Entwiklung nach dieser Seite hin einstellen konne. Jn der Benrtheilung der Materie selbst herrsche bekanntlich grosse Verschiedenheit, und wie in der Bundesversammlung diese Verschiedenheit sehliesslieh znr Verwerfung des ganzen Gesezes geführt habe, so tonnen die Befürchtengen über die schliessliche Gestalt des zu erlassenden Gesezes dem Revisionsartikel leicht dasselbe Schiksal bereiten.

Allein so viel ist sicher , dass die Materie geordnet werden muss und dass das Vrinzip , demzufolge der Niedergelassene in einer und derselbeu Sphäre des Rechtes nicht von. verschiedenen Kautonalgesezgebungen in Anspruch genommen werden darf, richtig und ausführbar ist.

Die Kompetenz, diese Verhaltnisse gesezlich zu ordnen, hat sich die Bundesversammlung allerdings zuerkannt, aber es ist nicht zu vergessen, dass sie früher anderer Meinung war und daher eben so gut spater sich wieder anders entscheiden konnte. Ferner, dass man sieh bezüglich der Kompetenz nicht auf einen klaren Artikel hat stüzen, sondern jene mittelst Zusammenstellung einer Reihe von Artikeln der Verfassung sieh hat Anerkennen müssen.

Kann man einem sollen Uebelstande gründlieh abhelfen , so sollte man nicht anstehen, dies rechtzeitig zu thun, weil nach verschiedenen leiten damit wesentliche Vortheile ^u erreichen sind.

Bei dieser Gruppe unserer Anträge kommen wir noeh auf ein weiteres Verhältniss zu sprechen, welches uns von wesentlicher Bedeutung ^u sein seheint; wir meinen den Ausschluss des niedergelassenen Schweizers vom Stimmrechte in Gemeindeangelegenheiten (Art. 41,. Zisf 4 der Bundesverfassung). Dieser Aussehluss ist ein unbedingter, und er wird thatsächlich auch noch in weitern Kreisen der Eidgenossensehast gehandhabt. Die Lage, welche dadurch Tausenden von Riedergelassenen sonst ei,r- und stimmfähigen Schweizerbürgern bereitet wird, stimmt wenig
^u den sonstigen liberalen Institutionen der ..Schweiz. Jn. eidgenossisehen Leben bleibt der Schwerer, wo er sich im Lan.^e niederlassen mag, ein Vollbürger im ganzen Sinne des Wortes ; das kantonale politische ^eben gewinnt er nach gewissen kurzen Fristen, das Gemeindeleben aber und seine Rechte findet er nirgends wieder.

Mag er noeh so lange in einer Gemeinde niedergelassen gewesen sein, mit Ehren seinen Beruf getrieben , für alle Gemeindsbedürsnisse , selbst für deu Armenunterhalt, Steuern entrichtet haben, - der Gemeinde ist und bleibt er fremd. er ist ein blosser Tributpflichtiger, der iu der Gemeindeversammlung weder Siz noch .Stimme hat.

Er kann als Riedergelassener Mitglied des Grossen Rathes sein oder den eidg. Räthen an-

48 gehören, und als Mitglied derselben über die wichtigsten Angelegenheiten des Gesammtvaterlandes mitentscheiden, - in der Gemeinde ist er mnndtodt; zur Bekleidung eines Gemeindeamtes fehlt ihm die Fähigkeit.

Man wird zugeben , dass ein solcher Zustand im hochsten Grade stoßend ist, und dass ein Schweizer sich darin nicht wohl befinden kann.

Seiner republikanischen Rechte in der Gemeinde beraubt, die ihn doch am nächsten angeht, ist es sür ihn ein schwacher Trost, diese Rechte in eidgenosfischen und kantonalen Angelegenheiten ausüben zu kounen. Ein volles freies Gemeindeleben ist für den Schweizer ein politischer Gesundheitsartikel, und dass er dieses Leben überall finde, daran hat die Eidgenossenschaft das grosste Jnteresse.

Vom Standpunkte der G e m e i n d e aus die Sache angesehen, so finden wir nichts, was dem Stimmrecht der Niedergelassenen in Gemeindeangelegenheiten mit Grnnd entgegenstehen könnte. Diejenigen Lente , denen es gelungen ist, am Riederlassungsorte eine Ersten.., zu gründen und diese mit Ehren zu behaupten, braucht die Riederlassnngsgemeinde nicht zu scheuen , und eben so wenig hat sie Ursache , denselben einen gewissen Einfluss auf den Gang der Gemeindeangelegenheiten zu versagen , zumal die Gemeinde bei Ertheilung der Niederlassung eine bedeutende Kontrolle ausüben kann und im Falle ist, des Niedergelassenen unter Umständen sich wieder zu entledigen . die den eigenen Bürger des Stimmre.hts in der Gemeinde noch lange nicht verlustig machen. Wollte man, um den Ausschluss zu begründen, auf eine molliche, übergrosse Zahl von Riedergelassenen hinweisen, so wäre der Sehlnss um so unrichtiger, weil der Zustand einer Gemeinde um so ungesnuder erscheint, je mehr sie Einwohner hat, welche mit den Bürgern alle Bslichteu theilen, aber von den entsprechenden Reehten eben ausges.hlosseu sind.

Wir kommen daher zu dem ^chlusse, dass es durchaus gerechtfertigt wäre, dem niedergelassenen .^ehweizerbürger wie das kantonale ^timmrecht, so aueh das .^..timmrecht in Gemeindeangelegenheiten zu gewährleisten, und lezteres nur darin zu beschränken, dass der Niedergelassene hinsichtlich der Ausübung desselben an eine gewisse Wartezeit gebunden würde.

Einer solchen Aenderung stellt der wesentliche Umstand entgegen, dass es Kantone gibt, welche den Niedergelassenen des eigenen Kantors das Stimmrecht
in der Riederlassuugsgemeinde versagen. Run geht es nicht an , den niedergelasseneu .^chwei^erbürgeru in diesen Kantonen bessere Rechte zu geben, als die eigenen Bürger unter gleichen Verhältnissen besizen. Dieser Zustand, nach welchem in den Gemeinden bloss das sogenannte B u r g e r t h u m herrscht und die gan^e uiehtgemeindeburgerliche Einwohnerschaft nur ein steuerpflichtiges U u t e r t h a n e n t h n m ist, wird bei der Bewegung unserer Zeit täglich unhaltbarer.

Eine Reihe von Kantonen steht diessalls schon aus einem andern Boden ; die andern werden nachfolgen müssen, sei es, dass sie eigene Einwohnergemeinden^ gründen, sei es, dass sie, unter Festhaltung einer ein-

49 .

Zeitlichen Gemeinde, den .Niedergelassenen unter bestimmten Bedingungen und für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten das Stimmrecht ein^ räumen.

Unter solchen Umständen darf der Bund ohne Bedenken so weit gehen, den niedergelassenen Schweizerbürgern das Stimmreeht in Gemeindeangelegenheiten einzuräumen 1) überall da, wo den kantonsbürgerllchen Niedergelassenen dieses Recht zusteht , 2) unter denselben Bedingungen, unter welchen diese es geniessen , und 3) unter Vorbehalt einer Wartezeit für den niedergelassenen Schweizerbürger von längstens drei Jahren.

Wir^ kommen noch ans einen weitern Bunl.t ^u sprechen , welcher ebenfalls bei diesem Anlasse fester geregelt werden sollte, nämlich das Recht eines jeden Schwei^erbürgers ...ur freien ..Gewerbausübung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft.

Es ist zu bedauern , dass die Bundesverfassung diesem Verhältnisse nicht schon ursprünglich eine grossere Aufmerksamkeit zugewendet hat. ^ Sie spricht nur gelegentlich vom Gewerbewesen, z. B. im Art. 4l, Ziff. 4, wo den Niedergelassenen sreie Gewerbsausübung gleich dem Bürger des Kantons zugesichert wird, und im Art. 2.), L^t. h, wo den Kantonen auch polizeiliche Verfügungen über die Ausübung von Gewerben besonders vorbehalten werden, mit dem Raehsaze, dass diese Verfügungen die Kautons- und Schweizerbürger gleich behandeln müssen ; dass sie ^em Bundesrathe zur Brüfung vorzulegen seien und nicht vollzogen werden dürfen, ehe sie die Genehmigung desselben erhalten haben.

Dieser Rachsaz zeigt, dass den Sehopfern der Bundesversassung die Jdee vorgeschwebt hat, es müsse dem Bundesrathe auch bezüglich des Gewerbewesens ein gewisses Ueberwachungsreeht zustehen. Was der Jn-

halt dieses Rechtes sein sollte, machte ...an sich nicht hinlänglich klar,

und so trat mit ..^othwendigkeit die Folge ein, dass Niemand an die Vollziehung dieser Verfassnngsbestimmung denken konnte. Die Kantone legen nichts vor, und eben so wenig ist der Bundesrath mithin in der Lage, sich mit solchen Genehmigungen zu beschädigen.

Es ist klar, dass die beiden grossen Gebiete der Gewerbepolizei und der Gewerbebest..uru..g in das Gebiet der .Kantonalsouveränität sallen.

Zur erstern gehort auch das Recht der Konzessionen^ gewisser Gewerbe, z. B. Wirthschasten, Apotheken, Me^en und das Recht, Gewerbeordnungen, Fabrikreglemente u. dgl. zu erlassen.

Von Bundes wegen dagegen sollte, gleich wie beim Handel und Verkehr, auch sür die Gewerbsthätigkeit der Sa.^ aufgestellt werden, dass jedem Schwei^erbürger das Recht, seineu Berus und sein Gewerbe zu betreiben, im ganzen Umfange der Eidgenossensehast gewährleistet sei.

Man mag vielleicht glauben, es sei dies ein bloss theoretischer Saz,

sür dessen Ausstellung kein praktisches Bedürfnis vorliege, da ja nach Art.

41 , Ziff. 4 der Bu..desverfassuug dem Niedergelassenen freie Ge-

B..ndesl,latl.. Jahrg. X^II. Bd. III.

4

^

^

werbausübung gleich dem Kantonsbürger zugesichert sei. Jn de.. Wirk-

liehkeit verhält es sich aber nicht also. Es gibt eine Anzahl Kantone,

welehe ^war allerdings den Niedergelassenen halten wie den Kantonsbürger , welche dagegen dem nicht niedergelassenen Schweizerbürger die Ausübung seiner Gewerbsthätigkeit in ihrem Kanton untersagen. So findet sich in der Ullmer^schen Sammlung unter Rr. 5l der Fall aufgeführt. dass ein im Kanton Solothurn augesessener Maler, welcher im Kanton Basel-Laudschast ein Gartenhaus augestrichen hatte, hiefür bestrast wurde, weil er im ledern Kautone arbeitete, ohne dort die .Niederlassung zu besizen und in die dortige Handwerkerkontrole eingetragen zu sein.

Sehnliche Grundsäze gelten uoch in mehreren andern Kantonen, und in einem derselben dars noch heute ein nicht niedergelassener Schweizerbürger ohne Regiernngsbewilligung kein Gruudeigenthum erwerben.

Es erscheint daher als nothwendig, den bezeichneten Grundsaz anszustellen, damit ^. B. alle Bauhaudwerler und die damit zusammenhängendeu Gewerbe ungehindert durch die ganze Schweiz ihrem Berufe nach.^ gehen können und daran nicht durch Bestimmungen gehemmt werden, welche aus der Zeit des Z u n s t z w a n g e s anf die Gegenwart herübergekommen sind. .......er Ge.verbsmann sollte mit seiner Arbeit gerade so frei ^irkuliren können, wie das Gewerbserzeuguiss.

Wir kommen nun zu einer zweiten Reihe .....on Bunkten , ^ie nach unserer Ansicht ebenfalls zwekmassig in den Bereich der Revision gezogen werden konnen.

Der erste betrifft den Schu^ des geistigen Eigenthums.

Vor bald 10 Jahren hat eine Mehrzahl der Kautone ein Konkordat abgeschlossen , welches den Schuz des literarischen und künstlerischen

Eigenthums bezwekt, mit Rüksieht darauf, dass dieses Eigenthum eines

Bur^ers bloss durch die Gesezgebuug seines Kantons uicht hinlänglich geschüzt werden kann, sondern dass es hiezu der Zustimmung mehrerer, wenn moglich aller Kantone , bedarf. Das fragliche Koukordat genügt inzwischen nicht, denn es liegt ans der ^aud, dass, wenn ein einziger Kanton seiueu Beitritt versagt, das Endziel des Konkordates unerreicht

bleibt und somit das betretende Eigenthum schuzlos ist.

Jn gegenwärtiger Zeit genügt selbst die Gesezgebung eines ganzen .Landes nicht mehr vollständig, wesshalb denn auch Handelsverträge nur unter der Vorausse^ung moglich sein werden, dass mau sich gleichzeitig über eineu Vertrag zum Schule des geistigen ^Eigeuthums verstäudige.

Derartige Verpflieht...ugeu ist die Schweiz bereits gegenüber Frankreich und Belgien eingegangen, und sie wird solche auch Deutsehland und Jtalien gegenüber, welche Staaten ebenfalls den grossten Werth darauf legeu, übernehmen wollen. Es ist nun klar, dass unter solchen Umständen dem Bürger des eigenen Landes jener Schn^ ausreichender, als es bisher der Fall war, gewährt werden muss.

^ Ein Artikel, welchem diese Bestimmung augereiht werden könnte, findet sich in der jezigen Verfassung nicht, wesshalb es zwekmässig sein

dürfte, am Sehlusse des ersten Abschnittes dem Bunde die Besuguiss zu erteilen, zum Schule des literarischen und geistigen Eigenthums gesezli.l.e Bestimmungen aufzustellen.

Es gibt aber noch eine andere ^rt von Eigenthum, welche dieses Sehuzes, den wir deu literarischen und künstlerischen Brodukten gewahren wollen, nicht minder bedarf, nämlich das industrielle Eigenthum.

Die Sicherheit des Handels und Verkehrs, ihre Mogliehkeit und Entwiklung beruhen aus der Sicherheit des Eigenthnms, das sich demselben anvertraut. Es genügt nicht, zu pro.^ireu und Absaz zu haben für die Waaren unbeschrankt und ohne Hindernisse, u.enn das Soll und Haben nicht von den sestesten Garantien umgeben ist. Wenn dem Handel nicht klare, einheitliche Formen und summarisches Verfahren zur Seite stehen, wo gegebene Verpflichtungen nicht erfüllt werden. wenn nicht ein Recht da ist, welches das e^enthümliehe .....eben ^es Handels vollständig kennt und auf dasselbe mi^ allen seinen verschiedenen, ihm spezifisch angehorigeu Verhaltnissen passt. so ist tr.^ aller sonstigen Freiheit ein rechtes Gedeihen des Handels und Verkehres nicht möglieh. Der Annehmende Handel und Verkehr hat daher überall zu einem eigenen Handels- und Verkehrsrechte geführt, und umgekehrt ist ein gutes Handels- und Verkehrsreeht dazu angetha.., steigernd und befruchtend ans Handel und Verkehr und damit aus .^ Erhöhung d..s Wohlstandes und der Kultur zurükzuwirken.

Dass ein solches einheitliches schweizerisches Handelsgesetzbuch sehr wünschenswert^ wäre, dafnr liegt der Beweis schon in dem .......esehlusse, welchen der Ständerath am 1..). Dezember 1864 gefasst hat, und wel.her dahin geht : .,Die Bundesversammlung erklärt, sie erachte es als im ^wohlverstandenen Jnteresse der Eidgenossenschaft liegend, dass ,,sich die Kantone zur Aufstellung eines schweizerischen Handels,,gesezbuehes verständigen. ^ ^einerseits hat der Nationalrath schon früher eine hierauf abzielende Motion mit gleichem Eiumuth für erheblich erklärt, und die Zustimmung zu obigem Beschlusse des Ständerath^ ist wohl nur desshalb noch nicht erfolgt, weil die nationalräthliche .kommission eine theilweise Ausdehnung des vorgelegten Entwurfes zu einem Handelsgese^buehe aus das ..^bligationenreeht sür nothig und wünsehenswerth scheint erachtet zn haben.

Bei Entwersung der jezigen Bundesverfassung
konnte man allerdings Bedenken haben, den schon damals lant gewordenen Wunsch nach einem gemeinsamen Haudelsges^buehe zu verwirklichen. Es war damals ^u wenig klar, welchen Umsang mau einem solchen Gesezbuche geben sollte.

Man konnte selbst fürchten, es mochte dies der Anfang zu einem ein-

^

^

heitiichen schweizerischen ^ivilreehte werden. Die in jüngster Zeit stattgehabte Bearbeitung eines solchen gesezes hat jedoch ohne Zweifel jen...

Befürchtungen zerstreut. Der Gegenstand liegt nun in bestimmter Begrenzung vor und gewährt nebelhasten Phantasien keinen Spielraum mehr.

Aus der andern Seite ist aber nicht zu übersehen, dass wir uns heute aus einem ganz andern Standpunkte befinden als im Jahr l 848.

Der innere Verkehr hat seit Beseitigung der srühern Schranken ungemein zugenommen, und die Eisenbahnen haben naturgemäss das Jhrige gethan, um weitere grosse Umgestaltungen ^u bewirken. Es gibt gegenwärtig kaum mehr einen Geschäftsmann, dessen Verkehr sieh ans die Gr.^en seines Kantons beschränkt. Masseuhaste Geschäftsabschlüsse finden zwischen Angehorigen verschiedener Kantone statt, und Niemand weiss, von welchem Geseze diese Rechtsgeschäfte regiert werden, da es eben darauf ankommt, wer im Streitfalle Kläger und wer Besagter sei. Dass durch diese Rechtsunsicherheit oft Verluste entstehen und der Kredit darunter leidet, ist klar ; ebenso, dass auch sur die Verbindungen mit dem Auslande dieser Zustand nachtheilig zurükwirken muss.

Wenn wir oben sür das sehriststellerische und künstlerische Eigenthum wegen seiner eigentümlichen Ratur einen besondern , durch einheitliche Gesezgebung zu verschaffenden Sehuz in Anspruch nahmen, so ist es hier das bewegliche, im kaufmänuisch^ges.hästliehen Verkehre stehende Eigenthum, für welches wir ein schüzendes eidgenossisches Recht befürworten müssen. Dieses Recht wird steh namentlich auch auf die Verhältnisse dieses Eigenthums zu jenen grossen Anstalten erstreken müssen, denen faktisch das Monopol geworden ist, den grossen interkantonalen und iuternationalen Verehr zu vermitteln. Das Eigentum, das sich den Eisenbahnen anvertrauen muss , erhält sein Reeht und Ges.^ vou diesen Anstalten selbst, sie sagen ihm, ob nnd unter welchen Bedingungen, in welchem Umfange sie verantwortlich und haftbar seien. Umsonst versu.ht ein einzelner Kanton , dieseu Anstalten gegenüber das Eigenthum seiner Bürger gesezlich ^u schien , sein Gesez hat keine ausreichende Wirkung, und nur ein einheitliches eidge..ossis.hes Gese^ vermag, wenigstens theilweise, dasjenige zu leisten, was auf diesem Gebiete das Eigenthnm beanspruchen dars. Hat der Buud wesentlich den Zwek, die gemeinsame
Wohlfahrt der Eidgenossen zu fordern, und hat er bei seiner Gründung alles unter den damaligen Umständen Mogli.he und Dringende gethan, um im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft. freien Verkehr zn fchasse.., so ist es gewiss kein bundeswidriger Gedanke, wenn verlangt .vird, dass er je^t, nachdem eine grossartige Veränderung in den Verl.ehrsverhältnisseu eingetreten ist, diesen Verhältnissen eben so gerecht werde, als er es den damaligen gegenüber war.

Wir beantragen. deshalb, in die Verfassung eine Bestimmung auszunehmen, durch welche der Bund die Befngniss erhält. ein schweizerisches Handels- und Verkehrsgesez auszustellen.

l .

.

^

^oeh haben wir en.en wei.tern und legten Bunkt zu berühren, welcher

die Versassungsbestimmung über Mass und Gew.ieht beschlägt. Der Art. 37 der Bundesverfassung schreibt vor : ,,Der Bund wird aus die Grundlagen des bestehenden eidgenössischen ...Konkordates für die ganze ...^..daenossensehast gleiches Mass und Gewicht ,,einführen.^ Dieser Artikel ist längst in Vollziehung gesezt, und mit Recht wurde

im Jahr 1851, als das ausführende Gesez in Berathung lag, denjeni-

gen, welche das reine Meters^stem einführen wollten, erwidert, die Bun..

desversammlnng habe in der Wahl des S^stemes nicht mehr freie Hand, fondern sie sei bezüglich der wesentlichen Grundlagen an das bestehende Konkordatss.^stem gebunden.

Jnzwischen wird in den europäischen Staaten immer mehr die Rothwendigkeit erkannt, sich aus ein einheitliches Mass- und Gewichts^stem zu verständigen, und in gesetzgebenden Versammlungen, wie in .Kongressen von Fachmännern, wird dem Meters^steme entschieden der Vorzug eingeräumt. Eine Reihe von Staaten hat dasselbe bereits angenommen, und andere werden nachfolgen. Diese Sachlage, die Ueberzeugung von den Vorzügen des S.^stemes, die .......hatsaehe , dass Mathematik und Technik fast in ganz Europa von diesem Systeme Gebrauch machen, dass es sogar in unserem Lande immer mehr sich einbürgert und dass bei dem zunehmenden Verkehr mit dem grossentheils dem Meters^stem huldigenden Auslande das Bedürsniss übereinstimmender Masse und Gewiegte immer mehr hervortritt, Alles das hat im vorigen Jahre zu zahlreichen Betitionen an die Bundesversammlung gesuhrt, dahin gehend : es mochte in Erwägung gezogen werden, ob nieht der Augenblik gekommen sei, auch bei uns zum Metersr^stem überzugehen.

Die Kantonsregierungen hierüber züm Bericht aufgefordert, sprechen sich , so weit wir die Antworten kennen , in der Mehrzahl dahin aus, dass sie bei aller Anerkennung der Gründe sür die Einsührung des Meters.^stems doch deu Augenblik zur Vornahme dieser Aenderungen noch nicht gekommen erachten. Obsehon mit dieser Anschauung einverstanden, so fragen wir uns doch, ob es nicht gerathen wäre, bei Gelegenheit einer, wenn auch nur theilweisen Verfafsnngsrevision , welche nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zuknnst ins Auge fassen mnss, diefer Zukuust insofern freie Bahn zu machen, dass, wenn man später den Augenblik der ^stemänderung sür gekommen hielte, die Verfassung der Ausführnng derselben kein unübersteigliehes Hinderniss mehr in den Weg legen würde.

Wir beantworten diese Frage beiahend und sind demgemäss der An-

ficht, dass im Art. 37 die Worte : .,auf Grundlage de^ bestehenden eidg.

Konkardates^ fallen zu lassen seien und dass der Artikel wesentlich nur dahin laute : ,,Die Festse^ung von Mass und Gewicht ist Bundessache. ^ Damit wäre dem Bunde, beziehungsweise der Bundesversammlung, nur

54

^

das Recht vorbehalten, zu einem andern Mass- und Gewichts^ftem überzugehen, wenn die Umstände und das Jnteresse des Landet einen solchen Uebergang gebieterisch erheisehen.

.

Die Revisionspnukte, welche wir Jhnen vorzulegen die Ehre haben, beruhen, in Zusammensassung des Gesagten, auf folgenden Grnndanschanungen :

1. Recht zur Niederlassung für die Schweizerbürger ohne Rüksieht^ ans ihr Glaubensbekenntniss.

2. Gleichstellung der ^ehwe^erbürger, ohne Rüksicht aus ihre Konsession mit den Bürgern des eigenen Kantons, sowohl in der Gese^gebung als im gerichtliehen Verfahren.

3. Freie Ausübung des .Gottesdienstes sür alle Religionsgenossensehaften innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und staatlichen Ordnung.

4. Recht zur Niederlassung gleich allen andern Sehweizerbürgern auch für die naturalisirten ..^ehweizerbürger.

5. Gleichhaltuug der niedergelassenen ^chweizerbürger in Bezng auf das Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten mit den Riedergelassenen des Kantons selbst, jedoch erst nach einem Aufenthalte in der ..Gemeinde von längstens drei Jahren.

6. Schu^ der Niedergelassenen gegenüber doppelter Jnanspruchuahme von Seite des Niederlassung- und Heimatkautons.

7. Recht zur freien Gewerbsausübung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft.

8. Ermächtigung des Bundes, gesezliehe Bestimmungen ^um ...^chnze ^ des literarischen, künstlerischen und industriellen Eigentums zu erlassen.

9. Ermächtigung des Bundes zur Erlassung eines Handels- und Verkehrsgesezes.

10. Wahrnng des Rechtes, von Bundes wegeu unbegiugt das Maßund Gewichtigem feft^use^en.

Wir legen Jhnen diese Grnudsäze in vier Besehlnssentwürfen vor, worin dieselben nach ihrem Charakter gruppenweise zusammengestellt sind und in vier Abstimmungen der hoheitlichen Genehmiguug des Volles vorgelegt werben sollen.

Der sünste Dekretsentwurf bestimmt die Art und Weise , wie diese Volksabstimmungen vor sieh g.^hen sollen.

Auch dieser Besehlussentwurs bietet zu besonder.. Bemerkungen keine Veranlassung, da er sich demjenigen Verfahren anschließt, das in der Schweiz im Allgemeinen ^in solchen Lagen pflegt eingehalten zu werden.

55 Einzig der Art. ^ bedarf einer Erläuterung. Derselbe bestimmt : ,,Zur Teilnahme an dieser Abstimmung ist jeder Sehweizerbürger ,,berechtigt, welcher für die Wahlen in den schweizerischen Nationalrath

^stimmfähig ist.^

Es könnte nun die Bemerkung fallen, dass dieser Artikel mit Art. 4.^ der Bundesverfassung nicht im Einklänge stünde, indem lezterer vorschreibt, dass der Schwei^erbürger als solcher in eidgenossischen und kantonalen AugeIegenheiten die politischen Rechte in demjenigen Kantone ausüben konne, in welchem er niedergelassen sei. Hiernach, so konnten man folgern, wären bloß die Niedergelassenen zur Abstimmung befähigt, die sogenannten blossen Aufenthalter aber nicht.

Der Art. 63 der Bundesverfassung hinwieder sieht für die Wahl in den Nationalrath von der Beschränkung der Niederlassung ab und gewährt das Wahlrecht unbedingt allen Schweizern, welche im Uebrigen die ersorderliehen Eigenschaften besten. Wir halten nun dafür, dass in solchen Lebensfragen, wo es sieh um Versassungsbesttmmuugen handelt, ein liberaler Standpunkt eingenommen werden sollte, und dass kein Grund vorliege, über 70,000 Schweizerbürger, welche zur Theilnahme an den Wahlen tu eine der obersten Behörden der Eidgenossenschaft berechtigt sind, von der Abstimmung über das Grundgesez, beziehungsweise über Modifikationen an demselben auszuschliessen.

Am Sehlusse unserer Berichterstattung angelangt, sei uns noch die Bemerkung gestattet, dass nach unserer Ueberzeugung durch die vorgeschlagenen Bunkte gewisse Luken, welche sich im Lanfe der Jahre als erheblich herausgestellt haben. angemessen ergänzt werden können, und dass es moglich sein wird, den^ Ansprüchen der Gegenwart, eigentlichen Bedürfnissen der Zeit, damit ein Genüge ^u thun, ohne dass man nothig hat, tiefer eingreifende Veränderungen in einer Verfassung vorzunehmen, welche das Schweizervolk lieb gewonnen hat, und die es in seiner überwiegenden Mehrheit als ein Balladium der Freiheit, der Wohlfahrt und einer gedeihlichen Entwiklung ^u betrachten gewohnt ist.

Genehmigen Sie , Tit. , die Versicherung Hochachtung.

unserer vollkommensten

Bern, den 1. Juli 1865.

Jm ^amen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident.

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^ie^.

56

Entwurfe von Bunde.^gesezen betreffend die Revision der Bundesverfassung.

I.

Die B u n d e . ^ v e s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung der .Artikel 111 und 112 der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. ^. Der Artikel 41, erstes Lemma, und Ziffer 1 der Bundesversassung. wird verändert wie folgt : ,,Der Bund gewährleistet allen Schweizern das Recht der freien ^Niederlassung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft, nach folgenden .,nähern. Bestimmungen.^ Ziffer 1. deinem Schweizer kann di^e Niederlassung in irgend einem Kantone verweigert werden , wenn er folgende Ausweisschriften

befizt .

a, b, c wie bisher, mit Weglassung des legten Alineas, lautend : ,,Raturalisirte Schweizer müssen überdies die Bescheinigung beibringen, ,,dass sie wenigstens fünf Jahre lang im Besize eines Kantonsbürgerrechtes ,,si.h befinden.^

B. Der Artikel 48 wird verändert wie folgt : ,,Sämmtliche Kantone sind verpflichtet, alle Schweizerbürger in der ,,Gesezgebnng sowohl als im gerichtliehen Versahren den Bürgern des ^eigenen Kantons gleich zu halten.^

C. Rach Art. .^ wird ein Art. 59 bi^ hinzugefügt, welcher also lautet .

"Der Bund ist besngt , gesezliche Bestimmungen zum Schuz des ^schriststellerischen, künstlerischen und industriellen Eigenthums zu erlassen.^ Art. 2. Diese Veränderungen treten in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger und der Mehrheit der Kantone angenommen find.

57 II.

Die ..Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft,

in Anwendung der Artikel 111 und 112 der Bundesverfassung, Art. 1.

folgt :

beschließt: Der .Artikel 44 der Bundesverfassung wird verändert wie

"Die freie Ausübung des Gottesdienstes ist den anerkannten ehrist,,lichen Konsessionen, und innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und staat,,lichen Ordnung auch jeder andern Religionsgenossensehast im ganzen Um..fange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

,,Den Kantonen, so wie dem Bunde bleibt vorbehalten u. s. w.^ Art. 2. Diese Veränderung tritt in Kraft, wenn sie von dex Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger und der Mehrheit der Kantone angenommen ist.

III.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgen ossenschast , in Anwendung der Artikel 111 und 112 der Bundesverfassung, b e schl i esst : Art. 1. A. Der Art. 41, Ziffer 4 der Bundesverfassung wird verändert wie folgt : ,,Der Niedergelassene geniesst alle Rechte der Bürger des Kantons, ,,in welchem er sieh niedergelassen hat, mit Ausnahme des Mitantheils ,,an Gemeinde.. und Korporationsgütern.

Jn Betreff des Stimmreehts ,,in Gemeindeangelegenheiten ist er den niedergelassenen Kantonsbürgern ,,gleieh ^u halten ; er kann aber dieses Recht erst nach einem längern ,,Ausenthalte in der Gemeinde ausüben, dessen Dauer von der Kantonal,,gesezgebung bestimmt wird , jedoch nicht über drei Jahre ausgedehnt ,,werden dars. Dem Niedergelassenen wird insbesondere freie Gewerbaus,,übung und das Recht der Erwerbung und Veräusserung von Liegensehas,,ten zugesichert nach Massgabe der Geseze und Verordnungen des Kantons, ..welche in allen diesen Beziehungen den Niedergelassenen dem eigenen ,, Bürger gleich halten sollen.^ Dem Art. 41 der Bundesverfassung wird als Ziffer 7 folgend^ neue Bestimmung beigefügt : ,,Der Bund ist berechtigt, Bestimmungen auszustellen zum Sehuze

58 ,.der Niedergelassenen gegen die gleichzeitige Jnanspruchnahme derselben ,,von Seite mehrerer Kautonalgese^gebungen."

Art. 2. Diefe Veränderungen treten in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der stimmenden Schwe^erbürger und der Mehrheit der Kantone angenommen sind.

IV.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g d e r s c h w e i z e r i s c h e n Eidgen o s s e u s c h a s t ,

in Anwendung der Artikel 111 und 112 der Bundesverfassung , b e schl i esst :

Art. 1. ^. Dem Artikel 2..) der Bundesverfassung wird als zweiter Saz folgende neue Bestimmung beigesügt : "Desgleichen wird jedem Schweizerbürger das Recht freier Gewerbe ..Ausübung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft zugesichert."

Vorbehalten sind: u. s. w., .^ie bisher.

B. Der Artikel 37 der Buudesversassung . wird verändert wie

folgt:

,.Die Festseznng von Mass und Gewicht ist Buudessache..^

C. Rach Art. 37 wird folgender Artikel 37 his hi.^ugesügt : ,,Der Bund ist befugt, ein schweizerisches Handelsgesezbuch zu er^affen^ Art. 2. Diese Veränderungen treten in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der stimmenden Sehwe.zerbürger und der Mehrheit der Kantone angenommen sind.

V.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, . in der Absicht, die für den Fall einer Revision der Bundesverfassung ....ureh den Artikel 114 derselben vorgeschriebenen Abstimmung zu ordnen; in Anwendung des Art. 74, Ziffer 1 der Bundesverfassung, beschliesst: .

Art. 1. Es wi.rd den Sehweizerbürgern und den Kantonen ^ur Annahme vorgelegt :

59

^

I. ....as Bundesgesez betreffend Abänderungen der Artikel 41, ^iss. 1, und Art. 48, so wie Ausnahme eines neuen .Artikels 59 bis der Bundesverfassung.

II. Das Bundesgesez betreffend Abänderung des Art. 44 der Bundesversassung.

lll.. Das Bundesgesez betreffend Abänderung des Art. 41, Ziff. 4, lV.

und .^usaz zu Art. 41 -er Bundesverfassung.

Das Bundesgefe^ betretend Zusaz ^nm Art. 29, Abänderung von Art. 37, und einen neuen Artikel 37 his der Bundesverfassung.

Art. 2. Der Bundesrath trifft die nothigen Massregeln, dass diese

Revisionasele den Kantonen und Schwei^erbürgern in ausreichender Weise bekannt gemacht werden.

Art. 3. Diese geben ihren Entscheid über dieselben ab durch eine Abstimmung , welche auf dem ganzen .Gebiete der Eidgenossenschaft an einem und demselben Tage erfolgt. Dieser Tag wird durch den Bundesrath feftgesezt ; es darf jedoch die Abstimmung nicht srüher als vier Wochen nach^ geschehener Bekanntmachung stattfinden.

Art. 4. Die Abstimmung hat über jedes der genannten Revisionsgeseze getrennt zu ersolgen.

Art. 5. Das einzelne Gesez ist angenommen, wenn die Mehrheit der stimmenden Sehwei..erbürger im Ganzen und zugleich auch die Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger in wenigstens 12 Kantonen sich für

dasselbe aussprich.t.

Art. 6. Zur Theiluahme an dieser Abstimmung ist jeder ....^ehweizerbürger berechtigt, welcher sür die Wahleu iu den schweizerischen Rational^

rath stimmfähig ist.

Art. 7. Jeder Kanton sorgt für die Abstimmung auf seinem Gebiete. Dieselbe ist gemeindeweise vorzunehmen. Den Kantonen bleibt es überlassen, ^u bestimmen, ob die Abstimmung offen oder geheim ersolgen soll. Jm Uebrigen gelten sür dieselbe die in jedem Kanton für Abstimmungen besteheuden .Forschriften.

Art. 8. Ueber das Ergebniss der Abstimmung ist in jeder Gemeinde

ein Protokoll aufzunehmen, in welchem sür jedes einzelne der genannten Revisionsgeseze besonders bescheinigt wird , wie viele der stimmenden Bürger dasselbe angenommen und wie viele verworfen haben.

Art. 9. Die Ergebnisse der Abstimmung sind von den Kantonen dem Bundesrathe zuhanden der Bundesversammlung mittheilen, welche diejenigen Abänderungen, die von der Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger und der Mehrheit der Kantone angenommen worden sind, in Kraft erklärt.

Arte 10. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Revision der Bundesverfassung. (Vom 1. Juli 1865.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1865

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

32

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.07.1865

Date Data Seite

33-59

Page Pagina Ref. No

10 004 810

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.