Teilnahme an Wiederholungskursen unter falschem Namen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 8. Mai 2012

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Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) erfuhr Anfang 2011 im Rahmen ihrer Abklärungen zum Fall des sogenannten «Rütli-Bombers»1, dass ein ausländischer Staatsbürger unter dem Namen eines Schweizer Armeeangehörigen an einem Wiederholungskurs teilgenommen hatte.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2011 ersuchte die GPDel den Vorsteher des VBS, dieser Problematik nachzugehen. Am 6. Mai 2011 übermittelte der Vorsteher des VBS der GPDel eine entsprechende Stellungnahme vom 21. April 2011 des Armeechefs.

Die GPDel setzte sowohl die Geschäftsprüfungskommissionen als auch die Sicherheitspolitischen Kommissionen über ihre Feststellungen und die von ihr unternommenen Schritte in Kenntnis.

Mit Schreiben vom 24. August 2011 äusserte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) den Wunsch, die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) möge diese Angelegenheit im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit weiterverfolgen.

Am 21. Oktober 2011 beauftragte die GPK-N ihre zuständige Subkommission mit zusätzlichen Abklärungen des Sachverhalts, damit die GPK-N auf dieser Grundlage beurteilen konnte, ob für die parlamentarische Oberaufsicht Handlungsbedarf besteht.

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Sachverhalt und angekündigte Verbesserungsmassnahmen

Wie der Chef der Armee in seiner Stellungnahme vom 21. April 2011 darlegte, erfolgt in Armee und Militärverwaltung grundsätzlich keine echte Identifizierung von militärdienstpflichtigen Personen z.B. anhand eines zivilen Ausweises mit Foto.

Es bestehen im Militärrecht auch keine Bestimmungen dazu. Ausnahmen bilden hier nur die Kontrollen beim Zutritt zu besonders geschützten Bereichen und Anlagen der Armee.

Dieser Stellungnahme zufolge findet in der Regel weder bei der Rekrutierung noch bei den späteren Militärdiensten in Schulen und Kursen der Armee eine andere Identifizierung statt als über die Personalien im Dienstbüchlein (DB), auf dem Marschbefehl und auf der Einrückungsliste sowie anhand der Uniform und Ausrüstung (eine Ausnahme bilden die Angehörigen der Sanitätstruppen und der Militärmusik). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erfolgt die «Zulassung» zu der betreffenden Dienstleistung grundsätzlich ohne weitere Abklärungen bezüglich der Person.

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Jahresbericht 2011 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 27.1.2012, Ziff. 4.6 (www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/ geschaeftspruefungskommission-gpk/berichte-2012/seiten/default.aspx)

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Wie der Chef der Armee in seiner Stellungnahme von April 2011 ausführte, wurde dieses Prozedere bisher nicht als problematisch erachtet.

Allerdings räumte er auch ein, dass es Situationen gibt, in denen die Armeeangehörigen weder dem Kader noch den anderen Armeeangehörigen persönlich bekannt sind, z.B. wenn sie den Dienst nicht mit ihrer Einteilungsformation leisten.

Die Stellungnahme vom 21. April 2011 kam diesbezüglich denn auch zu folgendem Schluss: «Gestützt auf diese Sachlage kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass sich ein Unberechtigter in Schulen oder Kurse der Armee kann. Wer sich auf irgendeine Weise die nötigen Dokumente (z.B. DB, Marschbefehl, Erkennungsmarke, Schiessaufforderung) sowie eine Uniform und allenfalls eine Armeewaffe beschaffen kann, dem könnte das gelingen»2.

Der Chef der Armee nannte in dieser Stellungnahme zwar einige Massnahmen, mit denen das Problem der fehlenden Identifizierung von Personen in der Armee gelöst werden könnte (Identifizierung anhand eines zivilen Ausweises jedes Einrückenden, Schaffung eines eigentlichen Armeeausweises usw.); allerdings nannte er auch die Schwierigkeiten, die seiner Meinung nach damit einhergingen (nicht unerhebliche Mehrarbeiten für das Kader, die Massnahme könnte von den Betroffenen als Misstrauensvotum empfunden werden usw.).

In dieser Stellungnahme des Armeechefs vom 21. April 2011 wurde indessen keine konkrete Massnahme zur Verbesserung der Situation angekündigt.

Im Gespräch vom 23. März 2012 mit der zuständigen Subkommission der GPK-N hat der Chef der Armee indessen für besonders risikoreiche Situationen ­ d.h. in Fällen, da ein Wehrpflichtiger seinen Wiederholungskurs in einer anderen Einheit absolviert, wo ihn seine Dienstkameraden bzw. die Kaderangehörigen nicht kennen ­ als Sofortmassnahme die Prüfung der Identität über einen zivilen Ausweis angekündigt. Solche Situationen können besonders dann eintreten, wenn Wiederholungskurse verschoben werden ­ was ein Drittel der Armeeangehörigen tut ­ oder wenn ein Wehrpflichtiger längere Zeit im Ausland war.

Nach den Ausführungen des Chefs der Armee könnte diese Massnahme innert einigen Wochen umgesetzt werden. Die Diensttuenden sollen über die neue Massnahme im Dienstaufgebot orientiert und die Gründe dafür in der Zeitung erläutert werden, die alle
Armeeangehörigen zugestellt erhalten.

Als längerfristige Massnahme nannte der Armeechef die Möglichkeit, das Dienstbüchlein mit einer «Kreditkarte» mit Foto zu ersetzen, auf der auch die Daten der Erwerbsersatzentschädigung gespeichert wären. Diese Massnahme wird allerdings erst geprüft und würde gegebenenfalls erst in einigen Jahren umgesetzt.

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(Nicht veröffentlichte) Stellungnahme vom 21.4.2011 des Chefs der Armee an den Vorsteher des VBS, S. 2.

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Beurteilung der GPK-N und weiteres Vorgehen

Die GPK-N hat von den angekündigten Verbesserungsmassnahmen Kenntnis genommen und ist der Meinung, dass damit der richtige Weg eingeschlagen worden ist.

Insbesondere begrüsst sie die Sofortmassnahme der Identitätsprüfung über einen Zivilausweis, wenn ein Armeeangehöriger seinen Wiederholungskurs in einer anderen Formation absolviert und deshalb von seinen Dienstkameraden bzw. seinem Kader nicht identifiziert werden kann.

In der Armee sind zwar erst zwei Fälle bekannt, in denen eine andere als die aufgebotene Person zum Wiederholungskurs eingerückt ist.

Die GPK-N ist allerdings der Auffassung, dass die Armee aus Sicherheitsgründen in der Lage sein muss, die Identität der WK-Teilnehmer zumindest bei besonders risikoreichen Konstellationen zu überprüfen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass es auch andere als rein finanzielle Gründe dafür gibt.

Die GPK-N begrüsst es deshalb, dass die Armee hier Handlungsbedarf erkannt hat.

Sie erwartet, dass die Armee und das VBS die angekündigten Massnahmen nun tatsächlich und innert nützlicher Frist umsetzen.

Vor diesem Hintergrund kommt die GPK-N zum Schluss, dass für die parlamentarische Oberaufsicht vorderhand kein Handlungsbedarf besteht. Sie hat allerdings beschlossen, die Entwicklung in diesem Bereich aufmerksam zu verfolgen und sich etwa innert Jahresfrist wieder über den Stand der Dinge zu erkundigen.

Die GPK-N hat diesen Bericht an ihrer Sitzung vom 8. Mai 2012 angenommen und beschlossen, ihn zu veröffentlichen und an den Bundesrat weiterzuleiten. Der Bericht wird zur Information auch der SiK-N zugestellt.

8. Mai 2012

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Ruedi Lustenberger Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Die Präsidentin der Subkommission EDA/VBS: Ida Glanzmann Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Jacqueline Dedeystère

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