Richtlinien über die Entsendung von Delegationen an internationale Konferenzen vom 7. Dezember 2012

Der Schweizerische Bundesrat erlässt die folgenden Richtlinien: 1

Grundsätze

11

Internationale Konferenzen und andere multilaterale Treffen, Sitzungen und Versammlungen einschliesslich Tagungen internationaler Organisationen, nachfolgend «internationale Konferenzen» genannt, bilden ein wesentliches Element der Zusammenarbeit unter den Staaten.

12

Die Schweiz nimmt an einer internationalen Konferenz teil, wenn: a. ihre Teilnahme für die Wahrung der Interessen unseres Landes notwendig oder zumindest nützlich ist; oder b. sie mit ihrer Teilnahme einen spezifischen Beitrag an die internationale Zusammenarbeit leisten kann.

13

Die Zusammenarbeit mit dem Parlament richtet sich nach Artikel 152 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20021.

14

Die Zusammenarbeit mit den Kantonen richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 22. Dezember 19992 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes.

15

Schweizerische Interessengruppen wie Verbände und Nichtregierungsorganisationen können in internationale Konferenzen sowie in deren Vorbereitung und Folgearbeiten einbezogen werden. Sie werden in angemessenem Rahmen beteiligt und ihre Vertreterinnen und Vertreter können auch in die Delegation selbst aufgenommen werden.

Um zur Mitwirkung beigezogen zu werden, müssen die Interessengruppen zur Formulierung der schweizerischen Politik einen wesentlichen Beitrag leisten können und zur Verankerung des aussenpolitischen Geschäftes in der Innenpolitik beitragen.

16

Der Einbezug der ausserparlamentarischen Kommissionen erfolgt sinngemäss nach Ziffer 15.

17

Vom Einbezug der in den Ziffern 15 und 16 genannten Kreise in Vorbereitungs- und Folgearbeiten oder in die Delegation wird abgesehen, wo es die übergeordneten Interessen der Eidgenossenschaft gebieten. Diese können insbesondere angeführt werden bei internationalen Konferenzen, an denen

1 2

SR 171.10 SR 138.1

2012-2343

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bindende Vertragswerke beziehungsweise die Gründung internationaler Organisationen vorbereitet und verhandelt werden.

18

Auf Konferenzen und Tagungen im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie auf deren Vorbereitungs- und Folgearbeiten sind diese Richtlinien aufgrund der dreigliedrigen Struktur der ILO nur sinngemäss anwendbar.

2

Vorbereitungs- und Folgearbeiten

21

Die interessierten Departemente oder Bundesämter informieren sich gegenseitig über ihnen zugestellte Einladungen für eine Teilnahme der Schweiz an internationalen Konferenzen. Das federführende Bundesamt bezieht die interessierten Bundesstellen in die Vorbereitungsarbeiten ein, insbesondere die Politische Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und diejenigen Stellen, die für den Vollzug der an der internationalen Konferenz zu treffenden Beschlüsse zuständig sind. Es konsultiert diese bei der Erarbeitung schweizerischer Positionen.

22

Das federführende Bundesamt kündigt internationale Konferenzen den zuständigen schweizerischen Vertretungen an und bezieht diese, wo es sinnvoll erscheint, in die Vorbereitungs- und Folgearbeiten ein.

23

Es kann die in den Ziffern 15 und 16 genannten schweizerischen Interessengruppen informieren, wenn diese Interesse an der Konferenz bekundet haben.

24

Ziffer 23 gilt sinngemäss auch für die Folgearbeiten nach der Konferenz.

Das federführende Bundesamt orientiert die interessierten Bundesstellen, insbesondere die Politische Direktion des EDA und die zuständigen schweizerischen Vertretungen sowie alle anderen in die Vorbereitung einbezogenen Kreise, mit einem Bericht über den Konferenzverlauf und das beabsichtigte weitere Vorgehen.

3

Zusammensetzung der Delegation

A

Vertretung

31

Grösse und Zusammensetzung der Delegation müssen den Erfordernissen der internationalen Konferenz angepasst sein. Bei der Auswahl der Delegierten stehen die fachspezifische Kompetenz sowie die Verhandlungserfahrung im Vordergrund. Die Delegierten sollen sich ergänzen und gemeinsam den Gesamtüberblick über die schweizerische Politik und die Rechtsordnung und insbesondere auch über den Vollzug allfälliger Beschlüsse der internationalen Konferenz mitbringen.

Im Sinne einer effizienten Vertretung ist die Zahl der Delegationsmitglieder so klein wie möglich zu halten. Dabei werden besondere Umstände berücksichtigt wie die gleichzeitige Arbeit in verschiedenen Ausschüssen oder die Tatsache, dass die Schweiz spezielle Aufgaben (z.B. den Vorsitz) wahrnimmt oder besondere Interessen zu vertreten hat.

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Bei einer zahlenmässigen Beschränkung der Delegation steht bei der Auswahl der Delegationsmitglieder die Optimierung der in der Delegation vertretenen Fachkompetenz im Vordergrund, unter Berücksichtigung der Dossierverantwortung und der Verhandlungserfahrung .

32

Die in den Ziffern 15 und 16 genannten Kreise können bei der Zusammenstellung einer Delegation berücksichtigt werden, wenn es sich nach den in den Ziffern 15 und 31 genannten Kriterien rechtfertigt. Sie bestimmen ihre Delegierten im Einverständnis mit dem federführenden Bundesamt. Die Zahl dieser Delegierten ist auf maximal 3 zu beschränken.

33

Bei der Delegationszusammenstellung ist Personal der zuständigen schweizerischen Auslandsvertretungen mit nützlichem Fachwissen einzubeziehen.

Die Auslandsvertretungen unterstützen die Arbeit der Delegation in logistischer, fachlicher und personeller Hinsicht. Ihr Personal kann auch in die Delegation aufgenommen werden, um allfällige nicht vorhersehbare Aufgaben zu übernehmen. In diesem Fall hat die Beteiligung der Vertretung keinen Einfluss auf die Grösse der anreisenden Delegation.

34

Bei der Bestellung der Delegation sorgt das federführende Bundesamt für eine angemessene Frauenvertretung. Ziel ist das paritätische Verhältnis von männlichen und weiblichen Mitgliedern.

B

Vorübergehende Verleihung eines Titels

35

Der Bundesrat verleiht, wenn die allgemeinen Kriterien (Ziff. 36) und die spezifischen Kriterien (Ziff. 37 und 38) erfüllt sind, vorübergehend folgende Titel: a. Staatssekretärin oder Staatssekretär; b. Botschafterin oder Botschafter und Ministerin oder Minister3.

Allgemeine Kriterien

36

3 4

Die Titel nach Ziffer 35 können nur verliehen werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind4: a. Die Funktionsträgerin oder der Funktionsträger vertritt die Interessen der Schweiz an einer spezifischen internationalen Konferenz, in einer Arbeitsgruppe oder bei internationalen Verhandlungen.

b. Sie oder er verfügt über entsprechende Entscheidbefugnisse.

c. Die Titelverleihung gewährleistet, dass die Schweiz bei internationalen Verhandlungen auf gleichem Niveau wie die Partnerstaaten auftreten kann.

d. Die Verleihung des Titels erfolgt für die Dauer der spezifischen internationalen Konferenz, des entsprechenden Arbeitsgruppentreffens oder der internationalen Verhandlungen und ist an die Funktion gebunden.

Der Ministertitel steht im Rang tiefer als der Botschaftertitel.

Beschluss des Bundesrates vom 29. Juni 2011

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Spezifische Kriterien 37

Der Titel einer Staatssekretärin oder eines Staatssekretärs (Ziff. 35 Bst. a) kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesverwaltung verliehen werden, wenn sie damit beauftragt sind, die Schweiz an internationalen Verhandlungen auf höchster Ebene zu vertreten (Art. 46 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19975), oder aus diplomatischen oder protokollarischen Gründen; internationale Verhandlungen auf höchster Ebene sind solche, bei denen zu den Delegationen der verhandelnden Staaten Regierungsmitglieder oder Staatssekretärinnen und Staatssekretäre gehören.

38

Ein diplomatischer Titel (Ziff. 35 Bst. b) kann nur verliehen werden, wenn die Wahrnehmung der schweizerischen Interessen es erfordert; vorbehalten bleibt Artikel 3 Absatz 2 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 20016.

39

Das EDA und das Eidgenössische Finanzdepartement (das Eidgenössische Personalamt, EPA) müssen vor der Verleihung eines vorübergehenden Titels angehört werden.

4

Entscheid über die Entsendung von Delegationen

41

Der Bundesrat bestimmt das Mandat schweizerischer Delegationen für internationale Konferenzen, mit Ausnahme der unter Ziffer 44 vorgesehenen Fälle.

42

Zu diesem Zweck stellt das federführende Departement dem Bundesrat rechtzeitig einen Antrag, in dem die Position, welche die Delegation an der Konferenz zu vertreten beabsichtigt, beschrieben und die Aufgabe jedes oder jeder Delegierten definiert wird. Teilen sich mehrere Departemente in die Federführung, so stellen sie den Antrag gemeinsam.

43

Über diese Anträge ist in jedem Fall eine Ämterkonsultation durchzuführen.

431

Die Departemente bestimmen die Grösse und Zusammensetzung der Delegationen; vorbehalten bleibt Ziffer 3 Buchstabe B. Können sich die Departemente nicht einigen, so entscheidet der Bundesrat.

44

In gewissen Fällen können Entsendung und Mandat der Delegation auch auf Departements- oder Amtsstufe beschlossen werden. Die Departemente regeln die Handhabung in ihrem Zuständigkeitsbereich.

441

Dies ist in den folgenden Fällen möglich: a. Es ergeben sich keine neuen Verpflichtungen, welche die Kompetenzen des federführenden Departements bzw. Bundesamtes übersteigen, und: ­ die Konferenz ist von beschränkter politischer Tragweite, oder ­ die Verhandlungen finden unter der Führung einer internationalen Organisation statt, der die Schweiz angehört und deren Aufgabe es ist, das Völkerrecht weiterzuentwickeln.

5 6

Fassung vom 18. September 2012 (BBl 2012 8199).

SR 172.220.111.3

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b.

Der Bundesrat hat bereits ein ausreichendes Mandat beschlossen, sei es in allgemeiner Form oder anlässlich einer vorhergehenden gleichartigen Konferenz.

442

Kann der Entscheid über das Mandat einer Delegation auf Departementsoder Amtsstufe gefällt werden, so entbindet dies das federführende Bundesamt nicht von der Pflicht, die mitinteressierten Bundesstellen zu konsultieren. Können dabei auftretende Differenzen nicht auf Stufe der betroffenen Ämter oder Departemente geregelt werden, so ist das Geschäft dem Bundesrat zu unterbreiten. Das federführende Departement erarbeitet einen entsprechenden Antrag.

443

Bestehen für eine internationale Konferenz Differenzen darüber, auf welcher Stufe ein Entscheid gefällt werden kann, so entscheidet der Bundesrat.

5

Vollmachten

51

Verhandlungsvollmachten bezeichnen die Mitglieder der Schweizer Delegation und ermächtigen die Delegation, an der internationalen Konferenz teilzunehmen. Sie enthalten gegebenenfalls die Vollmacht, den aus den Verhandlungen hervorgehenden definitiven Texten zuzustimmen und sie zu paraphieren, sowie die Vollmacht, das Abschlussdokument der Konferenz zu unterzeichnen. Für die Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrags sind in der Regel besondere Vollmachten nötig, die mit einem separaten Dokument ausgestellt werden.

52

Die Verhandlungsvollmachten und die Unterzeichnungsvollmachten werden vom Bundesrat erteilt; vorbehalten bleiben die Ziffern 53 und 54 sowie dieZuständigkeiten von Amtes wegen der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten und der Vorsteherin oder des Vorstehers des EDA.

53

Eine Vollmacht zur Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrags, zu dessen Abschluss ein Departement, eine Gruppe oder ein Bundesamt zuständig ist, wird von der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten erteilt.7 Das Verfahren ist in den Richtlinien der BK für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner) festgelegt.

54

Ist für die Entsendung und das Mandat einer Delegation ein Departement oder ein Bundesamt zuständig (Ziff. 44), sind dafür aber Vollmachten nötig, so entscheidet die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident. Das Adhoc-Verfahren nach Ziffer 53 gilt sinngemäss.

55

Der Beschluss des Bundesrates kann in Fällen, in denen unsicher ist, ob Vollmachten nötig sind, vorsehen, dass diese bei Bedarf ausgearbeitet werden können.8

7 8

Beschluss des Bundesrates vom 9. März 2012 «Das [Departementskürzel/Amtskürzel] wird beauftragt, [im Bedarfsfall] die erforderliche Vollmacht vorzubereiten und der BK zur definitiven Ausfertigung zuzustellen.»

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6

Verhalten der Delegation

61

Alle Mitglieder einer Delegation sind der Delegationsleitung unterstellt.

Insbesondere diejenigen Mitglieder, die nicht der Bundesverwaltung angehören, sind vom federführenden Bundesamt über ihre Pflichten zu informieren. Diese umfassen namentlich die allfällige Pflicht zur Geheimhaltung, die Pflicht, nur gemäss Instruktion der Delegationsleitung als Mitglieder der Delegation Verhandlungen zu führen oder Erklärungen abzugeben, die Pflicht, die Delegationsleitung über im eigenen Namen ausserhalb des Verhandlungskontexts abgegebene Erklärungen unverzüglich zu informieren, sowie die Pflicht, sich an den Vorbereitungsarbeiten und an der Berichterstattung zu beteiligen.

62

Die schweizerische Delegation pflegt während der internationalen Konferenz auf bestmögliche Weise den Kontakt zu interessierten Vertreterinnen und Vertretern unabhängig teilnehmender schweizerischer Interessengruppen und zu den Delegierten internationaler Interessengruppen, die auch schweizerische Interessengruppen mitvertreten.

7

Administrative Bestimmungen

71

Für Angestellte der Bundesverwaltung gelten die entsprechenden administrativen Bestimmungen, insbesondere was den Ersatz von Auslagen, die Vergütungen, die Wahl des Transportmittels und die Anrechnung der Arbeitszeit betrifft.

711

Die Vergütungen sind im Einvernehmen mit dem EFD (EPA) festzusetzen.

712

Die Kosten der an internationalen Konferenzen teilnehmenden Angestellten der Bundesverwaltung gehen zulasten der Ämter, die sie vertreten (Rubrik «Übrige Sachausgaben»).

72

Die Kosten von Delegierten der Bundesversammlung, der Kantone sowie von Delegierten gemäss den Ziffern 15 und 16 werden in der Regel vom Bund nicht übernommen. Andernfalls trägt das zuständige Departement die Kosten.

73

Die Kosten für die Teilnahme an Konferenzen und Tagungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) , einschliesslich allfälliger Sachausgaben, werden für die Angestellten der Bundesverwaltung und für die zugezogenen Dritten (insbesondere die Delegierten und die fachlichen Beraterinnen und Berater der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) dem Sonderkredit des Staatssekretariats für Wirtschaft belastet. Diese Regelung gilt nicht für Vertreterinnen und Vertreter des EDA; deren Auslagen werden gemäss Ziffer 71 vergütet.

74

Sachausgaben für Einladungen, Miete von Büros und Fahrzeugen sowie dergleichen werden der Rubrik «Übrige Sachausgaben» (Unterrubrik «Vom Bundesrat bestellte Abordnungen») belastet, wenn die Delegation auf einem Beschluss des Bundesrates beruht (Ziff. 41). Andernfalls (Ziff. 44)

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sind diese Ausgaben der Rubrik «Übrige Sachausgaben» des federführenden Bundesamtes zu belasten.

75

Arbeiten, die von der Bundesverwaltung bei weiteren interessierten Kreisen im Rahmen von Vorbereitungs- und Folgearbeiten internationaler Konferenzen bestellt wurden und für die eine Entschädigung vorgesehen worden ist, sind grundsätzlich vom auftraggebenden Bundesamt zu bezahlen. Auf Antrag können solche Arbeiten ausnahmsweise vom EDA teilweise oder ganz finanziert werden, wenn dieses darin einwilligt und über die entsprechenden Mittel verfügt.

8

Schlussbestimmungen

Die Richtlinien vom 1. Februar 20069 für die Entsendung von Delegationen an internationale Konferenzen sowie für deren Vorbereitung und Folgearbeiten werden aufgehoben.

Diese Richtlinien treten am 7. Dezember 2012 in Kraft.

7. Dezember 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

9

BBl 2006 2455

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