Jahresbericht 2011 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle Anhang zum Jahresbericht 2011 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Januar 2012

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Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2011 auf einen Blick 2011 hat die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) ihren zwanzigsten Geburtstag feiern können. Aus Anlass dieses Jubiläums hat die PVK eine Internetpräsentation gestaltet, um die Arbeit der PVK den Ratsmitgliedern und einem weiteren Publikum vorzustellen. Auch der vorliegende Jahresbericht orientiert über die Aufgaben und das vielfältige Untersuchungsfeld der PVK. Im Laufe des Jahres 2011 hat die PVK fünf Evaluationen abgeschlossen, seit 1991 sind das nun insgesamt 56 Untersuchungen. Zudem hat die PVK im Berichtsjahr verschiedene Stellungnahmen für Nachkontrollen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) verfasst sowie Themenvorschläge für das Jahresprogramm 2012 der GPK vorgelegt.

Abgeschlossene Untersuchungen Vom 18. November 2009 bis am 11. Mai 2010 hatte die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates. Auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben die GPK diesen Vorsitz durch die PVK evaluieren lassen. Der Vorsitz im Europarat muss einerseits eigenständig auftreten, um etwas zu bewegen, andererseits muss er die Gepflogenheiten der Organisation beachten. Die Evaluation kommt zum Schluss, dass der Schweizer Vorsitz diesen Balanceakt zwischen Eigenständigkeit und Rücksichtnahme übers Ganze gut gemeistert hat. Der Schweizer Vorsitz hat einen wichtigen Beitrag zu den Zielen des Europarates geleistet, während sein Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen der Schweiz geringer ausfiel. Die Abwicklung des Vorsitzes weist sowohl Stärken wie auch Schwächen auf. Viele Gesprächspartnerinnen und -partner bedauerten, dass der Vorsitz nicht genutzt worden ist, um den Europarat in der Schweiz bekannter zu machen. Die Schweizer Presse hat nur wenig über den Vorsitz berichtet.

Das schweizerische Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren wurde im Jahr 2005 in einem neuen Gesetz geregelt. Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass das neue Gesetz in verschiedener Hinsicht kritisch zu beurteilen ist. Die mit dem Gesetz eingeführte Unterscheidung zwischen Vernehmlassungen und Anhörungen ist vielen Adressaten nicht bekannt oder ist für sie nicht relevant. Zudem ist das Gesetz in Bezug auf die Kriterien für den Entscheid, welches Verfahren zu wählen ist, zu wenig klar. Dies führt
dazu, dass die mit dem neuen Gesetz angestrebten Ziele ­ eine Straffung und qualitative Stärkung des Verfahrens ­ nicht erreicht werden konnten und können. Neben den unzureichenden rechtlichen Bestimmungen ist die Praxis bei Anhörungen kritisch zu bewerten, insbesondere die teilweise sehr kurzen Fristen und die ungenügende Ergebniskommunikation. Trotz alldem wurde deutlich, dass das Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren sowohl von Seiten der Bundesverwaltung als auch von Seiten der Adressaten als grundsätzlich sinnvolles und nützliches Instrument erachtet wird, um verwaltungsexterne Kreise an der Entscheidfindung des Bundesrates zu beteiligen und Vorhaben auf ihre sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz zu prüfen.

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Die Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Auswirkungen brachte vier Haupterkenntnisse. Erstens lässt sich, obwohl offensichtlich Druck auf die Löhne vorhanden ist, nicht beurteilen, ob es auch zu missbräuchlichen Lohnunterbietungen kommt. Der Gesetzgeber hat nicht klar definiert, was er unter wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung versteht, weshalb deren Feststellung von der kantonal unterschiedlichen Praxis abhängt. Zweitens werden die flankierenden Massnahmen im Bereich der Kontrollen und der Weiterleitung allfälliger Verstösse und Sanktionen je nach Vollzugsorgan nur teilweise und uneinheitlich umgesetzt. Drittens ist die Steuerung durch den Bundesrat und das SECO erst spät erfolgt, komplex und wenig zielgerichtet. Problematisch ist, dass die strategische Steuerung schwergewichtig auf eine kleine Zielgruppe, jene der entsandten Arbeitnehmenden, fokussiert ist: Rund die Hälfte der Kontrollen und drei Viertel des Budgets werden eingesetzt, um diese Arbeitnehmergruppe zu kontrollieren, die allerdings nur 0,5 Prozent des gesamten Beschäftigungsvolumens in der Schweiz ausmacht. Viertens lassen sich Aussagen über die Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen oder das (Nicht-)Vorhandensein von Lohnunterbietungen mit den bisher vorgelegten Daten nicht belegen.

Bei der Untersuchung der Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom stehen zwei Fragestellungen im Zentrum. Erstens soll beurteilt werden, wie der Bundesrat und die Verwaltung in ihrer Rolle als Eigner die Post, die SBB und die Swisscom steuern. Zweitens soll die Performanzentwicklung der drei Unternehmen seit der Ausgliederung (Vorher-Nachher-Vergleich) und im Quervergleich mit ausgewählten Ländern analysiert werden. Die PVK arbeitete im Rahmen dieser Evaluation mit Professor Reto Steiner vom Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern zusammen, welcher am 5. September 2011 der zuständigen Subkommission den Schlussbericht präsentiert hat. Das Geschäft ist zurzeit bei der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates in Behandlung.

Die Untersuchung der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat schliesst an die Ergebnisse früherer Inspektionen der GPK und der PVK an. Es ist umstritten, welche Steuerungsmöglichkeiten der
Bundesrat in den Sozialversicherungen hat, wie er seinen Handlungsspielraum ausschöpft und inwiefern er eine angemessene Steuerung der Sozialversicherungen vornimmt. Im Zentrum der Untersuchung steht die Beurteilung der strategischen politischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat in den letzten beiden Legislaturperioden (bis März 2011). Den empirischen Kern der Untersuchung bilden vier Fallstudien zur strategischen Steuerung in der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung, der Beruflichen Vorsorge und der Krankenversicherung. Der Schlussbericht der Untersuchung konnte der zuständigen Subkommission im Herbst 2011 präsentiert werden. Das Geschäft ist zurzeit bei der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates in Behandlung.

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Inhaltsverzeichnis Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2011 auf einen Blick

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

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2 Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht 2.1 Überblick zu den Projekten 2.2 Abgeschlossene Projekte 2.2.1 Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates 2.2.2 Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes 2.2.3 Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen 2.2.4 Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB 2.2.5 Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

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3 Vorträge und Lehrveranstaltungen

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4 Verwendung des Expertenkredits

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5 Neue Evaluationen im Jahr 2012

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Anhang: Vorschläge der PVK für Evaluationen im Jahr 2012

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Abkürzungsverzeichnis AHV Art.

BK EDA EDI EJPD EntsG

EU GAV GPK GPK-N GPK-S IV NAV NGOs PVK REMA SBB SECO SR UNO UVEK VlG

Alters- und Hinterlassenenversicherung Artikel Bundeskanzlei Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen (Entsendegesetz; SR 823.20) Europäische Union Gesamtarbeitsvertrag Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Invalidenversicherung Normalarbeitsvertrag Non-governmental organizations, Nichtregierungsorganisationen Parlamentarische Verwaltungskontrolle REengineering MAilprocessing (Reorganisation der Briefverteilung der Post) Schweizerische Bundesbahnen Staatssekretariat für Wirtschaft Systematische Rechtssammlung Vereinte Nationen («United Nations Organization») Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz; SR 172.061)

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Bericht 1

Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

Die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) hat im Berichtsjahr ihren zwanzigsten Geburtstag feiern können. 1990 beschloss das Parlament auf Initiative der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die PVK zu schaffen, um die parlamentarische Oberaufsicht zu professionalisieren. Die neue Stelle nahm ihre Tätigkeit im Jahr 1991 auf. Seither hat die PVK 56 Evaluationen abgeschlossen. Abbildung 1 macht ersichtlich, welche Aufgabengebieten der Bundesverwaltung diese Untersuchungen behandeln.

Abbildung 1 Evaluationen der PVK seit 1991 gemäss Aufgabengebieten nach Finanzplan (total 56 Evaluationen)

Aus Anlass des 20-Jahres-Jubiläums hat die PVK eine Internetpräsentation gestaltet, welche die Arbeit der PVK anhand einzelner Projekte und Presseartikeln sowie mittels Statements aus Politik und Wissenschaft vorstellt. Die auf der Homepage des

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Parlamentes1 aufgeschaltete Präsentation richtet sich ­ in einem Jahr des Legislaturwechsels ­ insbesondere an die neuen Ratsmitglieder. Für die Frühjahrssession 2012 ist zudem ein Informationsstand im Parlamentsgebäude geplant.

Das Kerngeschäft der PVK ist die Durchführung von Evaluationen.2 Diese stellen angesichts der vielfältigen Aufgaben des Staates und der knappen öffentlichen Finanzen ein wichtiges Instrument der wirkungsorientierten Staatsführung dar. In Ergänzung zum klassischen Instrumentarium der politischen Kontrolle untersuchen Evaluationen die Konzeption, die Umsetzung und die Wirkungen staatlicher Massnahmen mit wissenschaftlichen Methoden. Die PVK führt Evaluationen im Auftrag der GPK durch und überprüft auf Antrag der Legislativkommissionen die Wirksamkeit von Massnahmen des Bundes. Im Weiteren übernimmt die PVK Kurzaufträge zur Abklärung spezifischer Fragen im Rahmen laufender Geschäfte der GPK. Zudem unterstützt die PVK die parlamentarischen Kommissionen auch bei der politischen Verarbeitung von Evaluationsergebnissen sowie bei Nachkontrollen und weist die GPK auf Themen hin, die einer vertieften Abklärung bedürfen.

Die Untersuchungsergebnisse der PVK finden in den Entscheidungsprozessen von Parlament und Exekutive vielerlei Verwendung. Sie sind Grundlage von Handlungsempfehlungen der GPK und von parlamentarischen Vorstössen, fliessen in Gesetzesund Verordnungsrevisionen oder in verwaltungsinterne Reformprozesse ein. Die PVK-Berichte werden in der Regel veröffentlicht; sie können von der Homepage der PVK3 herunter geladen oder bei der PVK bestellt werden.

Die PVK arbeitet auf der Basis von Einzelaufträgen der parlamentarischen Kommissionen. Sie ist Teil der Parlamentsdienste und administrativ dem Sekretariat der GPK unterstellt. In wissenschaftlicher Hinsicht ist die PVK selbständig und orientiert sich an den einschlägigen Standards der Evaluationsforschung. Die PVK koordiniert ihre Aktivitäten mit den anderen Kontrollorganen des Bundes (z.B. mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle).

Zur Erfüllung ihres Auftrags steht der PVK ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mit 430 Stellenprozenten zur Verfügung. Die PVK bzw. die von ihr beauftragten externen Expertinnen und Experten verfügen über weit reichende Informationsrechte. Sie verkehren mit allen Bundesbehörden, Amtsstellen
und übrigen Trägern von Bundesaufgaben direkt und können von ihnen Auskünfte und Unterlagen einholen. Die Auskunftspflicht wird nicht durch das Amtsgeheimnis beschränkt. Die PVK sorgt für den Schutz ihrer Informationsquellen und behandelt ihre Evaluationsergebnisse bis zum formellen Publikationsbeschluss der Kommissionen vertraulich.

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www.parlament.ch (> Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle) Die Aufgaben der PVK sind in Artikel 10 der Parlamentsverwaltungsverordnung (SR 171.115) umschrieben.

www.parlament.ch (> Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle > PVK-Veröffentlichungen)

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Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht

2.1

Überblick zu den Projekten

Im Berichtsjahr konnten fünf Evaluationen abgeschlossen werden. Auf diese wird in Abschnitt 2.2. eingegangen.

Aufgrund des anstehenden Legislaturwechsels hat die PVK im Jahr 2011 keine neuen Evaluationen gestartet. In erster Priorität hat sie das Ziel verfolgt, sämtliche laufenden Projekte vor dem Legislaturende im Herbst 2011 abzuschliessen. Deshalb entfällt in diesem Jahresbericht Abschnitt 2.3 (Angaben zu den laufenden Projekten).

Tabelle 1 Übersicht Projekte PVK Projekt

Behandlung Subkommission

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

2.2

Abgeschlossene Projekte

2.2.1

Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates

März 2011 Juni 2011 Juni 2011 September 2011 November 2011

Der Europarat ist eine multilaterale Organisation, die sich seit 1949 für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzt. Die mittlerweile 47 Mitgliedstaaten des Europarates decken fast den gesamten europäischen Kontinent ab. Vom 18. November 2009 bis zum 11. Mai 2010 hatte die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee, dem Entscheidorgan des Europarates, inne. Abbildung 2 zeigt schematisch das Ministerkomitee sowie die weiteren Organe des Europarates.

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Abbildung 2 Organe des Europarates Ministerkomitee

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Rechtsprechendes Organ

Kongress der Gemeinden und Regionen

Konferenz der internationalen NGOs

Entscheidorgan

Parlamentarische Versammlung Wahl- und Beratungsorgan

Beratungsorgan

Beratungsorgan











47 Mitgliedstaaten Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Klett, Infoblatt Europarat, http://www.klett.de

Auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben die GPK den Vorsitz der Schweiz durch die PVK evaluieren lassen.

Um die verschiedenen Elemente des Vorsitzes ­ von der Planung über die Durchführung, die Wahrnehmung und die Ergebnisse ­ abzudecken, hat die PVK eine Reihe von unterschiedlichen Erhebungsmethoden angewendet. Neben explorativen Gesprächen hat sie vertiefte Interviews, schriftliche Umfragen, Dokumenten-, Ressourcen- und Medienanalysen sowie beobachtende Teilnahmen an Anlässen und Sitzungen durchgeführt. Insgesamt hat sie 52 Personen befragt.

Abwicklung des Vorsitzes mit Stärken und Schwächen Die Durchführung des Vorsitzes durch die Bundesverwaltung funktionierte im Grossen und Ganzen gut. Verschiedene Bundesstellen beteiligten sich am Vorsitz und koordinierten ihre Aktivitäten mit der zuständigen Sektion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die Vorsteherin des EDA hat sich sichtbar für den Vorsitz engagiert.

Die Organisation wies jedoch auch Schwächen auf, die es im Hinblick auf ähnliche Funktionen der Schweiz zu vermeiden gilt. Erstens erwies sich die bestehende Linienorganisation beim EDA als zu schwerfällig, um den Vorsitz effizient abzuwickeln. Zweitens waren die Zuständigkeiten und Abläufe ungenügend geklärt worden, weshalb es im EDA immer wieder zu Reibungen gekommen ist. Drittens war das Engagement der Vorsteherin des EDA jeweils durch eine gewisse Kurzfristigkeit geprägt.

Als Stärke hervorzuheben ist das Kosten-Leistungs-Verhältnis. Die Bundesverwaltung arbeitete kostenbewusst. Die Gesamtkosten des Vorsitzes beliefen sich bei einer konservativen Schätzung auf rund 4,2 Millionen Franken. Der Sachaufwand betrug etwa 2,8 Millionen Franken, wobei ein Grossteil auf längerfristige Unterstützungsleistungen an den Europarat entfällt. Für Anlässe, einschliesslich einer Ministerkonferenz, wurde rund eine Million Franken ausgegeben, was ­ etwa verglichen mit dem Frankophonie-Gipfel in Montreux (Oktober 2010) ­ wenig ist.

Wichtiger Beitrag zu den Zielen des Europarates Für den Europarat stellt der grosse Berg an pendenten Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, seinem rechtsprechenden Organ, mit Abstand das wichtigste Problem dar. Der Gerichtshof macht den Europarat als multilaterale 6881

Organisation einmalig und wird am stärksten wahrgenommen. Er droht seine Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn er die hängigen Verfahren nicht bald behandeln kann.

Die Schweiz hat die Reform des Gerichtshofs zuoberst auf ihre Prioritätenliste gesetzt und entscheidend vorangebracht. Dabei hat der Schweizer Vorsitz von seinen Möglichkeiten geschickt Gebrauch gemacht. Er hat die Verhandlungen für eine gemeinsame Erklärung der Mitgliedstaaten bewusst gestaltet und einen Konsens erzielt. Die gemeinsame Erklärung, die an der Ministerkonferenz in Interlaken verabschiedet wurde, stellt einen Reformfahrplan auf und nimmt auch die Mitgliedstaaten und das Ministerkomitee in die Pflicht. Die Schweiz ist hiermit die Problematik der Durchsetzung der Menschenrechte umfassend und erfolgreich angegangen.

Der Schweizer Vorsitz hat auch dazu beigetragen, dass sich die Beziehungen zwischen dem Ministerkomitee und der Parlamentarischen Versammlung nach der Krise rund um die Wahl eines neuen Generalsekretärs des Europarates wieder normalisiert haben. Anstatt selber tätig zu werden, hat die Schweiz in einigen Bereichen den neuen Generalsekretär und sein Sekretariat unterstützt. Dieses Vorgehen ging zwar auf Kosten der direkten Mitsprache, doch hat die Schweiz dadurch sichergestellt, dass ihre Anliegen auch über ihren Vorsitz hinaus berücksichtigt werden.

Neben dem Gerichtshof hat die Schweiz die Stärkung der Demokratie als Priorität festgelegt und in St. Gallen eine Konferenz zu «Demokratisierung und Dezentralisierung» durchgeführt. Wie die Ministerkonferenz in Interlaken war auch diese Konferenz gut organisiert. Doch war sie als einmaliger, akademisch ausgerichteter Anlass nicht geeignet, um das hochgesteckte Ziel einer Stärkung der Bürgerdemokratie in den Mitgliedstaaten zu erreichen. Der Vorsitz hat es zudem versäumt, durch den verbindlichen Einbezug des Europarates Folgeaktivitäten sicherzustellen.

Geringer Beitrag zu den Zielen der Schweizer Aussenpolitik Die Möglichkeiten des Vorsitzes, nationale Interessen zu verfolgen, sind beschränkt.

Dass der Schweizer Vorsitz nur einen bescheidenen Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen geleistet hat, ist deshalb wenig überraschend.

Viele Ziele der Schweizer Aussenpolitik wie Frieden und Stabilität decken sich mit den Zielen des Europarates, so dass die Erfolge, die der
Schweizer Vorsitz beim Europarat erzielen konnte, auch als Beitrag zu den aussenpolitischen Zielen betrachtet werden können. Der Schweizer Vorsitz hat gerade deshalb Fortschritte im Europarat erzielt, weil er seine eigenen Positionen zurückgestellt hat und glaubwürdig als neutraler Vermittler aufgetreten ist. Die Schweiz hat auf Werte wie Zielorientierung und Effizienz gebaut, für die sie international bekannt ist. Insbesondere der Erfolg von Interlaken dürfte sich positiv auf das Image der Schweiz im Europarat und allenfalls in europäischen Regierungskreisen auswirken.

Zudem war die Konferenz in St. Gallen eine Gelegenheit, bei der sich die Schweiz mit dem für unser Land wichtigen Thema der Bürgerdemokratie präsentieren konnte. Die Ausstrahlung der Konferenz fiel jedoch eher gering aus. Der Vermarktungsaspekt des Vorsitzes ist generell etwas vernachlässigt worden. Ob jedoch ein deutlich grösseres Engagement des Bundesrates, das für eine starke internationale Präsenz erforderlich wäre, angemessen gewesen wäre, ist angesichts der im Vergleich zur EU oder UNO beschränkten Bedeutung des Europarates in der Schweizer Aussenpolitik fraglich.

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2.2.2

Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes

Das Vernehmlassungsverfahren hat in der Schweiz eine hohe Bedeutung und eine lange Tradition. Auf Gesetzesstufe geregelt wurde es aber erst 2005. Mit dem neuen Vernehmlassungsgesetz (VlG)4 sollte das Verfahren verwesentlicht, gestrafft und qualitativ verbessert werden. Dazu wurde auch eine Unterscheidung eingeführt zwischen Vernehmlassungen, welche bei wichtigen Vorhaben von Bundesrat oder Parlament eröffnet werden, und Anhörungen, welche Departemente, Ämter und Behördenkommissionen zu weniger wichtigen Vorhaben selbst beschliessen können.

Abbildung 3 Arten und Formen der Vernehmlassung und Anhörung

Das VlG und die dazugehörige Verordnung5 regeln in erster Linie das Vernehmlassungsverfahren; sie enthalten lediglich einzelne, explizit genannte Bestimmungen, die auch für Anhörungen verbindlich sind. Insgesamt verfügen die zuständigen Stellen bei der Planung und Durchführung von Anhörungen daher über einen grösseren Entscheidungsspielraum als bei Vernehmlassungen, namentlich hinsichtlich der Länge der Fristen und der Auswahl der Adressaten.

Auslöser, Fokus und Vorgehen der Evaluation Weil in den vergangenen Jahren immer wieder Klagen über zu kurze Fristen und über fehlende Transparenz bei der Auswahl der eingeladenen Adressaten sowie bei der Auswertung und Gewichtung der Stellungnahmen bei Vernehmlassungen und Anhörungen laut wurde, haben die GPK die PVK mit einer Untersuchung der Vernehmlassungs- und Anhörungspraxis des Bundes beauftragt. Weil Anhörungen wie oben ausgeführt ein neues Instrument darstellen und die Verwaltung bei ihrer Durchführung einen grösseren Entscheidungsspielraum hat als bei Vernehmlassungen, hat die zuständige Subkommission EJPD/BK der Geschäftsprüfungskommission des 4 5

Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz; SR 172.061).

Verordnung vom 17. August 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsverordnung; SR 172.061.1).

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Nationalrates (GPK-N) entschieden, dass die PVK den Fokus ihrer Untersuchung auf die Anhörungen zu legen hat. Die Evaluation sollte demnach die Praxis der Bundesverwaltung bei Anhörungen beschreiben und bewerten.

Dafür analysierte die PVK die relevanten Dokumente (normative Vorgaben und weitere Hilfsmittel), erfasste die Grunddaten zu allen Vernehmlassungen und Anhörungen seit Inkrafttreten des VlG und wertete diese aus. Weitere Erkenntnisse ergaben sich aus einer Online-Befragung von Absendern und Adressaten von Vernehmlassungen und Anhörungen sowie aus über 80 Interviews mit verantwortlichen Personen in der Bundesverwaltung sowie auf Seiten der Adressaten. Zudem wurden sieben konkrete Anhörungsverfahren detailliert beschrieben und untersucht.

Ein wesentlicher Teil der empirischen Erhebungen wurde von der Firma Landert & Partner durchgeführt.

Unklarer Anhörungsbegriff Die Evaluation hat insgesamt ergeben, dass Anhörungen wie Vernehmlassungen sowohl von Seiten der Bundesverwaltung als auch von Seiten der Adressaten als sinnvoll und nützlich erachtet werden, um verwaltungsexterne Kreise an der Meinungsbildung und Entscheidfindung des Bundes teilhaben zu lassen und um die sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz von Vorhaben des Bundes zu prüfen.

Allerdings wurde auch deutlich, dass die Praxis bei der Durchführung der Verfahren den rechtlichen Vorgaben nicht immer genügt und dass die rechtlichen Vorgaben gleichzeitig als teilweise unzureichend bewertet werden müssen. Dabei ist insbesondere die neu eingeführte Differenzierung zwischen Vernehmlassungen und Anhörungen problematisch: ­

Erstens gibt das Gesetz für die Entscheidung, ob zu einem Vorhaben eine Anhörung oder eine Vernehmlassung durchgeführt werden soll, im Wesentlichen zwei Kriterien an: Normstufe und Tragweite des Vorhabens. Die Evaluation hat gezeigt, dass Entscheidungen oft nur auf das Kriterium der Normstufe abgestellt werden, während das Kriterium der Tragweite eines Vorhabens nicht berücksichtigt wird bzw. die Tragweite nicht sorgfältig genug abgeklärt wird. In einigen Fällen wurden die Kriterien auch schlicht missachtet und es wurde eine Anhörung durchgeführt, obwohl klar eine Vernehmlassung nötig gewesen wäre. So wurde beispielsweise zur Passivrauchschutz-Verordnung statt einer Vernehmlassung «nur» eine Anhörung durchgeführt, obwohl diese in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden musste und die Kantone in erheblichem Mass betraf.

­

Zweitens wurde auch deutlich, dass die neu eingeführte Unterscheidung zwischen Anhörungen und Vernehmlassungen vielen Adressaten nicht bekannt ist oder für sie keine Rolle spielt. Denn ihr Entscheid darüber, ob sie sich an einem Verfahren beteiligen, hängt im Wesentlichen davon ab, wie stark sie vom Vorhaben betroffen sind, während es für sie nicht relevant ist, ob das Verfahren als Vernehmlassung oder als Anhörung betitelt ist. Weil den Adressaten aber die Unterscheidung der Verfahren gleichgültig bzw.

nicht klar ist, ist ihnen oft auch nicht bekannt, dass je nach Verfahren unterschiedliche Vorgaben gelten und dass es für Anhörungen beispielsweise keine Vorgaben zu Fristen oder Adressatenkreis gibt. So gaben beispielsweise

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zahlreiche Befragte an, dass ihnen bei bestimmten Verfahren die gesetzlich vorgesehene Mindestfrist nicht gewährt wurde. Viele der kritisierten Verfahren stellen sich aber dann als Anhörungen heraus ­ den Befragten war aber schlicht nicht bewusst, dass Gesetz und Verordnung für Anhörungen keine Mindestfrist vorsehen und diese daher trotz kurzer Frist formal korrekt durchgeführt wurden.

Das Gesetz ist aber nicht nur aufgrund der soeben erwähnten Punkte als unzureichend zu beurteilen, sondern auch, weil es in der aktuellen Form nicht zum Ziel einer Straffung und Verwesentlichung des Vernehmlassungsprozesses beiträgt bzw.

beitragen kann. Dies liegt vor allem daran, dass Artikel 3 VlG für viele, genau definierte Vorhaben zwingend eine Vernehmlassung verlangt. Damit kann in diesen Fällen selbst dann nicht auf eine Vernehmlassung verzichtet werden, wenn das Vorhaben unter Umständen überhaupt nicht umstritten ist oder wenn alle interessierten Kreise bereits an der Ausarbeitung beteiligt waren und damit der Zweck des Verfahrens gemäss Artikel 2 VlG bereits erfüllt ist.

Ungenügende Ergebniskommunikation bei Anhörungen und kurze Fristen Neben den unzureichenden rechtlichen Vorgaben sind durch die Evaluation aber auch Mängel bei der praktischen Durchführung thematisiert worden. Denn teilweise wurden Bestimmungen des VlG und der dazugehörigen Verordnung, die auch für Anhörungen gelten, in der Praxis nicht angewendet. So wurde beispielsweise entgegen der gesetzlichen Vorgabe bei immerhin einem Drittel der 2009 durchgeführten Anhörungen kein Ergebnisbericht publiziert. Und in anderen Fällen haben die Verwaltungsstellen den Entscheidungsspielraum, den ihnen das Gesetz zugesteht, nicht zweckmässig angewendet. Dabei sind insbesondere die teilweise sehr kurzen Fristen bei Anhörungen zu nennen. Die befragten Adressaten haben betont, dass es diese manchmal nicht zuliessen, dass eine fundierte und nötigenfalls intern konsolidierte Stellungnahme erarbeitet werden könne. Wenn aber die Verwaltung keine sorgfältigen Stellungnahmen erhält, kann das betreffende Vorhaben auch nicht gründlich auf seine sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz geprüft werden. In diesen Fällen können demnach die Ziele des Anhörungsverfahrens nicht erreicht werden.

Ein weiterer Schwachpunkt in der Anhörungspraxis bildet die
Kommunikation über die Verwertung der Stellungnahmen. Anders als bei Vernehmlassungen, zu denen in der Regel eine Medienmitteilung publiziert wird und deren wesentlichen Schlussfolgerungen auch in der Botschaft an das Parlament zusammengefasst werden, gibt es bei Anhörungen keine (formalisierte) Kommunikation darüber, welche Anregungen (aus welchen Gründen) aufgenommen werden und wie die ursprüngliche Vorlage angepasst wird. Der Ergebnisbericht als wertungsfreie Zusammenfassung der Stellungnahmen, der den Anhörungsteilnehmenden in der Regel nicht einmal zugestellt wird, erfüllt das Bedürfnis der Adressaten nach transparenter Information über die Verwertung der Stellungnahmen nicht.

Entscheidkompetenz bei den Ämtern ­ schwache Stellung der Bundeskanzlei als Koordinatorin des Verfahrens Schliesslich hat die PVK-Evaluation auch gezeigt, dass die Bundeskanzlei ihrer gesetzlich festgeschriebenen Koordinationsrolle und ihrem eigenen Anspruch, für einheitliche und rechtlich korrekte Verfahren zu sorgen, nicht gerecht wird. Dies liegt einerseits daran, dass sie keine Weisungsbefugnis gegenüber den durchführen6885

den Dienststellen hat und daher eine korrekte Durchführung sowie eine Koordination der Verfahren nicht erzwingen kann. Andererseits kann sie gemäss eigenen Angaben für die Betreuung des Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahrens nur wenige Ressourcen einsetzen und wendet diese prioritär für die politisch bedeutsameren Vernehmlassungen auf als für Anhörungen.

2.2.3

Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen

Die flankierenden Massnahmen sind am 1. Juni 2004 im Zuge der Einführung der Personenfreizügigkeit in Kraft getreten, welche im Rahmen der bilateralen Abkommen (Bilaterale I) mit der Europäischen Union ausgehandelt worden war. Sie sollen verhindern, dass sich die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Schweiz aufgrund des erleichterten Zugangs der ausländischen Arbeitnehmenden zum Schweizer Arbeitsmarkt verschlechtern (Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping). Einerseits bestehen diese Massnahmen in der Kontrolle der Einhaltung der Lohn- und Sozialbedingungen bei den entsandten Arbeitnehmenden, andererseits sehen sie die Möglichkeit der erleichterten Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) oder des Erlasses von Normalarbeitsverträgen (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen vor, falls in einer Branche wiederholt missbräuchliche Lohnunterbietungen nachgewiesen werden.

Seit der Einführung der flankierenden Massnahmen sind viele Fragen zu deren Anwendung und Wirksamkeit aufgetaucht. Die zuständige Subkommission der GPK-N hat die PVK am 21. Juni 2010 beauftragt, eine Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen vorzunehmen.

Zur Beantwortung der Fragen griff die PVK auf mehrere Informationsquellen und Datensammlungen zurück. Mit der Studie über die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit wurden die externen Experten PD Dr. Fred Henneberger und Dr. Alexandre Ziegler vom Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitsrecht der Universität St. Gallen betraut. Diese führten sowohl für die gesamte Schweizer Wirtschaft als auch gegliedert nach Branchen und Ausbildungsniveau der Arbeitnehmenden eine umfassende Lohnanalyse für die Jahre 2004­2008 durch. Dabei stützten sie sich auf die Mikrodaten der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (Bundesamt für Statistik). Es handelt sich um eine sehr breit angelegte Studie (1 615 482 Personen im Jahr 2008), die erstmals auf der Grundlage direkter, auf kommunaler Ebene (Postleitzahl) ausgewerteter Mikrodaten durchgeführt wurde. Die Studie basiert ­ im Gegensatz zu den meisten anderen ­ nicht auf aggregierten Daten. Für die Studie zur Aufsicht über die flankierenden Massnahmen sammelte die PVK ihre Daten im Rahmen: ­

von 30 Gesprächen mit Personen aus der Bundesverwaltung, den Kantonsverwaltungen und den tripartiten und paritätischen Kommissionen sowie mit verschiedenen Sozialpartnern;

­

einer schriftlichen Befragung aller kantonalen tripartiten Kommissionen und nationalen paritätischen Kommissionen (insgesamt 47, d.h. alle tripartiten Kommissionen und beinahe alle paritätischen Kommissionen, haben geantwortet);

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­

der Begleitung zweier Inspektoren vor Ort;

­

der Analyse von Dokumenten und Statistiken des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO).

Die Evaluation brachte folgende vier Haupterkenntnisse: Offensichtlicher Lohndruck, aber nicht feststellbare Lohnunterbietung Die Evaluation zeigte zunächst auf, dass das durch die Personenfreizügigkeit erhöhte Angebot an Arbeitskräften tatsächlich Druck auf die Löhne ausgeübt hat. Obwohl Druck auf die Löhne vorhanden ist, lässt sich nicht beurteilen, ob es auch zu missbräuchlichen Lohnunterbietungen kommt. Der Gesetzgeber hat nicht klar definiert, was er unter wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung versteht, weshalb deren Feststellung von der kantonal unterschiedlichen Praxis abhängt. Die Kantone wiederum haben die Kriterien zur Definition missbräuchlicher Lohnunterbietung nicht immer festgelegt, teilen diese nicht systematisch mit und wenden sie auch nicht immer an. Die Datenerhebungen der PVK haben aber gezeigt, dass die Löhne der entsandten Arbeitnehmenden manchmal deutlich unter jenen der niedergelassenen Arbeitnehmenden liegen.

Unvollständige und uneinheitliche Anwendung der flankierenden Massnahmen Die flankierenden Massnahmen werden je nach Vollzugsorgan unterschiedlich umgesetzt. Die Massnahmen beschränken sich oft auf die Kontrollen und die GAVBestimmungen. Die im Entsendegesetz (EntsG)6 vorgesehenen Sanktionen oder andere Instrumente wie die erleichterte Allgemeinverbindlichkeitserklärung von GAV oder das Erlassen von Normalarbeitsverträgen werden jedoch kaum angewendet.

Die Umsetzungsprobleme sind je nach branchenüblicher Regelung verschieden: ­

In den meisten Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten GAV auf nationaler Ebene folgen auf die Kontrollen keine Sanktionen gemäss EntsG, weil die Fälle den kantonalen Behörden nicht weitergeleitet werden.

­

In den meisten Branchen mit einem auf kantonaler Ebene für allgemeinverbindlich erklärten GAV kann aufgrund der Datenquantität und -qualität nicht eruiert werden, ob die flankierenden korrekt und effektiv umgesetzt werden.

­

Im Zuständigkeitsbereich der tripartiten Kommissionen lassen sich mit den kantonalen Kontrollverfahren und Methoden wiederholte missbräuchliche Lohnunterbietungen zumeist nicht klar nachweisen. Dies führt dazu, dass die für solche Fälle vorgesehenen Instrumente (erleichterte Allgemeinverbindlichkeitserklärung von GAV oder NAV mit zwingenden Mindestlöhnen) nicht eingesetzt werden können.

Späte, komplexe und zu wenig zielgerichtete Steuerung Die mangelnde Unterstützung des Bundes in den ersten Jahren nach der Einführung der flankierenden Massnahmen hat dazu beigetragen, dass diese unterschiedlich umgesetzt wurden. Das SECO wurde sich 2008 der Vollzugsprobleme bewusst und 6

Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen (Entsendegesetz; SR 823.20).

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begann, diese schrittweise zu beheben. Mithilfe der Direktion für Arbeit und des zuständigen Leistungsbereichs entwickelte das SECO eine zur Erreichung der gesetzlichen Ziele geeignete Strategie.

Die meisten Anwendungsprobleme waren jedoch bereits seit Jahren bekannt und die unzulänglichen Praktiken gewisser Kantone und paritätischer Kommissionen hätten den Bundesrat schon viel früher zum Handeln bewegen sollen. Die Steuerung kann sich bisher nicht auf verlässliche Daten stützen und sich beispielsweise kein Bild davon machen, wie viele Verstösse es im Lohnbereich wirklich gibt oder wie die paritätischen Kommissionen die Kontrollen aufteilen und finanzieren. Auch wird die Steuerung durch den Vollzugsföderalismus und die uneinheitliche und komplexe Organisation der paritätischen Kommissionen stark erschwert.

Angesichts dessen, dass die flankierenden Massnahmen der Bekämpfung des Lohnund Sozialdumpings dienen sollen, ist es problematisch, dass die strategische Steuerung schwergewichtig auf eine kleine Zielgruppe fokussiert ist: Rund die Hälfte der Kontrollen und drei Viertel des Budgets werden eingesetzt, um diese Gruppe der entsandten Arbeitnehmenden zu kontrollieren, die allerdings nur 0,5 Prozent des gesamten Beschäftigungsvolumens in der Schweiz ausmacht.

Abbildung 4 Anteil der entsandten Arbeitnehmenden am gesamten Beschäftigungsvolumen

Anteil der entsandten Arbeitnehmenden bei den durchgeführten Kontrollen

Das System der flankierenden Massnahmen basiert auf einem Grundpfeiler der Schweizer Wirtschaft: den Beziehungen zwischen den Sozialpartnern. Die vorherrschende Stellung der paritätischen Kommissionen bei der Umsetzung der flankierenden Massnahmen lässt sich damit rechtfertigen, dass die von ihnen abgedeckten Branchen besonders exponiert sind, was die Qualifikation der Arbeitskräfte, das Lohnniveau und den Konkurrenzdruck angeht. Obwohl in diesen Branchen fast die Hälfte aller Kontrollen durchgeführt und die Hälfte der Gesamtkosten des Bundes generiert werden, entfallen auf sie rein quantitativ nur gerade 13 Prozent der Arbeitnehmenden. Die basierend auf der Lohnstrukturerhebung realisierte Studie zeigte allerdings, dass sich der Lohndruck nicht nur in den Branchen bemerkbar macht, die als besonders anfällig für Lohn- und Sozialdumping gelten. Deshalb sollte die Fokussierung der flankierenden Massnahmen auf die Niedriglohnbranchen hinterfragt werden.

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Zudem ist festzuhalten, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum nicht ausgeschöpft hat, weder um den Begriff der Lohnunterbietung und die entsprechenden Feststellungsmethoden genauer zu definieren, noch um die Zielgruppen der flankierenden Massnahmen zu präzisieren (Aufteilung der Kontrollen zwischen paritätischen und tripartiten Kommissionen, zwischen Entsendebetrieben und Schweizer Arbeitgebern).

Schliesslich ist zu betonen, dass die flankierenden Massnahmen in Abhängigkeit von den politischen Diskussionen um die Öffnung der Märkte und die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf neue EU-Mitgliedstaaten laufend angepasst werden. Die Weiterentwicklung der flankierenden Massnahmen erfolgt allerdings ohne Kenntnis ihrer tatsächlichen Wirksamkeit, da zuverlässige Datengrundlagen fehlen.

Ungenügende Kommunikation Aussagen über die Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen oder das (Nicht-) Vorhandensein von Lohnunterbietungen lassen sich mit den bisher vorgelegten Daten nicht belegen.

Jegliche Schlussfolgerung auf Grundlage dieser unvollständigen und unzuverlässigen Daten oder anhand nationaler Durchschnittswerte ist zwecklos, weil die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit je nach Region und die Umsetzung der flankierenden Massnahmen je nach Kanton sehr unterschiedlich sind.

2.2.4

Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB

Nach der Ausgliederung aus der zentralen Bundesverwaltung Ende der neunziger Jahre erfüllen SBB, Post und Swisscom im (mehrheitlichen) Eigentum des Bundes weiterhin öffentliche Aufgaben. Der Bund nimmt als Eigentümer und Gewährleister Einfluss auf die Aufgabenerfüllung durch diese Unternehmen. Es stellt sich die Frage, wie der Bund dabei die Aufgabenerfüllung steuern und gleichzeitig die angestrebte Trennung der politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten verwirklichen kann.

Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der zuständigen Organe des Bundes sind rechtlich normiert. Bis heute fehlt allerdings eine empirische Analyse der tatsächlichen Steuerungspraxis von SBB, Post und Swisscom durch die Regierung und die Verwaltung. Vor diesem Hintergrund haben die GPK die PVK mit einer Untersuchung zur Praxis des Bundes in der Steuerung dieser Unternehmen beauftragt.

Die PVK arbeitete im Rahmen dieser Evaluation mit Professor Reto Steiner vom Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern zusammen, welcher der zuständigen Subkommission der GPK-N am 5. September 2011 den Schlussbericht präsentiert hat. Da die zuständige Subkommission die Behandlung des Geschäfts noch nicht abgeschlossen hat, stellen wir im Folgenden einzig die Grundkonzeption der Untersuchung kurz dar.

Gemäss Mandat der zuständigen Subkommission der GPK-N vom Juni 2010 stehen zwei Fragestellungen im Zentrum der Untersuchung:

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­

Wie ist die konkrete Praxis des Bundesrates und der Verwaltung in der Eignersteuerung von Post, SBB und Swisscom zu beurteilen?

­

Inwieweit wurde das Ziel erreicht, die Effizienz, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit (Performanz) von Post, SBB und Swisscom zu steigern?

Im ersten Teil der Untersuchung wird die tatsächliche Praxis der Eignersteuerung des Bundes erhoben. Die Praxis wird verglichen mit den Anforderungen, die sich einerseits aus den gesetzlichen Grundlagen und den Grundsätzen des Bundesrats zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben7 sowie andererseits aus den Richtlinien den Guidelines on Corporate Governance of State-owned Enterprises der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) und in den europäischen Policy Recommendations der European Cooperation for Science and Technology (COST) Action IS601 festgehalten sind. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Umgang der Entscheidungsträger mit unternehmens- und aufgabenbezogenen Zielsetzungen und möglichen Zielkonflikten. Dazu werden fünf kritische Ereignisse genauer analysiert werden, nämlich bei der Post (1) die Reduktion der Anzahl Briefzentren im Rahmen des Projekts REMA und (2) die Reorganisation des Poststellennetzes, bei den SBB (3) die strategische Ausrichtung von SBB Cargo und (4) den Streik im Industriewerk Bellinzona sowie bei der Swisscom (5) die Auslandstrategie.

Die Analyse der Zielerreichung bildet den zweiten Teil der Untersuchung. In diesem Rahmen wird ein Vergleich der Performanzentwicklung innerhalb der Schweiz (Vorher-Nachher-Vergleich) und im Quervergleich mit ausgewählten Ländern seit der Ausgliederung durchgeführt. Diese Performanzentwicklung von Post, SBB und Swisscom wird dabei aus Unternehmens- und aus Kundensicht analysiert.

Neben einer Analyse von Dokumenten und Daten stützt sich die Untersuchung auf mehr als 20 Interviews mit involvierten Personen aus der Verwaltung, den Bundesunternehmen sowie Mitgliedern der eidgenössischen Räte.

2.2.5

Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat die PVK im Rahmen ihrer Jahresplanung 2010 mit einer Untersuchung der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat beauftragt. Das grosse finanzielle Gewicht der Sozialversicherungen für den Bundeshaushalt wie auch die Bedeutung der anstehenden Herausforderungen bilden den Hintergrund des Auftrags. Dabei ist umstritten, welche Steuerungsmöglichkeiten der Bundesrat in den Sozialversicherungen hat, wie er seinen Handlungsspielraum ausschöpft und inwiefern er eine angemessene Steuerung der Sozialversicherungen vornimmt. Die Untersuchung schliesst an die Ergebnisse von früheren Inspektionen der GPK und der PVK an, welche sich mit der strategischen Steuerung des Bundesrates befassten.8 7

8

Vgl. Bericht des Bundesrates zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht) vom 13. September 2006 und Erläuternder Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006.

Zum Beispiel: PVK (2009): Die strategische politische Steuerung des Bundesrates.

Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 15. Oktober 2009.

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Im Zentrum der Untersuchung steht die Beurteilung der strategischen politischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat in den letzten beiden Legislaturperioden (1. Dezember 2003 bis 31. März 2011). Die strategische Steuerung der Sozialversicherungen wird primär anhand von vier Fallstudien untersucht.

Die zuständige Subkommission der GPK-S hat die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die Invalidenversicherung (IV), die Berufliche Vorsorge und die Krankenversicherung für die Fallstudien ausgewählt. Ergänzend wird bei den übrigen Sozialversicherungen (Arbeitslosenversicherung, Erwerbsersatzordnung, Ergänzungsleistungen zu AHV und IV, Familienzulagen, Unfallversicherung, Militärversicherung) die strategische Steuerung beschrieben, summarisch analysiert und soweit möglich beurteilt.

Die Untersuchung, welche die PVK gemeinsam mit INFRAS Forschung und Beratung (Zürich) und Büro Vatter, Politikforschung & -beratung (Bern) durchführte, konnte im Herbst 2011 abgeschlossen werden. Der Schlussbericht der PVK wurde der zuständigen Subkommission der GPK-S im November 2011 präsentiert. Da die GPK-S die Behandlung des Berichts noch nicht abgeschlossen hat, beschränken wir uns im Folgenden auf die Darstellung der konzeptionellen Grundlagen der Untersuchung.

Zweck der strategischen Steuerung Mit der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen soll der Bundesrat im Sinne seiner Staatsleitungsfunktion eine langfristig ausgerichtete, koordinierte, zielund wirkungsorientierte Weiterentwicklung der Bundespolitik anstreben. Dabei sollen Bundesrat und Verwaltung aktuelle und zukünftige Herausforderungen erkennen, eine Vorstellung darüber formulieren, wie diesen Herausforderungen zu begegnen ist, sowie entsprechende Massnahmen einleiten.

Anders als ältere Planungskonzeptionen gehen aktuelle Konzeptionen strategischer Steuerung nicht von der Vorstellung einer umfassenden Plan- und Beherrschbarkeit gesellschaftspolitischer Prozesse aus. Strategische Steuerung ist zwar langfristig ausgerichtet, sie beinhaltet aber weder genaue Prognosen der Zukunft noch im Detail geplante Massnahmen. Vielmehr definiert sie auf der Basis kontinuierlicher Situationsanalysen und Entwicklungsszenarien strategische Ziele sowie entsprechende Stossrichtungen und zentrale Massnahmen in mittlerer und längerer Frist.
Eine derart konzipierte Steuerung erlaubt es, unter sich permanent verändernden Umweltbedingungen gezielt «nachzujustieren» und gegebenenfalls auch kurzfristig Kurskorrekturen vorzunehmen. Diese Steuerungskonzeption ist damit eine adäquate Antwort auf anspruchsvolle, institutionelle und politischen Rahmenbedingungen, insbesondere Abhängigkeit von Entscheiden des Parlaments und des Volks.

Konzeption strategischer Steuerung als Ableitung der Staatsleitungsfunktion Abbildung 5 zeigt das aus der Staatsleitungsfunktion des Bundesrates und der Fachliteratur abgeleitete Konzept strategischer Steuerung, das zur Strukturierung der Untersuchung verwendet wurde. Die zentralen Elemente dieses Modells bauen inhaltlich aufeinander auf und ergeben einen durchgängigen Steuerungskreislauf, sind aber nicht als Elemente einer linearen Kausalkette zu verstehen.

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Abbildung 5 Strategische politische Steuerung

Die strategische Steuerung durch den Bundesrat9 wird als kontinuierlicher Prozess verstanden, der folgende Kernelemente beinhaltet (vgl. Abb. 5): ­

Die strategische Analyse beinhaltet die Identifikation der politisch relevanten Herausforderungen und die Beurteilung der Auswirkungen geplanter oder vorgeschlagener (prospektive Analyse) sowie umgesetzter Massnahmen (retrospektive Analyse).

­

Die strategische Planung umfasst mehrere aufeinander bezogene Entscheidungsprozesse: ­

9

Festlegung von strategischen Zielen anhand der Ergebnisse der strategischen Analyse. Strategische Ziele beschreiben den Zustand, der aus der Sicht des Bundesrates in einem zu planenden Bereich mittel- bis langfristig erreicht werden soll.

Mit «Bundesrat» ist der Gesamtbundesrat in seiner Funktion als Kollegialbehörde gemeint. Da die Entscheide des Bundesrates in der Regel auf Stufe Departement und Ämter vorbereitet werden, werden diese beiden Ebenen der Bundesverwaltung auch in die Untersuchung einbezogen.

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­

­

Definition der Strategie zur Bewältigung der Herausforderungen. Eine Strategie beschreibt die Stossrichtung und skizziert die mittel- und längerfristigen Massnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.

Dabei ist insbesondere zu entscheiden, ob die Massnahmen über Ausführungsbestimmungen (Verordnungen, Weisungen) umgesetzt werden können, die in der Kompetenz des Bundesrates liegen, oder Gesetzesrevisionen bedingen (Weiterentwicklung der Gesetzgebung).

­

Politische Planung: Die politische Planung konkretisiert die Strategie, indem sie die zu ergreifenden Massnahmen konkreter definiert und deren Umsetzung zeitlich plant. Dabei sind auch die vom Parlament erteilten Aufträge an die Regierung und die politischen Diskussionen im Parlament einzubeziehen. Die politische Planung umfasst die Planung der politischen Geschäfte (Gesetzesrevisionen und Ausführungsbestimmungen)10 und die Vorbereitung von Gesetzesrevisionen zuhanden des Parlaments.

Die strategische Planung wird über den Erlass von generell-abstrakten Normen konkretisiert bzw. umgesetzt. Die Aufgabe des Bundesrates besteht auf dieser Ebene im Erlass von Ausführungsbestimmungen in eigener Kompetenz (Verordnungen, Weisungen). Die vom Bundesrat verabschiedeten Vorlagen zur Weiterentwicklung der Gesetzgebung werden vom Parlament beraten und verabschiedet (vgl. die grau schattierte Fläche in Abb. 5). Da diese Entscheidungen nicht in die Kompetenz des Bundesrates fallen, sind sie nicht Gegenstand der Untersuchung.

Die Information über die Grundlagen und Entscheide der strategischen Steuerung gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen (Parlament, Kantone, Öffentlichkeit) ist bei allen Hauptaufgaben relevant.

Die strategische politische Steuerung wird durch externe Faktoren wie die Wirtschaftsentwicklung und die demografische Entwicklung beeinflusst. Die Entscheidung über den Umgang mit derartigen Umfeldveränderungen ist die eigentliche Kernaufgabe strategischer politischer Steuerung. Entsprechend ist es der Zweck der strategischen Analyse, die Umfeldentwicklung zu beobachten und daraus Handlungsbedarf und konkrete Massnahmen abzuleiten.

Beurteilungsmethodik Angesichts der bedeutenden Einflussmöglichkeiten von Parlament und Volk, kann die strategische Steuerung des Bundesrates auch nicht anhand erfolgter Gesetzesrevisionen oder deren Wirkungen bewertet werden. Im Vordergrund des Interesses stehen deshalb die Beurteilung der Konzeption der strategischen politischen Steuerung sowie die Handhabung dieser Konzeption im konkreten Anwendungsfall.

Die Beurteilung der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat erfolgt nach den Massstäben, die sich aus den gesetzlichen Grundlagen und der Fachliteratur ergeben (Soll/Ist-Vergleich). Der Bewertungsgegenstand wird dabei gemäss dem oben dargestellten Modell analysiert. Der Sollzustand wird dabei anhand von folgenden Kriterien definiert: Vollständiges Steuerungskonzept, aktive

10

Ergebnisse sind die Legislaturplanung mit Richtliniengeschäften, der Legislaturfinanzplan, die Jahresziele und allenfalls auch weitere Gesamt- und Teilplanungen.

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und vorausschauende Steuerung, angemessener Einbezug weiterer Akteure, Rechtzeitigkeit, politische Relevanz, Wirkungsorientierung, Kohärenz und Transparenz.

Die empirischen Grundlagen wurden anhand einer Dokumentenanalyse und qualitativer Interviews erhoben.

3

Vorträge und Lehrveranstaltungen

Um ihre Aktivitäten und Forschungsergebnisse auch in der interessierten Öffentlichkeit und im akademischen Umfeld bekannt zu machen, nimmt die PVK an universitären Lehrveranstaltungen und Fachtagungen teil. Mitarbeitende der PVK referierten unter anderem im Rahmen ­

des Master-Studiengangs Public Management der Universität Bern (Themen: PVK als Beispiel einer Evaluationsstelle auf Bundesebene; Qualität und Nutzung von Evaluationen),

­

des Kurstages Evaluation im Executive Master of Public Administration (MPA) der Universität Bern,

­

des von der Universität Genf, der Schweizerischen Gesellschaft für Gesetzgebung, den Responsables romands et tessinois de légistique und dem Centre de recherche sur les modes amiables et juridictionnels de gestion des conflits organisierten Kurstages in Freiburg zum Thema Consulter pour mieux légiférer? Utilité des procédures de consultation pré-parlementaires?

(Thema des PVK-Referates: La pratique fédérale en matière de consultation et d'audition: quelles questions d'évaluation),

­

der Vorlesung Politikevaluation des Public-Management-Masterstudiengangs der Universität Genf (Thema: L'activité d'évaluation du Contrôle parlementaire de l'administration),

­

einer Lehrveranstaltung des politikwissenschaftlichen Seminars der Universität Luzern (Thema: Parlament, Bundesverwaltung und PVK).

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4

Verwendung des Expertenkredits

Für den Beizug externer Experten und Expertinnen hat die PVK im Berichtsjahr total 221 600 Franken verwendet. In Tabelle 2 ist die Aufteilung dieses Betrags auf die einzelnen Projekte dargestellt.

Tabelle 2 Verwendung des Expertenkredits im Jahr 2011 Projekt

Aufwand in Fr.

Status

30 000

abgeschlossen

38 800

abgeschlossen

49 200

abgeschlossen

103 600

abgeschlossen

Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

5

Neue Evaluationen im Jahr 2012

Die neuen Evaluationen haben die GPK am 27. Januar 2012 aus insgesamt zwölf Evaluationsvorschlägen11 ausgewählt, welche die PVK den GPK für das Jahresprogramm 2012 unterbreitet hat. Es handelt sich um folgende vier Untersuchungen: ­

Personenfreizügigkeit: Grundsatz der Erwerbstätigkeit,

­

Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik,

­

Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente,

­

Externe Mitarbeiter/innen in der Bundesverwaltung.

Zudem haben die GPK beschlossen, dass die PVK die 2010 sistierte Evaluation Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat fortsetzt.

11

Vgl. Anhang. Diese elf Anträge haben die Subkommissionen der GPKs in einem ersten Schritt aus einer wesentlich grösseren Auswahl von Themenvorschlägen ausgewählt.

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Anhang

Vorschläge der PVK für Evaluationen im Jahr 2012 EJPD/BK ­

Personenfreizügigkeit: Grundsatz der Erwerbstätigkeit

EDA/VBS ­

Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik

­

Armeeplanung: Erarbeitung und Kohärenz der Entscheidgrundlagen

­

Bevölkerungsschutz: Zweckmässigkeit der Aufgabenteilung und Strukturen auf Bundesebene

EDI/UVEK ­

Steuerung der Eidgenössischen Technischen Hochschulen

­

Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente

EFD/EVD ­

Förderung der Unternehmensgründung und Innovation

­

Aufsicht über die Berufsbildungspolitik

Departementsübergreifende Themen ­

Die Kompetenz und die Unabhängigkeit von Aufsichtsorganen

­

Externe Mitarbeiter/innen in der Bundesverwaltung

­

Migrationsaussenpolitik

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Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 31 323 09 70 Fax +41 31 323 09 71 E-Mail pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle Originalsprachen des Berichtes: Deutsch und Französisch (Ziff. 2.2.3) 6897

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