12.425 Parlamentarische Initiative Erhöhung der Zahl der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 1. November 2012

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

1. November 2012

Im Namen der Kommission Der Präsident: Yves Nidegger

2012-2806

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Übersicht Mit der vorgeschlagenen Änderung der Richterstellenverordnung (SR 173.321) soll die Zahl der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht von höchstens 65 auf höchstens 68 Vollzeitstellen erhöht werden. Ziel ist es, bei der Besetzung von Richterstellen mehr Flexibilität zu erreichen und rascher auf personelle Engpässe reagieren zu können. Die Stellen sollen nur bei einem ausgewiesenen Bedarf effektiv besetzt werden und, wenn der Bedarf nicht mehr gegeben ist, auch wieder abgebaut werden.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 6. Oktober 2011 wandte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) schriftlich an die Kommissionen für Rechtsfragen des National- und Ständerates und ersuchte sie, die Verordnung der Bundesversammlung vom 17. Juni 2005 über die Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht (Richterstellenverordnung; SR 173.321) zu revidieren und die Zahl der Richterstellen von heute 65 auf 70 zu erhöhen. Der Präsident der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-NR) und die Präsidentin der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) einigten sich darauf, dass sich die nationalrätliche Kommission zuerst mit dieser Eingabe befassen sollte. Am 15. Dezember 2011 bat der Präsident der RK-NR das Bundesgericht (BGer) in dessen Funktion als Aufsichtsbehörde um eine schriftliche Stellungnahme zum Begehren des BVGer. Zudem ersuchte er das BVGer, der Kommission eine aktualisierte Statistik mit Verfahrens- und Personalkennzahlen nachzureichen. Beide Gerichte kamen den Aufforderungen am 22. Dezember 2011 bzw. 18. Januar 2012 nach.

Die RK-NR behandelte die Frage der Erhöhung der Anzahl Richterstellen am BVGer an ihrer Sitzung vom 29. März 2012 und hörte dazu eine Vertretung des BVGer und des BGer an. Die Kommission kam aus den in Ziffer 4 dargelegten Überlegungen zum Schluss, dass Handlungsbedarf gegeben sei, und beschloss mit 14 zu 11 Stimmen bei 0 Enthaltungen, auf dem Weg einer parlamentarischen Initiative eine Änderung der Richterstellenverordnung einzuleiten. Allerdings befand die Kommission im Unterschied zum Begehren des BVGer, die Zahl der Richterstellen in der Verordnung sei nicht um fünf, sondern lediglich um drei auf maximal 68 Stellen zu erhöhen. Die RK-SR stimmte diesem Beschluss am 19. Juni 2012 mit 11 zu 1 Stimmen zu.

Am 1. November 2012 verabschiedete die RK-NR beiliegende Verordnungsänderung mit 15 zu 1 Stimmen bei 0 Enthaltungen zuhanden ihres Rates.

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Geschichte der Richterstellenverordnung

Gemäss Artikel 1 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR 173.32) umfasst das BVGer 50­70 Richterstellen.

Die Bundesversammlung bestimmt die genaue Anzahl Richterstellen in einer Verordnung (Art. 1 Abs. 4 VGG). Im Rahmen der Aufbauarbeiten des BVGer wurde die Zahl in der Richterstellenverordnung auf 64 Stellen festgelegt. Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung (GK), welche für die Vorbereitung von Richterwahlen zuständig ist, schlug am 5. Oktober 2005 72 Personen zur Wahl als Richterinnen und Richter des BVGer vor. Ihr Beschäftigungsgrad umfasste insgesamt 61,9 Stellen.1 Das BVGer nahm seinen Betrieb am 1. Januar 2007 auf.

Bereits im November 2007 ersuchte das Gericht die GK, als Entlastungsmassnahme für die stark belastete Abteilung 3 (Ausländer, Gesundheit, Sozialversicherungen) 1

AB 2005 N (Vereinigte Bundesversammlung) 1542 f.

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des Gerichts die in der Verordnung vorgesehenen, aber noch nicht besetzten 2,1 Richterstellen ebenfalls auszuschreiben. Die GK stimmte diesem Begehren zu.

Auf ihren Antrag wählte die Vereinigte Bundesversammlung am 19. März 2008 zusätzliche Richterinnen und Richter, so dass die in der Verordnung vorgesehenen 64 Vollzeitstellen auch effektiv besetzt waren.2 Am 2. Juli 2008 stellte das BVGer erneut ein Gesuch an die Bundesversammlung und schlug vor, die Zahl der Richterstellen auf 70 Stellen zu erhöhen. Das Gericht betonte, dass es sein Gesuch nicht um die konkrete Besetzung von zusätzlichen sechs Richterstellen verstand, sondern lediglich als Antrag auf eine entsprechende Erhöhung der in der Richterstellenverordnung genannten Zahl. Dadurch könnten das Gericht und die Bundesversammlung in den folgenden Jahren eine grössere Flexibilität erhalten und rascher auf personelle Engpässe reagieren. In einem ersten Schritt sollten gemäss der Vorstellung des BVGer lediglich ein Teil der zusätzlichen Stellen für den Abbau von Pendenzen im Asylbereich besetzt werden. Die RK-SR, welche sich als Kommission des Erstrates mit der Eingabe des BVGer befasste, stimmte zwar einer Änderung der Richterstellenverordnung zu, schlug aber lediglich eine Anpassung der Richterstellen auf 65 vor.3 Die Räte stimmten einer entsprechenden Änderung der Richterstellenverordnung am 12. Juni 2009 zu.

Nur zwei Monate später unterzeichneten die Schweiz und die USA ein Amtshilfeabkommen betreffend die UBS, was das BVGer veranlasste, die Kommissionen für Rechtsfragen erneut um eine dringende, jedoch befristete Änderung der Richterstellenverordnung zu ersuchen. Der Handlungsbedarf war unbestritten und bereits am 25. September 2009 stimmten die Räte einer auf zwei Jahre befristeten Erhöhung der Richterstellen auf höchstens 70 Vollzeitstellen zu.4 Von den zusätzlichen bewilligten Stellen wurden nur 2,5 Stellen effektiv besetzt. Seit dem 1. November 2011 zählt das BVGer wieder 65 Stellen, wobei der Vollbestand aufgrund von Vakanzen, längeren Krankheiten oder Mutterschaftsurlaub in der Praxis kaum je erreicht wird.

3

Stellungnahme der Gerichte

Gemäss Artikel 162 Absatz 4 ParlG gab die Kommission dem BVGer und dem BGer im Rahmen ihrer Arbeiten Gelegenheit zur Stellungnahme.

3.1

Begehren und Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts

Das BVGer legte der RK-NR seine Position sowohl schriftlich mit seiner Eingabe vom 6. Oktober 2011 als auch mündlich durch die Teilnahme des Gerichtspräsidenten an der Sitzung vom 29. März 2012 dar. Mit einem Schreiben vom 18. Oktober 2012 präzisierte der Gerichtspräsident zudem die Angaben zur aktuellen Belastung des Gerichts.

2 3 4

AB 2008 N (Vereinigte Bundesversammlung) 389 sowie Bericht der GK vom 13. März 2008.

08.501 Pa.Iv. Erhöhung der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht. Bericht der RK-SR vom 19. Februar 2009.

09.475 Pa.Iv. Vorübergehende Erhöhung der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht. Bericht der RK-NR vom 14. September 2009.

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Das BVGer betont, dass es bei seinem Begehren um die Erhöhung der Anzahl Richterstellen auf Verordnungsebene primär darum geht, dem Gericht mehr Flexibilität bei der Besetzung von Richterstellen zu geben. Das BVGer möchte in der Lage sein, sich besser und dynamischer auf künftige absehbare und wahrscheinliche Veränderungen seiner Geschäftslast einzustellen. Die zusätzlichen Richterstellen sollen nicht alle unmittelbar und auch nicht dauerhaft besetzt werden, sofern dies nicht nötig ist. Vor allem sollen keine Richterinnen und Richter auf Vorrat gewählt werden. Die Stellen sollen erst besetzt werden, wenn ein konkreter Bedarf besteht und ­ wenn dieser nicht mehr vorhanden ist ­ auch wieder abgebaut werden.

Ein Bedarf nach zusätzlichen Richterstellen ist gemäss BVGer aktuell für die Abteilung 3 (Ausländer, Gesundheit, Sozialversicherungen) des Gerichts gegeben. Das BVGer geht in den nächsten Jahren von einer vorübergehenden, aber deutlichen Zunahme von Beschwerden aus. Zum einen trat am 1. Januar 2012 die Revision des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) in Kraft, welche von den Kantonen die Neuregelung der Spitaltarife und anschliessend der Spitalplanungen verlangt. Es ist zu erwarten, dass die Beschlüsse der meisten Kantone angefochten werden, so dass mit insgesamt 35 bis 50 zusätzlichen Beschwerdeeingängen innert der nächsten 3 Jahre zu rechnen ist. Gemäss den Erfahrungen des BVGer wird es sich dabei um ausserordentlich komplexe und aufwändige Verfahren handeln, die pro Fall und ganzer Richterstelle einen Aufwand von 1 bis 2 Monaten verursachen. Zum andern trat ebenfalls am 1. Januar 2012 die Revision 6a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft. Die neu vorgesehene Überprüfung von laufenden IV-Renten, die aufgrund psychosomatischer Beschwerden ohne objektivierbare Herkunft gesprochen worden sind, ist gemäss Übergangsrecht innert 3 Jahren vorzunehmen. Voraussichtlich muss in rund 750 Fällen eine zusätzliche Revision durchgeführt werden. Da wegen des neuen Rechts mit einer hohen Zahl von Rentenaufhebungen oder -kürzungen zu rechnen ist, dürfte der Anteil von Beschwerden an das BVGer sehr hoch sein. Das Gericht rechnet während drei Jahren mit jährlich ca. 200 zusätzlichen Beschwerdeeingängen.

Weil die
vorinstanzlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen sind, waren bis zum 18. Oktober 2012 noch keine markant höhreren Beschwerdeeingänge am BVGer zu verzeichnen. Das Gericht erwartet diese jedoch für die nächste Zeit und geht von einem auf 4 bis 5 Jahre begrenzten Bedarf von mindestens zwei Richterstellen für die Abteilung 3 aus. Gerichtsintern wurden bereits besondere Massnahmen getroffen, welche auch die Mithilfe von Richterinnen und Richtern aus anderen Abteilungen in der Abteilung 3 umfassen.

Mitteilfristig ist auch für die Abteilung 1 (Infrastruktur, Finanzen, Personal) des Gerichts ein erhöhter Bedarf an Richterstellen absehbar. Aufgrund der Revision des Bundespersonalrechts und der Liberalisierung des Energiebereichs ist gemäss Aussage des Gerichts vom 18. Oktober 2012 mit einer wesentlichen Zunahme von Beschwerden zu rechnen. Bis der Umfang der Mehrbelastung zuverlässig abgeschätzt werden kann, sollen nach Auffassung des BVGer jedoch noch keine zusäzzilche Richterinnen und Richter für die Abteilung 1 gewählt werden.

Keine Engpässe sieht das BVGer momentan im Asylbereich.

Das BVGer betont, dass das Gerichtspräsidium und die Abteilungspräsidien laufend Anstrengungen unternehmen, um die pendente Geschäftslast zu reduzieren. Ein periodisches Controlling über die Zahl erledigter Fälle pro Richterstelle sei etabliert.

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Eine erhebliche Steigerung der Erledigungsquote werde aber ohne zusätzliche Richterstellen nicht möglich sein.

3.2

Stellungnahme des Bundesgerichts

Der RK-NR lag bereits im Hinblick auf die erste Beratung des Geschäfts eine schriftliche Stellungnahme der Verwaltungskommission des Bundesgerichts vom 22. Dezember 2011 vor. Die Verwaltungskommission teilte der RK-NR darin mit, dass sie einer Änderung der Richterstellenverordnung skeptisch gegenüber stehe und diese von der Sache her nicht für notwendig erachte. An der Sitzung vom 29. März 2012 bekräftige der Bundesgerichtspräsident gegenüber der RK-NR diese Einschätzung auch mündlich.

Das BGer habe in seiner Tätigkeit als administrative Aufsichtsbehörde feststellen können, dass das BVGer grundsätzlich gut auf Kurs sei. Dazu verweist das Bundesgericht auf folgende Zahlen: Das BVGer habe seine Tätigkeit im Jahr 2007 mit rund 7500 Pendenzen der Vorgängerorganisationen aufgenommen und die Zahl der hängigen Fälle bis Mitte 2011 auf 5750, d.h. um rund 23 Prozent reduzieren können.

Im Asylbereich seien die hängigen Fälle im gleichen Zeitraum sogar um 40 Prozent zurückgegangen (von 4250 auf 2550 Fälle). Die durchschnittliche Verfahrensdauer sei in den ersten Jahren des Gerichts zwar von 330 auf 395 Tage angestiegen, von 2009 bis Mitte 2011 jedoch wieder auf 325 Tage gesunken.5 Diese Zahlen würden belegen, dass das BVGer eine Geschäftslast und die Pendenzen mit den ihm aktuell zur Verfügung stehenden Kräften bewältigen könne. Das BGer habe zwar wiederholt festgestellt, dass die Zahl der Pendenzen am BVGer nach wir vor zu hoch und die Verfahrensdauer zu lange sei. Das BGer gehe jedoch davon aus, dass sich diese Zahlen in angemessener Frist weiter verbessern liessen und dabei noch nicht alle möglichen internen Massnahmen umsetzt seien.

Prognosen über künftige Fallzahlen, die sich auf Gesetzesrevisionen stützen, seien erfahrungsgemäss schwierig. Die vom BVGer erwähnte Revision 6a des IVG betreffe vorab die Gerichte der Kantone. Eine prophylaktische Erhöhung der Zahl der Richterstellen sollte deshalb für das BVGer nur dann ins Auge gefasst werden, wenn auch die Kantone eine solche Massnahme als notwendig erachten.

Allgemein sei festzuhalten, dass ein grosser Gerichtsbetrieb wie das BVGer es verkraften könne, wenn die Geschäftslast sich kurzfristig erhöhe. Erst wenn sie sich markant erhöhe, müsse man durch die Schaffung zusätzlicher Richterstellen reagieren. Stellen im Hinblick auf zukünftige Bedürfnisse
zu schaffen, ist aus Sicht des BGer problematisch.

Schliesslich betonte das BGer mehrmals, dass es letztlich eine politische Frage sei, ob die Flexibilität der Richterstellen am BVGer im vom Gericht gewünschten Sinne erhöht werden solle oder nicht. Das BGer könne lediglich feststellen, dass das BVGer aktuell keine zusätzlichen Kräfte benötige.

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Ende 2011 betrug die Zahl der Pendenzen insgesamt noch 5177, die Abteilungen 4 und 5 (Asyl) verzeichneten zusammen noch 2173 Pendenzen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 327 Tage. Vgl. Geschäftsbericht des Bundesverwaltungsgerichts 2011, S. 79 f. und 84.

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Erwägungen der Kommission

Die Kommission schliesst sich im Wesentlichen der unten unter Ziffer 3.1 dargelegten Begründung des BVGer an und erachtet den Bedarf nach einer Erhöhung der Zahl der Richterstellen in der Verordnung als nachgewiesen und gerechtfertigt.

Wie die Geschichte der Richterstellenverordnung zeigt, wurde die Verordnung seit ihrem Inkrafttreten bereits mehrmals revidiert. Jedes Mal musste dafür der relativ umständliche Weg über eine parlamentarische Initiative gewählt werden, bei dem nicht nur die beiden Kommissionen für Rechtsfragen, sondern auch beide Räte einbezogen werden müssen. Mit der Festlegung einer höheren Zahl in der Richterstellenverordnung können das Gericht und die Bundesversammlung mehr Flexibilität erreichen. Die konkrete Zahl der Richterinnen und Richter kann so den Bedürfnissen des BVGer und dessen Geschäftslast angepasst werden, ohne dass deshalb für jede zusätzliche Richterstelle eine neue Verordnungsänderung nötig ist.

Es ist auch in grundsätzlicher Hinsicht zu begrüssen, dass das BVGer frühzeitig auf einen zu erwartenden Anstieg von Beschwerden hinweist. Ein Stau von Beschwerdeeingängen und ein erneuter Anstieg der Pendenzen am BVGer sind im allgemeinen Interesse zu vermeiden. Dass die Bundesversammlung dermassen rasch durch die Schaffung von Richterstellen reagieren muss, wie dies bedingt durch das Amtshilfeabkommen betreffend die UBS der Fall war, sollte in Zukunft vermieden werden.

Die Möglichkeiten des BVGer, durch die Verschiebung von Richterstellen innerhalb des Gerichts mehr Flexibilität zu erlangen, sind zwar vorhanden, aber beschränkt.

Bereits heute beurteilt das Gericht bei jeder Vakanz, ob die frei werdende Stelle tatsächlich dort am meisten benötigt wird, wo die Vakanz entsteht, oder ob eine andere Abteilung einen dringenderen Bedarf hat. Das BVGer orientiert die GK jeweils über seine Bedürfnisse, damit sie die frei werdende Stelle entsprechend ausschreiben kann. Diese Möglichkeiten einer flexiblen Stellenbewirtschaftung wird somit bereits genutzt. Eine bereits am Gericht tätige Richtern oder einen bereits am Gericht tätigen Richter im Fall eines Engpasses einfach in eine andere Abteilung zu versetzen, ist hingegen weder ohne weiteres möglich noch sinnvoll. Die verschiedenen Abteilungen des BVGer befassen sich mit unterschiedlichen Bereichen und sind auch mit Verfahren
unterschiedlicher Komplexität konfrontiert. Eine Richterin oder ein Richter der Abteilung 4 oder 5, die oder der sich seit Jahren mit Asylrekursfällen befasst, kann beispielsweise nicht von heute auf morgen mit der komplexen Frage der Marktöffnung im Energiebereich oder mit Steuerfällen betraut werden.

Will man Engpässe in einer Abteilung wirkungsvoll beheben, braucht es Richterinnen und Richter mit entsprechenden Vorkenntnissen. Dies wiederum bedeutet, dass die Stellen entweder durch interne Stellenaufstockungen bereits in der entsprechend Abteilung tätiger Richterinnen und Richter oder durch die Ausschreibung von Stellen und die gezielte Suche nach entsprechenden Personen besetzt werden müssen.

Die Kommission unterstreicht, dass keine Stellen auf Vorrat besetzt werden sollen.

Auch wenn die Zahl der Richterstellen in der Verordnung auf höchstens 68 erhöht wird, kann das BVGer daraus kein Recht auf die Besetzung dieser Stellen ableiten.

Die GK wird von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Antrag des Gerichts auf die Ausschreibung einer zusätzlichen Stelle oder die Erhöhung von Pensen bereits am Gericht tätiger Richterinnen und Richter gerechtfertigt ist. Erst dann wird die GK eine oder mehrere zusätzliche Stellen ausschreiben oder einer Stellenaufstockung zustimmen.

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Wichtig ist auch, dass einmal besetzte Stellen, sofern die Geschäftslast des BVGer dies erlaubt, wieder abgebaut werden können. In der Praxis kann dies durch die Nichtwiederbesetzung von Stellenprozenten bei der Reduktion von Arbeitspensen einzelner Richterinnen und Richter oder durch die Nichtwiederbesetzung von Stellen im Fall von Rücktritten geschehen. Aufgrund der Altersstruktur des BVGer werden in den nächsten Jahren verschiedene Richterinnen und Richter altershalber zurücktreten. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass es am BVGer, im Unterschied zum BGer und zum Bundesstrafgericht, regelmässig zu weiteren Rücktritten kommt, weil die Richterinnen und Richter neue Herausforderungen annehmen. Es bietet sich somit immer wieder die Gelegenheit, einzelne Stellen abzubauen.

Auch wenn die Kommission einer Erhöhung der Zahl der Richterstellen zustimmt, so scheint es ihr nicht angebracht, die Zahl in der Verordnung beim möglichen Maximum von 70 Stellen festzulegen. Damit würde in Zukunft allein die GK entscheiden, ob und wann zusätzliche Stellen besetzt werden, und die in Artikel 1 Absatz 4 VGG festgelegte Kompetenz der Bundesversammlung zur Festlegung der Richterzahl würde ausgehöhlt. Weil das BVGer selbst für die nächsten Jahre mit einem zusätzlichen Bedarf an drei Richterstellen rechnet, soll diese Zahl als Höchstzahl in die Verordnung aufgenommen werden.

Einen Antrag auf eine Befristung der Erhöhung der Anzahl Richterstellen lehnte die Kommission mit 13 zu 1 Stimmen bei 10 Enthaltungen ab, weil dies dem angestrebten Zweck der Verordnungsänderung, nämlich dem Erreichen von mehr Flexibilität, widersprechen würde. Angesichts der bisherigen Geschichte der Richterstellenverordnung wäre es gut möglich, dass sich bei Ablauf der Befristung in zwei oder drei Jahren bereits ein neuer Bedarf abzeichnen könnte und die Verordnung schon wieder revidiert werden müsste.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Ziff. I, Art. 1 Die Anzahl Richterstellen am BVGer wird neu auf maximal 68 Vollzeitstellen festgelegt. Wie bis anhin können diese 68 Vollzeitstellen auf mehr als 68 Richter und Richterinnen verteilt werden, weil die richterliche Tätigkeit am BVGer auch mit einem Teilpensum ausgeübt werden kann (Art. 13 Abs. 1 VGG).

Ziff. II Die Änderung der Richterstellenverordnung untersteht nicht dem Referendum und kann nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat erst dann finanzielle Auswirkungen, wenn mindestens eine zusätzlich in die Verordnung aufgenommen Richterstelle tatsächlich besetzt wird. Die Richterinnen und Richter des BVGer werden in Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung eingereiht6. Der Höchstbetrag dieser Lohnklasse entspricht einer Bruttojahresbesoldung von aktuell 234 053 Franken. Drei zusätzliche Richterstellen verursachen Personalkosten von maximal rund 700 000 Franken pro Jahr. Weil davon auszugehen ist, dass die drei zusätzlichen Stellen in den nächsten Jahren weder vollumfänglich noch ununterbrochen sein besetzt werden, kann von tieferen effektiven Kosten ausgegangen werden.

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Rechtliche Grundlagen

Gemäss Artikel 1 Absatz 4 VGG bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung.

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Vgl. Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002 über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (Richterverordnung, SR 173.711.2), Art. 5 Abs. 1.

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