12.044 Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung vom 28. März 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (AarhusKonvention) und zu dessen Änderung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1998 M 98.3087

Ratifikation der Aarhus-Konvention (N 26.06.98, S 15.12.98, Semadeni)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. März 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0144

4323

Übersicht Mit dem Bundesbeschluss, der den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft zur Genehmigung unterbreitet wird, sollen die Voraussetzungen für eine Ratifizierung der Aarhus-Konvention geschaffen werden. Nur geringe Gesetzesanpassungen sind dabei nötig. Mit der Genehmigung der Aarhus-Konvention und der Änderung von Almaty, die die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen betrifft, würde die Schweiz ein wichtiges Zeichen für eine verbesserte Umweltinformation setzen.

Ausgangslage Am 25. Juni 1998 unterzeichnete die Schweiz das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention). Die Konvention trat am 30. Oktober 2001 in Kraft. Bis heute haben 44 vorwiegend europäische Staaten sowie die Europäische Union die Konvention ratifiziert. Das Sekretariat der Konvention ist in Genf angesiedelt.

Die Aarhus-Konvention umfasst drei Pfeiler. Der erste Pfeiler beinhaltet die Umweltinformation. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, jedermann ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen zu gewähren. Bei überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen kann das Gesuch abgelehnt werden. Die Vertragsstaaten müssen zudem sicherstellen, dass sie über aktuelle Umweltinformationen verfügen und diese ­ möglichst auf elektronischem Weg ­ öffentlich machen. Der zweite Pfeiler beinhaltet die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren. Die Vertragsparteien sollen bei umweltrelevanten Entscheiden den direkt Betroffenen Parteirechte gewähren. Der dritte Pfeiler regelt den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Die Vertragsparteien müssen für die Durchsetzung verschiedener Rechte der Konvention ein Überprüfungsverfahren vor einem Gericht vorsehen. Die Änderung von Almaty vom 27. Mai 2005, die noch nicht in Kraft ist, ergänzt die Konvention um Mindestanforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungen über die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen.

Inhalt der Vorlage Mit dieser Vorlage sollen die Voraussetzungen für eine Ratifikation der AarhusKonvention geschaffen werden. Dabei sind nur geringe Gesetzesanpassungen nötig.

Im Bereich des ersten Pfeilers (Zugang zu Umweltinformation) ist der
Anspruch auf Bundesebene mit dem Öffentlichkeitsgesetz bereits weitestgehend erfüllt. Neu werden auch die Kantone verpflichtet, ein solches Zugangsrecht für Umweltinformationen zu schaffen. Da mehr als die Hälfte aller Kantone bereits das Öffentlichkeitsprinzip kennen und zwei Kantone daran sind, ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten, ist der Anpassungsbedarf für die Kantone hier eher klein. Im Bereich des zweiten Pfeilers (Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Entscheidverfahren) ist insbesondere eine geringe Ergänzung zum Inhalt des Umweltverträglichkeitsberichtes nötig. Schliesslich erweist sich auch der Zugang zu Gerichten in

4324

Umweltangelegenheiten nach dem dritten Pfeiler grundsätzlich als genügend. Im Bereich der ionisierenden Strahlung und in Bezug auf radioaktive Stoffe wird die Schweiz beim Beschwerderecht der Umweltorganisationen allerdings einen Vorbehalt anbringen. Da die Schweiz im Grundsatz beschlossen hat, mittelfristig aus der Kernenergie auszusteigen, wird dieser Vorbehalt an Bedeutung verlieren; er ist aber nach wie vor nötig.

Mit der Ratifizierung der Aarhus-Konvention und der Änderung von Almaty würde die Schweiz ein wichtiges Zeichen für eine verbesserte Umweltinformation setzen und damit auch dem international und national immer mehr an Bedeutung gewinnenden Prinzip des «Open-Government-Data» Nachachtung verschaffen. Die Akzeptanz der Umweltpolitik in der Öffentlichkeit und der Vollzug würden gestärkt.

Schliesslich führt die Ratifizierung und Umsetzung der Konvention zu einer sinnvollen Angleichung an das Recht der Europäischen Union und der europäischen Staaten.

4325

Inhaltsverzeichnis Übersicht

4324

1 Grundzüge des Vertrages 1.1 Ausgangslage 1.2 Die Entstehung der Aarhus-Konvention 1.3 Die Änderung von Almaty 1.4 Überblick über den Inhalt des Vertrages 1.5 Die aktuelle Rechtslage in der Schweiz 1.6 Überblick über das Recht auf internationaler Ebene und dasjenige der Europäischen Union 1.6.1 Auf internationaler Ebene 1.6.2 Auf der Ebene der Europäischen Union 1.7 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.8 Würdigung

4328 4328 4329 4329 4329 4330

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrages 2.1 Grundsätze und Ziele der Konvention 2.2 Begriffsbestimmungen 2.3 Allgemeine Bestimmungen 2.4 Zugangsrecht zu Umweltinformationen 2.5 Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren, Plänen, Programmen und bei normativen Instrumenten 2.6 Zugang zu Gerichten 2.7 Institutionelle, verfahrens- und vertragsrechtliche Bestimmungen 2.8 Die Änderungen von Almaty 3 Die Umsetzung der Aarhus-Konvention in das Schweizerische Recht 3.1 Übersicht über die geltende Rechtslage und die nötigen Anpassungen 3.1.1 Definition der Umweltinformation 3.1.2 Passive und aktive Umweltinformation 3.1.3 Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren 3.1.4 Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten 3.2 Änderungen im Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) 3.2.1 Kommentierung der einzelnen Bestimmungen 3.2.2 Vergleich der Regelungen über den Zugang zu Umweltinformationen nach Art. 5 der Konvention mit dem BGÖ 3.3 Änderungen im Gewässerschutzgesetz (GSchG) 3.4 Änderungen im Gentechnikgesetz (GTG) 3.5 Inkrafttreten (Art. 3 des Bundesbeschlusses) 3.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

4326

4331 4331 4332 4333 4334 4335 4335 4335 4336 4336 4337 4338 4339 4339 4339 4339 4340 4341 4344 4347 4349 4349 4353 4357 4357 4358 4358

4 Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf den Bund 4.2 Finanzielle Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 4.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 4.4 Andere Auswirkungen

4358 4358 4359 4359 4360

5 Verhältnis zur Legislaturplanung

4360

6 Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Referendum 6.3 Erlassform

4360 4360 4361 4361

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung (Entwurf)

4363

Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention)

4367

Änderung des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten Beschluss II/1 Nachtrag zum Übereinkommen von Aarhus

4395

4327

Botschaft 1

Grundzüge des Vertrages

1.1

Ausgangslage

Das am 25. Juni 1998 in Aarhus (Dänemark) von der Schweiz unterzeichnete Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) ist das Resultat langjähriger Bestrebungen, der grossen Bedeutung der Information im Bereich der Umwelt mit einem völkerrechtlich verbindlichen Instrument gebührend Rechnung zu tragen.

Eine umfassende Information ist eine unerlässliche Voraussetzung für das Mitwirken der Bürger und Bürgerinnen und der Nichtregierungsorganisationen bei öffentlichen Angelegenheiten. Sie fördert die Transparenz der Verwaltung. Dies macht staatliche Handlungen berechenbar und nachvollziehbar. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung wird gefördert. Eine offene Informationspolitik trägt damit zu einer Stärkung der Demokratie bei.

Informationen über die Umwelt sind für die Bevölkerung von grossem Interesse.

Um das Mass der Umweltauswirkungen abschätzen zu können, müssen regelmässig die relevanten Umweltdaten erhoben werden. Diese Erhebungen können nur mit einem speziellen Knowhow und den entsprechenden Messgeräten durchgeführt werden. Es ist der Bevölkerung nicht möglich, selber zu den umweltrelevanten Daten zu kommen, und deshalb sind die Bürgerinnen und Bürger auf die entsprechenden Informationen angewiesen. Erst dann können sie erkennen, wo Probleme bestehen, wie sich diese auswirken und wie man sie lösen kann. Ausreichende Informationen über die Umwelt fördern das Bewusstsein für eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung.

Auf internationaler Ebene wird die Bedeutung von Fragen des Informationszugangs, der Mitwirkung an Entscheidungsprozessen und des Zugangs zu gerichtlichen Verfahren in Umweltangelegenheiten schon seit geraumer Zeit anerkannt. Die aus der Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt hervorgegangene Stockholm-Deklaration von 19721 hebt in Grundsatz 19 die Bedeutung des Verständnisses der Öffentlichkeit für den Schutz und die Verbesserung der Umwelt hervor. Postulate zum Informationszugang und zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten enthält auch die 1982 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Weltcharta der Natur2 in den Grundsätzen 16 und 23. Im Brundtland-Bericht «Our Common
Future» der World Commission on Environment and Development von 1987 wurde zudem ausdrücklich auf die Bedeutung des Rechtes auf Zugang zu Umweltinformationen, die Beteiligung an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren sowie auf den dazu notwendigen Rechtsschutz für die nachhaltige Entwicklung hingewiesen. Diese Elemente gelten heute als die zentralen Punkte der Aarhus-Konvention.

1 2

Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt vom 16. Juni 1972, GV-Res. 2994.

GV-Res. 37/7 vom 28. Oktober 1982.

4328

1.2

Die Entstehung der Aarhus-Konvention

Die Idee für eine Konvention über den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten ist vorwiegend im Prozess «Umwelt für Europa» entstanden. In diesem Prozess streben die Staaten Ost- und Westeuropas eine Annäherung der Umweltpolitiken sowie eine vergleichbare Umweltqualität in Gesamteuropa an. Zu diesem Zweck finden regelmässig paneuropäische Konferenzen der verschiedenen Umweltminister statt. Die vierte Konferenz fand im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, der UN Economic Commission for Europe (UN/ECE)3, im Juni 1998 in Aarhus, Dänemark, statt. An dieser Konferenz wurde unter anderem die Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten verabschiedet.

Die Schweiz gehörte zu den 40 Unterzeichnerstaaten der Aarhus-Konvention. Nachdem die dafür notwendige 16. Ratifikationsurkunde hinterlegt wurde, trat das Übereinkommen am 30. Oktober 2001 in Kraft. Insgesamt haben heute 44 Staaten sowie die Europäische Union die Konvention ratifiziert.

1.3

Die Änderung von Almaty

Die Änderung von Almaty aus dem Jahr 2005 ergänzt die Konvention um Mindestanforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungen über die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen. Die Änderung wurde am 27. Mai 2005 in Almaty (Kasachstan) verabschiedet. Sie wurde bis heute von 25 Staaten sowie von der Europäischen Union ratifiziert. Mit dem Inkrafttreten der Änderung von Almaty wird im Laufe des Jahres 2013 gerechnet.

1.4

Überblick über den Inhalt des Vertrages

Die Aarhus-Konvention verfolgt im Wesentlichen drei Anliegen: Sie statuiert im ersten Pfeiler (Art. 4 und 5) ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen; darin eingeschlossen ist die Pflicht der Behörden, von sich aus zu informieren. Im Einzelnen bedeutet dies:

3

­

Jede natürliche und juristische Person hat grundsätzlich, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Wohnsitz und unabhängig von einem besonderen Interesse, einen durchsetzbaren Anspruch auf den Zugang zu Umweltinformationen, welche nicht einem besonderen Schutzinteresse unterliegen (Art. 4).

­

Die Behörden sollen sicherstellen, dass sie über Umweltdaten verfügen und diese der Öffentlichkeit in einem transparenten System zur Verfügung stellen (Art. 5).

Diese 1947 eingesetzte UN-Kommission ist eine der fünf regionalen Kommissionen der Vereinten Nationen.

4329

Im zweiten Pfeiler (Art. 6­8) fordert die Konvention ein Recht auf Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren. Ziel ist es, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig in Entscheidungen einzubeziehen, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können; diese Entscheidungen betreffen den Bau oder die Änderung von Anlagen, welche in Anhang I der Aarhus-Konvention aufgelistet sind (Art. 6). Zudem soll sich auch die Öffentlichkeit in angemessener Weise an Entscheidungsverfahren beteiligen können. Mit der Änderung von Almaty soll die Beteiligung der Öffentlichkeit auch bei Entscheidungen über die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen gewährleistet werden (Art. 6bis und Anhang Ibis).

Im dritten Pfeiler (Art. 9) verlangt die Konvention insbesondere, dass der Zugang zu einem Gericht für die Rechte nach den Artikeln 4 (Zugang um Umweltinformationen) und 6 (Beteiligung an umweltrelevanten Entscheidverfahren) gewährleistet ist.

Im Einzelnen bedeutet dies, dass Personen, denen der Zugang zu Informationen über die Umwelt oder denen die Mitwirkung als Betroffene an Entscheidungsverfahren erschwert oder verweigert wird (Art. 9 Abs. 1 und 2), die gerichtliche Beurteilung ihres Anliegens verlangen können. Ebenso können Betroffene geltend machen, dass im Bewilligungsentscheid Umweltrecht verletzt wurde (Art. 9 Abs. 2).

1.5

Die aktuelle Rechtslage in der Schweiz

Die Bundesverfassung (BV)4 verpflichtet den Bundesrat zur Information der Öffentlichkeit. In verschiedenen Erlassen ist die Informationspflicht der Behörden näher ausgeführt, so auch in den Umweltgesetzen. Das Mitte 2006 in Kraft getretene Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ)5 schafft auf Bundesebene einen umfassenden Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten und umfasst damit auch den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen. Damit hat der Bund den Wechsel vom Geheimhaltungsprinzip mit Öffentlichkeitsvorbehalt zum Öffentlichkeitsprinzip mit Geheimhaltungsvorbehalt bereits seit einiger Zeit vollzogen. Das BGÖ entfaltet jedoch keine Wirkung für die Kantone. Dennoch verfügen bereits 15 Kantone über vergleichbare kantonale Öffentlichkeitsgesetze, zwei Kantone kennen den Anspruch in der Verfassung, und in zwei Kantonen ist ein entsprechendes Gesetz in Ausarbeitung.

Bei der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit kennt die Schweiz gut ausgebaute Parteirechte und auch entsprechende Mitwirkungsrechte der Öffentlichkeit wie z.B. nach Artikel 10d des Umweltschutzgesetzes (USG)6, wonach der Bericht über die Umweltverträglichkeitsprüfung von jedermann eingesehen werden kann.

Der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten ist gewährleistet. So können die Parteien einschliesslich der beschwerdeberechtigten Umweltorganisationen gerichtlich überprüfen lassen, ob die Bewilligung einer Anlage mit erheblichen Umweltauswirkungen zu Recht erteilt wurde7. Einzig im Bereich der ionisierenden Strahlung und der radioaktiven Stoffe können die Umweltorganisationen keine 4 5 6 7

SR 101 Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dez. 2004 (SR 152.3).

Umweltschutzgesetz vom 7. Okt. 1983 (SR 814.01).

Vgl. Art. 29a BV; zum Beschwerderecht der Umweltorganisationen vgl. Art. 55 ff. USG, Art. 55f USG, Art. 28 des Gentechnikgesetzes vom 21. März 2003 (GTG, SR 814.91) und Art. 12 ff. des Natur- und Heimatschutzgesetzes vom 1. Juli 1966 (NHG, SR 451).

4330

solche Überprüfung verlangen, da aufgrund des Vorbehalts von Artikel 3 Absatz 2 USG das Beschwerderecht der Umweltorganisationen in Bezug auf die ionisierende Strahlung und radioaktive Stoffe ausgeschlossen ist.

1.6

Überblick über das Recht auf internationaler Ebene und dasjenige der Europäischen Union

1.6.1

Auf internationaler Ebene

In der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)8 und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II)9 ist die Informationsfreiheit darauf beschränkt, dass sich jede und jeder aus allgemein zugänglichen Quellen informieren kann. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkannt, dass der Staat unter bestimmten Umständen aus Artikel 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verpflichtet werden kann, in Zusammenhang mit Umweltrisiken Zugang zu Informationen zu gewähren10. Darüber hinaus sichert die EMRK in Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 die Freiheit, Mitteilungen zu empfangen11. Daraus ist der Grundsatz abzuleiten, dass der Staat sein Informationssystem so einzurichten hat, dass man sich tatsächlich über wesentliche Fragen einer Thematik informieren kann und dass mithin die Öffentlichkeit das Recht hat, angemessen informiert zu werden12.

Im Europarat hat sich eine Expertengruppe mit dem Zugang zu amtlichen Dokumenten beschäftigt. Am 21. Februar 2002 hat das Ministerkomitee eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten für den Zugang zu amtlichen Dokumenten verabschiedet. Am 18. Juni 2009 wurde in Tromsø (Norwegen) in Weiterentwicklung dieser Empfehlung die Konvention des Europarates über den Zugang zu amtlichen Dokumenten zur Unterzeichnung aufgelegt13. Es handelt sich dabei um das erste völkerrechtliche Instrument zur Anerkennung eines allgemeinen Rechts auf Zugang zu amtlichen Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Die Konvention ist noch nicht in Kraft, da noch nicht eine ausreichende Zahl von Staaten ratifiziert haben.

Im Umweltvölkerrecht standen bis anhin die zwischenstaatlichen Informationspflichten im Vordergrund. Vereinzelt haben jedoch auch Verpflichtungen der Staaten gegenüber ihrer Zivilgesellschaft Eingang in umweltvölkerrechtliche Verträge gefunden. Beachtenswert sind dabei insbesondere die präzisen Verpflichtungen, welche das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Espoo-Konvention)14 enthält. Dieses Übereinkommen, das für die Schweiz am 10. September 1997 in Kraft getreten ist, regelt das grenzüber8 9 10 11 12 13 14

Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101).

SR 0.103.2 Urteil des EGMR vom 19. Feb. 1998 i.S. Guerra et. al. gegen Italien.

Vgl. auch Leander vs. S, A 116 [1987], 29 para. 74; Gaskin vs. GB, A 169 [1989], 20 f.

Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 3. Auflage 2009. S. 348.

Konvention des Europarates über den Zugang zu amtlichen Dokumenten vom 18. Juni 2009: http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Summaries/Html/205.htm.

Übereinkommen vom 25. Feb. 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SR 0.814.06).

4331

schreitende Konsultations- und Mitwirkungsverfahren bei Anlagen, die der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterstehen.

1.6.2

Auf der Ebene der Europäischen Union

Im Unionsrecht ist das grundsätzliche Recht auf Zugang zu Dokumenten der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates in Artikel 15 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleistet15.

Diese Regelung enthält jedoch nur die Grundzüge. Die genauen Zugangsmodalitäten sind in der Verordnung Nr. (EG) 1049/2001 geregelt16. Mit Ausnahme des Umweltbereichs steht es der EU aus Kompetenzgründen nicht zu, ihre Mitgliedstaaten zum Erlass von Regelungen über den Zugang zu Dokumenten zu verpflichten.

Am 25. Juni 1998 unterzeichnete die EU die Aarhus-Konvention, seit 2005 ist sie Vertragspartei. Entsprechend musste das EU-Recht an die Vorgaben der Konvention angepasst werden.

Bereits im Jahr 2003 erliess die EU dazu zwei Richtlinien, welche die Mitgliedstaaten bis 2005 in ihr nationales Recht umzusetzen hatten. Der erste Pfeiler der Konvention (Zugang zu Umweltinformationen) wird in der Richtlinie 2003/4/EG17 geregelt. Diese Richtlinie ersetzt die bereits vor der Verabschiedung der AarhusKonvention geltende Richtlinie 90/313/EWG, welche eine sehr ähnliche Regelung vorsah.

Im Bereich des zweiten Pfeilers der Konvention (Mitwirkung an umweltrelevanten Entscheidverfahren) hat die EU die Richtlinie 2003/35/EG18 erlassen. Inhaltlich wurden mit dieser Richtlinie insbesondere die Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten19 und die Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (heutige Richtlinie 2010/75 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen20) angepasst.

Im Bereich des dritten Pfeilers (Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) finden sich in beiden Richtlinien (Richtlinie 2003/35/EG und Richtlinie 2003/4/EG) Regelungen. Was das Recht der Öffentlichkeit über den Zugang zu Behörden oder

15 16

17

18

19 20

ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 47.

Verordnung (EG) Nr. 1049/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Jan. 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.

Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17.

ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40.

ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17.

4332

Gerichten betrifft, besteht ein Entwurf der Kommission aus dem Jahr 200321. Der Richtlinienvorschlag wurde in den letzten Jahren nicht mehr weiter verfolgt, da die Mitgliedstaaten überwiegend die Auffassung vertraten, dass diese Richtlinie keine zwingende Voraussetzung für die ­ mittlerweise erfolgte ­ Ratifizierung der AarhusKonvention durch die EU darstelle. Die Kommission modifizierte ihren Richtlinienvorschlag bislang nicht und legte auch keinen neuen vor.

Am 6. September 2006 verabschiedete die EU die Verordnung (EG) Nr. 1367/ 200622, welche die Anwendung der Aarhus-Konvention auf die EU-Institutionen regelt.

Die massgebenden Bestimmungen über die Umsetzung der Konvention in der Schweiz sind mit den entsprechenden Bestimmungen in der Europäischen Union weitgehend vergleichbar.

1.7

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung dauerte vom 16. Dezember 2009 bis am 26. März 2010. Es gingen 87 Stellungnahmen ein. 26 Kantone, 5 Bundesratsparteien und 25 Organisationen haben geantwortet. Zusätzlich gingen 31 Stellungnahmen von Organisationen ein, die nicht angeschrieben wurden. Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens können wie folgt zusammengefasst werden: Die Vorlage wird von den Kantonen (mit Ausnahme des KT AI), der CVP, der SP und den Grünen, den Umweltorganisationen sowie von den eidgenössischen und kantonalen Kommissionen und Institutionen praktisch einhellig begrüsst. Abgelehnt wird sie von der Mehrheit der Wirtschaftsverbände, der FDP und der SVP sowie von einem grossen Teil der weiteren interessierten Kreise.

Es wird als positiv beurteilt, dass die Umsetzung der Konvention in der Schweiz nur geringfügige Gesetzesanpassungen nötig macht. Zudem begrüssen jene, die der Vorlage zustimmen, dass die Schweiz die Umweltinformation stärkt und in diesem Bereich ähnliche Standards wie die EU und die europäischen Staaten festlegt.

Jene Parteien oder Organisationen, welche die Vorlage ablehnen, befürchten insbesondere negative Folgen für die Wirtschaft, ohne dass die Ratifizierung der Konvention einen Nutzen für die Schweiz bringe. Dabei sehen sie insbesondere das Geschäftsgeheimnis in Gefahr. Auch bringen die ablehnenden Stimmen vor, dass mit längeren Verfahren und einem erheblichen Mehraufwand für die Verwaltung und die Gerichte zu rechnen sei.

Kantone, Parteien und Organisationen, welche weitere Anträge stellen, verlangen insbesondere, dass das Beschwerderecht der Umweltverbände auch auf den Bereich der Kernenergie ausgeweitet werden solle. Zudem fordern sie, dass die Definition

21

22

Vorschlag der Kommission vom 24. Oktober 2003 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM(2003) 624 endg.

Verordnung (EG) Nr. 1376/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13.

4333

der Umweltinformation auf die Bereiche Naturgefahren und ionisierende Strahlung ausgeweitet wird.

1.8

Würdigung

Die Konvention trägt der Tatsache Rechnung, dass es nach einem modernen Staatsverständnis Bürgerinnen und Bürgern möglich sein soll, zu prüfen, ob die Behörden die ihnen übertragenen Aufgaben umfassend und richtig vollziehen. Wie dies der Bundesrat bereits bei der Einführung des BGÖ festgehalten hat, führt der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten zu einer Förderung demokratischer Rechte23.

Zudem entspricht es dem neuen Verständnis von «Open-Government-Data», dass Daten, die in der Verwaltung produziert und verarbeitet werden und die keinen besonderen Schutz geniessen, Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus trägt die Konvention dazu bei, dass die Ziele des Staates im Bereich der Schonung und Erhaltung der Umwelt besser umgesetzt werden können. Denn informierte und in Entscheidungen einbezogene Bürgerinnen und Bürger tragen mehr zum Erreichen staatlich angestrebter Ziele bei als jener Teil der Bevölkerung, der über kein entsprechendes Wissen verfügt.

Die Konvention gewährleistet ferner, dass die Schweiz in einem bedeutungsvollen Querschnittsbereich eine vergleichbare Gesetzgebung wie die Europäische Union aufweist. Gerade im Rahmen bilateraler Verhandlungen, bei denen auch Umweltrecht betroffen ist, erweist sich dies als wichtige Voraussetzung.

Auf Bundesebene bestätigt die Konvention, dass der vom Bund eingeschlagene Weg, eine offene aktive und passive Information zu betreiben, der richtige war. Die Konvention führt denn auch auf dieser Ebene nur zu geringen Anpassungen. Auf der Ebene der Kantone werden jene Kantone, die eine entsprechende Regelung noch nicht kennen, ein passives Zugangsrecht zu Umweltinformationen schaffen müssen.

In Anbetracht dessen, dass solche Regelungen europaweit und in der Schweiz sowohl auf Bundesebene als auch von vielen Kantonen ohne Probleme eingeführt wurden, erweist sich dieser Anpassungsbedarf als eher bescheiden. Zudem begrüssen praktisch alle betroffenen Kantone die Einführung des Zugangsrechts zu Umweltinformationen.

Aufgrund der Vorbringen in der Vernehmlassung wurde die Vorlage in einigen Punkten geändert. Insbesondere die von Wirtschaftskreisen geäusserte Befürchtung, dass die Aarhus-Konvention des Geschäftsgeheimnis tangiere, führte zu einer Anpassung der Vorlage. Demnach wird das Geschäftsgeheimnis im Umweltrecht weiterhin ausdrücklich vorbehalten.

23

BBl 2003 1973

4334

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrages

2.1

Grundsätze und Ziele der Konvention

Die Präambel enthält Grundsätze und Zielbestimmungen, welche für die Interpretation der Konvention und deren Umsetzung herangezogen werden können.

Artikel 1 definiert als primäres Ziel der Konvention den Schutz des Rechts jeder Person der gegenwärtigen oder jedes Mitglied künftiger Generationen, in einer Umwelt zu leben, welche der Gesundheit und dem Wohlbefinden zuträglich ist. Die Vertragsparteien werden verpflichtet, die in der Konvention verankerten Individualrechte auf innerstaatlicher Ebene auch tatsächlich zu gewährleisten.

2.2

Begriffsbestimmungen

Artikel 2 definiert die in der Konvention verwendeten zentralen Begriffe.

Nach Artikel 2 Absatz 2 gelten als «Behörden» im Sinne der Konvention die eigentlichen Stellen der öffentlichen Verwaltung auf nationaler und regionaler Ebene. Als «Behörden» gelten darüber hinaus alle natürlichen und juristischen Personen, welche aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der Verwaltung im Zusammenhang mit der Umwelt wahrnehmen. Judikative und legislative Organe sind ausdrücklich vom personellen Geltungsbereich der Konvention ausgenommen.

Artikel 2 Absatz 3 definiert den Begriff «Informationen über die Umwelt». In formeller Hinsicht werden sämtliche Informationen schriftlicher, visueller, akustischer und elektronischer Art erfasst. Die Informationen müssen zwingend auf irgendeinem Datenträger vorhanden sein. In materieller Hinsicht umfasst der Begriff drei verschiedene Kategorien. Die innerhalb der Kategorien aufgeführten Beispiele haben exemplarischen Charakter und sind nicht abschliessender Natur.

Erstens werden nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe a alle Informationen über den Zustand der Umwelt im Bereich Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschliesslich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Umweltbereichen erfasst.

Zweitens gehören nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b auch Faktoren sowie Tätigkeiten oder Massnahmen (z.B. Gesetze, Pläne und Programme), die sich auf die Umweltbereiche auswirken können, zu den erfassten Inhalten. Als Faktoren gelten Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung.

Drittens werden nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe c auch Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke erfasst, soweit diese durch die Umweltbereiche mittelbar betroffen sind oder sein könnten.

Unter «Öffentlichkeit» sind nach Artikel 2 Absatz 4 eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie Vereinigungen, Organisationen und Gruppen zu verstehen. Der in Artikel 2 Absatz 5 verankerte Begriff der «betroffenen Öffentlichkeit» ist enger gefasst und verlangt eine spezifische Betroffenheit bei umweltbezogenen Entscheidungsverfahren. Den Nichtregierungsorganisationen, welche sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach dem innerstaatlichen Recht geltenden

4335

Vorschriften erfüllen, wird nach Artikel 2 Absatz 5 zweiter Halbsatz ein solches Interesse zugesprochen.

2.3

Allgemeine Bestimmungen

Die in Artikel 3 verankerten allgemeinen Bestimmungen beziehen sich auf die gesamte Konvention. In Artikel 3 Absatz 1 werden die Vertragsparteien verpflichtet, die erforderlichen Umsetzungsmassnahmen zu ergreifen.

Neben einer Reihe verschiedener von den Vertragsparteien zu ergreifenden Förderungsmassnahmen enthält Artikel 3 Absatz 5 den Grundsatz, wonach sämtliche in der Konvention verankerten Individualrechte als Minimalgarantien ausgestaltet sind.

Dies bedeutet, dass die Vertragsparteien weitergehende Regelungen aufstellen können.

In Artikel 3 Absätze 8 und 9 ist ein allgemeines Diskriminierungsverbot verankert.

Benachteiligungen bei der Wahrnehmung der von der Konvention garantierten Rechte aufgrund der Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit oder des Wohnsitzes sind unzulässig. So haben beispielsweise auch Personen, die in Frankreich leben, Anspruch darauf, bei Schweizer Behörden Einsicht in Dokumente mit Umweltinformationen zu nehmen.

2.4

Zugangsrecht zu Umweltinformationen

Das in den Artikeln 4 und 5 verankerte Informationszugangsrecht beinhaltet den ersten der drei Pfeiler der Aarhus-Konvention.

Artikel 4 regelt das sogenannte passive Informationszugangsrecht. Danach müssen Behörden auf Antrag der Öffentlichkeit die entsprechenden Informationen über die Umwelt zur Verfügung stellen. Dabei muss die Öffentlichkeit kein spezifisches Interesse nachweisen.

Damit gewissen schutzwürdigen Interessen oder Umständen Rechnung getragen werden kann, ist das passive Informationszugangsrecht nicht absolut ausgestaltet.

Die Behörden können bei übergeordneten öffentlichen oder privaten Interessen den Antrag auf Informationen über die Umwelt ablehnen. In Artikel 4 Absätze 3 und 4 werden entsprechende Ablehnungsgründe abschliessend aufgezählt; diese sind nach Artikel 4 Absatz 4 der Konvention eng auszulegen (zu den Modalitäten der Einsicht und den Ablehnungsgründen vgl. die Ausführungen unter Ziff. 3.2.2).

Artikel 5 beinhaltet eine aktive und umfassende Umweltinformation durch die Behörden. Diese haben Informationen zu beschaffen und zugunsten der Öffentlichkeit auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Verpflichtung nach Artikel 5 Absatz 3, eine möglichst grosse Menge an Informationen wie z.B. Daten, Listen etc. auf elektronischem Weg via Internet zugänglich zu machen. Teile dieser Informationen (z.B. Listen über die bestehenden Umweltgesetze etc.) sollen die Vertragsparteien kostenlos zur Verfügung stellen (Art. 5 Abs. 2 Bst. c). Im Übrigen ist die Erhebung von Gebühren, welche ein angemessenes Mass nicht übersteigen, weiterhin zulässig. Die Vertragsparteien sollen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c zudem dafür sorgen, dass im Falle einer bevorstehenden, durch menschliche Tätigkeiten oder natürliche Ursachen hervorgerufenen Gefahr die 4336

der Behörde vorliegenden Informationen rasch an die betroffene Öffentlichkeit weitergeleitet werden. Nach Artikel 5 Absatz 9 haben die Vertragsparteien ausserdem Massnahmen zu ergreifen, um ein landesweites System von Verzeichnissen oder Registern zur Erfassung der Umweltverschmutzung in Form einer strukturierten, computergestützten und öffentlich zugänglichen Datenbank aufzubauen.

Artikel 5 Absatz 8 hält die Vertragsparteien schliesslich dazu an, der Öffentlichkeit ausreichende Produkteinformationen zur Verfügung zu stellen, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher eine sachkundige, den Umweltschutz berücksichtigende Auswahl treffen können. Weiter empfiehlt die Konvention in Artikel 5 Absatz 6 auch freiwillige Systeme wie Umweltzeichen, Öko-Audits oder sonstige Massnahmen von Betreibern, deren Tätigkeiten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

2.5

Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren, Plänen, Programmen und bei normativen Instrumenten

Die Artikel 6, 7 und 8 beinhalten den zweiten Pfeiler der Aarhus-Konvention und regeln drei verschiedene Bereiche, in denen sich die Öffentlichkeit beteiligen kann.

Artikel 6 regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren über bestimmte Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben. In den Geltungsbereich fallen einerseits Entscheidungen über Tätigkeiten gemäss Anhang I. Diese haben nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a per definitionem erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Über die Anwendung von Artikel 6 auf nicht in Anhang I aufgeführte Tätigkeiten mit erheblichem Einfluss auf die Umwelt entscheiden nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b die Vertragsparteien selber.

Nach Artikel 6 Absätze 2­6 haben die Vertragsparteien die Öffentlichkeit sachgerecht und frühzeitig über eine geplante Tätigkeit zu informieren. Insbesondere haben sie eine ausreichende Information über sämtliche Modalitäten des vorgesehenen Verfahrens einschliesslich der möglichen Beteiligungsrechte zu gewährleisten. Der betroffenen Öffentlichkeit ist Zugang zu den projektrelevanten Informationen zu gewähren.

Die Öffentlichkeit hat nach Artikel 6 Absatz 7 das Recht, den Behörden zum geplanten Vorhaben Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen vorzulegen.

Die Vertragsparteien müssen nach Artikel 6 Absatz 8 sicherstellen, dass die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung angemessen berücksichtigt werden. Ausserdem müssen die ergangenen Entscheidungen der Öffentlichkeit mitgeteilt werden (Art. 6 Abs. 9).

Damit die Öffentlichkeit sich tatsächlich beteiligen kann, haben die Vertragsparteien nach Artikel 6 Absätze 3 und 4 für die verschiedenen Phasen der Verfahren einen angemessenen zeitlichen Rahmen und eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit zu gewährleisten.

4337

Nach Artikel 7 ist die Öffentlichkeit bei umweltbezogenen Plänen und Programmen frühzeitig und während eines angemessenen Zeitrahmens einzubeziehen. Das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung soll anschliessend von den Behörden gebührend berücksichtigt werden.

Artikel 8 hält die Vertragsparteien an, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Rechtsnormen, d.h. bei Gesetzen oder Verordnungen, welche erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, zu gewährleisten. Die Bestimmung räumt den Vertragsparteien bei der konkreten Umsetzung einen grossen Spielraum ein.

2.6

Zugang zu Gerichten

Artikel 9 beinhaltet den dritten Pfeiler der Aarhus-Konvention. Er enthält hauptsächlich zwei Rechtsschutzgarantien.

Erstens garantiert Artikel 9 Absatz 1 allen Personen, denen der Zugang zu Informationen im Sinne von Artikel 4 verwehrt wurde, den Zugang zu einem gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen gesetzlichen, unabhängigen und unparteiischen Instanz. Für den Fall, dass ein Überprüfungsverfahren vor einem Gericht vorgesehen ist, haben die Vertragsparteien zusätzlich Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, sicherzustellen.

Zweitens muss nach Artikel 9 Absatz 2 die betroffene Öffentlichkeit Rechtsmittel ergreifen können, um die verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Rechtmässigkeit von Entscheidungen im Sinne von Artikel 6 anzufechten. Legitimiert ist die betroffene Öffentlichkeit, welche ein ausreichendes Interesse hat oder eine Rechtsverletzung geltend macht. Diese Kriterien sind nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Nichtregierungsorganisationen, die sich für Umweltanliegen einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, weisen gemäss Artikel 9 Absatz 2 der Konvention ein ausreichendes Interesse auf und sind somit legitimiert. Ausserdem müssen nach Artikel 9 Absatz 3 Mitglieder der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 2 Absatz 4 die Möglichkeit haben, von Privatpersonen oder Behörden vorgenommene Handlungen oder Unterlassungen, welche gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstossen, zumindest in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren anzufechten.

Die oben erwähnten Verfahren gemäss Artikel 9 Absätze 1­3 müssen nach Artikel 9 Absatz 4 unter Einhaltung der allgemeinen Verfahrensgarantien getroffen, schriftlich aufgezeichnet und ­ soweit es sich um Gerichtsentscheide handelt ­ öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Öffentlichkeit muss nach Artikel 9 Absatz 5 über den Zugang zu gerichtlichen und behördlichen Überprüfungsverfahren informiert werden.

4338

2.7

Institutionelle, verfahrens- und vertragsrechtliche Bestimmungen

Die Artikel 10­12 regeln die institutionellen Belange der Aarhus-Konvention. Das Sekretariat der Konvention befindet sich in Genf.

Artikel 14 regelt die Verfahren zur Änderungen des Übereinkommens und dessen Anhänge. Streitigkeiten sollten nach Artikel 16 grundsätzlich zunächst auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden. Gelingt dies nicht, so ist fakultativ die Verweisung an den Internationalen Gerichtshof oder die Unterwerfung unter ein in Anhang II des Übereinkommens festgelegtes Schiedsverfahren vorgesehen.

Artikel 19 regelt die Ratifikation, Annahme, Genehmigung und den Beitritt.

2.8

Die Änderungen von Almaty

Artikel 6bis der Änderung von Almaty vom 27. Mai 2005 bestimmt, dass bei absichtlichen Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und beim Inverkehrbringen solcher Organismen eine Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechend den in Anhang Ibis festgelegten Modalitäten stattfinden muss. Anhang Ibis legt fest, dass insbesondere die Anmeldung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen sowie der Bewertungsbericht dazu der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden muss. Dabei dürfen die Informationen über den Antragsteller, die Beschreibung des veränderten Organismus, die Verwendungszwecke und der allfällige Ort der Freisetzung nicht vertraulich behandelt werden. Ebenso sind die Überwachungspläne offenzulegen.

Im Übrigen wird analog der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Artikel 6 der Konvention festlegt, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, bei der zuständigen Behörde ihre Stellungnahmen, Analysen etc. einzureichen. Die Vertragsparteien müssen sicherstellen, dass die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung angemessen berücksichtigt werden. Schliesslich ist die Öffentlichkeit über die Entscheidung zu informieren.

3

Die Umsetzung der Aarhus-Konvention in das Schweizerische Recht

3.1

Übersicht über die geltende Rechtslage und die nötigen Anpassungen

Artikel 3 Absatz 1 der Konvention verpflichtet die Staaten, mittels Gesetzgebungsund sonstigen Massnahmen die im Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen umzusetzen. Entsprechend muss dort, wo das schweizerische Recht den zwingenden Anforderungen der Konvention nicht genügt, eine Anpassung erfolgen.

4339

Ein grosser Teil der Regelungsgegenstände der Aarhus-Konvention ist im schweizerischen Recht bereits umgesetzt. Nur in wenigen Punkten muss unser Recht ergänzt werden. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes24.

3.1.1

Definition der Umweltinformation

Die Definition der Umweltinformation nach Artikel 2 Absatz 3 der Konvention ist von zentraler Bedeutung, da insbesondere das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen nach dem ersten Pfeiler auf diesen Begriff abstellt. Das schweizerische Recht kennt keine ausdrückliche Definition der Umweltinformation. Nach der Praxis sind darunter die Vorschriften im Bereich des Umweltrechts zu verstehen. Dazu gehören die Vorschriften im Bereich des USG, der Bestimmungen des Natur- und Heimatschutzes, des Landschaftsschutzes, des Gewässerschutzes, der Walderhaltung, der Jagd, der Fischerei, der Gentechnik im ausserhumanen Bereich sowie des Klimaschutzes. Im Einklang mit der Konvention kann man auch die Vorschriften über die Naturgefahren dazu zählen. Die Definition nach Artikel 2 Absatz 3 der Konvention geht über die schweizerische Praxis hinaus, indem sie auch den Bereich der Energie, soweit er sich auf die Umwelt auswirkt, einbezieht. Da die Regelung über den Zugang zu Umweltinformation nur in das USG und nicht in alle anderen Umweltgesetze integriert wird, ist es sinnvoll, im USG neu eine Definition der Umweltinformation aufzunehmen. Damit wird sichergestellt, dass der Anspruch auf Umweltinformation sich nicht nur auf Informationen im Bereich des USG bezieht, sondern dass dieser das gesamte Umweltrecht umfasst und auch die Energie einbezieht, soweit sich diese auf die Umwelt auswirkt. Bei Unklarheiten, ob im Einzelfall eine Information über die Umwelt gegeben ist oder nicht, kann im Sinne einer konventionskonformen Auslegung die Definition von Artikel 2 Absatz 3 der Konvention herangezogen werden.

In einem weiteren Punkt ist der Begriff der «Umweltinformation» nach der Konvention weiter gefasst als nach dem schweizerischen Recht. Im Unterschied zu Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b der Konvention sind nach schweizerischem Recht die ionisierende Strahlung und radioaktive Stoffe aufgrund des Vorbehalts von Artikel 3 Absatz 2 USG nicht Teil des USG; sie werden stattdessen im Strahlenschutzgesetz (StSG)25 und im Kernenergiegesetz (KEG)26 geregelt. Diese Differenzierung hat jedoch keine Konsequenzen im Bereich der passiven und aktiven Umweltinforma24

25 26

Vgl. zu den Auswirkungen der Aarhus-Konvention auf das schweizerische Recht: Astrid Epiney/Martin Scheyli, Die Aarhus-Konvention, Rechtliche Tragweite und Implikationen für das schweizerische Recht, 2000 (nachfolgend Epiney/Scheyli); Daniela Thurnherr, Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Umweltinformationen, 2003 (nachfolgend Thurnherr); Christoph Errass, Die Aarhus-Konvention und ihre Umsetzung ins schweizerische Recht, Umweltrecht in der Praxis (URP), 2004, S. 47 ff.; Alexandre Flückiger, La Transparence des administrations fédérales et cantonales à l'épreuve de la Convention d'Aarhus sur le droit d'accès à l'information environnementale, URP 2009, S. 749 ff.

(nachfolgend Flückiger); Nicolas Wisard, Le droit de recours des organisations écologistes: quelques perspectives ouvertes par la Convention d'Aarhus, URP 2009, S. 813 ff.; Astrid Epiney, Rechtsprechung des EuGH zur Aarhus-Konvention und Implikationen für die Schweiz, in Aktuelle Juristische Praxis AJP 11/2011, S. 1505 ff.; Alain Griffel/ Heribert Rausch, Kommentar USG, Ergänzungsband, 2011, Vorbemerkungen zu Art. 54­57, N. 28 ff.

Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (SR 814.50).

Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (SR 732.1).

4340

tion. In Bezug auf die passive Umweltinformation gilt auf Bundesebene für sämtliche amtlichen Dokumente, also auch für Dokumente zu ionisierender Strahlung und radioaktiven Stoffen, das BGÖ. Da die Kantone im Bereich der ionisierenden Strahlung keine eigene Vollzugskompetenz haben, ist allein die Bundesgesetzgebung massgebend. Was die aktive Umweltinformation betrifft, enthält das KEG in Artikel 74 eine Bestimmung zur aktiven Information der Bevölkerung, welche den Anforderungen der Konvention genügt.

3.1.2

Passive und aktive Umweltinformation

Passive Umweltinformation (Art. 4 der Konvention) Seit dem 1. Juli 2006 ist auf Bundesebene das BGÖ in Kraft. Dieses gewährleistet einen umfassenden Anspruch auf Informationen, die sich bei Bundesbehörden befinden, und umfasst daher auch den Zugang zu Umweltinformationen. Das BGÖ genügt den Anforderungen von Artikel 4 der Konvention weitestgehend (vgl. Ziff.

3.2.2). Allerdings gilt es nicht für die Kantone, welche nach den Artikeln 74, 76­79 und 120 BV einen Grossteil des Umweltrechts des Bundes vollziehen.

Die Aarhus-Konvention fordert den Zugang zu Umweltinformationen jedoch auch auf der Stufe der Kantone und Gemeinden. Für die Kantone besteht deshalb eine Pflicht, den Zugang zu Umweltinformationen neu ebenfalls zu gewährleisten. Da jedoch bereits 15 Kantone ein Öffentlichkeitsgesetz kennen, zwei Kantone den entsprechenden Anspruch in der Verfassung verankert haben und zwei Kantone daran sind, ein Öffentlichkeitsgesetz auszuarbeiten, müssen nur 7 Kantone neu ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen schaffen. Bei einem Vergleich, inwieweit die Kantone diesen Anspruch bereits gewährleisten, zeigt sich Folgendes: Die Kantone BE, AR, SO, GE, VD, JU, SH, UR, NE, ZH, AG, SZ, FR, VS und BS kennen ein solches Gesetz. Die Kantone SG und LU kennen den Anspruch auf Verfassungsebene. Die Kantone TI und BL sind daran, ein Öffentlichkeitsgesetz zu erarbeiten27. Grundsätzlich gewähren diese Gesetze einen ähnlichen Zugang zu amtlichen Dokumenten wie das BGÖ bzw. wie die Konvention. Trotzdem besteht in mehreren Kantonen ein gewisser Anpassungsbedarf (Fristen für die Behandlung der Gesuche, Umfang des Aktenzugangs etc.). Ob die Kantone diese Anpassung nur für den Zugang zu Umweltinformationen oder für den Zugang zu allen ihren amtlichen Dokumenten vornehmen wollen, ist ihnen überlassen.

Aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Schutzes der Umwelt nach den Artikeln 74, 76­79 und 120 BV hätte der Bund grundsätzlich die Möglichkeit, den Zugang zu Umweltinformationen auch für die Kantone abschliessend zu regeln. Dort, wo der Bund keine umfassende Rechtsetzungskompetenz besitzt insbesondere im Bereich des Natur- und Heimatschutzes nach Artikel 78 BV wäre eine solche umfassende Regelung allerdings problematisch. Vor dem Hintergrund der neuen Verfassungsbestimmungen nach den Artikeln 5a und 43a, wonach
der Bund eine Aufgabe nur übernehmen soll, wenn er sie besser lösen kann als die Kantone, erweist es sich als sachgerecht, den Kantonen die genaue Regelung des Zugangs zu Umweltinformationen auf kantonaler Ebene zu überlassen. Dieses Vorgehen trägt auch der Tatsache Rechnung, dass es beim Zugangsrecht auf kantonaler Ebene die 27

Vgl. zu den bestehenden kantonalen Regelungen im Bereich der Öffentlichkeitsgesetze www.swisstransparency.ch.

4341

Kantone sind, welche die Herrschaft über die Daten und Informationen haben.

Zudem können jene Kantone, die bereits ein Öffentlichkeitsgesetz kennen oder ein solches schaffen wollen, dieses Gesetz soweit nötig an die Konvention anpassen. Sie können damit eine innerhalb des Kantons einheitliche Regelung für den Zugang zu amtlichen Dokumenten sicherstellen, ohne eine Speziallösung nur für die Umweltinformation schaffen zu müssen.

Grundsätzlich verlangt die Konvention, dass der Anspruch auf Zugang zu Dokumenten im Bereich der Umweltinformation für Dokumente beliebigen Alters gilt. Da nach BGÖ dieser Zugang nur für Dokumente gilt, die nach dem 1. Juli 2006 erstellt worden sind, wird das USG hier für Dokumente im Bereich der Umweltinformation eine Ausnahme vorsehen, d.h. der Zugang gilt hier auch für ältere Dokumente. Beim Zugang zu Dokumenten im Bereich der Kernanlagen28 soll der Zugang jedoch nur für Dokumente, die nach dem Inkrafttreten des BGÖ erstellt wurden, gewährt werden (Art. 10g Abs. 2 USG). Die Schweiz muss deshalb für diese Abweichung von der Konvention einen Vorbehalt anbringen. Der Grund für den Vorbehalt liegt darin, dass im Bereich der Kernanlagen sehr umfangreiche Dokumente von früheren Verfahren bestehen, bei denen die Behandlung von Einsichtsgesuchen einen unverhältnismässig grossen Aufwand verursachen würde. Gestützt auf Artikel 19 des massgeblichen Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 196929 über das Recht der Verträge (Wiener Übereinkommen) sind Vorbehalte bei Konventionen zulässig, soweit sie mit Ziel und Zweck des Vertrages vereinbar sind. Der Vorbehalt ist auf einen engen Sachbereich begrenzt und verstösst nicht gegen Ziel und Zweck des Vertrages, weshalb er zulässig ist.

Aktive Umweltinformation (Art. 5 der Konvention) Die Verfassung verpflichtet den Bundesrat, die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend über seine Tätigkeit zu informieren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (Art. 180 Abs. 2 BV). Nach Artikel 10 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)30 muss der Bundesrat die Bundesversammlung, die Kantone und die Öffentlichkeit aktiv informieren. Eine ausdrückliche Pflicht zur Information der Öffentlichkeit findet sich auch in den Umwelterlassen (Art. 6 USG, Art. 25a NHG, Art. 22a des Bundesgesetzes über die
Fischerei31, Art. 34 des Waldgesetzes32, Art. 50 des Gewässerschutzgesetzes33, Art. 18 GTG) sowie in Artikel 3 des Bundesstatistikgesetzes34. Demnach sind die Behörden verpflichtet, sachgerecht über den Umweltschutz bzw. den entsprechenden Umweltbereich zu informieren. Entsprechend stellen sowohl das Bundesamt für Umwelt (BAFU) als auch die Kantone grosse Mengen an Daten, die sie im Bereich der Umwelt erhoben haben, zur Verfügung, soweit solche Daten nicht besonderen Schutz geniessen. Es ist vorgesehen, in Zukunft noch mehr solcher Daten zu veröffentlichen. Die Behörden stehen damit auch im Einklang mit dem Prinzip der «Open-Government-Data», welches einen freien Zugang solcher Daten anstrebt.

28 29 30 31 32 33 34

Zum Begriff der Kernanlagen vgl. Artikel 3 Buchstabe d KEG.

SR 0.111 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010).

Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (BGF, SR 923.0).

Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 (WaG, SR 921.0).

Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 (GSchG, SR 814.20).

Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 1992 (BStatG, SR 431.01).

4342

Zu beachten ist, dass die Informationspflicht nach Artikel 6 USG und Artikel 3 BStatG grundsätzlich für alle Umweltbereiche Wirkung entfaltet35. Das USG kennt weitere punktuelle Pflichten zur aktiven Information, so z.B. die Pflicht zur Veröffentlichung des Berichts über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 10d USG).

Zudem trägt das Geoinformationsgesetz36, das die elektronische Zugänglichkeit von Geodaten verlangt, die auf einem rechtsetzenden Erlass des Bundes beruhen (Geobasisdaten), wesentlich zu einer Verstärkung der aktiven Informationspflicht der Vollzugsbehörden bei37.

Auch in Bezug auf die Information zu bevorstehenden Gefahren für die Umwelt nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Konvention kennt die Schweiz hinreichende Vorschriften für die jeweils zuständigen Behörden. So regelt z.B. Artikel 13 der Störfallverordnung38, dass die Kantone dafür sorgen müssen, dass die betroffene Bevölkerung bei einem Störfall rechtzeitig informiert wird.

Im Bereich der Markttransparenz (Art. 5 Abs. 6 und 8) enthält die Konvention keine zwingenden Vorschriften, sondern Empfehlungen. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Schweiz Vorschriften zur Markttransparenz im Umweltbereich kennt (z.B.

Art. 6, 27 Abs. 1 Bst. a, 40 und 43a USG und Art. 2 Abs. 1 des Konsumenteninformationsgesetzes39), die entweder selber Regeln zur Markttransparenz enthalten oder den Bundesrat ermächtigen, solche Vorschriften zu erlassen. Zudem hat der Bundesrat am 13. Oktober 2010 im Rahmen seines Beschlusses zur «grünen Wirtschaft» das UVEK beauftragt, zusammen mit dem EVD und der Wirtschaft Grundlagen und Regelungen zur Verbesserung der Umweltinformation bei Produkten zu erarbeiten40.

Die bestehenden Rechtsgrundlagen im Bereich der aktiven Umweltinformation genügen deshalb den Anforderungen von Artikel 5 der Konvention. Eine gesetzliche Regelung, die Verbreitung der Informationen im Internet zu fördern, erscheint nicht notwendig, steht dieses Medium für Umweltinformationen doch ohnehin an erster Stelle. Sinnvoll ist jedoch eine Anpassung im USG, wonach die Bundesbehörden mindestens alle vier Jahre einen Umweltbericht veröffentlichen müssen (Art. 5 Abs. 4 der Konvention). Die Kantone sollen solche Berichte, die sich auf ihr Kantonsgebiet beziehen, verfassen. Zudem sollen die im USG bestehenden Bestimmungen zur aktiven
Umweltinformation besser strukturiert und in einem Artikel zusammengefasst werden.

Ein wichtiges Instrument in der aktiven Umweltinformation sieht die Konvention im Schadstoffemissionsregister (Pollutant Release and Transfer Register), welches sich auf Artikel 5 Absatz 9 der Konvention stützt. Die Schweiz hat dieses Protokoll zur Aarhus-Konvention vom 21. Mai 2003 am 15. Dezember 2006 ratifiziert und das Schadstoffemissionsregister Anfangs 2009 in Betrieb genommen41. Rund 240 Betriebe aus der Schweiz sind zurzeit in diesem Register verzeichnet und melden 35 36 37 38 39 40 41

Vgl. Epiney/Scheyli, S. 76.

Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007 (GeoIG, SR 510.62).

Daniel Kettiger, Das schweizerische Geoinformationsrecht im Lichte der AarhusKonvention, URP 2009, S. 789 ff.

Störfallverordnung vom 27. Februar 1991 (StFV, SR 814.012).

Konsumenteninformationsgesetz vom 5. Oktober 1990 (KIG, SR 944.0).

Vgl. Medienmitteilung des Bundes vom 19. Oktober 2010 unter www.bafu.admin.ch.

Die Umsetzung des Protokolls erfolgte in der Verordnung zum Register über die Freisetzung von Schadstoffen sowie den Transfer von Abfällen und von Schadstoffen in Abwasser (PRTR-V, SR 814.017). Das PRTR-Protokoll ist am 8. Oktober 2009 in Kraft getreten (SR 0.814.08).

4343

dem BAFU einmal jährlich gewisse Daten zu Emissionen in Luft, Wasser und Böden sowie zu Transfers von Abfällen und von Schadstoffen in das Abwasser.

3.1.3

Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren

Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Entscheidungen über Anlagen (Art. 6 der Konvention) Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren wird von der Aarhus-Konvention für den Bau oder die Änderung von jenen Anlagen verlangt, welche in Anhang I der Konvention genannt sind. Die Konvention verlangt nicht ausdrücklich, dass für diese Anlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss. Artikel 6 Absatz 6 der Konvention fordert jedoch, dass das Bewilligungsgesuch eine Beschreibung der erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt sowie eine Beschreibung der zur Vermeidung oder Verringerung der Auswirkungen vorgesehenen Massnahmen enthalten muss. Nach schweizerischem Rechtsverständnis entsprechen solche Unterlagen in der Regel einem Umweltverträglichkeitsbericht (Art. 10b USG), weshalb die Anlagen nach Anhang I der Konvention nach innerstaatlichem Recht der UVP (Art. 10a f. USG) unterstehen sollten. Um zu gewährleisten, dass die Anlagen nach Anhang I der Konvention auch im Anhang der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV)42 aufgeführt sind und damit in der Schweiz der UVP unterstehen, müssen bei einer Ratifikation der Konvention zehn Industrie-Anlagetypen neu der UVP unterstellt werden.43 Da diese Anlagetypen wesentliche Umweltauswirkungen haben, steht eine Aufnahme im Einklang mit Artikel 10a Absatz 2 USG.

Artikel 10a Absatz 3 USG sieht vor, dass der Bundesrat die Anlagetypen und die Schwellenwerte der UVP-pflichtigen Anlagen periodisch überprüft. Die Anpassung der UVP-pflichtigen Anlagen kann im Rahmen der nächsten Überprüfung des Anhangs erfolgen.

Was die Information der Öffentlichkeit betrifft, sind die Voraussetzungen der Konvention mit der öffentlichen Auflage der Gesuchsunterlagen (einschliesslich des Umweltverträglichkeitsberichts) und der Publikation des Entscheides erfüllt44. Ein Recht der Öffentlichkeit, sich in Bewilligungsverfahren mit Stellungnahmen zu beteiligen und damit am Verfahren mitzuwirken, besteht bereits aufgrund des Petitionsrechts nach Artikel 33 BV. Auch sind die Behörden nach Artikel 33 BV verpflichtet, solche Stellungnahmen zur Kenntnis zu nehmen. Artikel 17 Buchstabe f

42 43

44

Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (SR 814.011).

Zu diesen Anlagetypen zählen mit je spezifischen Schwellenwerten folgende Industrieanlagen: Eisenmetallgiessereien, Galvanikbetriebe, Betriebe zur Kalkproduktion, Betriebe zum Schmelzen mineralischer Stoffe, Anlagen zur Herstellung von keramischen Erzeugnissen durch Brennen, Anlagen zur Herstellung von Papier und Pappe, Anlagen zur Vorbehandlung oder zum Färben, Anlagen zur Nahrungsmittelherstellung aus pflanzlichen Rohstoffen, Anlagen zur Verarbeitung von Milch, Anlagen zur Oberflächenbehandlung von Stoffen etc. unter Verwendung organischer Lösungsmittel. Bei thermischen Anlagen, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden sowie bei Anlagen zur Herstellung von Glas oder Glasfasern müsste der Schwellenwert nach Anhang UVPV gesenkt werden.

Vgl. z.B. Art. 10d Abs. 1 USG, Art. 15 und 20 UVPV.

4344

und Artikel 19 UVPV stellen sicher, dass auf solche Stellungnahmen im Entscheid Bezug genommen werden kann.

Als betroffene Öffentlichkeit ist jene Öffentlichkeit zu verstehen, die von den Vorhaben mehr als jedermann betroffen und damit zu Beschwerden in Entscheidverfahren legitimiert ist. Dabei gehören nach Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Konvention auch Umweltorganisationen, die alle innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllen, zur betroffenen Öffentlichkeit. Nach Artikel 55 USG besitzen vom Bundesrat entsprechend bezeichnete Umweltorganisationen, die ideell und seit 10 Jahren gesamtschweizerisch tätig sind, ein Beschwerderecht. Das Beschwerderecht nach Artikel 55 USG besteht bei Anlagen, die der UVP unterstehen Diese Regelung entspricht der Konvention45. Die Voraussetzung, dass nur Umweltorganisationen das Beschwerderecht erlangen können, die gesamtschweizerisch tätig sind, kann im Lichte von Artikel 3 Absatz 9 der Konvention, wonach die Öffentlichkeit nicht wegen ihres Wohnsitzes bzw. ihres Sitzes oder ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligt werden darf, konventionskonform ausgelegt werden46.

Bei den Unterlagen, welche der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen sind, erfüllt das schweizerische Recht die Anforderungen der Konvention. Die Konvention verlangt jedoch auch, dass die Unterlagen, die im Genehmigungsverfahren einzureichen sind, einen Überblick über die wichtigsten vom Antragsteller geprüften Alternativen enthalten müssen (Art. 6 Abs. 6 Bst. e).

Eine solche Pflicht kennt das USG nicht; es muss deshalb entsprechend ergänzt werden.

Nach Artikel 10d USG muss auch die Entscheidung über die Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlich aufgelegt werden, was den Ansprüchen nach Artikel 6 Absatz 9 genügt.

Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen (Art. 7 der Konvention) Die Konvention verlangt eine allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen. Die Regelung in Artikel 7 ist weniger konkret gefasst als jene nach Artikel 6. Artikel 4 des Raumplanungsgesetzes (RPG)47 bestimmt, dass die zuständigen Behörden dafür sorgen müssen, dass die Öffentlichkeit bei Planungen in geeigneter Weise mitwirken kann. Dazu gehört, dass Bürgerinnen und Bürger Meinungen und Vorschläge im Entwurfsstadium einbringen können. Auch muss sich die Behörde mit den Vorschlägen auseinandersetzen und

45 46

47

Zur eingeschränkten Anwendung von Art. 6 Abs. 6 im Bereich der ionisierenden Strahlung und der radioaktiven Stoffe für Umweltorganisationen vgl. Ziff. 3.1.4.

Ein Entscheid des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Rs. C263/08) hält fest, dass es im Rahmen der Umsetzung der RL 85/337 und damit sinngemäss auch der Konvention unzulässig sei, das Beschwerderecht auf Organisationen einzuschränken, die über mindestens 2000 Mitglieder verfügen. Dieser Entscheid erging für den Mitgliedstaat Schweden. Für die Schweiz ist die Interpretation der Konvention durch den EUGH nicht bindend, dennoch kann die Rechtsprechung des EUGH für die Schweiz bei der Umsetzung der Konvention von Bedeutung sein. Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, dass in Schweden landesweit insgesamt lediglich zwei Umweltorganisationen zur Beschwerdeführung zugelassen waren. In der Schweiz kommt dieses Recht insgesamt 28 Organisationen zu.

Diese Tatsache macht klar, dass die Schweiz mit der geltenden Regelung des Verbandsbeschwerderechts den Anforderungen der Aarhus-Konvention genügt.

Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 1979 (SR 700).

4345

dazu summarisch Stellung nehmen48. Viele Massnahmen nach den Bestimmungen im Bereich des Umweltrechts werden mittels Plänen und Programmen nach dem RPG umgesetzt (z.B. Schutzzonen, die gestützt auf das NHG errichtet werden, Festlegung der Empfindlichkeitsstufen in den Nutzungszonen nach Art. 44 Lärmschutz-Verordnung49), weshalb Artikel 4 RPG bei der Umsetzung der Konvention von hoher Bedeutung ist. Die Bestimmung gilt einerseits sowohl für Bundesbehörden als auch für kantonale Behörden. Andererseits bezieht sie sich auf den Erlass verschiedener Pläne, nämlich von Sachplänen, Richtplänen, Nutzungsplänen etc.

Artikel 19 der Raumplanungsverordnung (RPV)50 wiederholt diese Vorschrift insbesondere für die Sachpläne und Konzepte des Bundes. Zudem bestimmt Artikel 4 Absatz 3 RPG, dass die Pläne nach dem Gesetz öffentlich sind. Auch in den Umweltgesetzen bestehen für Umweltplanungen in verschiedenen Bereichen ähnliche Vorschriften. So werden z.B. nach Artikel 5 Altlastenverordnung51 betroffene Inhaber und Inhaberinnen in die Erstellung des Altlastenkatasters einbezogen. Bei der forstlichen Planung müssen die Kantone dafür sorgen, dass die Bevölkerung in geeigneter Weise mitwirken kann (Art. 18 Abs. 3 Waldverordnung52). Damit erfüllt das schweizerische Recht die Voraussetzungen der Konvention.

Öffentlichkeitsbeteiligung beim Erlass von Rechtsvorschriften (Art. 8 der Konvention) Eine Mitwirkung der Öffentlichkeit beim Erlass von Rechtsvorschriften, wie dies Artikel 8 der Konvention vorsieht, ist ebenfalls gewährleistet. Auf Bundesebene sichern Artikel 147 BV sowie das Vernehmlassungsgesetz53 mittels Vernehmlassungen oder Anhörungen die Mitwirkung der Öffentlichkeit. Die Kantone kennen ebenfalls entsprechende Regelungen.

Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Freisetzung und der Inverkehrbringung gentechnisch veränderter Organismen (Art. 6bis und Anhang Ibis der Änderung von Almaty) Nach Artikel 11 GTG und Artikel 42 Freisetzungsverordnung54 ist die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Freisetzung sowie beim Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen direkt in die Umwelt (Saatgut) gewährleistet.

Nicht vorgesehen ist sie zurzeit beim Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen, die nicht direkt in die Umwelt gelangen (d.h. bei Arzneimitteln, Lebensmitteln und Futtermitteln,
die selber vermehrungsfähige gentechnisch veränderte Organismen enthalten und für den Verkauf etc. zugelassen werden). Gemäss der Änderung des Übereinkommens, beschlossen am 27. Mai 2005 in Almaty, sollten die entsprechenden Verordnungen im Bereich Arzneimittel, Lebensmittel und Futtermittel gegebenenfalls mit Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltbelangen ergänzt werden. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit erhält, von den Gesuchen und der Umweltbewertung Kenntnis zu erhalten, um allenfalls Stellungnahmen zu Umweltfragen abgeben zu können. Parteistellung erhält die Öffentlichkeit durch solche Regelungen nicht. Die 48 49 50 51 52 53 54

Vgl. Rudolf Muggli, Kommentar RPG, Art. 4 Rz 24.

Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dez. 1986 (SR 814.41).

Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (SR 700.1).

Altlasten-Verordnung vom 26. Aug. 1998 (AltlV, SR 814.680).

Waldverordnung vom 30. Nov. 1992 (WaV, SR 921.01).

Vernehmlassungsgesetz vom 18. März 2005 (VlG, SR 172.061).

Freisetzungsverordnung vom 10. Sept. 2008 (FrSV, SR 814.911).

4346

EU kennt im Bereich der Lebens- und Futtermittel bereits entsprechende Bestimmungen55.

3.1.4

Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten

In Anwendung der Rechtsweggarantie nach Artikel 29a BV sieht auf Bundesebene das BGÖ bei Abweisung des Anspruchs auf Zugang zu amtlichen Dokumenten die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und anschliessend an das Bundesgericht vor (Art. 16 BGÖ, Art. 47 Abs. 1 Bst. b des Verwaltungsverfahrensgesetzes56, Art. 86 des Bundesgerichtsgesetzes57). Bevor eine Verfügung ergehen und der Beschwerdeweg ergriffen werden kann, ist allerdings zuerst das Schlichtungsverfahren zu durchlaufen (Art. 13 f. BGÖ). Ebenfalls gestützt auf Artikel 29a BV sind die Kantone verpflichtet, im kantonalen Recht die Möglichkeit vorzusehen, wonach Betroffene Verfügungen zum Zugang zu Umweltinformationen gerichtlich überprüfen lassen können. Die Anforderungen nach Artikel 9 Absatz 1 der Konvention sind damit erfüllt.

Soweit es um Ansprüche der betroffenen Öffentlichkeit bei der Mitwirkung in umweltrelevanten Entscheidverfahren geht, ist der Zugang zu Gerichten nach Artikel 9 Absatz 2 der Konvention analog dem Zugang zu Umweltinformationen sichergestellt58. Insbesondere können die Betroffenen, wie dies die Konvention verlangt, auch die Verletzung von materiellem Umweltrecht rügen. Im Bereich der Nationalstrassen und Eisenbahnen werden die Projekte auf der generellen Ebene durch den Bundesrat bzw. das Parlament beschlossen und sind nicht anfechtbar59. Im nachfolgenden Plangenehmigungsverfahren können jedoch die Gerichte angerufen werden, weshalb diese Regelungen mit der Konvention im Einklang stehen.

Bei Bewilligungen im Zusammenhang mit Kernanlagen besteht in der Regel zwar eine UVP-Pflicht und damit auch ein Verbandsbeschwerderecht. Insoweit genügt das schweizerische Recht der Konvention. Allerdings umfasst das Recht zur Verbandsbeschwerde aufgrund des Vorbehaltes von Artikel 3 Absatz 2 USG nicht den Bereich der ionisierenden Strahlung und der radioaktiven Stoffe. Die Umweltorganisationen können daher ­ im Gegensatz zu betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ­ die Verletzung der Vorschriften im Bereich der ionisierenden Strahlung und in Bezug auf radioaktive Stoffe nicht rügen. Dies widerspricht der Konvention, welche nach Artikel 2 Absatz 3 die ionisierende Strahlung und die radioaktiven Stoffe als Teil der Umweltinformation erklärt. In diesem Bereich soll deshalb bei der Ratifizierung ein Vorbehalt angebracht werden. Dieser
ist auf einen engen Sachbereich begrenzt und verstösst nicht gegen Ziel und Zweck des Vertrages, weshalb er nach dem Wiener Übereinkommen zulässig ist60. Aufgrund des Ausstiegsbeschlusses der

55

56 57 58 59 60

Vgl. z.B. Art. 5 Abs. 2 Bst. b und Art. 6 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Sept. 2003 über gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, ABl. EG Nr. L 268, 18.10.2003, S. 1 ff.

Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dez. 1968 (VwVG, SR 172.021).

Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110).

Vgl. Art. 29a BV und Art. 86 BGG.

Vgl. Nrn. 11.1 und 12.1 Anhang UVPV.

Bisher hat Schweden als einziges Land bei der Ratifizierung der Aarhus-Konvention einen Vorbehalt angebracht, dies im Bereich der Vorinstanz beim Zugang zu einem Gericht nach Art. 9 Abs. 1 und 2 der Konvention.

4347

Schweiz61 aus der Kernenergie ist die praktische Bedeutung eines Vorbehaltes im genannten Bereich ohnehin gering. Er wäre in erster Linie noch von Bedeutung bei einer Bewilligung zur Lagerung von Kernmaterialien.

Bei der Mitwirkung der Öffentlichkeit bei Entscheidverfahren sowie beim Erlass von Rechtsvorschriften genügt nach der Konvention der Zugang zu einer verwaltungsbehördlichen Überprüfung (Art. 9 Abs. 3). Die Möglichkeit, eine Aufsichtsbeschwerde nach Artikel 71 VwVG einzureichen, erfüllt deshalb den Anspruch der Konvention. Auch die Kantone kennen die Möglichkeit, eine Aufsichtsbeschwerde einzureichen. Zudem kann der Bund als Oberaufsichtsbehörde im Bereich der Umwelt (Art. 38 Abs. 1 USG) ebenfalls Aufsichtsbeschwerden gegen Handlungen der Kantone entgegennehmen und behandeln. Nach Artikel 25a VwVG besteht für Dritte, die ein schutzwürdiges Interesse aufweisen, die Möglichkeit, bei der zuständigen Behörde zu verlangen, dass die Behörde widerrechtliche Handlungen im Bereich des öffentlichen Rechts unterbindet, feststellt oder deren Folgen beseitigt.

Schliesslich kann jedermann Strafanzeige gegen Private oder Behörden wegen Verletzung von Bestimmungen im Umweltbereich einreichen (z.B. Art. 60 f. USG).

Zudem ist zu beachten, dass nach schweizerischem Recht beschwerdeberechtigte Umweltorganisationen nicht nur nach Artikel 55 USG gegen UVP-pflichtige Bauvorhaben Beschwerde erheben können, wie dies Artikel 9 Absatz 2 der Konvention fordert. Vielmehr können solche Umweltorganisationen auch nach Artikel 12 NHG im Bereich des Natur- und Heimatschutzes an die Gerichte gelangen und entsprechende Entscheide überprüfen lassen. Damit gewährt die Schweiz im Sinne von Artikel 9 Absatz 3 ein Klagerecht für Umweltverbände, das über Artikel 9 Absatz 2 der Konvention hinausgeht62.

Was die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen nach Artikel 9 Absatz 4 der Konvention betrifft, ist festzuhalten, dass nach Artikel 27 BGG das Bundesgericht seine Entscheide veröffentlicht. Auch das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (VGG)63 sieht in Artikel 29 eine solche Publikationspflicht vor. Die Kantone kennen ebenfalls ähnliche Bestimmungen64. Damit erfüllt die Schweiz die Anforderungen der Konvention.

61 62

63 64

www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4901/368263/d_n_4901_368263_368309.htm Auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. C240/09 deutet darauf hin, dass grundsätzlich gegen Verletzungen von innerstaatlichem Umweltrecht eine Verbandsklage eröffnet sein muss. Mit anderen Worten sollten die Vertragsstaaten zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention eine Verbandsklage im Umweltrecht vorsehen, die über die Klagemöglichkeiten der Verbände gegen UVP-pflichtige Vorhaben nach Art. 9 Abs. 2 hinausgeht. Diesem Erfordernis wird mit dem Beschwerderecht nach Art. 12 NHG genüge getan.

Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (SR 173.32).

Vgl. z.B. für den KT BE Art. 38 des Organisationsreglementes des Verwaltungsgerichts vom 22. Sept. 2010 (OrR VG).

4348

3.2

Änderungen im Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG)

3.2.1

Kommentierung der einzelnen Bestimmungen

Art. 6 Der Inhalt von Artikel 6 wird im neuen Kapitel «Umweltinformation» aufgenommen, weshalb dieser Artikel aufgehoben wird.

Art. 7 Abs. 8 Die Konvention definiert den Begriff der Umweltinformation in Artikel 2 Absatz 3.

Um zu klären, auf welche Umweltbereiche sich die aktive und passive Umweltinformation bezieht, wird in Artikel 7 USG eine entsprechende Definition aufgenommen. Der Begriff umfasst das gesamte Umweltrecht, also auch die Vorschriften im Bereich Natur- und Heimatschutz, Landschaftsschutz, Gewässerschutz, Wald, Jagd, Fischerei, Gentechnik und Klimaschutz. Artikel 2 Absatz 3 der Konvention schliesst auch den Bereich der Naturgefahren in den Begriff der Umweltinformation ein. Die Energie ist zwar Teil der Umweltinformation, soweit sie Auswirkungen auf die Umwelt hat; bei der Definition der Umweltinformation im USG fehlt der Energiebereich aber. Er wird jedoch beim Anspruch auf passive Umweltinformation ausdrücklich aufgeführt (Art. 10g Abs. 1). Bei der aktiven Umweltinformation ist eine Ergänzung nicht nötig, da auch Artikel 10 des Energiegesetzes65 und Artikel 74 KEG eine aktive Informationspflicht der Behörden kennen und damit eine hinreichende Information im Bereich der Energie durch die Behörden sichergestellt ist.

Art. 10b Abs. 2 Bst. b Die Konvention verlangt in Artikel 6 Absätze 2 und 6, dass die Behörden der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit diverse Unterlagen zugänglich machen (insbesondere den Umweltverträglichkeitsbericht). Dazu gehört nach Artikel 6 Absatz 6 der Konvention auch ein Überblick über die wichtigsten vom Antragsteller geprüften Alternativen. Die Bestimmung im USG verpflichtet den Gesuchsteller jedoch nicht, Alternativen zu prüfen. Soweit er dies jedoch tut oder aufgrund anderer Vorschriften tun muss, hat er einen Überblick über die wichtigsten von ihm geprüften Alternativen in den Umweltverträglichkeitsbericht zu integrieren.

4. Kapitel: Umweltinformation Mit der Einführung eines Zugangsrechts zu Umweltinformationen drängt es sich auf, die bisherigen Bestimmungen über die Information in einem Kapitel zusammenzufassen. Das Kapitel «Umweltinformation» umfasst die aktive (bisher in Art. 6 geregelte) und die passive Umweltinformation. Es wird als neues Kapitel in den ersten Titel integriert.

65

Energiegesetz vom 26. Juni 1998 (EnG, SR 730.0).

4349

Art. 10e

Umweltinformation und -beratung

Artikel 10e regelt die aktive Umweltinformation, die von der passiven zu unterscheiden ist. Im Rahmen der aktiven Umweltinformation informieren die Behörden die Öffentlichkeit insbesondere über die Resultate ihrer Tätigkeit und über Aktualitäten. Die passive Umweltinformation regelt den Zugang von Dritten zu Dokumenten bei Behörden. Das BGÖ regelt ausschliesslich die passive Information. Zur aktiven Information nimmt das Gesetz jedoch insoweit Bezug, als es festhält, dass bei Dokumenten, die auf einer Internetseite des Bundes veröffentlich sind, der Anspruch auf Zugang als erfüllt gilt. Zudem müssen die Bundesbehörden wichtige amtliche Dokumente nach Artikel 19 der Öffentlichkeitsverordnung (VBGÖ)66 so schnell wie möglich im Internet verfügbar machen.

Abs. 1: Nach Artikel 10e informieren die Behörden die Öffentlichkeit sachgerecht über den Umweltschutz und den Stand der Umweltbelastung. Der erste Halbsatz entspricht dem geltenden Artikel 6 Absatz 1. Buchstabe a des zweiten Halbsatzes verpflichtet die Behörden, insbesondere die Erhebungen nach Artikel 44 Absatz 1 USG (Erhebungen über die Umweltbelastung und die Prüfung des Erfolges der Massnahmen des Gesetzes) zu veröffentlichen. Dass die Behörden die Möglichkeit haben, die Ergebnisse der Kontrolle von Anlagen zu veröffentlichen, wenn sie von allgemeinem Interesse sind, bringt im Vergleich zum geltenden Recht keine Änderung mit sich (Abs. 1 Bst. b). Insbesondere ist nach wie vor gewährleistet, dass die Betroffenen angehört werden. Im Bereich der Veröffentlichung von Prüfergebnissen von Konformitätsbewertungen serienmässig hergestellter Anlagen wurde darauf verzichtet, weiterhin eine Pflicht zur periodischen Veröffentlichung festzulegen.

Dies deshalb, weil es in diesem Bereich grossen Mengen an Berichten gibt, die nur von einem sehr kleinen Publikum nachgesucht werden. Konformitätsbewertungen, die auf breites Interesse stossen, werden nach wie vor veröffentlicht. Die übrigen werden auf Anfrage zugänglich gemacht.

Abs. 2: Bei den Gründen, welche einer aktiven Veröffentlichung von Umweltinformationen entgegenstehen, orientieren sich die Behörden sinngemäss am Öffentlichkeitsgesetz bzw. an den entsprechenden kantonalen Bestimmungen. Der Schutz des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses wird wie bisher auch im USG direkt aufgeführt.

Abs. 3: Ob
Bundesbehörden oder kantonale Behörden informieren sollen, richtet sich einerseits danach, wem der Vollzug des entsprechenden Sachbereichs nach den Artikeln 36 und 41 USG obliegt. Andererseits hat der Bund zusätzlich die Pflicht, auch dort, wo der Vollzug den Kantonen übertragen ist, die Öffentlichkeit über die Ergebnisse gesamtschweizerisch bedeutsamer Forschungen und Erhebungen sowie über wichtige aktuelle Umweltprobleme zu informieren67. Er koordiniert denn auch die eidgenössischen und kantonalen Erhebungen und Datensammlungen (Art. 44 Abs. 2 USG). Die Information der Öffentlichkeit über die Umwelt auf Bundesebene soll weitestgehend über ein einheitlich zugängliches Internetportal erfolgen.

Absatz 3 wurde zudem dahingehend ergänzt, dass die Umweltschutzfachstellen die Bevölkerung über umweltverträgliches Verhalten informieren sollen. Informationen von Behörden an einen breiten Adressatenkreis können sehr wirkungsvoll sein, 66 67

Öffentlichkeitsverordnung vom 24. Mai 2006 (SR 152.31).

Vgl. Pierre Tschannen, Kommentar USG, N 12 zu Art. 6; Botschaft zum USG (BBl 1979 III 782).

4350

insbesondere, wenn es um besonders wichtige Umweltinformationen geht (z.B.

Littering, Cheminéebenutzung etc.). Die Behörden sollen mittels Kampagnen oder mittels Umweltbildung die Bevölkerung bzw. bestimmte Gruppen der Bevölkerung entsprechend informieren können. Zwar wäre dies gestützt auf Artikel 6 USG schon heute zulässig. Die neue Formulierung soll aber noch deutlicher aufzeigen, dass eine solche Information möglich ist.

Art. 10f

Umweltberichte

Abs. 1 und 2: Die Konvention verlangt in Artikel 5 Absatz 4, dass die Vertragsparteien mindestens alle vier Jahre einen nationalen Bericht über den Zustand der Umwelt verfassen, der Angaben über die Qualität der Umwelt und über Umweltbelastungen enthält. Diese Berichte sollen der Öffentlichkeit, aber auch der Politik aufzeigen, wie sich die Umwelt in den letzten Jahren entwickelt oder verändert hat und wo Handlungsbedarf besteht. Das BAFU und das Bundesamt für Statistik verfassen bereits seit 1997 solche Umweltberichte. Diese Pflicht soll nun im Gesetz verankert werden. Um dem Bericht das entsprechende Gewicht zu geben, soll er vom Bundesrat zuhanden des Parlamentes verabschiedet werden.

Da das Umweltrecht zu einem grossen Teil von den Kantonen vollzogen wird, sollen auch die Kantone regelmässig in einem Bericht über den Zustand der Umwelt auf ihrem Kantonsgebiet informieren. Im Unterschied zum nationalen Umweltbericht, der nur eine gesamtschweizerische Übersicht vermittelt, können sich die kantonalen Umweltberichte besser auf den kantonalen Handlungsbedarf ausrichten und den kantonal unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedürfnissen Rechnung tragen.

Ausserdem erleichtern solche kantonalen Berichte die Koordination des Bundes über die Vollzugsmassnahmen der Kantone (Art. 38 Absatz 2 USG).

Art. 10g

Öffentlichkeitsprinzip bei Umweltinformationen

Abs. 1 bestimmt, dass jede Person ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen hat. Die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller kann unabhängig von Wohnsitz und Nationalität sowie ohne Interessennachweis verlangen, dass ihr bzw. ihm Umweltinformationen ausgehändigt werden. Was unter Umweltinformation zu verstehen ist, definiert Artikel 7 Absatz 8 USG. Da nach schweizerischem Verständnis ­ im Gegensatz zum Übereinkommen ­ Energiefragen nicht Teil der Umweltinformation sind, wird in Absatz 1 speziell festgehalten, dass sich der Anspruch auch auf Informationen in Zusammenhang mit Energie erstreckt, soweit sie Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Abs. 2: Für den Anspruch und das Verfahren bei Gesuchen gegenüber der Bundesverwaltung wird grundsätzlich auf das BGÖ verwiesen68. Dies ist nur möglich, weil das BGÖ den Anforderungen von Artikel 4 der Konvention grundsätzlich genügt.

Eine Ausnahme bildet der zeitliche Geltungsbereich. Das BGÖ findet nur Anwendung auf Dokumente, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. ab dem 1. Juli 2006 erstellt wurden oder der Behörde nach diesem Zeitpunkt zugegangenen sind (Art. 23 BGÖ). Artikel 4 des Übereinkommens kennt diese Einschränkung nicht.

Entsprechend findet nach Artikel 10g Absatz 2 USG Artikel 23 BGÖ auf Einsichtsgesuche im Bereich der Umweltinformationen keine Anwendung; die Ausnahme 68

Vgl. zum BGÖ Stephan C. Brunner/Luzius Mader (Herausgeber), Öffentlichkeitsgesetz, 2008.

4351

dazu bilden die Informationen im Bereich von Kernanlagen (vgl. zum entsprechenden Vorbehalt auch Ziff. 3.1.2 sowie Art. 1 des Bundesbeschlusses).

Abs. 3: Nach Artikel 2 Absatz 2 der Konvention fallen alle administrativen Behörden sowie Private, die öffentliche Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrnehmen, unter das Öffentlichkeitsprinzip. Nach Artikel 2 BGÖ fällt unter das BGÖ einerseits die Bundesverwaltung im Sinne von Artikel 2 Absätze 1­3 RVOG (dazu gehört die zentrale und die dezentrale Bundesverwaltung). Andererseits fallen unter das BGÖ auch Dritte, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut wurden, soweit sie Erlasse oder Verfügungen erlassen (Art. 2 Abs. 1 Bst. b BGÖ, vgl. auch Art. 2 Abs. 4 RVOG). Eine gewisse Differenz zwischen der Konvention und dem BGÖ besteht also bei Dritten, die öffentliche Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrnehmen, aber keine Verfügungskompetenz besitzen (z.B. die schweizerische Energieagentur). Um sicherzustellen, dass Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller bei solchen Gesuchen Dokumente mit Umweltinformationen einsehen können, muss Artikel 10g Absatz 3 USG ergänzt werden. Der Vollzug des BGÖ verlangt nach Artikel 15 BGÖ zudem, dass die zuständige Stelle Verfügungen erlassen kann. In Fällen, in denen Dritte keine Verfügungskompetenz haben, muss somit die zuständige Aufsichtsbehörde, d.h. jene Behörde, welche mit dem Dritten den Vertrag zur Auslagerung der Aufgaben abgeschlossen hat, diese Verfügungen erlassen.

Absatz 4 verpflichtet die Kantone, das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen auf kantonaler Ebene zu regeln. Dabei müssen die Kantone die Vorgaben der Konvention berücksichtigen. Kantone, welche die entsprechenden Regelungen nicht bis zum Zeitpunkt der Ratifizierung durch den Bundesrat erlassen können bzw. bis dahin die nötigen Anpassungen ihrer Regelungen nicht vorgenommen haben, gewähren den Zugang zu Umweltinformationen sinngemäss nach dem BGÖ und nach den vom BGÖ abweichenden Bestimmungen nach Artikel 10g Absatz 2 USG ­ sinngemäss deshalb, weil das BGÖ verschiedene Bestimmungen kennt, die speziell auf den Bund zugeschnitten sind und ausdrücklich den Bundesrat und die Bundesverwaltung erwähnen (vgl. Art. 8 Abs. 1, 3 und 5). Nicht zur Anwendung kämen insbesondere folgende Bestimmungen: Artikel 13 und 14 (die Kantone müssen kein
Schlichtungsverfahren vorsehen), 17 (für die Erhebung von Gebühren müssen die Kantone eine eigene Regelung erlassen), 18­22 (die Kantone müssen keinen Öffentlichkeitsbeauftragten ernennen und entsprechend auch dessen Kompetenzen nicht regeln). Die Artikel 2, 4, 7­10, 15 und 16 wären sinngemäss anzuwenden. Die übrigen Bestimmungen könnten direkt angewendet werden69.

Art. 29h Dieser Anspruch auf Aktenzugang im Bereich der pathogenen Organismen richtet sich neu nach Artikel 10g USG. Demzufolge kann die Regelung von Artikel 29h aufgehoben werden.

69

Vgl. eine ähnliche Lösung im Bereich des Datenschutzes nach Artikel 37 Absatz 1 des Bundesgesetzes von 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1).

4352

Art. 47 Der geltende Artikel 47 regelt in seinen Absätzen 1 und 2 einerseits ein Zugangsrecht und andererseits eine Artikel 6 USG konkretisierende Informationspflicht der Behörden. Diese Bestimmungen wurden in das neue Kapital «Umweltinformation» integriert (Art. 10e und 10g), weshalb die Absätze 1 und 2 von Artikel 47 aufgehoben werden.

3.2.2

Vergleich der Regelungen über den Zugang zu Umweltinformationen nach Art. 5 der Konvention mit dem BGÖ

Der nachfolgende Vergleich legt dar, dass das BGÖ, abgesehen von den oben erwähnten Ausnahmen, den Anforderungen der Konvention genügt: Sachlicher Geltungsbereich Nach Artikel 2 Absatz 2 letzter Satz fallen nach der Konvention Gerichte oder Einrichtungen, die in gesetzgebender Eigenschaft handeln, nicht unter die Konvention, da sie nicht als Behörde nach Artikel 2 Absatz 2 gelten. Nach Artikel 28 BGG und Artikel 30 VGG gilt das BGÖ für das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht, soweit es administrative Aufgaben oder Aufsichtsfunktionen erfüllt (vgl. auch Art. 3 Abs. 1 BGÖ). Das Parlament als gesetzgebendes Organ fällt ebenfalls nicht unter das BGÖ (vgl. Art. 2 BGÖ). Die Bestimmungen sind deshalb deckungsgleich.

Amtliche Dokumente Nach Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 4 Absatz 1 der Konvention müssen die Umweltinformationen auf Dokumenten bzw. Unterlagen aufgezeichnet sein (in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form).

Unter das BGÖ fallen nach Artikel 5 Dokumente, die auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet sind und die sich im Besitz der Behörde befinden. Zudem müssen die Dokumente die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffen. Die beiden Regelungen sind deckungsgleich.

Modalitäten der Einsicht ­

Sowohl nach der Konvention (Art. 4 Abs. 1) als auch nach dem BGÖ (Art. 10 Abs. 1) ist für das Gesuch keine bestimmte Form vorgeschrieben; es kann damit in beliebiger Form eingereicht werden (Brief, E-Mail, Telefon etc.). Artikel 4 Absatz 2 der Konvention verlangt, dass die zuständige Behörde spätestens nach einem Monat die Unterlagen zur Verfügung stellt oder das Gesuch abweist, ausnahmsweise kann diese Frist auf zwei Monate verlängert werden. Das BGÖ ist hier strenger, sieht doch Artikel 12 eine Behandlungsfrist von 20 Tagen vor; in komplexen Fällen kann diese Frist um 20 Tage verlängert werden.

­

Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Konvention kann die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller die Unterlagen in der gewünschten Form anfordern, es sei denn, der Behörde scheint es angemessen, die Unterlagen in anderer Form zur Verfügung zu stellen, was sie jedoch begründen muss.

Wenn die Informationen der Öffentlichkeit bereits in anderer Form zur Ver4353

fügung steht, kann der Gesuchsteller sie ebenfalls nicht in der gewünschten Form anfordern. Artikel 6 Absatz 2 BGÖ sieht vor, dass von den Unterlagen Kopien verlangt werden können. Sind die Angaben bereits auf einer Internetseite des Bundes publiziert, gilt der Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten als erfüllt (Art. 6 Abs. 3 BGÖ). Diese Regelungen sind gleichwertig.

Auch die Konvention lässt es zu, dass auf dem Internet publizierte Informationen als solche gelten, die der Öffentlichkeit bereits zur Verfügung stehen.

Nach Artikel 4 Absatz 7 der Konvention bedarf die Ablehnung eines Gesuches der Schriftform, wenn das Gesuch schriftlich eingereicht wurde oder wenn der Gesuchsteller darum ersucht. Nach Artikel 12 Absatz 4 BGÖ muss die Abweisung eines Gesuches immer schriftlich erfolgen.

­

Nach Artikel 4 Absatz 8 der Konvention darf für die Bereitstellung der Unterlagen keine übermässige Gebühr verlangt werden. Eine ähnliche Regelung sieht Artikel 17 BGÖ vor. Es gibt Umweltdaten im Sinne der AarhusKonvention, bei denen das schweizerische Recht vorsieht, dass die zuständige Behörde diese Angaben jedermann zur Verfügung stellen und dafür eine Gebühren erheben muss (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Meteorologie und Klimatologie70). Bei der Regelung der Einsicht in solche Daten handelt es sich um eine Spezialregelung, welche in Artikel 4 BGÖ ausdrücklich vorbehalten ist. Eine solche Regelung widerspricht der Konvention nicht, da der Zugang zu den Dokumenten gewährleistet ist und nur kostendeckende Gebühren erhoben werden.

Ablehnungsgründe Sowohl die Konvention als auch das BGÖ sehen Einschränkungen beim Zugang zu amtlichen Dokumenten vor. Entsprechend kann in den folgenden Fällen die Einsicht in Dokumente mit Umweltinformationen verweigert werden:

70

71

­

Die entsprechende Behörde verfügt nicht über die gewünschten Informationen (Art. 4 Abs. 3 Bst. a der Konvention): Auch nach Artikel 5 BGÖ kann Einsicht nur in Dokumente gewährt werden, die sich bei der entsprechenden Behörde befinden.

­

Der Antrag ist missbräuchlich oder zu allgemein formuliert (Art. 4 Abs. 3 Bst. b der Konvention): Auch nach Artikel 10 Absatz 3 BGÖ muss Einsicht nur in hinreichend genau formulierte Dokumente gewährt werden. Missbräuchlichen Anträgen muss auch im Bereich des öffentlichen Rechts nicht entsprochen werden.71.

­

Der Antrag betrifft noch nicht fertiggestelltes Material sowie interne Mitteilungen von Behörden, soweit diese Ausnahme vom innerstaatlichen Recht vorgesehen ist; dabei ist das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 3 Bst. c der Konvention): Nach Artikel 5 Absatz 3 BGÖ in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 2 VBGÖ gelten noch nicht fertig gestellte Dokumente nicht als amtliche Dokumente, weshalb sie nicht dem Einsichtsrecht unterstehen. Zudem gilt nach Artikel 8 Absatz 2 Bundesgesetz vom 18. Juni 1999 über die Meteorologie und Klimatologie (MetG, SR 429.1), vgl. aber BBl 2012 3583 f. Meteorologische und klimatologische Dienstleistungen sind ausschliesslich im MetG und nicht im USG geregelt.

Vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage 2010, N 715 f.

4354

BGÖ, dass Dokumente erst dann zugänglich gemacht werden dürfen, wenn der politische oder administrative Entscheid, für den sie die Grundlage darstellen, getroffen worden ist. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a BGÖ sieht eine Einschränkung des freien Zugangs vor, wenn damit die freie Meinungs- und Willensbildung der Behörde beeinträchtigt wird. Diese Ausnahmen im BGÖ gewähren der Behörde einen ungestörten Entscheidungsprozess. Sie lassen sich demnach unter Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c der Konvention subsumieren (interne Mitteilung von Behörden). Auch die Ausnahme nach Artikel 8 Absatz 4 BGÖ (amtliche Dokumente über Positionen in laufenden und künftigen Verhandlungen) kann unter Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c der Konvention subsumiert werden. Nach Artikel 7 Absatz 1 BGÖ kann der Zugang zu Dokumenten auch verweigert werden, wenn damit die Beziehungen zwischen Bund und den Kantonen oder zwischen den Kantonen selber beeinträchtigt werden können. Auch diese Regelung dient dem Schutz interner Informationen zwischen Behörden und geht nicht über Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c der Konvention hinaus. Der Verpflichtung der Konvention, bei den Ablehnungsgründen nach Artikel 4 Absatz 3 das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen, entspricht die Möglichkeit der Behörden des Bundes, solche Dokumente aktiv zu veröffentlichen, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (vgl. z.B. Art. 19 VBGÖ).

Weitere Ablehnungsgründe Anträge können nach Artikel 4 Absatz 4 der Konvention ferner abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf: ­

die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, wenn diese Vertraulichkeit nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist (Art. 4 Abs. 4 Bst. a der Konvention): Nach Artikel 8 Absatz 1 BGÖ bleiben die Dokumente des Mitberichtsverfahrens geheim. Diese Regelung ist eine Folge davon, dass die Bundesratssitzungen nach Artikel 21 RVOG und das Mitberichtsverfahren nach Artikel 15 RVOG geheim sind. Der Ablehnungsgrund nach BGÖ entspricht damit der Konvention.

­

internationale Beziehungen, die Landesverteidigung oder die öffentliche Sicherheit (Art. 4 Abs. 4 Bst. b der Konvention): Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben c und d BGÖ wird die Einsicht verweigert, wenn die aussenpolitischen Interessen oder internationalen Beziehungen der Schweiz oder die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet werden können. Mit letzterer soll die öffentliche Sicherheit der Schweiz im weiteren Sinne geschützt werden. Darunter fallen neben dem Schutz militärischer oder polizeilicher Aktivitäten auch Massnahmen zum Schutz wichtiger Infrastrukturanlagen sowie Massnahmen zum Schutz von Anlagen mit hohem Gefährdungspotenzial. Die Ausnahmen sind deckungsgleich.

­

laufende Gerichtsverfahren etc. (Art. 4 Abs. 4 Bst. c): Das BGÖ findet nach Artikel 3 keine Anwendung bei Zugang zu amtlichen Dokumenten in Zivilverfahren, Strafverfahren, Verfahren der Staats- und Verwaltungsrechtspflege etc. Die Regelungen sind deckungsgleich.

­

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, sofern diese rechtlich geschützt sind, um berechtigte wirtschaftliche Interessen zu schützen: Auch Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe g BGÖ schützt das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis.

4355

Der zweite Satz von Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe d der Konvention bestimmt, dass «in diesem Rahmen Informationen über Emissionen, die für den Schutz der Umwelt von Bedeutung sind, bekanntzugeben sind». Diese Bestimmung ist ­ unter besonderer Berücksichtigung der Wendung «in diesem Rahmen» ­ dahingehend auszulegen, dass Emissionen von Anlagen nicht grundsätzlich als Geschäftsgeheimnisse gelten. Soweit jedoch bei der Bekanntgabe von Emissionen tatsächlich ein Geschäftsgeheimnis betroffen wäre, weil aufgrund der Emissionen Rückschlüsse auf ein geheimes Herstellungsverfahren gezogen oder eine geheim gehaltene Produktionsmenge abgelesen werden könnte, ist das Geschäftsgeheimnis zu respektieren72.

72

­

Rechte auf geistiges Eigentum (Art. 4 Abs. 4 Bst. e der Konvention): Eine analoge Bestimmung findet sich in Artikel 6 Absatz 2 BGÖ, welche das Urheberrecht vorbehält. Dies bedeutet, dass die urheberrechtlich geschützten Dokumente zwar einsehbar sind, aber von jener Person, welche den Zugang erhält, nicht frei verwendet werden dürfen. Die Regelung nach BGÖ steht im Einklang mit der Konvention.

­

die Vertraulichkeit personenbezogener Daten (Art. 4 Abs. 4 Bst. f der Konvention): Das BGÖ sieht in Artikel 9 vor, dass Einsicht in Dokumente mit Personendaten nur gewährt werden darf, wenn die Bestimmungen des DSG eingehalten sind. Für den Datenschutz natürlicher Personen sind die Regelungen in der Konvention deckungsgleich mit dem schweizerischen Recht.

Vom Datenschutz juristischer Personen spricht die Konvention in Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe f nicht, wogegen das DSG nach Artikel 2 Absatz 1 auch für juristische Personen gilt. Verlangt eine Person Einsicht in ein Dokument mit Umweltinformationen, das personenbezogene Daten einer juristischen Person enthält, sind daher nicht nur die Bestimmungen des BGÖ, sondern auch des DSG zu beachten. Nach Artikel 19 Absatz 1bis DSG dürfen Personendaten bekannt gegeben werden, wenn diese in Zusammenhang mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe stehen und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Es muss folglich in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung vorgenommen werden, wobei die Interessen der betroffenen juristischen Person und das in der Konvention festgelegte öffentliche Interesse am Zugang zu Umweltinformationen für die Bevölkerung einzubeziehen sind. Werden die Interessen der betroffenen juristischen Person höher gewichtet, so müssen die Personendaten anonymisiert werden; falls dies nicht möglich ist, muss der Zugang ganz oder teilweise verweigert werden. Überwiegt jedoch das öffentliche Interesse, können die Daten bekannt gegeben werden. Auch wenn also in der Schweiz personenbezogene Daten juristischer Personen nach DSG geschützt sind, wird die Einsicht in solche Dokumente nicht zwingend verweigert. Das Verfahren richtet sich nach den massgeblichen Bestimmungen des BGÖ und des DSG; insbesondere ist die Anhörung der betroffenen Unternehmen zu gewährleisten.

In der Literatur wird dazu eine strengere Auffassung vertreten, wonach Emissionen, die für die Umwelt von Bedeutung sind, grundsätzlich bekanntzugeben sind (vgl. Thurnherr, S. 130; Flückiger, S. 776 f.).

4356

­

die Interessen eines Dritten, der die beantragten Informationen zur Verfügung gestellt hat, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein, sofern dieser Dritte der Veröffentlichung des Materials nicht zustimmt (Art. 4 Abs. 4 Bst. g): Eine sehr ähnliche und damit materiell im Einklang mit der Konvention stehende Regelung findet sich in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe h BGÖ.

­

die Umwelt (z.B. bei Brutstätten seltener Tierarten, Art. 4 Abs. 4 Bst. h): Auch hier kennt das BGÖ mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b eine Regelung, die jener der Konvention entspricht. Allerdings ist die Bestimmung im BGÖ weiter gefasst, indem dort die Gefährdung der zielkonformen Durchführung behördlicher Massnahmen nicht auf Umweltmassnahmen beschränkt ist. Im Sinne einer konventionskonformen Auslegung dürfte Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b BGÖ als Ablehnungsgrund nur dann verwendet werden, wenn es um behördliche Massnahmen zum Schutze der Umwelt geht.

­

Einzig der Ablehnungsgrund der wirtschafts-, geld- und währungspolitischen Interessen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f BGÖ findet sich nur zum Teil in Artikel 4 der Konvention. Soweit diese Interessen im internationalen Zusammenhang stehen, kann der Ablehnungsgrund unter Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b der Konvention subsumiert werden. Soweit es um eine rein innerschweizerische Angelegenheit geht, stünde eine Ablehnung des Einsichtsrechts allein gestützt auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f BGÖ nicht im Einklang mit der Konvention. Entsprechend der Regel der konventionskonformen Auslegung dürfte dieser Ablehnungsgrund nach BGÖ deshalb nur zur Anwendung kommen, soweit er in einem internationalem Zusammenhang steht und damit Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b der Konvention entspricht.

3.3

Änderungen im Gewässerschutzgesetz (GSchG)

Art. 50/Art. 52 Abs. 3 Entsprechend der Regelung im USG (Art. 10e) wird Artikel 50 GSChG angepasst.

Artikel 52 Absatz 3 wird aufgrund des engen Sachzusammenhangs in Artikel 50 integriert.

3.4

Änderungen im Gentechnikgesetz (GTG)

Art. 18 Abs. 1 Das GTG kennt heute eine eigene Regelung über den Zugang zu Dokumenten bei Behörden, die dem BGÖ vorgeht. Mit dem Verweis auf das USG soll klargestellt werden, dass sich dieser Anspruch neu nach den Bestimmungen des USG bzw. des BGÖ richtet.

4357

3.5

Inkrafttreten (Art. 3 des Bundesbeschlusses)

Die neuen Regelungen auf Bundesebene brauchen gewisse Anpassungen auf Verordnungsebene. Zudem müssen mehrere Kantone das Zugangsrecht auf Umweltinformationen erst noch regeln oder allenfalls anpassen. Aus diesem Grund soll der Bundesrat das Inkrafttreten der Änderungen bestimmen.

3.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Bundesrat hat am 15. Juni 1998 erklärt, die von Nationalrätin Silvia Anita Semadeni am 10. März 1998 eingereichte Motion Nr. 98.3087 entgegenzunehmen.

Diese Motion beauftragt den Bundesrat, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Schweiz die Aarhus-Konvention ratifizieren kann. Am 15. Dezember 1998 hat der Ständerat die Motion überwiesen. Die mit dieser Vorlage vorgeschlagenen Änderungen des USG schaffen die Voraussetzungen zur Ratifizierung und Umsetzung der Aarhus-Konvention.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Auswirkungen, welche die Umsetzung der Konvention auf Bundesebene hat, können nicht intern aufgefangen werden. Personelle Auswirkungen ergeben sich in erster Linie beim BAFU. Zudem ist auch beim Bundesamt für Statistik mit einem gewissen Mehraufwand zu rechnen, und im Hinblick auf die Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Zulassungsverfahrens von gentechnisch veränderten Organismen bei Futtermitteln, Lebensmitteln oder Arzneimitteln könnte sich auch bei weiteren betroffenen Bundesämtern (Bundesamt für Landwirtschaft, Bundesamt für Gesundheit, Swissmedic) ein beschränkter Mehraufwand ergeben.

In Zukunft muss das BAFU regelmässig an die Organe der Konvention Bericht über die Umsetzung in der Schweiz erstatten und an den entsprechenden internationalen Treffen teilnehmen. Zudem muss die aktive Umweltinformation gestärkt werden: Einerseits ist der nationale Umweltbericht neu dem Parlament zu unterbreiten.

Andererseits ist das BAFU gehalten, noch stärker aktiv über den Zustand der Umwelt zu informieren. Ferner ist eine entsprechende Beratung der Kantone bei der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips notwendig. Dies bedingt insgesamt zusätzlich eine Arbeitsstelle beim BAFU.

Im Falle eines Beitritts wird die Schweiz jährlich einen finanziellen Beitrag an die Konvention leisten. Die Höhe des Beitrags in der Grössenordnung von 70 000 Franken beruht auf dem Budget und dem Arbeitsprogramm der Konvention, die jeweils an der Konferenz der Vertragsparteien verabschiedet werden. Die so entstehenden finanziellen Verpflichtungen der Schweiz können mit den bestehenden Ressourcen erfüllt werden.

4358

4.2

Finanzielle Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Einige Kantone werden neu den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen schaffen müssen. Die Erfahrung des Bundes bei der Umsetzung des BGÖ zeigt, dass im Vollzug nicht mit einem grossen Mehraufwand zu rechnen ist. Das BAFU verzeichnete in den Jahren 2007­2011 durchschnittlich 20 Anfragen auf Zugang zu Umweltinformationen pro Jahr. Davon wurden ca. 50 Prozent positiv beantwortet, in vier Fällen wurde ein Schlichtungsverfahren durchgeführt. Beschwerdeverfahren gab es keine. Auch die Evaluation des BGÖ zeigt, dass die Einführung des BGÖ auf Bundesebene zu relativ wenig Gesuchen und damit bei den Amtsstellen zu wenig Aufwand geführt hat73. Insgesamt müssten die Kantone, welche das Recht neu schaffen, deshalb nur mit einem verhältnismässig geringen Mehraufwand rechnen74.

Was die Pflicht der Kantone betrifft, regelmässig einen Umweltbericht zu verfassen, ist festzustellen, dass mehrere Kantone einen solchen Bericht bereits kennen. Entsprechende Umweltdaten erheben alle Kantone. Bei der Ausgestaltung des Berichts geniessen sie zudem ein grosses Ermessen. Die Vorlage hat deshalb auf die Kantone verhältnismässig geringe Auswirkungen.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Eine verstärkte aktive Umweltinformation und ein vereinfachter Zugang zu amtlichen Dokumenten kann sich auch auf die Wirtschaft positiv auswirken. Beispielsweise kann die Wirtschaft von innovativen Applikationen profitieren. Bedeutende Informationen werden rasch zugänglich gemacht, wodurch sich der Wissenstand der Wirtschaftsakteure im Umweltbereich verbessert.

Die Umsetzung der Konvention bzw. die Verbesserung der Umweltinformation fördert auch die Markttransparenz. Dies dürfte auch für die KMU und die Konsumentinnen und Konsumenten von Nutzen sein75. Von Vorteil für die Wirtschaft ist auch, dass die Umweltinformation aufgrund der Vorlage einheitlicher gehandhabt werden wird.

Was die zusätzliche Aufnahme neuer Industrie-Anlagetypen in den Anhang der UVP-pflichtigen Anlagen betrifft, ist festzustellen, dass in der Schweiz davon ca.

50 Betriebe betroffen sind76. Eine UVP ist aber nur bei einer Neuerrichtung oder wesentlichen Änderung einer Anlage durchzuführen. Deshalb dürfen die volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Änderung insgesamt als gering bezeichnet werden. Die Darlegung von Alternativen im Umweltverträglichkeitsbericht führt für den 73

74

75

76

Bericht über den Vollzug, die Umsetzungskosten und die Wirksamkeit des Öffentlichkeitsgesetzes vom 29. Juni 2009, www.edoeb.admin.ch/dokumentation/00652/01405/index.html?lang=de.

Dies bestätigt auch eine Studie, die im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt von Dr. Markus Spinatsch, Beratung für Politik und Verwaltung, im Jahr 2004 bei den Kantonen durchgeführt wurde.

So ist es z.B. gestützt auf die im Auftrag des BAFU erarbeitete Lärmdatenbank Schweiz (sonbase) möglich, für sämtliche Gebiete in der Schweiz den Verkehrslärm detailliert zu berechnen (www.bafu.admin.ch/sonbase). Diese Datenbank wird insbesondere von Unternehmen für die Immobilienbewertung und die Bestimmung der Standortqualität von Liegenschaften genutzt.

Die konkret betroffenen Anlagetypen sind in Fussnote 43 aufgeführt.

4359

Gesuchsteller kaum zu mehr Aufwand, da es sich nur um einen Überblick über die wichtigsten Alternativen handelt, die er vor Einreichung des Gesuches geprüft hat.

4.4

Andere Auswirkungen

Die Informatisierung der Verwaltung trägt wesentlich dazu bei, die Anliegen der Aarhus-Konvention zu verwirklichen. Sie ist deshalb von grosser Bedeutung. Der elektronische Weg (Internet) erleichtert der Öffentlichkeit den unmittelbaren Zugang zu amtlichen Dokumenten. Gleichzeitig kann damit der Mehraufwand der Verwaltung aufgrund individueller Gesuche um Zugang zu amtlichen Dokumenten reduziert werden.

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage war im Bericht vom 25. Februar 200477 über die Legislaturplanung 2003­2007 angekündigt. In der Botschaft vom 25. Januar 201278 über die Legislaturplanung 2011­2015 und im Bundesbeschluss über die Legislaturplanung (Entwurf)79 ist sie nicht angekündigt. Da eine in Umweltbelangen gut informierte Bevölkerung dazu beiträgt, dass die Schweiz für einen wirksamen Umwelt- und Naturschutz sorgen kann, steht die Vorlage jedoch im Einklang mit dem Ziel Nr. 23 der Legislaturplanung 2011­2015.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bund hat nach Artikel 54 Absatz 1 BV die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV sind völkerrechtliche Verträge von der Bundesversammlung zu genehmigen, sofern nicht durch Gesetz oder völkerrechtlichen Vertrag der Bundesrat dazu ermächtigt wird. Eine solche Delegation der Kompetenz zur Genehmigung des vorliegenden Übereinkommens an den Bundesrat besteht nicht; für die Genehmigung des Übereinkommens ist daher die Bundesversammlung zuständig.

Die Änderung des USG stützt sich auf die umfassende Rechtsetzungskompetenz nach Artikel 74 BV, wonach der Bund die Befugnis hat, Vorschriften zum Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erlassen. Die Änderung des GSchG und des GTG stützten sich auf Artikel 76 und 120 BV, wonach der Bund Bestimmungen im Gewässerschutz erlässt sowie Mensch und Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnologie schützt.

77 78 79

BBl 2004 1196 BBl 2012 481 BBl 2012 627

4360

6.2

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, dem fakultativen Referendum.

Das vorliegende Übereinkommen ist unbefristet, aber kündbar. Es sieht auch keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Hingegen verlangt es Anpassungen von Bundesgesetzen (insbesondere des USG), weshalb es dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegt.

Die separate Änderung des USG und als Folge davon auch des GSchG sowie des GTG unterstehen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV ebenfalls dem fakultativen Referendum.

6.3

Erlassform

Untersteht der Genehmigungsbeschluss eines völkerrechtlichen Vertrages dem fakultativen Referendum, so kann die Bundesversammlung die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung des Vertrages dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufnehmen (Art. 141a Abs. 2 BV). Der Bundesrat beantragt daher, die Änderung des USG in den Beschluss zur Genehmigung des Abkommens zu integrieren.

4361

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