12.056 Botschaft zur Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» vom 16. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Volksinitiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Mai 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-1820

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Übersicht Mit der Wahl des Bundesrates durch das Volk wären zwar einzelne Vorteile, jedoch eine Reihe gewichtiger Nachteile und Unwägbarkeiten für das politische Gesamtsystem verbunden. Die Wahl des Bundesrates durch die Vereinigte Bundesversammlung hat sich über eine sehr lange Zeit bewährt. An diesem zentralen Punkt unserer Kompetenzordnung soll deshalb nichts geändert werden. Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung, die Initiative ohne Gegenentwurf Volk und Ständen mit der Empfehlung zu unterbreiten, die Initiative sei abzulehnen.

Die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» ist am 7. Juli 2011 mit 108 826 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Sie verlangt, dass der Bundesrat nicht mehr durch die Bundesversammlung, sondern durch das Volk gewählt wird. Die Wahl würde nach dem Majorzverfahren und parallel zur Erneuerung des Nationalrates erfolgen. Für die französischsprachige und die italienischsprachige Minderheit wären zwei Bundesratssitze garantiert. Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident würden nicht mehr von der Bundesversammlung, sondern vom Bundesrat gewählt.

Mit der Initiative erhielte das Volk ein zusätzliches politisches Recht. Der Bundesrat würde wie die Mitglieder der Bundesversammlung vom Volk gewählt und dadurch in seiner Legitimität gestärkt. Die Bundesratswahlen böten die Chance für eine landesweite Debatte über die künftige Regierungspolitik. Dies könnte die repräsentative Demokratie mit Einschluss der Wahl des National- und des Ständerates beleben. Die Kontinuität im Bundesrat würde erhöht, wenn wegen des zusätzlichen Aufwands bei einer Bundesratswahl vorzeitige Rücktritte aus dem Bundesrat seltener würden. Zudem würde die Wahl des Bundesrates zumindest vordergründig transparenter.

Diesen Vorteilen stehen jedoch gewichtige Nachteile gegenüber: ­

Der Bundesrat als Ganzes würde nicht mehr «über der Politik» stehen. Die Mitglieder des Bundesrates würden stärker als heute als parteipolitische Akteure wahrgenommen. Ihre Rolle als Bundesratsmitglieder und Departementsvorsteher würde sich auf ungute Weise vermischen mit ihrer neuen Rolle als Aushängeschilder und Wahllokomotiven für ihre Partei und als Kandidatinnen und Kandidaten. Im Interesse ihrer Wiederwahl müssten sie noch mehr als heute mit den Medien kooperieren. Wie sich die neue Rolle der Bundesratsmitglieder mit dem Kollegialprinzip vertragen würde, muss offenbleiben.

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Mit der Wahl durch das Volk würde zwar die demokratische Legitimität des Bundesrates gestärkt; gleichzeitig würde aber die Bundesversammlung eine wichtige Kompetenz verlieren, und sie würde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben geschwächt. Das Gewaltengefüge würde sich verändern. Vor allem wenn die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates anders wäre als diejenige der Bundesversammlung und wenn populistische Perso-

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nen in den Bundesrat gewählt würden, bestünde die Gefahr unfruchtbarer Kompetenzkonflikte zwischen den beiden Gewalten. In solchen Konstellationen könnte es vermehrt zu Blockierungen kommen, indem Vorlagen des Bundesrates in der Bundesversammlung Schiffbruch erleiden würden.

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Das vorgeschlagene Verfahren würde die föderalistische Balance verändern. Im Vergleich zum bisherigen Wahlverfahren würden die bevölkerungsstarken Kantone bevorzugt. Die Städte und die Agglomerationsgebiete würden zulasten der ländlichen Gebiete leicht begünstigt. Die Pflicht, bei den Bundesratswahlen die Landesgegenden angemessen zu berücksichtigen, würde entfallen. Bei einer Volkswahl könnte weniger gut als heute darauf geachtet werden, dass mehrere Eignungskriterien (Partei, Sprachzugehörigkeit, Landesgegend, Geschlecht) gleichzeitig möglichst weitgehend berücksichtigt werden.

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Mit der Auslese der Bundesratskandidatinnen und -kandidaten sowie der Wahlkampagne käme auf die Landesparteien eine neue Aufgabe zu, und sie würden mittelfristig zulasten der Kantonalparteien an Gewicht gewinnen.

Dies könnte in der Politik eine zentralistische Dynamik auslösen. Zudem würde sich die finanzielle Abhängigkeit der Parteien von ihren Mitgliedern, von reichen Einzelpersonen, von Unternehmen oder von Lobbyorganisationen vergrössern.

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Die Mitglieder des Bundesrates würden durch den Wahlkampf in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode jeweils zeitlich stark belastet. Im Vergleich mit den kantonalen Regierungsmitgliedern, welche sich ebenfalls periodisch zur Wiederwahl stellen müssen, sind sie bereits heute namentlich aufgrund von Sitzungen in den Kommissionen und im Plenum der beiden eidgenössischen Räte und aufgrund der internationalen Verflechtung (Ministertreffen, bilaterale und multilaterale Kontakte) wesentlich stärker belastet. Sie könnten aufgrund der Volkswahl an die Grenzen ihrer Kapazitäten geraten. Dies könnte sich namentlich in Krisensituationen negativ auswirken.

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Die für das lateinische Sprachgebiet vorgesehene Quote von zwei Bundesratsmitgliedern ist zwar gut gemeint, aber unnötig und letztlich kontraproduktiv. Die Berechnung des Abstimmungsergebnisses derjenigen Bundesratsmitglieder, die aufgrund der Quotenregelung gewählt würden, wäre für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger schwer verständlich. Der Bund müsste Ausführungsbestimmungen darüber erlassen, wie in den gemischtsprachigen Kantonen die bei der Quotenregelung zu berücksichtigenden Gebiete zu bestimmen sind. Es wäre kaum möglich, einen wirkungsvollen Schutz der lateinischen Sprachgemeinschaft sicherzustellen. Die Regelung wäre für das Zusammenleben der Sprachgemeinschaften ungünstig: Das rätoromanische Sprachgebiet würde nicht einbezogen; die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete würden gegeneinander ausgespielt. Aufgrund ihres wesentlich geringeren demografischen Gewichts würden dabei der Kanton Tessin und die italienischsprachigen Gebiete des Kantons Graubünden den Kürzeren ziehen.

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Abschliessend ist festzuhalten, dass die Volksinitiative ein Problem lösen will, das keines ist. Die Wahl der Bundesrätinnen und Bundesräte durch die Bundesversammlung hat sich bewährt. Der Bundesversammlung gelang es über die Jahre hinweg, ein Bundesratskollegium, seit 1984 bestehend aus Männern und Frauen, zu wählen, das die wichtigsten Parteien, die Landesgegenden und Sprachgruppen repräsentiert, das im Volk Anerkennung geniesst und dem es im Laufe langer Jahre gelungen ist, die Klippen von Kriegen, Bedrohungen und Wirtschaftskrisen zu umschiffen und neue Herausforderungen wie die europäische Einigung und die Globalisierung erfolgreich anzunehmen. Es ist nicht einsichtig, warum ein dermassen bewährtes Wahlverfahren geändert werden soll.

Der Bundesrat verzichtet auch auf einen Gegenentwurf. Es gibt keine Möglichkeiten, den Anliegen des Initiativkomitees in wesentlichen Punkten entgegenzukommen und gleichzeitig die mit einer direkten Wahl des Bundesrates durch das Volk verbundenen Nachteile zu umgehen. Andere, umfassende Reformvorschläge gehen weit über den Rahmen der vorliegenden Initiative hinaus; weitere, punktuelle Reformen wurden in der Bundesversammlung schon mehrfach geprüft, aber aufgrund der damit verbundenen Nachteile abgelehnt.

Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung deshalb, die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» Volk und Ständen ohne Gegenentwurf und mit der Empfehlung zu unterbreiten, die Initiative abzulehnen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

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2 Ausgangslage 2.1 Geltendes Verfahren zur Wahl der Bundesratsmitglieder und der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten 2.2 Parteizugehörigkeit der Bundesratsmitglieder 2.3 Sprachliche und geografische Herkunft der Bundesratsmitglieder 2.4 Geschlechtszugehörigkeit der Bundesratsmitglieder 2.5 Mehrfache Kriterien für die Wahl in den Bundesrat 2.6 Bisherige Bestrebungen zur Änderung der Bundesratswahl

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3 Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Die einzelnen Bestimmungen des Initiativtextes 3.3.1 Artikel 136 Absatz 2 3.3.2 Artikel 168 Absatz 1 3.3.3 Artikel 175 Absatz 2 3.3.4 Artikel 175 Absatz 3 3.3.5 Artikel 175 Absatz 4 3.3.6 Artikel 175 Absätze 5 und 6 3.3.7 Artikel 175 Absatz 7 3.3.8 Artikel 176 Absatz 2

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4 Würdigung der Initiative 4.1 Anliegen der Initiative 4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.2.1 Ein neues System für die Wahl des Bundesrates 4.2.2 Rechtsvergleichende Aspekte des vorgeschlagenen Systems 4.2.3 Kandidatenauslese, Kandidatenfeld und Wahlkampf 4.2.4 Häufigkeit von zwei Wahlgängen 4.2.5 Häufigkeit von Vakanzen und Zeitbedarf für Ersatzwahlen 4.2.6 Politische Mehrheit in der Bundesversammlung und im Bundesrat 4.2.7 Erhöhte Belastung der Bundesratsmitglieder durch den Wahlkampf und grosse Wiederwahlchancen 4.2.8 Parteiinteressen und Amtsgeschäfte der Bundesratsmitglieder 4.2.9 Kollegialprinzip und Mediatisierung 4.2.10 Verhältnis Bundesrat-Bundesverwaltung 4.2.11 Gewaltengefüge Bundesrat-Bundesversammlung 4.2.12 Vertretung der lateinischen Sprachgruppe im Bundesrat

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4.2.13 Föderalistisches Gleichgewicht 4.2.14 Wahl der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten 4.2.15 Offene Fragen zum Inkrafttreten und Übergangsrecht 4.2.16 Finanzielle Auswirkungen 4.3 Vorzüge und Mängel der Initiative 4.4 Fazit

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5 Kein direkter Gegenentwurf und kein indirekter Gegenvorschlag

5700

6 Schlussfolgerungen

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Literaturverzeichnis

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Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» (Entwurf)

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative strebt folgende Änderungen der geltenden Bundesverfassung1 (BV) an: Geltende Bestimmungen der Bundesverfassung

Initiativtext

Art. 136 Abs. 2 Politische Rechte 2 Sie können an den Nationalratswahlen und an den Abstimmungen des Bundes teilnehmen sowie Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten ergreifen und unterzeichnen.

Art. 136 Abs. 2 Politische Rechte 2 Sie können an den Bundesratswahlen, den Nationalratswahlen und den Abstimmungen des Bundes teilnehmen sowie Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten ergreifen und unterzeichnen.

Art. 168 Abs. 1 Wahlen 1 Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler, die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie den General.

Art. 168 Abs. 1 Wahlen 1 Die Bundesversammlung wählt die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler, die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie den General.

Art. 175 Abs. 2­4

Art. 175 Abs. 2­7

Zusammensetzung und Wahl 2 Die Mitglieder des Bundesrates werden von der Bundesversammlung nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates gewählt.

3 Sie werden aus allen Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürgern, welche als Mitglieder des Nationalrates wählbar sind, auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

4 Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind.

1

Zusammensetzung und Wahl 2 Die Mitglieder des Bundesrates werden vom Volk in direkter Wahl nach dem Grundsatz des Majorzes gewählt. Sie werden aus allen Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürgern gewählt, die als Mitglieder des Nationalrates wählbar sind.

3 Die Gesamterneuerung des Bundesrates findet alle vier Jahre gleichzeitig mit der Wahl des Nationalrates statt. Bei einer Vakanz findet eine Ersatzwahl statt.

4 Die gesamte Schweiz bildet einen Wahlkreis. Gewählt ist im ersten Wahlgang, wer das absolute Mehr der gültigen Stimmen erreicht. Dieses berechnet sich wie folgt: Die Gesamtzahl der gültigen Kandidatenstimmen wird durch die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Bundesrates geteilt und das Ergebnis halbiert; die nächsthöhere ganze Zahl ist das absolute Mehr. Haben nicht genügend Kandidierende im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreicht, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Im zweiten Wahlgang entscheidet das einfache Mehr. Bei Stimmengleichheit wird das Los gezogen.

SR 101

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Geltende Bestimmungen der Bundesverfassung

Initiativtext 5

Mindestens zwei Mitglieder des Bundesrates müssen aus den Wahlberechtigten bestimmt werden, die in den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf oder Jura, den französischsprachigen Gebieten der Kantone Bern, Freiburg oder Wallis oder den italienischsprachigen Gebieten des Kantons Graubünden wohnhaft sind.

6 Ist nach einer Bundesratswahl die Anforderung nach Absatz 5 nicht erfüllt, so sind diejenigen in den in Absatz 5 bezeichneten Kantonen und Gebieten wohnhaften Kandidierenden gewählt, die das höchste geometrische Mittel aus den Stimmenzahlen der gesamten Schweiz einerseits und den Stimmenzahlen der genannten Kantone und Gebiete andererseits erreicht haben. Als überzählig scheiden jene Gewählten aus, welche ausserhalb der genannten Kantone und Gebiete wohnhaft sind und die tiefsten Stimmenzahlen erreicht haben.

7 Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

Art. 176 Abs. 2 Vorsitz 2 Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Bundesrates werden von der Bundesversammlung aus den Mitgliedern des Bundesrates auf die Dauer eines Jahres gewählt.

1.2

Art. 176 Abs. 2 Vorsitz 2 Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Bundesrates werden vom Bundesrat aus dem Kreis seiner Mitglieder auf die Dauer eines Jahres gewählt.

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» wurde am 12. Januar 20102 von der Bundeskanzlei vorgeprüft und am 7. Juli 2011 eingereicht.

Mit Verfügung vom 23. August 20113 hat die Bundeskanzlei festgestellt, dass die Initiative mit 108 826 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen ist.

Die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» verlangt eine Teilrevision der Bundesverfassung und hat die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis am 7. Juli 2012 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 7. Januar 2014 über die Volksinitiative zu beschliessen.

2 3 4

BBl 2010 289 BBl 2011 6585 SR 171.10

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1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV: a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Die Initiative ist deshalb als gültig zu erklären.

2

Ausgangslage

2.1

Geltendes Verfahren zur Wahl der Bundesratsmitglieder und der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten

Die sieben Mitglieder des Bundesrates werden von der Vereinigten Bundesversammlung nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates gewählt (Art. 175 Abs. 1 und 2 BV), d.h. in der ersten Wintersession des neu gewählten Nationalrats. Bei einer Vakanz (z.B. infolge vorzeitigen Rücktritts oder von Tod) erfolgt die Wahl in der Regel in der Session nach Erhalt des Rücktrittsschreibens, dem unvorhergesehenen Ausscheiden oder der Feststellung der Amtsunfähigkeit (Art. 133 ParlG). Bei einer Gesamterneuerung oder bei mehreren gleichzeitigen Vakanzen werden die Sitze einzeln und nacheinander besetzt, in der Reihenfolge des Amtsalters der bisherigen Amtsinhaberinnen oder Amtsinhaber (Art. 132 Abs. 2 ParlG).

Gewählt sind die Kandidierenden, welche das absolute Mehr erhalten haben. Dabei werden die leeren und ungültigen Wahlzettel nicht gezählt (Art. 130 Abs. 3 ParlG).

Wird das absolute Mehr im ersten Wahlgang verfehlt, finden weitere Wahlgänge statt. Bis und mit dem zweiten Wahlgang können alle wählbaren Personen gewählt werden (Art. 132 Abs. 3 erster Satz ParlG), danach sind keine weiteren Kandidaturen mehr zugelassen. Ab dem zweiten Wahlgang scheiden dabei aber Kandidierende aus, welche weniger als zehn Stimmen erhalten haben, und ab dem dritten Wahlgang scheidet aus, wer die geringste Stimmenzahl erhält, es sei denn, mehr als eine Person vereinige diese Stimmenzahl auf sich (Art. 132 Abs. 4 ParlG).

Wählbar sind grundsätzlich alle stimmberechtigten Schweizer Bürgerinnen und Bürger (Art. 175 Abs. 3 i.V. m. den Art. 143 und 136 Abs. 1 BV).

Die Bundesräte werden bei einer Erneuerungswahl für die ganze Legislaturperiode und bei der Besetzung einer Vakanz bis zum Ende der Legislaturperiode gewählt.

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Ein Amtsenthebungsverfahren gibt es nicht.5 Die Bundesversammlung kann aber, vor allem im Falle schwerer Krankheit, die Amtsunfähigkeit eines Bundesratsmitglieds feststellen und damit das bei einer Vakanz übliche Verfahren auslösen (Art. 140a ParlG). Seit dem 5. Dezember 2011 hat die Bundesversammlung die Möglichkeit, bei strafbaren Handlungen von durch die Bundesversammlung gewählten Behördemitgliedern und Magistratspersonen, die sich unmittelbar auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, auf Antrag der vorberatenden Kommissionen beider Räte über die vorläufige Einstellung im Amte zu beschliessen (Art. 14 Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 19586).

Eine Amtszeitbeschränkung für Bundesratsmitglieder gibt es nicht.

Die Wahl der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten sowie der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten erfolgt ebenfalls durch die Bundesversammlung (Art. 176 Abs. 2 BV; vgl. weitere Einzelheiten in Ziff. 4.2.14).

Bis zum 7. Februar 1999 galt bei der Wahl in den Bundesrat die Kantonsklausel, d.h.

es durfte «nicht mehr als ein Mitglied aus demselben Kanton stammen» (Art. 96 Abs. 1 zweiter Satz der Bundesverfassung vom 29. Mai 18747 [aBV]). Die Kantonszugehörigkeit wurde bis ins Jahr 1986 durch den Bürgerort definiert. Nach dem zweiten Weltkrieg fielen infolge der zunehmenden Mobilität bei Bundesratskandidaten der Kanton des Bürgerorts und der Wohnortskanton oder der Kanton der politischen Herkunft und Verwurzelung immer häufiger auseinander. Deshalb wurde ab 1986 bei der Umsetzung der Kantonsklausel der Herkunftskanton der Kandidierenden (Art. 96 Abs. 1 zweiter Satz aBV) nicht mehr durch den Kanton des Bürgerorts, sondern durch den Wohnsitzkanton der Kandidierenden definiert. Dies führte in einzelnen Fällen im Vorfeld von Bundesratswahlen zu kurzfristigen Schriftenwechseln in den Wohnort eines anderen Kantons, um die Wählbarkeit in den Bundesrat zu ermöglichen. Dies war ein wichtiger Grund für die Bestrebungen zur Abschaffung der Kantonsklausel. Sie wurde im Jahre 1999 durch den geltenden Artikel 175 Absatz 4 BV ersetzt, wonach bei der Wahl in den Bundesrat darauf Rücksicht zu nehmen ist, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».8 Damit kann heute die Bundesversammlung besser auf die Eignung der Kandidierenden achten. Die Abschaffung der
Kantonsklausel dürfte auf längere Sicht die Chancen der Kandidierenden aus den grossen Kantonen stärken und diejenigen der Kandidierenden aus den kleinen und mittelgrossen Kantonen schwächen.

Mit Ausnahme der Ersetzung der Kantonsklausel durch eine breiter angelegte verfassungsrechtliche Regelung für die Wählbarkeit in den Bundesrat sind somit die formellen Regeln für die Wahl des Bundesrates seit 1848 gleich geblieben. Geändert haben sich indessen der Kontext, die informellen Regeln und die Parteizugehörigkeit der Bundesratsmitglieder.

5

6 7 8

Auf politischen Druck bzw. auf Druck der Medien und der Öffentlichkeit sind indessen schon mehrere Bundesratsmitglieder zurückgetreten, namentlich die Bundesräte Hoffmann 1917, Pilet-Golaz 1944 und Chaudet 1966 sowie Bundesrätin Kopp 1989 (vgl. Altermatt 1991: 88­91).

SR 170.32 Bereinigte Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848­1947, Band 1: 35.

In der deutschen Version wird die Formulierung «ist Rücksicht zu nehmen» verwendet, in der französischen bzw. italienischen Version die Formulierung «doivent être représentées» bzw. «devono essere rappresentate». Die scheinbaren Unterschiede im Grad der Verbindlichkeit ergaben sich aus redaktionellen Überlegungen.

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2.2

Parteizugehörigkeit der Bundesratsmitglieder

Nach der Bundesstaatsgründung war der Bundesrat lange Zeit dominiert durch die Radikal-Liberalen, die in der Bundesversammlung die absolute Mehrheit innehatten, während die katholisch-konservative Opposition von der Macht lange ausgeschlossen war (Altermatt 1991: 6-48). Erst mit der Wahl von Josef Zemp im Jahre 1891, nach der Ablehnung einer wichtigen Vorlage (Eisenbahnrückkauf) und dem Rücktritt des zuständigen Bundesrates Welti wurden die Katholisch-Konservativen in den Bundesrat eingebunden. 1929 nahm die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) mit Rudolf Minger im Bundesrat Einsitz. Die erstarkenden Sozialdemokraten blieben von der Teilhabe an der Macht in der Regierung lange ausgeschlossen. Erst 1943 wurde mit Ernst Nobs ein Vertreter der sozialdemokratischen Partei in den Bundesrat gewählt. 1953 trat der sozialdemokratische Bundesrat Max Weber, nach Ablehnung einer Finanzvorlage, überraschend von seinem Amt zurück, und die Sozialdemokraten gingen in die Opposition. 1959 traten gleich vier Bundesräte zurück, und es begann die Periode der Zauberformel-Regierung, bestehend aus je zwei Freisinnigen (FDP), zwei Konservativ-Christlichsozialen (heute CVP), zwei Sozialdemokraten (SP) und einem Vertreter der BGB (heute SVP). Sie dauerte in dieser Zusammensetzung bis 2003. Von 2003 bis 2007 nahm die erstarkte SVP auf Kosten der CVP mit zwei Personen Einsitz. In der Legislaturperiode ab 2007, nach der Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf anstelle von Christoph Blocher, bestand die Landesregierung vorerst aus je zwei Vertreterinnen bzw. Vertretern von SP, FDP und SVP sowie einer Vertreterin der CVP. Die beiden SVP-Bundesratsmitglieder schlossen sich dann aber der neu gebildeten BDP an. Ende 2008 wurde Bundesrat Schmid (BDP) durch Bundesrat Maurer (SVP) abgelöst. Seither besteht die Landesregierung aus zwei Vertreterinnen bzw. Vertretern der SP und der FDP und je einer Vertreterin bzw. einem Vertreter der SVP, der CVP und der BDP.

Insgesamt deckte der Bundesrat in den vergangenen 163 Jahren seit der Gründung des Bundesstaates mit einer kurzjährigen Ausnahme parteipolitisch mindestens 60 Prozent und während der Hälfte der Zeit sogar rund 80 Prozent der Nationalratsmitglieder ab (Schwarz 2011: 33). Vor allem der Einbezug der Katholisch-Konservativen im Jahre 1891 und der Sozialdemokraten im Jahre 1943 und dann wieder im Jahre 1959 erhöhten den Grad der Konkordanz.

2.3

Sprachliche und geografische Herkunft der Bundesratsmitglieder

Nach der Gründung des Bundesstaates achtete die Bundesversammlung nicht nur auf die parteipolitische Zugehörigkeit der Bundesratsmitglieder, sondern auch auf weitere Kriterien. So war der erste Bundesrat zwar noch rein freisinnig-radikal, mit fünf Deutschschweizern (aus den Kantonen ZH, BE, SO, AG und SG), einem Westschweizer (Kanton VD) und einem Tessiner bezüglich der Landesgegenden doch recht ausgewogen zusammengesetzt. Nur die Innerschweiz war nicht vertreten, da die freisinnig-radikale Partei mit Ausnahme des Kantons Luzern dort nur einen geringfügigen Wähleranteil hatte. In all den Jahren hat die Bundesversammlung bei der Wahl der Bundesratsmitglieder nicht nur deren Eignung und parteipolitische Herkunft, sondern auch deren Sprache und Herkunftsregion berücksichtigt.

5665

Ein besonderes Augenmerk richtet die Bundesversammlung auf eine angemessene Vertretung der sprachlichen Minderheiten. In den 163 Jahren seit der Staatsgründung waren im Bundesrat vertreten: ­

während insgesamt 5 Jahren 1 Westschweizer und 6 Deutschschweizer;

­

während 74 Jahren 2 Westschweizer und 5 Deutschschweizer;

­

während 6 Jahren 3 Westschweizer und 4 Deutschschweizer;

­

während 36 Jahren 1 Tessiner, 1 Westschweizer und 5 Deutschschweizer;

­

und während 42 Jahren 1 Tessiner, 2 Westschweizer und 4 Deutschschweizer.

Es ist zu beachten, dass in jüngerer Zeit infolge der gestiegenen Mobilität und der zunehmenden Sprachkenntnisse einzelne Bundesratsmitglieder (Ruth Dreifuss und Joseph Deiss) nicht mehr eindeutig einer Sprachgemeinschaft zuzuordnen sind.

Was die kantonale Herkunft der Bundesratsmitglieder angeht, so war auch diese bisher recht breit. Die bevölkerungsstarken Kantone (ZH, BE, VD) waren während der meisten Zeit mit einem (und bis zur Abschaffung der Kantonsklausel 1999 mit nur einem) Mitglied im Bundesrat vertreten. Gut vertreten waren auch die Kantone Aargau, St. Gallen, Luzern, Solothurn, Neuenburg und Tessin9. Fast alle Kantone (Ausnahmen: SH, UR, SZ, NW und JU) waren mindestens einmal im Bundesrat vertreten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Herkunft der Bundesratsmitglieder bis 1986 durch den Kanton des Bürgerorts der Kandidierenden definiert war und bis 1999 durch den Kanton des Wohnsitzes (vgl. die Ausführungen zur Kantonsklausel in Ziff. 2.1).

2.4

Geschlechtszugehörigkeit der Bundesratsmitglieder

Nach Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz 1971 dauerte es fast 14 Jahre, bis am 2. Oktober 1984 mit Elisabeth Kopp die erste Frau in den Bundesrat gewählt wurde. Nach ihrem Rücktritt im Januar 1989 bestand der Bundesrat nur noch aus Männern, bis am 10. März 1993 mit Ruth Dreifuss erneut eine Frau gewählt wurde. 2000­2003 sowie 2006­2007 waren zwei Frauen Mitglieder des Bundesrats, 2008­Herbst 2010 drei und Herbst 2010­Ende 2011 gar vier Frauen.

Seit 2012 umfasst der Bundesrat drei Frauen.

9

Allerdings ist der Kanton Tessin nun schon seit gut dreizehn Jahren (1999) nicht mehr im Bundesrat vertreten.

5666

2.5

Mehrfache Kriterien für die Wahl in den Bundesrat

Zurzeit sind für die Bundesversammlung neben den zwei formellen (Sprachregion und Landesgegend10) die folgenden informellen Kriterien für die Wahl in den Bundesrat massgebend:11 ­

Der Erfahrungshintergrund (insbesondere als Mitglied der Bundesversammlung oder als Mitglied einer Kantonsregierung) sowie die persönliche Eignung für die Wahl in ein Kollegialorgan;

­

die Parteizugehörigkeit;

­

das Geschlecht.

Bei Ersatzwahlen in den Bundesrat versucht die Bundesversammlung, alle Kriterien möglichst weitgehend zu berücksichtigen. Dabei besteht zwischen den einzelnen Kriterien zum Teil ein gewisses Spannungsverhältnis. Namentlich bei einer Einzelvakanz gibt es aufgrund der erforderlichen Parteizugehörigkeit und der erforderlichen geografischen Herkunft, allenfalls auch des Geschlechts, häufig nur einen relativ beschränkten Kreis von Personen, die aufgrund ihres Erfahrungshintergrunds für das Amt des Bundesrates geeignet sind.

2.6

Bisherige Bestrebungen zur Änderung der Bundesratswahl

Das Verfahren für die Wahl des Bundesrates bildete in der Vergangenheit mehrmals Gegenstand von Volksinitiativen oder von Vorstössen in der Bundesversammlung.

Die Wahl des Bundesrates durch das Volk wurde im Vorfeld der Schaffung des schweizerischen Bundesstaates diskutiert, aber knapp abgelehnt (Revisionskommission 1847: 68). Bei der Verfassungsrevision 1872 wurde die Volkswahl im Nationalrat wiederum als Vorschlag unterbreitet, aber deutlich abgelehnt (Krebs 1968: 74).

1898 reichte der Grütliverein, eine den damaligen Sozialisten nahestehende Gruppierung12, eine eidgenössische Volksinitiative «für die Volkswahl des Bundesrates und die Vermehrung der Mitgliederzahl» ein13. Sie sah eine Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder von 7 auf 9, die Volkswahl des Bundesrates und eine Klausel für die «romanische» (= lateinische) Schweiz von mindestens zwei Mitgliedern vor.

Die Initiative wurde am 4. November 1900 mit 65 Prozent der Stimmen und von 14 Ständen abgelehnt14.

1939 reichte die Sozialdemokratische Partei eine eidgenössische Volksinitiative «über die Erhöhung der Mitgliederzahl des Bundesrates und seine Wahl durch das Volk» ein. Sie sah in ähnlicher Weise wie die vorerwähnte Initiative eine Erhöhung 10

11

12 13 14

Es ist zu beachten, dass in der französischen («communauté linguistique») und italienischen («componenti linguistiche») Version von Artikel 175 Absatz 4 BV leicht andere Begriffe als in der deutschen Version («Sprachregion») verwendet werden.

Das insbesondere während der Zeit des Kulturkampfs (die ersten Jahrzehnte nach 1848) wichtige Kriterium der Konfession hat seit längerer Zeit an Bedeutung verloren und ist kaum mehr relevant.

Der Grütliverein fusionierte 1901 mit der sozialdemokratischen Partei. 1925 wurde der Verein formell aufgelöst.

BBl 1899 IV 741 BBl 1900 IV 775

5667

der Zahl der Bundesratsmitglieder von 7 auf 9, deren Volkswahl und eine Klausel für die einzelnen Sprachgruppen (mindestens drei Mitglieder aus den Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sprechenden Teilen, mindestens fünf aus den Deutsch sprechenden Teilen der Schweiz) vor. Ferner mussten die Kandidaten von mindestens 30 000 Stimmberechtigten unterschriftlich zur Wahl vorgeschlagen werden.15 Die Initiative wurde am 25. Januar 1942 mit 67,6 Prozent der Stimmen und von allen Ständen abgelehnt.16 Knappe zwei Jahre später, nämlich am 15. Dezember 1943, und nach dem Zusammenrücken der Parteien im Zweiten Weltkrieg wurde mit Ernst Nobs der erste Sozialdemokrat in den Bundesrat gewählt und damit ein Teil der impliziten Anliegen der Volksinitiative erfüllt.

Es fällt auf, dass die beiden erwähnten Volksinitiativen wie auch die vorliegende Volksinitiative von Gruppierungen bzw. Parteien lanciert wurden, welche zum Zeitpunkt der Lancierung der Initiative im Bundesrat nicht (eidg. Volksinitiative des Grütlivereins 1898 und der Sozialdemokratischen Partei 1939) oder im Vergleich zu ihrer Stärke nur unzureichend (vorliegende Initiative der SVP) vertreten waren bzw.

sind. Die Bestrebungen zu einem Systemwechsel bei der Bundesratswahl waren und sind jeweils verbunden mit Bestrebungen zu einer besseren Vertretung im Bundesrat. Es handelt sich aber um zwei verschiedene Aspekte: Eine Volkswahl des Bundesrates kann einer Gruppierung oder Partei zwar kurzfristig Vorteile verschaffen, längerfristig für die Schweiz aber unvorteilhaft sein oder umgekehrt (vgl. die Analyse der Auswirkungen in Ziff. 4.2).

In den letzten 20 Jahren wurden in der Bundesversammlung drei parlamentarische Initiativen für die Volkswahl des Bundesrates eingereicht, denen aber nicht Folge gegeben wurde.17 Auch zwei Petitionen zugunsten der Volkswahl des Bundesrates wurde keine Folge gegeben.18 Andere parlamentarische Vorstösse und parlamentarische Initiativen betrafen in den letzten Jahrzehnten folgende weiteren Aspekte der Wahl und Amtsdauer des Bundesrates: ­

15 16 17

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19

20

Verschiedene Vorstösse verlangten, dass bei einer Gesamterneuerungswahl und bei mehreren gleichzeitigen Vakanzen das Verfahren der nacheinander erfolgenden Einzelwahlen von Bundesratsmitgliedern (aktuelles Verfahren) durch eine parallele Einzelwahl ersetzt werden sollte.19 Verlangt wurde ferner, dass für den Bundesrat «nur Personen kandidieren können, welche wählbar sind, einer Kandidatur zugestimmt haben und von mindestens zehn Mitgliedern der Bundesversammlung unterstützt werden».20 Diese Vorstösse

BBl 1940 I 604 BBl 1942 I 89 93.412 Pa. Iv. Leni Robert «Volkswahl der Bundesräte und Bundesrätinnen»; 93.418 Pa.

Iv. Hämmerle «Wahl des Bundesrates durch das Volk»; 08.453 Pa. Iv. Zisyadis «Volkswahl des Bundesrates» 09.2009 Petition Fischer Eugen «Wahl des Bundesrates durch das Volk», s. auch den entsprechenden Bericht der Staatspolitischen Kommission vom 20. August 2009; 10.2024 Petition Tang Martin «Wahl des Bundesrates durch das Volk»; s. Staatspolitische Kommission 2010.

87.953 M Kühne.«Wahl der bisherigen Bundesräte. Änderung des Wahlreglements»; 95.3140 M Weyeneth. «Änderung des Verfahrens bei Bundesratswahlen»; 04.3608 M Weyeneth «Änderung des Verfahrens bei Bundesratswahlen»; 04.464 Pa.Iv. Fraktion der Schweizerischen Volkspartei «Listenwahl für Bundesräte» 93.414 Pa. Iv. Guinand «Änderung des Wahlverfahrens für Bundesräte»

5668

wurden abgelehnt beziehungsweise den entsprechenden parlamentarischen Initiativen wurde keine Folge gegeben.

21

22 23 24

­

Listenwahl des Bundesrates: Die Mitglieder der Bundesversammlung sollten zwischen mehreren unveränderbaren Listen entscheiden können.21 Die Befürworter dieser Änderung erhoffen sich eine grössere Kohärenz innerhalb des Bundesrates und eine Verstärkung des Kollegialprinzips. Die entsprechenden Vorstösse sind in der Bundesversammlung aber bisher jeweils abgelehnt worden. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass die entsprechenden parlamentarischen Initiativen das Wahlrecht des einzelnen Parlamentsmitglieds beträchtlich einschränken würden und dass ein solches Wahlverfahren zu einem parlamentarischen Konkurrenzsystem führen könnte, das mit den parlamentarischen Entscheidverfahren und den Volksrechten in Konflikt geraten könnte (Medienmitteilung SPK-N vom 18.08.2006).

­

Abberufung amtierender Bundesratsmitglieder: Wie in Ziffer 2.1 ausgeführt, sind die Bundesratsmitglieder heute grundsätzlich bis zum Ende der Legislaturperiode gewählt. Bei der Beratung der neuen Bundesverfassung wurde ein Abberufungsverfahren durch die Bundesversammlung vorgeschlagen: Drei Viertel der Mitglieder der Bundesversammlung sollten ein Abberufungsverfahren auslösen können. Dieser Antrag fand in den beiden Räten aber keine Mehrheit. Ein Abberufungsrecht des Volkes wurde mit einer parlamentarischen Initiative eingebracht22: 50 000 stimmberechtigte Schweizer Bürgerinnen und Bürger sollten eine Abstimmung über die Abberufung eines oder mehrerer amtierender Bundesratsmitglieder verlangen können. Begründet wurde die parlamentarische Initiative damit, dass es keine Möglichkeit gebe, «die Frage der Abberufung eines amtierenden Bundesrates der Urnenabstimmung zu unterstellen, wenn weite Teile der Öffentlichkeit den Eindruck haben, dass ein oder mehrere Bundesräte in einem wichtigen Bereich das Landesinteresse nicht oder zu wenig beachten und wahren». Der parlamentarischen Initiative wurde am 20. Dezember 1999 vom Nationalrat keine Folge gegeben. Die vorberatende Kommission befürchtete eine Destabilisierung des politischen Systems und häufige personalisierte landesweite Abberufungskampagnen. Das Parlament würde geschwächt. Das vorgeschlagene Referendumsrecht würde insbesondere finanzkräftige Gruppen aus den Wirtschafts- und Finanzzentren der Deutschschweiz stärken, die sich derartige Kampagnen leisten und damit die demokratisch legitimierten Behörden erpressen könnten, ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen.23

­

Rücktritt von Mitgliedern des Bundesrates während der Legislaturperiode nur noch in Ausnahmefällen möglich: Mit einer Motion24 sollte der Bundesrat beauftragt werden, im Rahmen der Staatsleitungsreform Vorschläge zu unterbreiten, damit der Rücktritt seiner Mitglieder während der Legislatur09.525 Pa. Iv. Hiltpold «Eine Regierung, die regiert. Bundesratswahl mit unveränderbaren Listen»; 10.412 Pa. Iv. Grüne Fraktion «Listenwahl des Bundesrates»; 05.444 Pa. Iv.

Markwalder «Für mehr Zusammenhalt und Kohärenz im Bundesrat» 98.438 Pa. Iv. Schlüer «Abberufung von amtierenden Bundesräten» 98.438 Pa. Iv. Schlüer «Abberufung von amtierenden Bundesräten» (SPK-NR). Bericht der Staatspolitischen Kommission vom 11.11.1999 10.3135 M Cramer «Kein Rücktritt von Mitgliedern des Bundesrates während der Legislaturperiode»

5669

periode die Ausnahme und nicht die Regel sei. Der Ständerat stimmte der Motion am 10. Juni 2010 zu; der Nationalrat lehnte sie am 17. Dezember 2010 hingegen mit folgenden Argumenten ab: Die Bundesratsmitglieder sollten den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Bundesrat weiterhin selber bestimmen. Ein Zwang zum Weitermachen eines rücktrittwilligen Bundesratsmitglieds wäre kontraproduktiv. Eine weitere Motion mit identischem Anliegen wurde am 17. Dezember 2010 zurückgezogen.25 ­

Beschränkung der Amtszeit von Bundesrätinnen und Bundesräten: Mit einer Motion wurde vorgeschlagen, dass ein Bundesratsmitglied höchstens zwei volle Legislaturperioden im Amt sein dürfe.26 Die Motion wurde am 23. Dezember 2011 vom Nationalrat abgeschrieben, weil sie seit mehr als zwei Jahren hängig war.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Mit der Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» möchte das der Schweizerischen Volkspartei (SVP) nahestehende Initiativkomitee die direkte Demokratie fördern.27 Die Demokratie gehe davon aus, dass «die Souveränität beim Volk liegt».

Mit der Volkswahl des Bundesrates möchte das Initiativkomitee eine «Lücke im direktdemokratischen System der Schweiz» schliessen.

Gleichzeitig möchte das Initiativkomitee (2010: 2) die Gewaltenteilung stärken, indem die Exekutive besser von der Legislative getrennt wird. Der Bundesrat soll künftig dem Volk verpflichtet sein und nicht mehr dem Parlament. Das Parlament besitze gegenüber dem Bundesrat eine privilegierte Rechtsstellung, was dem Gedanken der Gewaltenteilung widerspreche. Die Volkswahl bedeute eine bessere Kontrolle der Macht. Damit werde ein wichtiger Kontrapunkt zur ständigen Machterweiterung von Regierung und Verwaltung gesetzt, welche in der Politik immer wieder beklagt werde.

Das Initiativkomitee erhofft sich dadurch auch transparente und faire Regeln für die Bundesratswahlen. In einer Volkswahl hätten auch profilierte Politikerinnen und Politiker oder Quereinsteiger aus der Wirtschaft höhere Chancen. Das Volk habe die Fähigkeit, in schwierigsten Sachfragen rechtsverbindlich zu entscheiden, und sei deshalb ohne Weiteres auch in der Lage, sieben Bundesräte zu wählen. Durch den Ausbau der Medienlandschaft (Presse, Fernsehen, Radio, Internet) habe sich das Wissen in den letzten Jahrzehnten demokratisiert. Wegen der zunehmenden Medienpräsenz könne das Volk Persönlichkeit und Leistungen der Bundesräte ähnlich gut beurteilen wie die Parlamentarier. Das Initiativkomitee tritt aufgrund der Erfahrungen in den Kantonen dem Argument entgegen, eine Volkswahl des Bundesrates würde zu einer «Amerikanisierung» des Wahlkampfs führen. Nicht Multimillionäre, Populisten oder Demagogen würden in den Bundesrat gewählt, sondern ganz normale Frauen und Männer, von denen sich das Volk glaubwürdig vertreten finde. Das Initiativkomitee glaubt, dass die Volkswahl des Bundesrates die Schweizer Politik 25 26 27

09.3829 M Hodgers «Besser vorhersehbare Rücktritte der Bundesratsmitglieder» 09.4323 M Leutenegger Filippo «Amtszeitbeschränkung für Bundesräte» Die in diesem Kapitel aufgeführten Ziele werden so weit als möglich wörtlich aus dem Argumentarium bzw. den Erläuterungen des Initiativkomitees (2010) wiedergegeben.

5670

beleben und damit der zunehmenden Wahlabstinenz und dem politischen Desinteresse entgegenwirken würde.

Das Initiativkomitee weist darauf hin, dass mit der Initiative die angemessene Vertretung der sprachlichen Minderheiten garantiert sei: Mindestens zwei Vertreterinnen oder Vertreter der französisch- oder der italienischsprachigen Schweiz müssten dem Bundesrat angehören. Die Volkswahl des Bundesrates schütze die sprachlichen Minderheiten sogar besser, als dies heute der Fall sei.

Das Initiativkomitee glaubt nicht, dass die Volkswahl des Bundesrates die kleinen, bevölkerungsschwachen Kantone benachteiligen und die Kandidatinnen und Kandidaten aus den Ballungszentren bevorzugen würde. Im Gegenteil würde bei einer Volkswahl des Bundesrates der gewohnheitsrechtliche Anspruch der grossen Kantone dahinfallen.

Schliesslich geht das Initiativkomitee mit Blick auf die Erfahrungen der Kantone davon aus, die Volkswahl garantiere mehr Stabilität und Kontinuität. Es verweist insbesondere auf die Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher, was zeige, dass das parlamentarische Wahlverfahren an seine Grenzen stosse. Das Initiativkomitee ist mit Blick auf die Erfahrungen in den Kantonen überzeugt, dass das Kollegialprinzip und die Zusammenarbeit von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener politischer Parteien nicht gefährdet würden.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Das Initiativkomitee unterbreitet die Änderung von vier Artikeln der Bundesverfassung. Damit werden die folgenden vier Eckpunkte anvisiert28: 1.

Die sieben Bundesratsmitglieder sollen nicht mehr durch die Bundesversammlung, sondern durch das Volk gewählt werden, und zwar parallel zur Erneuerung des Nationalrates. Die Volkswahl gilt auch bei der Besetzung von Vakanzen im Rahmen von Ersatzwahlen.

2.

Die Bundesratsmitglieder sollen nach dem Majorzverfahren gewählt werden.

Vorgesehen sind ein erster Wahlgang, in welchem das absolute Mehr gilt, und ein zweiter Wahlgang, in welchem das einfache Mehr gilt.

3.

Für die französischsprachige und die italienischsprachige Minderheit (= lateinische Schweiz) sind zwei Bundesratssitze garantiert (Näheres dazu s. Ziff. 3.3.6).

4.

Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident sollen nicht mehr von der Bundesversammlung (wie heute) und auch nicht vom Volk (wie der Bundesrat gemäss Initiativtext), sondern vom Bundesrat gewählt werden.

Das Initiativkomitee verzichtet auf eine Wahl der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers durch das Volk und belässt diese Aufgabe (wie auch die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie des Generals) weiterhin der Bundesversammlung.

28

Vgl. Initiativkomitee (2010: 4)

5671

3.3

Die einzelnen Bestimmungen des Initiativtextes

3.3.1

Artikel 136 Absatz 2

Artikel 136 BV «Politische Rechte» legt in Absatz 1 den Kreis der Personen fest, welche die politischen Rechte ausüben. Die Bestimmung bleibt unverändert.

In Absatz 2 werden die geltenden Volksrechte (Teilnahme an den Nationalratswahlen und an den Abstimmungen, Ergreifen und Unterzeichnen von Volksinitiativen und Referenden) aufgeführt. Mit der vorliegenden Änderung der Bestimmung gemäss Initiativtext wird den erwähnten politischen Rechten die Teilnahme an den Bundesratswahlen vorangestellt.

3.3.2

Artikel 168 Absatz 1

Der geltende Artikel 168 BV «Wahlen» listet die von der Bundesversammlung zu wählenden Personen (Mitglieder des Bundesrates, Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler, Richterinnen und Richter des Bundesgerichts, General) auf. Mit der Volkswahl des Bundesrates entfällt die Wahl der Mitglieder des Bundesrates. Der entsprechende Satzteil wird somit gestrichen.

3.3.3

Artikel 175 Absatz 2

Artikel 175 BV befasst sich mit der «Zusammensetzung und Wahl» des Bundesrates. Absatz 1, der unverändert bleibt, legt fest, dass der Bundesrat aus sieben Mitgliedern besteht. Absatz 2 des Initiativtexts ersetzt den geltenden Absatz 2, der die Wahl der Mitglieder des Bundesrates durch die «Bundesversammlung nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates» vorsieht. Der Zeitpunkt der Wahl des Bundesrates wird nach dem Initiativtext nun in Artikel 175 Absatz 3 bestimmt (vgl.

Ziff. 3.3.4).

Der erste Satz von Absatz 2 gemäss Initiativtext verankert die direkte Wahl des Bundesrates durch das Volk und sieht hierfür das Majorzverfahren vor. Im Gegensatz zum Proporzverfahren wird beim Majorzverfahren nicht nach Parteistimmen ausgezählt, sondern nur pro Kandididatin oder Kandidat. Das Majorzverfahren wird in Absatz 4 konkretisiert (vgl. Ziff. 3.3.5).

Der zweite Satz von Absatz 2 gemäss Initiativtext präzisiert die Wählbarkeitskriterien für den Bundesrat, die in der geltenden Verfassung in Artikel 175 Absatz 3 BV umschrieben sind. Die entsprechenden Voraussetzungen werden unverändert übernommen. Wählbar sind somit auch in Zukunft alle stimmberechtigten Schweizer Bürgerinnen und Bürger (Art. 175 Abs. 2 Initiativtext i.V. m. den Art. 143 und 136 Abs. 1 BV).

3.3.4

Artikel 175 Absatz 3

Heute wird der Bundesrat «von der Bundesversammlung nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates gewählt» (Art. 175 Abs. 2 BV). Nach Artikel 175 Absatz 3 gemäss Initiativtext findet die Gesamterneuerung des Bundesrates «gleichzeitig mit 5672

der Wahl des Nationalrates statt». Der je vierjährige Wahlzyklus für den Bundesrat und für den Nationalrat würden somit identisch.

Der zweite Satz von Absatz 3 gemäss Initiativtext regelt das Verfahren bei der Besetzung von Vakanzen. Diese Frage wird heute nicht auf Verfassungsstufe, sondern in Artikel 133 ParlG geregelt. Da mit der vorliegenden Verfassungsinitiative ein neues Volksrecht geschaffen werden soll, ist diese Ergänzung der Bundesverfassung zweckmässig.

Die vorgeschlagene Bestimmung äussert sich nicht zur Frage einer stillen Wahl.

Gerade bei Ersatzwahlen wäre es an sich möglich ­ angesichts der starken Parteienkonkurrenz auf Bundesebene allerdings wenig wahrscheinlich ­, dass von den Parteien nicht mehr Kandidierende angemeldet würden, als es Bundesratssitze wiederzubesetzen gäbe. Die vorgeschlagene Bestimmung schliesst eine stille Wahl nicht aus. Die Voraussetzungen müssten aber im Ausführungsgesetz (vgl. Ziff. 3.3.7) näher umschrieben werden.

3.3.5

Artikel 175 Absatz 4

Die Bestimmung legt das Wahlverfahren grundsätzlich fest. Insbesondere konkretisiert es den «Grundsatz des Majorzes» (Art. 175 Abs. 2 Initiativtext).

Die Schweiz bildet einen Wahlkreis. Mit anderen Worten wird darauf verzichtet, mehrere Wahlkreise zu schaffen.29 Erst beim Nichterreichen der Quote für die französisch- und italienischsprachige Schweiz wird ein zweiter innerer Wahlkreis nach Artikel 175 Absätze 5 und 6 Initiativtext gebildet (vgl. nachfolgend Ziff. 3.3.6).

Für die Bundesratswahl werden zwei Wahlgänge vorgesehen. Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer das absolute Mehr der gültigen Stimmen erreicht. Die leeren oder ungültigen Stimmen werden gemäss Initiativtext somit nicht in die Berechnung des absoluten Mehrs einbezogen. Damit werden für das Erreichen des absoluten Mehrs relativ bescheidene Hürden aufgestellt.30 Im allfälligen zweiten Wahlgang entscheidet das einfache Mehr: Gewählt sind somit diejenigen Personen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, bis die Zahl von sieben Bundesratsmitgliedern erreicht ist.

Das vorgesehene Verfahren zur Wahl des Bundesrates ist weitgehend identisch mit den kantonalen Bestimmungen zur Wahl der Regierungsmitglieder. Zwischen den Kantonen gibt es Unterschiede namentlich betreffend die Berücksichtigung der ungültigen Stimmen bei der Berechnung des absoluten Mehrs und betreffend die Voraussetzungen für die Teilnahme am zweiten Wahlgang.

29 30

Krebs (1968: 164 ff.) hatte in seiner Dissertation für die Volkswahl des Bundesrates sieben separate Wahlkreise vorgeschlagen.

Höhere Hürden bestehen namentlich in denjenigen Kantonen, in denen bei der Berechnung des absoluten Mehrs auch die leeren Zeilen gültiger Wahlzettel berücksichtigt werden (vgl. Vatter, Milic und Bucher 2012: 11­15).

5673

3.3.6

Artikel 175 Absätze 5 und 6

Die beiden Bestimmungen befassen sich mit dem Schutz des französischen und des italienischen Sprachgebiets bei Bundesratswahlen. Sie wollen sicherstellen, dass: a.

mindestens zwei Bundesratsmitglieder aus den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf und Jura, den französischsprachigen Gebieten der Kantone Bern, Freiburg und Wallis sowie den italienischsprachigen Gebieten des Kantons Graubünden (= lateinische Schweiz)31 stammen (Art. 175 Abs. 5 Initiativtext) und dass

b.

die aus der lateinischen Schweiz stammenden Wahlberechtigten bei der Wahl dieser Bundesratsmitglieder einen überproportionalen Einfluss haben (Art. 176 Abs. 6 erster Satz Initiativtext), sofern nicht das ordentliche Wahlverfahren (Art. 174 Abs. 4 Initiativtext) ein ausreichendes Ergebnis gebracht hat.

Mit Artikel 175 Absatz 5 wird somit ein Rettungsnetz für das lateinische Sprachgebiet aufgespannt, und in Artikel 175 Absatz 6 Initiativtext wird präzisiert, wie vorzugehen ist, wenn das Rettungsnetz zum Tragen kommt. Die letztgenannte Bestimmung schafft für diesen Fall einen zweiten inneren Wahlkreis für das lateinische Sprachgebiet, und die Stimmen der Kandidierenden aus der lateinischen Schweiz werden nach einem speziellen Verfahren ausgezählt.

Kriterium für die Herkunft der «lateinischen» Bundesratsmitglieder ist nach dem Initiativtext der Wohnsitz der Wahlberechtigten bzw. der zu wählenden Bundesratsmitglieder. Dabei enthält der Initiativtext keine Präzisierung über den Stichtag, welcher für die Bestimmung des Wohnsitzes zu gelten hat.

Was die geografische Herkunft der Stimmenden («Stimmenzahlen der gesamten Schweiz»; «Stimmenzahlen der genannten Kantone und Gebiete»: Art. 175 Abs. 6 erster Satz Initiativtext) angeht, so geht der Initiativtext implizit wohl ebenfalls vom Wohnsitz der Stimmberechtigten zum Zeitpunkt der Bundesratswahl aus.

Die Initiative konkretisiert das Ziel des Schutzes der lateinischen Sprachregion somit über den Wohnsitz der Kandidierenden und der Stimmberechtigten.

In der Schweiz gibt es bei Regierungsratswahlen in zwei Kantonen besondere Lösungen für den Schutz sprachlicher Minderheiten, nämlich in den Kantonen Wallis32 und Bern. Nach eigenem Bekunden wollte das Initiativkomitee (2010: 4) mit den vorliegenden Bestimmungen die für die Regierungsratswahlen im Kanton Bern in den Artikeln 84 und 85 der Kantonsverfassung vom 6. Juni 199333 geltenden Regeln auf die Bundesebene übertragen. Die Berner Verfassung garantiert dem Berner Jura, der aus den drei Amtsbezirken Courtelary, Moutier und La Neuveville besteht, im siebenköpfigen Berner Regierungsrat einen Sitz; die Stimmberechtigten 31

32

33

Als Kurzform für die erwähnten Gebiete wird in der Folge «lateinische Schweiz» verwendet. Allerdings sind die rätoromanischsprachigen Gebiete des Kantons Graubünden nicht in den Geltungsbereich von Artikel 175 Absatz 5 Initiativtext einbezogen.

Im Kanton Wallis gibt es drei Wahlkreise, aus denen je ein Regierungsratsmitglied zu wählen ist, die übrigen zwei Regierungsmitglieder werden aus Kandidierenden des ganzen Kantons ernannt, wobei aber insgesamt nicht mehr als ein zusätzlicher Staatsrat aus den Wählern eines der drei Bezirke ernannt werden darf (Art. 52 Abs. 2 und 3 der Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907; SR 131.232). Damit wird eine breite geografische und damit auch sprachliche Herkunft der Staatsratsmitglieder sichergestellt.

SR 131.212

5674

aus dem Berner Jura haben bei der Bestimmung «ihres» Regierungsrates einen überproportionalen Einfluss. Dies wird dadurch erreicht, dass für die Kandidatinnen und Kandidaten, die im Berner Jura wohnhaft sind, die Stimmen aus dem ganzen Kanton nicht einfach zusammengezählt, sondern für den Gesamtkanton und den Berner Jura je getrennt ermittelt werden; anschliessend wird aus den Teilsummen das geometrische Mittel34 gebildet; die Person mit dem höchsten Wert ist gewählt.

Beim geometrischen Mittel wird die kleinere Teilmenge stärker gewichtet als beim blossen Zusammenzählen der Stimmen. Mit der gewählten Lösung wollte man vermeiden, dass die deutschsprachigen Gebiete des Kantons Bern massgeblich über die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Berner Jura entscheiden.

Dies ist in den vergangenen Jahren weitgehend gelungen, und die Lösung hat sich im Kanton Bern bewährt. Es ist aber zu beachten, dass bei der Übertragung der bernischen Lösung auf den Bund verschiedene Gegebenheiten anders sind bzw.

leicht andere Lösungen vorgesehen sind: ­

Im Kanton Bern gibt es eine Sprachminderheit, die französische, in der Schweiz drei Sprachminderheiten, nämlich die französische, die italienische und die rätoromanische.

­

In der Berner Kantonsverfassung wird der Geltungsbereich des Minderheitenschutzes geografisch (Gebiet der drei Amtsbezirke des Berner Jura) umschrieben; die zweisprachige Stadt Biel fällt nicht unter den Geltungsbereich. Bei der vorliegenden Initiative wird in den gemischtsprachigen Kantonen der Geltungsbereich des Minderheitenschutzes mit sprachlichen Kriterien definiert.

­

Bei der vorliegenden Initiative entfällt, anders als bei der Lösung des Kantons Bern, eine Berechnung nach dem geometrischen Mittel, wenn zwei Personen aus der lateinischen Schweiz bereits aufgrund des ordentlichen Verfahrens gewählt werden.

Aufgrund der Bestimmungen von Artikel 175 Absätze 4­6 gemäss Initiativtext würde folgendes Verfahren in Bezug auf die lateinische Schweiz gelten:

34 35

a.

Im ersten und im zweiten Wahlgang würden vorerst die Stimmen der Kandidierenden zusammengezählt, auch die Stimmen der Kandidierenden aus der lateinischen Schweiz (Art. 175 Abs. 4). Es gälte das absolute (erster Wahlgang) oder das einfache Mehr (zweiter Wahlgang).

b.

Wären nach dem ersten oder zweiten Wahlgang nach dem aufgezeigten Verfahren nicht mindestens zwei Personen aus der lateinischen Schweiz gewählt, so gehen wir davon aus35, dass zum Auffüllen der Lücke die Stimmen der bisher noch nicht gewählten Kandidierenden aus der lateinischen

Das geometrische Mittel der n Zahlen ist gegeben durch die n-te Wurzel des Produkts der n Zahlen.

In Artikel 175 des Initiativtexts ist nicht völlig klar, in welchem Verhältnis Absatz 4 (Erfordernis eines zweiten Wahlgangs) und Absatz 6 (Wahl der lateinischen Kandidatinnen und Kandidaten aufgrund der Quotenregelung) zu einander stehen. Die vorliegende Interpretation hat eine möglichst wenig aufwendige Lösung zur Folge. Denkbar ist allerdings auch eine Interpretation von Artikel 175 Absatz 4 des Initiativtexts, wonach ein zweiter Wahlgang stattzufinden hat, wenn im ersten Wahlgang nicht alle erforderlichen Kandidatinnen und Kandidaten (somit namentlich zwei Personen aus der lateinischen Schweiz) das absolute Mehr erreichen. Höchstwahrscheinlich wird für den Fall der Annahme der Initiative der Gesetzgeber über diese und weitere Fragen, die im Initiativtext nicht eindeutig geregelt werden, befinden müssen.

5675

Schweiz neu berechnet werden, nämlich nach dem geometrischen Mittel der je addierten Stimmenzahlen der gesamten Schweiz einerseits und der lateinischen Schweiz andererseits. Wie weiter oben erwähnt, bewirkt diese Berechnungsweise, dass die Wählenden aus der lateinischen Schweiz mehr zur Bestimmung der Kandidatinnen und Kandidaten aus der lateinischen Schweiz zu sagen haben als die Wählenden der Gesamtschweiz. Sie verhindert aber auch, dass nur die Wählenden aus der lateinischen Schweiz bestimmen können, wer sie im Bundesrat vertritt; die kandidierenden Personen müssen in der gesamten Schweiz eine gewisse Verankerung haben. Die Personen aus der lateinischen Schweiz mit den höchsten Werten nach dem aufgezeigten Verfahren wären gewählt.

c.

Überzählige Kandidierende aus der Deutschschweiz und aus der rätoromanischsprachigen Schweiz würden ausscheiden.

3.3.7

Artikel 175 Absatz 7

Der Initiativtext geht von der Voraussetzung aus, dass die vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen konkretisierungsbedürftig und dass die entsprechenden Einzelheiten in einem Gesetz zu regeln sind.

Regelungsbedürftig wären namentlich folgende Punkte: ­

die Berechtigung für die Anmeldung der Kandidaturen, die Anmeldefristen, die Unterzeichnungsquoren

­

der zweite Wahlgang (Rückzugsmöglichkeiten, ggf. Auswechseln von Kandidaturen, Fristen usw.)

­

evtl. die Ersatzwahlen

­

die Voraussetzungen für eine allfällige stille Wahl

­

das Beschwerdeverfahren

­

die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete

Zu den ersten fünf Punkten gibt es im kantonalen Recht (Regierungsratswahlen) und im Bundesgesetz vom 17. Dezember 197636 über die politischen Rechte bereits Bestimmungen, die Ansätze für Regelungen zum Verfahren der Bundesratswahlen enthalten. Mit Bestimmungen zum sechsten Punkt (französischsprachige Gebiete der Kantone Bern, Freiburg und Wallis und italienischsprachige Gebiete des Kantons Graubünden nach Art. 175 Abs. 5 und 6 Initiativtext) würde hingegen Neuland betreten. Die Festlegung der französisch- und der italienischsprachigen Gebiete würde dadurch erschwert, dass in den gemischtsprachigen Kantonen die Sprachgebiete zum Teil nicht messerscharf getrennt sind. Neben den sprachlich homogenen Gemeinden gibt es auch gemischtsprachige Gemeinden. Vermutlich müsste der Bund im Ausführungsgesetz die Festlegung der französisch- und der italienischsprachigen Gebiete an die Kantone Bern, Freiburg, Graubünden und Wallis delegieren.

Diese Kantone könnten sich bei der Festlegung des französischen und des italienischen Sprachgebiets auf ihre Gesetzgebung über die Amtssprachen abstützen. Einzelne dieser Kantone (BE, FR, GR) kennen dabei für Verwaltungsregionen, Verwal36

SR 161.1

5676

tungskreise, Bezirke, Kreise oder Gemeinden zwei Amtssprachen. In diesen Verwaltungseinheiten müssten die Wahlzettel der deutsch- und der rätoromanischsprachigen Personen einerseits und der französisch- und der italienischsprachigen Personen andererseits farblich unterschiedlich gekennzeichnet werden, falls man verhindern möchte, dass die Stimmen der Deutsch- und der Rätoromanischsprachigen in die Berechnung mit Hilfe des geometrischen Mittels (vgl. Ziff. 3.3.6) einbezogen würden. Diese Vorkehren würden es ermöglichen, die französisch- und die italienischsprachigen Stimmen separat auszuzählen, falls die Quotenregelung in Anspruch genommen werden müsste.

3.3.8

Artikel 176 Absatz 2

Während heute die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Bundesrates von der Bundesversammlung gewählt werden, würde nach Artikel 176 Absatz 2 Initiativtext der Bundesrat selbst zum Wahlorgan. Die übrigen Vorgaben für das Bundespräsidium ­ Wahl für ein Jahr und Ausschluss der Wiederwahl im folgenden Jahr (Art. 176 Abs. 3 BV) ­ würden weiterhin gelten. Es ist zu erwähnen, dass die Amtsdauer der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten und der Vizepräsidentin bzw. des Vizepräsidenten in der Bundesversammlung zurzeit in Diskussion ist.37

4

Würdigung der Initiative

4.1

Anliegen der Initiative

Im Fall einer Annahme der Initiative würde die Wahl des Bundesrates nicht mehr durch die Bundesversammlung, sondern durch das Volk erfolgen. Zu den bestehenden (aktiven) politischen Rechten (Beteiligung an Nationalratswahlen und Abstimmungen des Bundes, Ergreifen und Unterzeichnen von Volksinitiativen und Referenden) käme ein weiteres Recht: die Wahl des Bundesrates.

Hauptanliegen der vorliegenden Volksinitiative (vgl. Ziff. 3.1) ist die Demokratie.

Der Bundesrat soll nach dem Willen des Initiativkomitees nicht mehr durch ein demokratisch gewähltes Organ (die Vereinigte Bundesversammlung), sondern in direkter Wahl vom Volk gewählt werden. Er gewänne anstelle der heutigen mittelbaren demokratischen Legitimation38 eine unmittelbare demokratische Legitimation.

Die Initiantinnen und Initianten sehen in der Initiative eine Vervollständigung der «direkten Demokratie auf Bundesebene». Sie gehen in ihrem Argumentarium stark auf die direktdemokratische Tradition der Schweiz ein.

Allerdings geht es bei der vorliegenden Volksinitiative nicht um eine Stärkung der direkten Demokratie. Letzteres bedeutet nämlich gemeinhin die Beteiligung der Stimmberechtigten an Abstimmungen über konkrete Sachfragen (mittels der Volksinitiative sowie des obligatorischen und des fakultativen Referendums). Bei der vorliegenden Volksinitiative geht es aber um die Bestimmung eines Organs, das die 37 38

Vgl. Zusatzbotschaft des Bundesrates vom 13. Oktober 2010 zur Regierungsreform, BBl 2010 7811, Ziff. 2.1.1 und 2.2.1 Eichenberger (1996: Rz. 1) nannte dies «Volksrepräsentation der zweiten Stufe».

5677

Bevölkerung verkörpert bzw. repräsentiert. Unbestritten ist aber, dass die Wahl des Bundesrates direkt durch das Volk dessen politische Rechte erweitert.

Wie in Ziffer 2.6 ausgeführt, wurde bei der Schaffung unseres Bundesstaates und später im Rahmen von zwei Volksinitiativen das Anliegen einer direkten Wahl des Bundesrates durch das Volk eingehend geprüft, aber jedes Mal verworfen. Die Ablehnung erfolgte nicht aufgrund einer generellen Abneigung gegenüber einer Direktwahl des Bundesrates, sondern mit Blick auf weitere Werte, die durch die entsprechenden Vorlagen tangiert wurden. Das Demokratieprinzip gilt nämlich nicht unbeschränkt. Andere Werte wie der Zusammenhalt innerhalb unseres mehrsprachigen Landes, die Stabilität unserer Institutionen, der Schutz vor einer übergrossen Machtfülle einzelner Gewalten, die Erhaltung des föderalistischen Gleichgewichts oder die Vermeidung eines unnötigen finanziellen Aufwands sind ebenfalls in die Überlegungen einzubeziehen.

Es sind vor allem diese Querbezüge zu den erwähnten anderen Werten oder Anliegen, welche dafür massgebend sind, dass Schweizer Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler sowie Politologinnen und Politologen von wenigen Ausnahmen abgesehen39 vor allem die problematischen Seiten der vorliegenden Initiative in den Vordergrund rücken und unerwünschte Auswirkungen befürchten. Auch wenn der Bundesrat nicht alle Einschätzungen aus der Wissenschaft teilt, gilt es doch zu berücksichtigen, dass im Falle einer Annahme der Initiative nicht bloss ein neues Wahlverfahren für den Bundesrat eingeführt würde, sondern dass dies mittelbar tiefergreifende Änderungen des politischen Systems mit Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen mit sich brächte.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

4.2.1

Ein neues System für die Wahl des Bundesrates

Bei einer Annahme der Initiative würde der Bundesrat nicht mehr durch die Bundesversammlung, sondern durch das Volk gewählt, und zwar nach dem Majorzverfahren. In einem ersten Wahlgang gälte das absolute Mehr, im zweiten Wahlgang das einfache Mehr. Für die lateinische Schweiz wären im Bundesrat zwei Sitze reserviert.

39

Auer (2011: 408) erscheint «die Wahl durch das Parlament als ein bedauernswerter und systemwidriger schwarzer Flecken am schweizerischen Demokratiegewand». Er legt eine breit angelegte Reformskizze vor mit folgenden Elementen: a) einem auf drei Personen verkleinerten Bundesrat und neun bis zwölf ihm unterstellten Staatssekretärinnen und sekretären, welche für das operative Geschäft zuständig sind; b) einer Volkswahl des dreiköpfigen Bundesrats; c) einer Wahl der Staatssekretärinnen und -sekretäre durch den Bundesrat und deren individuelle Bestätigung durch die Bundesversammlung; d) einer Amtszeitbeschänkung der Bundesratsmitglieder auf acht und der Staatssekretärinnen und -sekretäre auf zehn Jahre (Auer 2011: 409­416).

5678

4.2.2

Rechtsvergleichende Aspekte des vorgeschlagenen Systems

In rechtsvergleichender Hinsicht bietet sich zur Ermittlung möglicher Auswirkungen der Blick einerseits auf andere Staaten und andererseits auf die Kantone an.

Die Schweiz wird in der politikwissenschaftlichen Literatur aus international vergleichender Sicht meist als Regierungssystem eigener Art betrachtet. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Bundesrat vom Parlament gewählt wird, und zwar für eine Zeit von vier Jahren (Legislaturperiode). Unser Regierungssystem unterscheidet sich einerseits vom parlamentarischen Regierungssystem, bei dem die Regierung auf die direkte oder indirekte Unterstützung durch das Parlament im Hinblick auf ihre Wahl und auf ihr Verbleiben im Amt angewiesen ist: Es kennt die Vertrauensabstimmung und die Absetzung der Regierung nicht und zeichnet sich deshalb durch grosse Stabilität aus. Es unterscheidet sich andererseits auch vom präsidialen Regierungssystem, das die Volkswahl des Präsidenten vorsieht und in dem die Exekutive und die Legislative voneinander relativ unabhängig sind.

Mit der Volkswahl des Bundesrates würde sich die Schweiz auf Bundesebene ein Stück weit dem präsidialen Regierungssystem annähern, bei welchem die Exekutive und die Legislative je eine unmittelbare demokratische Legitimation aufweisen.

Diese je separate Legitimation kann vor allem dann mit Herausforderungen verbunden sein, wenn die Partei des Präsidenten nicht die gleiche ist wie die im Parlament dominierende Partei.40 Im Gegensatz zu den Ländern, die das präsidiale Regierungssystem kennen, würde bei Annahme der Initiative aber nicht nur die Präsidentin oder der Präsident (und gegebenenfalls die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident) unmittelbar vom Volk gewählt, sondern die gesamte Regierung. Es würde sich um ein im internationalen Vergleich einzigartig aufwendiges System handeln.

Was den Vergleich mit der kantonalen Ebene angeht, so hat sich dort das für die Bundesebene mit der Volksinitiative vorgeschlagene System der Volkswahl der Regierung durchgesetzt41 und sich grundsätzlich bewährt. Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass die positiven Erfahrungen in den Kantonen sich ohne Weiteres auf die Bundesebene übertragen lassen. Auf Bundesebene sind die Gegebenheiten nämlich sehr viel komplexer (vgl. Biaggini 2011: 423; Hermann 2011a: 124; Kübler 2011: 4) als in den einzelnen Kantonen:

40

41

­

In den Kantonen besteht das Parlament aus einer einzigen Kammer; auf Bundesebene sind es zwei Räte. Dadurch ist der zeitliche Aufwand für die Beratungen sehr viel höher und die zeitliche Belastung aller Akteure (Ratsmitglieder, Bundesrat, Bundesverwaltung) sehr viel grösser als bei einem Einkammerparlament.

­

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und das Medieninteresse in Bezug auf die Regierung sind auf Bundesebene sehr viel grösser als in den Kantonen.

Man spricht im angelsächsischen Bereich in diesem Fall von «divided government» und in Frankreich von «cohabitation». In solchen Situationen besteht die Gefahr des Immobilismus (vgl. Kriesi 2003:15).

Alle Kantone ausser den Kantonen Zug und Tessin (Proporzverfahren) kennen für die Wahl in den Regierungsrat das Majorzverfahren.

5679

­

Auch wenn mehrere Kantone verschiedene Sprachen und Kulturen umfassen (v.a. die gemischtsprachigen Kantone), sind die sprachlich-kulturellen Herausforderungen auf Bundesebene deutlich höher und die Gefahren von sprachlich-kulturellen Dissonanzen und deren mögliche Folgewirkungen markant grösser als auf Kantonsebene.

­

Auf Kantonsebene pflegen die Regierungsmitglieder zwar eine starke interkantonale ­ und v.a. in den Grenzkantonen auch eine internationale ­ Zusammenarbeit; auf Bundesebene ist aber die Bedeutung der Aussenpolitik sowie der Zusammenarbeit auf europäischer (namentlich EU-Ministertreffen) und internationaler Ebene sehr viel grösser.

All diese Verschiedenheiten lassen vermuten, dass die grundsätzlich positiven Erfahrungen42, welche bisher auf Kantonsebene mit der Volkswahl der Regierungen gemacht wurden, nicht auf die Bundesebene übertragen werden können, sondern dass dort eine andere Dynamik mit anderen Auswirkungen zu erwarten wäre.

4.2.3

Kandidatenauslese, Kandidatenfeld und Wahlkampf

Im Falle einer Annahme der Initiative ergäben sich gewichtige Änderungen im Ablauf der Bundesratswahl.

Heute gilt für die Bundesratswahlen ein relativ kurzes Zeitfenster zwischen der Kenntnis der Ergebnisse der Nationalratswahlen (Ende Oktober) und der Wahl des Bundesrates in der Dezembersession. Bei den meisten Parteien erfolgt die Nomination der für den Bundesrat Kandidierenden durch die Kantonalparteien; anschliessend entscheiden die Fraktionen über die der Bundesversammlung von der Partei offiziell zu unterbreitenden Kandidatinnen und Kandidaten. Die in der Bundesversammlung vertretenen grösseren Parteien laden die neuen Kandidatinnen und Kandidaten jeweils zu Hearings ein und treffen anschliessend ihre Entscheide. Die sich zur Wiederwahl stellenden amtierenden Bundesratsmitglieder betreiben im Hinblick auf ihre Wiederwahl kaum Aufwand. Anschliessend erfolgt die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung.

Dies würde sich bei Annahme der vorliegenden Volksinitiative ändern. Die parallel zu den Nationalratswahlen ablaufenden Bundesratswahlen gewännen an Beachtung durch die Medien und durch die Öffentlichkeit. Damit die Kandidatinnen und Kandidaten eine Wahlchance hätten, müssten sie den Stimmberechtigten über die Medien rechtzeitig bekannt gemacht werden. Die Parteien würden frühzeitig, wohl schon rund zwei Jahre vor der Bundesratswahl, beginnen, ihre Kandidatinnen und Kandidaten auf nationaler Ebene aufzubauen, indem diese beispielsweise an politische Debatten in Radio und Fernsehen delegiert würden. Die Landesparteien müssten je eine landesweite Kampagne für die Bundesratswahlen lancieren. Rhinow und Schefer (2009: Rz. 2523) erwarten «eine in dieser Form bisher unbekannte, von den Massenmedien und der Werbung beeinflusste gesamtschweizerische Wahlkampagne». Das heute sehr schlanke Verfahren würde für alle Beteiligten (sich einer Wiederwahl stellende Bundesratsmitglieder, weitere Kandidierende, Parteien) sehr viel aufwendiger.

42

Zu geringfügigen Relativierungen dieses Befundes aufgrund parteipolitisch unterschiedlich zusammengesetzter kantonaler Regierungen und Parlamente vgl. Ziff. 4.2.6.

5680

Beim vorgeschlagenen System der Wahl des Bundesrates nach dem Majorzverfahren würden die Parteien voraussichtlich dazu tendieren, so viele Kandidatinnen und Kandidaten vorzuschlagen, wie sie hoffen könnten, Bundesratssitze zu besetzen.

Andernfalls müssten sie nämlich eine Zersplitterung der Stimmen befürchten, welche die Chancen ihrer Kandidatinnen und Kandidaten schmälern würde (vgl. Vatter, Milic und Bucher 2012: 20). Die grösseren Parteien würden aller Wahrscheinlichkeit nach zwei bis drei Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen, mit mindestens je einer Person aus dem deutschen und aus dem französischen Sprachgebiet. Um sich bei den Nationalrats- und Ständeratswahlen zu profilieren, würden sich auch kleinere Parteien, die sich kaum Hoffnungen auf einen Bundesratssitz machen könnten, an den Wahlen beteiligen.

Es ist allerdings auch denkbar, dass die grösseren Parteien mehr als zwei bis drei Kandidatinnen oder Kandidatinnen ins Rennen schicken würden, weil sie eine Wahl im ersten Wahlgang für unwahrscheinlich hielten; die bestplatzierten Kandidatinnen und Kandidaten würden in den zweiten Wahlgang geschickt. Ferner ist es nicht ausgeschlossen, dass Kantonalparteien oder überparteiliche Vereinigungen zusätzliche (aus Sicht der Landesparteien «wilde») Kandidaturen unterbreiten würden, damit z.B. das Berggebiet, die Städte, die Nordwestschweiz, die Westschweiz oder das Tessin im Bundesrat vertreten wären. Aus diesen Überlegungen ergibt sich eine gewisse Spannbreite möglicher Kandidatenzahlen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger würden vor allem zwischen Kandidatinnen und Kandidaten der verschiedenen Parteien wählen können, während sie innerhalb der einzelnen Parteien beschränkte Auswahlmöglichkeiten hätten. Verschiedene Kandidierende, namentlich jene der grösseren Parteien, wären landesweit bekannt, andere nicht.

Bisher wählte die Bundesversammlung vor allem aktuelle oder frühere Mitglieder der Bundesversammlung oder ­ seltener ­ kantonale Regierungsmitglieder in den Bundesrat. Sie konnte jeweils aus einem relativ grossen Potenzial von Personen auswählen und nahm dann aufgrund von Eignung, Parteizugehörigkeit, Sprache bzw. Landesgegend und Geschlecht eine Wahl vor. Bei einer Volkswahl des Bundesrates käme es vermutlich relativ rasch zu einer Einengung auf denjenigen Kreis von Personen, die aufgrund
ihrer Medientauglichkeit landesweit bekannt wären.

Verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechnen bei einer Volkswahl mit der Wahl populistischer, aber wenig kompromissfähiger Persönlichkeiten in den Bundesrat (Kriesi 2003: 15; ähnlich auch Rhinow und Schefer 2009: Rz. 2523) oder erwarten gar «populistische Auswüchse» (Kölz 2000: 99). Einzelne sehen allerdings auch die Chance, dass starke Persönlichkeiten in den Bundesrat Einzug hielten (Hermann 2011c: 6). Diesen Befürchtungen bzw. dieser Hoffnung steht allerdings auch die Erfahrung gegenüber, dass bei den Wahlen in die kantonalen Regierungen Personen kaum eine Chance haben, gewählt zu werden, wenn sie Extrempositionen vertreten.

Mit der Volkswahl des Bundesrates würde eine wichtige Aufgabe der Bundesversammlung an das Volk übergehen. Gleichzeitig würden die Landesparteien stark gefordert, müssten sie doch die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten übernehmen und die Kampagnen durchführen und finanzieren. Es ist davon auszugehen, dass die Ausgaben für die Kampagnen zur Wahl des Bundesrates deutlich über den heutigen Ausgaben von rund 130 000 Franken pro Parlamentssitz (Hermann und Novak 2012: 26) liegen würden. Die Landesparteien gerieten unter finanziellen Druck, würden längerfristig aber an Bedeutung gewinnen, tendenziell zulasten der Kantonalparteien. Das politische System der Schweiz würde sich ein Stück weit an 5681

die Demokratien anderer Staaten angleichen mit starker Bedeutung der Landesparteien im politischen System.

Mit dem erhöhten finanziellen Aufwand für die Bundesratswahlen würden die Landesparteien auch stärker abhängig von finanziellen Zuwendungen ihrer Mitglieder, von Firmen oder von Lobbyorganisationen. Es könnte sein, dass die Parteifinanzen einen Einfluss auf den Ausgang der Bundesratswahlen hätten. Es könnte auch sein, dass sich wie in anderen Ländern sehr vermögende Personen als Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung stellen und ihre Finanzmittel in den Dienst der Partei und der Wahlkampagne stellen würden.

Selbstverständlich hätten die skizzierten Änderungen auch Auswirkungen auf die amtierenden Bundesratsmitglieder, welche sich zur Wiederwahl stellen würden (vgl. Ziff. 4.2.7).

4.2.4

Häufigkeit von zwei Wahlgängen

Wir bereits in Ziffer 3.3.5 ausgeführt, werden mit der vorliegenden Volksinitiative relativ bescheidene Hürden für das Erreichen des absoluten Mehrs aufgestellt (sog.

gemässigtes Majorzverfahren: kein Einbezug der leeren und ungültigen Stimmen in die Berechnung des absoluten Mehrs). Damit hängt die Häufigkeit nur eines Wahlgangs statt zweier Wahlgänge vor allem von drei Faktoren ab: Je geringer die Zahl der Kandidierenden (z.B. 10 statt 25) ist, je ungleichmässiger die Stimmen auf die Kandidierenden verteilt sind und je mehr Stimmende leer einlegen statt weitere Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Stimmenzettel aufzuführen, desto grösser ist die Chance, dass im ersten Wahlgang mehrere oder zahlreiche Kandidierende das absolute Mehr erreichen und dass somit auf einen zweiten Wahlgang verzichtet werden kann. Nach Vatter, Milic und Bucher (2012: 52) ist die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Wahlgangs bei der Wahl des Bundesrats durch das Volk eher gering.

Die Erfahrung aus den Kantonen lehre, dass zweite Wahlgänge im gemässigten Majorzverfahren die Ausnahme bildeten. Sie seien nur dann notwendig, wenn die Wahlzettel fast vollständig ausgefüllt würden. Damit sei bei einer hoch polarisierten und stark umkämpften Volkswahl des Bundesrates jedoch nicht zu rechnen.

4.2.5

Häufigkeit von Vakanzen und Zeitbedarf für Ersatzwahlen

Das vorgesehene System der Volkswahl des Bundesrates würde bei Gesamterneuerungswahlen und bei Vakanzen zum Zuge kommen.

Beim gegenwärtigen System der Bundesratswahl durch die Bundesversammlung tritt die Mehrzahl der Bundesratsmitglieder nicht auf das Ende der Legislaturperiode zurück, sondern vorzeitig. Die zurücktretenden Bundesratsmitglieder möchten damit die politischen Randbedingungen für die Ersatzwahl mitbeeinflussen (Ehrenzeller 1998: Rz. 23) und erhoffen sich für die Kandidierenden ihrer Partei bessere Chan-

5682

cen. In den letzten sieben Legislaturperioden (seit 1983) ergaben sich dadurch pro Legislaturperiode im Durchschnitt etwas mehr als zwei Vakanzen.43 Es ist möglich, dass auch bei einer Volkswahl des Bundesrates der vorzeitige Rücktritt die Regel wäre: Die amtsmüden Bundesratsmitglieder würden zusammen mit der Parteileitung einen optimalen Zeitpunkt des Rücktritts bestimmen und die von ihnen favorisierten Kandidatinnen und Kandidaten in eine optimale Ausgangsposition bringen. Kandidierende anderer Parteien hätten einen gewissen Rückstand bezüglich ihrer Bekanntheit in den Medien, es sei denn, die Parteien würden sich permanent auf mögliche Vakanzen einstellen. Würde die Häufigkeit von Vakanzen bei einer Volkswahl des Bundesrates gleich bleiben wie heute, so wäre pro Legislaturperiode mit einer Erneuerungswahl und zwei Ersatzwahlen zu rechnen, woraus sich ein beträchtlicher Aufwand für die Behörden und das Volk ergäbe.44 Es ist allerdings auch möglich, dass bei einer Volkswahl des Bundesrates vorzeitige Rücktritte seltener würden. Jede Ersatzwahl würde nämlich auch das Risiko mit sich bringen, dass der frei werdende Sitz ­ gegebenenfalls erfolgreich ­ von einer oder mehreren anderen Parteien beansprucht würde. Für die Partei, die den frei werdenden Bundesratssitz wiederbesetzen möchte, hätte der Wahlkampf einen nicht zu unterschätzenden Aufwand zur Folge, es sei denn, es käme zu einer stillen Wahl.

Aufgrund des ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses käme es möglicherweise weniger als heute zu vorzeitigen Rücktritten und zu entsprechenden Ersatzwahlen.

Dadurch könnte die Kontinuität im Bundesrat gestärkt werden.45 Welches der beiden Szenarien im Falle einer Annahme der Volksinitiative spielen würde und wie häufig Rücktritte während der Legislaturperiode wären, kann nach heutigem Kenntnisstand nicht abschliessend beurteilt werden.

Bei Vakanzen dürfte der zeitliche Aufwand zur Wiederbesetzung des frei werdenden Bundesratssitzes wesentlich höher sein als heute (in der Regel in der Session nach Erhalt des Rücktrittsschreibens: Art. 133 Abs. 1 ParlG). Für die Vorbereitung der Wahlen in den Bundesrat (Fristen für die Anmeldung der Kandidaturen, Vorbereitung, Druck und rechtzeitiger Versand des Wahlmaterials) ist mit rund vier Monaten zu rechnen. Zu beachten ist, dass für Abstimmungen und gegebenenfalls
auch für Wahlen in den Bundesrat pro Jahr nur vier Termine (sog. Blankodaten) zur Verfügung stehen.46 Noch offen ist, ob sich Wahlen in den Bundesrat überhaupt mit Abstimmungen kombinieren liessen. Je nach Sachgeschäft, das parallel zur Bundesratswahl zur Abstimmung gelangen würde, könnten nämlich unterschiedliche Bevölkerungsschichten mobilisiert werden, was Einfluss auf das Ergebnis der Bundesratswahl hätte. Dies würde dafür sprechen, gleichzeitig mit Ersatzwahlen in den Bundesrat keine Sachgeschäfte zur Abstimmung zu bringen. Aufgrund dieser Ausschliesslichkeit könnten entweder Ersatzwahlen in den Bundesrat oder abstimmungsreife Sachvorlagen Verzögerungen von mehreren Monaten erfahren.

43

44 45 46

Folgende Bundesratsmitglieder sind seit 1983 vorzeitig zurückgetreten: Fritz Honegger, Hans Hürlimann, Rudolf Friedrich, Kurt Furgler, Alphonse Egli, Elisabeth Kopp, René Felber, Otto Stich, Jean-Pascal Delamuraz, Adolf Ogi, Ruth Dreifuss, Joseph Deiss, Samuel Schmid, Pascal Couchepin, Hans-Rudolf Merz, Moritz Leuenberger.

Wie in Ziffer 3.3.4 ausgeführt, käme es vermutlich selten zu stillen Ersatzwahlen.

Die Erfahrungen in den bevölkerungsreichen drei Kantonen Zürich, Bern und Waadt zeigen, dass vorzeitige Rücktritte aus dem Regierungsrat relativ selten sind.

Eidgenössische Abstimmungen und Wahlen sollten nämlich nicht auf eidgenössische oder wichtige kantonale Feste oder Feiertage, auf wichtige kantonale Wahlen, auf Ferien oder auf Sessionen der Bundesversammlung fallen.

5683

Bundesräte, die sich für den Rücktritt entschieden hätten, müssten deshalb vermutlich länger im Amt ausharren als heute, soweit ihnen dies möglich wäre, damit keine mehrmonatige Vakanz im Bundesrat entstünde.

4.2.6

Politische Mehrheit in der Bundesversammlung und im Bundesrat

Die Bundesversammlung wird heute mehrheitlich nach dem Proporzverfahren gewählt47; die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse spielen heute auch bei der Wahl in den Bundesrat eine Rolle. Dies hat dazu geführt, dass die in der Bundesversammlung dominierenden Parteien im Bundesrat in ähnlicher Weise vertreten sind (vgl. Ziff. 2.2).

Im Falle einer Annahme der Initiative würde bei der Wahl des Bundesrates das Majorzverfahren gelten. Die unterschiedlichen Wahlverfahren für die Bundesversammlung (mehrheitlich Proporz) und für den Bundesrat (Majorz) könnten dazu führen, dass die politischen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung und im Bundesrat voneinander abweichen könnten. Zwar sind auch in den Kantonen die Regierungen in der Regel konkordant zusammengesetzt, und es ist nicht mit einer Revolution in der Konkordanz zu rechnen (Bochsler und Bousbah 2011: 13). Gelegentlich kommt es in den Kantonen aber zu bemerkenswerten Abweichungen: So gab es verschiedentlich Kantone mit links-grüner Mehrheit im Regierungsrat und bürgerlich dominiertem Parlament (Kanton Bern 1986­1990 sowie seit 2006; Kanton Neuenburg 1989­1993 und Kanton Waadt 1996­1998). Umgekehrt dominierte in Genf 1997­2000 eine bürgerliche Regierung bei linker Parlamentsmehrheit (Vatter 2002: 89). Falls auf Bundesebene solche Abweichungen entstünden, könnte dies der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und der Bundesversammlung tendenziell abträglich sein. Wäre beispielsweise der Bundesrat dominant rot-grün zusammengesetzt, die Bundesversammlung hingegen bürgerlich ­ oder umgekehrt ­ , dann hätten es Vorlagen des Bundesrates in der Bundesversammlung eher schwer und es könnte zu Blockierungen kommen. Kriesi (2003: 15) erachtet die Gefahr solcher Blockierungen vor allem dann als gross, wenn durch das Volk populistische Persönlichkeiten in den Bundesrat gewählt würden.

Um die Auswirkungen einer Volkswahl des Bundesrates auf dessen parteipolitische Zusammensetzung abzuschätzen, hat das Bundesamt für Justiz das Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern beauftragt, eine Simulation der Volkswahl des Bundesrates für das Jahr 2011 auf der Basis der Wahlen in die kantonalen Regierungen vorzunehmen (Vatter, Milic und Bucher 2012). Die Datenbasis der Studie waren die Resultate der Regierungsratswahlen der vergangenen beiden Legislaturperioden
(2003­2011). Dabei wurde in einem ersten Schritt jeweils ein Prognosemodell für die kantonalen Regierungskandidaturen der fünf wählerstärksten Parteien entwickelt. Auf der Grundlage dieser Modelle wurden sodann die Resultate der betreffen47

Der Nationalrat wird grundsätzlich nach dem Proporzverfahren gewählt. In den Kantonen, die Anspruch auf nur einen Sitz haben (UR, OW, NW, GL, AR und AI), werden die Volksvertreterinnen und -vertreter aber faktisch nach Majorz gewählt; denn gewählt ist die Person, die am meisten Stimmen erhält. Der Ständerat wird in allen Kantonen (ausser JU und NE: Proporz) nach dem Majorzverfahren gewählt. Somit werden von den 246 Mitgliedern der Bundesversammlung 198 nach dem Proporz- und 48 nach dem Majorzverfahren gewählt.

5684

den Parteikandidaturen unter den Bedingungen einer Volkswahl der Bundesrates simuliert.

Im Rahmen der Untersuchung wurden zwei Szenarien durchgespielt: eines, in dem alle vier grossen Parteien mit je zwei Kandidaturen antreten, und ein zweites, in dem SVP, SP und FDP je eine dritte Kandidatur stellen. Bei beiden Szenarien lautet das wahrscheinlichste Ergebnis: Im Rahmen der Volkswahl würde die frühere «Zauberformel» wiederhergestellt. SP und FDP sind in der Romandie stark vertreten, was ihnen mit grosser Wahrscheinlichkeit je einen der beiden der lateinischen Schweiz vorbehaltenen Sitze eintragen dürfte. Die CVP wäre wohl die eigentliche Gewinnerin des Wechsels im Wahlverfahren. Ihr würde wahrscheinlich noch ein zweiter Sitz ­ der umkämpfte siebte Bundesratssitz ­ zufallen. Die SVP würde bei den Volkswahlen wohl ähnlich abschneiden wie bei den kantonalen Exekutivwahlen, die ebenfalls nach dem Majorzprinzip durchgeführt werden. Sie würde ­ gemessen an ihrer Proporzwahlstärke ­ ein eher unterdurchschnittliches Resultat erzielen. Ein SVP-Regierungssitz ist zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, aber ein zweiter Sitz liegt den Berechnungen zufolge nur dann im Bereich des Möglichen, wenn gewisse Wahlallianzen eingegangen werden.

Die Modellberechnungen simulierten eine «Normalwahl», die zudem nicht personenbezogen ist. Was individuelle Kandidateneigenschaften betrifft, so zeigen die kantonalen Erfahrungswerte, dass das Geschlecht keinen Einfluss auf die Erfolgschancen ausübt (zu den Wahlchancen der bisherigen Amtsinhaberinnen und -inhaber s. Ziff. 4.2.7).

4.2.7

Erhöhte Belastung der Bundesratsmitglieder durch den Wahlkampf und grosse Wiederwahlchancen

Der früher einsetzende und mit erhöhtem Aufwand verbundene Wahlkampf für den Bundesrat (Ziff. 4.2.3) hätte auch Auswirkungen auf die amtierenden Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich zur Wiederwahl stellen würden. Anders als heute müssten die Bundesratsmitglieder, die sich zur Wiederwahl stellen, einen Wahlkampf führen, d.h. sie müssten sich mit Blick auf die Wahl Radio- und Fernsehdiskussionen und öffentlichen Veranstaltungen stellen. Im Vorfeld der Wahl käme eine erheblich grössere zeitliche Belastung auf sie zu als heute. Es wird erwartet, dass sie einen Dauerwahlkampf führen müssten (Staatspolitische Kommission 2010; Hermann 2011b: 3) und dass sie an ihre «Belastungsgrenze» stossen würden (Hermann 2011: 129). Ihre Belastung wäre mit jener der kantonalen Regierungsratsmitglieder, die sich ebenfalls zur Wiederwahl stellen müssen, nur sehr bedingt vergleichbar.

Bundesratsmitglieder tragen eine grössere Verantwortung (für das ganze Land und nicht nur für einen Kanton) und unterliegen wegen des Zweikammerparlaments (zahlreiche Sitzungen in den Kommissionen und im Plenum des Erst- und Zweitrats; Differenzbereinigungsverfahren), wegen der internationalen Zusammenarbeit, wegen intensiverer Beobachtung durch Öffentlichkeit und Medien und wegen der grösseren kulturellen Vielfalt auf Bundesebene (vgl. Ziff. 4.2.2) einer grösseren zeitlichen und aufgabenmässigen Grundbelastung als kantonale Regierungsmitglieder. Während in den vergangenen Jahren bzw. Jahrzehnten verschiedene Kantone die Zahl ihrer Regierungsmitglieder verkleinerten, wird auf Bundesebene seit Jahren

5685

die Frage einer Überlastung der Regierung diskutiert. Deshalb wird auch intensiv über eine Verstärkung oder eine Vergrösserung der Regierung debattiert.48 Wenig ändern würden sich die Wiederwahlchancen der bisherigen Amtsinhaberinnen und -inhaber im Vergleich zum heutigen Wahlsystem (Wahl durch Bundesversammlung). Die Wiederwahlchancen wären auch bei einer Volkswahl sehr hoch.

Vatter, Milic und Bucher (2012: 40) gehen in ihrer Simulation der Bundesratswahlen durch das Volk auf der Basis der Wahlen in die kantonalen Regierungen nämlich davon aus, dass Amtsinhaberinnen und -inhaber mit einen Vorsprung von rund 23 Prozentpunkten in das Rennen gingen und dass selbst Kandidaturen kleinerer Parteien (sofern ihnen vorgängig aufgrund besonderer Konstellationen der Sprung in den Bundesrat gelungen wäre) «mit einer mehr oder weniger sicheren Wiederwahl rechnen dürften».

4.2.8

Parteiinteressen und Amtsgeschäfte der Bundesratsmitglieder

Aufgrund der Volkswahl des Bundesrates würde sich auch dessen Rolle ändern.

Während die Bundesratsmitglieder heute nur beschränkt in den Wahlkampf einbezogen sind, käme ihnen bei einer Volkswahl des Bundesrates erhebliche Bedeutung zu, insbesondere auch als Wahllokomotiven für die Nationalrats- und, in eingeschränktem Ausmass, die Ständeratswahlen. Die Bundesrätinnen und Bundesräte würden nicht mehr als Vertreter der Landesregierung, d.h. eines Organs, das «über den Parteien steht», wahrgenommen, sondern als Individuen mit Wiederwahlinteressen bzw. als Vertreterinnen und Vertreter ihrer Parteien (s. auch Staatspolitische Kommission 2010).

Mit der stärkeren Personalisierung der Regierungstätigkeit würden, insbesondere im Vorfeld des Wahlkampfs, Verlautbarungen und departementale Vorlagen der einzelnen Bundesratsmitglieder nicht mehr als Ausfluss der Regierungstätigkeit wahrgenommen, sondern vermehrt zusätzlich als Instrumente des Vorwahlkampfs interpretiert. Vorlagen aus den einzelnen Departementen würden in der medialen Öffentlichkeit vermehrt mit Mutmassungen darüber verbunden, ob das entsprechende Bundesratsmitglied damit seine Wahlchancen erhöhen möchte (oder gegebenenfalls in Kauf nähme, dass sie geschmälert würden). Man kann sich gut vorstellen, dass die einzelnen Bundesratsmitglieder unter den Druck ihrer Parteien gerieten, unpopuläre Vorlagen möglichst in der Schublade zu behalten und sich auf Vorlagen zu beschränken, die beim Volk populär wären.

Es ist abzusehen, dass der Wahlkampf und die direkte Demokratie in ein gewisses Spannungsverhältnis gerieten. Sachabstimmungen, welche spezifische Departemente betreffen würden, gerieten in den Sog des (Vor-)Wahlkampfes. Positive oder negative Abstimmungsergebnisse zu Sachgeschäften würden in der Öffentlichkeit als Vertrauensbeweis oder Misstrauensbekundung zum entsprechenden Bundesratsmitglied interpretiert. Vermutlich wäre es aus diesen Gründen angezeigt, in der «heissen Phase» des Wahlkampfs auf Sachabstimmungen zu verzichten und die entsprechenden Geschäfte erst nach der Bundesratswahl dem Volk vorzulegen. Bei Volksinitia-

48

Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Staatsleitungsreform, BBl 2002 2095; Zusatzbotschaft vom 13. Oktober 2010 zur Regierungsreform, BBl 2010 7811

5686

tiven wäre dies wegen der gesetzlich vorgegebenen Behandlungsfristen allerdings nicht möglich.

Es ist in der ökonomischen und politikwissenschaftlichen Literatur seit Längerem bekannt, dass der Wahlzyklus, wie er in einem Präsidialsystem oder einem parlamentarischen Regierungssystem (vgl. Ziff. 4.2.2) verbreitet ist, (negative) Auswirkung auf die Problemlösungsfähigkeit von Regierungen haben kann. Neue Regierungen versuchen nach den Wahlen jeweils umgehend, ihre wichtigsten Vorlagen beim Parlament durchzubringen, um so bei den nächsten Wahlen einen Leistungsausweis vorlegen zu können. Dies wirkt sich auf die Qualität der Vorlagen häufig negativ aus («legislatorische Hüftschüsse»). Vor den Wahlen schrecken Regierungen häufig vor vielleicht nötigen, aber unpopulären Massnahmen zurück, um ihre Wiederwahl nicht zu gefährden. Letztlich steht den Regierungen nur ein sehr begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, in dem sie Probleme lösen können. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine Volkswahl des Bundesrates derartigen Entwicklungen auch in der Schweiz Vorschub leisten könnte.

4.2.9

Kollegialprinzip und Mediatisierung

Nach Artikel 177 BV sind bei der Arbeitsweise des Bundesrates das Kollegialprinzip (Entscheidungen als Kollegium) und das Departementalprinzip (Verteilung von Vorbereitung und Vollzug von Geschäften auf die Departemente; selbstständige Erledigung von Geschäften) zu beachten.

Seit 1891 sind mehrere Parteien im Bundesrat vertreten (Ziff. 2.2). Trotz aller Unkenrufe funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb des Bundesrates gut, vor allem wenn man diese Zusammenarbeit nicht an einem unerreichbaren Ideal, sondern an der Realität anderer Regierungen, seien es Ein- oder Mehrparteienkabinette, misst. «Der Bundesrat verkörpert die Diversität und fügt sie gleichzeitig zu einer Einheit zusammen. Er trifft seine Entscheide als Kollegium. Damit beteiligt er alle seine Mitglieder gleichgewichtig am Entscheid. Er hat die Aufgabe, die Vielfalt in der Einheit und die Einheit in der Vielfalt sicherzustellen.»49 Mit der Volkswahl des Bundesrates käme es zu einer stärkeren Personalisierung und Mediatisierung. Die Medien würden den Fokus vor allem auf Personen legen. Meinungsdivergenzen innerhalb des Bundesrates würden offengelegt und in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Bundesratsmitglieder, die sich zur Wiederwahl stellten, würden abhängiger von ihren Parteien, von Umfragen über ihre Wahlchancen, von den Medien und von den in der Öffentlichkeit geäusserten Meinungen. Die staatsrechtlichen und politikwissenschaftlichen Autoren, die sich dazu äussern, erwarten, dass bei einer Volkswahl des Bundesrates dessen Teamfähigkeit gefährdet würde (Kübler 2011: 4). Rhinow (2011: 46) meint: «Personalisierung, nicht Kollegialisierung wäre die unausweichliche Folge». Neidhart (2010: 24) erwartet ebenfalls eine Gefährdung der Kollegialität und meint, «ein derart plebiszitär bestellter Bundesrat [wäre wahrscheinlich] ohne starken Bundesratspräsidenten gar nicht funktionsfähig, was das Kollegialitätsprinzip aushebeln würde.»

49

Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Staatsleitungsreform, BBl 2002 2110

5687

4.2.10

Verhältnis Bundesrat-Bundesverwaltung

Die Volkswahl des Bundesrates könnte auch Änderungen im Verhältnis der Bundesratsmitglieder zu den ihnen unterstellten Mitarbeitenden bewirken. Heute ist die Bundesverwaltung parteipolitisch relativ unabhängig zusammengesetzt. Die Parteifarbe spielt bei Stellenbesetzungen eine tendenziell untergeordnete Rolle. Wird bei einer Erneuerungswahl oder Ersatzwahl der Bundesrat neu zusammengesetzt oder werden die Departemente neu unter den Bundesratsmitgliedern verteilt, so werden heute höchstens die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre, die Informationschefs der Generalsekretariate, die persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Departementschefs (vgl. Art. 26 Abs. 2­3 Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 200150) sowie in selteneren Fällen einzelne Personen aus der Geschäftsleitung von Bundesämtern ausgewechselt. Mit der Volkswahl des Bundesrates würde aus zwei Gründen der Druck auf Neubesetzungen steigen. Erstens ist davon auszugehen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten für eine professionelle Wahlkampagne jüngere Personen befristet anstellen würden, die im Falle eines Erfolgs darauf aspirieren würden, in der näheren Umgebung der gewählten Bundesratsmitglieder zu arbeiten.

Zweitens könnte es bei wahltaktisch motivierten oder zumindest als solchen wahrgenommenen Vorlagen des Bundesrates zu Dissonanzen zwischen der Bundesverwaltung und der jeweiligen Departementsspitze kommen, was den Druck auf Neubesetzungen von Leitungsfunktionen in der Verwaltung erhöhen und deren Kontinuität beeinträchtigen könnte.

Ob daraus ein Machtzuwachs der Bundesratsmitglieder gegenüber ihren Mitarbeitenden resultierte, ist aber offen. Wegen der tendenziell erhöhten Belastung der Bundesratsmitglieder durch den Wahlkampf (vgl. Ziff. 4.2.7) würde tendenziell die Verwaltung gestärkt. Es muss letztlich offen bleiben, ob die Verwaltung durch eine Volkswahl des Bundesrats gestärkt oder geschwächt würde.

4.2.11

Gewaltengefüge Bundesrat-Bundesversammlung

Im Falle einer Annahme der Initiative müsste die Bundesversammlung ihre bisherige Aufgabe der Wahl des Bundesrates an das Volk sowie diejenige der Wahl der Bundespräsidentin bzw. des -präsidenten an den Bundesrat abgeben. Sie würde in ihrer Bedeutung als Rekrutierungs- und Wahlorgan des Bundesrates geschmälert.

Nach Artikel 148 Absatz 1 BV übt die Bundesversammlung «unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen die oberste Gewalt aus». Ihre übergeordnete Stellung kommt auch im geltenden Wahlverfahren des Bundesrates zum Ausdruck. Mit der Wahl durch das Volk würde nach Ansicht von Rhinow (2011: 46) das Parlament «seine stärkste Kompetenz gegenüber der Regierung, die Wahl resp. Wiederwahl oder Nichtwiederwahl, verlieren». Gleichzeitig würde der Bundesrat in seiner demokratischen Legitimation gestärkt und der Bundesversammlung gleichgestellt bzw.

seine Stellung würde «auf Kosten des Parlamentes gestärkt» (Staatspolitische Kommission 2010). Biaggini meint sogar: «Die Einführung der Volkswahl würde verleihen und ihn stellen ­ ja wohl sogar noch etwas höher, denn die Mitglieder des Bundesrates würden wegen der Wahlkreisgestaltung als einzige 50

SR 172.220.111.3

5688

Amtsträger über eine nationale Wählerlegitimation verfügen, während sich die Mitglieder des Nationalrates wie des Ständerates bloss in ihren jeweiligen Wahlkreisen (d.h. in den Kantonen) durchsetzen müssen» (Biaggini 2011: 424; von ihm zitiert wird Auer 2011: 415). Mit der Einführung der Volkswahl würden sich über kurz oder lang die Gewichte zugunsten des Bundesrates und zulasten der Bundesversammlung verschieben, was nach Häfelin, Haller und Keller (2008: Rz. 1622) «das Parlament noch mehr schwächen würde». Gemäss Biaggini (2011: 424f.) liesse sich nicht völlig ausschliessen, dass der Bundesversammlung ein ähnliches Schicksal drohen könnte wie den kantonalen Parlamenten, die « zwischen ausgebauten Volksrechten und durch das Volk gewählten Regierungen» stehen.

Gross (2009: 188) weist darauf hin, dass wegen der steigenden Komplexität der Geschäfte sowie der zunehmenden Bedeutung der internationalen Beziehungen und Zusammenhänge die Exekutiven in allen Demokratien ohnehin viel zu sehr dominierten.

In Konflikten um Zuständigkeiten von Bundesrat und Bundesversammlung würde der Bundesrat vermutlich selbstbewusster auftreten als bisher. Kölz (2000: 99) sieht aufgrund der stärkeren Teilung der Gewalten die Gefahr «unfruchtbarer Konflikte der beiden Gewalten». Ehrenzeller (2008: Rz. 9) erwartet, die Volkswahl des Bundesrates «würde exekutivstaatlichen Tendenzen Vorschub leisten»; Delley (2011: 49f.) glaubt, dass «das Gleichgewicht der Gewalten gestört» würde.

Das erhöhte Selbstbewusstsein des Bundesrates aufgrund der Direktwahl könnte die Oberaufsicht der eidgenössischen Räte über Regierung und Verwaltung «massiv erschweren» (Ehrenzeller 2008: Rz. 9). Ähnlich äussern sich Schwarz und Vatter (2011: 39): «Da sich die Regierung auf eine direkte Legitimation durch das Volk berufen kann, dürften sich die mangelnden Kontrollkapazitäten in strittigen Fällen zuungunsten der Legislative auswirken.» Die beiden Autoren erwarten deshalb «eine faktische Schwächung der legislativen Kontrollfunktion gegenüber dem heutigen Zustand, die sich zugleich negativ auf Fähigkeiten der Wahlberechtigten auswirken würde, den Leistungsausweis des Bundesrates angemessen zu bewerten und einen informierten Wahlentscheid zu treffen» (Schwarz und Vatter 2011: 39).

Mit der Wahl des Bundesrates durch das Volk fände eine
stärkere Teilung der Gewalten statt. Der Bundesrat würde unabhängiger von der Bundesversammlung, und er würde selbstständiger handeln, was durch die in Ziff. 4.2.7 aufgezeigte erhöhte Belastung der Bundesratsmitglieder noch verstärkt würde. Es ist nämlich abzusehen, dass die Belastung durch den Wahlkampf zu einer reduzierten Präsenz der Bundesratsmitglieder an Sitzungen der vorberatenden Kommissionen führen würde. Dies könnte die gute und enge Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und der Bundesversammlung, mit ein Grund für die im internationalen Vergleich doch sehr wirkungsvolle Reaktion des Bundes auf kritische Ereignisse (z.B. Finanzkrise u.a.m.), letztlich schmälern.

5689

4.2.12

Vertretung der lateinischen Sprachgruppe im Bundesrat

Eine Quote für die lateinische Schweiz Bei einer Annahme der Initiative würde für die Wahl der Bundesratsmitglieder eine Quote für zwei Bundesratsmitglieder aus dem lateinischen Sprachgebiet geschaffen (Art. 175 Abs. 5 des Initiativtexts; vgl. Ziff. 3.3.6). Sie würde an die Stelle des heutigen Artikels 175 Absatz 4 BV treten, der verlangt, dass die Bundesversammlung bei der Wahl der Bundesratsmitglieder darauf Rücksicht nimmt, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind». Wie in Ziff. 2.3 dargelegt wurde, hat die Bundesversammlung bisher darauf geachtet, dass die französische und die italienische Schweiz mit einer Ausnahme von wenigen Jahren (1875­1880) mit zwei bis drei Personen im Bundesrat vertreten waren.

Grundsätzlich würde für die ganze Schweiz ein einziger Wahlkreis gebildet. In diesen Wahlkreis würde aber ein subsidiärer zweiter Wahlkreis, bestehend aus den französisch- und den italienischsprachigen Kantonen und Gebieten, eingefügt.

Mindestens zwei Bundesratssitze wären für Kandidatinnen und Kandidaten aus den erwähnten Gebieten vorbehalten. Für die Wahl der entsprechenden Kandidatinnen und Kandidaten wären beim Nichterreichen der Quote aufgrund des üblichen Verfahrens anschliessend nicht die Stimmen aus dem gesamten Wahlkreis, sondern das geometrische Mittel der Stimmen aus dem gesamten Wahlkreis und dem (lateinischen) Teilwahlkreis massgebend. Dadurch würden die Stimmen aus dem Teilwahlkreis leicht überproportional gewichtet.

Die Quotenregelung würde für Erneuerungswahlen und bei der Besetzung einer Vakanz gelten.

Vermutlich unnötige Vorsichtsmassnahme Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei einer Volkswahl auch ohne Quote zwei oder mehr Bundesratsmitglieder mit einer Herkunft aus der lateinischen Schweiz gewählt würden. Das demografische Gewicht der Westschweiz und der italienischsprachigen Gebiete ist nämlich genügend gross, um eine solche Vertretung sicherzustellen. Die grossen Parteien würden in ihrem eigenen Interesse zwei Kandidatinnen und Kandidaten mit je unterschiedlicher sprachlicher Herkunft aufstellen, um damit Stimmen aus der gesamten Schweiz zu erhalten (s. Ziff. 4.2.3). Die Kandidatinnen und Kandidaten würden ihre Wahlkampagne nicht auf das Sprachgebiet, aus dem sie stammen, beschränken, sondern die ganze Schweiz abzudecken
versuchen. Deutschschweizer und rätoromanischsprachige Kandidatinnen und Kandidaten würden sich somit auch an Wahlkampfveranstaltungen in der Westschweiz und im Tessin bzw. in Südbünden beteiligen, und umgekehrt würden Kandidatinnen und Kandidaten aus jenen Gebieten auch die Deutschschweiz und das rätoromanischsprachige Gebiet in ihre Abstimmungskampagne einbeziehen. Dies könnte die Sensibilität der Kandidatinnen und Kandidaten für die jeweils anderen Sprachgruppen und Landesteile wecken und letztlich positive Auswirkungen auf die nationale Kohäsion haben. Die Erfahrungen der Kantone Freiburg und Graubünden51 zeigen, dass bei den Regierungsratswahlen aufgrund des demografischen 51

Anders als die Kantone Bern und Wallis (vgl. Ziff. 3.3.6) kennen die Kantone Freiburg und Graubünden keinen Schutz für die einzelnen Sprachgruppen bzw. sprachlichen Minderheiten.

5690

Gewichts der Minderheiten und aufgrund des Eigeninteresses der Parteien an einer geografisch breiten Verbreitung auch ohne spezifische Vorkehren eine angemessene Vertretung der Sprachminderheit(en) erzielt werden kann (s. Stojanovic 2008: 247).

Vatter, Milic und Bucher (2012: 44) gehen aufgrund einer Analyse der Berner Regierungsratswahlen davon aus, dass es zwar einen Bonus für Kandidatinnen und Kandidaten aus dem eigenen Sprachgebiet gibt, dass dieser aber nur etwa sechs bis acht Prozent der Stimmen ausmacht. Die drei Autoren kommen in ihrer Simulation der Volkswahl des Bundesrates auf der Basis der Wahlen in die kantonalen Regierungen zum Schluss, dass die Besetzung der für die lateinische Schweiz garantierten Bundesratssitze in der Regel im ersten Wahlgang erfolgen dürfte, wobei die Anwendung der Quotenregelung (mit Berechnung der Stimmen aufgrund des geometrischen Mittels) in der Mehrheit der Fälle nicht notwendig sein sollte; selbst in einem allfälligen zweiten Wahlgang würde die Anwendung dieser Regel wohl eher die Ausnahme bleiben (Vatter, Milic und Bucher 2012: 55).

Die aufgrund des Initiativtexts vorgeschlagene Quote von zwei von sieben Sitzen für Bundesratsmitglieder aus der lateinischen Schweiz würde diesem Sprachgebiet einen Mindestanteil an der Regierung (28,6 Prozent) bescheren, der dem Anteil in der Bevölkerung (Volkszählung 2010: 28,7 Prozent) recht genau entsprechen würde.

Die Quote wäre auch hilfreich gegen allfällige Ängste, das lateinische Sprachgebiet würde aufgrund der Eigenheiten des Majorzsystems im Bundesrat möglicherweise untervertreten sein.52 Die Quote hätte aber auch verschiedene problematische Seiten.

Sprachenfragen als Thema auf Bundesebene Der Bund regelt heute die Verwendung der Landes- (Art. 4 BV) und der Amtssprachen (Art. 70 BV) zurückhaltend. In Artikel 70 Absatz 2 BV delegiert er die Bestimmung der Amtssprachen an die Kantone und nennt die dafür geltenden grundlegenden Vorgaben. Im Falle einer Annahme der Initiative müsste er in einem Gesetz53 festlegen, welche französischsprachigen Gebiete der Kantone Bern, Freiburg sowie Wallis und welche italienischsprachigen Gebiete des Kantons Graubünden (neben den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf und Jura) in den Geltungsbereich von Artikel 175 Absatz 5 BV gemäss Initiativtext fallen würden. Auch wenn er die
Festlegung der entsprechenden Sprachgebiete an die gemischtsprachigen Kantone (BE, FR, GR, VS) delegieren würde (vgl. Ziff. 3.3.7), würde er sich indirekt mit Sprachenfragen befassen. Es wäre nicht auszuschliessen, dass dies Auswirkungen auf innerkantonale Sprachkonflikte haben könnte und umgekehrt.

Minderheitenschutz auf Bundesebene und auf kantonaler Ebene Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die nach dem Initiativtext auf Bundesebene vorgesehene Lösung nicht notwendigerweise kongruent ist mit der für den Minderheitenschutz im Kanton Bern vorgesehenen Lösung: Dort ist das bei Regierungsratswahlen mit einem Minderheitenschutz begünstigte Gebiet geografisch (Südjura) bzw. administrativ (drei Bezirke des Südjura) umschrieben; die gemischtsprachigen Gemeinden Biel und Leubringen sind nicht darin einbezogen (vgl.

Ziff. 3.3.6). Im Initiativtext ist das von der Quote für die lateinische Schweiz begünstigte Gebiet hingegen sprachlich definiert (französisch- und italienischspra52

53

Wie oben dargelegt wurde, gibt es für solche Befürchtungen keine empirische Evidenz aus den Kantonen Freiburg und Graubünden, welche keine speziellen Vorkehren für die Sprachgruppen kennen.

Vgl. den im Initiativtext vorgesehenen Art. 175 Abs. 7 BV.

5691

chige Gebiete). Würden die gemischtsprachigen Gemeinden Biel und Leubringen darin einbezogen ­ wofür verschiedene Gründe sprechen ­, so wären der Minderheitenschutz für Regierungsratswahlen im Kanton Bern und jener für die Bundesratswahlen auf Bundesebene geografisch nicht kongruent. Allerdings würden sich daraus keine unlösbaren Probleme ergeben.

Schwierige Umsetzung des Minderheitenschutzes Die Umsetzung der Quote zugunsten der lateinischen Schweiz in einem Gesetz und die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen könnten im Einzelfall mit nicht unbedingt erwünschten Auswirkungen verbunden sein: Dies hängt damit zusammen, dass sich der Schutz für die lateinische Minderheit in der konkreten Ausgestaltung nicht auf die sprachliche Zugehörigkeit der Bundesratskandidatinnen und -kandidaten54 bezieht, sondern auf deren Wohnsitz (Art. 175 Abs. 5 und 6 Initiativtext). Aus diesem Grund würde beispielsweise eine Person, die aus der Deutschschweiz in das französische oder italienische Sprachgebiet eingewandert wäre, dort ihre politische Karriere gemacht hätte und von einer politischen Partei als Bundesratskandidatin vorgeschlagen würde, von der Quotenregelung profitieren, auch wenn sie nicht als wirkliche «Romande» oder als wirkliche Italienischsprachige gelten würde. Es könnte umgekehrt auch vorkommen, dass eine aus einer gemischtsprachigen Gemeinde stammende, durch und durch der französischoder der italienischsprachigen Schweiz zugehörige Person des Quotenschutzes verlustig ginge, nur weil sich aufgrund einer starken Einwanderung durch Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer in die betreffende Gemeinde deren Amtssprache geändert hätte.

Je nach Ausgestaltung der Ausführungsgesetzgebung könnte es zu weiteren schwierigen Diskussionen kommen. Würde bei der Bestimmung der Zugehörigkeit zum französisch- und italienischsprachigen Gebiet auf den Zeitpunkt der Bundesratswahl abgestellt, so könnte die Regelung durch einen Wohnsitzwechsel leicht umgangen werden, aber es würde auch der Schutz des lateinischen Sprachgebiets relativiert.

Würde hingegen auf einen Stichtag (z.B. zwei oder vier Jahre vor den Bundesratswahlen) abgestellt, dann hätte dies auch Rigiditäten zur Folge.55 Sprachregionales Abstimmungsverhalten Die Quotenregelung hätte möglicherweise noch zwei weitere Nachteile: Sie könnte erstens dazu
Anlass geben, dass Deutschschweizer und Deutschschweizerinnen sowie rätoromanischsprachige Personen ihre Stimme weniger häufig einer Kandidatin oder einem Kandidaten aus der lateinischen Schweiz gäben, da deren Vertretung nicht mehr notwendigerweise über den Wahlzettel, sondern über einen in der Verfassung vorgesehenen Mechanismus sichergestellt würde. Eine solche Entwicklung wäre für die Kohärenz des Landes nicht von Vorteil. Auch wenn die Quotenlösung nur wirksam würde, wenn im ersten und zweiten Wahlgang aufgrund des Verfahrens nach Artikel 175 Absatz 4 Initiativtext nicht zwei Personen aus der 54 55

Eine solche Lösung würde letztlich auf einen Sprachtest der Kandidatinnen und Kandidaten hinauslaufen und wäre nicht sinnvoll.

Eine Kandidatin wie Ruth Dreifuss, welche französischer Muttersprache ist und mehrheitlich in Genf aufwuchs, aber beruflich in Bern verankert und dort auch politisch aktiv war, würde dann nicht mehr der lateinischen Schweiz zugerechnet; sie müsste zuerst in der Westschweiz Wohnsitz nehmen und könnte erst später für den Bundesrat kandidieren.

5692

lateinischen Schweiz gewählt würden, könnte das Vorhandensein eines solchen Auffangnetzes das Stimmverhalten in der Deutschschweiz und der rätoromanischen Schweiz verändern.

Zweitens könnte die Quote, wenn sie ausnahmsweise einmal in Anspruch genommen würde, die Legitimität der auf diese Weise gewählten Personen schmälern; diese könnten zu «Bundesräten zweiter Klasse» werden (Hermann 2011b: 3).

Namentlich für Personen aus der Deutschschweiz bzw. der rätoromanischen Schweiz, die aufgrund der Quotenregelung ausscheiden würden, wäre die Nichtwahl bitter.

Für den Kanton Tessin wenig vorteilhaft Mit der Quotenregelung würden die französische und die italienische Sprachminderheit, die geografisch nicht sehr nahe beieinander liegen und oft unterschiedliche Interessen und Präferenzen haben, in eine gemeinsame Lösung eingebunden. Das vorgesehene Verfahren führt zu einer Konkurrenzierung der Ansprüche der Westschweiz und des Tessins bzw. der Südbündner Täler nach einem Bundesratssitz.

Aufgrund des wesentlich höheren Bevölkerungsanteils ihres Sprachgebiets dürften vor allem Kandidierende aus der Westschweiz von dieser Regelung profitieren; das italienischsprachige Gebiet hätte das Nachsehen. Die vorgesehene Lösung wäre dem Zusammenleben innerhalb der lateinischen Minderheit nicht förderlich, weil die französisch- und die italienischsprachige Bevölkerung gegeneinander ausgespielt würden. Die Lösung wäre für die italienischsprachige Bevölkerung und namentlich für den Kanton Tessin wenig vorteilhaft. Zwischen dem Kanton Tessin und der restlichen Schweiz könnte sich ein Graben bilden.

Rätoromanischsprachiges Gebiet nicht einbezogen In die Quotenregelung wurden die französisch- und italienischsprachigen Gebiete, nicht aber die rätoromanischsprachigen Gebiete einbezogen.56 Die Deutschschweizer Mehrheit und die kleine rätoromanischsprachige Minderheit würden einander im Wahlverfahren gleichgestellt.

4.2.13

Föderalistisches Gleichgewicht

Die Annahme der Initiative hätte in viererlei Hinsicht Auswirkungen auf die föderalistische Balance: Erstens würde durch das vorgeschlagene Wahlverfahren das Gewicht der bevölkerungsstarken Kantone gestärkt. In der Bundesversammlung, dem heutigen Wahlkörper für den Bundesrat, sind die Kantone einerseits proportional zur Wohnbevölkerung (200 Nationalratsmitglieder) und andererseits mit je einer Person (OW, NW, BS, BL, AR und AI) bzw. zwei Personen (übrige Kantone) vertreten (46 Ständeratsmitglieder). Insgesamt haben die kleineren Kantone in der Vereinigten Bundesversammlung ein leicht grösseres Gewicht, als ihnen aufgrund der Wohnbevölkerung zukommt. Mit der Wahl des Bundesrates durch das Volk würde der Einfluss der bevölkerungsstarken Kantone leicht gestärkt bzw. der Einfluss der kleineren Kantone geschwächt, indem allein die Zahl der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für die Wahl massgebend wäre.

56

Vgl. Fussnote 31

5693

Zweitens wäre es schwieriger als heute, bei der Bestimmung der Bundesratsmitglieder darauf Rücksicht zu nehmen, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind» (Art. 175 Abs. 4 BV). Diese Verfassungsbestimmung, welche die frühere Kantonsklausel ablöste, würde ersatzlos aufgehoben. Sie beinhaltet zwei Elemente (Landesgegenden, Sprachregionen). Mit der Quote für die lateinische Schweiz würde das zweite Element einer neuen Lösung zugeführt. Das erste Element, die Berücksichtigung einer angemessenen Vertretung der «Landesgegenden», würde aber wegfallen. Beim geltenden Verfahren der Wahl in den Bundesrat können die Mitglieder der Bundesversammlung gleichzeitig verschiedene Kriterien berücksichtigen (Eignung, Partei, Landesgegend, Sprache, Geschlecht)57. Bei einer Volkswahl würden primär die Parteipräferenzen und die Attraktivität der Kandidatinnen und Kandidaten ausschlaggebend sein. Zwar wäre zu erwarten, dass die Parteien bei der Bestimmung der Bundesratskandidatinnen und -kandidaten die wichtigen Landesgegenden und insbesondere die grösseren Sprachregionen angemessen berücksichtigen würden. Aufgrund der Gleichzeitigkeit der Wahl der Bundesratsmitglieder (erster, gegebenenfalls zweiter Wahlgang) und der Zufälligkeiten, welche das Majorzwahlverfahren mit sich bringt, könnte es aber vorkommen, dass die wichtigen Landesgegenden nicht immer im Bundesrat angemessen vertreten wären. Verschiedene Wissenschaftler (Ehrenzeller 2008: Rz. 9; Tschannen 2011: 492; Neidhart 2011: 15) rechnen deshalb damit, dass bei einer Volkswahl des Bundesrates die Ausgewogenheit der Landesregierung in Bezug auf die parteipolitische, sprachliche und regionale Herkunft sowie bezüglich des Geschlechts gefährdet würde.

Drittens würde in den Parteien das Gewicht der Landesparteien zuungunsten der Kantonalparteien gestärkt (vgl. Ziff. 4.2.3). Indirekt könnte dies die zentralistischen gegenüber den föderalistischen Kräften im Bundesstaat stärken (Kölz 2000: 99).

Neidhart (2010: 25) meint gar, dass «eine Direktwahl des Bundesrates ... eine massive Zentralisierung und Personalisierung des gesamten politischen Betriebes zur Folge [hätte]».

Und viertens würden (wie schon weiter oben erwähnt) die Chancen des Kantons Tessin (sowie der italienischsprachigen Bevölkerung im Kanton Graubünden) auf einen Bundesratssitz geschmälert. Spannungen zwischen den verschiedenen Sprachgruppen könnten entstehen.

4.2.14

Wahl der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten

Heute werden die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Bundesrates durch die Bundesversammlung gewählt (vgl. Ziff. 2.1 und 3.3.8). Im Falle einer Annahme der Initiative würde die Wahl an den Bundesrat übergehen. Das Initiativkomitee hat davon abgesehen, die in der Mehrheit der Kantone übliche Wahlbehörde, nämlich die Legislative, für diese Aufgabe vorzusehen und sie somit der Bundesversammlung zu belassen.

Es ist einerseits möglich, dass diese Änderung keine namhaften Auswirkungen haben würde. Bisher schon nahm die Bundesversammlung die Wahl nach der ungeschriebenen Regel vor, dass dasjenige Bundesratsmitglied Bundespräsidentin oder 57

Vgl. Ziff. 2.5

5694

Bundespräsident wird, das dieses Amt schon am längsten nicht mehr oder noch nicht bekleidet hat. Die Zahl der für das Amt erhaltenen Stimmen gilt zugleich als leiser Popularitätstest, der aber auf die Amtsführung keinen Einfluss hat. Mit der Wahl der Bundespräsidentin oder des Bundesratspräsidenten durch den Bundesrat würde dieses letztere, an sich wenig wichtige Element wegfallen.

Es könnte andererseits aber auch sein, dass bei einer Wahl der Bundesratsmitglieder durch das Volk das Amt der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten «politisiert» würde. Dieses Amt gäbe nämlich der entsprechenden Person bzw. ihrer Partei eine grössere Sichtbarkeit und könnte die Chancen für eine Wiederwahl der entsprechenden Person bzw. der entsprechenden Partei erhöhen. Es ist somit nicht auszuschliessen, dass die Wahl der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten inskünftig stärker durch parteipolitische Überlegungen geprägt sein könnte, z.B. indem die wählerstarken Parteien einen Anspruch auf eine häufigere Besetzung des Amtes der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten anmelden würden.

4.2.15

Offene Fragen zum Inkrafttreten und Übergangsrecht

Die Initiative würde am Tage ihrer allfälligen Annahme durch Volk und Stände in Kraft treten. Die mit der Volksinitiative eingeführten Bestimmungen der Bundesverfassung würden zu diesem Zeitpunkt die geltende Bestimmung ablösen.

Die vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen wären allerdings nicht direkt anwendbar. Artikel 175 Absatz 7 des Initiativtexts sieht richtigerweise vor, dass die Verfassungsbestimmungen in einem Ausführungsgesetz zu konkretisieren seien.

Darin wären die Einzelheiten des neuen Wahlverfahrens zu regeln (vgl. Ziff. 3.3.7).

Nach Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung müsste mit rund vier Monaten gerechnet werden, bevor das neue Recht für eine Bundesratswahl wirksam werden könnte (vgl. Ziff. 4.2.5). Man kann sich leicht ausrechnen, dass nach einer allfälligen Annahme der Verfassungsbestimmungen mehrere Jahre vergehen müssten, bis erstmals eine Volkswahl des Bundesrates stattfinden könnte; während dieser Zeit bliebe die Umsetzung der neu eingeführten Verfassungsbestimmungen hängig. Auf den politischen Behörden würde ein grosser Druck lasten, das neue Verfahren möglichst rasch einzuführen.

Damit es nicht zu einer unüberlegt angesetzten Bundesratswahl mit Pannen und Missgeschicken käme, würde der Bundesrat nach einer allfälligen Annahme der Initiative und dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen voraussichtlich wie folgt vorgehen: Er würde mit grosser zeitlicher Priorität die Ausführungsgesetzgebung nach Artikel 175 Absatz 7 gemäss Initiativtext vorbereiten und der Bundesversammlung unterbreiten. Darin wären auch Mindestfristen für die Vorbereitung der Bundesratswahlen vorzusehen. So könnte sichergestellt werden, dass allfällige Bundesratswahlen durch das Volk ordnungsgemäss durchgeführt und dass weder Parteien noch Behörden noch Stimmberechtigte durch das neue Verfahren überfordert würden.

5695

4.2.16

Finanzielle Auswirkungen

Eine Volkswahl des Bundesrates würde nach den Vorgaben der Volksinitiative als Majorzwahl in maximal zwei Wahlgängen stattfinden.

In den Bundesrat wählbar wäre jede mündige Person mit Schweizer Bürgerrecht (vgl. Ziff. 3.3.3), somit rund 5,1 Millionen Personen. Da kein gesamtschweizerisches zentrales Stimmregister existiert,58 würde der von der Initiative vorgeschlagene Wahlmechanismus ein obligatorisches Anmeldeverfahren mit Unterschriftenquoren (z.B. 1000 Unterschriften) voraussetzen. Die Stimmrechtsbescheinigungen müssten weiterhin in den Gemeinden eingeholt werden. Die Überprüfung der Stimmrechtsbescheinigungen, der Druck und die Verteilung der Wahlzettel an die Kantone würden durch die Bundeskanzlei vorgenommen.

Wie in Ziffer 4.2.5 erwähnt, gab es in den letzten sieben Legislaturperioden pro Legislaturperiode eine Erneuerungs- und zwei Ersatzwahlen. Würde bei Annahme der Volksinitiative die Häufigkeit von Ersatzwahlen gleich bleiben und würden je zwei Wahlgänge stattfinden, so ergäbe dies sechs Wahlgänge pro Legislaturperiode.

Bliebe es hingegen bei einer blossen Erneuerungswahl mit nur einem Wahlgang, so ergäbe dies einen Wahlgang pro Legislaturperiode.

Bei durchschnittlichen Kosten von 8 Millionen Franken pro Wahlgang für die gesamte öffentliche Hand muss pro Legislaturperiode mit minimal 8 Millionen und maximal 48 Millionen zusätzlichen Kosten gerechnet werden. Personell ist allein beim Bund mit einem Zusatzaufwand von einem halben bis anderthalb Personenjahren zu rechnen.

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Im Falle einer Annahme der Initiative wären vor allem folgende Vorteile zu erwarten:

58

­

Zusätzliches politisches Recht für das Volk: Die politischen Rechte würden um die Wahl des Bundesrates erweitert. Die Stimmberechtigten könnten unmittelbar auf dessen Zusammensetzung Einfluss nehmen. Es gäbe einen Zugewinn an demokratischer Mitwirkung.

­

Stärkung der Legitimität des Bundesrates: Der Bundesrat würde wie die Bundesversammlung durch das Volk gewählt und dadurch bezüglich demokratischer Legitimität auf die gleiche Stufe gestellt wie sie. Bei Auseinandersetzungen um politische Fragen und um Kompetenzen könnte er sich auf die Direktwahl durch das Volk berufen.

­

Nationale Debatte über die künftige Regierungspolitik: Die Wahl des Bundesrates böte die Chance für eine landesweite, d.h. alle Sprachregionen umfassende Debatte über die künftige Regierungspolitik. Die Bundesratswahlen würden durch die Medien stark beachtet. Dies könnte sich auf die Beteili-

Die Stimmregister werden von den nach kantonalem Recht zuständigen Amtsstellen (meistenorts in den Gemeinden) geführt.

5696

gung der Bürgerinnen und Bürger an Wahlen und Abstimmungen positiv auswirken.59 ­

Förderung der nationalen Kohäsion: Um ihre Wahlchancen zu verbessern, würden die Kandidatinnen und Kandidaten an Wahlveranstaltungen auch ausserhalb ihres eigenen Sprachgebiets teilnehmen. Sie würden sich mit den Fragen und Herausforderungen dieser Landesgegenden befassen. Diese Kontakte und Debatten könnten sich förderlich auf die nationale Kohäsion auswirken.

­

Kontinuität im Bundesrat: Wegen des erhöhten Aufwands und der grösseren Unsicherheiten bei der Wahl des Bundesrats würden vorzeitige Rücktritte möglicherweise seltener vorkommen, womit die Kontinuität im Bundesrat grösser würde.60

­

Erhöhte Transparenz bei den Bundesratswahlen: Die Bundesratssitze würden nicht mehr durch Absprache zwischen den Parteien bzw. Fraktionen verteilt, sondern durch das Volk bestimmt. Die Wahl des Bundesrates würde äusserlich transparenter.61

Diesen Vorteilen stehen Nachteile gegenüber, die insgesamt als weitaus bedeutsamer zu gewichten sind:

59

60 61

­

Parteiliche Interessen der Bundesratsmitglieder: Der Bundesrat als Ganzes und seine Mitglieder würden nicht mehr «über der Politik» stehen. Die Mitglieder des Bundesrates würden vielmehr als politische Akteure wahrgenommen, und ihre Rolle als Bundesratsmitglieder und Departementsvorsteher würde sich auf ungute Weise vermischen mit ihrer neuen Rolle als Aushängeschilder und Wahllokomotiven für ihre Partei und als erneut Kandidierende für den Bundesrat.

­

Gefährdung des Kollegialprinzips: Die Bundesratsmitglieder müssten im Interesse ihrer Wiederwahl stärker als heute mit den Medien kooperieren.

Diese würden Unstimmigkeiten und Konflikte innerhalb des Bundesratskollegiums an die Öffentlichkeit tragen. Dadurch könnte auch das Kollegialprinzip strapaziert werden. Es bräuchte sehr souveräne Persönlichkeiten im Bundesrat, um das Kollegialprinzip weiterhin loyal zu leben.

­

Überlastung des Bundesrates: Die Mitglieder des Bundesrates würden, vermutlich ab der zweiten Hälfte der Legislaturperiode, durch den Wahlkampf zeitlich stark belastet. Im Vergleich mit den kantonalen Regierungsmitgliedern, die sich ebenfalls periodisch zur Wiederwahl stellen müssen, sind sie wesentlich stärker belastet namentlich aufgrund von Sitzungen in den Kommissionen und im Plenum der beiden eidgenössischen Räte (Erstrat, Zweitrat, ggf. Differenzbereinigung) und aufgrund der internationalen VerflechVatter, Milic und Bucher (2012: 19) gehen bei der Simulation der Bundesratswahlen durch das Volk allerdings nicht davon aus, dass die Beteiligungsrate dauerhaft markant höher sein würde als bei den Nationalratswahlen. Sie rechnen mit einer Beteiligung von 50 Prozent.

Diese Entwicklung ist allerdings nicht zwingend, vgl. Ziff. 4.2.5. Zudem ist eine längere Amtsdauer von Bundesratsmitgliedern nicht notwendigerweise nur positiv zu gewichten.

Allerdings gäbe es Absprachen zwischen Parteien über die (gegenseitige) Unterstützung für Kandidatinnen und Kandidaten. Und mit der Volkswahl des Bundesrates würde vermutlich die Transparenz der Parteien- und Wahlfinanzierung noch stärker zum Thema als bisher.

5697

tung (Ministertreffen, bilaterale und multilaterale Kontakte). Sie könnten an die Grenzen ihrer Kapazitäten geraten, wodurch ihre Krisenfähigkeit geschmälert würde.

­

Schwächung des Parlaments: Mit der Wahl durch das Volk würde die Bundesversammlung eine wichtige Kompetenz verlieren; umgekehrt würde die Legitimität des Bundesrates gestärkt. Die beiden Gewalten stünden in Bezug auf ihre Legitimität auf der gleichen Ebene. Das Parlament würde höchstwahrscheinlich geschwächt. Unfruchtbare Kompetenzkonflikte zwischen den beiden Gewalten wären möglich. Zudem würde die Kontrolle des Bundesrates und der Bundesverwaltung durch die Bundesversammlung erschwert.

­

Gefahr von Blockierungen: Insbesondere in Fällen, wo die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates anders wäre als diejenige der Bundesversammlung, und wenn populistische Personen in den Bundesrat gewählt würden, könnte es vermehrt zu Blockierungen kommen, indem Vorlagen des Bundesrates Schiffbruch erleiden würden.

­

Stärkung der Landesparteien zulasten der Kantonalparteien: Auf die Landesparteien käme eine neue Aufgabe zu: die Organisation und Finanzierung der Bundesratswahlen. Mittelfristig würden sie zulasten der Kantonalparteien an Gewicht gewinnen.

­

Gefährdung des föderalistischen Gleichgewichts: Das vorgeschlagene Wahlverfahren würde im Vergleich zum bisherigen die bevölkerungsstarken Kantone leicht bevorzugen. Dadurch würden auch die Städte und die Agglomerationsgebiete zulasten der peripheren Gebiete begünstigt. Weiter würde gemäss neuem Recht nicht mehr sichergestellt, dass bei der Bundesratswahl die Landesgegenden angemessen berücksichtigt würden. Die Stärkung der Landesparteien zulasten der Kantonalparteien (s.o.) könnte in der Politik eine zentralistische Dynamik auslösen und das föderalistische Gleichgewicht ebenfalls gefährden. Ganz allgemein könnte bei der Volkswahl des Bundesrates weniger gut als bei der heutigen Wahl durch die Bundesversammlung darauf geachtet werden, dass gleichzeitig mehrere Kriterien (Eignung, Partei, Sprachzugehörigkeit, Landesgegend, Geschlecht) möglichst weitgehend berücksichtigt werden. Und schliesslich würden die Chancen des Kantons Tessin bzw. der italienischsprachigen Gebiete des Kantons Graubünden auf einen Bundesratssitz geschmälert.

­

Finanzielle Abhängigkeit der Parteien: Die Volkswahl des Bundesrates würde die finanzielle Abhängigkeit der Parteien von ihren Mitgliedern, von Firmen, von reichen Einzelpersonen oder von Lobbyorganisationen vergrössern.

­

Eine vermutlich unnötige, umgehungsanfällige und kontraproduktive Quotenregelung: Die für das lateinische Sprachgebiet vorgesehene Quote von zwei Bundesratsmitgliedern ist wegen des demografischen Gewichts der französischen und der italienischen Sprachgruppe vermutlich unnötig. Mit ihr würden Sprachenfragen ein Thema auf Bundesebene. Sprachkonflikte könnten sich möglicherweise über das Gebiet des jeweiligen Kantons ausbreiten. Je nach Ausführungsgesetzgebung gäbe es Umgehungsmöglichkeiten oder wäre die Regelung rigide. Jedenfalls könnte nicht wirkungsvoll dafür gesorgt werden, dass nur «wirkliche» Französisch- oder Italienisch-

5698

sprachige von der Quotenlösung profitieren. Die Regelung wäre für das Zusammenleben der Sprachgemeinschaften ungünstig: Das rätoromanische Sprachgebiet wurde bei der Regelung vergessen; die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete würden gegen einander ausgespielt. Zwischen dem Kanton Tessin und der restlichen Schweiz könnte sich ein Graben bilden. Die vorgeschlagene Quote wäre dem gegenwärtigen Verfahren der Wahl durch die Bundesversammlung, bei der neben der Eignung gleichzeitig auf die parteipolitische, die sprachliche und die regionale Herkunft sowie das Geschlecht der Kandidierenden geachtet wird, auf jeden Fall unterlegen.

­

Komplizierte und unverständliche Regelung: Die vorgeschlagene Quotenlösung und das Wahlsystem wären kompliziert und für die Bürgerinnen und Bürger kaum verständlich: In einem ersten und zweiten Wahlgang gälte das übliche Verfahren des Zusammenzählens der Stimmen. Falls aufgrund dieses Verfahrens nicht zwei Personen aus der lateinischen Schweiz gewählt würden, käme die Quotenlösung zum Tragen. Die Deutschweizer oder die rätoromanischsprachigen Kandidatinnen und Kandidaten mit der geringsten Stimmenzahl würden ausscheiden und die Stimmen der Kandidierenden aus der lateinischen Schweiz mittels eines komplizierten Verfahrens neu berechnet. Wie diese komplizierten Resultate sowie die Unterschiede im Ermitteln der Stimmenzahlen zwischen dem deutsch- und rätoromanischsprachigen Gebiet einerseits und dem lateinischen Sprachgebiet anderseits den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln wären, müsste sich erst noch weisen. Kandidierende aus der Westschweiz und den italienischsprachigen Gebieten hätten aufgrund von zwei möglichen Berechnungsverfahren Schwierigkeiten, die optimale Wahlstrategie (Priorität des Wahlkampfs auf eigenes Sprachgebiet oder die ganze Schweiz) zu bestimmen.

Abschliessend ist festzuhalten, dass die Volksinitiative ein Problem lösen will, das keines ist. Die Wahl der Bundesrätinnen und Bundesräte durch die Bundesversammlung ist seit Langem eine Erfolgsgeschichte. Der Bundesversammlung gelingt es seit je, ein Bundesratskollegium, seit 1984 bestehend aus Männern und Frauen, zu wählen, das die wichtigsten Parteien, die Landesgegenden und Sprachgruppen repräsentiert, das im Volk Anerkennung geniesst und dem es im Laufe langer Jahre gelungen ist, um die Klippen von Kriegen, Bedrohungen und Wirtschaftskrisen zu schiffen und neue Herausforderungen wie die europäische Einigung und die Globalisierung erfolgreich anzunehmen. Das geltende Verfahren für die Wahl in den Bundesrat hat mit dazu beigetragen, dass das Zusammenleben zwischen den Sprachgemeinschaften friedlich verlaufen ist, was zur Stabilität und Prosperität der Schweiz beigetragen hat. Es ist nicht einsichtig, warum ein dermassen bewährtes Wahlverfahren geändert werden soll.

4.4

Fazit

Zusammenfassend ist der Bundesrat der Meinung, dass es beim heute geltenden Verfahren der Wahl des Bundesrates keine Probleme gibt, die nach einer Remedur rufen. Die Wahl der Bundesrätinnen und Bundesräte durch die Bundesversammlung hat sich in hohem Masse bewährt und dazu beigetragen, dass es in unserem Land eine gute Zusammenarbeit zwischen den wichtigen politischen Institutionen gibt und dass die politischen Verhältnisse stabil sind. Eine Annahme der Initiative könnte 5699

diese wirkungsvolle Zusammenarbeit und politische Stabilität unserer Institutionen ­ mit ein Grund für die im internationalen Vergleich doch sehr wirkungsvolle Reaktion des Bundes auf kritische Ereignisse (z.B. Finanzkrise u.a.m.) ­ letztlich gefährden.

5

Kein direkter Gegenentwurf und kein indirekter Gegenvorschlag

Der Bundesrat hat verschiedene Möglichkeiten eines direkten Gegenentwurfs in Erwägung gezogen: ­

Die erste Möglichkeit bestünde darin, mit einem Gegenentwurf die Schwächen der vorliegenden Volksinitiative auszumerzen. Zu denken ist namentlich an folgende Verbesserungen: a. Mit einer Wahl des Bundesrates aufgrund des Proporzverfahrens anstelle des Majorzverfahrens (Art. 175 Abs. 2 Initiativtext) würde die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates grundsätzlich näher bei derjenigen der Bundesversammlung liegen. Dies würde die Gefahr von Blockierungen aufgrund einer unterschiedlichen parteipolitischen Zusammensetzung von Bundesrat und Bundesversammlung vermindern. Im Falle einer Proporzwahl könnte bei einem vorzeitigen Rücktritt aus dem Bundesrat (vgl. Ziff. 4.2.5) auch eine Ersatzwahl vermieden werden; der freiwerdende Bundesratssitz würde von der in der vergangenen Gesamterneuerungswahl nächstplatzierten Person besetzt.

b. Mit einem Verzicht auf eine Quote für das lateinische Gebiet würde ein kompliziertes, höchstwahrscheinlich unnötiges und umgehungsanfälliges Verfahren vermieden.

Der Bundesrat verzichtet auf einen solchen Gegenentwurf, weil er der Meinung ist, dass damit gegenüber dem Initiativtext keine bedeutenden Vorteile resultieren würden, während die Nachteile der Bundesratswahl durch das Volk bestehen blieben.

­

Die zweite Möglichkeit wäre eine umfassende Regierungsreform, wie sie namentlich Andreas Auer vorgeschlagen hat (vgl. Fussnote 39). Damit ginge man aber weit über die mit der vorliegenden Volksinitiative verfolgten Anliegen hinaus. Mit einem solchen Vorschlag würden die aufgezeigten Nachteile der Volkswahl des Bundesrates ebenfalls weiterbestehen. Zudem hat das Parlament im Rahmen der Staatsleitungsreform den Vorschlag einer zweistufigen Regierung abgelehnt. Eine Verkleinerung des Bundesrates auf bloss drei Personen ginge im Übrigen unseres Erachtens zu weit: Es wäre nicht mehr gewährleistet, dass die wichtigsten Sprachgruppen und Parteien darin vertreten wären. Eine dermassen weitreichende Reform wäre kaum mehrheitsfähig.

­

Die dritte Möglichkeit wäre die Wahl des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin durch das Volk. Damit würde aber das bisherige Konzept des Bundesrates als Gremium gleichberechtigter Mitglieder aufgegeben. Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident würden gegenüber den übrigen Mitgliedern über erhöhte Legitimität verfügen. Die Politisierung des Präsidiums wäre mit heiklen Fragen bezüglich der Vertretung der Landesgegen-

5700

den und der Sprachregionen verbunden. Deshalb soll am herkömmlichen System der Bestimmung der Bundespräsidentin bzw. des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung festgehalten werden.

62

­

Die vierte Möglichkeit bestünde in der Beschränkung der Wählbarkeit in den Bundesrat auf Mitglieder der Bundesversammlung. Die Bundesratsmitglieder müssten sich dem Test der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in ihrem Kanton stellen. Damit würde die während der Alleinvertretung der Freisinnigen im Bundesrat (1848­1891) bestehende Usanz wieder aufleben, dass die Bundesratsmitglieder sich durch Beteiligung an den Nationalratswahlen einer «Schönheitskonkurrenz» unterstellten und sich des Rückhalts im Volk versicherten (vgl. dazu Schweizerische Bundeskanzlei 2011). Mit dem Eintritt der Katholisch-Konservativen (heute CVP) in den Bundesrat und mit dem gleichzeitigen Übergang von der Konkurrenz- zur Konkordanzdemokratie bestand dafür allerdings kein Bedarf mehr: Die Legitimation innerhalb der damaligen Einparteienregierung durch die «Schönheitskonkurrenz» machte den Mechanismen der direkten Demokratie (Einführung der Volksinitiative auf Partialrevision der Bundesverfassung im Jahre 1891) und der Parteienkonkurrenz Platz. Eine Beschränkung der Wählbarkeit in den Bundesrat auf Mitglieder der Bundesversammlung würde auch das Reservoir an fähigen Personen vermindern62. Mitglieder kantonaler Regierungen, welche die Wählbarkeit in den Bundesrat sicherstellen möchten, müssten mit der zusätzlichen Vertretung in der Bundesversammlung ein Doppelmandat anstreben; solche Doppelmandate sind in verschiedenen Kantonen (BE, GL, FR, SH, GR, TI, VD, GE, JU) nicht gestattet. Eine vorgängige Wahl in die Bundesversammlung bei den für den Bundesrat Kandidierenden würde einen zusätzlichen Aufwand erfordern, ohne dass damit die Legitimität erheblich gesteigert würde.

­

Eine fünfte Möglichkeit wäre eine Vertrauensabstimmung durch das Volk.

Mit einfachem Mehr könnte das Volk den Bundesräten, die sich zur Wiederwahl stellen, das Vertrauen aussprechen und sie in den Bundesrat wiederwählen; die übrigen erneut kandidierenden Bundesratsmitglieder und die neuen Kandidatinnen und Kandidaten würden durch die Bundesversammlung gewählt (Hermann 2011a: 132­145). Diese Lösung wäre mit ähnlichen Problemen wie die Volkswahl des Bundesrates behaftet; zudem gäbe es Bundesratsmitglieder unterschiedlicher Legitimation.

­

Eine sechste Möglichkeit eines Gegenentwurfs wäre ein Abberufungsrecht.

Mit einem neuen Volksrecht, dem Abberufungsrecht von amtierenden Bundesratsmitgliedern, könnten beispielsweise 50 000 Bürgerinnen und Bürger eine Abstimmung über die Abberufung eines oder mehrerer amtierender Bundesräte verlangen. Diese Möglichkeit wurde in der Bundesversammlung bereits geprüft und verworfen (vgl. Ziff. 2.6). Die bisherige Stabilität des Bundesrates, die auch einen wichtigen Beitrag zur Regierbarkeit unseres Landes leistet und Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen hilft, würde aufs Spiel gesetzt; der Bundesrat würde erpressbar durch Lobbygruppen.

Zudem hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass unter dem Druck der So waren in den letzten 30 Jahren folgende Mitglieder des Bundesrats zum Zeitpunkt ihrer Wahl nicht Mitglieder der Bundesversammlung: Otto Stich, René Felber, Ruth Dreifuss, Ruth Metzler, Micheline Calmy-Rey und Eveline Widmer-Schlumpf.

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Öffentlichkeit mehrere Bundesratsmitglieder von selbst zurückgetreten sind.63 Ein Abberufungsrecht als direkter Gegenentwurf würde überdies dem eigentlichen Gegenstand der vorliegenden Volksinitiative, der Wahl des Bundesrates durch das Volk, nicht mehr entsprechen.

Ein weiterer Weg wäre das Vorlegen eines indirekten Gegenvorschlags. Zu denken ist namentlich an folgende Möglichkeiten: ­

Mit der Wahl des Bundesrates auf unveränderbaren Listen würden die Parteien veranlasst, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, woraus eine kohärentere Politik resultieren könnte. Ob ein solcher Vorschlag auf Verfassungs- oder Gesetzesebene zu verwirklichen wäre, ist offen.

­

Mit einer parallelen Einzelwahl des Bundesrates sollten taktische Schachzüge bei Bundesratswahlen erschwert werden.

Diese und weitere Möglichkeiten von Änderungen des Wahlverfahrens wurden in der Bundesversammlung bereits eingehend geprüft und verworfen (vgl. Ziff. 2.6).

Der Bundesrat schliesst sich dieser skeptischen Beurteilung an und verzichtet auf einen indirekten Gegenvorschlag.

6

Schlussfolgerungen

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Volkswahl des Bundesrates» Volk und Ständen zur Abstimmung vorzulegen mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen. Die Volksinitiative würde das bisherige Wahlverfahren, das als Erfolgsgeschichte zu werten ist, durch ein System ersetzen, das für alle Beteiligten sehr viel aufwendiger wäre und das Potenzial hätte, die Stabilität unserer Institutionen sowie das föderalistische Gleichgewicht empfindlich zu stören.

63

Vgl. Fn. 5.

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