Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 20. April 2012 und im Zirkularverfahren vom 3. Mai 2012, gestützt auf Artikel 321bis des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0); Artikel 1, 3, 9, 10 und 11 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG; SR 235.154); in Sachen Ente Ospedaliero Cantonale (EOC), Bellinzona, betreffend Gesuch vom 22. November 2011 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, verfügt: 1. Bewilligungsnehmer Dem Ente Ospedaliero Cantonale (EOC) wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absätze 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt. Verantwortlich für die Bewilligungsforschung am EOC ist Dr. med. Fabrizio Barazzoni, MPH, Leiter medizinischer Bereich der ärztlichen Direktion.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des EOC sowie den dort betreuten Doktorandinnen und Doktoranden gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens nicht anonymisierte Patientendaten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Dateninhaber dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten EOC. Sofern Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten externer Spitäler oder Kliniken, medizinischer Institute oder frei praktizierender Ärztinnen und Ärzte angewiesen sind, oder wenn externen Forschenden Einblick in nicht anonymisierte Daten des EOC gewährt werden muss, ist bei der Expertenkommission ein Gesuch um Erhalt einer Sonderbewilligung einzureichen.

2. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, den Krankengeschichten des EOC die für interne Forschungsprojekte relevanten Daten zu entnehmen.

3. Bedingungen Wenn die Einwilligung der betroffenen Personen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig
grosse Schwierigkeiten und ohne dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf die vorliegende Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

2012-1608

6913

Wenn ein Forschungsprojekt mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, dürfen keine nicht anonymisierten Daten gestützt auf die vorliegende Bewilligung verwendet werden.

Die den Krankengeschichten für Forschungsprojekte entnommenen Daten müssen zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert bzw. pseudonymisiert werden.

Die betroffenen Personen müssen über ihre Rechte informiert sein, insbesondere über die Möglichkeit, die Verwendung ihrer Daten zu Forschungszwecken zu untersagen (Vetorecht). Daten, deren Weitergabe durch die berechtigte Person untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

4. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten Ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Doktorandinnen und Doktoranden des EOC dürfen zu Forschungszwecken mit der Einwilligung des Verantwortlichen für die Bewilligungsforschung auf Datenmaterial aus den spitaleigenen Krankengeschichten Zugriff nehmen. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff wiederum die Einwilligung des Verantwortlichen für die Bewilligungsforschung einzuholen.

5. Dauer der Datenaufbewahrung Die Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der für das Projekt verwendeten Personendaten hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

6. Erkennungsmerkmale Das EOC muss sicherstellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen die betroffenen Personen nicht identifizierbar sind.

7. Auflagen a)

Für jedes gestützt auf die vorliegende Bewilligung durchzuführende Forschungsprojekt muss das EOC eine Unbedenklichkeitserklärung der zuständigen kantonalen Ethikkommission einholen. Erteilt die Ethikkommission die Unbedenklichkeitserklärung nicht, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die vorliegende generelle Bewilligung durchgeführt werden. Das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt für solche Fälle aber vorbehalten.

b)

Personendaten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugten Zugriff geschützt werden.

c)

Das EOC hat seine Patientinnen und Patienten systematisch darüber zu informieren, dass Personendaten zu Forschungszwecken verwendet werden können und dass diese Verwendung untersagt werden kann (Vetorecht).

Wird das Vetorecht ausgeübt, so muss die Krankengeschichte einen entsprechenden Vermerk tragen. Der Bewilligungsnehmer muss die Beachtung des Vetorechts sicherstellen.

d)

Das EOC hat die gestützt auf die vorliegende Bewilligung durchgeführten Forschungsprojekte zu registrieren und sie einmal jährlich dem Sekretariat der Expertenkommission zu Handen des Präsidenten zu melden. Die Meldung muss folgendes beinhalten:

6914

­ ­ ­ ­ ­

e)

den Titel des Forschungsprojekts; die Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck; den Namen des verantwortlichen Projektleiters oder der verantwortlichen Projektleiterin; die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen; für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer Unbedenklichkeitserklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss Buchstabe a).

Das EOC hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses dem Sekretariat der Expertenkommission zu Handen des Kommissionspräsidenten zukommen zu lassen.

Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion und unter welchen Bedingungen Mitarbeitende des EOC zu Forschungszwecken Zugriff auf personenbezogene Daten erhalten. Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, dürfen keinen Zugriff auf nicht anonymisierte Daten erhalten. Externen Institutionen oder externen Forschenden dürfen Daten nur in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden.

f)

Zugriffsberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen. Das EOC bewahrt die unterschriebenen Erklärungen zu Handen der Expertenkommission, bzw. für den Fall einer Kontrolle zu Handen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, auf.

8. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft erteilt.

Treten vor Ablauf der Bewilligungsdauer Änderungen bezüglich nachstehender Punkte ein, so sind diese der Expertenkommission unverzüglich zu melden: ­

Wechsel des Verantwortlichen für die Bewilligungsforschung (vgl. Ziff. 1);

­

Änderung in der Organisations- oder Verwaltungsstruktur des EOC;

­

Änderung in der Datenverwaltung;

­

Änderung des Zugriffsreglements.

Die Expertenkommission entscheidet nach Eingang der entsprechenden Meldung, ob ein neuer, ergänzender Bewilligungsentscheid gefällt werden muss.

9. Frist zur Auflagenerfüllung Dem EOC wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 7 Buchstaben b, c, e und f eine Frist von sechs Monaten ab Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

6915

10. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann gemäss Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bzw. Publikation beim Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 3000 Bern 14 (ab 1. Juli 2012: Postfach 9023 St. Gallen), Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen.

11. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem EOC und dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031 323 35 80) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

10. Juli 2012

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Vizepräsident: Rudolf Bruppacher

6916