12.035 Botschaft zum Bundesbeschluss über die Einsätze der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden vom 2. März 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines einfachen Bundesbeschlusses über die Einsätze der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. März 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0327

3621

Übersicht Die Einsätze der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen (Amba Centro) und bei den Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr (Tiger) sollen im Sinne einer Übergangslösung bis Ende 2015 in reduzierter Form verlängert werden.

Ausgangslage Der sicherheitspolitische Bericht 2010 und der Bericht zum Postulat Malama haben die grundlegenden Fragen zur Zukunft des Schutzes von ausländischen Vertretungen und von Niederlassungen internationaler Organisationen (Botschaftsschutz) geklärt.

Bis diese Klärungen vorlagen, konnte die Arbeitsgruppe Botschaftsschutz nicht weiterarbeiten. Diese Verzögerung um rund ein Jahr macht eine Übergangsregelung erforderlich, weil Zürich, Bern, Waadt und Genf nicht mehr in der Lage sind, ab dem 1. Januar 2013 Armeeangehörige durch Polizisten oder Botschaftsschützer zu ersetzen. Deren Auswahl und Ausbildung nimmt mehr Zeit in Anspruch.

Inhalt der Vorlage Gestützt auf die Empfehlungen der politischen Plattform des Konsultations- und Kooperationsmechanismus des Sicherheitsverbundes Schweiz vom 1. Februar 2012 beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung, die Assistenzdiensteinätze der Armee für Amba Centro und für Tiger um drei Jahre (2013­2015) zu verlängern, allerdings in kleinerem Umfang als bisher.

Beim Botschaftsschutz soll die Zahl der eingesetzten Armeeangehörigen in den Jahren 2013 und 2014 sukzessiv auf 80 gesenkt werden. Im Jahr 2015 soll diese Zahl wenn möglich weiter gesenkt werden.

Bei den Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr soll die Zahl der als Air Marshals (Tiger) eingesetzten Angehörigen der Militärischen Sicherheit in den Jahren 2013 und 2014 von bisher maximal 20 auf maximal 10 halbiert werden. Hingegen soll deren Einsatz als Ground Marshals (Fox) schon 2012 ganz auslaufen.

Die Aufwendungen für den Schutz ausländischer Vertretungen belaufen sich gegenwärtig auf total 38,78 Millionen Franken pro Jahr, davon gehen 2,54 Millionen Franken zulasten der Kantone. Mit der vom Bundesrat beantragten Übergangsregelung reduzieren sich die Gesamtkosten geringfügig auf 38,355 Millionen Franken, hingegen steigt der Anteil der Kantone auf 3,132 Millionen Franken.

3622

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Problemstellung

Mit den Bundesbeschlüssen vom 19. Dezember 20071 hat die Bundesversammlung die Verlängerung der Assistenzdiensteinsätze der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen (Einsatz Amba Centro), zur Verstärkung des Grenzwachtkorps bei den Grenzschutzaufgaben (Einsatz Lithos) und bei Sicherheitsmassnahmen im zivilen Luftverkehr (Einsatz Tiger/Fox) bis längstens zum 31. Dezember 2012 genehmigt. Während die Einsätze Lithos und Tiger/Fox politisch weitgehend unbestritten blieben, gab der Einsatz Amba Centro immer wieder zu kontroversen Diskussionen Anlass.

Die Armee unterstützt die zivilen Behörden bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben, nämlich bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Die eigentliche Grundlast dieser Aufgaben tragen im Bereich der inneren Sicherheit gemäss der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung die Kantone. Die Armee soll erst dann eingesetzt werden, wenn es um die Bewältigung der Spitzenlast geht. Die Armee als sicherheitspolitisches Instrument des Bundes sowie die Militärverwaltung (Departementsbereich Verteidigung des VBS) haben keine autonomen Kompetenzen im Bereich der inneren Sicherheit; ihre Rolle ist komplementär und subsidiär.

Seit Jahren wird den Fragen der inneren Sicherheit erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt; im Fokus des Interesses stehen dabei die Gesetzgebungspraxis des Bundes und die komplexe, nicht ohne Weiteres nachvollziehbare Ausgestaltung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich der inneren Sicherheit.

Auch die diversen sicherheitsrelevanten Unterstützungsleistungen des Bundes für die Kantone haben zu Kontroversen geführt und waren Anstoss für zahlreiche parlamentarische Vorstösse.

Bei der Vorbereitung dieser Vorlage kamen erstmals die Organe des Sicherheitsverbundes Schweiz (SVS) zum Tragen. Der Bundesrat hat im sicherheitspolitischen Bericht 20102 die Schaffung eines Konsultations- und Koordinationsmechanismus (KKM) angekündigt. Dessen Gremien (politische Plattform, Steuerungsausschuss, erweiterter Steuerungsausschuss) haben sich 2011 konstituiert. Der Dialog zwischen dem Bund, den betroffenen Kantonen und der Stadt Zürich über die Zukunft der Armeeeinsätze wurde in diesen Gremien geführt.

Mit dem Postulat Malama (10.3045;
Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen) wurde der Bundesrat beauftragt, einen Bericht über die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung und die tatsächliche Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich der inneren Sicherheit zu erstellen und dabei zu prüfen, ob die bestehende Kompetenzaufteilung den heutigen Umständen und Herausforderun-

1 2

BBl 2008 169 171 173 BBl 2010 5133

3623

gen genügt. Zudem soll der Bericht die Frage beantworten, wie eine allfällige verfassungsrechtliche Neuordnung auf dem Gebiet der inneren Sicherheit auszusehen hätte.

1.1.2

Schutz ausländischer Vertretungen

Es ist primär Sache der Kantone, in ihrem Hoheitsgebiet die Sicherheit derjenigen Personen und Gebäude zu gewährleisten, die unter völkerrechtlichem Schutz stehen.

Der Bund berät, koordiniert und unterstützt wo nötig. Zum Schutz ausländischer Vertretungen (Amba Centro) arbeiten die Polizeikorps der Kantone Bern, Waadt und Genf sowie der Stadt Zürich mit der Armee zusammen. Einzig die Stadt Zürich verfügt über ein städtisches Polizeikorps, das im Auftrag des Kantons die völkerrechtlichen Schutzpflichten im Stadtgebiet erfüllt. In den übrigen Kantonen fällt diese Pflicht aus organisatorischen (Einheitspolizei in Bern und Genf) oder geografischen Gründen (Waadt) in die Zuständigkeit der Kantonspolizei.

Von 1994 bis 1998 wurden ausschliesslich Angehörige der Militärischen Sicherheit (dannzumal Angehörige des Festungswachtkorps) eingesetzt. Ab 1999 standen erstmals WK-Truppen im Einsatz. Seit 2010 wird der Schutz ausschliesslich durch Angehörige der Militärischen Sicherheit und Durchdiener der Infanterie im Assistenzdienst geleistet. Es handelt sich um eine Aufgabe, die sich aus den völkerrechtlichen Schutzpflichten ergibt und sich auf Artikel 1 Absatz 3 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19953 (MG) und die Verordnung vom 3. September 19974 über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen (VSPS) stützt. Der Bund leistet, gestützt auf Artikel 28 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 21. März 19975 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS), den involvierten Polizeikorps eine Abgeltung für ihre Aufwendungen zur Erfüllung der völkerrechtlichen Schutzpflichten.

In Genf werden aufgrund von Rekrutierungsschwierigkeiten gegenwärtig Polizisten, Sicherheitsassistenten (assistants de sécurité publique), private Sicherheitsagenten sowie Angehörige der Militärischen Sicherheit und Durchdiener eingesetzt. Da in der Westschweiz bislang zu wenige Angehörige der Militärischen Sicherheit vorhanden sind, mussten auch solche aus anderen Landesgegenden abkommandiert werden, was zusätzliche Spesen verursachte. Im Kanton Waadt befindet sich nur ein zu schützendes Objekt, das von Polizisten und privaten Sicherheitsagenten geschützt wird. In Bern werden Polizeiassistenten, Angehörige der Militärischen Sicherheit und Durchdiener eingesetzt. In Zürich werden ausschliesslich Angehörige der Militärischen
Sicherheit eingesetzt. Der Einsatz von polizeilichen Botschaftsschützern ist in Zürich wirtschaftlich nicht sinnvoll, weil zu wenige benötigt werden, als dass sich ein spezieller Ausbildungslehrgang bei der Stadtpolizei lohnen würde.

Der Bundesrat hat im sicherheitspolitischen Bericht 2010 mehr Zurückhaltung bei dauernden subsidiären Sicherungseinsätzen in Aussicht gestellt. Das spricht gegen eine Fortführung des Botschaftsschutzes mit Angehörigen der Militärischen Sicherheit und Durchdienern. Am 29. Juni 2011 hat der Bundesrat erste Entscheide für die Zukunft des Botschaftsschutzes gefällt: Das bisherige Schutzniveau soll beibehalten 3 4 5

SR 510.10 SR 513.73 SR 120

3624

werden; besonders exponierte Vertretungen sollen weiterhin permanent überwacht werden. Bei der Umsetzung dieser Vorgaben ab 2013 sollen haushaltneutrale Lösungen angestrebt werden. Dabei soll die Regelung, dass 90 % der Kosten durch den Bund getragen werden, nach Auffassung der politischen Plattform des KKM SVS nicht verändert werden.

Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) signalisiert, dass der dauernde Einsatz privater Sicherheitskräfte im Botschaftsschutz aus staatspolitischen Gründen nicht akzeptabel sei. Diese Haltung wird auch von der Stadtpolizei Zürich vertreten, die im Botschaftsschutz im Gegensatz zur aktuellen Praxis in den Kantonen Waadt und Genf ebenfalls keine polizeilichen Sicherheitsassistenten oder Botschaftsschützer einsetzen will.

1.1.3

Verstärkung des Grenzwachtkorps

Der Bundesrat hat am 25. Mai 2011 beschlossen, den Assistenzdienst der Armee zur Verstärkung des Grenzwachtkorps (GWK) Ende 2012 auslaufen zu lassen. Ab dem 1. Januar 2013 erbringt die Armee für das GWK keine direkten Sicherheitsleistungen mehr, sondern nur noch technische Leistungen. Es handelt sich dabei um keinen Armeeeinsatz, sodass kein Bundesbeschluss erforderlich ist.

Die künftige Unterstützung des GWK mit luftgestützten Überwachungsmitteln erfolgt nicht mehr aufgrund von Artikel 1 MG, sondern gestützt auf Artikel 181 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 20086 über die militärischen Informationssysteme, wonach die zivilen Behörden luftgestützte Überwachungssysteme der Armee (Drohnen, Helikopter mit Forward Looking Infrared FLIR) anfordern können. Dabei werden technische Leistungen erbracht. Über solche Unterstützungseinsätze entscheidet die Armee, bei Einsätzen von besonderer politischer Tragweite das VBS. Sie erfolgen gestützt auf die Verordnung vom 8. Dezember 19977 über den Einsatz militärischer Mittel für zivile und ausserdienstliche Tätigkeiten.

Die Unterstützung folgt dem Grundgedanken, dass die Armee den zivilen Behörden Mittel zur Verfügung stellen kann, über welche diese nicht verfügen. Es wäre unwirtschaftlich, wenn z.B. das GWK oder ein Polizeikorps eigene luftgestützte Mittel beschaffen würden. Die Modalitäten werden in Verwaltungs- bzw. Leistungsvereinbarungen8 geregelt. Das VBS berichtet den sicherheitspolitischen Kommissionen jährlich über solche Einsätze.

1.1.4

Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr

Seit 2001 wird die Armee zugunsten der Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr eingesetzt (Einsatz Tiger/Fox) und zwar ebenfalls im Assistenzdienst9. Gesetzliche Grundlage dafür sind neben dem Artikel 1 Absatz 3 MG der Artikel 12 Absatz 1 des

6 7 8 9

SR 510.91 SR 513.74 Rahmenvereinbarung zwischen dem VBS und dem EFD sowie Leistungsvereinbarungen zwischen dem Führungsstab der Armee und dem Kommando des GWK.

Bundesratsentscheide vom 24. März 2004, 26. Mai 2004 und 5. Oktober 2004.

3625

Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 194810 (LFG) sowie die Artikel 122c und 122e der Luftfahrtverordnung vom 14. November 197311 (LFV).

Eingesetzt werden gegenwärtig Angehörige von Polizeikorps, des GWK und der Militärischen Sicherheit sowie vereinzelt auch Angehörige des Bundessicherheitsdienstes (BSD) als Sicherheitsbeauftragte an Bord von Linienflugzeugen (Air Marshal, Tiger, bewaffnet) sowie zur Beurteilung der Sicherheitslage auf bestimmten ausländischen Flughäfen (Ground Marshal, Fox, unbewaffnet). Bislang konnten maximal 20 Angehörige der Militärischen Sicherheit eingesetzt werden. Eine Vereinbarung zwischen dem EJPD und der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) regelt den Beitrag der Polizei. Die Kantone waren jedoch nicht immer in der Lage, die vereinbarte Anzahl Polizistinnen und Polizisten zu stellen.

Gemäss dem Bundesamt für Polizei gibt es keine allgemein verbindlichen internationalen Bestimmungen über Schutzmassnahmen im Luftverkehr: Jeder Staat ergreift die Massnahmen, die er gegen Erpressbarkeit durch Flugzeugentführungen oder Attentate in Flugzeugen für angezeigt hält.

Die Einsätze können alle in der Schweiz immatrikulierten Fluggesellschaften betreffen, in der Praxis werden rund 95 % der Sicherheitsleistungen für die Swiss erbracht.

Der BSD betrachtet die Swiss als besonders gefährdet, weil sie am ehesten in Verbindung mit der Schweiz gebracht wird. Sicherheitsbeauftragte an Bord von Linienflugzeugen werden weltweit von rund 30 Ländern eingesetzt, in Europa z.B. von Frankreich, Deutschland, Österreich, Holland, Polen und Tschechien, ausserhalb Europas z.B. von Israel, den USA, Kanada, Australien, China und Japan.

Gemäss der im sicherheitspolitischen Bericht 2010 geäusserten Zurückhaltung bei dauernden subsidiären Sicherungseinsätzen soll auch bei den Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr der Einsatz von Armeeangehörigen so weit als möglich verringert werden.

Auf Ende 2012 ganz auslaufen lassen will hingegen der Bundesrat den Einsatz von Angehörigen der Militärischen Sicherheit zur Beurteilung der Sicherheitslage auf bestimmten ausländischen Flughäfen (Einsatz Fox). Dieser Einsatz als Bodenpersonal der Fluggesellschaft Swiss hat nicht den Charakter eines Armeeeinsatzes und es gibt keinen Ermessensspielraum, das Engagement der Angehörigen der Militärischen
Sicherheit ausserhalb eines Armeeeinsatzes anzusiedeln. Die unbewaffnete Tätigkeit der sogenannten Ground Marshals ist indessen unbedenklich, soll aber künftig nur noch von Angehörigen von Polizeikorps und des GWK ausgeübt werden. Dazu ist kein Bundesbeschluss erforderlich.

1.2

Die Bedrohungslage

1.2.1

Ausländische Vertretungen

Zu den sicherheitspolitischen Aufgaben gehören auch die völkerrechtlichen Schutzpflichten, die im Wesentlichen den Kantonen obliegen. Der Bund muss aber, im Rahmen seiner verfassungsmässigen Zuständigkeiten (Art. 54 Abs. 1 und 57 Abs. 4 10 11

SR 748.0 SR 748.1

3626

der Bundesverfassung12 [BV]) dafür einstehen, dass alle Massnahmen getroffen werden, die für die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz erforderlich sind.

Gemäss BWIS ist das Bundesamt für Polizei zuständig für die laufende Bedrohungsanalyse im Zusammenhang mit dem Schutz von ausländischen Vertretungen und von Niederlassungen internationaler Organisationen. Die Lagebeurteilungen erfolgen unter Einbezug zahlreicher Parameter und Indikatoren. Darunter befinden sich nebst den statistischen Erfahrungswerten auch Einschätzungen der politischen Beziehungen, Bewertungen aktueller Ereignisse, des Umfeldes, der Potenziale und Absichten von Gruppierungen im Inland sowie auch die Berücksichtigung von Anzeichen wachsender Gefährdungen.

Die Ereignisse vom 11. September 2001 in den USA sowie in der Folge weitere gegen die westliche Welt gerichtete Anschläge wirken sich noch heute auf die Gefährdungslage für die diplomatischen Einrichtungen aus. Der Staatengemeinschaft ist es nach wie vor nicht gelungen, das Potenzial radikaler Terrorgruppen nachhaltig einzudämmen. Die Schweiz dürfte aber weiterhin kein Hauptziel für terroristische Gruppen darstellen. Trotzdem bleibt die Gefahr bestehen, dass extremistische Zellen aktiv werden können. Besonders die Vertretungen von Verbündeten der USA im Kampf gegen den Terrorismus gelten als mögliche Angriffsziele.

Zudem gibt es in der Schweiz mehrere ausländische extremistische Gruppierungen, die jederzeit in der Lage sind, gewalttätig aufzutreten. Aber auch gewalttätige politische und ethnische Gruppen stellen durch ihr Vorgehen eine Bedrohung der Sicherheitslage dar. Eine weitere Radikalisierung der verschiedenen politischen Anliegen kann nicht ausgeschlossen werden. Die Gewaltbereitschaft dieser Akteure könnte daher im Zusammenhang mit den verschiedensten Themen und Konflikten weltweit, aber auch in der Schweiz zu Gewalttaten führen.

Vertretungen von Staaten, die in Konfliktzonen liegen oder in Konflikten engagiert sind, bleiben wie im übrigen Europa auch in der Schweiz am meisten gefährdet.

Einer generell erhöhten Gefährdung unterliegen zudem die Grossmächte, die übrigen Nuklearstaaten, die im Ausland militärisch engagierten Nationen und Länder mit innenpolitischen gewaltsamen Oppositionen. Internationale, nationale oder regionale Konflikte bieten
gewaltbereiten Kreisen stets aufs Neue Anlass, ihre politischen Anliegen medienwirksam zur Geltung zu bringen.

In diesem Zusammenhang hat der arabische Frühling dazu geführt, dass in der Schweiz lebende Bürgerinnen und Bürger dieser Länder bei den diplomatischen Vertretungen mit teilweise gewalttätigen Aktionen in Erscheinung getreten sind.

Solche Vorfälle vor und teilweise auch in diplomatischen Einrichtungen haben einerseits die Notwendigkeit der Sicherheitsmassnahmen gegenüber den am stärksten gefährdeten ausländischen Vertretungen unterstrichen und andererseits lageabhängig zu befristeten Anpassungen der Sicherheitsmassnahmen gegenüber anderen Vertretungen geführt. Für die Konfliktherde weltweit ist mittelfristig keine nachhaltige Entspannung in Sicht, sodass von einer unverändert erhöhten Gefährdung ausgegangen werden muss.

12

SR 101

3627

1.2.2

Sicherheit des zivilen Luftverkehrs

Für die laufende Bedrohungsanalyse bezüglich des zivilen Luftverkehrs ist ebenfalls das Bundesamt für Polizei zuständig. Dabei schätzt es die Bedrohung durch terroristische Zellen, die meist ideologisiert durch die Al-Qaïda autonom operieren, nach wie vor als hoch ein. Flüssigkeiten, Spraydosen und Gels stellen weiterhin ein akutes Bedrohungselement dar, da eine grosse Anzahl von Flughäfen nicht über die entsprechenden Detektionsgeräte verfügen und solche Mittel in die Flugzeuge gebracht werden können.

Die im Oktober 2010 versuchten Anschläge mit Sprengsätzen in Druckerpatronen auf zwei Flügen mit Ziel Chicago, die nur dank nachrichtendienstlichen Hinweisen verhindert werden konnten, unterstreichen die Gefährdung. Dabei dürften sowohl Passagier- als auch Frachtflugzeuge als Ziele für Anschläge bzw. Entführungen in Frage kommen. Als weitere Sicherheitsrisiken sind die verschiedenen Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie Afrikas zu betrachten, die aufgrund ungenügender Sicherheitskontrollen auf ihren Flughäfen eine Gefährdung für den Luftverkehr darstellen, wie verschiedene Anschlagsversuche in den letzten drei Jahren verdeutlichen.

Der Luftverkehr stellt auch weiterhin ein besonders lohnendes Anschlagsziel dar.

Anschläge auf Luftfahrzeuge sind sehr symbolträchtig und erzeugen eine hohe Medienwirksamkeit. Zudem können durch Anschläge im Bereich des Luftverkehrs hohe Opferzahlen erreicht werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse sind die Sicherheitsmassnahmen im zivilen Luftverkehr auf dem bisherigen Niveau weiterzuführen.

1.3

Bedürfnisse und Gesuche der zivilen Stellen

1.3.1

Schutz ausländischer Vertretungen

Auch nach 2012 haben die Kantone Zürich, Bern, Waadt und Genf sowie die Stadt Zürich die Aufgabe, die Sicherheit der ausländischen Vertretungen in ihrem Gebiet zu gewährleisten. Der Bundesrat hat am 29. Juni 2011 beschlossen, am bisherigen Schutzniveau festzuhalten. Darüber besteht Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen und der Stadt Zürich; ihre Bedürfnisse wurden im Rahmen des SVS geklärt.

Die politische Plattform des KKM SVS (Chef VBS, Chefin EJPD, Präsidentin KKJPD, Präsident der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr) hat an ihrer Sitzung vom 29. Juni 2011 der Arbeitsgruppe Schutz ausländischer Vertretungen folgenden Auftrag erteilt: Erarbeitet auf der Basis des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juni 2011 bis Ende 2011 ein Konzept zur Umsetzung des Schutzes der Botschaften, Konsulate und Residenzen in den Kantonen Bern, Zürich, Genf und Waadt nach Auslaufen des Bundesbeschlusses Ende 2012. Dabei ist von der Beibehaltung des heutigen Schutzniveaus auszugehen, und es sind haushaltneutrale Varianten (allenfalls mit geringen Abweichungen nach oben) zu unterbreiten.

In der Arbeitsgruppe waren neben den betroffenen Kantonen und der Stadt Zürich, den interkantonalen Konferenzen KKJPD und KKPKS auch alle am Botschaftsschutz beteiligten Stellen des Bundes vertreten. Die Arbeitsgruppe gelangte zu den folgenden grundsätzlichen Erkenntnissen: 3628

­

Auch künftig werden 341 Stellen erforderlich sein, um das vom Bundesrat beschlossene Schutzniveau zu gewährleisten.

­

Es soll eine einheitliche Lösung angestrebt werden, die für alle Kantone und die Stadt Zürich verbindlich ist. Übergangsregelungen sollen nach Standort unterschiedlich ausfallen können.

­

Der Einsatz von privaten Sicherheitskräften ist ordnungspolitisch und betrieblich problematisch. Er soll nur im Notfall erfolgen, bis die erforderlichen Angehörigen der Polizeikorps rekrutiert werden können.

Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass aufgrund dieser Rahmenbedingungen die drei durch eine Fachgruppe ausgearbeiteten Varianten nach wie vor tragfähig sind und keine zusätzlichen Alternativen mehr geprüft werden mussten: 1.

Status quo, wobei in Bezug auf die Armeeangehörigen der Einsatz von Angehörigen der Militärischen Sicherheit im Vordergrund steht (nicht Durchdiener oder WK-Truppen);

2.

angepasster Status quo, wobei der Umfang der Leistungsumfang der Armee reduziert wird;

3.

vollständige Übernahme des Botschaftsschutzes durch die Polizei.

Für die Kostenfolgen gilt: Werden Angehörige der Militärischen Sicherheit durch Polizeiassistenten ersetzt, so bleiben die Kosten für den Botschaftsschutz insgesamt gleich. Für die Kantone steigen die Kosten jedoch, weil sie neu 10 % der Lohnkosten der zusätzlichen Polizeikräfte zu tragen haben. Für den Bund sinken sie, weil er zwar 100 % der Lohnkosten der Angehörigen der Militärischen Sicherheit, aber nur 90 % der Lohnkosten der eingesetzten Polizeikräfte trägt. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die Stellen bei der Militärischen Sicherheit abgebaut werden. Werden die Stellen für andere Aufgaben beibehalten, so steigen die Kosten für den Bund, wenn er sowohl die Militärische Sicherheit in gleichem Umfang beibehält als auch zusätzliche Polizeikräfte finanziert.

Der Ansatz, den Botschaftsschutz ausschliesslich oder teilweise mit privaten Sicherheitskräften zu gewährleisten, wurde verworfen. Zwar wäre dies die kostengünstigste Lösung, und sie ist in Genf und der Waadt inzwischen auch eingespielt. Es sprechen jedoch ordnungspolitische und betriebliche Gründe dagegen. Hoheitliche Aufgaben sollen durch Angehörige der Polizeikorps oder der Armee wahrgenommen werden, nicht durch Private. Im Fall von besonderen Ereignissen stellt sich zudem das betriebliche Problem, dass private Sicherheitskräfte aus Datenschutzgründen nicht in die Funknetze der Polizei integriert werden dürfen. Als Übergangslösung oder zur kurzfristigen Deckung von Unterbeständen stellen private Sicherheitskräfte jedoch eine wertvolle Ergänzung dar.

Die betroffenen Polizeikorps wiesen darauf hin, dass die Fortführung des Status quo die einfachste Lösung wäre. Die Zusammenarbeit mit der Militärischen Sicherheit habe sich gut eingespielt. Diese Haltung ist nachvollziehbar, widerspricht jedoch der Absicht, die dauernden subsidiären Sicherungseinsätze der Armee zu beenden.

Die Arbeitsgruppe hat zwei Varianten zur Weiterbearbeitung vorgeschlagen: «Polizei» und «Status Quo angepasst». Der erweiterte Steuerungsausschuss des KKM SVS hat am 29. November 2011 die beiden Varianten diskutiert, und er hält beide für machbar und tragfähig. Die politische Plattform des KKM SVS hat am 1. Februar 2012 die betroffenen Kantone sowie die Stadt Zürich angehört und 3629

empfiehlt dem Bundesrat gestützt darauf die Variante «Status quo angepasst» mit den unter Ziffer 1.4.1 dargelegten Modalitäten.

Sonderfall Genf Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 an die Bundespräsidentin ersucht der Staatsrat des Kantons Genf darum, über den 31. Dezember 2012 hinaus weiterhin 50 Angehörige der Militärischen Sicherheit zum Schutz ausländischer Vertretungen einsetzen zu können. Im Vorfeld dieses Schreibens hatte sich eine technische Arbeitsgruppe unter der Federführung des EDA und unter Beizug des EJPD und des VBS mit Fragen der öffentlichen Sicherheit in Genf und damit verbunden auch mit der Sicherheit ausländischer Vertretungen und Niederlassungen von internationalen Organisationen sowie deren Angehörigen befasst. Die generelle Verschlechterung der Sicherheitslage in Genf hat indes direkte Auswirkungen auf die Gaststaatpolitik der Schweiz, und zwar auf die besonderen Schutzpflichten der Schweiz gegenüber diplomatischen und konsularischen Einrichtungen und Personen (siehe Ziff. 4.5).

Die dabei erwünschte Verdoppelung der diplomatischen Patrouillen und eine Erhöhung der finanziellen Abgeltung durch den Bund an den Kanton Genf sowie die Frage des weiteren Einsatzes von privaten Sicherheitsagenten in Genf waren der politischen Plattform des KKM SVS bei ihrer Empfehlung der Variante «Status quo angepasst» an den Bundesrat bekannt. Im Sinne einer für alle Kantone einheitlichen Übergangsregelung betreffend Unterstützung durch subsidiäre Sicherungseinsätze der Armee beim Botschaftsschutz und da die Arbeitsgruppe sich mit der öffentlichen Sicherheit generell in Genf befasste, sollen entsprechende Entscheide erst getroffen werden, wenn der Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Malama vorliegt.

1.3.2

Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 an die Generalsekretärin VBS ersuchte der Direktor des Bundesamtes für Polizei, den Einsatz der Militärischen Sicherheit für die Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr im heutigen Umfang weiterzuführen.

Ein Gesuch der Kantone ist nicht erforderlich, weil die Federführung für diese Einsätze beim EJPD liegt.

1.4

Die beantragte Übergangsregelung

1.4.1

Einsatz der Armee für den Schutz ausländischer Vertretungen

Gestützt auf die Empfehlung der politischen Plattform des KKM SVS beantragt der Bundesrat: 1.

Der Einsatz der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen wird um drei Jahre (2013­2015) verlängert.

2.

Bis zum 31. Dezember 2014 soll die Variante «Status quo angepasst» erreicht werden, d.h. die Zahl der eingesetzten Armeeangehörigen soll ab 2013 während zweier Jahre sukzessive gesenkt werden, bis sie Ende 2014

3630

80 Angehörige der Armee erreicht. Davon sollen zwei Drittel Angehörige der Militärischen Sicherheit und ein Drittel Durchdiener sein.

3.

Während des Jahres 2015 soll die Zahl der eingesetzten Armeeangehörigen wenn möglich weiter gesenkt werden.

4.

Es soll geprüft werden, ob die Unterstützung nach dem 1. Januar 2016 beendet werden soll oder ob sie auf tiefem Niveau fortgesetzt werden soll, damit die Polizei im Ereignisfall rasch verstärkt werden und die Armee das erforderliche Knowhow erhalten kann.

1.4.2

Einsatz der Armee für die Sicherheit im Luftverkehr

Gestützt auf die Aussprache der politischen Plattform KKM SVS vom 1. Februar 2012 beantragt der Bundesrat: 1.

Der Einsatz der Armee für die Sicherheit im Luftverkehr wird um drei Jahre (2013­2015) verlängert.

2.

Die Zahl der als Air Marshals eingesetzten Angehörigen der Militärischen Sicherheit wird bis zum 31. Dezember 2014 von bisher maximal 20 auf maximal 10 halbiert.

Der Einsatz von privaten Sicherheitskräften als Ground Marshals soll geprüft werden, um die Polizeikorps und das GWK so zu entlasten, dass ausreichend Personal als Air Marshals eingesetzt werden kann. Die Ausbildungsunterstützung durch die Militärische Sicherheit soll weiterlaufen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Ausbilder selbst die erforderliche Einsatzerfahrung erwerben können.

2

Personelle und finanzielle Auswirkungen

2.1

Schutz ausländischer Vertretungen

Der bisherige Personaleinsatz zum Schutz ausländischer Vertretungen gliederte sich im Jahr 2011 folgendermassen auf: Einsatzort

Polizisten

Polizeiassistenten

Private Sicherheitsagenten

Bern Waadt Genf Zürich

7 60

37

7 13

67

133

20

96

Angehörige der Militärischen Sicherheit

Durchdiener

42

6

49 18

6

109

12

Bei Aufwendungen von 120 000 Franken pro Jahr für Polizisten, Polizeiassistenten und Angehörige der Militärischen Sicherheit sowie 70 000 Franken pro Jahr für private Sicherheitsagenten und 25 000 Franken pro Jahr für Durchdiener ergibt dies Gesamtkosten von total 38,78 Millionen Franken für die insgesamt 341 Personalein3631

heiten. Den Kantonen werden 90 % ihrer Aufwendungen vom Bund erstattet, sodass ihnen zurzeit 2,54 Millionen Franken verbleiben. Die Kosten des Bundes für die Massnahmen zur Sicherheit der ausländischen Vertretungen betragen somit 36,24 Millionen Franken.

Gemäss Beschluss des Bundesrats vom 29. Juni 2011 soll das Schutzniveau aufrecht erhalten bleiben, die Gesamtzahl der eingesetzten Personaleinheiten bleibt also gleich. Hingegen sollen keine privaten Sicherheitsagenten mehr eingesetzt werden und der Anteil der eingesetzten Armeeangehörigen soll auf maximal 80 reduziert werden. Somit muss die Anzahl eingesetzter Polizisten und Polizeiassistenten auf 261 erhöht werden. Gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Juni 2011 soll der Botschaftsschutz zudem haushaltneutral, also ohne Zusatzkosten, weitergeführt werden.

Geht man davon aus, dass neben den 261 Polizisten neu noch 80 Armeeangehörige eingesetzt werden (davon zwei Drittel Angehörige der Militärischen Sicherheit und ein Drittel Durchdiener), so sinken gegenüber dem gegenwärtigen Stand die Gesamtkosten auf total 38,355 Millionen Franken, dabei steigt aber der Anteil der Kantone auf 3,132 Millionen Franken. Die Aufwendungen des Bundes gehen von gegenwärtig 36,24 auf 35,223 Millionen Franken zurück.

Eingesetzte Personaleinheit

Gegenwärtig

Zukünftig

Polizist/in 120 000 Fr./Jahr

67 × 120 000 Fr.

8,04 Mio. Fr.

133 × 120 000 Fr.

15,96 Mio. Fr.

20 × 70 000 Fr.

1,4 Mio. Fr.

261 (Polizisten und Polizeiassistenten) × 120 000 Fr.

31,32 Mio. Fr.

Lohnkosten für den Botschaftsschutz

25,4 Mio. Fr.

31,32 Mio. Fr.

Anteil der Kantone (10 %)

2,54 Mio. Fr.

3,132 Mio. Fr.

Anteil Bund (90 %)*

22,86 Mio. Fr.

28,188 Mio. Fr.

Angehörige der Militärischen Sicherheit 120 000 Fr./Jahr (88 000 Fr. Lohnkosten, 32 000 Fr. Spesen)

109 × 120 000 Fr.

13,08 Mio. Fr.

53 × 120 000 Fr.

6,36 Mio. Fr.

Durchdiener 25 000 Fr./Jahr

12 × 25 000 Fr.

0,3 Mio. Fr.

27 × 25 000 Fr.

0,675 Mio. Fr.

Gesamtlohnkosten Botschaftsschutz

38,78 Mio. Fr.

38,355 Mio. Fr.

Anteil Bund (90 % Aufwand Kantone plus 100 % Einsatz der Armee)

36,24 Mio. Fr.

35,223 Mio. Fr.

Polizeiassistent/in 120 000 Fr./Jahr private/r Sicherheitsagent/in 70 000 Fr./Jahr

* Zusätzlich leistet der Bund einen einmaligen Beitrag von 45 000 Franken an die Erstausrüstung pro Polizeiassistent/in. So wurden im Jahr 2011 an die Kantone Bern, Genf und Waadt sowie an die Stadt Zürich total 25 Millionen Franken ausgerichtet. Im Jahr 2013 müssen ebenfalls Erstausrüstungen von 61 Personen finanziert werden (2,75 Mio.), die neu als Polizist/in oder Polizeiassistent/in eingesetzt werden.

Das Zurückfahren des Engagements der Armee führt zu höheren finanziellen Aufwendungen bei den Kantonen, die sie aber zu 90 % beim Bund einfordern können. Da auch Truppen eingesetzt werden, erfolgen diese Entschädigungszahlungen 3632

gemäss dem Beschluss des Bundesrates vom 30. Mai 2007 aus dem VBS-Budget.

Dazu wurden dem VBS Kreditpositionen übertragen, die zuvor vom EJPD verwaltet worden waren. Im VBS-Kredit (1045/A2310.0449 ausserordentliche Schutzaufgaben Kantone und Städte) sind heute 25 Millionen Franken pro Jahr eingestellt.

Dieser Kredit ist für den Voranschlag 2013 und die Finanzpläne 2014 und 2015 von bisher 25 entsprechend der Umsetzung der Übergangslösung um 5,3 Millionen Franken auf 30,3 Millionen Franken aufzustocken (= Zuwachs Anteil Bund an den Lohnkosten der Polizei sowie insbes. Finanzierung von Erstausrüstungen). Demgegenüber resultieren Einsparungen bei der Militärischen Sicherheit von 6,72 Millionen Franken (es werden 56 Angehörige der Militärischen Sicherheit für je 120 000 Franken pro Jahr weniger eingesetzt).

Da trotz Übernahme von Aufgaben im Botschaftsschutz die Anzahl der Angehörigen der Militärischen Sicherheit nicht aufgestockt, sondern von 975 im Jahr 2006 auf heute noch 553 abgebaut worden ist, mussten zwischenzeitlich eigentliche Kernaufgaben der Militärischen Sicherheit, nämlich der Schutz militärischer Anlagen und Einrichtungen, an zivile Sicherheitsfirmen ausgelagert werden. So wurden im Jahr 2011 rund 6,5 Millionen Franken für externe Sicherheitsleistungen ausgegeben. Unter der Voraussetzung, dass diese Sicherheitsleistungen ab 2013 wieder von Angehörigen der Militärischen Sicherheit erbracht werden, ist das vorliegende Konzept haushaltneutral: Der Kredit 1045/A2310.0449 wird um 5,3 Millionen Franken erhöht, gleichzeitig resultieren aber bei den Krediten 1045/A2119.0001 und 0810/A6100.0001 Einsparungen bei den Externen Dienstleistungen in der Höhe von 6,5 Millionen Franken.

2.2

Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr

Für die Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr wird die Anzahl von bisher maximal 20 Angehörigen der Militärischen Sicherheit, die nur noch als Air Marshals eingesetzt werden, bis zum 31. Dezember 2014 auf 10 reduziert. Das VBS übernimmt die Lohnkosten der eingesetzten Angehörigen der Militärischen Sicherheit aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Bund als militärisches Personal. Die Lohnkosten von 1,76 Millionen Franken (20 × 88 000 Franken) gehen dabei ebenfalls um die Hälfte auf 880 000 Franken zurück. Das heisst, dass die Aufwendungen des VBS wie bisher im Rahmen der bewilligten Kredite aufgefangen werden können. Das UVEK wird wie bis anhin den Hauptteil der Ausgaben für die Zulagen, Transporte und Unterkünfte übernehmen.

2.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Der Vollzug des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses obliegt dem Bund. Er belastet die Kantone und Gemeinden nur insoweit, als der Kanton Genf und der Kanton Bern jeweils 10 % der Kosten zu übernehmen haben, die sich aus der Erhöhung der Anzahl Polizeikräfte zum Schutz ausländischer Vertretungen ergeben.

Da die Zahl der eingesetzten Polizeikräfte auf 261 steigen und keine privaten Sicherheitsagenten mehr eingesetzt werden sollen, ergeben sich Mehrkosten für die Kantone von 592 000 Franken.

3633

2.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Der Vollzug des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses hat keine signifikanten volkswirtschaftlichen Auswirkungen.

3

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201213 zur Legislaturplanung 2011­ 2015 angekündigt. Sie figuriert zudem unter den Zielen des Bundesrates für 2012 (Band I, Ziel 13 im Anhang und Band II, Ziel 2 des VBS).

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verfassungsmässigkeit

Die BV weist die Verantwortung für die Wahrung der inneren Sicherheit und damit auch die Sorge für die Sicherheit von ausländischen Vertretungen und von Niederlassungen internationaler Organisationen in der Schweiz in erster Linie den zivilen Behörden der Kantone zu. Der Bund ist gehalten, das jeweilige völkerrechtlich gebotene Schutzniveau festzulegen und die Kantone im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen, sofern die Kantone dieses Schutzniveau nicht gewährleisten können.

Die BV schliesst die Armee nicht strikt von Aufgaben im Bereich der Wahrung der inneren Sicherheit aus. Artikel 58 Absatz 2 BV nennt die Unterstützung der zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit ausdrücklich als Teilaufgabe der Armee und überlässt es dem Gesetzgeber, der Armee weitere Aufgaben zuzuweisen. Anerkannt ist, dass die Rolle der Armee in diesem Bereich subsidiärer Natur ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Einsatz der Armee Sache des Bundes ist, die Ausübung der eigentlichen Polizeihoheit aber im Grundsatz seit jeher als originäre Kompetenz der Kantone gilt.

4.2

Subsidiarität

Für einen subsidiären Einsatz der Armee zur Wahrung der inneren Sicherheit liegt ein doppeltes Erfordernis vor (Art. 58 Abs. 2 zweiter Satz BV; Art. 1 Abs. 3 und Art. 67 Abs. 2 MG): Einerseits muss eine ausserordentliche Lage vorliegen, andererseits müssen alle geeigneten zivilen Mittel auf jeder Stufe im Einsatz sein und in personeller, materieller oder zeitlicher Hinsicht nicht ausreichen, um die Lage zu meistern. Somit ist die eigentliche Grundlast von den Kantonen zu tragen, die Armee kommt nur subsidiär bei ausserordentlichen Belastungsspitzen zum Einsatz.

Auch wenn in den letzten Jahren von dieser Regel abgewichen wurde, wurde neben der Wichtigkeit der Einsätze auch immer wieder deren Subsidiarität herausgestrichen, so zuletzt im sicherheitspolitischen Bericht 2010: «In Bezug auf die konkret zu leistenden Einsätze wird die Unterstützung ziviler Behörden für die Armee in den 13

BBl 2012 481, hier 612

3634

kommenden Jahren voraussichtlich weiterhin im Zentrum stehen. Die Wichtigkeit dieser Leistungen wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass solche Einsätze subsidiär erfolgen».14 Ein Dauereinsatz der Armee im Rahmen eines Assistenzdienstes, also ein Einsatz auf nicht absehbare Zeit im Bereich der sicherheitspolizeilichen Grundlast, ist verfassungsrechtlich umstritten. Es gilt: Daueraufgaben sind von den Polizeikräften ohne Beizug der Armee zu erfüllen. Es ist primär Sache der Kantone, in ihrem Hoheitsgebiet auch die Sicherheit derjenigen Personen und Gebäude zu gewährleisten, die unter völkerrechtlichem Schutz stehen. Zum Schutz ausländischer Vertretungen (Einsatz Amba Centro) arbeiten die Polizeikorps der Kantone Bern, Waadt und Genf sowie der Stadt Zürich mit der Armee zusammen.

Ein Einsatz der Armee im beantragten Rahmen entspricht der bisherigen Praxis.

Inwieweit diese Praxis verfassungsrechtlich zu hinterfragen ist und wie allfällige Änderungen von Bundesverfassung und Militärgesetz hierzu aussehen könnten, soll Gegenstand der parlamentarischen Beratung des Berichts des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Malama sein.

4.3

Dauer der Einsätze

Der Grundsatz der Subsidiarität bezweckt in der Regel in Abhängigkeit der Lage eine Befristung eines Assistenzdienst-Einsatzes der Armee. Die im Bericht zum Postulat Malama geforderten Präzisierungen der gesetzlichen Vorschriften sowie gegebenenfalls Anpassungen auf verfassungsrechtlicher Ebene erfordern eine Übergangslösung bis Ende 2015.

4.4

Polizeibefugnisse und Schusswaffengebrauch

Die Polizeibefugnisse und der Schusswaffengebrauch der eingesetzten Truppen richten sich im Rahmen der Verordnung vom 26. Oktober 199415 über die Polizeibefugnisse der Armee nach dem schriftlichen Auftrag der zuständigen zivilen Behörden. Die Schusswaffen sind dabei insbesondere verhältnismässig und unter Berücksichtigung der Umstände einzusetzen.

Die Vorgaben zu den Verhaltensregeln (Rules of Behaviour) wurden vom VBS (Bereich Verteidigung) in Zusammenarbeit mit dem EJPD (Bundesamt für Polizei) und den zivilen Behörden (Kantonspolizei) erarbeitet.

14 15

BBl 2010 5174 SR 510.32

3635

4.5

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

In Artikel 24 BWIS16 wird die Erfüllung der völkerrechtlichen Schutzpflichten geregelt. Danach treffen die Kantone in Absprache mit dem Bundesamt für Polizei die Massnahmen in ihrem Gebiet, die für die Erfüllung der völkerrechtlichen Schutzpflichten der Schweiz notwendig sind.

Die völkerrechtliche Schutzpflicht betreffend die ausländischen Vertretungen (Art. 22 und 29 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 196117 über diplomatische Beziehungen; Art. 31 des Wiener Übereinkommens vom 24. April 196318 über konsularische Beziehungen bzw. Art. 2 Abs. 1 Bst. d­f des Gaststaatgesetzes vom 22. Juni 200719) bezieht sich einerseits auf das diplomatische und konsularische Personal und andererseits auf die Gebäude, die von ausländischen Staaten offiziell benötigt werden (Kanzlei und Residenz). Die völkerrechtliche Schutzpflicht betrifft auch die Sicherheit von ausländischen offiziellen Delegationen (Sondermissionen, internationale Konferenzen etc.). Völkerrechtlichen Schutz geniessen auch die Niederlassungen der internationalen Organisationen in der Schweiz. Völkerrecht bzw. Staatsvertragsrecht verpflichten sowohl den Bund als auch die Kantone. Bei einer Verletzung der völkerrechtlichen Schutzpflicht wird der Bund als Völkerrechtssubjekt völkerrechtlich verantwortlich. Der Vollzug der Schutzpflichten richtet sich nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung der Bundesverfassung.

4.6

Erlassform

Der Bundesrat ist gemäss Artikel 70 Absatz 1 MG für die Anordnung eines Assistenzdiensteinsatzes zuständig. Da die Einsätze der Armee im Assistenzdienst länger als drei Wochen dauern, müssen sie gemäss Artikel 70 Absatz 2 MG der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden.

Der vorliegende Bundesbeschluss stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV in Verbindung mit Art. 70 Abs. 2 MG). Da er weder rechtsetzend ist noch dem Referendum untersteht, hat er die Form eines einfachen Bundesbeschlusses (Art. 163 Abs. 2 BV).

16 17 18 19

Vgl. BBl 1994 II 1190 SR 0.191.01 SR 0.191.02 SR 192.12

3636