Referendum gegen den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich über die Zusammenarbeit im Steuerbereich und des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens Nicht-Zustandekommen Die Schweizerische Bundeskanzlei, gestützt auf die Artikel 59a­64, 66 und 80 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19761 über die politischen Rechte (BPR), auf die Artikel 5, 25, 28­32 und 36 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19682 über das Verwaltungsverfahren (VwVG), und auf die Artikel 82 Buchstabe c, 88 Absatz 1 Buchstabe b, 89 Absatz 3, 90, 95 und 100 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 20053 über das Bundesgericht (BGG), sowie auf den Bericht der Sektion Politische Rechte der Bundeskanzlei über die Prüfung der Unterschriftenlisten für das am 27. September 2012 eingereichte Referendum gegen den Bundesbeschluss vom 15. Juni 20124 über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich über ie Zusammenarbeit im Steuerbereich und des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens, verfügt:

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1.

Das Referendum gegen den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich über die Zusammenarbeit im Steuerbereich und des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens ist nicht zustandegekommen, da es die von Artikel 141 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)5 verlangten 50 000 gültigen Unterschriften stimmberechtigter Schweizer Bürger innert 100 Tagen nicht auf sich vereinigt hat.

2.

Der Bundeskanzlei sind fristgerecht 47 554 Unterschriften eingereicht worden, von denen auch unter Einschluss aller Zweifelsfälle bei günstigster Beurteilung maximal 47 363 gültig sind.

3.

Alle eingereichten Unterschriften bleiben unter Verschluss und im Gewahrsam der Bundesbehörden.

4.

Diese Verfügung kann innert 30 Tagen beim Bundesgericht mit Beschwerde angefochten werden (Art. 80 Abs. 2 BPR und Art. 100 Abs. 1 BGG).

SR 161.1 SR 172.021 SR 173.110 BBl 2012 5825 SR 101

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5.

Veröffentlichung im Bundesblatt und Mitteilung samt Begründung an die Referendumskomitees; a. Referendumskomitee «Stopp fremde Steuervögte», Postfach 669, 3001 Bern 31; b. Junge SVP Schweiz, Postfach 6803, 3001 Bern; c. Referendumskomitee Steuerabkommen, Postfach 8208, 3001 Bern; d. Lega dei Ticinesi, Via Monte Boglia 3, 6900 Lugano.

30. Oktober 2012

Schweizerische Bundeskanzlei Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Begründung A.

Ein Referendumskomitee «Stopp fremde Steuervögte», die Junge SVP Schweiz, ein Referendumskomitee Steuerabkommen und die Lega dei Ticinesi lancierten gegen den Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012 über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich über die Zusammenarbeit im Steuerbereich und des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens das Referendum. Die Referendumsfrist nach Artikel 141 Absatz 1 der Bundesverfassung lief für diesen Bundesbeschluss am 27. September 2012 ab (BBl 2012 5825). Gleichzeitig mit dem Referendum zum Steuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich wurden die Unterschriftenlisten zu den beiden Referenden gegen das Steuerabkommen mit Deutschland (BBl 2012 5823) und gegen das Steuerabkommen mit Österreich (BBl 2012 5827) eingereicht.

B.

Am 27. September 2012 reichten die genannten Gruppierungen der Bundeskanzlei um 16.30 h nach eigenen Angaben folgende Unterschriftenzahlen ein: 1. das Referendumskomitee «Stopp fremde Steuervögte», die Junge SVP Schweiz und das Referendumskomitee Steuerabkommen gemeinsam: a. 41 647 Unterschriften; b. ein ungeöffnetes Postpaket mit einer nicht bekannten Anzahl weiterer Unterschriften und c. einen weiteren Karton mit einer nicht bekannten Anzahl weiterer Unterschriften; 2.

die Lega dei Ticinesi 5014 Unterschriften.

C.

Postpaket und zusätzlicher Karton wurden von der Bundeskanzlei gleichentags geöffnet und gezählt. Das Postpaket enthielt 775, der Karton 271 Unterschriften.

D.

Ein Vertreter der erstgenannten drei Komitees reichte am 27. September 2012 um 20.30 h nach eigenen Angaben noch ein Couvert mit weiteren 26 Unterschriften ein.

E.

Nach Ablauf der verfassungsmässigen Referendumsfrist reichte das Referendumskomitee «Stopp fremde Steuervögte» am Montagnachmittag, 1. Oktober 2012, um 17.00 h ein Paket mit laut eigenen Angaben 2888 verspätet eingegangenen Unterschriften nach.

F.

Die Bundeskanzlei kontrollierte das Referendum vom Donnerstagabend, 27. September bis und mit Montag, 1. Oktober 2012. Die Kontrolle ergab 47 363 gültige und 191 ungültige Unterschriften (Tabelle 1). Dabei zeigte sich, dass für eine korrekte Erhebung des Zustandekommens verschiedentlich einzelne Unterschriftenlisten zu einem der anderen beiden Referenden oder aber zu Gemeinden anderer Kantone umgeteilt werden mussten.

Umgekehrt betrafen verschiedene Unterschriftenlisten unter den Referenden zu den Steuerabkommen mit Deutschland oder Österreich de facto das Steuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich. Diese Umteilungen wurden von der Bundeskanzlei laufend vorgenommen.

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G.

Beim Kontrollgang wurden nur wenige Unterschriften für ungültig erklärt; die Hälfte der Streichungen betrafen fehlende oder ununterschriebene Stimmrechtsbescheinigungen (BPR Art. 62 Abs. 3 und Art. 66 Abs. 1), je ein Sechstel überzählige Mehrfachunterschriften derselben Personen (bis zu acht Unterschriften einer einzigen Person; BV Art. 34 und Art. 136 Abs. 1 sowie BPR Art. 61 Abs. 3) sowie Eintragungen, bei denen die Unterschrift entgegen klarer gesetzlicher Anordnung fehlte (BPR Art. 61 Abs. 1).

H.

Schwierig war die Prüfung der Unterschriftenlisten aus dem Kanton Tessin.

Die verschiedenen Referendumskomitees wählten unterschiedliche Vorgehensweisen. Die einen sammelten die Unterschriften auf Referendumslisten, die zu allen drei Abgeltungssteuerabkommen auf dem gleichen Blatt figurierten, trennten danach die Listen und liessen sie auch im Kanton Tessin von den Gemeinden physisch getrennt kontrollieren; andere sandten die physisch nicht voneinander getrennten Referendumslisten zu allen drei Abgeltungssteuerabkommen zur Ausstellung der Stimmrechtsbescheinigungen ein und reichten die Listen physisch auch immer noch ungetrennt der Bundeskanzlei ein. Wie eine Sichtung zu Beginn der Kontrolle ergab, gab es Gemeinden, welche die Kontrollarbeiten auf den unzertrennten Referendumslisten zu zwei oder allen drei Abgeltungssteuerabkommen vornahmen, die Stimmrechtsbescheinigungen indessen lediglich auf einem einzigen der drei Referenden unterzeichneten. Daher durften die Bogen nicht getrennt werden; sonst wären zu einem oder zwei der Referenden Bescheinigungsmängel entstanden. Damit das Stimmrecht der Unterzeichnenden gewahrt werden konnte, war es unumgänglich, dass diese Bogen individuell, aber stets integral für alle drei Referenden kontrolliert wurden. Die rigorose Ordnung zu den Referenden der andern Referendumskomitees konnte daher hier nicht erstellt werden.

I.

Sogar wenn sämtliche fristgerecht eingereichten Unterzeichnungen anerkannt werden könnten, bliebe das verfassungsmässige Quorum fristgerecht eingereichter Unterschriften um weit über 2500 Unterschriften verfehlt. Das Referendum käme also auch dann nicht zustande.

K.

Mit eingeschriebenem Brief vom 12. Oktober 2012 eröffnete die Bundeskanzlei allen vier Referendumskomitees daher den Entwurf einer Nichtzustandekommensverfügung zur Stellungnahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs und setzte ihnen dafür bis zum 19. Oktober 2012 Frist an. Mit Fax vom 16. Oktober 2012 ersuchte der Geschäftsführer der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz AUNS unter Hinweis auf die Geschäftslast sowie die Komplexität des Verfügungsgegenstandes um Fristverlängerung bis Freitag, 26. Oktober 2012, 16.00 h. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 wurde dem Begehren zum grössten Teil stattgegeben und die Frist für alle Referendumskomitees bis zum 26. Oktober 2012, 12.00 h verlängert.

L.

Einzig das Referendumskomitee «Stopp fremde Steuervögte» nahm mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 zur in Aussicht genommenen Nichtzustandekommensverfügung Stellung und bemerkte im Wesentlichen was folgt: a. Unter Berücksichtigung der am 1. Oktober 2012 nachgereichten und von der Bundeskanzlei als verspätet ausgewiesenen Unterschriften habe

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das Referendum zum Abgeltungssteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich total 50 172 gültige Unterschriften auf sich vereinigt, für die das Stimmrecht während der gesetzlichen Sammelfrist bescheinigt worden sei (Ziff. 3 der Stellungnahme).

148 Gemeinden hätten bescheinigte Unterschriften am 24.­26. September per B-Post ans Referendumskomitee zurückgesandt; diese Sendungen seien dem Komitee am 28. und 29. September sowie am 1. Oktober 2012 zugekommen. Eine Rücksendung per A-Post oder ein Hinweis der Amtsstelle ans Referendumskomitee, die Unterschriften seien abholbereit, hätten das Referendum zustande kommen lassen. Die Staatskanzlei Genf habe mit Pressemitteilung vom 5. Oktober 2012 selber eingeräumt, 4200 rücksendebereit bescheinigte Unterschriften für die drei parallel laufenden Referenden versehentlich für B-Post frankiert zu haben. Pro Referendum seien so um die 1400 Unterschriften verspätet zum Referendumskomitee zurückgekommen. 198 Gemeinden hätten die Stimmrechtsbescheinigung während der Sammelfrist ausgestellt, aber erst nach dem 27. September 2012 retourniert, und für weitere sechs Gemeinden seien die Briefe, obwohl für A-Post frankiert, dem Referendumskomitee von der Post erst nach dem 27. September 2012 zugestellt worden (Ziff. 4 der Stellungnahme samt Belegkopien im Anhang).

Für das Referendum gegen das Abgeltungssteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich seien am 27. September 2012 noch 4722 Unterschriften bei den Gemeinden gewesen, welche ihnen am 19., 24. und 25. September 2012 mindestens per A-Post zugestellt worden seien. Ein Grossteil davon sei rechtzeitig erledigt und retourniert worden; vom verbleibenden Teil seien manche am 1. Oktober 2012 der Bundeskanzlei nachgereicht worden, der Rest (pro Referendum 2000­3000 Unterschriften) noch später ans Referendumskomitee gelangt (Ziff. 5 der Stellungnahme).

Die mit der Einholung der Stimmrechtsbescheinigungen betraute Organisation habe auf die Dringlichkeit im Begleitbrief jeweils doppelt aufmerksam gemacht (Ziff. 6 der Stellungnahme samt drei Belegkopien im Anhang).

Eine Stadt habe dem Referendumskomitee eine Gesamtbescheinigung am 2. Oktober 2012 retourniert, welche bereits am 23. Juli 2012 ausgestellt worden sei. Möglicherweise habe die vorgezogene Publikation der drei Abgeltungssteuerabkommen im Vergleich mit dem Referendum
gegen das Raumplanungsgesetz da und dort zu Fehlschlüssen über die Dringlichkeiten der Stimmrechtsbescheinigungen geführt (Ziff. 7 der Stellungnahme).

Diese Vorgänge hätten insgesamt dazu geführt, dass der politische Wille von 50 000 stimmberechtigten Unterzeichnenden nicht verfassungsgemäss respektiert worden sei; dies werfe die Frage auf, wie weit das Referendumskomitee für Abläufe (wie die Überlastung von Amtsstellen mit Stimmrechtsbescheinigungen, ungenügende Frankatur der Rück8579

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sendung oder einen Vorfall bei der Post) verantwortlich gemacht werden könne, die es selber gar nicht beeinflussen könne, auch wenn es dafür besorgt sein müsse, dass das Stimmrecht der Unterzeichnenden innerhalb der gesetzlichen Frist bescheinigt werde. Hier sei der politische Wille Stimmberechtigter höher zu gewichten als eine formelle Frist (Ziff. 8 der Stellungnahme).

Bundesgesetze seien verfassungskonform auszulegen (Ziff. 9 der Stellungnahme); Artikel 141 der Bundesverfassung verlange lediglich, dass ein Referendum zustande komme, wenn 50 000 Stimmberechtigte es innerhalb von 100 Tagen seit Veröffentlichung des Erlasses verlangten (Ziff. 10 der Stellungnahme).

Eine Kontrolle sei dafür unumgänglich (BPR Art. 62); diese habe der Bund via Kantone an die Gemeinden «delegiert» (Ziff. 11 der Stellungnahme). Die Stimmrechtsbescheinigung erfülle aber einzig eine Kontrollfunktion; sie beschränke die Volksrechte nicht weiter gehend als der klare Wortlaut von Artikel 141 der Bundesverfassung (Ziff. 11 der Stellungnahme).

Dass BPR Artikel 59a die Verantwortung für das rechtzeitige Einholen der Stimmrechtsbescheinigung und das anschliessende Weiterleiten an die Bundeskanzlei dem Referendumskomitee überbinde, könne trotz Vorliegens der nötigen Unterschriften zum Scheitern eines Volksbegehrens führen (Ziff. 12 der Stellungnahme). Dies sei beim Referendum gegen das Abgeltungssteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich eingetreten (Ziff. 13 der Stellungnahme).

Die Materialien zu Artikel 59a BPR (BBl 1993 III 445) zeigten, dass im Gegenzug zur Verlängerung der Referendumsfrist von 90 auf 100 Tage in Kauf genommen worden sei, die Verantwortung für verlorene Postsendungen oder falsche Poststempel dem Referendumskomitee zu überbürden. Die Verlängerung der Referendumsfrist täusche nicht darüber hinweg, dass BPR Artikel 59a BV Artikel 141 verletze. Der Verfassungsgeber habe das Zustandekommen eines Referendums weder von schleppender Amtsarbeit noch von falscher Postaufgabe seitens der Amtsstellen abhängig machen wollen; sonst könnten Gemeinden den Ausgang eines Referendums je nach Sympathie entscheidend beeinflussen. Zehn Tage mehr Sammelfrist helfe dem nicht ab. Der aktuelle Zustand sei unhaltbar und habe über alle Parteigrenzen hinweg empört (Ziff. 14 der Stellungnahme).

Dass Artikel 190 der Bundesverfassung
alle rechtsanwendenden Behörden an bestehende Bundesgesetze binde, schliesse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht aus, dass die rechtsanwendenden Behörden ein Bundesgesetz verfassungskonform auslegen (BGE 129 II 249 ff.; 132 II 234 ff.) und dass sie dabei selbst vom Gesetzeswortlaut abweichen, wenn triftige Gründe ausschliessen lassen, dass er den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt, zumal wenn der wahre Rechtssinn entgegen dem Wortlaut verfassungskonform erscheint (BGE 131 II 217 ff.; Ziff. 15 der Stellungnahme).

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m. Im Lichte von Artikel 141 der Bundesverfassung könne BPR Artikel 59a bloss der Sinn zukommen, eine Gewähr für die Gültigkeit der abgegebenen Unterschriften zu verschaffen. Die Botschaft zu BPR Artikel 59a zeige, dass der Bundesrat irrtümlicherweise angenommen habe, damit die Rechte der Stimmberechtigten in keiner Weise zu berühren. Die Praxis zeige nun, dass diese Annahme falsch gewesen sei. Daher sei BPR Artikel 59a nun verfassungskonform umzuinterpretieren (Ziff. 16 der Stellungnahme).

n. Interpretationsbedürftig sei in BPR Artikel 59a der Begriff «eintreffen», der bisher als physisches Eintreffen in den Räumen der Bundeskanzlei verstanden worden sei; dies sei vor dem wahren Sinn ­ Sicherstellen einer effizienten Kontrolle ohne Behinderung der politischen Willensbildung ­ nicht länger haltbar: Die Delegation der Kontrolle an von den Kantonen für zuständig erklärte Amtsstellen erheische, «eintreffen» bei der Bundeskanzlei auf jenen Zeitpunkt festzulegen, an welchem die Unterschriftenlisten bei diesen bescheinigenden Amtsstellen eingehen; denn die Gemeinden handelten in diesem Bereich als «Vertreter der Bundeskanzlei». Referendumskomitee und Stimmberechtigte seien damit ihrer Obliegenheit fristgerechten Unterzeichnens des Referendums nachgekommen; das Tempo der Stimmrechtsbescheinigungen und alle weiteren Aktivitäten seien ihrem Einflussbereich entzogen (Ziff. 17 der Stellungnahme). Jede andere Interpretation widerspreche dem wahren Sinn des Gesetzes, führe zu unhaltbarer Behinderung der politischen Willensbildung und tangiere nicht nur Artikel 141, sondern auch Artikel 9 (Schutz vor Willkür), Artikel 29 (Verbot des überspitzten Formalismus und Wahrung von Treu und Glauben) und Artikel 34 (Gewährleistung der politischen Rechte) der Bundesverfassung (Ziff. 18 der Stellungnahme).

o. Schliesslich bleibe das Zugangsprinzip ­ zentrales Anliegen der Gesetzesrevision von 1996 ­ ebenfalls gewahrt; nur werde es vorverlegt, indem der Eingang bei den Gemeinden massgebend sei (Ziff. 19 der Stellungnahme).

M. Die Stellungnahme fokussiert auf eine Neuinterpretation von BPR Artikel 59a.

a. Dessen Wortlaut geht deutlich über das hinaus, was das Referendumskomitee als Problem ortet: Er statuiert ausdrücklich und durchaus im Einklang mit Artikel 141 der Bundesverfassung («Stimmberechtigte»), dass die nötige
Anzahl Unterschriften «samt Stimmrechtsbescheinigungen innerhalb der Referendumsfrist bei der Bundeskanzlei eintreffen» müsse. Dies entspricht auch der klaren Aussage der Botschaft (BBl 1993 III 490), wonach «die Referendumsfrist im Falle des Volksreferendums die Ausstellung der Stimmrechtsbescheinigungen einschliesst.

Im Gegenzug wird die Referendumsfrist von 90 um 10 auf 100 Tage verlängert». Der Begriff «eintreffen» hat im Bundesgesetz über die politischen Rechte eine eineindeutige physische Konnotation; er wird nicht nur im Artikel 59a verwendet, sondern auch im Zusammenhang 8581

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mit der Einreichung von Nationalratswahlvorschlägen bei der kantonalen Behörde (BPR Art. 21 Abs. 2): Danach müssen die Wahlvorschläge «spätestens am Tage des Wahlanmeldeschlusses beim Kanton eintreffen».

Hinsichtlich des Referendums hat der Gesetzgeber zudem ein System zueinander passender Bestimmungen geschaffen: Zunächst haben die Urheber des Referendums die Unterschriftenlisten «rechtzeitig vor» (nicht etwa bei) Ablauf der Referendumsfrist der Amtsstelle zuzustellen, die nach kantonalem Recht für die Stimmrechtsbescheinigung zuständig ist (BPR Art. 62 Abs. 1). Die Amtsstelle hat bescheinigte Unterschriften unverzüglich den Absendern zurückzugeben (BPR Art. 62 Abs. 2), also eben gerade nicht gewissermassen als «Aussenstelle der Bundeskanzlei» die Unterschriften an die Zentralstelle weiterzuleiten. Denn damit würden die Beschwerdemöglichkeiten de facto gerade verunmöglicht.

Ausserdem hat der Bundesgesetzgeber in BPR Artikel 66 Absatz 2 Buchstaben b und c Rechtsfolgen festgelegt, die mit dem Interpretationsvorschlag des Referendumskomitees nicht zu vereinbaren wären: Die Bundeskanzlei muss nach Ablauf der Referendumsfrist Unterschriften für ungültig erklären, die ohne Stimmrechtsbescheinigung eingereicht werden oder die auf Listen figurieren, die nach Ablauf der Referendumsfrist eingereicht worden sind (zum Präklusionscharakter der Sammelfristen bei Volksbegehren AB 1976 N 74 Votum NR Alder). Auch Artikel 20 der Verordnung über die politischen Rechte (SR 161.11) vermöchte in der Interpretation des Referendumskomitees keinen vernünftigen Sinn zu ergeben.

Die Botschaft von 1993 zeigt, dass die Referendumsfrist genau im Gegenzug zu dieser Lastverteilung von 90 auf 100 Tage verlängert wurde (BBl 1993 III 490), hatte sich doch beim NEAT-Referendum 1992 gezeigt, dass verspätet eintreffende direkte Sendungen bei Unleserlichkeit des Poststempels gar nicht korrekt den gültigen oder den ungültigen Unterschriften zugeordnet werden konnten. Nicht allein die Unterzeichnenden haben einen Anspruch auf Schutz ihrer Willenskundgabe, sondern ebenso die nicht Unterzeichnenden einen Anspruch darauf, dass keine Volksabstimmung stattfindet, wenn ein Volksbegehren das Quorum verfehlt. Klarer Wortlaut und gesamte Gesetzessystematik sprechen daher gegen die Interpretation des Referendumskomitees. Auch in der Doktrin
findet diese Deutung keinen Anhalt, im Gegenteil: «... es versteht sich von selbst, dass die Gemeinde nicht trödeln darf. (...) Das Stimmrecht verschafft keinen Anspruch auf Prüfung und Beglaubigung der Unterschriften noch während laufender Sammlung. Die Komitees müssen also eine ,Sicherheitsmarge' einrechnen und deutlich mehr als das verlangte Unterschriftenminimum einreichen (ZBl 1979 24 f. E. 2, 3 b).» (Pierre Tschannen: Stimmrecht und politische Verständigung. Beiträge zu einem erneuerten Verständnis direkter Demokratie. Basel/Frankfurt am Main 1995, 71 f. Rz. 115; im gleichen Sinn Pierre Tschannen: Eidgenössisches Organisationsrecht. Grundla-

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gen für das Studium. Bern 1997, 311 § 46 IV 2 b sowie Pierre Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern 2004, 634 § 51 Rz. 13). Bereits die Botschaft des Bundesrates von 1975 hatte dazu festgehalten (BBl 1975 I 1345 f.): «Angesichts der Fristen, denen die Einreichung eines Referendums unterliegt, ist die behördliche Stimmrechtsbescheinigung möglichst ohne Verzögerung zu erteilen.

Die Unterschriften dürfen allerdings nicht zu knapp vor Ablauf der Fristen zur Bescheinigung eingereicht werden; es ist auf die Leistungsfähigkeit der lokalen Behörden innerhalb der verfügbaren Zeit Rücksicht zu nehmen; die Unterschriftenlisten sind mit Vorteil zeitlich gestaffelt, in Teilsendungen, einzureichen.» Ohne die präzise Abgrenzung der Verantwortlichkeiten gemäss dem Wortlaut des Gesetzes wäre die Verlängerung der Referendumsfrist 1996 gar nicht mehrheitsfähig gewesen (AB 1995 N 453­457, 1996 S 49). Die Interpretation des Referendumskomitees liefe im Lichte dieser Materialien auf eine Verlängerung der verfassungsmässigen Referendumsfrist hinaus. Dies kann weder auf dem blossen Interpretationsweg noch durch die Bundeskanzlei vorgenommen werden. Die Bindung aller rechtsanwendenden Behörden an die Bundesgesetze (BV Art. 190) ist über den gesamten Verfassungsrevisionsprozess der letzten beiden Jahrzehnte aufrecht erhalten worden, zuletzt noch im laufenden Jahr (AB 2012 S 431­445). Die Praxis des Bundesgerichts zur Frage des Verhältnisses zwischen klarem Wortlaut einer Gesetzesbestimmung und dem Grundsatz verfassungskonformer Auslegung ist schwankend (vgl. René A. Rhinow/Beat Krähenmann: Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung. Die Rechtsgrundsätze der Verwaltungspraxis, erläutert an Entscheiden der Verwaltungsbehörden und Gerichte. Ergänzungsband. Basel/Frankfurt am Main 1990, 76 f. Nr. 24 II a mit Belegen). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um einen verfassungswidrigen Gesetzeswortlaut, sondern um ein vom Gesetzgeber gewolltes beförderliches Zusammenarbeiten aller Beteiligten (Referendumskomitees und Amtsstellen, vgl. BPR Art. 62 Abs. 1 und 2). Diesbezüglich gab es im vorliegenden Fall auf beiden Seiten vereinzelt Versäumnisse. Dies ist von Bedeutung, weil die Leistung einer Unterschrift für ein Volksbegehren keiner stimmberechtigten Person einen Anspruch darauf verleiht, dass das
Volksbegehren auch fristgerecht eingereicht werde (BBl 1975 I 1347; vgl. Etienne Grisel: Initiative et référendum populaires.

Traité de la démocratie semi-directe en droit suisse. 3e éd. Berne 2004, 319 no 841: «Les personnes ou les associations qui ont récolté des signatures ont exercé un droit, elles n'ont pas accompli un devoir. Elles ont la faculté de renoncer à leur entreprise et ne sont donc pas obligées de déposer les listes.») Diese Herrschaft des Referendumskomitees über Einreichung des Referendums oder Abstandnahme macht es unumgänglich, dass das Referendumskomitee die Unterschriften physisch der Bundeskanzlei einzureichen hat. Andernfalls hätte überhaupt niemand die Kontrolle über das Referendum, womit auch jeglicher Rechtsschutz illusorisch würde.

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Wortsinn, Normengefüge, historischer Werdegang wie Zweck führen zu einem klaren Willen des Gesetzgebers, der im Einklang mit der Verfassung und mit Blick auf das Ganze ­ auch bei dringlichen Bundesgesetzen (BV Art. 165 Abs. 2 und 4) darf die Ergreifung des Referendums selbst in Wahljahren, in denen im Spätsommer kein Abstimmungstermin zur Verfügung steht, nicht zum Dahinfallen des Erlasses ohne Volksentscheid führen ­ das beidseitige Zusammenwirken von Referendumskomitees und Amtsstellen verlangt.

Es trifft auch nicht zu, dass der Bundesgesetzgeber die Stimmrechtsbescheinigungen den Kantonen «delegiert» hätte. Stimmregisterführung war noch nie Bundesdomäne, sondern ist ­ Folge der Entstehung der Schweiz von «unten» nach «oben» ­ ausnahmslos kantonale Kompetenz. Dementsprechend lassen sich die nach kantonalem Recht für die Stimmrechtsbescheinigung zuständigen Amtsstellen nicht als Aussenstellen der Bundeskanzlei verstehen. Infolgedessen ist nicht zu sehen, inwiefern BPR Artikel 59a der Bundesverfassung widersprechen sollte. Dies wäre dann der Fall, wenn BPR Artikel 59a neue, zusätzliche und sachfremde Schranken für die Volksrechte eingeführt hätte. Dem ist aber nicht so. 1995 wurde im Nationalrat diskutiert, ob die Referendumsfrist bei 90 Tagen belassen werden solle und nachgeschoben eine 30-Tage-Frist zur Einholung der Stimmrechtsbescheinigung eingeführt werden solle; stattdessen obsiegte aufgrund der praktischen Einwände die andere Regelung: Verlängerung um zehn Tage, aber Einreichung inklusive Stimmrechtsbescheinigungen bei der Bundeskanzlei; die Aufteilung der Frist zwischen Sammeln und Einholen der Stimmrechtsbescheinigung überliess der Gesetzgeber möglichst liberal den Referendumskomitees (AB 1995 N 453­457, 1996 S 49). Eine Verlängerung ohne diese Konsequenz stand niemals zur Debatte. Zwar meint Etienne Grisel «que la Chancellerie fédérale devra ... examiner elle-même les listes qui ont été déposées sans attestation. A cet égard, elle jouit apparemment d'un certain pouvoir d'appréciation et tranche suivant les circonstances: les listes qui ont été envoyées trop tard au service cantonal seront regardées comme nulles ; en revanche, lorsqu'elles lui ont été adressées à temps et qu'il a fait preuve d'une lenteur excessive, elles seront validées par la Chancellerie» (Etienne Grisel, op. cit., 318 no 838). Doch dies scheitert bereits daran, dass die Bundeskanzlei gar nicht über die Stimmregister verfügt; davon abgesehen, lässt auch Grisel dies nur bei erwiesenem behördlichem Trödeln gelten. Yvo Hangartner und Andreas Kley analysieren: «Die Vorschrift, die Unterschriften während der Referendumsfrist amtlich bescheinigen zu lassen, führt faktisch zu einer Sammelfrist von weniger als 100 Tagen. Die Unterschriftenlisten sind so rechtzeitig einzureichen, dass die Bescheinigung von den zuständigen
Beamten in der ordentlichen Arbeitszeit vorgenommen werden kann. Die Amtsstelle hat jedoch unverzüglich zu bescheinigen (Art. 62 Abs. 2 BPR) und sie ist daher entsprechend zu organisieren.» (YVO Hangartner/Andreas Kley: Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der schweizerischen Eidgenossenschaft. Zürich 2000, 416 Rz. 1013). «Die Referendumsfrist beträgt 100 Tage von der amtlichen Veröffentlichung an (Art. 59 BPR).

(Bis 1997 betrug sie 90 Tage ... Die Frist wurde 1996 verlängert, weil

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gleichzeitig die Regelung gestrichen wurde, dass allfällige von der Bundeskanzlei entdeckte Mängel von der zur Bescheinigung zuständigen Amtsstelle, nötigenfalls auch nach Ablauf der Referendumsfrist, behoben werden (Art. 65 BPR, gestrichen durch Änderung des BPR vom 21. Juni 1996, AS 1997 753).» (Hangartner/Kley, op. cit., 413 Rz. 1004 mit Fn. 190). «Die Bundeskanzlei kontrolliert die Unterschriftenlisten ein zweites Mal, wenn auch zwangsläufig summarisch. Bei knappen Zahlen wird gemäss Praxis nachgezählt. Allfällige Mängel können nicht mehr behoben werden.» (Hangartner/Kley, op. cit., 416 Rz. 1015). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die gesetzliche Regelung der Referendumsfrist erst im Rahmen der Volksrechtsreform von 2003 (AS 2003 1949) auf Verfassungsstufe gehoben wurde. Die Materialien (BBl 2001 4820 und 6086: «Weitere Änderungen, wie beispielsweise die aus technischen Überlegungen begründete Verlängerung der Referendumsfrist von 90 auf 100 Tage im Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte [SR 161.1; BPR], sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Das Erfordernis einer Verfassungsrevision aus eher technischen Überlegungen rechtfertigt nicht, die Sammelfristen nicht auf Verfassungsstufe regeln zu wollen.») geben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass damit am Verständnis der Sammelfrist (Einschluss der Stimmrechtsbescheinigungen) irgendetwas geändert werden sollte.

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Die gesetzliche Verlängerung der Referendumsfrist von 90 auf 100 Tage sollte den Referendumskomitees also in der Tat den Spielraum verschaffen, die Stimmrechtsbescheinigungen rechtzeitig vor Ablauf der Referendumsfrist einzuholen. Die vom Referendumskomitee (Ziff. 5 und 6 der Stellungnahme) geltend gemachten Verzögerungen betreffen 4722 Unterschriften, welche den Gemeinden laut Aussage des Referendumskomitees am 19., 24. und 25. September 2012, also innerhalb der letzten acht Tage vor Ablauf der Referendumsfrist zur Erteilung der Stimmrechtsbescheinigung zugesandt worden waren. Dies ist selbstverständlich nicht unzulässig. Aber es belegt, dass es zum grossen Teil um Fälle jener Art geht, die der historische Gesetzgeber keineswegs im Sinne einer Erleichterung der Volksrechte neu regelte, sondern im Sinne einer klaren Zuordnung verlängerter Fristen und entsprechender Risiken. Es stellt sich nicht allein die Frage nach Fehlern bei der Rücksendung bescheinigter Unterschriften, sondern ebenso die Frage nach der rechtzeitigen Einholung der Stimmrechtsbescheinigungen (Art. 62 Abs. 1 BPR). Die vom Referendumskomitee gemachten Angaben und die Belege korrelieren mit Hinweisen des Staatsrats des Kantons Genf in einem Schreiben an den Bundesrat vom 10. Oktober 2012: «Le service cantonal en charge des votations et élections contrôle les signatures pour le compte de 29 des 45 communes genevoises représentant 88 % de l'électorat cantonal. Ce service a traité, validé et expédié, avant le 20 septembre 2012, 3533 signatures à l'appui des référendums lancés contre les accords fiscaux passés par la Suisse avec des pays de l'Union européenne: 1161 pour l'Allemagne, 986 pour l'Autriche et 1386 pour le Royaume-Uni.

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Du 20 au 26 septembre 2012, le service concerné a encore reçu et contrôlé 4421 signatures. Plus de 87 % d'entre elles, soit au total 3874, ont été remises par le comité référendaire à ce service pour contrôle le 24 septembre ou plus tard, soit entre le 97e et le 99e jour du délai référendaire.

Compte tenu de ces envois tardifs, les collaboratrices et collaborateurs de ce service ont été mobilisés le lundi 24 et le mardi 25 septembre 2012 de 7 heures à 22 heures, afin d'être en mesure de contrôler et de valider le plus grand nombre de signatures possibles.

Un colis contenant 4200 signatures validées (1453 pour l'Allemagne, 1561 pour l'Autriche et 1186 pour le Royaume-Uni) a été remis au guichet commercial de la Poste de la Praille le mercredi 26 septembre 2012 vers 15 h 15.

Ces colis sont normalement envoyés en et en (anciennement ) afin de pouvoir en suivre le traitement par la Poste. Le colis en question a été déclaré ainsi dans le registre des envois tenu par le service des votations et élections.

Après que le comité référendaire a annoncé que ce colis était arrivé un jour après l'échéance du délai référendaire, nos services ont procédé à des vérifications qui ont montré, sur le site dédié au contrôle de traitement par la Poste, que ce colis avait été acheminé en mode économique.

Il apparaît que ce colis se trouvait le 27 septembre 2012 à 7 h 30 au centre de tri de Daillens, puis le même jour à 12 h 50 à Härkingen, avant d'être distribué à 7 h 36, le 28 septembre 2012 à Ostermundigen.

Un document remis par la Poste et reproduisant un scanner du colis expédié montre que, si l'étiquette figurait bien sur celui-ci, celle du faisait défaut.» In Genf wurden demnach 48,7 % aller gesammelten Unterschriften frühestens am 97. Tag der Referendumsfrist zur Stimmrechtsbescheinigung eingereicht.

Das Referendumskomitee geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass alle verbleibenden ungültigen Unterschriften (Tabelle 2 Kolonne h) ohne weiteres gültig wären, wenn die nachträglich eingereichten Unterschriften berücksichtigt würden. Diese Frage muss jedoch offen bleiben. Die Angabe in Kolonne h kann nur eine Maximalzahl sein. Nicht prüfen konnte die Bundeskanzlei bei diesen Unterschriften nämlich, ob sie überhaupt vor Ablauf
der Referendumsfrist bei den nach kantonalem Recht zuständigen Amtsstellen zur Stimmrechtsbescheinigung eingegangen waren. Im Übrigen hat das Referendumskomitee die ihm am 28. September 2012 zugegangenen Unterschriften aus Genf der Bundeskanzlei erst am 1. Oktober 2012 nachgereicht.

P.

8586

Das Referendumskomitee macht zwei untolerierbare Fälle erteilter und dann liegen gebliebener oder aber verweigerter Stimmrechtsbescheinigung geltend (Ziff. 7 der Stellungnahme, vgl. Bst. L. e. hiervor), quantifiziert jedoch nur einen davon (drei Unterschriften zum vorliegenden Referendum). Hiergegen hätte die Möglichkeit der Stimmrechtsbeschwerde an die Kantonsregierung bestanden (BPR Art. 77 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2). Ob sie ergriffen

Referendum

wurde, geht aus der Stellungnahme nicht hervor. Das Referendumskomitee behauptet auch nicht, dass sie für das Zustandekommen des Referendums ausgereicht hätten.

Q.

Artikel 141 Absatz 1 der Bundesverfassung bindet die Volksabstimmung über Vorlagen des fakultativen Referendums an die Voraussetzung, dass innert 100 Tagen 50 000 Stimmberechtigte ein entsprechendes Begehren unterzeichnet haben (BV Art. 141). Das Referendum muss mit der nötigen Anzahl Unterschriften samt Stimmrechtsbescheinigung innerhalb der Referendumsfrist bei der Bundeskanzlei eintreffen (BPR Art. 59a). Nach BPR Artikel 66 Absatz 2 Buchstabe c hat die Bundeskanzlei Unterschriften auf Referendumslisten für ungültig zu erklären, welche nach Ablauf der Referendumsfrist eingereicht worden sind. Dementsprechend hat die Bundeskanzlei solche nachträglich eingereichten Unterschriftenlisten am 1. Oktober 2012 entgegen genommen, und sie weist das Ergebnis der entsprechenden Prüfung aus (Tabelle 2); das Gesetz erlaubt ihr jedoch nicht, diese Unterschriften für gültig zu erachten, denn dies liefe auf eine Verlängerung der verfassungsmässigen Referendumsfrist hinaus. Der Nachweis der Stimmberechtigung obliegt also den Referendumskomitees. Der Bundesgesetzgeber hat die Ausstellung der Stimmrechtsbescheinigungen bewusst keiner genauen Frist unterworfen, sondern angeordnet, dass die bescheinigten Unterschriftenlisten «unverzüglich den Absendern» zurückzugeben seien (vgl.

BPR Art. 62 Abs. 2). Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Menge anfallender Stimmrechtsbescheinigungen je nach Amtsstelle stark variieren kann. Ein langjähriger Erfahrungswert besagt, dass eine geübte Person pro Tag ca. 300 bis höchstens 350 Stimmrechtsbescheinigungen ausstellen kann (vgl. AB 1975 N 1502). Daher hat der Gesetzgeber auch angeordnet, dass die «Unterschriftenlisten rechtzeitig vor Ablauf der Referendumsfrist der Amtsstelle» zuzustellen sind, die der Kanton zur Ausstellung der Stimmrechtsbescheinigungen für zuständig erklärt hat (BPR Art. 62 Abs. 1). Wie bereits die Botschaft des Bundesrates von 1975 (BBl 1975 I 1345f), betont dies auch der Leitfaden der Bundeskanzlei für Urheberinnen und Urheber eines Referendums unter dem Titel «Umgehendes Einholen der Stimmrechtsbescheinigung» ausdrücklich (S. 35 Ziff. E1 und E12: «Stimmrechtsbescheinigungen sollten möglichst umgehend, laufend und portionenweise eingeholt werden. Dies ist sehr wichtig, damit (...) Belastungsspitzen bei den Stimmregisterführerinnen und -führern
gebrochen werden können (...).» Aus diesem Grund hat der Bundesgesetzgeber 1996 bei der Streichung der Möglichkeit nachträglicher Behebung von Bescheinigungsmängeln gleichzeitig die Referendumsfrist von 90 auf 100 Tage verlängert (AS 1997 754 Art. 59 gegenüber AS 1978 700 Art. 59; dazu BBl 1993 III 490).

R.

Infolgedessen ist die Nichtzustandekommensverfügung den Referendumskomitees mit eingeschriebenem Brief und der Gesamtheit der Stimmberechtigten durch Publikation im Bundesblatt zu eröffnen.

8587

Referendum

Kontrolle und Auszählung der Bundeskanzlei Kanton

Tabelle 1

total eingereichte

ungenügende Bescheinigung

mangelhafte Listen

von gleicher Hand

nicht handschriftlich

mehrfach unterzeichnet

total ungültige

gültige

b

c

d

e

f

g

h

i

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

12 765 4 346 1 535 131 1 773 275 354 189 1 086 712 815 568 1 030 425 403 108 2 600 888 4 507 1 370 7 220 1 594 819 177 1 753 111

0 4 0 0 22 6 2 0 9 2 4 4 3 0 0 0 2 14 4 0 18 0 0 0 4 0

0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 2 0 0 0

8 1 0 0 0 1 1 1 15 0 0 0 1 0 0 1 0 1 3 2 5 1 4 0 3 0

2 1 0 0 0 0 0 0 0 4 8 0 0 0 0 0 3 5 2 2 6 0 1 0 0 0

10 6 2 0 22 7 3 1 24 6 12 5 4 0 0 1 5 20 9 5 30 1 10 1 7 0

12 755 4 340 1 533 131 1 751 268 351 188 1 062 706 803 563 1 026 425 403 107 2 595 868 4 498 1 365 7 190 1 593 809 176 1 746 111

CH

47 554

98

7

4

48

34

191

47 363

a

8588

Referendum

Kontrolle und Auszählung der am 1. Oktober 2012 verspätet nachgereichten und somit ungültigen Unterschriften Kanton

a

total ungenügende eingereichte Bescheiniungültige gung

mangelhafte Listen

von gleicher Hand

Tabelle 2

mehrfach verbleibende nicht hand- unterzeichnet ungültige schriftlich

b

c

d

e

f

g

h

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

256 228 69 16 5 15 9 12 7 88 34 27 29 22 24 6 124 70 163 50 90 170 56 10 1234 9

1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 4 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0

0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

254 226 69 16 5 15 9 12 7 87 34 27 29 22 24 6 121 70 163 50 90 170 52 10 1232 9

CH

2823

8

0

0

4

2

2809

8589

Referendum

Referendum gegen den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich über die Zusammenarbeit im Steuerbereich und des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens Unterschriften nach Kantonen Kantone

Tabelle 3 Unterschriften maximal gültige

ungültige

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz Obwalden Nidwalden Glarus Zug Freiburg Solothurn Basel-Stadt Basel-Landschaft Schaffhausen Appenzell A. Rh.

Appenzell I. Rh.

St. Gallen Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf Jura

12 755 4 340 1 533 131 1 751 268 351 188 1 062 706 803 563 1 026 425 403 107 2 595 868 4 498 1 365 7 190 1 593 809 176 1 746 111

10 6 2 0 22 7 3 1 24 6 12 5 4 0 0 1 5 20 9 5 30 1 10 1 7 0

Schweiz

47 363

191

8590