12.028 Botschaft zur Änderung des Kartellgesetzes und zum Bundesgesetz über die Organisation der Wettbewerbsbehörde vom 22. Februar 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Kartellgesetzes einschliesslich des Entwurfs eines Gesetzes über die Organisation der Wettbewerbsbehörde.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Februar 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-2206

3905

Übersicht Die Wettbewerbsgesetzgebung ist zentral für das Erreichen gesamtwirtschaftlicher Effizienz. Aus diesem Grund wurde das Kartellgesetz (KG) 1995 griffiger ausgestaltet. Um seine Wirksamkeit weiter zu steigern, wurde es 2003 mit neuen Durchsetzungsinstrumenten ausgestattet (direkte Sanktionen gegen Unternehmen und Bonusregelung).

Die Evaluation des revidierten Erlasses nach Artikel 59a KG hat gezeigt, dass sich das Gesetz und die neuen Instrumente insgesamt bewährt haben. Sie hat aber auch in verschiedener Hinsicht Revisionsbedarf aufgezeigt. Dieser betrifft vor allem die institutionelle Ausgestaltung der Wettbewerbsbehörden. Auch eine Reihe materiellrechtlicher Bestimmungen erweisen sich als revisionsbedürftig. Von der Evaluation unabhängig sind schliesslich bedeutende Herausforderungen zur Revision des Kartellgesetzes dazugekommen: Einerseits geht es um den Auftrag des Parlaments aufgrund der Überweisung der Motion Schweiger (07.3856), die eine Überprüfung des Sanktionssystems fordert; andererseits verlangt die Wirtschaftslage infolge der deutlichen Aufwertung des Schweizer Frankens nach Massnahmen, die sicherstellen, dass die dank der starken Währung erzielten Einkaufsvorteile im Ausland vermehrt den Endkundinnen und -kunden zugute kommen.

Die institutionelle Reform betreffend gilt nach dem heutigen Gesetz, dass die wettbewerbsrechtlichen Entscheide durch eine unabhängige Kommission, die Wettbewerbskommission (WEKO), getroffen werden, die sich auf ein eigenes Sekretariat abstützen kann. Mit der Revision von 2003 haben die Entscheide der WEKO noch vermehrt quasi-strafrechtlichen Charakter angenommen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vermag nicht zu befriedigen, dass Verwaltungssanktionen in Millionenhöhe von einem Gremium gesprochen werden, in dem Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaftsverbänden Einsitz haben. Die Reform zielt deshalb auf die Schaffung einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde, welche die Untersuchungen führt und Antrag stellt, sowie eines unabhängigen erstinstanzlichen Gerichts zur Beurteilung der Fälle. In diesem Wettbewerbsgericht soll die wirtschaftliche Praxis durch Fachrichterinnen und Fachrichter vertreten sein. Alle Richterinnen und Richter haben dabei hohen Anforderungen an die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Interessen zu genügen. Dieses
neue Gericht wird vollständig in das Bundesverwaltungsgericht integriert.

In materiell-rechtlicher Hinsicht beantragt der Bundesrat als erstes eine Anpassung von Artikel 5 KG. Gemäss seinem Beschluss vom 17. August 2011 sollen horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie vertikale Preisbindungen und Gebietsabschottungen per Gesetz verboten, jedoch Rechtfertigungsmöglichkeiten zugelassen werden. Damit soll dem Wettbewerb auf dem Schweizer Markt neue Dynamik verliehen werden. Der grundlegende Unterschied zum geltenden Recht besteht darin, dass die Unzulässigkeit der besonders schädlichen horizontalen und vertikalen Abreden von der Art der Abrede abhängig sein wird. Bei diesen fünf Formen von Abreden, die heute schon direkt sanktionierbar sind, muss somit der Nachweis, dass sie den Wettbewerb im Einzelfall erheblich beeinträchtigen, nicht mehr geführt werden.

3906

Der zweite Revisionspunkt betrifft das kartellrechtliche Zivilverfahren. Hier sind heute nur die Wirtschaftsteilnehmer zur Klage berechtigt, die in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert werden. Durch Ausweitung der Klagelegitimation auf die Endkundinnen und -kunden soll die Unebenheit, die darin besteht, dass diese ihren Schaden aus Kartellen nicht geltend machen können, beseitigt werden.

Drittens soll die schweizerische Zusammenschlusskontrolle gestärkt und vereinfacht werden. Auch nach jüngster Praxis der WEKO bleibt festzuhalten, dass die seit 1995 unveränderte Zusammenschlusskontrolle wenig Wirkung bei der Verhinderung von hohen, sich nachteilig auswirkenden Marktkonzentrationen erzielte. Um wirtschaftlichen Machtballungen besser begegnen zu können, soll das Beurteilungskriterium deshalb neu geregelt werden. Zudem sollen Doppelspurigkeiten bei der Überprüfung von Zusammenschlüssen mit internationaler Marktabgrenzung reduziert und die Verfahrensfristen mit denjenigen der Europäischen Union harmonisiert werden.

Viertens beantragt der Bundesrat als Antwort auf die Annahme der Motion Schweiger (07.3856), dass von den Unternehmen eingerichtete wirksame und adäquate Massnahmen zur Einhaltung der kartellrechtlichen Bestimmungen (sog. Compliance-Programme) auf rechtlicher Ebene als Faktor, der zu einer Reduktion der Verwaltungssanktionen führen kann, zu berücksichtigen sind. Dies soll durch eine Anpassung von Artikel 49a KG umgesetzt werden.

Schliesslich ist die Verbesserung des Widerspruchsverfahrens dringlich. Dieses Verfahren soll es Unternehmen ermöglichen, sich im Licht der drohenden massiven Sanktionen frühzeitig Rechtssicherheit über kartellrechtlich heikle Verhaltensweisen zu verschaffen. Um die Funktionsfähigkeit des Widerspruchsverfahrens zu verbessern, soll das betreffende Unternehmen erst mit der Eröffnung einer formellen Untersuchung sanktioniert werden können, und nicht wie bisher bereits mit der Eröffnung einer einfachen Vorabklärung.

Die Revision des KG soll im Interesse einer liberalen Marktordnung den Wettbewerb in der Schweiz intensivieren. Gleichzeitig ist die Rechtssicherheit zu stärken.

Durch eine institutionelle Reform soll der Einsatz der 2003 eingeführten Instrumente, die sich als wirksam erwiesen haben, noch besser legitimiert werden. Die Revision trägt im
Weiteren der Entwicklung der europäischen Gesetzgebung Rechnung und sorgt so für einen Rechtsrahmen in Sachen Wettbewerb in der Schweiz, der den Bedürfnissen einer Volkswirtschaft entspricht, die eines der höchsten ProKopf-Einkommen weltweit erzielt.

3907

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3906

Abkürzungsverzeichnis

3910

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Entwicklung und Evaluation des Kartellgesetzes 1.1.2 Motion Schweiger (07.3856) 1.1.3 Massnahmen infolge der Aufwertung des Schweizer Frankens 1.1.4 Weitere parlamentarische Vorstösse 1.1.5 Revisionsziele 1.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.2.1 Erste Vernehmlassung 1.2.2 Zweite Vernehmlassung: Motion Schweiger 1.2.3 Dritte Vernehmlassung: Artikel 5 KG 1.2.4 In dieser Revision nicht berücksichtigte Vorschläge 1.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.1 Übersicht 1.3.2 Stärkung der Unabhängigkeit der Institutionen 1.3.3 Revision von Artikel 5 KG 1.3.4 Stärkung des Kartellzivilrechts 1.3.5 Zusammenschlusskontrolle 1.3.6 Sanktionsminderung dank Compliance-Massnahmen 1.3.7 Verbesserung des Widerspruchsverfahrens 1.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4.1 Vernehmlassungen 1.4.2 Allgemeine Bewertung der ersten Vernehmlassung 1.4.3 Allgemeine Bewertung der zweiten Vernehmlassung 1.4.4 Allgemeine Bewertung der dritten Vernehmlassung 1.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.6 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.7 Umsetzung

3912 3912 3912 3913 3914 3915 3916 3916 3916 3918 3918 3919 3920 3920 3921 3926 3928 3929 3931 3932 3933 3933 3934 3935 3936 3937 3937 3939

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Änderung des Kartellgesetzes 2.1.1 Redaktionelle Änderungen 2.1.2 Ingress 2.1.3 Materiell-rechtliche Bestimmungen (2. Kapitel) 2.1.3.1 Unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen (1. Abschnitt) 2.1.3.2 Unternehmenszusammenschlüsse (2. Abschnitt) 2.1.4 Zivilrechtliches Verfahren (3. Kapitel) 2.1.5 Verwaltungsrechtliches Verfahren (4. Kapitel) 2.1.5.1 Wettbewerbsbehörde und Wettbewerbsgericht (1. Abschnitt) 2.1.5.2 Wettbewerbsbeschränkungen (2. Abschnitt) 2.1.5.3 Unternehmenszusammenschlüsse (3. Abschnitt) 2.1.5.4 Verfahren und Rechtsschutz (4. Abschnitt)

3940 3940 3940 3940 3940 3940 3944 3948 3949

3908

3949 3950 3953 3954

2.1.5.5 Verwaltungssanktionen (6. Abschnitt) 2.1.5.6 Gebühren (7. Abschnitt) 2.1.6 Strafsanktionen (5. Kapitel) 2.1.7 Evaluation (6a. Kapitel) 2.1.8 Änderungen im Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) 2.1.9 Übergangs- und Schlussbestimmungen 2.2 Wettbewerbsbehördengesetz (WBBG) 2.2.1 Die Wettbewerbsbehörde 2.2.2 Personal 2.2.3 Finanzierung und Finanzhaushalt 2.2.4 Unabhängigkeit und Aufsicht 2.2.5 Schlussbestimmungen

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3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Notwendigkeit des staatlichen Handelns 3.3.2 Auswirkungen auf die einzelnen wirtschaftlichen Akteure 3.3.3 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

3980 3980 3981 3981 3981 3981 3984

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

3985

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.4 Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung 5.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

3985 3985 3987 3987 3987 3988

Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) (Entwurf)

3989

Bundesgesetz über die Wettbewerbsbehörde (Wettbewerbsbehördengesetz, WBBG) (Entwurf)

4007

3909

Abkürzungsverzeichnis BA BGBM BGG BPG BPV BV BVGer EFV E-KG EMRK EU EVD EWR FMG GebV-KG ICN KG LFG MWSTG MWSTV OECD OR PüG RTVG RVOG

3910

Bundesanwaltschaft Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (BPV; SR 172.220.111.3) Bundesverfassung, BV; SR 101 Bundesverwaltungsgericht Eidgenössische Finanzverwaltung Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) und Gegenstand dieser Botschaft Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten («Europäische Menschenrechtskonvention», EMRK; SR 0.101) Europäische Union Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Europäischer Wirtschaftsraum Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.10) Verordnung vom 25. Februar 1998 über die Gebühren zum KG (Gebührenverordnung KG, GebV-KG; SR 251.2) International Competition Network Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0) Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV; SR 641.201) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR; SR 220) Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG; SR 942.20) Bundesgesetz vom 6. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010)

SIEC StPO SVKG SuG THG UWG VG VGG VlG VKU VStrR VwVG WAK-S WBBG WB-Rat WEKO ZGB

Significant Impediment to Effective Competition Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0) Verordnung vom 12. März 2004 über die Sanktionen bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen (KG-Sanktionsverordnung, SVKG; SR 251.5) Bundesgesetz vom 5. Oktober 1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz, SuG; SR 616.1) Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (THG; SR 946.51) Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32) Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG; SR 173.32) Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG; SR 172.061) Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU; SR 251.4) Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats Bundesgesetz über die Wettbewerbsbehörde (Wettbewerbsbehördengesetz) Wettbewerbsbehördenrat Wettbewerbskommission Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210)

3911

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Entwicklung und Evaluation des Kartellgesetzes

Nach der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 und um die staatlich beeinflussbaren Rahmenbedingungen angesichts der Globalisierung der Märkte zu verbessern, hat der Bundesrat Anfang der 1990erJahre ein umfassendes Programm zur «marktwirtschaftlichen Erneuerung» der schweizerischen Wirtschaft erarbeitet. Dieses enthielt unter anderem eine Verschärfung des Kartellgesetzes (KG)1. Die Revision des KG von 1995 hat zu einer grundlegenden Neuorientierung des Wettbewerbsrechts in der Schweiz im Sinne der Stimulierung eines wirksamen Wettbewerbs geführt. Materiell beruht das KG von 1995 auf folgenden drei Pfeilern: der Bekämpfung unzulässiger Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG) und missbräuchlicher Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen (Art. 7 KG) sowie der Zusammenschlusskontrolle (Art. 9 KG).

Die am 1. April 2004 in Kraft getretene Teilrevision des KG bezweckte, den in der Revision von 1995 eingeleiteten Paradigmenwechsel zu vervollständigen, namentlich durch die Einführung direkter Sanktionen, die Schaffung einer Bonusregelung und die Möglichkeit von Hausdurchsuchungen. Trotz dieser bedeutenden materiellrechtlichen Änderungen wurde bisher keine massgebliche Anpassung der institutionellen Struktur vorgenommen.

2008 wurde gemäss Artikel 59a KG eine Evaluation des Gesetzes in Angriff genommen, damit der Bundesrat dem Parlament fristgerecht Bericht erstatten konnte. Die eingesetzte Evaluationsgruppe unterbreitete dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) ihre Synthese am 5. Dezember 20082. Ihr Bericht zieht ein insgesamt positives Fazit der Umsetzung des Gesetzes: Insbesondere die 2003 neu eingeführten Instrumente erreichten das Ziel einer erhöhten Präventivwirkung des Erlasses und seien beizubehalten.

Die Evaluationsgruppe ortete aber auch auf verschiedenen Ebenen Handlungsbedarf sowie ein Entwicklungspotenzial, welche eine Revision rechtfertigten. Namentlich bedürfe es der Überarbeitung der institutionellen Strukturen. Prioritär seien insbesondere die Stärkung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden und die Professionalisierung des Entscheidorgans durch einen höheren Beschäftigungsgrad seiner Mitglieder, eine formell-gesetzliche Grundlage, welche unter gewissen Voraussetzungen die engere Zusammenarbeit mit ausländischen Wettbewerbsbehörden
ermöglicht, die Harmonisierung der schweizerischen Zusammenschlusskontrolle mit jener der Europäischen Union (EU) sowie bei vertikalen Restriktionen der Verzicht auf die heute im Gesetz verankerte Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung. Die Evaluationsgruppe erwähnt weitere im Rahmen einer Gesetzesrevision anzustrebende Verbesserungen wie die Stärkung des Kartellzivilrechts, Verbesserungen im 1 2

Siehe 94.100 Botschaft zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 23. November 1994 (BBl 1995 I 468).

Siehe folgende Website: www.weko.admin.ch/dokumentation/00216/01035/index.html?lang=de.

3912

Verfahrensrecht, die Bestätigung der Sanktionierbarkeit unzulässiger harter Kartelle (unabhängig von der Widerlegung der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung), die Verbesserung des Widerspruchsverfahrens und die Prüfung der Sanktionierung natürlicher Personen.

Bei ihrer Arbeit konnte sich die Evaluationsgruppe auf die hauptsächlichen Empfehlungen aus der Überprüfung der Schweizer Wettbewerbspolitik stützen, die der Wettbewerbsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2006 durchgeführt hatte.3 Diese Empfehlungen zielten insbesondere auf eine grössere Unabhängigkeit des Entscheidorgans, eine Stärkung der Präventivwirkung des KG, eine Verschärfung der Zusammenschlusskontrolle, die Einführung von Sanktionen gegen natürliche Personen, eine Beschleunigung des Verfahrens sowie die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit.

Der Bundesrat verabschiedete am 25. März 2009 seinen Bericht an das Parlament über die Evaluation des KG nach Artikel 59a KG4 und legte gleichzeitig seine Vorstellungen zum weiteren Vorgehen dar. In seinem Bericht schloss sich der Bundesrat den Ergebnissen der Evaluation im Grundsatz an und schlug dem Gesetzgeber vor, am heutigen Konzept des KG sowie an den neuen Instrumenten grundsätzlich festzuhalten. Er erkannte ebenso wie die Evaluationsgruppe aber auch Mängel am heutigen Gesetz und beauftragte das EVD, bis im Frühjahr 2010 einen Revisionsvorschlag auszuarbeiten. Dabei folgte der Bundesrat den Ergebnissen der Evaluation, fügte aber einen weiteren Punkt hinzu, der sich als wesentlich für die institutionelle Reform erwiesen hat, nämlich die Prüfung von Massnahmen zur Beschleunigung der Verfahren und, falls nötig, die Ausarbeitung von Vorschlägen zu Gesetzesänderungen in diesem Sinne.

Die zwischen dem 30. Juni und dem 19. November 2010 in die Vernehmlassung gegebene Revisionsvorlage des KG enthielt somit sechs Punkte: Die institutionelle Reform der Wettbewerbsbehörde, die Verbesserung des Widerspruchsverfahrens, die Revision der Behandlung vertikaler Abreden, die Stärkung und die Vereinfachung der Zusammenschlusskontrolle, die gesetzliche Verankerung einer besseren Zusammenarbeit mit ausländischen Wettbewerbsbehörden und die Stärkung des kartellrechtlichen Zivilverfahrens.

1.1.2

Motion Schweiger (07.3856)

Parallel zur Evaluation und zu den darauf folgenden Arbeiten, aus denen die im Juni 2010 in die Vernehmlassung gegebene erste Revisionsvorlage des KG hervorging, behandelte das Parlament die Motion Schweiger «Ausgewogeneres und wirksameres Sanktionssystem für das Schweizer Kartellrecht» (07.3856). Sie fordert erstens die sanktionsmindernde Berücksichtigung von Anstrengungen zur Beachtung der kartellgesetzlichen Regelungen (sog. Compliance-Programme) und zweitens die Einführung strafrechtlicher Sanktionen gegen natürliche Personen im KG. Der Bundesrat sprach sich dabei stets gegen die Umsetzung der Motion Schweiger aus und 3

4

Siehe OECD, 2006, Examens de l'OCDE de la réforme de la réglementation, «La réforme de la réglementation en Suisse: le rôle de la politique de la concurrence dans la réforme de la réglementation», Paris.

Der Bericht ist auf der folgenden Website verfügbar: www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/15254.pdf.

3913

beantragte deren Ablehnung, da er insgesamt eine Schwächung der Durchsetzungskraft des KG befürchtete.

Ursprünglich forderte die Motion, dass Compliance-Programme bis zur Sanktionsbefreiung führen sollten. Dem Nationalrat ging dies zu weit; er änderte die Motion in diesem Punkt ab und sah neu nur noch eine Milderung der Sanktion vor. Am 21. September 2010 überwies auch der Ständerat die Motion in ihrer neuen Fassung.

Die Diskussionen im Ständerat konnten sich auf ein Dokument der Verwaltung stützen, das verschiedene Varianten für die Umsetzung der Motion Schweiger5 untersuchte, sowie auf ein Rechtsgutachten, welches das zuständige Departement angesichts der sich abzeichnenden Überweisung der Motion in Auftrag gegeben hatte.6 Auf der Grundlage dieses von den Strafrechtsprofessoren Günter Heine, Universität Bern, und Robert Roth, Universität Genf, verfassten Rechtsgutachtens sowie der verwaltungsinternen Arbeiten eröffnete der Bundesrat wenige Monate nach der definitiven Überweisung der Motion eine zweite Vernehmlassung, die vom 30. März 2011 bis 6. Juli 2011 dauerte. In diesem Rahmen erklärte er sich bereit, den ersten Teil der Motion, die Sanktionsminderung für Unternehmen, die Compliance-Massnahmen treffen, umzusetzen, bestätigte jedoch seine Vorbehalte gegenüber der Einführung von Strafsanktionen gegen natürliche Personen.

1.1.3

Massnahmen infolge der Aufwertung des Schweizer Frankens

Infolge der starken Aufwertung des Schweizer Frankens sind derzeit einige Sektoren, insbesondere aber die Exportindustrie, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Diese beunruhigende Lage hat den Bundesrat dazu veranlasst, am 17. August 2011 ein Massnahmenpaket zur Stützung des Schweizer Wirtschaftsstandorts zu beschliessen.7 Unter den vorgeschlagenen Massnahmen befindet sich die Belebung des Wettbewerbs in der Schweiz mit dem Ziel, für eine bessere Weitergabe der von den Unternehmen durch ihre Einkäufe im Ausland erzielten Kostenvorteile zu sorgen. Abreden zwischen Unternehmen können diese Weitergabe einschränken. Indem sie verhindern, dass auf dem Schweizer Markt tätige oder exportorientierte Unternehmen sowie die Endkundinnen und -kunden in den Genuss der Währungsvorteile kommen, beeinträchtigen sie die nationale Wettbewerbsfähigkeit. Das EVD wurde entsprechend beauftragt, eine Revision von Artikel 5 KG im Sinne eines wirksameren Verbots der horizontalen Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie der vertikalen Preisbindungen und Gebietsabschottungen vorzubereiten, dabei jedoch Rechtfertigungsmöglichkeiten auch für solche Abreden zuzulassen.

Um eine rasche Umsetzung der Gesetzesänderung zu gewährleisten, erfolgte gemäss Beschluss vom 23. September 2011 die dritte Vernehmlassung zur Revision des KG in Form einer Konferenz am 5. Oktober 2011, dies in Übereinstimmung mit

5 6 7

Verfügbar auf der folgenden Website: www.seco.admin.ch/themen/02860/04210/index.html?lang=de.

Verfügbar auf der folgenden Website: www.seco.admin.ch/themen/02860/04210/index.html?lang=de.

Siehe Medienmitteilungen auf den Websites: www.news.admin.ch/dokumentation/ 00002/00015/index.html?lang=de&msg-id=40629 und www.news.admin.ch/ dokumentation/00002/00015/index.html?lang=de&msg-id=40867.

3914

Artikel 7 Vernehmlassungsgesetz (VlG)8. Die eingeladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten zudem die Möglichkeit, bis 10. Oktober 2011 eine schriftliche Stellungnahme zu unterbreiten.

1.1.4

Weitere parlamentarische Vorstösse

Die Motion de Buman «Für echten Wettbewerb und tiefere Preise» (10.3302) wurde am 19. September 2011 vom Nationalrat ohne Diskussion sehr knapp abgelehnt. Die Motion nahm die wesentlichen Empfehlungen auf, die 2006 aus der Untersuchung der Schweizer Wettbewerbspolitik durch den Wettbewerbsausschuss der OECD hervorgegangen waren (siehe Ziff. 1.1.1).

In parlamentarischer Beratung befindet sich zurzeit die Parlamentarische Initiative Kaufmann «Existenzgefährdung infolge Kartellbussen verhindern» (08.443). Sie will bei Umsetzung von Compliance-Programmen die Sanktionsbefreiung ermöglichen und gleichzeitig Freiheitsstrafen einführen für fehlbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorsätzlich Kartellabreden nach Artikel 5 Absatz 3 KG tätigen, wenn die beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen Marktanteil von über 30 Prozent aufweisen. Mit der Forderung nach Sanktionsbefreiung geht sie weiter als die Motion Schweiger in der überwiesenen Form. Angesichts der begonnenen Arbeiten im Rahmen der Behandlung der Motion Schweiger hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) am 30. März 2010 beschlossen, dieser parlamentarischen Initiative zurzeit keine Folge zu geben. Das Geschäft geht nun ins Plenum des Nationalrates.

Im Rahmen der Diskussionen um die Frankenstärke und die als ungenügend erachtete Weitergabe der Währungsvorteile wurden am 30. September 2011 vier Motionen im Nationalrat eingereicht.

8 9

­

Die Motion Birrer-Heimo «Kartellgesetzrevision gegen unzulässige Preisdifferenzierungen» (11.3984) verlangt, das KG mit einem Artikel zu unzulässigen Preisdifferenzierungen zu ergänzen. Dabei soll der Grundsatz festgehalten werden, dass Unternehmen, die ihre Markenprodukte im Ausland zu tieferen Preisen vertreiben als in der Schweiz, sich unzulässig verhalten, wenn sie sich weigern, Unternehmen oder Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz über ihre im Ausland gelegenen Vertriebsstellen zu den dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen zu beliefern oder wenn sie Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte auf Nachfrage hin in die Schweiz liefern können.

­

Die Motion Birrer-Heimo «Kartellgesetzrevision mit Stärkung der Rechte der Konsumentenorganisationen» (11.3985) will den Bundesrat beauftragen, Artikel 26 KG zu ergänzen, um die Rechte der Konsumentenorganisationen dahingehend zu stärken, dass sie neu die Durchführung einer Vorabklärung verlangen können.

­

Die Motion Birrer-Heimo «Wirkungsvolle Massnahmen gegen überteuerte Importprodukte» (11.3986) fordert, dass dem Parlament eine Änderung des Preisüberwachungsgesetzes (PüG)9 unterbreitet wird, sodass der GeltungsSR 172.061 SR 942.20

3915

bereich der Preisüberwachung gemäss Artikel 2 auch für Unternehmen gilt, die in der Schweiz importierte Markenprodukte zu erheblich höheren Preisen vertreiben als im Herkunftsland.

­

Die Motion Leutenegger Oberholzer «Verbot von wettbewerbsbehindernden Abreden» (11.4004) fordert, dass zur Bekämpfung der Hochpreisinsel Schweiz wettbewerbsbehindernde Abreden aller Art wirksam bekämpft werden, insbesondere durch eine Revision von Artikel 5 KG. Konkret verlangt die Motion, alle Abreden grundsätzlich zu verbieten und Ausnahmen nur bei betrieblicher Notwendigkeit zuzulassen, die von den Unternehmungen jeweils bewiesen werden soll.

Aus den in seinen Antworten vom 16. November 2011 aufgeführten Gründen beantragte der Bundesrat die Ablehnung dieser vier Motionen. Am 21. Dezember hat der Nationalrat die drei letztgenannten Motionen abgelehnt, jedoch die Motion BirrerHeimo (11.3984) mit 113 gegen 74 Stimmen angenommen. Der Ständerat hat diese Motion noch nicht behandelt, ihre Überweisung ist derzeit offen, weshalb nachfolgend nicht näher darauf eingegangen wird.

1.1.5

Revisionsziele

Im Sinne einer liberalen Marktordnung soll die Teilrevision des KG die Wettbewerbsdynamik in der Schweiz intensivieren. Um die bei der KG-Revision 2003 eingeführten wirksamen Präventionsinstrumente zu stärken, soll die vorliegende Revision die Rechtssicherheit erhöhen und die Wirksamkeit der Umsetzung der Wettbewerbspolitik verbessern, indem insbesondere die Unabhängigkeit von Untersuchung und Entscheid im Kartellrecht gewährleistet wird. Die Revision soll weiter der Entwicklung der europäischen Gesetzgebung Rechnung tragen, um eine Wirksamkeit des Kartellrechts zu garantieren, die den Bedürfnissen einer fortgeschrittenen und stark in den internationalen Handel integrierten Wirtschaft entspricht.

1.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

1.2.1

Erste Vernehmlassung

Institutionelle Struktur Die am 30. Juni 2010 in die Vernehmlassung gegebene Revisionsvorlage schlug die Schaffung einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde vor, welche die Untersuchungen führt und Antrag stellt, und die Bildung eines unabhängigen erstinstanzlichen Gerichts, das über die Fälle entscheidet.

Dazu sollte erstens das heutige Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) zu einer eigenständigen, vom Bundesrat und von wirtschaftspolitischen Interessen unabhängigen Wettbewerbsbehörde aufgewertet werden.

Zweitens sollte ein neues, von der Wettbewerbsbehörde getrenntes Bundeswettbewerbsgericht gebildet werden, welches bei Abreden und Fällen von Marktmachtmissbrauch den Entscheid fällt und Sanktionen ausspricht. Dieses sollte sich aus den heute mit Kartellrechtsfragen befassten Richterinnen und Richtern des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) sowie unabhängigen Fachleuten zusammensetzen, die (in 3916

Analogie zu den interessenunabhängigen Mitgliedern der WEKO) den Bezug zum wirtschaftlichen Alltag und zur Wirtschaftslehre im Gebiet des Wettbewerbs gewährleisten.

Drittens sollte der Beschwerdeweg vom Wettbewerbsgericht direkt zum Bundesgericht gehen mit dem Ziel, eine beträchtliche Beschleunigung des Verfahrens bis zum Vorliegen des letztinstanzlichen Entscheids herbeizuführen.

Materielle Regelungen Der Bundesrat schlug auch eine Änderung des Widerspruchsverfahrens im KG vor (Art. 49a Abs. 3 Bst. a KG), das es Unternehmen ermöglicht, geplante Verhaltensweisen, die als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten, vorab der Wettbewerbsbehörde zu melden. Konkret schlug der Bundesrat vor, die Frist, innert welcher die Wettbewerbsbehörde tätig werden muss, damit ein Unternehmen für die gemeldete Verhaltensweise sanktionierbar bleibt, von fünf Monaten auf neu zwei Monate nach Eingang der Meldung zu verkürzen. Zudem sollte neu einzig die Eröffnung einer formellen Untersuchung nach Artikel 27 KG dazu führen, dass trotz Meldung ein Sanktionsrisiko fortbesteht, und nicht, wie bis anhin, bereits die Eröffnung einer einfachen Vorabklärung nach Artikel 26 KG.

Weiter schlug der Bundesrat die Anpassung von Artikel 5 Absatz 4 KG vor, der Abreden zwischen Unternehmen unterschiedlicher Marktstufen (sog. vertikale Abreden) über Preise und über die Zuweisung von Gebieten zum Gegenstand hat.

Damit diese nicht per se verboten, sondern fallweise beurteilt werden, unterbreitete er zwei Varianten zur differenzierten Behandlung vertikaler Abreden. Variante 1 sah vor, die Vermutung zu streichen, dass vertikale Abreden über Preise und über die Zuweisung von Gebieten den wirksamen Wettbewerb beseitigen (d. h. Streichung von Art. 5 Abs. 4 KG); stattdessen sollte eine systematische Einzelfallbeurteilung eingeführt werden, wobei die in Artikel 5 Absatz 4 KG für die beiden Arten von Abreden vorgesehenen Sanktionen beibehalten worden wären. In Variante 2 wurde die Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung beibehalten, dies im Lichte des hohen Schadenpotenzials dieser beiden Arten von vertikalen Abreden, die Bestimmung wäre jedoch durch die Einführung von «sicheren Häfen» bei nur geringen Marktanteilen und bei EWR-Kompatibilität einer Abrede ergänzt worden.

Um die Zusammenschlusskontrolle zu modernisieren,
schlug der Bundesrat erstens vor, die wettbewerbshemmenden Wirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen in Zukunft besser zu erfassen, und zweitens bei Zusammenschlüssen mit internationaler Marktabgrenzung für administrative Erleichterungen zu sorgen, dies indem Doppelspurigkeiten bei der Prüfung internationaler Zusammenschlüsse angegangen werden. Zur Anpassung der Beurteilungskriterien unterbreitete der Bundesrat zwei Varianten: Variante 1 sah die Übernahme des in der EU angewendeten Beurteilungskriteriums vor (SIEC-Test, Significant Impediment to Effective Competition); nach diesem Kriterium können bereits Zusammenschlüsse, die zu einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs führen, untersagt werden. In Variante 2 sollte das relevante Beurteilungskriterium für einen Zusammenschluss nur noch die Marktbeherrschung sein, nicht auch noch eine durch den Zusammenschluss ausgelöste Beseitigung des Wettbewerbs. Als weitere Punkte sollten mit der Revision Fristen und Verfahren mit der EU in Einklang gebracht werden und dem Wettbewerbsgericht neu eine Ordnungsfrist von drei Monaten auferlegt werden, innert der es über allfällige Beschwerden im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle zu entscheiden hat.

3917

Ferner sah die Revisionsvorlage vor, die geltende Rechtslage bezüglich grenzüberschreitender Zusammenarbeit und Datenbekanntgabe an ausländische Wettbewerbsbehörden anzupassen.

Schliesslich schlug der Bundesrat vor, das Kartellzivilrecht zu stärken, indem die zivilrechtliche Klagemöglichkeit, die heute auf Wettbewerber beschränkt ist, auf alle von Kartellen Betroffene ausgedehnt wird. Ausserdem sollte die Verjährungsfrist im Kartellzivilrecht in Zukunft ab einer Untersuchungseröffnung bis zum rechtskräftigen Entscheid still stehen.

1.2.2

Zweite Vernehmlassung: Motion Schweiger

Die in der zweiten Vernehmlassung vorgeschlagene Revision enthielt zwei Elemente, die den beiden Anliegen der Motion Schweiger entsprechen. Das erste Anliegen, d. h. die sanktionsmindernde Berücksichtigung der Compliance-Anstrengungen der Unternehmen, sollte durch eine Ergänzung von Artikel 49a KG umgesetzt werden, sodass die Compliance-Programme als Faktor bei der Sanktionsbemessung ausdrücklich auf Stufe Gesetz erwähnt werden. Neu sollte festgehalten werden, dass der Geschäftstätigkeit und der Branche angemessene Vorkehrungen zur Verhinderung von Kartellrechtsverstössen sanktionsmindernd zu berücksichtigen sind, wenn sie und deren Wirksamkeit von den Unternehmen hinreichend dargetan werden.

Das zweite Anliegen der Motion fordert die Einführung von Sanktionen gegen natürliche Personen. In der Vernehmlassung wurden zwei Umsetzungsvarianten zur Diskussion gestellt: Das Erlassen von verwaltungsrechtlichen Massnahmen (Variante A) oder von strafrechtlichen Sanktionen (Variante B). Die erste Variante sah einerseits die zeitlich begrenzte ganze oder teilweise Untersagung der beruflichen Tätigkeit bei den an der Kartellabrede beteiligten Unternehmen vor, andererseits sollten Lohnbestandteile wie Boni, die der verantwortliche Mitarbeiter aufgrund der Kartellabrede erzielte, eingezogen werden können. Variante B verstand die Motion Schweiger wörtlich. Als Strafrahmen wurden Geld- und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vorgesehen. Variante B schlug zwei voneinander unabhängige Verfahren vor: Die Untersuchung der Wettbewerbsbehörde, welche mit dem Entscheid des Wettbewerbsgerichts abgeschlossen wird, sollte sich weiterhin allein gegen das Unternehmen richten. Das Verfahren gegen die verantwortlichen Mitarbeiter sollte dagegen von der Bundesanwaltschaft (BA) geführt werden und zum erstinstanzlichen Entscheid vor das Bundesstrafgericht führen.

1.2.3

Dritte Vernehmlassung: Artikel 5 KG

Die in der ersten Vernehmlassung präsentierten Revisionsvorschläge zu Artikel 5 KG verfolgten ein doppeltes Ziel: Einerseits sollte die Rechtssicherheit bei den direkt sanktionsbedrohten Arten von Abreden durch Verzicht auf die unzutreffende gesetzliche Vermutung der Beseitigung des Wettbewerbs erhöht und andererseits eine differenziertere Beurteilung vertikaler Abreden ermöglicht werden, indem deren wettbewerbsbehindernde und wettbewerbsfördernde Wirkungen besser berücksichtigt werden sollten. Die Varianten stützten sich beide auf die Tendenz in der Wirtschaftslehre, die einzelnen Arten vertikaler Abreden nicht per se zu verbie3918

ten, sondern sie im Einzelfall zu beurteilen. Abreden, die zu Effizienzsteigerungen beitragen oder gar den Wettbewerb fördern, sollten erlaubt, zugleich aber die Bekämpfung von Marktabschottungsproblemen und überhöhten Preisen gewährleistet bleiben.

Die beiden Ziele, Rechtssicherheit und Einzelfallbeurteilung, galten auch bei der dritten Vernehmlassung. Der Beschluss des Bundesrates vom 17. August 2011, fünf Arten horizontaler und vertikaler Abreden per Gesetz zu verbieten, liess jedoch die in der ersten Vernehmlassung unterbreiteten beiden konkreten Änderungsvorschläge von Artikel 5 hinfällig werden. Dennoch handelt es sich beim Reformvorschlag vom 23. September 2011 nicht um eine radikale Positionsänderung, denn einerseits ist der Erlass eines Teilverbots von Kartellabreden unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit optimal, und anderseits wurde ausdrücklich vorgesehen, dass ökonomische Überlegungen im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung berücksichtigt werden sollen, vorausgesetzt die Abrede steigert die wirtschaftliche Effizienz. Der grundlegende Unterschied zum geltenden Recht und zu den beiden in der ersten Vernehmlassung vorgeschlagenen Varianten bestand darin, dass die Unzulässigkeit auf der Art der Abrede gründete und nicht mehr auf deren direkter ökonomischer Wirkung im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Das heisst, es wurden explizit unzulässige Arten von Abreden bezeichnet. Konkret handelt es sich um die fünf Arten von Abreden, die heute schon direkt sanktionierbar sind. Dass man für die Unzulässigkeit an der Art und nicht auch noch an der direkten ökonomischen Wirkung der Abrede im Einzelfall anknüpft, führt ­ zumindest was den Aspekt der Rechtssicherheit angeht ­ zu einer klaren Verbesserung. Die gesetzliche Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung, die insbesondere nach dem ersten Urteil des Bundesgerichts in Sachen Buchpreisbindung10 regelmässig umgestossen wird und damit einen unzutreffenden Eindruck erweckt, sollte aus dem Gesetz entfernt werden. Und der Vorschlag sollte zu einer Annäherung des Schweizer Systems der Kartellbekämpfung an internationale Standards führen, insbesondere an diejenigen der EU, ohne diese zu kopieren, denn das EU-Recht kennt ein generelles gesetzliches Verbot von Abreden, allerdings abgemildert mit gewissen Ausnahmemöglichkeiten.

1.2.4

In dieser Revision nicht berücksichtigte Vorschläge

Die folgenden im Rahmen der Vernehmlassungen vorgeschlagenen Revisionspunkte werden nicht in den vorliegenden Entwurf aufgenommen: ­

10

Die erste Vernehmlassungsvorlage sah vor, im KG eine Rechtsgrundlage für die Kooperation der schweizerischen Wettbewerbsbehörde mit Schwesterbehörden im Ausland zu schaffen. Ziel der Regelung war es, durch vermehrte Kooperation internationale Kartelle wirkungsvoller zu bekämpfen.

Die Vernehmlassung hat indes klar gezeigt, dass gegenüber einer Bestimmung im Kartellgesetz, die den Willen der Schweiz zur Zusammenarbeit mit allen ausländischen Wettbewerbsbehörden ausdrückt, Vorbehalte bestehen, und dem Weg, auf der Basis der Gegenseitigkeit Kooperationsabkommen mit anderen Staaten in Wettbewerbsbelangen abzuschliessen, klar der Vorzug gegeben wird. In dieser Hinsicht laufen zurzeit Verhandlungen mit der EU, welche eine Kooperation der schweizerischen Wettbewerbsbehörde und BGE 129 II 18 E. 9.

3919

der EU-Kommission im Bereich Wettbewerb erlauben sollen. Das angestrebte Kooperationsabkommen sieht keine Übernahme von materiellem EU-Recht vor; vielmehr soll es in den einzelnen Verfahren auf der Basis eines in der Schweiz und der EU vergleichbaren Rechtsbestandes im Bereich Wettbewerb eine Zusammenarbeit und ein koordiniertes Vorgehen der Behörden bei der Anwendung dieser Bestimmungen sicherstellen.

­

Die zweite Vernehmlassung stellte die Verfolgung natürlicher Personen, die sich aktiv an Kartellabsprachen beteiligt haben, zur Diskussion. Aufgrund der negativen Ergebnisse in der Vernehmlassung beantragt der Bundesrat die Abschreibung des zweiten Anliegens der Motion Schweiger durch das Parlament. An dieser Stelle wird auf weitere Erläuterungen verzichtet und auf den «Bericht des Bundesrates zur Abschreibung der Motion Schweiger» verwiesen.11

1.3

Die beantragte Neuregelung

1.3.1

Übersicht

Der Bundesrat betont, dass die Reform des KG in erster Linie den institutionellen Bereich betreffen muss. Vorab ist eine bessere Trennung zwischen der Untersuchungs- und der Entscheidinstanz erforderlich. In dieser Frage sieht sich der Bundesrat durch das klare Ergebnis der ersten Vernehmlassung vom 30. Juni 2010 gestützt. Die Reform basiert entsprechend auf der Schaffung einer Wettbewerbsbehörde und der Bildung eines erstinstanzlichen Wettbewerbsgerichts.

Die Wettbewerbsbehörde erhält die Form einer selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt. Ihre hauptsächliche Aufgabe umfasst einerseits die Untersuchungen im Fall von Wettbewerbsbeschränkungen, also die Eröffnung und Durchführung von Verfahren in den in den Artikeln 5 und 7 KG festgelegten Fällen bis zum Antrag an das BVGer, andererseits die Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen gemäss den Artikeln 9 und 10 KG, wobei hier die Wettbewerbsbehörde selber entscheidet.

Als erstinstanzliches Wettbewerbsgericht wird das BVGer bezeichnet, das auf Antrag der Wettbewerbsbehörde über Fälle unzulässiger Kartellabreden und missbräuchlicher Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen gemäss den Artikeln 5 und 7 KG entscheidet. Das Entscheidgremium wird professionalisiert werden, indem es Richterinnen und Richter mit einer juristischen Ausbildung enthalten wird, die vollzeitlich oder mit hohem Beschäftigungsgrad tätig sein werden. Zu ergänzen ist das Gremium durch Richterinnen und Richter, die über Kenntnisse im Bereich der Industrieökonomie und über unternehmerische Erfahrung verfügen.

Schliesslich ist das Verfahren mittels einer Verkürzung des Rechtsmittelwegs zu beschleunigen.

Um die Wettbewerbsdynamik auf dem Schweizer Markt zu verstärken, schlägt der Bundesrat auch materiell-rechtliche Änderungen vor. Diese sollen der Entwicklung der europäischen Gesetzgebung Rechnung tragen und ein schweizerisches Kartellrecht schaffen, das den Bedürfnissen einer fortgeschrittenen und stark in den interna-

11

Siehe BBl 2012 1835.

3920

tionalen Handel integrierten Wirtschaft entspricht. Konkret sieht der Bundesrat eine Revision in den folgenden Bereichen vor: Der Bundesrat will eine Anpassung von Artikel 5 KG gemäss Vorschlag in der dritten Vernehmlassung, verbunden mit einer Stärkung des zivilrechtlichen Wegs, wie dies im Rahmen der ersten Vernehmlassung vorgesehen war. Die Revision von Artikel 5 soll namentlich eine wirksamere Bekämpfung der Abschottung des Schweizer Marktes erlauben. Die Stärkung des Zivilkartellrechts hat, wie im Vorentwurf vorgeschlagen, differenziert zu erfolgen, damit die Ausweitung der Klagelegitimation nicht zu einer exzessiven Klagekultur führt.

Bei internationalen Fusionen schlägt der Bundesrat eine Erleichterung der Verfahren für Zusammenschlüsse von internationaler Tragweite sowie eine Harmonisierung der Fristen mit der EU vor. Denn die Zusammenschlusskontrolle weist zurzeit Doppelspurigkeiten auf, da dieselbe Fusion in verschiedenen Ländern beurteilt wird. Die angehörten Kreise haben sich einstimmig für Vereinfachungen in diesem Bereich ausgesprochen. Weiter sollen mit dem Entwurf auch die Beurteilungskriterien angepasst werden, um der Wettbewerbsbehörde bei bedeutenden Zusammenschlüssen ein sachgerechtes Vorgehen zu erlauben.

Der Bundesrat schlägt ausserdem eine Regelung vor, die auf Gesetzesebene die sanktionsmindernde Wirkung einer Umsetzung angemessener und wirksamer Compliance-Programme verankert, und erfüllt damit einen Teil der Motion Schweiger.

Schliesslich soll die Verbesserung des Widerspruchsverfahrens den Unternehmen eine bessere Rechtssicherheit gewähren. Sie erfolgt einerseits durch die Verkürzung der Frist, innert welcher die Wettbewerbsbehörde tätig werden muss, auf zwei Monate, andererseits dadurch, dass ein Sanktionsrisiko neu erst ab der Eröffnung einer formellen Untersuchung besteht und nicht, wie bis anhin, bereits ab der Eröffnung einer einfachen Vorabklärung.

1.3.2

Stärkung der Unabhängigkeit der Institutionen

Ziele Die WEKO als Entscheidkörper ist nach wie vor eine grosse Milizkommission, die von der Untersuchungsbehörde (ihrem Sekretariat) nicht eindeutig getrennt ist. Ein Festhalten am Mischmodell bestehend aus der WEKO und ihrem Sekretariat scheint nicht mehr zeitgemäss (siehe Peer Review der Schweizer Wettbewerbspolitik durch die OECD aus dem Jahr 2006, Rechtsgutachten zur Evaluation des KG durch Carl Baudenbacher12, Bericht des Bundesrates vom 25. März 200913 sowie Bericht und vergleichende Analysen der Evaluationsgruppe Kartellgesetz aus dem Jahr 200814).

Die immer komplexer werdenden Fälle sind für ein reines Milizsystem eine zunehmende Belastung. Damit soll nicht gesagt werden, dass das heutige System nicht

12 13 14

Baudenbacher Carl, 2009, Evaluation Kartellgesetz ­ Institutionelles Setting/Vertikale Abreden/Sanktionierung von Einzelpersonen/Zivilrechtliche Verfahren, Bern Verfügbar auf der Website: www.weko.admin.ch/dokumentation/00216/01035/index.html?lang=de.

Verfügbar auf der Website: www.weko.admin.ch/dokumentation/00216/01035/index.html?lang=de.

3921

funktioniert, es stösst jedoch an Grenzen. Verbesserungen sind nötig und auch möglich, ohne «Akademisierung» des Kartellrechts.

Auf der Ebene der Untersuchung soll eine unabhängige, effiziente und schlagkräftige Wettbewerbsbehörde tätig sein. Die Entscheide sollen bei sanktionsbedrohten Tatbeständen von einem von der Wettbewerbsbehörde und der Politik unabhängigen Gericht getroffen werden. Daher muss der neue Spruchkörper juristisch ausgebildete Richterinnen und Richter umfassen ­ eine nötige Professionalisierung angesichts der Bedeutung der auferlegten Sanktionen ­, aber auch solche, die über die erforderliche praktische Erfahrung aus der Wirtschaft und die notwendigen Kenntnisse im Bereich der wirtschaftlichen und industrie-ökonomischen Analyse verfügen. Vor diesem Gericht soll ein faires und offenes Verfahren zwischen dem Beschuldigten einerseits, d. h. dem oder den Unternehmen, denen Verstösse gegen das KG vorgeworfen werden, und der Wettbewerbsbehörde andererseits stattfinden.

Schliesslich sind die institutionellen Strukturen so auszugestalten, dass die Verfahren bis zum letztinstanzlichen Entscheid so rasch wie möglich abgewickelt werden können. Verfahren, die zu lange hängig bleiben, stellen eine erhebliche Belastung für das Funktionieren des Marktes und der Wirtschaft dar. Durch die Marktöffnung steigt die Gefahr, dass das wirtschaftliche Umfeld bei Rechtskraft der Urteile nicht mehr der Situation zum Zeitpunkt der Untersuchung entspricht.

In den Stellungnahmen zur Vernehmlassung vom 30. Juni 2010 wurde die stärkere Anbindung der Wettbewerbsbehörde an die zentrale Bundesverwaltung kritisiert, weil sie dadurch gegenüber übergeordneten Stellen stärker weisungsgebunden geworden wäre. Aus diesem Grund wurde nach der Vernehmlassung die Anstalt als Rechtsform der Wettbewerbsbehörde gewählt. Diese Rechtsform erlaubt die Beibehaltung der funktionellen Unabhängigkeit, wie sie bisher der WEKO zugekommen ist. Die Anstalt ist insbesondere für Einheiten mit Aufgaben der Wirtschaftsaufsicht, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, eine zweckmässige Organisationsform. Neben der Unabhängigkeit wird mit der Anstalt der öffentlich-rechtliche Charakter der Aufgaben der Wettbewerbsbehörde unterstrichen und die in der Vernehmlassung kritisierte Aufsichtsfrage elegant gelöst.

Die Wahl der Anstalt entspricht den
Vorgaben im des Bundesrates vom 13. September 2006 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (CorporateGovernance-Bericht; BBl 2006 8233 ff.) sowie der darauf gestützten Berichte15.

Gemäss diesen Berichten ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt eine finanziellorganisatorisch selbstständige, dezentralisierte Einheit der Bundesverwaltung, der die Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe obliegt und die mit eigenen personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet ist. Insbesondere für die Wahrnehmung exekutiver hoheitlicher Aufgaben und allenfalls von Aufgaben im internationalen Verkehr mit Behörden, die sich auch an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Judikative bewegen, ist die Ansiedlung im Kreis der dezentralen Bundesverwaltung angezeigt.16 Die Ausgestaltung als Anstalt rechtfertigt sich hier gerade auch

15

16

Zusatzbericht des Bundesrates vom 25. März 2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats, BBl 2009 2659 ff.; Erläuternder Bericht vom 13. September 2006 der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum CorporateGovernance-Bericht des Bundesrates.

Dazu Erläuternder Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum CorporateGovernance-Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006, S. 15 ff.

3922

vor dem Hintergrund, dass die Behörde selbstständig Zusammenschlüsse prüft und über deren möglichen Vollzug entscheidet.

Die Realisierung aller gesetzten Ziele ist eine grosse Herausforderung. Daher bedeutet die vorgeschlagene Revision eine substanzielle institutionelle Neuordnung.

Lösung Erstens soll das heutige Sekretariat der WEKO zu einer eigenständigen, vom Bundesrat und wirtschaftlichen Interessen unabhängigen Wettbewerbsbehörde aufgewertet werden. Die neue Wettbewerbsbehörde soll bei Wettbewerbsbeschränkungen die Untersuchung führen und vor dem Wettbewerbsgericht (siehe nachfolgend) Antrag erheben. Weiterhin soll sie die Unternehmen beraten und öffentlich für den Wettbewerb einstehen und in Vernehmlassungen Stellung nehmen können. Sie soll darüber hinaus in der Zusammenschlusskontrolle die erstinstanzlichen Verwaltungsentscheide fällen, da Unternehmenszusammenschlüsse besonders zeitkritisch sind.

Bei Zusammenschlussverfahren ist zudem «nur» ein die zukünftigen Marktverhältnisse gestaltendes Element und kein Sanktionselement vorhanden, was es als angezeigt erscheinen lässt, einen ersten Entscheid einer Behörde zu übertragen und das Wettbewerbsgericht erst als Beschwerdeinstanz vorzusehen.

In Fällen betreffend unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen wird, dies als zweites Element, das Entscheidstadium deutlicher als bisher vom Untersuchungsstadium abgetrennt sein. Die Wettbewerbsbehörde untersucht, das Wettbewerbsgericht entscheidet und spricht allfällige Sanktionen aus. Da zukünftig bereits in erster Instanz ein BV17- und EMRK18-konformes Gericht entscheidet, sind die Unternehmen, die eine Beurteilung durch ein Gericht wünschen, nicht mehr wie heute nach einem Entscheid der WEKO gezwungen, ein Rechtsmittel einzulegen. Das Wettbewerbsgericht ist Teil des Bundesverwaltungsgerichts. Voraussichtlich wird hierfür eine neue Kammer gebildet werden. Die komplexen und fachlich anspruchsvollen Kartellrechtsfälle setzen voraus, dass im darüber befindenden Spruchkörper nebst juristischem Wissen auch volkswirtschaftliche Kenntnisse sowie unternehmerische Erfahrung vorhanden sind. Um dem zu genügen, werden Richterinnen und Richter mit entsprechenden Kenntnissen ins Bundesverwaltungsgericht gewählt werden müssen, wobei eher tiefere Arbeitspensen denkbar sind. Auch diese Richterinnen und Richter müssen
indes die hohen Unabhängigkeitserfordernisse eines Gerichts erfüllen; eine Interessensvertretung ist ausgeschlossen.

Drittens soll der Beschwerdeweg vom Wettbewerbsgericht direkt zum Bundesgericht gehen. Dies führt zu einer beträchtlichen Beschleunigung des Rechtsmittelwegs bis zum Vorliegen des letztinstanzlichen Entscheids. Die vorgeschlagene Trennung von Untersuchung mit Antrag einerseits und Entscheid mit Sanktionsbemessung andererseits kompensiert eine allfällig kritisierte Schwächung des Rechtsschutzes aufgrund des Wegfalls einer Beschwerdeinstanz. Diese Trennung führt nämlich zu einer beträchtlichen Verbesserung des Gleichgewichts zwischen den Parteien und der Wettbewerbsbehörde. Das Kartellrecht wird weiterhin auf der Grundlage der Bundesrechtspflege, insbesondere des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG)19 umgesetzt. Denn oft braucht es präzise Verhaltensanweisungen und Verbote, damit ein am Wettbewerb orientiertes Marktgeschehen wiederhergestellt werden kann.

17 18 19

SR 101 SR 0.101 SR 172.021

3923

Dies ist insbesondere der Fall in Urteilen über vertikale Abreden und Marktmachtmissbrauch. Weil es eben auch um das Wiederherstellen einer Wettbewerbslage ­ und nicht nur um das Abschrecken durch Sanktionen ­ geht, sind spezifische Kenntnisse in wirtschaftlichen Belangen im Gericht unabdingbar.

Ausgehend von diesen ersten drei Punkten leitet die Wettbewerbsbehörde viertens die Phase des Entscheids über Wettbewerbsbeschränkungen beim Wettbewerbsgericht mit einem sog. «Antrag» ein.20 In diesem Antrag hält die Wettbewerbsbehörde insbesondere fest, welche Handlungen sie den Unternehmen vorwirft, wie sie diese kartellrechtlich würdigt und welche Anordnungen sie beantragt. Das Wettbewerbsgericht entscheidet im Einzelfall über das weitere Vorgehen: In der Regel ordnet es einen Schriftenwechsel an. Über die Durchführung einer Instruktionsverhandlung und die vom Wettbewerbsgericht abzunehmenden Beweise wird im konkreten Fall zu entscheiden sein. Das Wettbewerbsgericht ist weder in tatbestandlicher noch in rechtlicher Hinsicht an den Antrag gebunden, und wenn zu umfangreiche zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen notwendig sind, kann es den Antrag zur Überarbeitung an die Wettbewerbsbehörde zurückweisen. In der Regel in Fünferbesetzung entscheidet das Wettbewerbsgericht schliesslich den Fall.

Verhältnis zur bestehenden institutionellen Lösung Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende regten eine stärkere Trennung von Untersuchung und Entscheid im bestehenden institutionellen und rechtlichen Rahmen an.

Der Bundesrat hat diese stärkere Trennung zwischen WEKO und ihrem Sekretariat eingehend geprüft und ist der Ansicht, mit dieser Lösung auf halbem Wege stehen zu bleiben. Dass über die «künstliche» Trennung von WEKO und ihrem Sekretariat hinausgegangen werden muss, ergibt sich gerade auch aufgrund der Prämissen, dass die Institutionenreform eine Beschleunigung der Verfahren bringen soll und keinen wesentlichen finanziellen Mehrbedarf auslösen darf.

Der Versuch einer Trennung von Untersuchung und Entscheid im bestehenden Modell, d. h. eine personelle und räumliche Trennung von WEKO und Sekretariat, implizierte, dass die WEKO über eigene Ressourcen und eigenes Personal verfügen müsste. Sie könnte zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr auf das Sekretariat der WEKO zurückgreifen; konkret stünden bei der
Entscheidvorbereitung und Entscheidbegründung die dortigen Fallverantwortlichen nicht mehr zur Verfügung.

Wegen der Mitarbeitenden, die direkt für die WEKO tätig sein würden ­ eigentliche Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber, die sich in einen Fall neu einarbeiten müssten ­, würde eine stärkere Trennung der WEKO und des Sekretariats der WEKO rasch sehr ressourcenintensiv und führte ausserdem zu einer Verfahrensverlängerung. Überdies wäre die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz von Entscheiden bei einer solchen Trennungslösung innerhalb einer Behörde tiefer als bei einer echten Trennung in Untersuchungsbehörde und Gericht.

Wenn die WEKO durch die Trennung von Untersuchung und Entscheid im Sinne einer gerichtsähnlichen oder gerichtlichen Instanz aufgestellt würde, dann würde annähernd das geschaffen, was der Bundesrat in seinem Vorschlag mit der Überführung der WEKO in ein Wettbewerbsgericht schaffen will. Um Ressourcen zu sparen und von Effizienzvorteilen zu profitieren, gliedert der Bundesrat das Wettbewerbs20

Das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (SR 173.32) kennt bislang nur die Beschwerde und die Klage, wobei letztere vorwiegend als Instrument zur Klärung von Ansprüchen zwischen Gebietskörperschaften konzipiert wurde.

3924

gericht als Kammer dem BVGer an. Insofern bleibt die Lösung des Bundesrats nicht auf halbem Weg stehen. Die bloss stärkere Trennung von Sekretariat und WEKO hingegen führte ­ wird die Trennung konsequent, d. h. auch räumlich und personell vorgenommen ­ zu einer verselbstständigten Einheit ohne klare Anbindung. Sodann bliebe weiterhin offen, ob die WEKO nach der stärkeren Trennung als gerichtliche Instanz im Sinne der BV beziehungsweise EMRK zu qualifizieren wäre. Ein Ausscheiden der heutigen Interessenvertreter wäre auch in dieser Lösung unabdingbar.

Schliesslich gilt, dass diese inkonsequente Zwischenlösung (bloss stärkere Trennung) einerseits mehr Ressourcen benötigen und andererseits keine Verfahrensbeschleunigung erreichen würde. Die BV und die EMRK verlangen indes nicht eine dem Bundesgericht vorgelagerte Beschwerdeinstanz, wenn in erster Instanz bereits ein EMRK- und BV-konformes Gericht amtet (vgl. auch die Lösung beim Bundesstrafgericht). Die geforderte Beschleunigung lässt sich somit erreichen, indem man das Wettbewerbsgericht als Teil des Bundesverwaltungsgerichts neu erstinstanzlich entscheiden lässt und auf die Beschwerdemöglichkeit ans Bundesverwaltungsgericht verzichtet. Mit diesem Schritt erreicht man gleichzeitig ein Zweites, nämlich die u. a. von der OECD empfohlene Professionalisierung des Entscheidorgans. Die bisher in den Beschwerdeverfahren tätigen Richter und Richterinnen und Gerichtsschreiberinnen und -schreiber des BVGer stehen nämlich für die Instruktion der Verfahren zur Verfügung und werden naheliegenderweise Teil des neu zu schaffenden Wettbewerbsgerichts sein. Damit der Praxisbezug, der gerade in erster Instanz sehr wichtig ist, bestehen bleibt, werden allerdings die Zuwahl von Personen mit unternehmerischer Erfahrung und auch der Einbezug der ökonomischen Lehre nötig.

Mithin ist das Bundesverwaltungsgericht durch Zuwahl von Richtern und Richterinnen mit diesem Profil zu ergänzen. Mit der Schaffung einer Organisationseinheit (Kammer) für Wettbewerbsrecht am BVGer lässt sich diese Zuordnung einfach realisieren.

Die vorgeschlagene Lösung beseitigt die Probleme, die im Fall einer alleinigen stärkeren Trennung von Sekretariat und WEKO bestehen blieben. Erstens wird die geforderte Beschleunigung der Verfahren erreicht, und zweitens bleibt der finanzielle Mehrbedarf begrenzt,
da sich Einsparungen an Zeit und Geld aus der Integration in ein bestehendes Gericht und dem Verzicht auf eine Rechtsmittelinstanz ergeben. Drittens wird das Entscheidorgan professionalisiert, weil nicht mehr ein Milizorgan entscheidet. Viertens wird die Trennung von Untersuchung und Entscheid glaubhaft gegen aussen vermittelt; der äussere Anschein, dass die in die Untersuchung involvierten Mitarbeitenden des Sekretariates der WEKO die an der Urteilsredaktion beteiligten Mitarbeitenden der WEKO beeinflussen, wäre mit «chinesischen Mauern» («Chinese wall») innerhalb einer einzigen Behörde nicht wegzubringen.

Zur Verfahrensbeschleunigung ist Folgendes anzufügen: Die Entscheidphase vor der WEKO (also die Phase zwischen Antrag des Sekretariates der WEKO und Entscheid der WEKO) dauert heute mindestens sechs Monate. Arbeitete die WEKO infolge der stärkeren Trennung gerichtsähnlich oder gerichtlich, so würden die Verfahren vor der WEKO schätzungsweise ein Jahr in Anspruch nehmen. Wenn die Verfahrensparteien Beschwerde gegen den Entscheid der WEKO einlegten, dauerte es durchschnittlich 17 Monate bis zum Entscheid des BVGer21. Im Vorschlag des 21

Vgl. dazu Evaluationsbericht «Verfahrensdauer kartellrechtlicher Verfahren», Projektbericht P6, 2008.

3925

Bundesrates hingegen entfallen die Verfahrenszeit vor der WEKO und die Beschwerdedauer vor dem BVGer (zusammen in der Regel 23 Monate). Dafür fällt nach Überweisung des Antrages der Wettbewerbsbehörde an das Wettbewerbsgericht eine Dauer von schätzungsweise zwölf Monaten für die Entscheidfindung an ­ d. h. rund ein Jahr weniger als im Modell mit der stärkeren Trennung zwischen WEKO und ihrem Sekretariat.

1.3.3

Revision von Artikel 5 KG

Ziel Gemäss seinem Beschluss anlässlich der Sitzung vom 17. August 2011, im Zusammenhang mit der Frankenstärke den Wettbewerb in der Schweiz zu stärken, will der Bundesrat neben den in Artikel 5 Absatz 3 KG genannten horizontalen Preis-, Mengen- und Gebietsabreden auch die vertikalen Preisbindungen und Gebietsabschottungen nach Absatz 4 wirksamer unterbinden. Relevant sind unter der aktuellen wirtschaftlichen Konstellation vor allem Gebietsabschottungen. Um an internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen, soll mit diesem Schritt der Hochpreisinsel Schweiz aber auch langfristig entgegengewirkt werden. Das Ziel ist einerseits, dass Unternehmen Vorleistungen zu vergleichbaren Konditionen wie ihre ausländischen Konkurrenten einkaufen und in die Schweiz importieren können. Anderseits sollen auch die Konsumentinnen und Konsumenten Importware zu möglichst zum Ausland vergleichbaren Preisen erstehen können; denn dies erhöht nicht nur die Wohlfahrt, sondern führt auch zu einem langsameren Anstieg der Lebenshaltungskosten und damit der Teuerungskomponente in den Löhnen. Bei gegebenem nominellem Wechselkurs stärkt auch dies die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Export und gegenüber der Importkonkurrenz. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist im Übrigen die Wirkung einer konsequenteren Verfolgung auch der anderen, neu grundsätzlich verbotenen Arten von Wettbewerbsabreden.

Lösung In Zukunft sollen die fünf Arten von Abreden, die heute in Artikel 5 Absätze 3 und 4 aufgeführt sind, unzulässig sein, wenn nicht eine anschliessende Einzelfallprüfung von Rechtfertigungsgründen ergibt, dass die Abrede aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann.

Der Revisionsvorschlag ­ ein Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit ­ lässt sich mit wenig gesetzgeberischem Aufwand verwirklichen. Nicht geändert wird die bisherige Unterscheidung zwischen den gewöhnlichen Abreden nach Absatz 1, die untersagt werden können, und den fünf in den Absätzen 3 und 4 genannten Arten von harten Abreden (horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabreden, vertikale Preisbindungen sowie Gebietsabschottungen), die zu einer Sanktion führen. Es handelt sich dabei um eine abschliessende Aufzählung von sanktionierbaren verbotenen Arten von Wettbewerbsabreden mit Rechtfertigungsmöglichkeit.

Die Anpassung
bewirkt eine Vereinfachung und Beschleunigung der Kartellverfahren. Die Beschleunigung besteht paradoxerweise darin, dass der Schritt, der nach der Idee des Gesetzgebers von 1995 bei den besonders schädlichen Arten von Kartellabreden eigentlich zu einem raschen Abschluss der Verfahren hätte führen sollen, nicht mehr gemacht werden muss: Die für diese Abredetypen bislang vorgesehene gesetzliche Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung wurde in der Praxis quasi 3926

systematisch umgestossen (insb. nach dem ersten Urteil des Bundesgerichts in Sachen Buchpreisbindung22) und erfüllte daher den ihr vom Gesetzgeber zugedachten Zweck eines vereinfachten Vorgehens nicht. Selbst bei den als besonders schädlich anerkannten Abredetypen musste als Folge der Umschreibung des nötigen verbleibenden Restwettbewerbs im Buchpreisbindungsurteil regelmässig und aufwendig nachgewiesen werden, dass der Wettbewerb im Einzelfall durch die Abrede erheblich beeinträchtigt wird. Die gesetzliche Vermutung führte ab 2003 auch zu Konfusionen bezüglich Sanktionierbarkeit, welche nun durch die Schaffung eines Verbotstatbestandes ausgeräumt werden. Die Vereinfachung besteht darin, dass die wirtschaftliche Erheblichkeit bei diesen fünf Arten von generell-abstrakt betrachtet besonders schädlichen Wettbewerbsbeschränkungen zukünftig im konkreten Einzelfall nicht mehr nachzuweisen ist. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz nicht an der äusseren Form einer Abrede anknüpft, sondern am ökonomischen Gehalt der Abrede: Es muss sich im Einzelfall um eine horizontale Abrede über Preise, Mengen oder Gebiete oder um eine vertikale Mindest- oder Festpreisbindung beziehungsweise um eine Gebietsabschottung handeln. Auch das Recht in der EU sieht bei den analogen Beschränkungen (sog. Kernbeschränkungen) vor, dass nur das Vorliegen von Effizienzgesichtspunkten zu prüfen ist und nicht zudem auch noch die wirtschaftliche Erheblichkeit der Abrede im Einzelfall. Letztere mag allenfalls ein Aufgreifkriterium und ein Element bei der Sanktionsbemessung sein. Im Übrigen sehen die Kartellgesetze nahezu aller Länder in der einen oder anderen Form ein Verbot bestimmter Typen von Abreden vor.

Bestimmte Arten von Abreden generell zu verbieten, ist aus ökonomischer Sicht indes problematisch, kann damit doch eine volkswirtschaftlich effiziente Zusammenarbeit zwischen Unternehmen verhindert werden. Dies gilt namentlich für die zwei Arten vertikaler Abreden, die heute gestützt auf Artikel 5 Absatz 4 KG direkt sanktionierbar sind. Es war im Übrigen nicht der Bundesrat, sondern der Gesetzgeber, der 2003 diese zwei Formen von Abreden mit den harten horizontalen Kartellen, d. h. Preis-, Gebiets- und Mengenabreden, gleichstellte, deren Schädlichkeit allgemein anerkannt ist. Der Bundesrat wollte dies im Jahr 2010 in der ersten
Vernehmlassung zu einer KG-Revision korrigieren, indem er Artikel 5 Absatz 3 KG (horizontale Preis-, Gebiets- und Mengenabreden) noch unberührt liess, mit Bezug auf Artikel 5 Absatz 4 KG aber eine Einzelfallbeurteilung vorsah, die damals aber noch die Prüfung der Erheblichkeit einschloss. Stellt man zwecks einfacherer Kartellrechtsdurchsetzung neu auf die Art der Abrede ab, soll diese Anpassung nicht nur für vertikale Abreden nach dem heutigen Absatz 4, sondern umso mehr auch für horizontale Abreden nach Absatz 3 gelten.

Die ökonomischen Überlegungen, die für eine Einzelfallbetrachtung sprechen, müssen jedoch Berücksichtigung finden. In Übereinstimmung mit dem Beschluss des Bundesrates vom 17. August 2011 sollen Abreden nach Artikel 5 Absätze 3 und 4 KG dann im Einzelfall zulässig sein, wenn im Einzelfall überwiegende Gründe der wirtschaftlichen Effizienz für ihre Tolerierung sprechen. Was sich grundsätzlich als Effizienzeinrede eignet, geht aus dem unveränderten Absatz 3 (heute Abs. 2) von Artikel 5 hervor und wird auf Stufe Verordnung konkretisiert werden. Die Verordnung wird unter anderem die Effizienzgründe gemäss Bekanntmachung über die

22

BGE 129 II 18 E. 9.

3927

wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (VertBek)23 der WEKO berücksichtigen.

Im Ergebnis bringt die neue Lösung nicht nur einfachere, schnellere Verfahren und mehr Rechtssicherheit für Unternehmen wie Behörden, sondern sie führt auch zu einer Annäherung der Kartellbekämpfung in der Schweiz an internationale Standards (insb. an die Gesetzeslage in der EU, ohne diese zu kopieren).

1.3.4

Stärkung des Kartellzivilrechts

Ziele Bei der praktischen Durchsetzung des KG steht heute das behördliche Verfahren im Vordergrund. Die Kartellrechtsdurchsetzung durch Private vor Zivilgerichten ist demgegenüber von untergeordneter, ja bloss sporadischer Bedeutung. Die Gründe für diesen Befund sind vielfältig: Das geltende Recht verweigert gemäss vorherrschender Auslegung den Nachfragern (insbesondere den Konsumentinnen und Konsumenten) die Klagelegitimation. Die Frist für die Verjährung der kartellrechtlichen Ansprüche ist wie in anderen Bereichen des Zivilrechts zu knapp bemessen.24 Zudem steht das Verwaltungsverfahren zumindest teilweise in Konkurrenz zum Zivilrechtsweg: Der Weg über die WEKO vermeidet die Kosten und Risiken eines Zivilprozesses und bringt ­ wenn der Fall im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten ausgeht ­ eine Verbesserung ihrer zukünftigen Lage, auch wenn die Opfer einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung im verwaltungsrechtlichen Verfahren nicht den Ersatz ihres Schadens erlangen können.

Die Anreize zur zivilrechtlichen Klageerhebung könnten durch systemkonforme Änderungen deutlich vergrössert werden. Es geht hierbei nicht darum, das Zivilkartellrecht zulasten des Kartellverwaltungsrechts zu stärken. Es geht vielmehr um eine bessere Kartellrechtsdurchsetzung insgesamt. Die Erfahrungen im europäischen Ausland zeigen, dass es möglich ist, die Attraktivität des zivilrechtlichen Wegs zu erhöhen, ohne dass es zu einer exzessiven Klagekultur kommt. Ziel der Reform ist, dass diejenigen, die von Wettbewerbsbeschränkungen getroffen werden, sich in Zukunft vermehrt selbst entschädigen lassen (z. B. via Folgeklagen), respektive im weiteren Sinn die Initiative ergreifen können (z. B. zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs) und damit nicht mehr von der Prioritätenordnung der Wettbewerbsbehörde abhängig sind.

Lösung Der Bundesrat schlägt erstens vor, dass die Möglichkeit der zivilrechtlichen Klage, die heute auf Wettbewerber beschränkt ist, auf alle von Kartellen Betroffenen ausgedehnt wird. Dadurch werden in Zukunft auch die Endkundinnen und -kunden, darunter die öffentlichen Auftraggeber, ihre Rechte zivilrechtlich geltend machen können. Richtet ein Unternehmen gestützt auf einen Entscheid eines Zivilgerichts Leistungen an Geschädigte aus, so ist dies bei der Bemessung der Verwaltungssank-

23 24

Siehe Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden, Beschluss der Wettbewerbskommission vom 28. Juni 2010.

Vgl. den Bericht des Bundesamts für Justiz zum Vorentwurf für eine Teilrevision des Obligationenrechts (Verjährungsrecht), August 2011.

3928

tion angemessen zu berücksichtigen. Dies kann bewirken, dass bereits bezahlte Sanktionen teilweise zurückerstattet werden können.

Zweitens soll die Verjährungsfrist im Kartellzivilrecht in Zukunft ab der Eröffnung einer Untersuchung durch die Wettbewerbsbehörde bis zum rechtskräftigen Entscheid still stehen. Damit wird verhindert, dass aufgrund langer verwaltungsrechtlicher Verfahren die Möglichkeit zur zivilrechtlichen Klage nicht wirksam wahrgenommen werden kann (betrifft vor allem die Folgeklagen, die auf den Erkenntnissen des verwaltungsrechtlichen Verfahrens aufbauen).

1.3.5

Zusammenschlusskontrolle

Ziele Die heutige Zusammenschlusskontrolle in der Schweiz trägt den negativen und positiven Auswirkungen von Zusammenschlüssen zu wenig Rechnung und erfüllt damit die Ziele des KG nur ungenügend. Unternehmenszusammenschlüsse können in konzentrierten Märkten nämlich ein so grosses Ausmass an Marktmacht schaffen, dass nicht nur die Marktgegenseite leidet (d. h. Konsumentinnen und Konsumenten, vorgelagerte kleine Unternehmen, Subkontrahenten ohne Marktmacht und Absatzalternativen), sondern die Wohlfahrt insgesamt gemindert wird. Daher will der Bundesrat, dass die heute von der WEKO angewandte Prüfung der Marktbeherrschung durch den SIEC-Test abgelöst wird. Dieser Test konzentriert sich nicht mehr ausschliesslich auf Fälle von Marktbeherrschung, sondern betrifft alle Zusammenschlüsse, die den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen.

Die bisherige Ansicht, dass problematische Zusammenschlüsse, die eine marktbeherrschende Stellung begründen, toleriert werden können, solange sie den Wettbewerb nicht beseitigen, muss revidiert werden. Zwar besteht in der Prüfung von Marktmachtmissbräuchen gemäss Artikel 7 KG ein Instrument, das die nachträgliche Minderung oder Korrektur gewisser wettbewerbsschädlicher Effekte von Zusammenschlüssen ermöglicht. Diese Prüfung kann jedoch eine strukturelle Kontrolle wie die Zusammenschlusskontrolle nicht ersetzen. Einerseits ist es wesentlich, den schädlichen, d. h. den unilateralen und den koordinierten, Effekten25 eines Zusammenschlusses strikter als heute Rechnung zu tragen, anderseits sind auch die Effizienzgewinne angemessen zu gewichten. Nicht nur die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, sondern auch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs muss ein Beurteilungskriterium bei der Zusammenschlusskontrolle bilden.

Auch auf internationaler Ebene gilt, dass die Wettbewerbsbehörden bei der Zusammenschlusskontrolle nicht mehr nur die Begründung oder die Verstärkung der Marktbeherrschung, sondern auch die erhebliche Verminderung des Wettbewerbs (Significant Lessening of Competition, sog. SLC-Test) oder die erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs (Significant Impediment to Effective Competition, sog. SIEC-Test) prüfen. Der SLC-Test gelangt v. a. im angelsächsischen Raum (z. B. USA, Grossbritannien, Kanada) zur Anwendung, während der SIEC-Test in der EU angewandt wird.26 Zur Harmonisierung der Praktiken zwischen der Schweiz 25 26

Zur Erklärung siehe Ziffer 2.1.3.2, Erläuterungen zu Art. 10 E-KG.

Aus ökonomischer Sicht sind die beiden Tests gleichwertig.

3929

und der EU ist die Einführung des SIEC-Tests auch in der Schweiz angebracht. Der Bundesrat anerkennt damit die internationale Entwicklung in Richtung differenzierterer Prüfkriterien als demjenigen der Marktbeherrschung.

Im Weiteren ist zu beachten, dass die heutige Zusammenschlusskontrolle bezüglich international gemeldeter Zusammenschlüsse zu viele Ressourcen bindet. So werden grenzüberschreitende Fusionen von Unternehmen einer gewissen Grösse, die international tätig sind, heute oft parallel in mehreren Staaten gemeldet und geprüft.

Dies verursacht einen Mehraufwand für Unternehmen und Wettbewerbsbehörde, oftmals ohne dass es wegen des Verfahrens in der Schweiz zu einem Mehrwert für den hiesigen Wettbewerb kommt. Die beantragte Vereinfachung bei internationalen Zusammenschlüssen sorgt für die Einsparung von Ressourcen bei den Unternehmen und der Wettbewerbsbehörde.

Eine Anpassung der Fristen an diejenigen der EU ist vorgesehen, um internationale Verfahren zu vereinfachen, wenn die Prüfung eines Zusammenschlusses aufgrund einer nationalen Marktabgrenzung auch in der Schweiz erforderlich ist.

Ziel der Revision ist somit erstens, dass die wettbewerbshemmenden Wirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen in Zukunft besser erfasst werden können und dass zweitens bei Zusammenschlüssen mit internationaler Marktabgrenzung administrative Erleichterungen erreicht werden.

Lösung Der Bundesrat will erstens die Doppelspurigkeiten bei internationalen Zusammenschlüssen angehen. Zusammenschlüsse, die zumindest die Schweiz und den EWR einschliessen oder noch grössere Märkte betreffen, sollen in der Schweiz in Zukunft stark vereinfacht behandelt werden, da sie ohnehin bereits von den EU-Instanzen beurteilt werden. Damit werden finanzielle und personelle Ressourcen bei Wettbewerbsbehörde und Unternehmen gespart, die anderweitig besser eingesetzt werden können.

Zweitens unterbreitet der Bundesrat eine Anpassung der Beurteilungskriterien, die dazu beiträgt, dass in Zukunft volkswirtschaftlich schädliche Zusammenschlüsse besser angegangen werden können. Dazu soll das in der EU und in den meisten modernen Industrienationen angewendete Beurteilungskriterium übernommen werden (SIEC-Test). Ausgleichend können die Unternehmen Effizienzgründe, die für den Zusammenschluss sprechen, geltend machen. Dergestalt hat diese
neue Beurteilung den Vorteil, den negativen und positiven Auswirkungen der Zusammenschlüsse auf die Wirtschaft und auf die Konsumentinnen und Konsumenten umfassend Rechnung zu tragen. Zudem trägt sie zu einer Harmonisierung der Zusammenschlusskontrolle mit dem System der EU bei.

Drittens werden Fristen und Verfahren soweit den Unternehmen dienlich mit der EU in Einklang gebracht. Die EU hat ihre Verfahrensfristen im Jahr 2004 überarbeitet.

Dies führte zu unterschiedlichen Fristen für international tätige Unternehmen und damit zu höheren Abstimmungs- und Zusammenschlusskosten. Mit dem Vorschlag des Bundesrates werden diese Unstimmigkeiten beseitigt. Im Nachgang zu einer Gesetzesrevision würde auch die Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen diesbezüglich angepasst.

Viertens wird dem Wettbewerbsgericht neu eine Ordnungsfrist von drei Monaten auferlegt, innert der es über allfällige Beschwerden im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle zu entscheiden hat. Damit wird einerseits dem Umstand Ausdruck 3930

verliehen, dass Unternehmenszusammenschlüsse oft sehr zeitkritisch vollzogen werden müssen. Im Beschwerdefall entsteht neu eine verbesserte Möglichkeit für eine Überprüfung eines von der Behörde unterbundenen Zusammenschlussvorhabens. Andererseits wird es auch bei Zulassung eines Zusammenschlusses unter Bedingungen und Auflagen öfter zu einer Überprüfung und damit zur Herausbildung einer gerichtlich abgesicherten Rechtspraxis in diesen Belangen kommen.

1.3.6

Sanktionsminderung dank Compliance-Massnahmen

Die Einführung und Umsetzung angemessener und wirksamer Compliance-Programme ist zu begrüssen. In vielen Fällen können durch solche Programme Fehlverhalten von Managern sowie Mitarbeitenden und damit Verstösse gegen das KG verhindert werden. Damit leisten Compliance-Bemühungen einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Zielsetzung des KG, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern.

Der Bundesrat macht jedoch darauf aufmerksam, dass die von der Motion geforderte Sanktionsreduktion als Folge von Compliance-Bemühungen eine «Belohnung» für das im konkreten Fall erfolglose Bemühen um rechtstreues Verhalten darstellt, die in der schweizerischen Rechtsordnung jedenfalls in dieser Form bisher unbekannt ist.

Im internationalen Vergleich stellt Compliance als Sanktionsmilderungsgrund im Bereich des Kartellrechts zudem die Ausnahme dar. Nach Änderung ihrer früheren Praxis lehnen es insbesondere die Gerichte der EU seit vielen Jahren ab, Compliance-Programme strafmildernd zu berücksichtigen, mit der Begründung, dass diese bei Vorliegen eines Kartellverstosses doch nichts daran geändert hätten, dass eine Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist. Vor diesem Hintergrund stellt die Sanktionsreduktion aufgrund von Compliance-Bemühungen eine weitgehende Konzession an die Unternehmen dar.

Für den Bundesrat darf diese Neuerung allerdings nichts am Sanktionskonzept der KG-Revision 2003 ändern: Der Nachweis eines Organisationsverschuldens ist weiterhin keine Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen nach Artikel 49a KG für einen KG-Verstoss sanktioniert werden kann. Der Umstand, dass ein Unternehmen ein hohen Anforderungen genügendes Compliance-Programm betrieben hat, hat in Umsetzung der überwiesenen Motion jedoch in die Sanktionsbemessung einzufliessen.

Lösung Durch die vorgeschlagene Revision wird das Anliegen der Motion, dass Compliance-Programme sanktionsmindernd zu berücksichtigen seien, explizit in einer Bestimmung im KG verankert.

In Frage kommt eine Sanktionsreduktion nur für Compliance-Programme, die einen wirksamen Beitrag zur Durchsetzung des Kartellrechts leisten. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Sanktionsreduktion im Einzelfall erfüllt sind, obliegt der Wettbewerbsbehörde beziehungsweise den Gerichten. Als Grundlage für
die Beurteilung dienen die Informationen, die zeigen, dass in ähnlichen Fällen die eingerichteten Mechanismen funktioniert haben.

Die Höhe der Sanktionsreduktion im konkreten Einzelfall wird von Seiten der Behörden beziehungsweise Gerichte abgewogen werden müssen. Eine angemessene 3931

Sanktionsreduktion ergibt einen zusätzlichen Anreiz für die Vermeidung von Wettbewerbsverstössen, eine zu hohe Reduktion (im Extremfall die fast vollständige Sanktionsbefreiung) einen Anreiz, Programme zu schaffen, die vorwiegend darauf zielen, die Nachweise zu produzieren, die es für die Vermeidung von Sanktionen braucht. Trotz Sanktionsreduktion sollte in jedem Fall der vom Unternehmen durch den Wettbewerbsverstoss unrechtmässig erzielte Gewinn (die sog. Kartellrente) soweit bestimmbar abgeschöpft werden. Eine darüber hinausgehende finanzielle Belastung kann dank Compliance vermindert oder allenfalls gar vermieden werden.

Von Natur aus müssen Verwaltungssanktionen zur Wiederherstellung einer korrekten Marktsituation beitragen, die nicht durch Unternehmen verfälscht wird, welche Gewinne aus unzulässigen Abreden einsetzen können.

Ferner darf die Aussicht auf Sanktionsreduktion infolge des Betreibens eines Compliance-Programms auch nicht so weit gehen, dass das mit der KG-Revision 2003 neu eingeführte und wirksame Instrument der Bonusregelung (bisher Art. 49a Abs. 2 KG, nun Art. 49a Abs. 3 des Revisionsentwurfs zum KG [E-KG]) in einem Risiko-Nutzen-Kalkül unattraktiv wird und deshalb nicht mehr genutzt wird.

Je nach den gemachten Erfahrungen wird der Bundesrat allenfalls später durch Verordnung eingehendere Regelungen treffen müssen.

1.3.7

Verbesserung des Widerspruchsverfahrens

Ziele Das Widerspruchsverfahren im KG (bisher Art. 49a Abs. 3 Bst. a KG) sieht vor, dass ein Unternehmen der Wettbewerbsbehörde geplante Verhaltensweisen, die als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten, vorab melden kann. So wie es das Gesetz heute vorsieht, entfällt diesfalls die Verwaltungssanktion für die betreffende Verhaltensweise, wenn die Wettbewerbsbehörde nicht innert fünf Monaten ein Verfahren gegen das Unternehmen eröffnet. Das Verfahren dient dazu, dass die Unternehmen innert nützlicher Frist eine Einschätzung der Wettbewerbsbehörde darüber erhalten können, ob eine Verhaltensweise sanktionsbedroht sein könnte.

Das bisherige Verfahren wurde allerdings kritisiert: Als unbefriedigend beurteilt wurde von den befragten Marktteilnehmern die gesetzlich vorgesehene Widerspruchsfrist von fünf Monaten, welche gerade für dynamische Märkte als zu lang empfunden wird. Zudem stehen die Unternehmen vor folgendem Dilemma: Sie haben zwar die Möglichkeit, die den Wettbewerbsbehörden gemeldete Verhaltensweise sofort nach der Meldung umzusetzen. Wollen die Unternehmen kein Sanktionsrisiko tragen, müssen sie ihr Verhalten jedoch bereits sofort nach der blossen Eröffnung einer Vorabklärung, welche die Wettbewerbsbehörde ohne weitere Voraussetzungen vornehmen kann, rückgängig machen. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass das Unternehmen auf ein wirtschaftlich vernünftiges Verhalten, das eigentlich zulässig wäre, verzichtet. Diese Gefahr sei umso reeller, als die Wettbewerbsbehörde im Zweifelsfall wegen der fehlenden Begründungspflicht den Anreiz habe, eine Vorabklärung zu eröffnen, solange nicht sicher sei, dass wirklich kein kartellrechtliches Problem bestehe.

3932

Lösung Der Bundesrat schlägt vor, erstens die Frist, innert welcher die Wettbewerbsbehörde tätig werden muss, damit ein Unternehmen für die gemeldete Verhaltensweise sanktioniert werden kann, von fünf Monaten auf neu zwei Monate nach Eingang der Meldung zu verkürzen. Eröffnet die Wettbewerbsbehörde innert der Frist keine Vorabklärung oder Untersuchung, entfällt die Sanktionierbarkeit für das gemeldete Verhalten definitiv.

Zweitens soll neu einzig die Eröffnung einer formellen Untersuchung nach Artikel 27 und nicht, wie bis anhin, bereits die Eröffnung einer einfachen Vorabklärung nach Artikel 26 dazu führen, dass das Sanktionsrisiko trotzdem besteht. Die Anforderungen für die Eröffnung einer Untersuchung sind höher als diejenigen für die Eröffnung einer Vorabklärung: Für die Eröffnung einer Untersuchung sind Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung notwendig.

Eine Untersuchung schliessen kann (im Gegensatz zu einer blossen Vorabklärung) nur das Wettbewerbsgericht, was der Wettbewerbsbehörde einen erheblichen Anreiz gibt, nicht leichtfertig Untersuchungen zu eröffnen, zumal sie bei einer Einstellung oder einem Unterliegen auch ihre Verfahrenskosten selber tragen und den betroffenen Unternehmen Parteientschädigungen ausrichten muss.

Bereits die Verkürzung der Frist führt zu einer Vergrösserung der Rechtssicherheit für die Unternehmen, denn durch ihr Vorgehen erhalten die Unternehmen neu innert zwei Monaten Gewähr, dass sie kein Sanktionsrisiko eingehen. Da das Sanktionsrisiko erst wieder bei Mitteilung der Eröffnung einer formellen Untersuchung erwächst, wird weiter der Zeitraum, in welchem das Vorhaben straflos umgesetzt werden kann, im Vergleich zur gegenwärtigen Situation verlängert. Die zweite Änderung soll insbesondere verhindern, dass Unternehmen aufgrund allfällig drohender Sanktionen auf ein an sich vernünftiges und zulässiges Verhalten verzichten.

Damit erlaubt die Revision, die investitionshemmende Wirkung der Sanktionsdrohung zu verringern: Sowohl während der Dauer des zweimonatigen Widerspruchsverfahrens als auch noch während und nach der Vorabklärung (bis zur Eröffnung einer formellen Untersuchung) kann das Unternehmen die gemeldete Verhaltensweise ohne Sanktionsrisiko umsetzen.

Kommt die Wettbewerbsbehörde zum Schluss, dass nach der Umsetzung der
gemeldeten Verhaltensweise (allenfalls in angepasster Form) tatsächlich aufgrund der Marktwirkungen Anhaltspunkte für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung bestehen, wird sie dem Unternehmen eine bevorstehende Untersuchungseröffnung mitteilen. Das Unternehmen hat bis zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit, innert einer vereinbarten Frist durch Aufgabe oder Änderung des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens eine Sanktion zu verhindern.

1.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.4.1

Vernehmlassungen

Die im April 2009 vom EVD für die Erarbeitung eines Vorschlags zur Reform des KG gebildete Projektgruppe führte im August und September 2009 eine Anhörung bei den Interessengruppen und den direkt betroffenen Behörden durch. Angehört wurden die Interessengruppen, die derzeit in der WEKO vertreten sind (economie3933

suisse, Schweizerischer Bauernverband, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, die Konsumentenorganisationen [Stiftung für Konsumentenschutz, Konsumentenforum und Fédération romande des consommateurs]), Organisationen, die besonders aktiv an der politischen Diskussion zum KG teilnehmen (insbesondere der Schweizerische Anwaltsverband, die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz, Promarca und SwissHoldings) sowie die direkt betroffenen Behörden (der Präsident der WEKO und der Preisüberwacher).

In der Folge organisierte das EVD im Auftrag des Bundesrates drei Vernehmlassungen (siehe 1.2.1­1.2.3). Die Beteiligung an diesen drei Vernehmlassungen ist in der Tabelle zusammengefasst.

Tabelle Anzahl der Vernehmlassungsteilnehmenden Kantone

Politische Parteien

Wirtschaftsverbände und andere Organisationen

1. Vernehmlassung

23

6

70

2. Vernehmlassung

25

5

42

3. Vernehmlassung

14

4

41

1.4.2

Allgemeine Bewertung der ersten Vernehmlassung

Eine deutliche Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst die bessere Trennung von Untersuchungs- und Entscheidbehörde.

Verschiedentlich wird die Schaffung eines Wettbewerbsgerichts kritisiert, wobei insbesondere länger dauernde Verfahren befürchtet werden. Vielfach wären diese Kreise jedoch bereit, einer Lösung mit einem Wettbewerbsgericht innerhalb des BVGer oder ans BVGer angegliedert zu unterstützen. Wenige Vernehmlassungsteilnehmende sehen keinen Handlungsbedarf im institutionellen Bereich und vertrauen darauf, dass die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren gemäss Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch das BVGer gewährleistet ist.

Bezüglich der Verfahren wird erwähnt, dass die Wettbewerbsbehörde im Rahmen eines Administrativverfahrens möglicherweise besser arbeiten könne als in einem gerichtlichen Klageverfahren. Dem stehen Äusserungen vor allem aus Anwaltskreisen gegenüber, die bei den Verfahren im Rahmen der heutigen institutionellen Struktur eine erhebliche Zahl von rechtsstaatlichen Defiziten sehen. Recht oft wird gefordert, dass die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde von der Verwaltung zu stärken sei.

Die Verbesserung des Widerspruchsverfahrens wurde im Allgemeinen begrüsst, namentlich die Verkürzung von Fristen wurde sehr positiv aufgenommen. Es wird jedoch von gewissen Kreisen darauf hingewiesen, dass dadurch das Investitionsrisiko für Unternehmen noch immer nicht genügend gemildert werde. Dass der Reformvorschlag Verbesserungen bringt, ist aber unbestritten.

3934

Einige Vernehmlassungsteilnehmende begrüssen die grundsätzliche Stossrichtung der Aufhebung der Per-se-Erheblichkeit von vertikalen Abreden. Daneben gibt es eine klare Opposition gegen eine Abschwächung der 2003 vom Parlament eingefügten Bestimmungen zur direkten Sanktionierung gewisser Formen vertikaler Abreden. Eine dritte Gruppe erachtet diesen Revisionspunkt nicht als zwingend notwendig oder als zu früh angesetzt. Es wird darauf verwiesen, dass die WEKO erst per 1. Juli 2010 die Vertikalbekanntmachung den Entwicklungen in der EU anpasste, dies in Bestätigung ihrer noch wenig umfangreichen Fallpraxis. Bezüglich der beiden in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagenen Varianten konnte keine eindeutige Präferenz erkannt werden; vielfach wurden Kombinationen von Elementen der beiden Varianten angeregt.

Die Erleichterung für internationale Fusionen wurde im Allgemeinen begrüsst, so auch die Anpassung der Fristen. Betreffend die Beurteilungskriterien fanden beide Varianten ähnlich viele Befürworter, die Streichung des Doppelkriteriums (Variante 2) wurde aber tendenziell weniger stark kritisiert. Eine Modernisierung der Beurteilungskriterien (Variante 1) wird von rund der Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden als sinnvoll erachtet.

Mit Bezug auf die Verbesserung der Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit wird gegenüber einer einseitigen Bestimmung im Kartellgesetz dem Weg, auf der Basis der Gegenseitigkeit Kooperationsabkommen mit anderen Staaten in Wettbewerbsbelangen abzuschliessen, der Vorzug gegeben.

Die Stärkung des Kartellzivilrechts wird namentlich von den durch die Reform begünstigten Konsumentenkreisen begrüsst, indes in der vorgeschlagenen Form als wenig nützlich erachtet. Gerade die Forderung, das Kostenrisiko der Konsumenten als Kläger zu begrenzen, stösst aber auf klare Ablehnung der Organisationen der Produzenten und des Handels. Befürchtet werden auch das Aufkommen von Sammelklagen respektive die administrativen Kosten aufgrund von Einzelklagen zahlreicher Konsumenten.

1.4.3

Allgemeine Bewertung der zweiten Vernehmlassung

Die erste Forderung der Motion Schweiger, auf Gesetzesebene eine Sanktionsminderung für Unternehmen mit Compliance-Programmen vorzusehen, wird von einer knappen Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet. Die meisten Kantone sind jedoch dagegen. Gewisse Teilnehmende, insbesondere aus Wirtschaftskreisen, erachten die Anliegen der Motion, wonach Compliance-Programme gesetzlich verankert werden sollten, als gerechtfertigt, die meisten lehnen die Revisionsvorlage aber ab. Laut gewissen Teilnehmenden fehlt eine kohärente Umsetzung des Verschuldensprinzips. Mehrere Teilnehmende kritisieren den Umstand, dass die Unternehmen die Wirksamkeit der umgesetzten Compliance-Programme nachweisen müssen. Zahlreiche Teilnehmende weisen darauf hin, dass die rechtlichen Grundlagen für eine Sanktionsminderung bereits bestehen (Art. 3 und 6 der KG-Sanktionsverordnung [SVKG]27) und dass eine Verankerung im Gesetz somit überflüssig sei. Gewisse Teilnehmende geben zu bedenken, dass die Verfahrensdauer verlängert würde. Ein Grossteil der Teilnehmenden fordert eine Ausnahmeregelung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oder zumindest eine Anpassung der Regelung. Für den Fall, 27

SR 251.5

3935

dass die Revision des KG verschoben oder fallengelassen wird, verlangen einige Teilnehmende, dass die SVKG ergänzt wird (obligatorische Berücksichtigung der Compliance-Anstrengungen).

Die zweite Forderung der Motion, die Einführung von Sanktionen gegen natürliche Personen, findet bei der Mehrheit der Teilnehmenden keinen Anklang. Für mehrere unter ihnen widerspricht die Kriminalisierung der Mitarbeitenden unserer Rechtstradition. Das Kartellrecht muss im Missbrauchsfall den Wettbewerb widerherstellen, wobei die Verhaltenskorrektur beim Unternehmen und dessen Sanktionierung weiterhin im Vordergrund stehen müssen. Gewisse Teilnehmende befürchten, dass die Unternehmensführung die Verantwortung auf die Mitarbeitenden abschieben würde.

Andere machen darauf aufmerksam, dass solche Sanktionen gegen natürliche Personen im Rahmen des KG bereits heute möglich seien (zumindest im Wiederholungsfall auf dem Wege des Verwaltungsstrafrechts). Mehrere Teilnehmende geben zu bedenken, dass der Nachweis des Vorsatzes schwierig zu erbringen sei und dies bei unsicheren Fällen zu langen und komplexen Verfahren führen könnte. Viele Teilnehmende erachten die Koordination der Verfahren gegen Unternehmen und natürliche Personen für schwierig. Ein solches System würde nur funktionieren, wenn die gerichtliche Beurteilung der natürlichen Personen erst nach der endgültigen Verurteilung des Unternehmens stattfindet. Dies würde aber bedeuten, dass die natürlichen Personen Jahre auf ihren Urteilsspruch warten müssten. Fast die Hälfte der Teilnehmenden, die eine Sanktionierung natürlicher Personen ablehnen, zeigten sich den verwaltungsrechtlichen Massnahmen (Variante A) gegenüber nicht völlig abgeneigt, würden die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen (Variante B) aber unter keinen Umständen unterstützen. Dagegen sprach sich unter den Teilnehmenden, die solche Sanktionen begrüssen würden, der Grossteil für die strafrechtliche Variante B aus. Diese Kreise meinten allerdings zumeist, dass die konkrete Ausgestaltung dieser Variante eingehend überarbeitet werden müsse.

1.4.4

Allgemeine Bewertung der dritten Vernehmlassung

Die Anpassung von Artikel 5 KG im Sinne eines Teilkartellverbots mit Rechtfertigungsmöglichkeit wurde von den Teilnehmenden mehrheitlich abgelehnt, insbesondere von den Wirtschaftskreisen. Zwar begrüsst die Mehrzahl der Teilnehmenden den Willen, für eine bessere Weitergabe der Währungsvorteile zu sorgen, doch wird die Änderung von Artikel 5 KG nicht als geeignete Lösung hierfür erachtet. Zudem kritisiert eine grosse Mehrheit den hergestellten Zusammenhang zwischen starkem Franken und Kartellabreden. Einige weisen darauf hin, dass die heutigen Instrumente ausreichend sind und dass es aufgrund der mangelnden Praxis noch zu früh für eine solche Anpassung sei. Hingegen unterstützen die Kantone und die Konsumentenschutzorganisationen im Allgemeinen ein Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit. Auch eine Mehrheit der politischen Parteien spricht sich für die Anpassung von Artikel 5 aus.

Die Mehrzahl der Teilnehmenden zeigte sich unzufrieden mit der kurzen Frist für die Durchführung der Vernehmlassung, umso mehr, als es sich um eine wesentliche Revision der juristischen Konzeption handle. Ausserdem bedauern mehrere Teilnehmende, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Änderungsvorschlags im erläuternden Bericht nicht behandelt werden.

3936

Zahlreiche Teilnehmende sind ferner der Ansicht, dass der Vorschlag Artikel 96 BV widerspricht, da nicht mehr die massgebliche Auswirkung der Abrede auf den Wettbewerb berücksichtigt werde, sondern nur noch ihre Form. Die Frage der Beweislastumkehr ist ein stark umstrittener Punkt der Vorlage.

Eine Reihe von Teilnehmenden würde es bevorzugen, wenn die Rechtfertigungsgründe auf Verordnungsebene und nicht in einer Bekanntmachung der WEKO geregelt würden.

Mehrere Teilnehmende weisen schliesslich auf die Kehrtwende des Bundesrates gegenüber dem ersten Vorschlag zur Beurteilung der vertikalen Abreden hin, der am 30. Juni 2010 in die Vernehmlassung gegeben wurde.

1.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Gemäss OECD sind die WEKO und ihr Sekretariat im internationalen Quervergleich personell eher knapp dotiert. Eine bessere Trennung von Untersuchung und Entscheid ist deshalb mit den bestehenden Ressourcen nicht zu erreichen. Die Übertragung wesentlicher Entscheidkompetenzen von einer Behördenkommission zu einem Gericht lässt es dagegen zu, den Rechtsmittelweg zu verkürzen. Per Saldo lässt sich so eine weitreichende Institutionenreform mit dem Zweck der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit ohne wesentlichen finanziellen Mehraufwand verwirklichen.

1.6

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Mit dem Übergang von der bisher durchgehenden Missbrauchsgesetzgebung zu einer durch ein Teilkartellverbot partiell relativierten Missbrauchsgesetzgebung erfolgt in konzeptioneller Hinsicht eine Annäherung des schweizerischen Kartellrechts an den internationalen Standard, der nicht auf einer Missbrauchsgesetzgebung, sondern auf einer Verbotsgesetzgebung beruht. Durch die Anpassung von Artikel 5 KG verbunden mit der Konkretisierung von Rechtfertigungsgründen für horizontale und vertikale Abreden auf Verordnungsstufe erhalten die Unternehmen grössere Klarheit darüber, welche Verhaltensweisen aus Sicht des Wettbewerbsrechts als zulässig erachtet werden. Zudem wird der Verordnungsgeber bei der Festlegung von ökonomischen Effizienzgründen die Regelung in der EU berücksichtigen. Eine Anknüpfung an den Rechtsbestand der EU und die Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung führen dazu, dass für Unternehmen relativ rasch ­ trotz geringer Anzahl Fälle in der Schweiz ­ genug Rechtssicherheit bestehen wird.

Unternehmenszusammenschlüsse in Märkten, welche neben der Schweiz zumindest den EWR umfassen, sollen in Zukunft in der Schweiz stark vereinfacht behandelt werden, da sie bereits von den EU-Instanzen beurteilt werden. Hier erfolgt eine Übernahme der europäischen Beurteilung. Die Einführung des SIEC-Tests beinhaltet eine weitgehende Annäherung der Schweizer Zusammenschlusskontrolle an den Rechtsbestand in der EU und der meisten Mitgliedstaaten.

Durch Anpassung des rechtlichen Rahmens die Attraktivität des zivilrechtlichen Wegs zu erhöhen, ist international ein verbreitetes Anliegen. Dabei gilt es zu verhindern, dass es zu einer exzessiven Klagekultur kommt, wie sie von den USA her 3937

bekannt ist. Auch die EU strebt dies an, sieht aber gleichwohl eine Aktivlegitimation der Endkunden in kartellrechtlichen Belangen vor. Dies wird vorliegend auch für das schweizerische Recht vorgeschlagen, wobei die Anpassungen im zivilrechtlichen Bereich hinter dem zurückbleiben, was in der EU geplant ist (bspw. kollektiver Rechtsschutz in der Form von Verbandsklagen).

Eine schweizerische Besonderheit bildet die Aufnahme einer Regelung der Sanktionsreduktion aufgrund von Compliance-Anstrengungen ins Gesetz. Die EU-Kommission hat zwar kürzlich in einer Broschüre die hohe Bedeutung von ComplianceProgrammen bei der unternehmensinternen Verhinderung von Wettbewerbsverstössen dargelegt, misst ihnen allerdings keine sanktionsreduzierende Wirkung bei.28 Soweit ersichtlich verfügt auch kein Mitgliedstaat der EU oder der OECD über eine vergleichbare Bestimmung.

Das vom Bundesrat am 18. August 2010 verabschiedete Verhandlungsmandat für ein Kooperationsabkommen mit der EU im Bereich Wettbewerb geht von der Vergleichbarkeit der materiellen und prozeduralen Bestimmungen in der Schweiz und der EU aus. Die materiell-rechtliche Grundlage des Abkommens wird durch die Vorlage zum einen dadurch gefestigt, dass die Revisionsvorlage wie das Recht der EU formell an bestimmte Typen von Wettbewerbsabreden anknüpft. Zum anderen werden sich die Ergebnisse im Bereich der Zusammenschlüsse noch mehr angleichen, da künftig in der Schweiz dieselbe Beurteilungsmethode wie in der EU zur Anwendung gelangen soll. Zu berücksichtigen ist aber, dass das schweizerische Recht gleichzeitig lösen muss, was in Europa das Recht der Mitgliedstaaten und der EU zusammen leisten: nämlich Zusammenschlüsse auf ihre mitgliedstaatlichen und gemeinschaftsweiten Auswirkungen hin zu beurteilen. Insgesamt stärkt der Entwurf die materiell-rechtliche Basis für ein Kooperationsabkommen, vorausgesetzt, auf die Umsetzung des zweiten Teils der Mo. Schweiger (07.3856) hinsichtlich der Einführung von Strafsanktionen wird verzichtet.

Zum Zweck der Optimierung der Wettbewerbssituation in der Schweiz wird in verschiedenen Punkten das Recht an das EU-Recht angeglichen. Dadurch wird die Tätigkeit von gleichzeitig in der Schweiz und in der EU operativen Unternehmen erleichtert. So können sie zum Beispiel einheitliche Vertriebsverträge abschliessen.

Zudem kann
durch die Rechtsangleichung die Rechtssicherheit wesentlich erhöht werden, gibt es für die Rechtsfortbildung in der Schweiz doch nur eine sehr beschränkte Anzahl inländische Fälle pro Jahr.

Im Gegensatz zur materiellen und teilweise konzeptionellen Annäherung von schweizerischem und europäischem Wettbewerbsrecht ist eine Angleichung der institutionellen Ausgestaltung nicht vorgesehen: Einerseits ist bereits die Konzeption der mitgliedstaatlichen Institutionen, die mit Wettbewerbsrecht befasst sind, äusserst heterogen, und auch die Lösung auf der Ebene der EU kann beziehungsweise sollte nicht übernommen werden. Andererseits ist zurzeit auch keine Entwicklung in Richtung eines einheitlichen europäischen Modells zur Ausgestaltung der wett28

Vgl. www.ec.europa.eu/competition/antitrust/compliance/compliance_matters_en.pdf.

European Commission, Competition Directorate: Compliance matters ­ What companies can do to better respect EU competition rules, Special first edition, November 2011, insb.

S. 20: «... the mere existence of a compliance programme will not be considered as an attenuating circumstance (see, for example, Joined Cases T-101/05 and T-111/05, BASF and UCB, paragraph 52, and Case T-138/07, Schindler Holding, paragraph 282). Nor will the setting-up of a compliance programme be considered as a valid argument justifying a reduction of the fine in the wake of investigation of an infringement».

3938

bewerbsrechtlichen Institutionen erkennbar. Da kein idealtypisches europäisches Modell von Wettbewerbsbehörden existiert (vgl. Evaluationsbericht «Internationaler Vergleich», Projektbericht P9, 2008), antwortet die vorgeschlagene Lösung konsequent auf die Herausforderungen der nationalen Situation, insbesondere auf das Anliegen, Untersuchung und Entscheid klar zu trennen. So soll die Untersuchung von einer unabhängigen Instanz durchgeführt und der Entscheid durch ein Gericht getroffen werden, und zwar ­ anders als im Vernehmlassungsvorschlag vorgesehen ­ unter Berücksichtigung der Vorgaben der hiesigen institutionellen Ordnung. Die vorgesehene frühzeitige Einschaltung eines Gerichts ist in Europa nicht einzigartig, favorisiert doch neben Österreich auch Belgien eine ähnliche Lösung. Und in Deutschland kann das Bundeskartellamt keine Sanktionen verhängen, wenn sich nicht eine einvernehmliche Regelung findet. Sie muss sogar noch die Staatsanwaltschaft eines Bundeslandes einschalten, um gerichtlich Sanktionen durchsetzen zu können. Dies zeigt, dass in verschiedenen Staaten ein gerichtliches Modell für die Aussprache von Kartellsanktionen gewählt wurde. Die Sanktionskompetenzen einer Wettbewerbsbehörde sind weitreichend, und mit dem vorliegenden Modell würde die Schweiz keinen Sonderfall schaffen, sondern einen Schritt nach vorne gehen und bestehende rechtsstaatliche Probleme beseitigen.

1.7

Umsetzung

Eine der Zielsetzungen des Bundesrates für diese Reform ist die Beschleunigung der Verfahren nach den Artikeln 5 (Kartellabreden) und 7 (Marktmachtmissbrauch). Sie wird im Wesentlichen durch den Verzicht auf die erste Beschwerdeinstanz erreicht, da nun neu bereits erstinstanzlich ein BV- und EMRK-konformes Gericht entscheidet. Parallel kommt es zu einer Aufwertung des bestehenden Sekretariates der WEKO zu einer Anstalt. Mit diesem Schritt findet eine Umsetzung der CorporateGovernment-Grundsätze für die Wahrnehmung von hoheitlichen Aufgaben im Bereich der Wirtschaftsaufsicht statt. Dank Annäherung an dieses Modell und dank besserer Umsetzung grundlegender Rechtsprinzipien wie der Trennung von untersuchender und entscheidender Instanz werden im Ergebnis sowohl die Operabilität der Verfahren wie die Legitimation der kartellrechtlichen Entscheide in hohem Mass gewährleistet sein.

Die revidierten materiell-rechtlichen Bestimmungen ergeben soweit absehbar keine Vollzugsfragen. Es geht um Rechtsbestimmungen, die in einer Reihe von europäischen Staaten inhaltlich in vergleichbarer Weise ausgestaltet sind, ohne dass wegen des materiell-rechtlichen Gehalts der Bestimmungen Vollzugsprobleme bekannt wären. Einzig zu vermerken ist ein teilweise gesteigerter Aufwand wegen der Einführung des SIEC-Tests für Unternehmenszusammenschlüsse, die sich als problematisch erweisen und vertieft geprüft werden (durchschnittlich 4 von 28 gemeldeten Zusammenschlüssen pro Jahr).

3939

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Änderung des Kartellgesetzes

2.1.1

Redaktionelle Änderungen

Die verstärkte Trennung von Untersuchung und Entscheid im Zeichen der institutionellen Neuordnung im Kartellrecht führt zu einer Aufwertung des bisherigen Sekretariats der WEKO zu einer eigentlichen Wettbewerbsbehörde und der bisherigen WEKO zu einem erstinstanzlichen Wettbewerbsgericht als Teil des Bundesverwaltungsgerichts. Deshalb kommt es zu einer Reihe von redaktionellen Änderungen im KG.

Betroffen von solchen redaktionellen Änderungen sind die Artikel 3, 6, 9, 10, 15, 25, 28, 30, 31, 32, 33, 34, 36, 37, 38, 40, 42, 42a, 43, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 53, 54, 57 und 58. Diese redaktionellen Änderungen werden nachstehend nicht näher erläutert.

2.1.2

Ingress

Die vorliegende Teilrevision bietet die Gelegenheit, den im Ingress versehentlich aufgeführten Artikel 27 Absatz 1 BV zu streichen. Artikel 27 BV ist im Ingress fehl am Platz, da er keine Rechtsetzungskompetenz des Bundes begründet.

2.1.3

Materiell-rechtliche Bestimmungen (2. Kapitel)

2.1.3.1

Unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen (1. Abschnitt)

Art. 5

Unzulässige Wettbewerbsabreden

Abs. 1: Grundsatz Wie bisher sind Wettbewerbsabreden im Grundsatz nur dann unzulässig, wenn sie einerseits den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen und sich andererseits nicht ökonomisch rechtfertigen lassen. Im Vergleich zur heutigen Fassung wird auf die explizite Erwähnung der möglichen Beseitigung wirksamen Wettbewerbs verzichtet.

Diese Formulierung zielte primär auf die Typen von Wettbewerbsabreden, die neu in Absatz 2 in Form eines Teilkartellverbots geregelt sind. Im Übrigen ist diese Erwähnung ohnehin redundant, da jede Beseitigung wirksamen Wettbewerbs immer auch eine erhebliche Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs ist und die Möglichkeit der Rechtfertigung einer wettbewerbsbeseitigenden Abrede bereits durch Absatz 3 Buchstabe b E-KG (Art. 5 Abs. 2 Bst. b KG) ausgeschlossen ist.

Dieser Passus kann daher folgenlos gestrichen werden.

Abs. 2: Harte Wettbewerbsabreden Der neu formulierte Absatz 2 stellt im Verhältnis zu Absatz 1 eine Spezialregel auf für bestimmte Typen besonders schwerwiegender («harter») Wettbewerbsabreden beziehungsweise Kartelle: Das Gesetz knüpft aber stets an den konkreten Gegenstand, d. h. den ökonomischen Gehalt der Abrede, an und nicht etwa an ihre äussere 3940

Form: Es muss sich im Einzelfall um eine horizontale Abrede über Preise, Mengen oder Gebiete oder eine vertikale Preisbindung im Sinne von Mindest- oder Festpreisen beziehungsweise eine Gebietsabschottung im Sinne eines absoluten Gebietsschutzes handeln. Diese sind stets ­ also unabhängig vom Nachweis einer erheblichen Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall ­ unzulässig, es sei denn, sie können im Einzelfall aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden.

Absatz 2 übernimmt dabei materiell unverändert die fünf Typen von Abreden, die heute in den Absätzen 3 und 4 bereits explizit genannt und vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend qualifiziert werden und die deshalb bereits heute gestützt auf Artikel 49a KG direkt sanktionierbar sind. Damit sich an deren Sanktionierbarkeit nichts ändert, ist eine redaktionelle Anpassung des Verweises in Artikel 49a Absatz 1 KG nötig.

Die geringfügige Abweichung bei der Definition des Gebietsabschottungstatbestandes (absoluter Gebietsschutz) in Buchstabe b Ziffer 2 ist sprachlich bedingt und eine Folge der vorgeschlagenen Darstellung. Dem Satzteil «in Vertriebsverträgen» kommt angesichts der Tatsache, dass in dieser Ziffer auf «Vertriebspartner» Bezug genommen wird, keine eigenständige Bedeutung zu, weshalb dessen Streichung zu keiner materiellen Änderung führt. Zwecks Verständlichkeit ist im italienischen Gesetzestext «distributori esterni» um «riconosciuti» zu ergänzen.

Abs. 3: Rechtfertigung aus Gründen der ökonomischen Effizienz Die heute bestehende materiell-rechtliche Regelung (Abs. 2) wird weitgehend übernommen; insbesondere bleibt der Katalog der möglichen Rechtfertigungsgründe unverändert.

Eine ausdrückliche Klarstellung erfolgt mit Bezug auf die Verteilung der Beweislast.

Vorweg hervorzuheben ist dabei, dass mit dieser Klarstellung bezüglich Beweislastverteilung am Bestehen der Untersuchungsmaxime nichts geändert wird; diese gilt auch weiterhin, d. h., die Behörde hat auch weiterhin den relevanten Sachverhalt ­ und zwar sowohl bezüglich belastender als auch entlastender Punkte ­ von Amtes wegen zu ermitteln. Entsprechendes gilt auch für das Gericht. Die Beweislastverteilung regelt einzig die Frage, was gilt, wenn weder die Existenz noch die Nichtexistenz einer bestimmten Tatsache bewiesen sind, also die Folgen der Beweislosigkeit.
Sachgerechterweise darf weder von den Behörden noch den Unternehmen ein (unmöglicher) Beweis für das Nichtvorliegen einer Tatsache (Negativbeweis) verlangt werden.

Die Beweislast dafür, dass überhaupt eine Kartellabrede vorliegt und im Fall von Absatz 1 insbesondere auch für deren Erheblichkeit, liegt bei der Behörde. Das heisst, es liegt kein gegen Artikel 5 KG verstossendes Verhalten vor, wenn das Vorliegen dieser Punkte nicht bewiesen ist, sondern beispielsweise bloss vermutet werden kann. Ist dieser Beweis jedoch erbracht, so gilt es in einem zweiten Schritt das Vorliegen von Effizienzgründen zu prüfen. Damit die Behörde ihrer Pflicht, neben belastenden stets auch entlastende Argumente zugunsten der Unternehmen zu suchen, nachkommen kann, müssen die interessierten Unternehmen dartun, welche Effizienzüberlegungen sie zum Eingehen der fraglichen Abrede veranlasst haben, und die dazu vorhandenen Unterlagen einreichen. Denn von einem Unternehmen, welches zum Mittel einer möglicherweise verbotenen (allenfalls sogar harten) Kartellabrede greifen will, darf erwartet werden, dass es bereits im Voraus sorgfältig klärt (allenfalls in einem Widerspruchsverfahren nach Art. 49a KG), ob die beabsichtigte Abrede gerechtfertigt werden kann oder nicht und dies auch entsprechend 3941

dokumentiert. Dies gilt ausgeprägt im Bereich der Teilkartellverbote nach Absatz 2.

Sind im Ergebnis solche Effizienzgründe ­ durch die Wettbewerbsbehörde, die Parteien und das Gericht ­ nicht erstellt, so liegt entsprechend der nunmehr ausdrücklich im Gesetz verankerten Beweislastverteilung eine unzulässige Wettbewerbsabrede vor.

Im Ergebnis führt diese Regelung zu einer sachgerechten Verteilung der Beweislast, indem niemand, weder die Behörden noch die Unternehmen, die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Tatsache tragen (gemäss Bundesgericht ist es nicht an den Behörden, das Nichtvorhandensein von Gründen der wirtschaftlichen Effizienz zu beweisen29). Gemäss Bundesgericht30 ergibt sich bereits aus dem bisherigen Gesetzeswortlaut, dass gegen Artikel 5 Absatz 1 KG verstossende Wettbewerbsbeeinträchtigungen nur zulässig sind, wenn sie tatsächlich durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sind, und nicht bereits dann, wenn solche Gründe nicht ausgeschlossen werden können oder bloss einigermassen plausibel erscheinen.

Eine Beweislosigkeit bezüglich der Effizienzgründe wirkt sich dementsprechend zum Nachteil der Unternehmen aus, die eine solche Abrede getroffen haben. Sie tragen somit ­ gemäss der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ­ die objektive Beweislast, wie dies nunmehr explizit im Gesetzestext festgehalten werden soll. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für das Bestehen von Effizienzgründen nicht ein unrealistisch hohes Beweismass zu verlangen ist. Ökonomische Analysen sind entsprechend der oftmals lückenhaften Datenlage beziehungsweise der nur annäherungsweise möglichen Abbildung der Realität mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, weshalb ein strikter Beweis von Effizienzgründen nicht vorausgesetzt werden darf; vielmehr genügt es zur Rechtfertigung einer Abrede, wenn der angerufene Effizienzgrund mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Diese Beweislastverteilung entspricht ferner im Grundsatz dem Recht in der EU und fast allen EU-Mitgliedstaaten (Art. 2 EU-Verordnung 1/200331), geht aber weniger weit als dieses. Abgeleitet aus Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) müssen die Unternehmen in der EU bei der Rechtfertigung von Abreden aus Effizienzgründen kumulativ vier Nachweise führen. Die Abrede
muss a) zu einer Effizienzsteigerung führen, b) die Abrede muss unerlässlich sein, um die angeführten Effizienzgewinne zu erreichen, c) die Verbraucherinnen und Verbraucher sind angemessen am entstehenden Gewinn zu beteiligen und d) es darf in keinem Fall zu einer Beseitigung des Wettbewerbs kommen.

Von diesen vier Kriterien entfällt in der Schweiz das dritte in dieser spezifischen Form, nämlich dass ein Teil der Effizienzvorteile die Konsumentinnen und Konsumenten erreichen muss. Das schweizerische Kartellgesetz ist nicht auf einen Konsumentenwohlfahrtsstandard verpflichtet, sondern auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt. Für die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsbetrachtung ist es indessen immerhin indikativ, ob Effizienzvorteile nachgelagerten Stufen weitergegeben werden, spricht dies doch dafür, dass der Wettbewerb im entsprechenden Markt eine hinreichende Intensität hat und weiter behält und jedenfalls nicht die vierte Konstellation eintritt, nämlich dass der Wettbewerb ausgeschaltet ist. Ein weiterer Unter29 30 31

BGer v. 6.2.2007, 2A.430/2006, E. 10.3.

BGer v. 6.2.2007, 2A.430/2006, E. 10.3.

Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

3942

schied zur Regelung in der EU besteht darin, dass in der Schweiz gemäss der unveränderten Regel in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b E-KG (früher Abs. 2 Bst. b) die Wettbewerbsbehörde (und nicht wie in der EU die Unternehmen) die objektive Beweislast bezüglich der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs trägt.

Bei den für eine Rechtfertigung geforderten Effizienzvorteilen handelt es sich ausdrücklich nicht um rein betriebswirtschaftliche Zugewinne an Leistungsfähigkeit.

Nötig ist eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung. Sodann müssen Effizienzvorteile auch im schweizerischen Wirtschaftsraum anfallen. Die Vorteile für die Unternehmen müssen mit den Nachteilen aus einer beeinträchtigten Wettbewerbsintensität verglichen werden, so sich solche aus der Abrede ergeben. Bei den Typen von Abreden nach Absatz 2 geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich solche Nachteile einstellen, denn aus diesem Grund unterliegen sie einem Teilkartellverbot. Zum Ausgleich allfälliger Schwierigkeiten eines Unternehmens bei der Selbstbeurteilung des Vorliegens von Rechtfertigungsgründen ­ etwa, soweit es dabei auf die gesamtwirtschaftliche Dimension ankommt ­ hält das Kartellgesetz bei sanktionsbedrohten Abreden das Widerspruchsverfahren zur Verfügung; in den übrigen Fällen kann die Wettbewerbsbehörde um eine Beratung ersucht werden. Insbesondere wenn für die Beurteilung die Kenntnis von Marktdaten erforderlich ist, zu welchen die Unternehmen nur schwer oder gar keinen Zugang haben (etwa solchen von Konkurrenten), ist die Einleitung eines Widerspruchsverfahrens (oder die Inanspruchnahme einer Beratung) für die Unternehmen angezeigt. Wenn ein Unternehmen aber ­ ohne die notwendigen Abklärungen zu treffen (oder eben ein Widerspruchsverfahren einzuleiten) ­ eine Abrede gemäss einem der fünf sanktionierbaren Typen trifft, kann es sich nicht später damit entschuldigen, die für die Beurteilung notwendigen Marktdaten nicht gekannt zu haben.

Angesichts der erhöhten Bedeutung der ökonomischen Effizienzgründe und um den Unternehmen grösstmögliche Rechtssicherheit zu geben, erscheint es weiter geboten, die neu in Artikel 5 Absatz 3 E-KG (unverändert) genannten Rechtfertigungsgründe (derzeit Abs. 2) gestützt auf die geltende Verordnungskompetenz in Artikel 6 KG in verständlicher Form zugänglich zu machen. Die Regeln für die Rechtfertigung
sollen auf den bestehenden Materialien sowie der Praxis der Wettbewerbsbehörden und Gerichte basieren und ­ unter Berücksichtigung der in der Schweiz herrschenden rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen ­ dem entsprechenden Recht der EU Rechnung tragen, womit eine Isolierung der schweizerischen Märkte vermieden und Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die positiven Effizienzwirkungen harter horizontaler Abreden (künftig Art. 5 Abs. 2 Bst. a E-KG) ­ verglichen mit dem durch die Wettbewerbsbeschränkung verursachten volkswirtschaftlichen Schaden ­ in der Regel gering sind. Eine mögliche Ausnahme von dieser Regel sind unter bestimmten Umständen beispielsweise Einkaufskooperationen. Im Verhältnis dazu vermögen vertikale Abreden ­ und dabei selbst Preisbindungen in Form von Mindest- oder Festpreisen und Gebietsabschottungen in Form eines absoluten Gebietsschutzes (künftig Art. 5 Abs. 2 Bst. b E-KG) ­ im Einzelfall eher Effizienzgewinne zu zeitigen, welche die negativen Auswirkungen der Abreden aufzuwiegen vermögen (z. B. Beseitigung des Trittbrettfahrerverhaltens auf Händlerstufe oder Erschliessung von neuen räumlichen oder

3943

sachlichen Märkten)32. Im Vorgriff auf die spätere Verordnung kann hier schon in Aussicht gestellt werden, dass die Unternehmen bei vertikalen Abreden folgende Effizienzgründe werden geltend machen können33: zeitlich begrenzter Schutz von Investitionen für die Erschliessung neuer räumlicher Märkte oder neuer Produktmärkte; Sicherung der Einheitlichkeit und Qualität der Vertragsprodukte; Schutz vertragsspezifischer Investitionen, die ausserhalb der Geschäftsbeziehung nicht oder nur mit hohem Verlust verwendet werden können (Hold-up-Problem); Vermeidung von ineffizient tiefen Verkaufsförderungsmassnahmen (z. B. Beratungsdienstleistungen), die resultieren können, wenn ein Hersteller oder Händler von den Verkaufsförderungsbemühungen eines anderen Herstellers oder Händlers profitieren kann (Trittbrettfahrerproblem); Vermeidung eines doppelten Preisaufschlags, der sich ergeben kann, wenn sowohl der Hersteller als auch der Händler über Marktmacht verfügen (Problem der doppelten Marginalisierung); Förderung der Übertragung von wesentlichem Knowhow sowie Sicherung von finanziellen Engagements (z. B.

Darlehen), die durch den Kapitalmarkt nicht zur Verfügung gestellt würden.

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e KG sieht für Abreden zwischen KMU, welche nur eine beschränkte Marktwirkung aufweisen, eine erleichterte Rechtfertigung vor. Die geltende Bekanntmachung beschränkt diese Erleichterung in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht allerdings auf die Kategorie der in der Schweiz nicht direkt sanktionierbaren Abreden. Auch der Begriff der nur geringen Marktwirkung wird in der vorgesehenen neuen Verordnung in einer De-minimis-Regel zu präzisieren sein.

Bei den fünf besagten, direkt sanktionierbaren Typen von Abreden ist die Einführung einer solchen De-minimis-Regel allerdings gegenwärtig nicht vorgesehen (eine solche könnte jedoch für Einkaufskooperationen in Betracht gezogen werden).

Art. 8

Ausnahmsweise Zulassung aus überwiegenden öffentlichen Interessen

Da Wettbewerbsabreden und Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen nicht mehr von einer «Behörde», sondern vom zuständigen Gericht für unzulässig erklärt werden, erfährt Artikel 8 eine redaktionelle Änderung, die in Anlehnung an den Wortlaut von Artikel 11 vorgenommen wird.

2.1.3.2 Art. 9

Unternehmenszusammenschlüsse (2. Abschnitt) Meldung von Unternehmenszusammenschlüssen

Ein Teil der den Wettbewerbsbehörden gemeldeten Unternehmenszusammenschlüsse betrifft Zusammenschlüsse von internationalen Unternehmen. Der grenzüberschreitende Charakter führt dazu, dass solche Zusammenschlüsse parallel von Wettbewerbsbehörden verschiedener Staaten zu beurteilen sind. Dies verursacht 32

33

Siehe etwa Bühler, Stefan, Halbheer, Daniel, 2010, Ökonomische Grundlagen und Grundbegriffe, in: Marc Amstutz und Mani Reinert (Hrsg.), Basler Kommentar, Kartellgesetz, S. 33 ff., 46 ff.; Evaluationsgruppe Kartellgesetz, Studien zu Einzelbestimmungen (Art. 3 Abs. 2 KG: Einfuhrbeschränkungen, geistiges Eigentum; Art. 5 Abs. 4 KG: vertikale Vereinbarungen), KG-Evaluation, 2008.

Diese genannten Effizienzgründe sind bereits in der Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden der Wettbewerbskommission vom 28. Juni 2010 (Vertikalbekanntmachung, VertBek) enthalten.

3944

einen Mehrfachaufwand bei den betroffenen Unternehmen und Wettbewerbsbehörden. Diese Mehrfachbelastung soll mit der vorgeschlagenen Anpassung in Artikel 9 Absatz 1bis E-KG vermindert werden: Die Meldepflicht für Zusammenschlüsse von Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen kartellrechtlich gesehen zu Märkten gehören, die wenigstens die Schweiz und den EWR umfassen, soll in Zukunft deutlich vereinfacht werden. Denn soweit die EU-Instanzen in solchen Märkten Zusammenschlüsse untersagen oder mit Auflagen und Bedingungen zulassen, hat der Entscheid länderunabhängig auf den gesamten EWR und damit auch auf die Schweiz Wirkung. Eine Beurteilung durch die Schweizer Behörden ist in solchen Fällen nicht nötig. Es reicht, dass die Wettbewerbsbehörde durch die Unternehmen vom laufenden Zusammenschlussverfahren und dem EU-Entscheid in Kenntnis gesetzt wird. Für den Fall, dass die Unternehmungen zum Zeitpunkt der Meldung irrtümlicherweise davon ausgegangen sind, die in Artikel 9 Absatz 1bis E-KG enthaltenen Bedingungen seien erfüllt, sich aber im Verlaufe der Beurteilung des Zusammenschlusses durch die Europäische Kommission das Gegenteil zeigt (z. B. erweisen sich einige Märkte als national), haben die Unternehmen den Zusammenschluss nachträglich auch in der Schweiz zu melden.

Die Änderung in Artikel 9 Absatz 5 E-KG ist redaktioneller Natur: Seit der Neukonzeption der Erlassformen im Rahmen der Nachführung der Bundesverfassung gibt es den allgemeinverbindlichen nicht referendumspflichtigen Bundesbeschluss nicht mehr. Seine Funktion erfüllen heute Verordnungen, welche die Bundesversammlung erlässt.

Art. 10

Beurteilung von Zusammenschlüssen

Es besteht heute international ein breiter Konsens, dass die Zusammenschlusskontrolle Instrumente bereitstellen sollte, um volkswirtschaftlich schädliche Zusammenschlüsse zu verhindern34. Insbesondere in Märkten, die konzentriert sind und in welchen einzelne Unternehmen hohe Marktanteile aufweisen, können Unternehmenszusammenschlüsse volkswirtschaftlich schädlich sein. Zwar besteht mit der Missbrauchskontrolle gemäss Artikel 7 KG ein Instrument, welches es in gewissen Fällen erlaubt, antikompetitive Auswirkungen von Zusammenschlüssen ex post zu korrigieren oder abzumildern. Es herrscht jedoch Einigkeit, dass die Missbrauchskontrolle eine Strukturkontrolle, wie dies die Zusammenschlusskontrolle in ihrem Kern ist, nicht ersetzen kann. Eine zeitgemässe Zusammenschlusskontrolle muss dem wirtschaftlichen Umfeld Rechnung tragen und über ein angemessenes Instrumentarium verfügen. Dieses muss sowohl den antikompetitiven wie auch den effizienzsteigernden Wirkungen von Zusammenschlüssen Rechnung tragen können.

Übersteigt die Marktkonzentration ein gewisses Mass oder entsteht durch ein Zusammenschlussvorhaben gar eine marktbeherrschende Stellung, können nach der ökonomischen Lehre und Forschung zwei Kategorien von schädlichen Effekten entstehen:

34

Siehe etwa International Competition Network ICN (2010), Recommended Practices for Merger Analysis (BAZ/BCL/FJS); OECD (2010), Standard for Merger Review, with a particular Emphasis on Country Experience with the Change of Merger Review Standard from the Dominance Test to the SLC/SIEC Test, DAF/COMP(2009)21; Evaluationsgruppe Kartellgesetz (2008), Zusammenschlusskontrolle, Überprüfung der Notwendigkeit einer Revision, Projektbericht P17 der KG-Evaluation gemäss Art. 59a KG, Bern.

3945

­

Nicht-koordinierte (unilaterale) Effekte: Falls der Wettbewerbsdruck infolge eines Zusammenschlusses abnimmt oder gar eine marktbeherrschende Stellung entsteht, können für die sich zusammenschliessenden Unternehmen Anreize bestehen, die Marktkonditionen zulasten ihrer Kundinnen und Kunden abzuändern, beispielsweise indem sie die Preise erhöhen. In der Folge haben die weiteren sich im Markt befindenden Unternehmen einen Anreiz, ihr Verhalten ebenso anzupassen, d. h. beispielsweise ihre Preise auch zu erhöhen.

­

Koordinierte Effekte: Wenn nur noch wenige Unternehmen in einem Markt tätig sind, kann ein Unternehmenszusammenschluss auch dazu beitragen, dass die im Markt verbleibenden Akteure ihr Verhalten explizit oder stillschweigend zulasten ihrer Kundinnen und Kunden aufeinander abstimmen.

Die geltende Zusammenschlusskontrolle vermag diese wettbewerbshemmenden Auswirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen nur ungenügend zu berücksichtigen. Demgegenüber erlaubt die vorgeschlagene Änderung in Artikel 10 Absätze 1 und 2 E-KG eine vollumfängliche Prüfung der negativen, aber auch der positiven Effekte eines Zusammenschlusses, dies nach dem Vorbild des durch die EUBehörden angewandten SIEC-Tests (Significant Impediment to Effective Competition); die entsprechende Formulierung in Artikel 10, insbesondere der Begriff «behindern», lehnt sich an die EU-Formulierung an (nicht an Art. 7). Analog zur geltenden Zusammenschlusskontrolle ist mit dem SIEC-Test die Möglichkeit verbunden, Zusammenschlüsse zu untersagen oder mit Auflagen und Bedingungen zu belegen. Eine Untersagung oder eine Zulassung mit Auflagen und Bedingungen ist beim SIEC-Test in Einzelfällen auch dann möglich, wenn eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs vorliegt, ohne dass eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt werden müsste.

Mit dem Wechsel zum SIEC-Test geht ­ in Anlehnung zur bewährten Regelung in der EU ­ die Berücksichtigung der Effizienzvorteile eines Zusammenschlusses einher (Art. 10 Abs. 2 Bst. b E-KG), wodurch eine erhebliche Schwäche der heutigen Regelung beseitigt wird. Soweit die Effizienzvorteile für die Nachfragerinnen und Nachfrager die negativen Effekte des Zusammenschlusses ausgleichen, haben die Wettbewerbsbehörden den Zusammenschluss zu genehmigen. Die Effizienzgründe sind von den Unternehmen vorzubringen. Mit der Berücksichtigung der Effizienzvorteile geht auch die Wahl eines Wohlfahrtsmasses beziehungsweise des zu verwendenden Wohlfahrtsstandards einher. Der Bundesrat schlägt bezüglich Artikel 10 KG die Verwendung eines dynamischen Konsumentenwohlfahrtsstandards35 vor (die europäische sowie diverse weitere Wettbewerbsbehörden weichen bei der Zusammenschlusskontrolle ebenfalls vom Gesamtwohlfahrtsstandard ab36).

Dieser rückt eine Maximierung der Konsumentenwohlfahrt über die Zeit in den Vordergrund. Somit sind nicht nur statische, sondern eben auch ökonomisch wichtige dynamische Effekte zu berücksichtigen: Fallen bei einem Zusammenschluss beispielsweise F&E-Synergien an, die sich zwar nicht unmittelbar, aber nachweislich mittelfristig auf die Preise der Produkte oder Dienstleistungen
auswirken, können diese berücksichtigt werden. Damit Effizienzgewinne bei der wettbewerbsrechtlichen Würdigung eines Zusammenschlussvorhabens berücksichtigt werden können, 35 36

Vgl. Evaluationsgruppe Kartellgesetz, Zusammenschlusskontrolle erwähnt in Fn. 34.

Für die verschiedenen Gründe bezüglich Wahl dieses Wohlfahrts-Standards vgl.

Evaluationsgruppe Kartellgesetz, Zusammenschlusskontrolle (erwähnt in Fn. 34), S. 32 f.

3946

müssen sie nicht nur auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten anfallen, sondern überprüfbar und zusammenschlussspezifisch sein.

Mit der Einführung des SIEC-Tests können Zusammenschlüsse, die wettbewerbshemmend wirken und deren negative Effekte nicht durch Effizienzvorteile ausgeglichen werden, eher unterbunden werden als unter dem bestehenden Regime. Der internationale Vergleich zeigt, dass der Wechsel zum SIEC-Test trotzdem mit wenigen Veränderungen bezüglich Interventionsrate, Rechtssicherheit und Komplexität einhergeht und dass die Erfahrungen insgesamt positiv ausfallen37. In Staaten, die das Beurteilungskriterium wechselten, stieg die Interventionsrate grundsätzlich nicht, die Rechtssicherheit wurde nicht negativ beeinflusst und der SIEC-Test erwies sich auch nicht als komplexer als ein Marktbeherrschungstest. Dafür erlaubt der SIEC-Test eine einfachere Erfassung problematischer Zusammenschlüsse (es ist weniger auf das Kriterium der kollektiven Marktbeherrschung zurückzugreifen) und die umfassende Prüfung ihrer negativen und positiven Effekte.

Auch für die Schweiz sind bezüglich Rechtssicherheit, Komplexität und Aufwand keine grossen Änderungen zu erwarten. So bleiben die Beurteilungsschritte der Wettbewerbsbehörde bis auf die Berücksichtigung der Effizienzvorteile konzeptionell grundsätzlich gleich. Für zusätzliche Klarheit und Rechtssicherheit kann die Publikation einer Leitlinie, ähnlich etwa jener der EU38, beitragen. Zudem wird sich die Wettbewerbsbehörde auf die bestehende, breite Rechtspraxis der EU abstützen können. Im Zusammenhang mit der Meldung des Zusammenschlusses wird sich der Aufwand für die Unternehmen im heutigen Rahmen bewegen, haben sie doch abgesehen von den Effizienzgründen grundsätzlich die gleichen Informationen wie in der geltenden Zusammenschlusskontrolle einzureichen.

Für die Zusammenschlüsse, die sich als problematisch erweisen und vertieft zu prüfen sind (durchschnittlich 4 von 28 gemeldeten Zusammenschlüssen pro Jahr), wird der Aufwand für die Unternehmen und die Wettbewerbsbehörde wegen des veränderten Beurteilungsmasses höher ausfallen. Zusammenschlüsse, die nicht problematisch sind, werden dagegen kaum mit höherem Aufwand verbunden sein.

Bezüglich Veränderung der Interventionsrate ist im Fall der Schweiz Folgendes zu beachten: Die Eingriffsschwelle wird
mit dem SIEC-Test einerseits nach unten gesetzt, andererseits mit der Berücksichtigung der Effizienz auch wieder angehoben.

Während international betrachtet die Interventionsrate bei Wechseln zum SIEC-Test entsprechend grundsätzlich gleich blieb, kann es in der Schweiz zu einem leichten Anstieg der Interventionsrate kommen, da die geltende, schweizerische Zusammenschlusskontrolle den antikompetitiven Wirkungen gemäss verbreiteter Auffassung zu wenig Rechnung trägt.

Da die Schwellenwerte, welche eine Meldepflicht auslösen, nicht herabgesetzt werden, ist keine Änderung der Anzahl zu meldender Zusammenschlüsse zu erwarten. Der Wechsel zum SIEC-Test hat auch nicht zur Folge, dass sich diese Anzahl verändert.

37 38

Aus OECD (2009), S. 8 f., erwähnt in Fn. 34.

Europäische Union (2004), Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäss der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen; URL: www.eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri= CELEX:52004XC0205 (02):EN:NOT

3947

2.1.4 Art. 12

Zivilrechtliches Verfahren (3. Kapitel) Ansprüche aus unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung

Aufgrund des geltenden Wortlauts sind Endkundinnen und -kunden und damit insbesondere Konsumentinnen und Konsumenten im Fall einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung nach überwiegender Meinung von der Geltendmachung von Zivilrechtsansprüchen ausgeschlossen. Dies führt unter anderem zu einer stossenden Haftungslücke, da der Kartelldelinquent niemandem gegenüber haftbar ist: Gegen Schadenersatzforderungen von Unternehmen kann er sich meist mit dem Einwand verteidigen, diese hätten selber keinen Schaden im Rechtssinne erlitten, weil sie den aufgrund der unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung zu viel bezahlten Preis auf die nachgelagerte Marktstufe (zuletzt die Konsumentinnen und Konsumenten) überwälzen konnten (passing on defence). Die Ansprüche der aufgrund dieser Schadensabwälzung letztlich geschädigten Konsumentinnen und Konsumenten scheitern sodann an der genannten fehlenden gesetzlichen Aktivlegitimation. Durch die Ausdehnung der Aktivlegitimation auf alle, die durch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung in ihren wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt werden, soll nun auch finanziell geschädigten Konsumentinnen und Konsumenten wie allen anderen Endkunden ein Klagerecht zugestanden werden, womit die erwähnte Haftungslücke beseitigt wird. Konsumentenorganisationen können nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen dann klagen, wenn sie sich die Forderungen von den Konsumentinnen und Konsumenten abtreten lassen.

Da neu nicht mehr an eine Wettbewerbsbehinderung angeknüpft wird, bedingt dies eine Änderung der Marginalie von Artikel 12 E-KG sowie der Formulierung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a E-KG und eine Streichung des nunmehr überflüssigen Absatz 2.

In Anlehnung an Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c UWG39 und an Artikel 28a Absatz 1 Ziffer 3 ZGB40 und in Anknüpfung an das KG von 1985 wird sodann in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b E-KG ein Anspruch auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung aufgenommen.

Demgegenüber ist der bisherige Absatz 3 ersatzlos zu streichen. Diese Bestimmung, die noch aus dem KG von 1985 stammt, ist aus heutiger Sicht insoweit geradezu systemwidrig, als sie eine zivilrechtliche Haftung für eine kartell(verwaltungs)rechtlich zulässige Verhaltensweise begründet.

Art. 12a

Verjährung

Unterlassungs-, Beseitigungs- und Feststellungsansprüche gemäss Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b E-KG verjähren nicht. Neu beginnt die Verjährung von Forderungen aus unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung gemäss Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben c und d E-KG nicht und steht still, falls sie begonnen hat, während einer Untersuchung durch die Wettbewerbsbehörde (wobei es sich nach Massgabe des Luftverkehrsabkommens auch um die Europäische Kommission handeln kann), das heisst im Zeitraum zwischen der Eröffnung der Untersuchung und dem rechtskräftigen Entscheid. Gemäss Artikel 134 Absatz 2 Obligationenrecht 39 40

SR 241 SR 210

3948

(OR)41 nimmt die Verjährung anschliessend ihren Anfang oder ihren Fortgang.

Damit soll das Problem der nach überwiegender Auffassung anwendbaren, nach geltendem Recht einjährigen relativen Verjährungsfrist nach Artikel 60 OR entschärft werden, welche die Opfer eines Kartellverstosses zu frühzeitiger Klageerhebung mit allenfalls beeinträchtigten Erfolgsaussichten zwingt. Die neu geschaffene Möglichkeit, erst einmal das kartellbehördliche Verfahren abwarten zu können, bewahrt einerseits die in einem Kartellverwaltungsverfahren involvierten Unternehmen vor überstürzten Zivilklagen, erleichtert andererseits den Geschädigten im Einzelfall die Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Forderungen und stärkt damit das Kartellzivilrecht insgesamt. Die in Ausarbeitung begriffene Botschaft zur Revision des Verjährungsrechts wird die vorliegende Bestimmung aufgreifen. Im Hinblick auf eine Vereinheitlichung und Harmonisierung des gesamten Verjährungsrechts wird zu berücksichtigen und zu prüfen sein, ob auf diese spezialgesetzliche Regelung im KG verzichtet werden kann.

Art. 13

Durchsetzung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs

Im Vergleich zur geltenden Fassung von Buchstabe a, wonach das Gericht die Ungültigkeit der Verträge «anordnet», wird durch die Neuformulierung keine materielle Rechtsänderung herbeigeführt. Der Gesetzestext wird einzig der herrschenden Lehrmeinung angepasst, wonach Vertragsbestimmungen, die das KG verletzen, von Anfang an nichtig sind, dem Urteil des Gerichts somit keine Gestaltungswirkung zukommt. Die sprachlichen Änderungen in Buchstabe b ergeben sich aufgrund der neuen Ausgestaltung der Klagelegitimation in Artikel 12 E-KG.

2.1.5

Verwaltungsrechtliches Verfahren (4. Kapitel)

2.1.5.1

Wettbewerbsbehörde und Wettbewerbsgericht (1. Abschnitt)

Art. 24a

Untersuchungs- und Entscheidbehörden

Mit Absatz 1 schafft der Bund zur Erfüllung der Zwecke des KG eine Wettbewerbsbehörde, die Hüterin des Wettbewerbs. Konkret übernimmt sie die Funktionen des heutigen Sekretariates der WEKO, gleichzeitig aber auch Aufgaben, die heute der WEKO zufallen und nicht neu dem Wettbewerbsgericht übertragen werden. Zu denken ist vor allem an die Beurteilung von meldepflichtigen Unternehmenszusammenschlüssen. Neben der Untersuchungs- und fallweisen Entscheidfunktion nimmt die Wettbewerbsbehörde auch eine Beratungsfunktion wahr, d. h. ausgehend vom Zweckartikel des Gesetzes berät sie Amtsstellen und Unternehmen bei Fragen zum KG. Damit können Amtsstellen und Unternehmen wichtige Informationen über die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von allfälligen Wettbewerbsbeschränkungen vermittelt werden. Die Wettbewerbsbehörde soll allerdings nicht nur auf Anfrage hin tätig werden, sondern auch selber aktiv werden und gegebenenfalls Bereiche mit Wettbewerbsproblemen aufgreifen. Diese Kompetenz (sog. Advocacy-Rolle) ergibt sich vor allem aus Artikel 46, der die Wettbewerbsbehörde ermächtigt, im Interesse des Wettbewerbs Empfehlungen gegenüber Behörden abzugeben und sich in Ver41

SR 220

3949

nehmlassungen zu äussern. Auch mit dieser Funktion geht die Aufgabe der Wettbewerbsbehörde über die einer reinen Untersuchungsbehörde hinaus und begründet die Wahl der Form der Anstalt. Mit der Form der Anstalt im Einklang steht schliesslich das Beibehalten der Möglichkeit, neben Verordnungen auch Bekanntmachungen zwecks Konkretisierung der vorgesehenen Anwendung des Kartellgesetzes zu erlassen.

Die Hauptaufgabe der Wettbewerbsbehörde wird in der Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen bestehen, die alsdann vom Wettbewerbsgericht entschieden werden. Die Wettbewerbsbehörde kann diese Verfahren ­ auch im Bereich der verfahrensleitenden Verfügungen ­ selbstständig durchführen. Bei der Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen liegt die Entscheidkompetenz bei der Wettbewerbsbehörde selber. Diese Kompetenzzuweisung ergibt sich aufgrund der besonderen Dringlichkeit von solchen Entscheiden für die an einem meldepflichtigen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen.

In Absatz 2 ist festgehalten, dass die Wettbewerbsbehörde bei der Rechtsentwicklung des Kartellgesetzes und der damit verbundenen Erlasse sowie bei der Evaluation des Kartellgesetzes ihr Wissen einfliessen lässt und mitwirkt.

Gemäss Absatz 3 wirkt das Bundesverwaltungsgericht als Wettbewerbsgericht des Bundes. Während die vorliegende Botschaft mit der Bezeichnung «Wettbewerbsgericht» diejenige Organisationseinheit des Bundesverwaltungsgerichts meint, welche mit den kartellrechtlichen Fällen betraut ist, wird im Gesetz einheitlich die Bezeichnung «Bundesverwaltungsgericht» verwendet. Das Wettbewerbsgericht entscheidet erstinstanzlich über die in Artikel 36a Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG)42 aufgeführten Fälle (nicht aber über zivilrechtliche Klagen). Zudem ist es Beschwerdeinstanz in Bezug auf Verfügungen der Wettbewerbsbehörde, vor allem in Bezug auf Verfügungen im Zusammenhang mit Zusammenschlusskontrollen, aber auch in Bezug auf verfahrensleitende Verfügungen.

2.1.5.2 Art. 27

Wettbewerbsbeschränkungen (2. Abschnitt) Untersuchung

Sachüberschrift: Die Sachüberschrift des Artikels wird übereinstimmend mit dessen Inhalt (und in Analogie zu Art. 26) angepasst.

Absatz 1: Für die Eröffnung einer Untersuchung ist künftig die Wettbewerbsbehörde zuständig. Sie bedarf hierzu insbesondere nicht der Zustimmung einer übergeordneten Stelle. Wie bisher soll das EVD die Eröffnung einer Untersuchung verlangen können. Die Wettbewerbsbehörde ist aber auch diesfalls in der Führung der Untersuchung und in ihren Ergebnissen vollkommen frei. Probleme betreffend Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde sollten aus dieser Bestimmung ­ jedenfalls bei zurückhaltender Nutzung der Möglichkeit durch das EVD ­ folglich keine entstehen.

Dem Wettbewerbsgericht steht das Recht, eine Untersuchungseröffnung zu verlangen, jedoch nicht zu, da die untersuchende Wettbewerbsbehörde vom urteilenden Gericht unabhängig sein muss. Einmal eröffnete Untersuchungen hingegen kann einzig das Wettbewerbsgericht schliessen.

42

SR 173.32

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Absatz 2 hält fest, dass einzig die Wettbewerbsbehörde (früher das Sekretariat der WEKO) Untersuchungen durchführt und die diesbezüglichen Prioritäten setzt und zwar, dies wird damit impliziert, selbstständig und unabhängig.

Art. 29

Einvernehmliche Regelung

Wie bisher mit dem Sekretariat der WEKO können die Unternehmen künftig mit der neuen Wettbewerbsbehörde eine einvernehmliche Regelung vereinbaren, in welcher sie sich über die Art und Weise der Beseitigung einer Wettbewerbsbeschränkung einigen. Im Falle einer einvernehmlichen Regelung kann die Wettbewerbsbehörde aus Gründen der Verfahrensökonomie von zusätzlichen Untersuchungsmassnahmen absehen, was die Partei- und Verfahrenskosten tiefer hält. Die Sanktionierbarkeit des in der Vergangenheit praktizierten unzulässigen Verhaltens entfällt mit einer solchen Vereinbarung indes nicht, und auch Vereinbarungen über die Sanktion werden weiterhin nicht möglich sein, da der Sanktionsentscheid dem Wettbewerbsgericht obliegt. Hingegen kann die Wettbewerbsbehörde den Parteien mitteilen, welche Sanktion sie beim Wettbewerbsgericht beantragen wird.

Die zwischen der Wettbewerbsbehörde und den Parteien vereinbarte einvernehmliche Regelung ist gemäss Absatz 2 dem Wettbewerbsgericht zur Genehmigung zu unterbreiten. Dieses kann die Regelung genehmigen oder ablehnen, jedoch nicht einseitig abändern. Bei Ablehnung der einvernehmlichen Regelung beziehungsweise bei Überschreiten des den Unternehmen von der Wettbewerbsbehörde in Aussicht gestellten Sanktionsrahmens obliegt es dem Wettbewerbsgericht, selber einen Entscheid über die zu treffenden Massnahmen und Sanktionen zu fällen.

Art. 30

Antrag und Entscheid

Absatz 1: Anders als heute wird konsequent zwischen dem Untersuchungs- und dem Entscheidstadium unterschieden: Die Wettbewerbsbehörde nimmt untersuchende und antragstellende Funktion wahr (worunter auch verfahrensleitende bzw. Zwischenverfügungen fallen können); das Wettbewerbsgericht trifft die Entscheide, allenfalls mit Sanktionen. Diese klare Trennung wird nur ausnahmsweise durchbrochen, namentlich wenn dies hinsichtlich des Vertrauensschutzes der Parteien unvermeidlich ist (beispielsweise bei einer Mitteilung betreffend Sanktionserlass an einen Selbstanzeiger [derzeit Art. 11 KG i. V. m. Art. 9 Abs. 3 SVKG]).

Absatz 2: Mit Eingang des Antrags der Wettbewerbsbehörde wird das Verfahren beim Wettbewerbsgericht rechtshängig. Der Antrag der Wettbewerbsbehörde hat im neuen Recht eine andere Funktion als der Antrag des Sekretariats der WEKO im bisherigen Recht: Bislang wurde der Antrag an die Unternehmen gesandt. Er eröffnete ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu, bevor sich die WEKO überhaupt mit dem Fall beschäftigte. Der Antrag glich damit einem Verfügungsentwurf, zu welchem sich die Unternehmen äussern konnten. Künftig bringt der Antrag das Verfahren beim Wettbewerbsgericht in Gang und begründet die dortige Rechtshängigkeit. Er wird deshalb auch an das Wettbewerbsgericht zu richten sein, welches über das weitere Vorgehen, insbesondere die Zustellung an die Betroffenen zur Stellungnahme, zu befinden haben wird. Der Antrag dient künftig nicht mehr der Gewährung des rechtlichen Gehörs der Unternehmen; vielmehr wird seine Funktion eher mit derjenigen einer Anklage oder einer Klageschrift vergleichbar sein. Die Aufzählung der im Antrag zu bezeichnenden Punkte ist selbsterklärend und zeigt, dass der Antrag gemäss neuem Recht inhaltlich und umfangmässig in etwa dem 3951

bisherigen Antrag entspricht (Abs. 2 Bst. a­g). Einhergehend mit der gewandelten Funktion des Antrags im neuen Recht wird die im bisherigen Absatz 2 vorgesehene Regelung nicht ins neue Recht überführt. Zur Anwendung kommen weiterhin die allgemeinen Vorschriften zum rechtlichen Gehör der Parteien (Art. 29 ff. VwVG).

Absatz 3: Eine Einsitznahme des Preisüberwachers in der Geschäftsleitung der Wettbewerbsbehörde sowie im Wettbewerbsgericht (wie bis anhin bei der WEKO) ist aufgrund der ungenügenden Unabhängigkeit der Preisüberwachung vom EVD ausgeschlossen. Die Zusammenarbeit zwischen der Wettbewerbsbehörde und der Preisüberwachung ist trotzdem weiterhin gewährleistet (Art. 5 Abs. 2, 3 und 4 PüG).

Neu muss die Wettbewerbsbehörde ­ in Analogie zu Artikel 5 Absatz 4 PüG ­ den Preisüberwacher in Verfahren betreffend Preismissbrauch und gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Preisunterbietung vor ihrem Antrag an das Wettbewerbsgericht konsultieren. Die Nichtüberführung der bisher in Absatz 3 enthaltenen Regelung ins neue Recht bewirkt keine materielle Änderung. Denn die Möglichkeit eines Widerrufs oder einer Änderung eines Entscheids aufgrund der wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse besteht ohnehin bereits aufgrund der zur Anwendung gelangenden, allgemeingültigen verwaltungsrechtlichen Grundsätze im Umgang mit Dauerverfügungen oder -entscheiden.

Absatz 4: Das Wettbewerbsgericht ist nicht an den Antrag der Wettbewerbsbehörde gebunden. Es kann insbesondere auf andere Massnahmen und tiefere ebenso wie höhere Verwaltungssanktionen als von der Wettbewerbsbehörde beantragt erkennen.

Entsprechend seiner Funktion als erste Instanz mit umfassender Kognition stellt es den Sachverhalt von Amtes wegen fest und kann ohne Weiteres selber Beweise abnehmen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 39 Abs. 1 E-KG). Die eigentliche Untersuchungsfunktion hat aber die entsprechend ausgestattete Wettbewerbsbehörde inne.

Übersteigen die aus Sicht des Wettbewerbsgerichts in einem Verfahren zusätzlich erforderlichen Untersuchungsmassnahmen seine Möglichkeiten, kann es den Antrag an die Wettbewerbsbehörde zurückweisen. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn das Wettbewerbsgericht umfangreiche Marktabklärungen, etwa durch Befragung einer Vielzahl von Marktteilnehmern, für notwendig erachtet. Trotz
(momentaner) Beendigung der Rechtshängigkeit beim Wettbewerbsgericht handelt es sich bei der Rückweisung nicht um einen instanzabschliessenden Endentscheid. Denn das Verfahren wird in jedem Fall, also unabhängig davon, worauf der neuerliche Antrag der Wettbewerbsbehörde lautet, wieder von derselben ­ und zwar ersten ­ Instanz, dem Wettbewerbsgericht, zu beurteilen sein. Die Anfechtbarkeit der Rückweisung richtet sich daher nach Artikel 93 Bundesgerichtsgesetz (BGG)43. In der Regel dürften die Voraussetzungen dafür jedoch nicht erfüllt sein.

Absatz 5: Stellt die Wettbewerbsbehörde selber Antrag auf Einstellung einer Untersuchung, so ist es aus prozessökonomischen Gründen und analog zur Regelung bezüglich Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren (Art. 23 Abs. 1 Bst. a VGG) sachgerecht, den Entscheid darüber in die einzelrichterliche Zuständigkeit zu geben.

43

SR 173.110

3952

2.1.5.3 Art. 32

Unternehmenszusammenschlüsse (3. Abschnitt) Einleitung des Prüfungsverfahrens

Die unterschiedlichen Verfahrensregeln der Schweiz und der EU stellen bei transnationalen Unternehmenszusammenschlüssen sowohl die Unternehmen als auch die Wettbewerbsbehörden vor Abstimmungsprobleme, die administrative Kosten verursachen. Zum einen sind die Fristen der EU länger, zum anderen besteht in der EU die Möglichkeit, die Fristen zu verlängern (z. B. bei Prüfung von Auflagen und Bedingungen oder auf Antrag der Unternehmen). Die Unternehmen wollen es in der Regel vermeiden, dass die schweizerische Wettbewerbsbehörde vor der EU entscheidet. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird an der Hauptfrist festgehalten, aber die Möglichkeit geschaffen, die Fristenunterschiede zwischen der Schweiz und der EU durch Fristverlängerungen abzumildern. Damit die Wettbewerbsbehörde nicht von sich aus die Frist verlängern kann, bildet die Zustimmung der meldenden Unternehmen eine Voraussetzung zur Fristerstreckung. Die vom Gesetz geforderten «wichtigen» Gründe für die Fristerstreckung (insb. Prüfung von Bedingungen und Auflagen, Abstimmung auf EU-Zusammenschlussverfahren) sind im Nachgang zu dieser Revision in der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU)44 festzuhalten.

Die maximale Dauer der Fristerstreckung berechnet sich wie folgt: Die Frist für die vorläufige Prüfung beträgt in der EU 25 Arbeitstage, was in der Regel fünf Wochen oder 35 Tagen entspricht (d. h. zwischen 4­7 Tagen bzw. bis zu einer Woche länger als in der Schweiz). Die Frist kann in der EU sodann um 10 Arbeitstage verlängert werden, was rund zwei Wochen oder 14 Tagen entspricht. Folglich soll die Fristerstreckungsmöglichkeit in der Schweiz maximal drei Wochen oder 21 Tage betragen.

Art. 33

Prüfungsverfahren

Absatz 2: Der Zusatz «auf Antrag der beteiligten Unternehmen» stellt in Analogie zum geltenden Artikel 32 Absatz 2 KG sicher, dass der Anstoss für einen vorzeitigen Vollzug (vor dem Entscheid der Wettbewerbsbehörde) von Seiten der Unternehmen zu kommen hat. Dies entspricht auch der heutigen Praxis. Die übrigen Anpassungen sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen.

Absatz 4: Für die vertiefte Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen wird analog zu Artikel 32 und aus den gleichen Gründen die Möglichkeit zur Fristerstreckung vorgesehen. Die maximale Dauer der Fristerstreckung berechnet sich wie folgt: Die Frist in der EU beträgt für die vertiefte Prüfung 90 Arbeitstage, was in der Regel 18 Wochen oder 126 Tagen entspricht (zwischen 3­6 Tagen länger als in der Schweiz). Die Frist kann in der EU um 35 Arbeitstage verlängert werden, was in der Regel sieben Wochen oder 49 Tagen entspricht. Ferner sind die Feiertage der EU, während welcher dort die ordentliche Frist aussetzt, ansatzweise zu kompensieren.

Folglich soll die Fristerstreckungsmöglichkeit in der Schweiz maximal etwas mehr als acht Wochen oder zwei Monate betragen.

44

SR 251.4

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Absatz 5: Zusammenschlussvorhaben stehen unter hohem Zeitdruck. Im Wettbewerb stehende Unternehmen müssen deshalb auf klare und rasche Entscheide zählen können. Aus diesem Grunde ist die Prüfung von Zusammenschlüssen durch die Wettbewerbsbehörde an Fristen geknüpft. Sind die Unternehmen mit einem Entscheid der Wettbewerbsbehörde nicht einverstanden (im Falle einer Untersagung oder einer Zulassung unter Auflagen und Bedingungen), so sind sie auf eine rasche gerichtliche Überprüfung angewiesen. Droht ein langes Beschwerdeverfahren, sehen die Unternehmen unter Umständen von einem Rechtsmittel ab. Darum wird für die Beurteilung einer Beschwerde durch das Wettbewerbsgericht neu eine dreimonatige Frist eingeführt, die ab Eingang der Beschwerde zu laufen beginnt. Aus Artikel 34 E-KG folgt e contrario, dass es sich hierbei um eine Ordnungsfrist handelt (und nicht um eine Verwirkungsfrist wie für die Wettbewerbsbehörde), und zwar im Sinne eines Appells an die Beschwerdeinstanz, rasch zu entscheiden.

Art. 34

Rechtsfolgen

Aufgrund der beschriebenen neuen Möglichkeiten zur Fristerstreckung (Art. 32 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 4 E-KG) werden die Verweise in Artikel 34 E-KG ergänzt.

2.1.5.4 Art. 39

Verfahren und Rechtsschutz (4. Abschnitt) Grundsatz

Absatz 1 regelt das anwendbare Verfahrensrecht. Für die Wettbewerbsbehörde gilt dasselbe wie bislang für das Sekretariat der WEKO und die WEKO (was ein Heranziehen der bisherigen Rechtsprechung und Literatur erlaubt): Vorbehältlich abweichender Regelungen im KG (z. B. Art. 42 und 57 KG) richtet sich das Verfahren nach den Bestimmungen des VwVG. Für das Wettbewerbsgericht gilt Entsprechendes: Vorbehältlich besonderer Bestimmungen im KG richtet sich das Verfahren nach dem VGG sowie dem VwVG. Je nachdem, ob das Wettbewerbsgericht als Beschwerde- oder als Erstinstanz tätig ist (siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 24a E-KG), finden nun allerdings unterschiedliche Bestimmungen des VwVG Anwendung. Die Funktion als Beschwerdeinstanz übte das Bundesverwaltungsgericht bereits bisher aus, insofern erübrigen sich Ergänzungen. In bestimmten kartellrechtlichen Verfahren wird das Wettbewerbsgericht neu jedoch als erste Instanz tätig sein. Dabei belassen die anwendbaren Verfahrensnormen dem Wettbewerbsgericht bei der Ausgestaltung des konkreten Verfahrensablaufs im Einzelfall einen erheblichen Spielraum. Das ermöglicht ein jeweils auf den konkreten Fall zugeschnittenes Vorgehen und die allmähliche Herausbildung einer fallgruppenbezogenen Praxis.

Nachfolgend wird ein möglicher Verfahrensablauf für einen Fall, in welchem die Wettbewerbsbehörde Massnahmen und Verwaltungssanktionen beantragt, skizziert: Allen Verfahren, in welchen das Wettbewerbsgericht als Erstinstanz tätig ist, ist gemein, dass sie durch einen (rechtshängigkeitsbegründenden) Antrag der Wettbewerbsbehörde ausgelöst werden. Die Wettbewerbsbehörde hat zusammen mit diesem auch die Akten an das Wettbewerbsgericht zu übergeben. Es folgt in der Regel ein Schriftenwechsel, namentlich ist den betroffenen Unternehmen der Antrag zuzustellen und ihnen Frist zur Stellungnahme anzusetzen. Oftmals dürfte auch die Einforderung einer Replik sowie einer Duplik notwendig sein. Abstützen lässt sich dieser Schriftenwechsel auf eine sinngemässe Anwendung von Artikel 31 VwVG, 3954

wobei auch Artikel 30 VwVG als Grundlage dienen könnte. Anschliessend wird in der Regel der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin, der oder die mit der Verfahrensleitung betraut ist, darüber befinden, ob und gegebenenfalls welche Beweismittel im Rahmen der Instruktionsphase abzunehmen sind (vgl. Art. 39 VGG); denkbar ist aber auch, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit einer Rückweisung des Antrags an die Wettbewerbsbehörde zeigt (siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 30 E-KG). Ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Durchführung einer Instruktionsverhandlung (beispielsweise zur Klärung missverständlicher Punkte) angezeigt erscheint, hängt vom konkreten Fall ab, ist aber als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Abschliessend findet ­ vorbehältlich eines Verzichts seitens der Wettbewerbsbehörde und aller übrigen Parteien ­ eine öffentliche Parteiverhandlung statt (vgl. Art. 40 Abs. 1 Bst. c VGG). Die Beratung und Urteilsverkündung durch das Wettbewerbsgericht richten sich nach den Artikeln 41 und 42 VGG.

Absatz 2 verankert die bisherige Praxis, wonach vorsorgliche Massnahmen auch in kartellverwaltungsrechtlichen Verfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen möglich sind, ausdrücklich im Gesetz. Im Übrigen wird Artikel 56 VwVG als sinngemäss anwendbar bezeichnet. Eine materielle Änderung ist mit Absatz 2 nicht verbunden. Klargestellt wird damit aber, dass die Wettbewerbsbehörde selbst nicht vorsorgliche Massnahmen anordnen kann. Das steht im Einklang mit dem geltenden Recht, nach dem die WEKO und nicht deren Sekretariat für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zuständig ist. Bei der Zusammenschlusskontrolle gilt aufgrund der Spezialbestimmungen etwas anderes (Art. 32 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2 KG). Hier entscheidet die ­ bei der Zusammenschlusskontrolle auch in der Sache selbst verfügende ­ Wettbewerbsbehörde darüber, ob ein vorläufiger Vollzug des Zusammenschlusses zugelassen wird oder nicht.

In der Praxis kommt der Anstoss zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen häufig von Unternehmen. Je nach Stand des Verfahrens haben sie dabei anders vorzugehen: Ist das Verfahren im Zeitpunkt, in welchem ein Unternehmen die Anordnung vorsorglicher Massnahmen (resp. die Abänderung oder Aufhebung angeordneter vorsorglicher Massnahmen) verlangt, bereits beim Wettbewerbsgericht
rechtshängig, so hat es sein Begehren direkt an das Gericht zu richten. Unternehmen können aber nicht selber ein Verfahren vor dem Wettbewerbsgericht in Gang bringen (siehe Art. 30 Abs. 1 E-KG sowie Art. 36a VGG). Solange kein Verfahren beim Wettbewerbsgericht rechtshängig ist, müssen sie sich daher mit einem Ersuchen um Anordnung vorsorglicher Massnahmen an die Wettbewerbsbehörde wenden. Die Wettbewerbsbehörde prüft dann, ob sie die Anordnung vorsorglicher Massnahmen als aus «dem öffentlichen Interesse am Schutz des wirksamen Wettbewerbs» (so BGE 130 II 149 E. 2.4) angebracht erachtet oder nicht. Im ersten Fall wird sie einen entsprechenden eigenen Antrag beim Wettbewerbsgericht stellen und ihm die Eingabe des Unternehmens zukommen lassen. Im zweiten Fall gilt es zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Untersuchung gemäss Artikel 27 KG eröffnet, teilt die Wettbewerbsbehörde dem Unternehmen die Ablehnung vorsorglicher Massnahmen in einem formlosen Schreiben mit (BGE 130 II 521 E. 2.7.4). Die Beschreitung des (diesfalls gebotenen) zivilrechtlichen Weges bleibt dem Unternehmen in jedem Fall unbenommen. Ist hingegen bereits eine Untersuchung eröffnet worden, kann die Wettbewerbsbehörde zunächst dem Unternehmen mitteilen, dass sie die Anordnung vorsorglicher Massnahmen als nicht aufgrund öffentlicher Interessen geboten erachtet. Sofern das Unternehmen sein Begehren 3955

nicht zurückzieht, reicht es die Wettbewerbsbehörde zusammen mit ihrem eigenen, ablehnenden Antrag an das Wettbewerbsgericht weiter, wobei sie der zeitlichen Dringlichkeit der nachgesuchten Massnahmen Rechnung zu tragen hat. Das Wettbewerbsgericht hat alsdann darüber zu befinden.

Absatz 3 legitimiert die Wettbewerbsbehörde zur Beschwerde gegen Entscheide des Wettbewerbsgerichts ­ und zwar unabhängig davon, ob das Wettbewerbsgericht als Erst- oder als Beschwerdeinstanz tätig wurde ­ ans Bundesgericht (vgl. auch Art. 42 Abs. 3). Die vorliegende Regelung trägt sowohl den Anforderungen des Bundesgerichts nach einer Rechtsgrundlage dieser Beschwerdelegitimation auf formellgesetzlicher Stufe als auch dem Willen des Bundesrats auf Wahrung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde in bundesgerichtlichen Rechtsmittelverfahren Rechnung.

Art. 39a (neu)

Verfahrenskosten und Parteientschädigungen

Artikel 39a regelt die Kosten- und Entschädigungsfolgen in Verfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen, soweit das Wettbewerbsgericht entscheidet. Für bei der Wettbewerbsbehörde endende Verfahren gilt diese Bestimmung demnach nicht.

Gemäss Absatz 1 finden die Artikel 63­65 VwVG sinngemäss Anwendung, falls nicht das KG abweichende Vorschriften enthält. Solche Abweichungen sind in den Absätzen 2 und 3 vorgesehen.

Da es sich bei diesen Verfahren des Wettbewerbsgerichts um erstinstanzliche Verfahren handelt, welche entsprechend aufwendig sind, rechtfertigt sich die in Absatz 2 vorgesehene Verdoppelung der in Artikel 63 Absatz 4bis VwVG für Beschwerdeverfahren vorgesehenen maximalen Spruchgebühr des Gerichts auf 100 000 Franken. Zu erwähnen ist dabei, dass die Gebühren für die Kosten der Wettbewerbsbehörde, die ebenfalls vom Wettbewerbsgericht verlegt werden, nicht Teil dieser Spruchgebühr sind, sondern zu dieser hinzukommen.

Absatz 3 sieht vor, dass beteiligte Dritte (wie bereits bisher vor der WEKO) weder eine Parteientschädigung erhalten noch eine solche ­ vorbehältlich mutwilliger oder grobfahrlässiger Verfahrenserschwerung ­ an andere Beteiligte zu leisten haben. Sie können aber an den Verfahrenskosten beteiligt werden, wenn sie im Verfahren über Parteistellung verfügen.

Im Einzelnen bedeutet die in Artikel 39a vorgesehene Regelung bezüglich Verfahrenskosten Folgendes: Die Verfahrenskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Zu den Verfahrenskosten gehört namentlich auch die vom Wettbewerbsgericht zu verlegende Gebühr für die Kosten, die der Wettbewerbsbehörde durch das Verfahren nach den Artikeln 26­30 E-KG entstanden sind (Art. 53a Abs. 2 E-KG). Ordnet das Wettbewerbsgericht Massnahmen gegen ein Unternehmen an oder auferlegt es ihm Sanktionen, so hat dieses in der Regel die Verfahrenskosten zu tragen. Analoges gilt bei Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung durch das Wettbewerbsgericht. Entscheidet das Wettbewerbsgericht entgegen dem Antrag der Wettbewerbsbehörde, sind dieser trotz Unterliegens gemäss Artikel 63 Absatz 2 VwVG keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. Bei Dritten, die sich an der Untersuchung beteiligen, hängt die Pflicht, für die Verfahrenskosten aufzukommen, davon ab, ob sie Parteistellung im Sinne von Artikel 6 VwVG haben oder nicht. Dritten ohne Parteistellung können keine Verfahrenskosten 3956

auferlegt werden. Dritten mit Parteistellung sind demgegenüber in der Regel Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn sie mit ihren Anträgen nicht durchdringen. Bei der Bestimmung der Höhe der aufzuerlegenden Verfahrenskosten kommt dem Wettbewerbsgericht ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. Art. 63 Abs. 4bis VwVG), im Rahmen dessen es insbesondere auch berücksichtigen kann, inwiefern die Begehren Dritter mit Parteistellung mit den Anträgen der Wettbewerbsbehörde übereinstimmten oder darüber hinausgingen und entsprechend Mehraufwand verursachten.

Was die Parteientschädigung anbelangt, so nimmt Artikel 39a Bezug auf Artikel 64 Absatz 1 VwVG, wonach der obsiegenden Partei eine solche Entschädigung zuzusprechen ist. Erfasst sind damit alle Kosten, die ihr während des Untersuchungs- und Entscheidzeitraums entstanden sind. Allerdings sind einzig notwendige Kosten ersatzfähig, was insbesondere bei unnötig umfangreichen Stellungnahmen und Eingaben zu einer bloss teilweisen Berücksichtigung des erwachsenen Aufwands führen wird. Wird eine Untersuchung vom Wettbewerbsgericht eingestellt, so ist eine solche Parteientschädigung zu Gunsten des Unternehmens, gegen welches sich die Untersuchung richtete, von der Wettbewerbsbehörde zu tragen (Art. 64 Abs. 2 VwVG). Beteiligte Dritte (sei es mit oder ohne Parteistellung) haben gemäss Absatz 3 vorbehältlich mutwilliger Prozesserschwerung keine Parteientschädigungen zu leisten, und zwar auch nicht, wenn sie unterliegen. Damit wird verhindert, dass sich Dritte künftig aus Furcht vor einer drohenden Pflicht zur Leistung von Parteientschädigungen nicht mehr an Verfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen beteiligen, was unerwünscht wäre. Werden sie im Unterliegensfall nicht ersatzpflichtig, so muss im Falle ihres Obsiegens vice versa dasselbe gelten. Die Wettbewerbsbehörde erhält bei Obsiegen keine Parteientschädigung zugesprochen (aber die Kosten via das Gericht erstattet, vgl. Art. 53a Abs. 2 E-KG).

Art. 41

Amts- und Rechtshilfe

Die in Artikel 41 statuierte Mitwirkungspflicht von Amtsstellen gilt sowohl gegenüber der Wettbewerbsbehörde wie neu auch gegenüber dem Wettbewerbsgericht, was eine Anpassung der Sachüberschrift nach sich zieht.

Art. 42

Untersuchungsmassnahmen

Absatz 1 stellt klar, dass sowohl die Wettbewerbsbehörde als auch das Wettbewerbsgericht Zeugeneinvernahmen und Parteiverhöre vornehmen und Beweisaussagen zu Protokoll nehmen können.

Absatz 2: Als Folge der institutionellen Reorganisation wird in Absatz 2 die Kompetenz zur Anordnung von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Beweisgegenständen neu alleine der Untersuchungsbehörde, d. h. der Wettbewerbsbehörde, übertragen. Innerhalb der Wettbewerbsbehörde ist für solche Anordnungen die Direktorin oder der Direktor zuständig (Art. 42 Abs. 2 E-KG i. V. m. Art. 48 Abs. 3 Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht [VStrR]45). Diese Regelung ist vergleichbar mit der Kompetenzverteilung nach Artikel 198 Absatz. 1 Buchstabe a Strafprozessordnung (StPO)46.

45 46

SR 313.0 SR 312.0

3957

Die der Wettbewerbsbehörde gemäss Artikel 42 Absatz 2 E-KG zur Verfügung stehenden Zwangsmassnahmen entsprechen weitgehend der heutigen Situation. Die vorgesehene massvolle Erweiterung auf die Anordnung von Personendurchsuchungen ist notwendig, weil sich in der Praxis zeigte, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eines von einer Hausdurchsuchung betroffenen Unternehmens versucht sein können, mögliche Beweismittel an sich zu nehmen und auf der eigenen Person zu verstecken. Ohne Rechtsgrundlage für die Vornahme einer Personendurchsuchung, welche in aller Regel von Vertreterinnen oder Vertretern der Kantonspolizei vorgenommen werden, wären diese Gegenstände (und auch weitere mögliche Beweismittel, die die betreffenden Personen im Normalfall auf sich tragen, wie z. B. Mobiltelefone) für die Untersuchungsverantwortlichen nicht zu greifen. Damit wird auch explizit festgelegt, dass auch Gegenstände, die nicht klar den Räumlichkeiten zugeordnet werden können, wie z. B. Fahrzeuge, von der Wettbewerbsbehörde durchsucht werden können.

Absatz 3: Anders als nach dem Grundsatz in Artikel 39 sind Beschwerden gegen Verfügungen über Zwangsmassnahmen nach Artikel 42 Absatz 2 (Haus-, Sach- und Personendurchsuchungen sowie Beschlagnahmungen) an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu richten, welche auch in anderen Rechtsgebieten über solche Beschwerden zu befinden hat. Da das Wettbewerbsgericht nicht bereits im Untersuchungsstadium an der Überprüfung der Zulässigkeit bestimmter Zwangsmassnahmen (insb. betreffend die Prüfung der Voraussetzung des hinreichenden Tatverdachts) beteiligt ist, kann das Problem einer allenfalls rechtsstaatlich problematischen Vorbefassung vermieden werden. Auf das Verfahren der Beschwerde vor dem Bundesstrafgericht finden die Bestimmungen des VStrR Anwendung.

Die Beschwerdeentscheide des Bundesstrafgerichts können von der Wettbewerbsbehörde ebenso wie diejenigen des Wettbewerbsgerichts ans Bundesgericht weitergezogen werden. Die vorliegende Regelung schafft eine klare Rechtsgrundlage für diese Beschwerdelegitimation und wahrt dabei die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde in Rechtsmittelverfahren.

Art. 42a

Untersuchungen in Verfahren nach dem Luftverkehrsabkommen Schweiz-EU

Mit dem «Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft» wurde die Existenz der Europäischen Gemeinschaft (EG) beendet, ihre Rechtsnachfolgerin wurde die EU. Der Wortlaut von Artikel 42a ist dementsprechend anzupassen; die Bezeichnung der Behörde, die das Abkommen abgeschlossen hat, ist hingegen nicht zu ändern. Der Verweis in Absatz 2 auf den seit 1. Januar 2007 aufgehobenen Artikel 44 KG kann gestrichen werden. Materielle Änderungen sind mit diesen Anpassungen keine verbunden.

3958

2.1.5.5

Verwaltungssanktionen (6. Abschnitt)

Art. 49a

Sanktion bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen

Abs. 2: Sanktionsmilderung dank Compliance Der bisherige Absatz 1 wird in zwei Absätze aufgeteilt. Neu ist die Ergänzung am Ende von Absatz 2: Mit ihr wird ein Anliegen der Motion Schweiger ­ Sanktionsminderung dank sog. «Kartellrechts-Compliance» ­ umgesetzt. ComplianceAnstrengungen von Unternehmen sollen einen wirksamen Beitrag zur Durchsetzung des Kartellrechts leisten. Um den hohen Anforderungen zu genügen, müssen die Compliance-Massnahmen Ausdruck nachhaltiger Bemühungen eines Unternehmens sein, Kartellrechtsverstösse generell und insbesondere auch der begangenen Art zu verhindern. Compliance ist als wichtiger Teil der Unternehmenskultur zu betrachten und durch einen angemessenen Aufbau in personeller, finanzieller und organisatorischer Hinsicht zu sichern. Compliance-Anstrengungen müssen der jeweiligen Grösse des Unternehmens, der Geschäftstätigkeit und der Branche angemessen sein und innerbetrieblich wirksam umgesetzt werden. Es genügt nicht, blosse Verhaltensrichtlinien aufzustellen und auf deren Einhaltung zu vertrauen. Vielmehr gilt es, die rechtlichen Risiken regelmässig zu analysieren, interne Weisungen durchzusetzen und das Management und die Mitarbeitenden für die Anforderungen des Kartellrechts zu sensibilisieren, periodisch branchen-, funktions- sowie stufengerecht auszubilden und das Wissen sowie die praktische Umsetzung regelmässig zu kontrollieren. Zu den verschiedenen organisatorischen Massnahmen gehört für Unternehmen z. B., dass nur Zielvorgaben gesetzt werden, die ohne Kartellrechtsverstösse erreichbar sind. Überdies haben strenge und effektive firmeninterne Kontrollmechanismen zu gewährleisten, dass allfällige Kartellverstösse möglichst schnell aufgedeckt, beseitigt und intern geahndet werden (z. B. Strafanzeigen [vgl. Bericht Schweiger], Schadenersatzforderungen, Einzug gewährter Boni und Entlassung fehlbarer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).

Der Nachweis, genügende Compliance-Massnahmen umgesetzt und eingehalten zu haben, obliegt demjenigen Unternehmen, das eine Sanktionsreduktion erreichen möchte; blosse Behauptungen sind unzureichend. Einerseits gilt es aufzuzeigen, dass die Massnahmen grundsätzlich sachgerecht waren, und andererseits, dass sie aufgrund spezieller Umstände, welche nicht vom Unternehmen zu vertreten sind, im konkreten Einzelfall doch versagt haben. Trotz
Sanktionsreduktion sollte die im Einzelfall erzielte Kartellrente abgeschöpft werden, was bedeuten kann, dass das Unternehmen zwar den durch das Kartell unrechtmässig erzielten Gewinn abgeben muss, aber darüber hinaus keine zusätzliche finanzielle Belastung zu tragen hat.

Klar ist, dass es stets einer sorgfältigen Prüfung des Programms inklusive seiner konkreten Umsetzung im Einzelfall bedarf: In grossen Unternehmen mit komplizierter Hierarchie und starker Verästelung der Handlungs- und Entscheidkompetenzen sind beispielsweise umfassendere Compliance-Massnahmen angezeigt als in kleinen Unternehmen, in welchen die Geschäftsleitung in der Regel nur wenige Kompetenzen delegiert und deshalb meist selbst aktiv ist, wenn es zu wettbewerbsgefährdenden Handlungen kommt. Im Voraus ist es aufgrund der Vielfalt der jeweiligen konkreten Marktverhältnisse sowie des unternehmerischen Handelns kaum möglich, generell-abstrakt verbindliche und detaillierte Vorgaben zu machen, wie genügende Compliance ausgestaltet werden muss. Und überdies wäre solches auch nicht sinnvoll, da sich die Unternehmen sonst blind an diesen abstrakten Vorgaben orientieren 3959

würden, anstatt das aufgrund ihrer Kenntnis der konkreten Verhältnisse sachgerechteste Programm auszuarbeiten und umzusetzen. Der Wettbewerbsbehörde und den Gerichten wird bei der Beurteilung unzweifelhaft ein grosser Ermessensspielraum zukommen.

Abs. 5: Widerspruchsverfahren Mit der vorliegenden Revision wird an der 2003 vom Gesetzgeber verabschiedeten Grundkonzeption des Widerspruchsverfahrens ­ die Meldung geplanter Wettbewerbsbeschränkungen befreit von einem Sanktionsrisiko, sofern kein Verfahren eröffnet wird ­ festgehalten. Zwei Änderungen sollen in der Praxis indes zu einer erheblichen Verbesserung der Funktionsweise des Widerspruchsverfahrens für die Unternehmen wie für die Wettbewerbsbehörde führen: Erstens wird der von Unternehmensseite vielfach geäusserte Wunsch nach einer Fristverkürzung umgesetzt. Die Frist, innert welcher die Wettbewerbsbehörde tätig werden muss, wird von fünf auf neu zwei Monate herabgesetzt. Die Sanktionierbarkeit für das gemeldete Vorhaben entfällt somit definitiv, sofern die Wettbewerbsbehörde nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Meldung eine Vorabklärung oder eine Untersuchung eröffnet. Sollte sich das Verhalten im Nachhinein doch als kartellgesetzwidrig herausstellen, so könnte es einzig für die Zukunft untersagt werden, eine Sanktion wäre ausgeschlossen.

Zweitens führt neu erst die Eröffnung einer formellen Untersuchung nach Artikel 27 KG dazu, dass das Sanktionsrisiko besteht. Das Unternehmen hat somit die Möglichkeit, nach Eröffnung einer Vorabklärung (Art. 26 KG) sein Vorhaben «auf Zusehen hin» (d. h. bis zur allfälligen Eröffnung einer formellen Untersuchung) ohne das Risiko einer Sanktion umzusetzen. Zweck ist, dass bei gemeldeten heiklen Verhaltensweisen, welche im Voraus weder als klar erlaubt noch als klar verboten qualifiziert werden können, anhand der Beobachtung der effektiven Marktverhältnisse beurteilt werden kann, ob sie eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen oder nicht.

Kommt die Wettbewerbsbehörde am Ende einer Vorabklärung zum Schluss, dass bei der gemeldeten Verhaltensweise (allenfalls in angepasster Form) tatsächlich Anhaltspunkte für einen Verstoss gegen das KG bestehen, wird sie dem Unternehmen eine bevorstehende Untersuchungseröffnung vorab mitteilen, damit das Unternehmen noch reagieren kann: Das Unternehmen hat bis
zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, das wettbewerbsbeschränkende Verhalten aufzugeben oder (allenfalls in Absprache mit den Wettbewerbsbehörden) anzupassen. Nur wenn es auch nach der Eröffnung einer formellen Untersuchung unverändert an der Wettbewerbsbeschränkung festhält und sich diese in der Folge effektiv als schwerwiegende Verletzung des Kartellgesetzes (Art. 49a KG) erweist, läuft es Gefahr, sanktioniert zu werden.

Abs. 6: Berücksichtigung von Schadenersatzleistungen In Einzelfällen kann sich künftig vermehrt eine (auch schon nach heutigem Recht denkbare) allenfalls unbillige Doppelbelastung eines Unternehmens daraus ergeben, dass dieses zunächst zur Bezahlung einer Verwaltungssanktion und alsdann auch noch zur Bezahlung von zivilrechtlichem Schadenersatz verurteilt wird. Richtet ein im Verwaltungsverfahren mit einer Sanktion belastetes Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt gestützt auf einen rechtskräftigen Entscheid eines Zivilgerichts Schadenersatz- oder Genugtuungszahlungen aus oder muss es den Gewinn heraus3960

geben, so kann das Unternehmen mit einem Ersuchen an die Wettbewerbsbehörde gelangen. Diese stellt dem Wettbewerbsgericht gestützt darauf Antrag, die verwaltungsrechtliche Sanktion in angemessenem Umfang zu erlassen oder, falls das Unternehmen die Sanktion zwischenzeitlich bereits beglichen hat, einen angemessenen Teil davon zurückzuerstatten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im praktisch seltenen Fall, in welchem ein Unternehmen zunächst zur Bezahlung von zivilrechtlichem Schadenersatz verurteilt wird und erst dann zur Bezahlung einer Verwaltungssanktion, die geleistete Zahlung bereits gestützt auf Absatz 2 im Rahmen des mutmasslich erzielten Gewinns angemessen zu berücksichtigen ist.

Art. 50

Verstösse gegen Entscheide und einvernehmliche Regelungen

In der Sachüberschrift sowie in der Formulierung des Artikels wird ­ wie in Artikel 54 KG ­ dem Umstand Rechnung getragen, dass infolge der Institutionenreform nur noch Verstösse gegen einvernehmliche Regelungen sowie gegen Entscheide des Wettbewerbsgerichts und des Bundesgerichts mit Sanktionen bedroht sind (die bisherige Tatbestandsvariante «gegen [...] eine rechtskräftige Verfügung der Wettbewerbsbehörden» entfällt). Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird zudem der letzte Satz des Artikels unverändert in den neuen Absatz 2 verschoben.

2.1.5.6

Gebühren (7. Abschnitt)

Art. 53a Artikel 53a E-KG regelt die Gebühren der Wettbewerbsbehörde, das VGG diejenigen des Wettbewerbsgerichts, wobei diesbezüglich auch Artikel 39a E-KG zu beachten ist.

In Absatz 1 Buchstabe a wird der Satzteil «Verfügungen über die Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen» durch «Verfahren» ersetzt. Damit wird zum einen den institutionellen Neuerungen Rechnung getragen (über Untersuchungen entscheidet das Wettbewerbsgericht). Zum anderen wird damit klargestellt, dass Gebühren auch für Vorabklärungen nach Artikel 26 KG ­ solche Verfahren werden nicht mittels Verfügungen abgeschlossen ­ erhoben werden können (insb. bei Verfahrenseinstellung aufgrund von Verhaltensanpassungen der Unternehmen; e contrario Art. 53a Abs. 3 Bst. b E-KG). Eine materielle Änderung ist hiermit nicht verbunden.

Gleichzeitig wird mit der Ergänzung von Absatz 1 Buchstabe c die diesbezüglich unbestrittene Praxis der Wettbewerbsbehörden in einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage festgehalten.

Absatz 2 legt fest, dass in Fällen, in denen es zu einem Entscheid des Wettbewerbsgerichts nach Artikel 30 Absatz 1 E-KG kommt, die Gebühren der Wettbewerbsbehörde bezüglich der von ihr nach den Artikeln 26­30 KG geführten Verfahren vom Wettbewerbsgericht verlegt werden und nicht etwa von der Wettbewerbsbehörde selber. Dies dient der Berücksichtigung des Unterliegerprinzips, wie es in Absatz 3 Buchstabe c festgeschrieben ist. Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, weshalb in Absatz 2 auch auf Artikel 26 KG Bezug genommen wird: Damit wird klargestellt, dass Kosten, die für eine einer Untersuchung vorangehende Vorabklärung angefallen sind, gemeinsam mit den Kosten der Untersuchung durch das Gericht zu verlegen sind; eine Unterteilung hat insofern nicht zu erfolgen.

3961

Absatz 3: Hier wird die bisher durch die Artikel 2 und 3 Absatz 2 der Gebührenverordnung KG (GebV-KG)47 konkretisierte Rechtslage auf Gesetzesstufe verankert.

Im KG findet sich damit neu eine klare Regelung sowohl bezüglich der vom Verursacherprinzip geprägten Gebührenpflicht (Satz 1) als auch bezüglich derjenigen Fälle, in denen insbesondere ausgehend vom Unterliegerprinzip keine Gebühren erhoben werden (Satz 2).

Absatz 4 entspricht Absatz 2 des geltenden Rechts, während Absatz 5 eine an die institutionelle Neuordnung angepasste Überführung des geltenden Absatzes 3 ins neue Recht ist.

2.1.6 Art. 54

Strafsanktionen (5. Kapitel) Widerhandlungen gegen Entscheide und einvernehmliche Regelungen

In der Sachüberschrift sowie in der Formulierung des Artikels wird ­ wie in Artikel 50 ­ dem Umstand Rechnung getragen, dass infolge der Institutionenreform nur noch Widerhandlungen gegen einvernehmliche Regelungen sowie gegen Entscheide des Wettbewerbsgerichts und des Bundesgerichts mit Sanktionen bedroht sind (die bisherige Tatbestandsvariante «einer rechtskräftigen Verfügung der Wettbewerbsbehörden [...] zuwiderhandelt» entfällt).

Art. 56

Verjährung

Absatz 1 ist als Folge der geänderten Sachüberschrift von Artikel 54 redaktionell anzupassen.

2.1.7

Evaluation (6a. Kapitel)

Art. 59a Nach der Publikation des Berichts des Bundesrates zur Evaluation des KG und zum weiteren Vorgehen ist der heutige Evaluationsartikel erfüllt. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sich das bisherige Vorgehen bewährt hat, und schlägt vor, in periodischen Abständen eine Evaluation der Wirksamkeit und der Massnahmen des KG zuhanden des Parlaments vorzusehen. Durch die periodische Evaluation erhalten Bundesrat und Parlament eine wiederkehrende Gelegenheit, die Ausrichtung der Kartellgesetzgebung zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzulegen. Zur Durchführung der Evaluation wird der Bundesrat die Wettbewerbsbehörde und insbesondere ihren Wettbewerbsbehördenrat (WB-Rat) einbeziehen.

47

SR 251.2

3962

2.1.8 Art. 6

Änderungen im Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) Unvereinbarkeit

Die Absätze 1, 3 und 4 bleiben unverändert.

Absatz 2 erfährt eine Ergänzung: Eine Organ- oder Angestelltenstellung bei einem Berufs- oder Wirtschaftsverband oder einer Konsumentenschutzorganisation dürfte bereits aufgrund der Generalklausel häufig mit der Tätigkeit als Richter oder Richterin am Bundesverwaltungsgericht unvereinbar sein. Denn der Anschein, dass sich Organe oder Angestellte nicht unabhängig von «ihrer» Organisation als Richter oder Richterin betätigen können, besteht regelmässig. Der neu eingefügte zweite Satz hält nun ausdrücklich fest, dass für Richter und Richterinnen, die in kartellrechtlichen Verfahren tätig sind, eine solche Organ- oder Angestelltenstellung immer ausgeschlossen ist. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht einzelne Interessenverbände Einfluss auf das Bundesverwaltungsgericht erlangen und ­ wie bislang in der WEKO ­ mittels Vertretern in diesem Einsitz nehmen.

Art. 16

Gesamtgericht

Die Absätze 1 und 2 bleiben unverändert.

Absatz 3: Um den in Artikel 21 Absatz 3 VGG statuierten Zusammensetzungserfordernissen für den Spruchkörper des Gerichts nachkommen zu können, ist davon auszugehen, dass ­ anders als heute ­ auch Richter und Richterinnen mit tiefen Teilpensen ans Bundesverwaltungsgericht gewählt werden. Diesen im Gesamtgericht ein volles Stimmrecht zuzubilligen, wäre kaum sachgerecht. Es wird deshalb ­ aus Praktikabilitätsgründen ebenfalls in einem gewissen Sinne pauschalisierend ­ vorgesehen, dass diese Richter und Richterinnen aus ihrer Mitte pro ihrer drei einen Vertreter oder eine Vertreterin mit vollem Stimmrecht wählen, wobei sie ungeachtet ihrer Zahl mindestens einen Vertreter oder eine Vertreterin haben.

Art. 21

Besetzung

Absatz 2 zweiter Satz: Gewöhnlich bildet beim Bundesverwaltungsgericht eine Besetzung des Spruchkörpers mit drei Richtern oder Richterinnen die Regel, eine solche mit fünf die Ausnahme. Dieser Grundsatz gilt auch für kartellrechtliche Beschwerdeverfahren, was bedeutet, dass insbesondere im Falle einer Beschwerde gegen einen Zusammenschlussentscheid der Wettbewerbsbehörde das Gericht im Einzelfall entscheidet, ob es konkrete Gründe für eine Fünferbesetzung gibt. Für die erstinstanzliche Beurteilung kartellrechtlicher Verfahren nach Artikel 36a Buchstaben a­c VGG hingegen ist nun eine Umkehr dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses angezeigt. Für die im neuen Satz 2 in Artikel 21 Absatz 2 VGG vorgesehene Fünferbesetzung in diesen Kartellrechtsverfahren sprechen vorab das Gleichgewicht zwischen einer effizienten Rechtsprechung und einer breit abgestützten Entscheidfindung. Sodann entspricht ein Fünfergremium auch dem Interesse an der Rechtsfortbildung und der Einheit der Rechtsprechung. Das Bedürfnis hiernach ist im Kartellrecht in Anbetracht der geringen Anzahl Fälle pro Jahr und gleichzeitig von deren volkswirtschaftlicher Bedeutung, die sie aufgrund ihrer Präjudizwirkung haben, besonders gross. Im Übrigen vereinfacht es eine Fünferbesetzung, den in Absatz 3 vorgesehenen Zusammensetzungserfordernissen für den Spruchkörper (d. h. volkswirtschaftliche Kenntnisse und unternehmerische Erfahrung) nachzu3963

kommen. Es bleibt dem Wettbewerbsgericht sodann unbenommen, im Einzelfall soweit tunlich von dieser Regelbesetzung abzuweichen und ausnahmsweise eine Dreierbesetzung vorzusehen. Denkbar erscheint dies etwa, wenn es um die Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung geht. Vorbehalten bleibt im Übrigen die in Artikel 30 Absatz 5 E-KG vorgesehene Zuständigkeit des Einzelrichters oder der Einzelrichterin.

Absatz 3: Das Wettbewerbsgericht entscheidet komplexe Fälle an der Schnittstelle zwischen praktischer Ökonomie und Recht, deren kompetente Beurteilung ein dementsprechend grosses Fachwissen in diesen Bereichen erfordert. Die Bestellung eines Spruchkörpers, der professionelle Richter und Richterinnen mit juristischer Ausbildung mit Richtern und Richterinnen zusammenbringt, die volkswirtschaftlich ausgebildet sind oder unternehmerische Erfahrung mit sich bringen, ist deshalb eine notwendige Voraussetzung für eine sachgerechte Rechtsfindung. Dies gilt namentlich auch, weil das Bundesverwaltungsgericht im Kartellrecht (abgesehen von der Zusammenschlusskontrolle) nicht mehr als Beschwerdeinstanz tätig sein wird, sondern in erster Instanz, und seine Sachverhaltsfeststellungen bei einer Beschwerde ans Bundesgericht keiner freien Prüfung mehr unterliegen. Damit diesen Erfordernissen nachgekommen werden kann, wird die Wahl geeigneter Richterinnen und Richter, im Einzelnen solcher mit volkswirtschaftlichen Kenntnissen und unternehmerischer Erfahrung, ins Bundesverwaltungsgericht notwendig sein.

Um das notwendige Fachwissen in kartellrechtlichen Verfahren sicherzustellen, müssen im jeweiligen Spruchkörper des Wettbewerbsgerichts Richter und Richterinnen mit juristischen Kenntnissen wie auch solche mit wirtschaftlichen Kenntnissen ­ d. h. solche mit volkswirtschaftlichen Kenntnissen, insbesondere aus dem Bereich der Industrieökonomik, und solche mit unternehmerischer Erfahrung ­ angemessen vertreten sein. Entscheidet der Spruchkörper in Fünferbesetzung, müssen ihm mindestens zwei Richterinnen und Richter mit wirtschaftlichen Kenntnissen angehören, bei Dreierbesetzung mindestens eine Richterin oder ein Richter mit wirtschaftlichen Kenntnissen. Ausnahmen von einer Besetzung des jeweiligen Spruchkörpers auch mit Richterinnen und Richtern mit wirtschaftlichen Kenntnissen können aus sachlichen Gründen angezeigt sein,
so etwa bei Beschwerden gegen Zwischenverfügungen. Im Reglement des BVGer (Art. 24 VGG) wird die Gesetzesbestimmung konkretisiert werden.

Damit die Bundesversammlung überhaupt Personen mit den gewünschten Kenntnissen als Richter und Richterinnen an das Bundesverwaltungsgericht wählt, ist es sinnvoll, ergänzend zu Artikel 21 Absatz 3 VGG eine Regelung im Sinne einer Selbstbindung des Gesetzgebers ins Parlamentsgesetz aufzunehmen (Art. 40a Abs. 3bis ParlG): Denn nur mit der Zuwahl von Richtern und Richterinnen mit entsprechenden Kenntnissen wird eine gesetzeskonforme Besetzung des ordentlichen Spruchkörpers des Wettbewerbsgerichts künftig möglich sein.

Unter Berücksichtigung des erwarteten Arbeitsanfalls, sicherzustellender Stellvertretungen sowie zur Kompensation beim allfälligen Vorliegen von Ausstandsgründen ist davon auszugehen, dass die Wahl von ungefähr sechs solcher Richter und Richterinnen erforderlich sein wird, wobei die genaue Anzahl auch von den derzeit noch unbekannten Beschäftigungsgraden dieser einzelnen Richter und Richterinnen abhängt. Die formellen Anforderungen sollen nicht Gegenstand einer detaillierten Regelung sein; die Wahlbehörde soll bei der Wahl der geeigneten Gerichtsmitglieder den notwendigen Spielraum haben, und das Feld potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten soll nicht unnötig eingeschränkt werden. Erfahrungsgemäss könnte es 3964

allerdings schwierig werden, volkswirtschaftlich beziehungsweise unternehmerisch ausreichend gut qualifizierte und in die Wirtschaftspraxis integrierte Personen zu finden, die an einer vollzeitlichen oder auch nur überwiegenden Richter- oder Richterinnentätigkeit interessiert sind, weshalb auch tiefere Arbeitspensen in Frage kommen müssen. Die Pensen dieser rund sechs Richterinnen und Richter dürften sich zusammengenommen auf etwa 200 Stellenprozente belaufen.

Art. 23

Einzelrichter oder Einzelrichterin

Absatz 2 wird durch den Verweis auf die in Artikel 30 Absatz 5 E-KG vorgesehene Zuständigkeit des Einzelrichters oder der Einzelrichterin ergänzt.

Art. 33

Vorinstanzen

Artikel 33 wird ergänzt um die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die Abberufung eines Mitglieds des WB-Rats durch den Bundesrat, die in Artikel 4 Absatz 5 des Wettbewerbsbehördengesetzes (WBBG) vorgesehen ist. Eine entsprechende Ergänzung für die Direktorin oder den Direktor, die Auflösung von deren oder dessen Arbeitsverhältnis der Bundesrat gemäss Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f WBBG zu genehmigen hat, ist nicht nötig, da in diesem Fall die Beschwerde gegen Verfügungen des Bundesrates (hier den Genehmigungsentscheid) auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals nach Artikel 33 Buchstabe a möglich ist.

Art. 36a (neu) Artikel 36a steht im neu eingefügten 2a. Abschnitt «Anträge der Wettbewerbsbehörde». Er begründet die Zuständigkeit des Wettbewerbsgerichts zur erstinstanzlichen Beurteilung von Anträgen der Wettbewerbsbehörde. Das Instrument des Antrags wird in den Ausführungen zu Artikel 30 E-KG erläutert (vgl. oben). Hervorzuheben ist, dass der Antrag, der das erstinstanzliche Verfahren beim Wettbewerbsgericht einleitet, von der Wettbewerbsbehörde herrühren muss und nur diese eine Rechtshängigkeit des Verfahrens beim Gericht begründen kann (siehe Art. 30 E-KG). Unternehmen oder Dritte können also keinen solchen Antrag einreichen, womit deutlich wird, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in Zukunft nicht für kartellzivilrechtliche Verfahren zuständig sein wird. Die in den Buchstaben a­d aufgezählten Punkte stimmen mit der Aufzählung in Artikel 30 Absatz 1 E-KG überein (vgl. dort).

Ergänzend ist schliesslich darauf hinzuweisen, dass sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsmittelinstanz zur Beurteilung von Verfügungen der Wettbewerbsbehörde, etwa im Bereich der Zusammenschlusskontrolle oder bezüglich verfahrensleitender Verfügungen, aus Artikel 33 Buchstabe e VGG ergibt, handelt es sich doch bei der Wettbewerbsbehörde künftig um eine Anstalt im Sinne dieser Bestimmung. Eine Ausnahme von dieser Zuständigkeit sieht Artikel 42 Absatz 3 E-KG vor: Für die Beurteilung von Verfügungen der Wettbewerbsbehörde über Zwangsmassnahmen gemäss Artikel 42 Absatz 2 E-KG ist wie bis anhin die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zuständig, nicht das Wettbewerbsgericht.

3965

Art. 40

Parteiverhandlung

Artikel 40 regelt die Durchführung öffentlicher Parteiverhandlungen vor dem Wettbewerbsgericht. Solche stellen gemäss der heutigen Regelung die Ausnahme dar.

Bei Verfahren, die ­ wie es bei den vorliegend relevanten kartellrechtlichen Verfahren regelmässig der Fall ist ­ unter Artikel 6 Absatz 1 EMRK fallen, ist gemäss Absatz 1 eine öffentliche Parteiverhandlung durchzuführen, wenn entweder gewichtige öffentliche Interessen es rechtfertigen (Bst. b) oder eine Partei dies verlangt (Bst. a). In Buchstabe c dieses Absatzes wird nun neu eine Umkehr des in Buchstabe a vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses für diejenigen kartellrechtlichen Verfahren vorgesehen, in welchen die Wettbewerbsbehörde Anträge stellt, die einschneidende Folgen für die Unternehmen haben (Anträge gemäss Art. 36a Bst. a­c). Diesfalls findet eine öffentliche Parteiverhandlung statt, es sei denn, alle Parteien (inkl. die Wettbewerbsbehörde) würden darauf verzichten. Gerechtfertigt ist dies einerseits, weil das Wettbewerbsgericht hier ­ anders als üblich ­ als erste Instanz und nicht als Beschwerdeinstanz tätig wird, und andererseits aufgrund der (volkswirtschaftlichen) Tragweite, der einschneidenden Wirkung für die Unternehmen sowie der erheblichen Präjudizwirkung solcher Entscheide. Zu beachten ist, dass zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen oftmals zumindest ein teilweiser Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein wird. Absatz 3 bildet die Grundlage hierfür.

Art. 44 Die redaktionelle Anpassung in Absatz 1 dient der Klarstellung, dass diese Norm ­ übereinstimmend mit dem Abschnittstitel ­ einzig auf Klageverfahren Anwendung findet, nicht aber auf die kartellrechtlichen Verfahren gemäss Artikel 36a VGG, in welchen das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls als erste Instanz tätig sein wird.

2.1.9 Art. 1

Übergangs- und Schlussbestimmungen Auf die Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen anwendbares Recht

Artikel 1 bestimmt, dass für im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen bereits hängige Verfahren betreffend die Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen das bisherige Recht anwendbar bleibt, und zwar sowohl die materiell- als auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Dies hat zur Folge, dass für eine gewisse Zeitdauer, maximal ein Jahr, ab Inkrafttreten der neuen Bestimmungen die bisherige WEKO weiterbestehen muss, was durch Artikel 25 WBBG sichergestellt wird.

Art. 2

Auf die Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen anwendbares Verfahrensrecht

Bei Untersuchungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen beim (bisherigen) Sekretariat der WEKO oder bei der WEKO hängig sind, ist für die Frage des anwendbaren Verfahrensrechts entscheidend, ob der Antrag des Sekretariats der WEKO den Beteiligten bereits zur Kenntnis gebracht wurde oder nicht. Ist dies der Fall, bleibt es bei den bisherigen Zuständigkeiten und dem bisherigen Ver3966

fahrensrecht (Abs. 1), andernfalls gilt das neue Recht (Abs. 2). Dieser Scheidepunkt wurde aufgrund der unterschiedlichen Funktion des Antrags im alten und im neuen Recht gewählt (siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 30 E-KG). Gemäss Absatz 3 werden im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen bereits vor Bundesverwaltungsgericht (rechts)hängige Beschwerden in kartellrechtlichen Verfahren nach bisherigem Verfahrensrecht weitergeführt. Während eines Jahres nimmt die WEKO in diesen Beschwerdeverfahren noch ihre Aufgaben wahr, danach die Wettbewerbsbehörde.

Art. 3

Auf Verfahren nach Artikel 49a Absatz 5 anwendbares Recht

In Artikel 3 wird vorgesehen, dass bei Widerspruchsverfahren (Art. 49a Abs. 5 E-KG) die im bisherigen Recht vorgesehene Frist von fünf Monaten weiterhin gilt, wenn die Meldung noch vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen erfolgte. Damit wird verhindert, dass die Verkürzung der bisherigen Frist von fünf Monaten auf künftig zwei zu einem Fristablauf einer nach bisherigem Recht noch laufenden Frist durch Inkrafttreten der neuen Bestimmungen führen kann. Abgesehen von der Frist finden auf solche Verfahren aber mit ihrem Inkrafttreten bereits die neuen Bestimmungen Anwendung. Dies hat für die meldenden Unternehmen den Vorteil, dass das Sanktionsrisiko erst ab Eröffnung einer formellen Untersuchung nach Artikel 27 KG besteht.

Art. 4

Verjährung zivilrechtlicher Forderungen

Gemäss Artikel 4 bleiben einmal verjährte Forderungen verjährt (analog BGE 124 III 266). Es wäre mit der Rechtssicherheit kaum zu vereinbaren, würde eine bereits verjährte Forderung nachträglich aufgrund des Inkrafttretens von Artikel 12a E-KG wieder unverjährt. Ist die Verjährung einer Forderung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen aber noch nicht eingetreten, so findet auf sie Artikel 12a E-KG Anwendung.

2.2

Wettbewerbsbehördengesetz (WBBG)

2.2.1

Die Wettbewerbsbehörde

Art. 1

Rechtsform

Die Wettbewerbsbehörde wird als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltet (Abs. 1). Als selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts gehört sie damit zur dezentralen Bundesverwaltung wie beispielsweise das Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Sie behält ihren Sitz in Bern, was sich in der Vergangenheit aufgrund der Erreichbarkeit der Behörde für betroffene Unternehmen und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung bewährt hat.

In den Absätzen 2 und 3 wird der Wettbewerbsbehörde Selbstständigkeit in ihrer Organisation und Betriebsführung im Rahmen des vorliegenden Gesetzes zugesprochen. Die Wettbewerbsbehörde führt eine eigene Rechnung und ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen.

3967

Art. 2

Aufgaben

In Artikel 2 wird festgehalten, dass die Wettbewerbsbehörde Aufgaben erfüllt, die ihr gemäss WBBG, KG, Binnenmarktgesetz (BGBM)48 sowie weiteren Gesetzen zugewiesen sind. Hier zu nennen sind insbesondere das PüG49, das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG)50, das Luftfahrtgesetz (LFG)51, das Fernmeldegesetz (FMG)52 und das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG)53. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Aufgaben:

48 49 50 51 52 53

­

Sie kann gemäss Artikel 6 KG Bekanntmachungen erlassen und veröffentlicht diese.

­

Sie begutachtet gemäss Artikel 15 E-KG die Zulässigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung in zivilrechtlichen Verfahren und verfasst für andere Behörden Gutachten gemäss Artikel 47 E-KG.

­

Sie berät gemäss Artikel 24a Absatz 1 E-KG Amtsstellen und Unternehmen bei Fragen zum KG.

­

Sie wirkt gemäss Artikel 24a Absatz 2 E-KG bei der Vorbereitung von Erlassen in den Bereichen des Wettbewerbsrechts mit.

­

Sie gibt dem Preisüberwacher Daten gemäss Artikel 25 Absatz 3 E-KG weiter.

­

Sie untersucht Wettbewerbsbeschränkungen gemäss den Artikeln 26­30, 42 und 42a E-KG und nimmt am Verfahren vor dem Wettbewerbsgericht teil.

­

Sie prüft Unternehmenszusammenschlüsse gemäss den Artikeln 32­38 E-KG.

­

Sie beantragt vorsorgliche Massnahmen gemäss Artikel 39 Absatz 2 E-KG.

­

Sie ist zur Beschwerde gemäss Artikel 39 Absatz 3 und Artikel 42 Absatz 3 E-KG berechtigt.

­

Sie beobachtet laufend die Wettbewerbsverhältnisse gemäss Artikel 45 Absatz 1 E-KG.

­

Sie unterbreitet den Behörden Empfehlungen gemäss Artikel 45 Absatz 2 E-KG und erarbeitet Stellungnahmen gemäss Artikel 46 E-KG.

­

Sie kann ihre Entscheide gemäss Artikel 48 Absatz 1 E-KG und Artikel 10a Absatz 1 BGBM veröffentlichen. Gemäss Artikel 48 Absatz 2 E-KG und Artikel 10a Absatz 2 und Absatz 3 BGBM sammelt sie die Urteile, die Gerichte in Anwendung des Kartellgesetzes und des Binnenmarktgesetzes fällen und kann diese periodisch veröffentlichen.

­

Sie orientiert die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit gemäss Artikel 49 E-KG.

­

Sie vertritt gemäss Ermächtigung durch den Bundesrat den Bund in internationalen Organisationen und Vereinigungen im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit.

SR 943.02 SR 942.20 SR 946.51 SR 748.0 SR 784.10 SR 784.40

3968

­

Sie prüft Meldungen gemäss Artikel 49a Absatz 5 E-KG.

­

Sie untersucht Verstösse nach Artikel 50­53 E-KG und nimmt am Verfahren vor dem Wettbewerbsgericht teil.

­

Sie führt Verfahren nach Artikel 54­55 sowie 58­59 E-KG.

­

Sie wirkt bei der Evaluation gemäss Artikel 59a E-KG mit.

­

Sie überwacht die Einhaltung des Binnenmarktgesetzes durch Bund, Kantone und Gemeinden sowie andere Träger öffentlicher Aufgaben gemäss Artikel 8 Absatz 1 BGBM.

­

Sie kann Bund, Kantonen und Gemeinden Empfehlungen zu vorgesehenen und bestehenden Erlassen gemäss Artikel 8 Absatz 2 BGBM abgeben.

­

Sie kann gemäss Artikel 8 Absatz 3 BGBM Untersuchungen durchführen und den betreffenden Behörden Empfehlungen abgeben.

­

Sie stellt gemäss Artikel 8 Absatz 4 BGBM in Zusammenarbeit mit den Kantonen und den betroffenen Bundesstellen den Vollzug von Artikel 4 Absatz 3bis BGBM sicher und kann zu diesem Zweck Empfehlungen erlassen.

­

Sie verfolgt und beurteilt die Verletzung der Auskunftspflicht gemäss Artikel 8c BGBM.

­

Sie kann gemäss Artikel 9 Absatz 2bis BGBM Beschwerde erheben, um feststellen zu lassen, ob ein Entscheid den Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt.

­

Sie kann gemäss Artikel 10 BGBM Gutachten erstatten und vor Bundesgericht angehört werden.

­

Sie arbeitet gemäss Artikel 5 PüG mit dem Preisüberwacher zusammen.

­

Ihr steht gemäss Artikel 20a Absatz 3 THG das Beschwerderecht gegen Allgemeinverfügungen nach den Artikeln 19 Absatz 7 und 20 THG zu.

­

Gemäss Artikel 11a Absatz 2 FMG und Artikel 74 Absatz 2 RTVG wird die Wettbewerbsbehörde für die Frage der Marktbeherrschung konsultiert.

Art. 3

Organe

Die Organe der Wettbewerbsbehörde sind der Wettbewerbsbehördenrat (WB-Rat), die Geschäftsleitung und die Revisionsstelle. Es gilt gemäss Corporate-GovernanceBericht des Bundesrates (BBl 2006 8233 8269 ff.) und dem entsprechenden Erläuternden Bericht (BBl 2009 2659 ff.) der Grundsatz, dass Zahl, Zusammensetzung und Zusammenwirken der Organe eine effiziente und effektive betriebliche Führung und Aufsicht sicherstellen sollen. Jedes Organ soll über diejenigen Kompetenzen beziehungsweise Rechte und Pflichten verfügen, die seiner innerbetrieblichen Funktion entsprechen, sodass Führung und Kontrolle zueinander in einem Gleichgewicht stehen («Checks and Balances») und Doppelspurigkeiten vermieden werden. Die Organe sind dabei grundsätzlich voneinander personell unabhängig zu besetzen.

3969

Art. 4

Funktion und Zusammensetzung des WB-Rats

Die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde steht auch bei der Wahl des WB-Rats im Vordergrund. Die Auswahl der Mitglieder richtet sich grundsätzlich nach dem Anforderungsprofil, das der Bundesrat bestimmt. Der WB-Rat hat als Gremium Führungserfahrung (Aufsicht über Führung und Organisation), juristische, betriebsund volkswirtschaftliche Kenntnisse und soweit möglich richterliche Erfahrung aufzuweisen.

Der Bundesrat wählt die Mitglieder des WB-Rats, insbesondere bestimmt er die Präsidentin oder den Präsidenten. Der Beizug von Personen aus dem Ausland soll möglich sein. Aus wichtigen Gründen kann er Mitglieder abberufen, wobei eine gerichtliche Überprüfung möglich sein muss.

Der WB-Rat besteht aus fünf auf vier Jahre gewählten Mitgliedern, deren Wiederwahl maximal zwei Mal möglich ist. Die Mitglieder des WB-Rats nehmen ihre Funktion nebenamtlich wahr. Um seine Aufgaben zu erfüllen, dürfte der WB-Rat pro Jahr nur für eine beschränkte Zahl von ordentlichen Sitzungen zusammenkommen müssen.

Der Bundesrat regelt die Entschädigung für die Mitglieder des WB-Rats. Grundsätzlich kommt dabei das Bundespersonalgesetz (BPG)54 nicht zur Anwendung. Jedoch gilt direkt und nicht nur sinngemäss Artikel 6a BPG gemäss dessen speziell definiertem Anwendungsbereich. Dies wirkt sich aber nur auf die vom Bundesrat zu schaffenden und anzuwendenden Grundsätze sowie die Berichterstattung des WB-Rats gegenüber dem Bundesrat über sein Entgelt aus. Die Vertragsbedingungen werden in der Regel im Mandat festgeschrieben. Zwischen der Wettbewerbsbehörde und den Mitgliedern des WB-Rats besteht ein (öffentlich-rechtliches) Auftragsverhältnis (Art. 394 ff. OR kommen als ergänzendes öffentliches Recht zur Anwendung), welches mit der Mandatserteilung durch den Bundesrat begründet wird.

Art. 5

Aufgaben des WB-Rats

In Absatz 1 werden die Aufgaben des WB-Rats genannt. Diese bestehen zusammengefasst aus der Setzung des organisatorischen Rahmens (Bst. a­e), der Bestellung und Beaufsichtigung der Geschäftsleitung (Bst. f­h) und der Verabschiedung der strategischen Ziele, des Geschäftsberichtes und des Budgets (Bst. i­k).

Damit der WB-Rat seine Aufgaben erfüllen kann, bereitet die Geschäftsleitung die Geschäfte vor. Die Geschäftsleitung verfügt über die Informationen, die der WB-Rat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Mögliche Kompetenzkonflikte zwischen dem WB-Rat und der Geschäftsleitung sind mit der Ausfallkompetenz in Artikel 7 Buchstabe j geregelt.

Das Organisationsreglement nach Buchstabe a regelt insbesondere die Organisation, die Verwaltung, die Zuständigkeiten und Tätigkeiten, die Art der Beschlussfassung, die Informationspolitik (inkl. Publikationen) des WB-Rats und der Geschäftsleitung sowie das Rechnungswesen. Die Geschäftsleitung entwirft das Organisationsreglement, der WB-Rat erlässt es.

54

SR 172.220.1

3970

Gemäss Buchstabe b sorgt der WB-Rat für ein angepasstes internes Kontrollsystem und Risikomanagement. Weitere Ausführungen dazu müssen gemäss Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 2005 (Risikopolitik; Grundlagen für das Risikomanagement beim Bund) zwingend in den strategischen Zielen gemacht werden.

Der WB-Rat erlässt gemäss Buchstabe c die durch die Geschäftsleitung vorbereitete Personal- und die Gebührenverordnung, die beide der Genehmigung durch den Bundesrat bedürfen. Er schliesst zudem den durch die Geschäftsleitung vorbereiteten Anschlussvertrag mit der Pensionskasse des Bundes (PUBLICA) ab (Bst. d).

Das paritätische Organ für das Vorsorgewerk der Wettbewerbsbehörde wirkt bei der Ausarbeitung des Vertrags mit; seine Zustimmung ist Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags. Zudem ist der Vertragsabschluss durch den Bundesrat zu genehmigen. Der WB-Rat regelt entsprechend Buchstabe e die Zusammensetzung, das Wahlverfahren und die Organisation des paritätischen Organs für das Vorsorgewerk. Das Personal- und Pensionskassenstatut ist ein öffentlich-rechtliches im Rahmen des BPG.

Der WB-Rat entscheidet über die Begründung, die Änderung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor sowie der übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung (Bst. f und g). Im Hinblick auf die Erfüllungsverantwortung des Bundesrates und dessen politische Gesamtverantwortung hat der Bundesrat ein Genehmigungsrecht bei der Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Direktorin oder des Direktors. Gemäss Buchstabe h beaufsichtigt der WB-Rat zudem die Geschäftsleitung.

Die strategischen Ziele nach Buchstabe i sind das oberste dynamische Instrument zur Steuerung der Wettbewerbsbehörde. Sie verbinden die Ebene des langfristig geltenden statischen Rechts mit der strategisch-operativen Umsetzung durch die Führungsorgane der Wettbewerbsbehörde. Die strategischen Ziele leiten sich ab aus dem gesetzlichen Auftrag einerseits und den spezifischen externen und internen Bedingungen der Wettbewerbsbehörde andererseits. Die daraus hervorgehenden Herausforderungen sind der Gegenstand der strategischen Ziele.

Die strategischen Ziele sind für den WB-Rat und die Geschäftsleitung verbindlich.

Die strategischen Ziele der Wettbewerbsbehörde werden von der Geschäftsleitung für einen Zeithorizont
von vier Jahren entworfen, dem WB-Rat zum Entscheid vorlegt und dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Die Geschäftsleitung erstattet dem WB-Rat jährlich Bericht über die Erreichung der strategischen Ziele.

Diesen Bericht unterbreitet der WB-Rat dem Bundesrat. Zudem erörtert er dem Bundesrat gemäss Artikel 20 Absatz 2 mindestens einmal jährlich die strategischen Ziele der Wettbewerbsbehörde.

Entsprechend den Buchstaben j und k verabschiedet der WB-Rat das Budget, beantragt die Abgeltungen, welche die Wettbewerbsbehörde gemäss Artikel 13 für die Finanzierung ihrer Tätigkeiten benötigt, und erstellt für jedes Geschäftsjahr den Geschäftsbericht. Die Geschäftsleitung bereitet die entsprechenden Dokumente vor.

Der WB-Rat unterbreitet dem Bundesrat die revidierten Dokumente zur Genehmigung. Gleichzeitig mit dem Geschäftsbericht stellt er dem Bundesrat Antrag auf Entlastung.

Der WB-Rat wird mit den Absätzen 2 und 3 in genereller Weise verpflichtet, die Interessen der Anstalt zu wahren. Er soll allgemein im Organisationsreglement die Spielregeln für den Umgang mit Interessenkonflikten festlegen, wie auch in einzelnen konkreten Fällen die nötigen Massnahmen ergreifen. Die entsprechenden 3971

Informationspflichten der Mitglieder des WB-Rats ­ wie auch der Mitglieder der Geschäftsleitung ­ im Falle eines konkreten Interessenkonflikts sind zwingender Bestandteil des Organisationsreglements.

Art. 6

Funktion und Zusammensetzung der Geschäftsleitung

Die Wettbewerbsbehörde verfügt über eine Leitung, welche aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Sie steht unter der Leitung eines Direktors oder einer Direktorin. Die Geschäftsleitung ist Organ und hat die entsprechenden Organfunktionen ­ nicht nur der Direktor oder die Direktorin. Organe verselbstständigter Einheiten sind grundsätzlich voneinander personell unabhängig. Eine Einsitznahme eines Mitgliedes des WB-Rats in die Geschäftsleitung ist deshalb grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Treuepflicht und die Pflicht zur Interessenwahrung der Geschäftsleitung richten sich nach dem BPG (vgl. Art. 9 Abs. 1 WBBG), der Personalverordnung und weiteren, betriebsinternen Regelungen sowie allenfalls dem Arbeitsvertrag.

Art. 7

Aufgaben der Geschäftsleitung

Die Leitung ist für die operative Geschäftsführung und die materiellen Aufgaben (insb. Fallbearbeitung) der Wettbewerbsbehörde verantwortlich. Die Einzelheiten sind im Organisationsreglement zu regeln, das der WB-Rat erlässt (Art. 5 Abs. 1 Bst. a). Zu den Aufgaben der Leitung gehören u. a. der Erlass von Verfügungen, insbesondere betreffend Zusammenschlussverfahren, die Eröffnung von Untersuchungen, die Antragsstellung beim Wettbewerbsgericht sowie die Abfassung von Empfehlungen, Stellungnahmen und Gutachten (Bst. b­f). Die Delegation von Entscheidkompetenzen muss im Rahmen des Organisationsreglements geregelt werden. Auch organisationsinterne Regelungen wie die Teilnahme der Geschäftsleitung an den Sitzungen des WB-Rats gehören ins Organisationsreglement.

Nach Buchstabe d entscheidet die Geschäftsleitung in Zusammenschlussverfahren.

Hier wirkt das Wettbewerbsgericht aufgrund der besonderen zeitlichen Dringlichkeit als Beschwerdeinstanz.

Die Geschäftsleitung unterbreitet gemäss Buchstabe f Empfehlungen gemäss Artikel 45 E-KG, nimmt Stellung gemäss Artikel 46 E-KG und verfasst Gutachten gemäss Artikel 47 E-KG.

Die Geschäftsleitung vertritt entsprechend Buchstabe g die Wettbewerbsbehörde gegenüber Behörden, Regierungen und tritt gegenüber Unternehmungen und den Bürgerinnen und Bürgern auf. Ebenso vertritt sie die Behörde in internationalen Organisationen (z. B. in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD und als Mitglied des International Competition Network ICN) und wirkt bei der Vertretung der Schweiz im Rahmen von internationalen Übereinkommen mit.

Damit der WB-Rat seine Aufgaben erfüllen kann, bereitet die Geschäftsleitung die Geschäfte vor (Bst. i). Über besondere Ereignisse informiert sie ihn ohne Verzug.

Dabei nimmt die Geschäftsleitung alle Aufgaben der Wettbewerbsbehörde wahr, welche dieses Gesetz sowie das Kartellgesetz nicht einem anderen Organ zuweisen (Bst. j). Mit dieser Ausfallskompetenz beugt der Gesetzgeber möglichen Kompetenzkonflikten zwischen der Geschäftsleitung und den anderen Organen der Wettbewerbsbehörde vor.

3972

Als Arbeitgeberin entscheidet die Geschäftsleitung unter Vorbehalt von Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben f und g über die Begründung, die Änderung und die Beendigung der Arbeitsverhältnisse des Personals der Anstalt (Bst. h).

Art. 8

Revisionsstelle

Entsprechend dem Corporate-Governance-Bericht des Bundesrates (BBl 2006 8233 8270) ist die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zwingend mit dem Mandat der externen Revisionsstelle zu betrauen, soweit die privaten Revisionsgesellschaften Beaufsichtigte der verselbstständigten Einheit sind. Da auch private Revisionsgesellschaften vom Kartellgesetz erfasst werden, wird in Absatz 1 die EFK als Revisionsstelle vorgesehen.

Mit Absatz 2 wird dynamisch auf die Regelung des Aktienrechts verwiesen, womit auch die Rechtsentwicklung im Privatrecht automatisch nachvollzogen wird. Für die Revision sollen in allen Fällen die Bestimmungen über die ordentliche Revision sinngemäss anwendbar sein. Die Anforderungen an die Revisionsstelle und die Revision sind hoch angesetzt.

Absatz 3 ist zu entnehmen, dass die Revisionsstelle dem WB-Rat und dem Bundesrat umfassend über das Ergebnis ihrer Prüfung Bericht erstattet. Mit dem letzten Satz von Absatz 3 wird festgehalten, dass der Bundesrat in Analogie zu Artikel 697a Absatz 1 OR wie Aktionäre in der Aktiengesellschaft ein Recht auf Sonderprüfung hat (allerdings ohne dass die Voraussetzungen für eine Sonderprüfung oder die entsprechenden Verfahrensvorschriften eingehalten werden müssten). Die Kosten dieser allfälligen Aufsichtsmassnahme des Bundesrates trägt die Wettbewerbsbehörde.

2.2.2 Art. 9

Personal Anstellungsverhältnisse

Die Geschäftsleitung und das übrige Personal unterstehen gemäss Absatz 1 den Bestimmungen des Bundespersonalrechts55. Der WB-Rat legt dabei in der Personalverordnung Entlöhnung, Nebenleistungen und weitere Vertragsbedingungen fest (Abs. 2). Gemäss Artikel 37 Absatz 4 BPG kann die vom WB-Rat zu erlassende Personalverordnung von der Bundespersonalverordnung (BPV)56 abweichen, soweit sachliche Gründe es erfordern. Nach Absatz 3 hat die Wettbewerbsbehörde Arbeitgeberbefugnisse im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 BPG.

Art. 10

Pensionskasse

Die Wettbewerbsbehörde soll gemäss Artikel 1 Arbeitgeberin in vorsorgerechtlicher Hinsicht werden. Die Wettbewerbsbehörde ist sowohl für ihr aktives Personal als auch für ihre bisherigen Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger die zuständige Arbeitgeberin (Art. 32b Abs. 2 BPG).

55 56

Dazu die Ausführungen im Zusatzbericht des Bundesrates zum Corporate-GovernanceBericht, S. 2690.

SR 172.220.111.3

3973

In Absatz 2 wird festgelegt, dass die Wettbewerbsbehörde als dezentrale Verwaltungseinheit des Bundes nach Artikel 32b Absatz 2 BPG als ein eigener vorsorgerechtlicher Arbeitgeber gilt. Sie wird daher nach Artikel 32d BPG über ein eigenes Vorsorgewerk und damit einen eigenen Anschlussvertrag verfügen, wobei mehrere Arbeitgeber mit Zustimmung des Bundesrats ein gemeinschaftliches Vorsorgewerk bilden können (etwa wenn die Grösse der Vorsorgewerke eine gemeinsame Führung aus ökonomischer Sicht nahelegt). Bei Arbeitgebern, die dem BPG unterstehen, dürfen die vorsorgerechtlichen Bestimmungen nur insoweit von jenen für das Personal der Bundesverwaltung abweichen, als dies durch die Aufgabe oder Personalstruktur des betreffenden Arbeitgebers erforderlich ist (Botschaft über die Pensionskasse des Bundes, PUBLICA-Gesetz und Änderung des PKB-Gesetzes)57.

2.2.3 Art. 11

Finanzierung und Finanzhaushalt Finanzierung und Abgeltungen des Bundes

Absatz 1 legt fest, aus welchen Quellen die Wettbewerbsbehörde ihre Tätigkeiten finanziert (Gebühren und Abgeltungen). Die Gebühren, welche die WEKO und ihr Sekretariat zwischen 2008 und 2010 in Rechnung stellten, betrugen durchschnittlich zehn Prozent ihres Budgets von durchschnittlich rund 10,3 Millionen Franken.

Die Wettbewerbsbehörde finanziert sich somit nicht selber, insbesondere weil sie keinen Sektor beaufsichtigt, der zur Finanzierung herangezogen werden könnte. Sie ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch zukünftig auf Abgeltungen des Bundes angewiesen. Eine weitgehende Finanzierung der Wettbewerbsbehörde über Gebühren oder gar Sanktionen wäre auch nicht zielführend, sondern würde falsche Anreize setzen (die Wettbewerbsbehörde hat Rechtsfortbildung zu betreiben und sich nicht an gebühren- oder sanktionsträchtigen Fällen zu orientieren). In diesem Sinne ist auch vorgesehen, dass Bussen und Einnahmen aus Sanktionen, die Unternehmen infolge von Verstössen gegen das Kartellgesetz zu entrichten haben, an den Bund fliessen (Abs. 2). Es ist damit sinnvoll, wenn die Mittel für die Wettbewerbsbehörde weiterhin vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Bundesbeiträge werden für die Aufgaben nach diesem Gesetz und dem KG gewährt.

Art. 12

Gebühren

Gemäss Artikel 53a E-KG erhebt die Wettbewerbsbehörde Gebühren für Verfahren nach den Artikeln 26­30 E-KG, die Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen nach den Artikeln 32­38 E-KG sowie für Beratungen, Gutachten, die Prüfung von Meldungen nach Artikel 49a Absatz 5 E-KG und sonstige Dienstleistungen. Der WB-Rat erlässt eine Gebührenverordnung. Diese bedarf der Genehmigung durch den Bundesrat (Art. 53a Abs. 5 E-KG).

Zwar ist an sich auch Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)58 als Gesetzesgrundlage für die Erhebung von Gebühren durch Einheiten der dezentrale Bundesverwaltung im Sinn von Artikel 2 Absatz 3 RVOG verwendbar (vgl. Kommentar zu Art. 46a RVOG in der Botschaft vom 2. Juli 2003 57 58

BBl 2005 5886 SR 172.010

3974

zum Entlastungsprogramm für den Bundeshaushalt [EP 03], BBl 2003 5761).

Danach wäre allerdings der Bundesrat für den Erlass der Gebührenverordnung zuständig. Deshalb braucht es eine eigene formell-gesetzliche Grundlage nach Corporate-Governance-Bericht (BBl 2006 8233 8275 u. 8284), da die Anstalt beziehungsweise vorliegend die Wettbewerbsbehörde selbst ­ unter Vorbehalt der bundesrätlichen Genehmigung ­ die Gebührenverordnung erlassen soll. Die Wettbewerbsbehörde hat dabei dem Äquivalenzprinzip und dem Kostendeckungsprinzip (Abs. 2) Rechnung zu tragen, das auch in Artikel 46a Absatz 3 RVOG kodifiziert ist.

Das Vorsehen von Ausnahmen von der Gebührenerhebung (Abs. 3) braucht es, da die Wettbewerbsbehörde verpflichtet ist, Gebühren gemäss Artikel 53a E-KG zu erheben. Welche Ausnahmen möglich sein sollen, muss die Wettbewerbsbehörde im Einzelnen prüfen. Die Regelung kann sich an der Praxis zur Allgemeinen Gebührenverordnung orientieren.

Art. 13

Abgeltungen

Gemäss den Ausführungen zu Artikel 11 WBBG decken die Gebühren der Wettbewerbsbehörde nur einen Teil ihrer Ausgaben. Das bedeutet, dass sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch zukünftig auf Abgeltungen des Bundes angewiesen ist. Entsprechend gewährt der Bund der Wettbewerbsbehörde gemäss Artikel 13 jährlich Beiträge zur Abgeltung ihrer Aufgaben, soweit diese nicht durch Gebühren gedeckt sind.

Art. 14

Rechnungslegung

Die Wettbewerbsbehörde bestimmt unter Berücksichtigung der in dieser Bestimmung aufgeführten Grundsätze den Rechnungsstandard (vgl. dazu auch Art. 55 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 200559 über den eidgenössischen Finanzhaushalt).

Das angewendete Regelwerk legt sie offen. Der Bundesrat kann weitere Vorschriften zur Rechnungslegung erlassen.

Art. 15

Geschäftsbericht

Entsprechend Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe k erstellt der WB-Rat für jedes Geschäftsjahr den Geschäftsbericht. Der Geschäftsbericht umfasst die Jahresrechnung (Erfolgsrechnung, Bilanz, Anhang) und den Lagebericht, der die Schwerpunkte der Tätigkeit, die interne Organisation, die Zahl und die Art der abgeschlossenen und der hängigen Fälle, den Einsatz von Personal sowie von Finanz- und Sachmitteln, die Zahl und die Ergebnisse von Beschwerden gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Wettbewerbsbehörde darstellt. Die Revisionsstelle hat Jahresrechnung und Lagebericht zu prüfen.

Art. 16

Tresorerie

Die Wettbewerbsbehörde schliesst sich für die Verwaltung ihrer liquiden Mittel der zentralen Tresorerie des Bundes an. Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) verwaltet diese liquiden Mittel. Zur Gewährung der Zahlungsbereitschaft (im Rah59

SR 611.0

3975

men ihrer Aufgabenerfüllung nach Art. 2 WBBG) kann der Bund die Wettbewerbsbehörde mit Fremdmitteln versorgen. Abgewickelt werden solche Darlehen über ein Kontokorrent der Wettbewerbsbehörde beim Bund. Die Wettbewerbsbehörde legt überschüssige Gelder unverzinslich beim Bund an. Die überschüssigen Mittel werden über das Jahresende auf diesem Konto belassen und können in den Folgejahren für allfällige Zahlungen von Verpflichtungen verwendet werden. Die weiteren Einzelheiten werden zwischen der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Wettbewerbsbehörde in einer Vereinbarung geregelt.

Art. 17

Verantwortlichkeit

Gemäss Absatz 1 richtet sich die Verantwortlichkeit der Wettbewerbsbehörde, ihrer Organe und ihres Personals grundsätzlich nach dem Verantwortlichkeitsgesetz (VG)60. Nach Artikel 3 Absatz 1 VG haftet der Bund für Schäden, die Angestellte des Bundes in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügen, ohne Rücksicht auf das Verschulden der Angestellten. Bei der Haftung nach Verantwortlichkeitsgesetz handelt es sich somit um eine betragsmässig unbegrenzte Kausalhaftung mit einem breiten Anwendungsbereich. Dies gilt auch für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe und des Personals der Wettbewerbsbehörde (Art. 19 Abs. 2 VG).

Dem Verantwortlichkeitsgesetz unterstellt sind alle Personen, die unmittelbar mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind (Art. 1 Abs. 1 Bst. f VG).

Somit richtet sich die Haftung für das Handeln der Organe und Angestellten der Wettbewerbsbehörde nach dem Verantwortlichkeitsgesetz. Soweit andere Personen unmittelbar mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraut werden, greift ebenfalls die Haftung nach Verantwortlichkeitsgesetz (Art. 1 Abs. 1 Bst. f VG)61. Vermag die Wettbewerbsbehörde den geschuldeten Schadenersatz nicht zu leisten, so haftet der Bund dem Geschädigten für den ungedeckten Betrag subsidiär (Ausfallhaftung).

Die Voraussetzung der Verletzung von wesentlichen Amtspflichten wird bei der Wettbewerbsbehörde nach Absatz 2 Buchstabe a nicht nur auf Rechtsakte, sondern auf die gesamte Tätigkeit der Aufsichtsbehörde beziehungsweise der Organe sowie des Personals ausgedehnt. Damit wird bei der Wettbewerbsbehörde das Kriterium der Widerrechtlichkeit eingeschränkt und der Begriff der wesentlichen Amtspflichtverletzung eingeführt. Die Wettbewerbsbehörde und die von ihr Beauftragten sollen nämlich für sämtliches Handeln nur noch dann haften, wenn sie ihre Tätigkeit eindeutig fehlerhaft ausgeübt haben. Angesichts der Komplexität der Aufgaben der Wettbewerbsbehörde ist eine solche Haftungsbeschränkung gerechtfertigt.62 Gemäss Absatz 2 Buchstabe b dürfen die Wettbewerbsbehörde und die von ihr Beauftragten nicht für Fehler zur Verantwortung gezogen werden, welche von Unternehmen im Sinne von Artikel 2 KG begangen werden. Darum wird in Buchstabe b der Grundsatz verankert, dass die Wettbewerbsbehörde nur haftet, wenn Schäden nicht auf
Pflichtverletzungen von den dem Kartellgesetz unterstehenden Unternehmen im Sinne von Artikel 2 KG zurückzuführen sind. In Analogie zum FINMAG erscheint aus Sicht des Bundesrates der Ausschluss der Staatshaftung bei Pflichtverletzungen durch die dem Kartellgesetz unterstehenden Unternehmen 60 61 62

SR 170.32 Dazu Botschaft zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz; FINMAG) vom 1. Februar 2006, BBl 2006 2844 ff.

Dazu Botschaft FINMAG (Fn. 61), BBl 2006 2844 ff. sowie 2871 f.

3976

gerechtfertigt. Eine uneingeschränkte Haftung des Staates für pflichtwidriges Verhalten solcher eigenverantwortlich handelnder Unternehmen wäre systemwidrig und würde zu einem beträchtlichen Haftungsrisiko der öffentlichen Hand führen.63 Art. 18

Steuern

Gemäss Artikel 62d RVOG sind die Eidgenossenschaft sowie ihre Anstalten, Betriebe und unselbstständigen Stiftungen grundsätzlich von jeder Besteuerung durch die Kantone und Gemeinden befreit. Angesichts der Finanzierung (Art. 11) der Wettbewerbsbehörde rechtfertigt sich diese Befreiung. Die Wettbewerbsbehörde übt eine hoheitliche Tätigkeit aus und erhebt entsprechend keine Mehrwertsteuer auf ihren Gebühren und erwirtschaftet keine Gewinne. Die Gebühren, welche die WEKO und ihr Sekretariat zwischen 2008 und 2010 in Rechnung stellte, betrugen durchschnittlich zehn Prozent ihres Budgets. Nur ein kleiner Teil dieser Gebühreneinnahmen geht nicht auf Verfahrensgebühren/-kosten zurück, sondern auf gesetzlich vorgesehene Beratungen von Unternehmen (Art. 24a Abs. 1 E-KG; im geltenden Gesetz Art. 23 Abs. 2 KG). In Beratungen werden Fragen von Amtsstellen und Unternehmen zum Kartellgesetz und dessen Anwendung beantwortet. Dabei handelt es sich nicht um eine gewerbliche Leistung, sondern um eine Aufgabe, welche die Wettbewerbsbehörde im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit erbringt (die Einnahmen aus Beratungen betrugen zwischen 2008 und 2010 durchschnittlich 0,5 Prozent ­ durchschnittlich rund 51 700 Franken ­ des Budgets). Nach der Verwaltungspraxis zum Mehrwertsteuerrecht stellen sämtliche Gebühreneinnahmen (einschliesslich der Gebühren für Beratungen) der Wettbewerbsbehörde Gebühren im Sinne von Artikel 3 Buchstabe g des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG)64 dar.

Diese sind weder zu versteuern noch lösen sie die Steuerpflicht aus.

Die Wettbewerbsbehörde wird gemäss Artikel 1 des Wettbewerbsbehördengesetzes als öffentliche-rechtliche Anstalt vom Bund gegründet und ist damit ­ auch aus mehrwertsteuerlicher Sicht ­ dem Bund zugehörig. Allfällige Leistungen zwischen der Wettbewerbsbehörde und dem Bund sind von der Steuer ausgenommen (vgl.

Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 MWSTG, i. V. m. Art. 38 Abs. 2 Bst. c der Mehrwertsteuerverordnung [MWSTV]65).

Art. 19

Liegenschaften

Der Bund überlässt der Wettbewerbsbehörde die notwendigen Liegenschaften zur Miete. Diese verbleiben aber weiterhin in seinem Eigentum. Der Bund sorgt für den Unterhalt der Liegenschaften und überlässt der Wettbewerbsbehörde die Nutzung zu einem angemessenen Betrag. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Bund und der Wettbewerbsbehörde bezüglich Liegenschaften ist öffentlich-rechtlich auszugestalten.

63 64 65

Vgl. dazu Botschaft FINMAG (Fn. 61), BBl 2006 2844 ff. sowie 2872.

SR 641.20 SR 641.201

3977

2.2.4 Art. 20

Unabhängigkeit und Aufsicht Unabhängigkeit

Mit Artikel 20 wird der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde Ausdruck verliehen und im Speziellen die Weisungsunabhängigkeit gegenüber Verwaltungsbehörden und dem Bundesrat betont. Die Wettbewerbsbehörde wird nur rein administrativ einem Departement, d. h. wie bis anhin dem EVD, zugeordnet sein, untersteht jedoch in ihren Entscheiden keinen Weisungen des Bundesrates oder der Verwaltungsbehörden. In Ergänzung zur Berichterstattung gemäss Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben i und k erörtert die Wettbewerbsbehörde dem Bundesrat mindestens einmal jährlich ihre strategischen Ziele und die Erfüllung ihrer Aufgaben.

Art. 21

Aufsicht

Gemäss Artikel 8 Absatz 4 RVOG beaufsichtigt grundsätzlich der Bundesrat die dezentralisierten Verwaltungseinheiten. Entsprechend dieser Bestimmung liegt die administrative Aufsicht über die Wettbewerbsbehörde und deren Aufgabenerfüllung beim Bundesrat. Diese Aufsicht unterscheidet sich gemäss Corporate-GovernanceBericht des Bundesrates (BBl 2006 8233 8279 ff.) in verschiedener Hinsicht von derjenigen Aufsicht, die dem Bundesrat gegenüber den Einheiten der zentralen Bundesverwaltung zukommt. Die Aufsicht des Bundesrates über verselbstständigte Einheiten lässt sich am ehesten mit einer Rechenschaftsabnahme vergleichen. In Absatz 2 werden in nicht abschliessender Weise die dem Bundesrat zur Verfügung stehenden, wichtigsten Instrumente genannt. Die Oberaufsicht des Parlaments bleibt vorbehalten.

2.2.5 Art. 22

Schlussbestimmungen Errichtung der Wettbewerbsbehörde

Artikel 22 enthält eine Reihe von Regelungen im Hinblick auf den Übergang in die neu geschaffene öffentlich-rechtliche Anstalt. Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt, an dem die Wettbewerbsbehörde eigene Rechtspersönlichkeit erlangt (Abs. 2). Er wird die Rechte und Pflichten sowie die Werte, die per Gesetz auf die Anstalt übergehen, bezeichnen (Abs. 3). Da erfahrungsgemäss in der Konkretisierungsphase der Errichtung von dezentralen Verwaltungseinheiten häufig ein nicht voraussehbarer Regelungsbedarf entsteht, wird der Bundesrat in Absatz 4 ermächtigt, alle weiteren notwendigen Vorkehren für den Übergang zu treffen und die entsprechenden Bestimmungen zu erlassen.

In Absatz 5 wird ­ entsprechend der bisherigen Praxis ­ die Befreiung von Steuern (insb. auch Stempel- und Handänderungssteuern etc.) und Gebühren für die Übertragung der Rechte, Pflichten und Werte (Vermögensübertragung) sowie den Eintrag in öffentliche Register vorgesehen.

3978

Die bezeichneten Aktiven und Passiven werden auf den vom Bundesrat festgelegten Zeitpunkt im Rahmen einer Universalsukzession auf die Wettbewerbsbehörde übertragen. Absatz 7 schliesst deshalb ausdrücklich die Anwendbarkeit des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 200366 aus.

Mit der in Absatz 4 Buchstaben b vorgesehenen Übergangsfinanzierung wird sichergestellt, dass die Wettbewerbsbehörde auch während der Übergangsphase stets über die erforderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung des Betriebs verfügt. Sofern sich ergibt, dass die Wettbewerbsbehörde kurzfristig für den Aufbau über zusätzliche Mittel verfügen muss, soll es der EFV möglich sein, mit der Anstalt einen entsprechenden Darlehensvertrag abzuschliessen (Abs. 6).

Art. 23

Übergang der Arbeitsverhältnisse

Die Arbeitsverhältnisse gehen von Gesetzes wegen auf die Wettbewerbsbehörde über. Da die Arbeitsverhältnisse des Personals der Wettbewerbsbehörde nach Artikel 6 dem BPG unterstehen, muss den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weder gekündigt werden noch muss die Wettbewerbsbehörde sie neu anstellen. Vorbehalten bleibt die Ernennung der Direktorin oder des Direktors (Art. 5 Abs. 1 Bst. f). Der Bundesrat legt den Zeitpunkt des Übergangs fest.

Art. 24

Zuständige Arbeitgeberin

Mit Artikel 24 wird klargestellt, dass die Wettbewerbsbehörde für alle bisherigen Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenrentenbezügerinnen und -bezüger des Sekretariats der WEKO die zuständige Arbeitgeberin ist und die entsprechenden Arbeitgeberpflichten übernehmen muss. Nach Artikel 32f Absatz 1 BPG ist die Wettbewerbsbehörde als neue Arbeitgeberin auch für die bisherigen Rentenbezügerinnen und -bezüger der Verwaltungseinheit zuständig. Die der Wettbewerbsbehörde zurechenbaren Rentenbezügerinnen und -bezüger folgen somit dem Vorsorgewerk des aktiven Personals. Die Ausnahmeregelung von Artikel 32f Absatz 2 BPG ist restriktiv zu handhaben; im vorliegenden Fall sind keine Gründe für deren Inanspruchnahme gegeben.

Art. 25

Weitere Übergangsbestimmungen

In Artikel 25 Absatz 1 wird in Ergänzung zu Artikel 23 geregelt, dass Beschwerden, die sich im Zeitpunkt des Übergangs der Arbeitsverhältnisse ergeben könnten, nach bisherigem Recht zu handhaben sind.

Die Absätze 2 und 3 ergänzen die Artikel 1 und 2 Absatz 1 der Übergangsbestimmungen KG. Aufgrund dieser Bestimmungen ist es notwendig, dass die WEKO auch nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen institutionellen Ordnung noch während einer gewissen Zeit bestehen bleibt. Vorgesehen ist ein Jahr. In den betroffenen Verfahren wird die Wettbewerbsbehörde während diesem Jahr die Funktionen des ehemaligen Sekretariats der WEKO übernehmen. Rechtsmittelverfahren, die aus solch übergangsrechtlichen Entscheiden der WEKO resultieren, sind ebenso wie im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen bereits hängige Rechtsmittelverfahren nach bisherigem Verfahrensrecht zu beurteilen. In diesen Rechtsmittelverfahren gilt ab Auflösung der WEKO die Wettbewerbsbehörde an deren Stelle als 66

SR 221.301

3979

Vorinstanz vor den Beschwerdeinstanzen und nimmt die dieser zukommenden Aufgaben wahr. Das ist vertretbar, geht es dabei doch nicht mehr um das Fällen von Entscheiden, sondern um die Abgabe von Stellungnahmen. Deshalb wäre es gerade auch in finanzieller Hinsicht unverhältnismässig, die WEKO einzig dafür für eine nicht im Voraus bestimmbare Dauer weiter bestehen zu lassen. Der Bundesrat wird die Entschädigung der WEKO während des Übergangsjahres regeln. Es ist von einer stetig abnehmenden Arbeitslast der WEKO im Laufe des vorgesehenen Übergangsjahrs auszugehen, was bei der Festlegung der Entschädigung zu berücksichtigen ist.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Mit der Institutionenreform wird die Wettbewerbsbehörde zu einer Anstalt aufgewertet, und in einem zentralen Bereich des Kartellrechts, den Wettbewerbsbeschränkungen nach den Artikeln 5 und 7 KG, wird das Bundesverwaltungsgericht neu als erste Instanz urteilen (nicht mehr als Beschwerdeinstanz).

Die Ausgestaltung der Wettbewerbsbehörde als Anstalt führt erfahrungsgemäss zu Mehrkosten. Diese Mehrkosten werden dadurch kompensiert, dass das Budget für die Mitglieder der heutigen WEKO von rund 800 000 Franken zur Verfügung stehen wird. Ein allfälliger personeller Mehrbedarf wegen der Einführung des SIEC-Tests bei Unternehmenszusammenschlüssen sollte mit diesen Mitteln gleichfalls abgedeckt sein. Die andern materiell-rechtlichen Anpassungen lösen keinen personellen und finanziellen Mehrbedarf aus, der nicht mit dem Budget der WEKO und ihres Sekretariates gedeckt ist. Im Weiteren sollen neu den obsiegenden Unternehmen Parteientschädigungen gezahlt werden, wenn die Wettbewerbsbehörde unterliegt (diese sind nicht durch das Budget der WEKO gedeckt). Es bestehen dahingehend keine Erfahrungswerte. Sollte es zu Parteientschädigungen kommen, würden diese jährlich mit geschätzten 0,5­3 Millionen Franken zu Buche schlagen (die Summe steht insb. in Abhängigkeit der Anzahl an den Verfahren beteiligten Parteien). Diese Beträge stehen für den Bund in einem annehmbaren Verhältnis zu den Bussen und Sanktionseinnahmen.

Auf die in der Vernehmlassung noch vorgesehene Schaffung eines (separaten) Bundeswettbewerbsgerichts wird zwar verzichtet. Die neue Aufgabe für das BVGer erfordert aber zusätzliche Ressourcen. Namentlich geht es um die Zuwahl von wirtschaftlich qualifizierten Richterinnen und Richtern. Hierfür sind etwa 200 Stellenprozente vorzusehen. Weiter ist zu bedenken, dass die Durchführung eines Verfahrens in erster Instanz aufwendiger ist als ein Beschwerdeverfahren. Am BVGer befasst sich zwar bereits heute eine beschränkte Anzahl Richter und Richterinnen stark mit Fragen des Wettbewerbsrechts, einschliesslich der dazugehörigen Zahl an Gerichtsschreiberinnen und -schreibern und Sekretariatsangestellten. Es ist offen, wie weit das BVGer das aufwendiger werdende Instruktionsverfahren mit den bestehenden Mitteln zu decken vermag.

Ein beschränkter Mehraufwand für die volkswirtschaftlich wichtige Umsetzung der
Wettbewerbspolitik ist folglich vorzusehen. Dieser ist aber durch die Verfahrensbeschleunigung, eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren in erster Instanz durch die Trennung von Untersuchung und Entscheid, die erhöhte Unabhän-

3980

gigkeit der Wettbewerbsbehörde und die wichtige Ergänzung des BVGer durch Fachrichterinnen und -richter gerechtfertigt.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die Durchsetzung des Kartellrechts erfolgt heute weitgehend auf dem öffentlichrechtlichen Weg, wobei hierfür weiterhin Organe des Bundes zuständig sind. Die Erweiterung der zivilrechtlichen Klagelegitimation könnte indes zu einer vermehrten Beanspruchung der kantonalen Zivilgerichte führen. Hinsichtlich Folgeklagen ist allerdings zu erwarten, dass zivilrechtliche Klagen entsprechend dem Ergebnis des verwaltungsrechtlichen Verfahrens durch Vergleich geregelt werden und nur gelegentlich zu einem Zivilprozess führen. Die Unterbindung regionaler Wettbewerbsbeschränkungen, welche die Wettbewerbsbehörde nicht aufgreift, dafür aber geschädigte Endkundinnen und -kunden auf dem Zivilweg, liegt im Interesse der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kantons.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.3.1

Notwendigkeit des staatlichen Handelns

Die institutionelle und verfahrensrechtliche Entwicklung im Kartellrecht ist der materiell-rechtlichen Entwicklung bisher nur ungenügend gefolgt. Mit den materiellrechtlichen Anpassungen will der Bundesrat gleichfalls zeitgerecht den Erkenntnissen aus der Evaluation des Kartellgesetzes Rechnung tragen.

3.3.2

Auswirkungen auf die einzelnen wirtschaftlichen Akteure

Institutionenreform Wie bereits ausgeführt, gehen mit der vorgeschlagenen Reform der Institutionen die Stärkung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde und der Entscheidinstanz, die klarere Zuordnung der Aufgaben Untersuchung und Entscheid, eine Beschleunigung der Verfahren bis zum letztinstanzlichen Entscheid, die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und eine höhere Professionalisierung des Entscheidorgans einher. Von diesen positiven Wirkungen profitieren in erster Linie die Anbieter und Nachfrager, sei es durch die verbesserte Durchsetzung des KG, sei es als in Verfahren involvierte Parteien.

Abreden Die vorgeschlagene Anpassung vereinfacht und beschleunigt die Kartellverfahren, da die wirtschaftliche Erheblichkeit bei den fünf bezeichneten Typen von, generellabstrakt betrachtet, besonders schädlichen Wettbewerbsbeschränkungen zukünftig im konkreten Einzelfall nicht mehr nachzuweisen ist. Zudem werden die Konfusionen bezüglich Marktwirkung und Sanktionierbarkeit, die seit 2003 bestehen, ausgeräumt. Dies, die Klarheit der neuen Bestimmung und die Annäherung an die Rechtslage der EU tragen zu einer höheren Rechtssicherheit bei.

3981

Grundsätzlich wird die unternehmerische Handlungsfreiheit durch die neue Bestimmung nicht direkt eingeschränkt; die Bekanntmachungen der WEKO wiesen bereits in diese Richtung. Jedoch können sich die Unternehmen in Zukunft vor der Wettbewerbsbehörde und dem Wettbewerbsgericht nicht mehr auf eine beschränkte Marktwirkung berufen; vielmehr haben sie wirtschaftliche Effizienzgründe für das Treffen einer solchen Abrede anzuführen. Zeigen die Unternehmen solche Effizienzvorteile auf, so steht es ihnen weiterhin offen, auch die vom Teilkartellverbot erfassten Abreden umzusetzen. Weitgehend unbestritten ist dieses Vorgehen bei harten horizontalen Abreden. Bei vertikalen Abreden wird die Handlungsfreiheit der Unternehmen differenziert eingeschränkt. Vom Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit werden nur die beiden Arten von Abreden erfasst, die international und auch bereits im Jahr 2004 vom Schweizer Gesetzgeber als besonders schädlich qualifiziert und für direkt sanktionierbar erklärt wurden , nämlich Fest- und Mindestpreise und ausschliessliche Zuweisung von Gebieten. Um Koordinationsprobleme zwischen Handels- und Herstellerstufe zu lösen, stehen den Unternehmen eine Reihe von anderen vertikalen Instrumenten zur Verfügung ­ sie müssen folglich nicht zwingend auf das Vorbringen von Effizienzgründen bei den beiden, mit einem Teilkartellverbot belegten Formen von vertikalen Abreden zurückgreifen. Beispielsweise kann dem Trittbrettfahrerverhalten auf Händlerstufe statt mit Preisbindungen auch mit Service- und Qualitätsanforderungen begegnet werden, oder für die Erreichung einer optimalen Händlerdichte eignet sich statt dem exklusiven auch ein selektiver Vertrieb.

Zusammenschlusskontrolle Die geltende Zusammenschlusskontrolle trägt den wettbewerbshemmenden, wirtschaftlichen Auswirkungen von Zusammenschlüssen ungenügend Rechnung. Die Einführung des SIEC-Tests, das heisst die Revision des Beurteilungskriteriums (Eingreifkriteriums) bei Zusammenschlüssen, führt zu mehr Wettbewerb in den Märkten. Zusammenschlüsse, deren massgeblicher Zweck vorab in der Addition von Marktanteilen besteht und deren wirtschaftlicher Effekt wettbewerbshemmend ist, können eher unterbunden werden. Auf der anderen Seite können die Unternehmen bei diesem Test unter bestimmten Bedingungen Effizienzvorteile ausgleichend geltend
machen. Damit erlaubt der SIEC-Test eine umfassende Prüfung der negativen und positiven Effekte eines Zusammenschlusses.

Im Gegensatz zur geltenden Zusammenschlusskontrolle beinhaltet der SIEC-Test eine weitgehende Annäherung der Schweizer Zusammenschlusskontrolle an diejenige der EU und der meisten Mitgliedsstaaten. Die internationale Zusammenarbeit für Unternehmen und Behörden wird damit vereinfacht, gerade für internationale Zusammenschlüsse. Dadurch sinkt der administrative Aufwand für die betreffenden Unternehmen und die Wettbewerbsbehörde sinkt. Auf der anderen Seite gilt der SIEC-Test nach EU-Vorbild doch bei verschiedenen Kreisen als vergleichsweise aufwendig und kann folglich zu Mehrkosten bei einem Zusammenschluss von Unternehmen führen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich dieser Mehraufwand lediglich bei problematischen, vertieft zu prüfenden Zusammenschlüssen (durchschnittlich 4 von 28 jährlich gemeldeten Zusammenschlüssen) einstellen wird.

Schliesslich bedeutet der Verzicht auf die eigenständige Bearbeitung internationaler Zusammenschlüsse, das heisst Zusammenschlüsse, die EWR-weite oder grössere Märkte betreffen und die Schweiz einschliessen, eine administrative Erleichterung für die Unternehmen und die Wettbewerbsbehörde.

3982

Wie in Ziffer 2.1.3.2 aufgezeigt, geht der Wechsel zum SIEC-Test bezüglich Rechtssicherheit und Komplexität mit wenigen Veränderungen einher und die internationalen Erfahrungen sind insgesamt positiv. Auch für die Schweiz sind dahingehend keine grossen Änderungen bezüglich dieser Parameter zu erwarten. Bezüglich Veränderung der Interventionsrate ist zu beachten, dass die Eingriffsschwelle mit dem SIEC-Test einerseits nach unten gesetzt, andererseits mit der Berücksichtigung von Effizienzen auch wieder angehoben wird. International betrachtet blieb die Interventionsrate bei Wechseln zum SIEC-Test entsprechend mehr oder minder gleich. Da jedoch die geltende, schweizerische Zusammenschlusskontrolle antikompetitiven Wirkungen zu wenig Rechnung trägt, kann es zu einem leichten Anstieg der Interventionsrate kommen.

Kartellzivilrecht Der vorgeschlagene moderate Ausbau des Kartellzivilrechts erlaubt es denjenigen, die von Wettbewerbsbeschränkungen betroffen sind, besser, selbst ihr Recht einzuklagen, losgelöst von der behördlichen Prioritätenordnung, und sich den Schaden entgelten zu lassen. Dies könnte einerseits zu mehr Wettbewerb in lokalen Märkten führen und anderseits zur Abwendung einer Preisdiskriminierung der hiesigen Kundschaft gegenüber der Kundschaft in Nachbarländern eingesetzt werden, etwa wenn betroffene Unternehmen selber gegen unterdrückte Querlieferungen in Händlernetzen vorgehen.

Sanktionsminderung dank Compliance Schon nach bestehendem Recht konnten Compliance-Programme bei der Sanktionsbemessung berücksichtigt werden. Die explizite Nennung dieser Regel im Gesetz ändert deshalb nicht viel an der Rechtslage. Immerhin wird dadurch auf Gesetzesstufe klargestellt, dass ernstgemeinte Compliance eine vorbehaltlos zu begrüssende Präventivmassnahme gegen unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen darstellt und vom urteilenden Gericht zu honorieren ist. Viel mehr noch als heute wird von den Unternehmen künftig erwartet, dass sie ihren Möglichkeiten entsprechende vorbeugende Massnahmen gegen KG-Verstösse ergreifen. Dies wird für die Unternehmen mit höheren Kosten verbunden sein, dafür lassen sich KG-Verstösse vermeiden beziehungsweise Sanktionsbeträge senken. Für die Behörden bewirkt die neue Regelung insofern Mehraufwand, als zu erwarten ist, dass sich Unternehmen vermehrt auf ihr Compliance-Programm
berufen und es sich wohl als aufwendig herausstellen wird, die Tauglichkeit des jeweiligen Programms adäquat zu beurteilen.

Widerspruchsverfahren Mit der Verbesserung des Widerspruchverfahrens wird den wiederholt geäusserten Bedenken begegnet und sichergestellt, dass das Verfahren die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Rolle besser erfüllen kann. Die Verkürzung der Frist führt unmittelbar zu einer Vergrösserung der Rechtssicherheit für die Unternehmen. Bei aus Sicht der Wettbewerbsbehörde offensichtlich unbedenklichen Vorhaben oder solchen, die keinen direkt sanktionierbaren Tatbestand betreffen, erhalten die (diesbezüglich unsicheren) Unternehmen neu bereits innert zwei Monaten die Gewissheit, dass sie bei der Umsetzung des Vorhabens keine Gefahr laufen, sanktioniert zu werden. Mit der zweiten Änderung kann für die Unternehmen insbesondere die investitionshemmende Wirkung der Sanktionsdrohung verringert werden. Da neu das Sanktionsrisiko erst bei Mitteilung der Eröffnung einer Untersuchung besteht, wird der Zeitraum, in welchem das Vorhaben auf jeden Fall straflos umgesetzt werden kann, im Ver3983

gleich zur gegenwärtigen Situation verlängert und dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, sein Verhalten fortwährend an die Marktauswirkungen anzupassen und so einem Sanktionsrisiko zu entgehen.

3.3.3

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Materiell-rechtliche Anpassungen Die in 3.3.2 bereits behandelten materiell-rechtlichen Anpassungen führen zu einer höheren präventiven Wirkung des KG, sie verbessern die Rechtssicherheit und die Effizienz in der Durchsetzung des KG (Verbesserung des Vollzugs) und sie tragen gemeinsam dazu bei, dass der Wettbewerb im Sinne einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung gefördert wird. Volkswirtschaftliche Untersuchungen, die im Rahmen der Evaluation des KG bei Dritten in Auftrag gegeben wurden (u.a.

Hüschelrath, Kai et al. [2009]), haben die gesamtwirtschaftlichen Vorteile aufgezeigt, die mit der Erweiterung des kartellrechtlichen Instrumentariums im Jahr 2003 verbunden sind. Die hier vorgeschlagenen Änderungen werden den volkswirtschaftlichen Nutzen des Erlasses weiter verbessern, indem sie kritische, in der Evaluation zu Tage getretene Punkte aufgreifen und einer Neuregelung zuführen.

Institutionenreform Eine hohe Legitimation des Kartellrechts und seiner Vollzugsbehörden ist ein zentraler Aspekt im modernen Wirtschaftsleben. Die grundlegenden Absichten des Bundesrates gemäss seinem Evaluationsbericht in Erfüllung von Artikel 59a KG sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Sie zielten auf die Stärkung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden gegenüber Interessenorganisationen, die Verfahrensbeschleunigung, die Klärung der Rolle von Sekretariat und WEKO (sei es durch die Schaffung einer Einheitsbehörde, sei es durch institutionelle Trennung) und schliesslich die Offenheit der institutionellen Regelungen für den Einbau von Sanktionen gegen natürliche Personen. Mit den hier vorgelegten Vorschlägen werden diese Zielsetzungen soweit berechtigt erreicht und der Vollzug des KG verbessert.

Erstens wird sichergestellt, dass die relevanten Entscheide in der schweizerischen Wettbewerbspolitik durch unabhängige Instanzen gefällt werden, deren personelle Zusammensetzung zweckmässig ist, weil darin wirtschaftliches und juristisches Wissen ebenso vertreten sind wie Erfahrungen aus dem praktischen Wirtschaftsleben. Die Stärkung der Unabhängigkeit und der höhere Beschäftigungsgrad gewisser Richterinnen und Richter werden es erlauben, eine hohe Entscheidqualität zu erreichen. Damit kann die volkswirtschaftliche Wirkung des Kartellgesetzes verbessert werden.

Die Kürzung des Instanzenzuges von heute vier
(untersuchendes Sekretariat, entscheidende WEKO, Bundesverwaltungsgericht, Bundesgericht) auf drei (untersuchende Wettbewerbsbehörde, entscheidendes Wettbewerbsgericht, Bundesgericht) involvierte Behörden wird das Verfahren bis zum Vorliegen eines letztinstanzlich geprüften Entscheids verkürzen Dies dient den Interessen aller wirtschaftlichen Akteure und letztlich auch der Investitionssicherheit.

Im Weiteren wird die gewünschte Klärung der Rollen von Sekretariat und Kommission erreicht und mit der Einschaltung eines Gerichts in erster Instanz ergäbe sich eine Symmetrie beim Instanzenzug, sollte zum Vorgehen gegen Unternehmen auch 3984

ein strafrechtliches Vorgehen gegenüber den an der Abrede beteiligten Personen hinzukommen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201267 zur Legislaturplanung angekündigt

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Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit

Die vorgeschlagenen Bestimmungen stützen sich auf Artikel 96 Absatz 1 der Bundesverfassung. Danach erlässt der Bund Vorschriften gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen.

In der Vernehmlassung zu Diskussionen Anlass gab das in Artikel 5 E-KG vorgesehene Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit. Namentlich wurde vorgebracht, dass im Unterschied zum geltenden Kartellgesetz neu bei den Teilkartellverboten auf die blosse Form abgestellt werde und dass damit generell Wettbewerbsabreden verboten würden, ohne dass in jedem Fall die Schädlichkeit ihrer Auswirkungen beziehungsweise die Erheblichkeit der Wettbewerbsbeschränkung gegeben sein müsse. Diese Bedenken können wie folgt entkräftet werden: In Artikel 96 Absatz 1 BV wird der Bund ermächtigt, Vorschriften gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen zu erlassen, wenn diese volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen zeitigen (vgl. auch den Zweckartikel Art. 1 KG). Dabei ist laut Botschaft zur neuen Bundesverfassung zu beachten, dass der Gestaltungsspielraum des Kartellgesetzgebers beträchtlich ist: Insbesondere «kann er auch partiell das Mittel des Kartellverbotes einsetzen»; Artikel 96 BV lässt es nur nicht zu, «dass Wettbewerbsabreden schon als solche generell untersagt werden»68.

Auch das Bundesgericht bestätigte, Artikel 96 BV schliesse partielle Verbote von nachweislich besonders schädlichen Abreden oder Verhaltensweisen nicht aus (selektive Per-se-Verbote); die BV lasse nur, aber immerhin, kein generelles Kartellverbot mit Erlaubnisvorbehalt zu69. In diesem Sinne hielt auch schon die Botschaft zum KG 1995 fest, dass die Befugnis, KG-Vorschriften zu erlassen, sicher nicht so zu verstehen sei, dass schädlichen «Auswirkungen immer erst dann entgegengetreten werden kann, wenn sie konkret aufgetaucht sind. Vielmehr dürfen auch vorbeugende gesetzgeberische Massnahmen getroffen werden, um das Entstehen schädlicher Auswirkungen zu verhindern». Auch ein selektives Kartellverbot stehe als Mittel zur Bekämpfung schädlicher Auswirkungen mit dem Kartellartikel in Einklang, sofern es «im Gesamtinteresse gerechtfertigt und verhältnismässig» sei:

67 68

69

BBl 2012 607 Botschaft über eine neue BV vom 20.11.1996; BBl 1997 I 1, 301; vgl. auch René Rhinow/Gerhard Schmid/Giovanni Biaggini/Felix Uhlmann, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., Basel 2011, S. 390 f., N 21 und 25.

BGE 135 II 60, 67 E. 3.1.1

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«Aus der Bundesverfassung ergibt sich folglich kein per se-Verbot für kartellrechtliche per se-Tatbestände»70.

Mit der Konzeption der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung, welche «im Ergebnis einem selektiven Kartellverbot recht nahe» kommt71, und mit der Unterstellung der drei «harten» Typen von horizontalen Abreden unter diese Vermutung sowie mit der direkten Sanktionierbarkeit dieser Abreden wurde eine erste Auswahl der schädlichsten Abredetypen getroffen. Mit der Einführung von Artikel 5 Absatz 4 KG im Jahr 2003 hat der Gesetzgeber bewusst zwei spezifische ­ auch in anderen Jurisdiktionen als besonders schwerwiegend erachtete ­ Typen von vertikalen Abreden (Gebietsabschottung und Preisbindung zweiter Hand) den drei «harten» horizontalen Abredetypen gleichgestellt: und dies sowohl bezüglich der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung als auch der direkten Sanktionierbarkeit. Er hat mit anderen Worten die Auswahl der schädlichsten Abredetypen auf fünf ausgedehnt, und zwar als abschliessende Aufzählung, aber unter gewolltem Einbezug auch der zwei vertikalen Abredetypen.

In Umsetzung der Vorgaben der Verfassung und des Gesetzgebers von 1995 und 2003 beschränkt sich das neu vorgesehene grundsätzliche Verbot ausschliesslich auf die fünf bereits im bestehenden Gesetz als besonders gravierende Wettbewerbsbeschränkungen qualifizierten «harten» Kartellabredetypen. Massgebend ist dabei nicht etwa die äussere Form der Abrede, sondern deren konkreter Inhalt: Betroffen sind horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie vertikale Preisbindungen im Sinne von Mindest- und Festpreisen und absoluter Gebietsschutz. Es handelt sich somit nicht um ein generelles Kartellverbot, sondern um ein selektives beziehungsweise partielles Verbot, also ein Teilkartellverbot. Dieses Teilverbot ist darüber hinaus selbst für diese fünf Abredetypen nicht als absolutes beziehungsweise Per-se-Verbot ausgestaltet, denn die Rechtfertigung aus Gründen der ökonomischen Effizienz selbst einer solch harten Abrede bleibt stets möglich. Anders gewendet: Kann im Einzelfall eine harte Kartellabrede nicht ökonomisch gerechtfertigt werden, so geht das KG davon aus, dass sie volkswirtschaftlich oder sozial schädlich und deshalb entsprechend verboten ist.

Der unterschiedlichen Schädlichkeit bestimmter Abredetypen (wie z. B. horizontaler
und vertikaler) wie auch konkreter Abreden (wie z. B. marktumfassender oder in der Praxis kaum umgesetzter) wird auf verschiedenen Ebenen Rechnung getragen: Einerseits ist die Rechtfertigung einer vertikalen Abrede zumeist einfacher als diejenige einer horizontalen. Andererseits bemisst sich der Sanktionsbetrag für jede einzelne unzulässige harte Abrede am Einzelfall, und zwar nach der Dauer und der Schwere des konkreten Verhaltens (bisher Abs. 1 von Art. 49a KG, künftig Abs. 2).

Schliesslich ist bei der Festsetzung der Sanktion das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu beachten (Art. 2 Abs. 2 KG-Sanktionsverordnung), was im Einzelfall zu einer bloss symbolischen, allenfalls gar auf null reduzierten Sanktion führen kann.

Der in der Vernehmlassung im Herbst 2011 vorgebrachte Einwand, es werde bei den verbotenen Abreden nur an die Form angeknüpft, erweist sich deshalb als unzutreffend.

Zur Beweislastverteilung ist schliesslich zu bemerken, dass es mit den strafprozessualen Garantien vereinbar ist, in Konstellationen, wie sie hier vorliegen, die Beweislast für das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen den Unternehmen zuzu70 71

Botschaft des Bundesrats zum KG 1995 vom 23.11.1994; BBl 1995 I 468, 634 f.

Rhinow/Schmid/Biaggini/Uhlmann (Fn. 68), S. 390, N 21.

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teilen. Es empfiehlt sich aber, dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, wie dies nunmehr in Artikel 5 Absatz 3 E-KG erfolgt (vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 3 E-KG). Die in der Vernehmlassung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Verteilung der Beweislast sind damit ausgeräumt.

Die gewählte Konzeption eines gesetzlichen Teilkartellverbots der fünf vom Gesetzgeber als schädlichste qualifizierten Abredearten mit Rechtfertigungsmöglichkeit im Einzelfall ist vor dem genannten Hintergrund verhältnismässig und steht im Einklang mit der Bundesverfassung.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Auch weil im Kartellrecht das Auswirkungsprinzip gilt, gibt es im Kartellrecht kaum internationale Verpflichtungen einzuhalten. Eine Ausnahme ist das Luftverkehrsabkommen mit der EU, das in der vorliegenden Revision zu einzelnen redaktionellen Änderungen Anlass gibt.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV. Sie zieht weder neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken noch neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich. Die Mittel, die für die WEKO im Budget des Sekretariates der WEKO vorgesehen waren, werden neu an die Wettbewerbsbehörde überwiesen.

5.4

Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung

Der Bundesbeitrag an die Wettbewerbsbehörde dient der Finanzierung der in Artikel 2 WBBG genannten Aufgaben wie auch zur Abgeltung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Betriebskosten. Die Erfüllung dieser der Wettbewerbsbehörde übertragenen Aufgaben, die der Anwendung des KG und somit der Gewährleistung und Sicherstellung des Wettbewerbs dienen, liegt im Interesse des Bundes. Aus Sicht der Wettbewerbsbehörde handelt es sich um Aufgaben, die ihr gesetzlich zugewiesen werden. Die Wettbewerbsbehörde hat keine Möglichkeit, die mit der Aufgabenerfüllung zusammenhängende finanzielle Belastung selbst auszugleichen.

Es bestehen für sie keine ausreichenden, vom Bund unabhängigen Finanzierungsmöglichkeiten. Will der Bund die Anwendung des KG und wirksamen Wettbewerb gewährleisten und sicherstellen, muss er der Wettbewerbsbehörde den Grossteil der dafür notwendigen Mittel in Form von Abgeltungen zur Verfügung stellen. Die Voraussetzungen des Subventionsgesetzes (SuG)72, insbesondere betreffend das Erlassen von Bestimmungen über Abgeltungen, sind damit erfüllt.

72

SR 616.1

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5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das bisherige Kartellgesetz enthält bereits mehrere Delegationsnormen (nämlich Art. 6, 20 Abs. 2 sowie 53a Abs. 3 KG). Diese derzeit bestehenden Delegationsnormen werden beibehalten. Aus systematischen Gründen wird allerdings der jetzige Artikel 20 Absatz 2 in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a WBBG überführt. Ferner wird die bisher in Artikel 53a Absatz 3 KG enthaltene Delegationsnorm in Absatz 5 desselben Artikels verschoben und der institutionellen Neuordnung dahingehend angepasst, als dass es nunmehr die Wettbewerbsbehörde ist, die unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat die Gebührenverordnung erlässt. Die einzig neue Delegationsnorm findet sich in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 2 WBBG. Sie erlaubt dem WB-Rat ­ unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat ­ eine Verordnung betreffend Personal der Wettbewerbsbehörde zu erlassen.

In der Botschaft wird an mehreren Stellen eine detailliertere Regelung auf Stufe Verordnung in Aussicht gestellt, etwa bezüglich der Effizienzgründe oder der wichtigen Gründe für eine Fristerstreckung bei der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen. Diese Vorschriften werden gestützt auf die im KG schon bestehenden Delegationsnormen erlassen und werden, soweit möglich, in die vom Bundesrat bereits erlassenen Verordnungen eingegliedert; namentlich zu nennen sind die VKU, die SVKG und die GebV-KG.

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