Rahmenvereinbarung über die Bestimmungen, die in den Unternehmen des schweizerischen Sektors und des gemeinsamen Sektors des Flughafens Basel-Mülhausen zur Anwendung kommen («Accord de méthode») Unterzeichnet im Flughafen Basel-Mülhausen am 22. März 2012 Vom Bundesrat genehmigt am 23. März 2012

Übersetzung1 Die Unterzeichnenden der vorliegenden Vereinbarung, unter Berücksichtigung des französisch-schweizerischen Staatsvertrags vom 4. Juli 19492 über den Bau und Betrieb des Flughafens Basel-Mülhausen in Blotzheim (nachfolgend «Vertrag von 1949» genannt); angesichts des binationalen Charakters des Flughafens Basel-Mülhausen (nachfolgend «Flughafen» genannt); im Bewusstsein, dass der Flughafen wesentlich zur Wirtschaftsdynamik dieser Grenzregion beiträgt, zu der das Elsass, die Nordwestschweiz und der Südwesten von Baden-Württemberg gehören, und dass er als Motor für die Entwicklung der ganzen Region wirkt; im Bewusstsein, dass die Wirtschaftlichkeit der Flughafenplattform Basel-Mülhausen wesentlich vom Engagement und den Investitionen der Unternehmen des schweizerischen Sektors und des gemeinsamen Sektors abhängt (nachfolgend «Unternehmen» genannt); im Bestreben, die Tätigkeit und die hochwertigen Arbeitsplätze in den Unternehmen zu erhalten; in Anbetracht des Entwicklungspotenzials der wirtschaftlichen Tätigkeit am Flughafen; in der Überzeugung, dass eine Erhaltung der Arbeitsplätze und eine dynamische Entwicklung von stabilen und günstigen Rahmenbedingungen sowie einer notwendigen Sicherheit für die Unternehmen abhängen; im Bestreben, einen weiterhin hohen Schutz der Arbeitnehmenden der Unternehmen zu gewährleisten; unter Berücksichtigung des bilateralen Abkommens zur sozialen Sicherheit vom 5. Juni 2003 in Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Harmonisierung der Systeme der sozialen Sicherheit; in Erwägung, dass für die Luftfahrtgesellschaften internationale Bestimmungen betreffend das Arbeitsrecht gelten und diese somit von der vorliegenden Vereinbarung nicht betroffen sind;

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Übersetzung des französischen Originaltextes.

SR 0.748.131.934.92

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Bestimmungen, die in den Unternehmen des schweizerischen Sektors und des gemeinsamen Sektors des Flughafens Basel-Mülhausen zur Anwendung kommen. Rahmenvereinbarung («Accord de méthode»)

angesichts der Nähe und der engeren Verbindungen der Unternehmen zur Schweiz; in Erwägung, dass sich die Praxis der Unternehmen seit der Eröffnung des Flughafens am schweizerischen Arbeitsrecht orientiert und für die Arbeitnehmenden strenge Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit gelten; in Erwägung, dass die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen insgesamt gleichwertig sind mit jenenimfranzösischen Arbeitsrecht; in Erwägung, dass diese Gleichwertigkeit auf dem umfassenden Schutz beruht, der sich aus der Praxis der Unternehmen und dem hohen Lohnniveau ergibt; in Erwägung, dass diese Gleichwertigkeit ausserdem darauf beruht, dass in den vereinbarten Löhnen eine Abfindung im Sinne der obligatorischen Entschädigung bei einer Kündigung eingeschlossen ist, wenn der Vertrag dafür keine spezifische Entschädigung vorsieht; in Erwägung, dass diese Gleichwertigkeit schliesslich auf den Bemühungen der Unternehmen beruht, wirtschaftlich bedingte Kündigungen zu verhindern, deren Zahl möglichst gering zu halten und die entlassenen Arbeitnehmenden soweit möglich in neuer Funktion weiter zu beschäftigen; unter Berücksichtigung des geäusserten Willens der Unternehmen und Arbeitnehmenden oder ihrer Vertretungen, der durch ihre Unterschrift am Ende der vorliegenden Vereinbarung bezeugt wird; legen folgende Bestimmungen fest: Art. 1

Verhandlungsbereich

In allen Unternehmen, die von der vorliegenden Vereinbarung betroffen sind, handeln der Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretungen oder der Arbeitgeber und der Arbeitnehmende (nachfolgend «Vertragsparteien» genannt) eine Vereinbarung oder einen Vertrag aus, der im Einklang mit der Praxis der Unternehmen steht, unter Berücksichtigung der Bereiche und Modalitäten, die in den Artikeln 2 und 3 der vorliegenden Vereinbarung festgelegt sind.

Art. 2

Arbeitszeit

Die Vertragsparteien vereinbaren die Arbeitszeit.

Die Vertragsparteien können entscheiden, dass die Arbeitszeit über einen Zeitraum so angepasst wird, dass Schwankungen im effektiven Tätigkeitsvolumen des Unternehmens berücksichtigt werden.

Die Vertragsparteien achten darauf, dass bei der Praxis der Unternehmen und den Arbeitsverträgen die zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsstunden mit dem Lohn abgegolten werden, einschliesslich Zuschläge aufgrund von Überstunden und aufgrund des vertraglichen Mindestlohns gemäss französischer Gesetzgebung.

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Bestimmungen, die in den Unternehmen des schweizerischen Sektors und des gemeinsamen Sektors des Flughafens Basel-Mülhausen zur Anwendung kommen. Rahmenvereinbarung («Accord de méthode»)

Die Vertragsparteien legen ausserdem die Zahl der jährlich maximal zu leistenden Überstunden fest und achten darauf, dass die Unternehmenspraxis hinsichtlich der effektiv geleisteten maximalen Arbeitszeit dem Recht der Europäischen Union entspricht. Die Vertragsparteien können von den Ausnahmen Gebrauch machen, die in der europäischen Gesetzgebung vorgesehen sind.

Art. 3

Massenentlassungsverfahren

Für Massenentlassungen im Sinne des europäischen Rechts können die Vertragsparteien im Rahmen der nachstehenden Bestimmungen bei Bedarf ein geeignetes Vorgehen festlegen.

Für dieses Verfahren sind folgende Etappen vorzusehen: ­

Rücksprache mit den Arbeitnehmervertretungen oder, falls nicht vorhanden, den Arbeitnehmenden selber, über konkrete Massnahmen, mit denen sich ein Abbau von Arbeitsplätzen und Kündigungen vermeiden liessen;

­

Rücksprache mit den Arbeitnehmervertretungen oder, falls nicht vorhanden, den Arbeitnehmenden selber, über Möglichkeiten, die entlassenen Arbeitnehmenden in einer anderen Funktion weiter zu beschäftigen.

­

Ausarbeitung eines Sozialplans;

Zusätzlich sind folgende Bestimmungen zu beachten: ­

Verbot missbräuchlicher Kündigungen;

­

Darlegen der Gründe für die Entlassung auf Nachfrage des Arbeitnehmenden;

­

Kündigungsabfindung für die Arbeitnehmenden, falls der Vertrag dies vorsieht;

­

individuelle Benachrichtigung der Arbeitnehmenden über ihre Entlassung;

­

Einhalten der Fristen zur Unterbreitung von Vorschlägen für die einzelnen betroffenen Arbeitnehmenden.

Die Arbeitnehmervertretungen oder, falls nicht vorhanden, die Arbeitnehmenden selber sowie die zuständigen Verwaltungsstellen der Unterzeichnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung müssen über das Restrukturierungsprojekt und den Stellenabbau informiert werden, wobei der Unternehmenspraxis Rechnung zu tragen ist.

Art. 4

Lösung individueller Konflikte

Die Vertragsparteien verpflichten sich, für Konflikte im Rahmen des Arbeitsverhältnisses einvernehmliche Lösungen zu suchen. Falls eine Streitigkeit nicht einvernehmlich ausgeräumt werden kann, nehmen sie eine gemeinsame Mediation der Unterzeichnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung in Anspruch.

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Bestimmungen, die in den Unternehmen des schweizerischen Sektors und des gemeinsamen Sektors des Flughafens Basel-Mülhausen zur Anwendung kommen. Rahmenvereinbarung («Accord de méthode»)

Art. 5

Begleitung durch die Verwaltungsstellen der Unterzeichnerstaaten

Die Verwaltungsstellen der Unterzeichnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung unterstützen die Vertragsparteien im Hinblick auf die Aushandlung eines Vertrags gemäss Artikel 1.

Die Arbeitsaufsicht in Bezug auf die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Arbeitnehmenden erfolgt durch die zuständigen Verwaltungsstellen der Unterzeichnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung unter Berücksichtigung der Praxis der Unternehmen.

Art. 6

Unterzeichnende der Vereinbarung oder des Vertrags

Die Vereinbarung oder der Vertrag im Sinne von Artikel 1 ist gültig, falls diese resp.

dieser vom Arbeitgeber oder seiner Vertretung und vom Arbeitnehmenden oder einer von den Arbeitnehmenden anerkannten Vertretung unterzeichnet ist.

Unterzeichnet im Flughafen Basel-Mülhausen am 22. März 2012 Unterzeichnende: ­ für Frankreich: Herr Xavier Bertrand, Arbeitsminister; Herr Philipp Richert, Minister für Gebietsköperschaften und Präsident der Region Elsass; Herr Jean-Marie Bockel, Senator des Oberrheins und Präsident von Mülhausen Elsass Agglomeration; Herr Charles Buttner, Präsident des Generalrates Oberrhein; Herr Roland Igersheim, Bürgermeister von Hésingue und Präsident der Gemeindevereinigung der drei Grenzen; ­ für die Schweiz: Herr Didier Burkhalter, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten; Herr Peter Zwick, Regierungspräsident des Kantons Basel-Landschaft; Herr Christoph Brutschin, Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt; ­ für den Flughafen: Herr Jean-Pierre Lavielle, Präsident des EuroAirport; ­ Unternehmensvertreter: Herr Thomas Staehelin, Präsident der Handelskammer beider Basel; Herr Martin Dätwyler, Geschäftsführer Wirtschaftspolitik, Handelskammer beider Basel; ­ Vertreter von Gewerkschaften: Herr Dunkel, Präsident PUSH; Herr Gschwind, SKV/KV Schweiz; Herr Zurin, VPOD; ­ zahlreiche Unternehmen.

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