Weiterentwicklung der Aufsichtsinstrumente und der Organisation der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Empfehlungen 3 und 6 sowie des Postulats 1 (10.3389/10.3628) der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrats und des Ständerats vom 23. Mai 2012

Sehr geehrte Herren Kommissionspräsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Zu den Empfehlungen 3 und 6 sowie zum Postulat 1 (10.3389/10.3628) der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrats und des Ständerats (GPK) gemäss ihrem Bericht «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» vom 30. Mai 2010 erstatten wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgenden Bericht.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Kommissionspräsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Mai 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0762

5785

Zusammenfassung Der Bundesrat würdigt im vorliegenden Bericht die Weiterentwicklung der Aufsichtsinstrumente und der Organisation der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Nachgang zur Finanzkrise und im Rahmen der Schaffung einer sektorübergreifenden Finanzmarktaufsicht. Der Bundesrat erfüllt damit die Empfehlungen 3 und 6 der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrats und des Ständerats (GPK) gemäss ihrem Bericht «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» vom 30. Mai 2010.

Zugleich beantwortet er das Postulat 1 (10.3389/10.3628) der GPK zum Einsatz der Prüfgesellschaften in der Bankenaufsicht.

Die FINMA hat ihr Aufsichtskonzept zur Steigerung der Effektivität und Effizienz ihrer Aufsichtstätigkeit angepasst. Anhand eines risikoorientierten Aufsichtskonzepts bestimmt die FINMA, welches Aufsichtsinstrument sie mit welcher Intensität bei einer Bank verwenden will. Das erlaubt ihr, ihre Ressourcen entsprechend dem Risikopotenzial einer Bank einzusetzen. Massgeblich für die Wirksamkeit des risikoorientierten Aufsichtsansatzes ist die Fähigkeit der FINMA, die Risiken zu erkennen.

Das setzt eine Auseinandersetzung mit dem Einzelinstitut sowie ein Verständnis für sein Geschäftsmodell voraus.

Mit der Zusammenführung der Bankenaufsicht in einen Geschäftsbereich schafft die FINMA die Basis für eine integrierte Arbeitsweise. Der Bundesrat begrüsst die Massnahmen der FINMA, den Informationsaustausch innerhalb des Geschäftsbereichs «Banken», insbesondere auch durch den Aufbau eines Wissensmanagements, weiter zu fördern.

Die FINMA hat die eigene Überwachungstätigkeit durch Vor-Ort-Kontrollen und intensivierte Analysetätigkeiten ausgebaut. Diesen Weg gilt es, insbesondere in der Grossbankenaufsicht, konsequent weiterzuverfolgen. Dazu gehören auch die Zusammenarbeit und der Austausch mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sowie mit ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden.

Der Bundesrat begrüsst die von der FINMA eingeschlagenen Stossrichtungen beim künftigen Einsatz der Prüfgesellschaften in der Aufsicht. Der geplante Aufbau der Aufsichtsprüfung mit den Modulen Basisprüfung, Zusatzprüfung und fallbezogene Prüfung ermöglicht der FINMA eine gezieltere Steuerung und Qualitätssicherung der Prüftätigkeit der Prüfgesellschaften. Verstärkte
Aufmerksamkeit der FINMA wird künftig die Koordination zwischen ihrer eigenen Prüftätigkeit und derjenigen durch die Prüfgesellschaften verlangen, um die Vermischung von Verantwortlichkeiten zu vermeiden.

5786

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BankG BBl BPV Bst.

CHF CS EBK EFD FINMA FINMAG FSB ff.

GPK IT IWF Kst GwG OR RAG S.

SNB SR vgl.

UBS USA

Absatz Artikel Bankengesetz vom 8. November 1934 (SR 952.0) Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bundesamt für Privatversicherungen Buchstabe Schweizer Franken Credit Suisse Group AG Eidgenössische Bankenkommission Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007 (SR 956.1) Financial Stability Board fortfolgende Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrats und des Ständerats Informationstechnologie Internationaler Währungsfonds Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei Obligationenrecht (OR; SR 220) Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 2005 (SR 221.302) Seite Schweizerische Nationalbank Systematische Sammlung des Bundesrechts vergleiche UBS AG, United Banks of Switzerland United States of America

5787

Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Aufgabenstellung

Der Bundesrat wurde von den Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrats und des Ständerats (GPK) mit den Empfehlungen 3 und 6 sowie dem überwiesenen Postulat 1 (10.3389/10.3628) ihres Berichts «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» vom 30. Mai 20101 zur Prüfung und Berichterstattung eingeladen. Die Aufträge der GPK an den Bundesrat lauten im Einzelnen: ­

Der Bundesrat wird eingeladen, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) ergriffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und Praktiken zu evaluieren und darüber bis Mitte 2012 Bericht zu erstatten (Empfehlung 3).

­

Der Bundesrat wird ferner beauftragt, die vom Gesetz definierte Rolle der Revisionsfirmen bei der Prüfung von Grossbanken zu überprüfen und über mögliche gesetzliche Massnahmen oder andere Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Revisionsfirmen zugunsten der Bankenaufsicht Bericht zu erstatten (Postulat 1).

­

Der Bundesrat wird schliesslich eingeladen, innert einem Jahr sicherzustellen, dass die Arbeitsprozesse und die neue Organisation der FINMA ihrer Aufgabe angemessen sind, eine gute Kommunikation zwischen den Abteilungen gewährleistet ist und dass der für die Aufsichtsaktivitäten unerlässliche Informationsaustausch erfolgt (Empfehlung 6).

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 18. August 2010 die Annahme des Postulats 1 der GPK beantragt. Darüber hinaus hat er am 13. Oktober 2010 zum Bericht der GPK vom 30. Mai 2010 allgemein Stellung bezogen2 und in einem Schreiben vom 25. Mai 2011 über den Umsetzungsstand der Empfehlungen 3 und 6 sowie des Postulats 1 berichtet. Die GPK hat in ihrem Inspektionsbericht «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» vom 1. Juli 2011 davon Kenntnis genommen3.

Der Bundesrat erfüllt mit dem vorliegenden Bericht die beiden Empfehlungen 3 und 6 der GPK. Zugleich beantwortet er das Postulat 1 der GPK und beantragt dessen Abschreibung.

Die Empfehlung 3 und das Postulat 1 betreffen beide die Aufsichtsinstrumente der FINMA. Sie sind inhaltlich eng mit der Empfehlung 6 zur Organisation der FINMA verbunden. Massnahmen, die die FINMA zur Verbesserung der Aufsichtsinstrumente und der Aufsichtspraktiken ergreift, wirken sich direkt auf die Arbeitsprozesse und die Organisation der FINMA aus und umgekehrt. Aus diesem Grund erfolgt die Berichterstattung an die GPK durch einen einzigen Bericht.

1 2 3

BBl 2011 3099 ff.

Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Oktober 2010 zum GPK-Bericht vom 30. Mai 2010, BBl 2011 3459 ff.

BBl 2011 6573 ff.

5788

Der Bundesrat prüft im Rahmen dieses Berichts, ob die Organisation und die Arbeitsprozesse der FINMA entsprechend der Empfehlung 6 der GPK ausgestaltet sind. Angesichts der Organisationsautonomie der FINMA sowie ihrer Unabhängigkeit in der Ausübung der Aufsicht hat sich der Bundesrat eine gewisse Zurückhaltung bei der Umsetzung der Empfehlung aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere, wenn es, wie von der GPK empfohlen, darum geht sicherzustellen, dass Arbeitsprozesse und Organisation der FINMA angemessen sind.

1.2

Eingrenzung des Themas und Zielsetzung des Berichts

Die FINMA nahm mit Inkrafttreten des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007 (FINMAG; SR 956.1) am 1. Januar 2009 inmitten der Finanzkrise ihre Tätigkeit auf. Die neu geschaffene Behörde stand damit während einer finanz- und wirtschaftspolitisch äusserst schwierigen Zeit vor der Herausforderung, ihre Vorgängerbehörden4 zusammenzuführen und eine funktionsfähige, integrierte Finanzmarktaufsicht aufzubauen. Zugleich galt es, die Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen.

Die FINMA legte in sieben strategischen Zielen die Stossrichtungen fest, in der sie ihre Aufsichtstätigkeit innerhalb eines Zeithorizonts von drei Jahren weiterentwickeln will. Der Bundesrat hat die Strategie am 30. September 2009 genehmigt.

Themenschwerpunkte bilden u.a. die Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Aufsicht sowie die Stärkung der Behörde FINMA. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, hat die FINMA zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung ihres Aufsichtsinstrumentariums und ihrer Organisation ergriffen. Einige Massnahmen sind heute umgesetzt, andere befinden sich in unterschiedlichen Phasen der Umsetzung. Dies betrifft insbesondere die Arbeiten der FINMA zum Prüfwesen und zur Stärkung der Rolle der Prüfgesellschaften im Rahmen der Aufsicht.

In seinem Bericht über «das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanzkrise ­ Lehren für die Zukunft, Bericht in Beantwortung des Postulats David (08.4039) und der Motion WAK-N (09.3010)» vom 12. Mai 2010 (Bericht David) hat der Bundesrat die Entscheide und das Verhalten der FINMA während der Finanzkrise eingehend geprüft und die notwendigen Lehren gezogen. Der Bundesrat hat sich in diesem Zusammenhang mit verschiedenen Fragestellungen rund um die FINMA auseinandergesetzt, unter anderem auch mit ihrer Organisation, ihren Ressourcen sowie ihren Aufsichtsinstrumenten, und diese im Lichte der Finanzkrise gewürdigt.

Er kam zum Schluss, dass die schweizerischen Aufsichtsbehörden die Finanzmarktkrise im Vergleich zum Ausland gut gemeistert haben. Es habe sich jedoch gezeigt, dass im Vorfeld der Krise innerhalb der Abteilung Grossbankenaufsicht der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) Mängel bestanden. Insbesondere sei es zu wenig oft zu einem systematischen Informationsaustausch gekommen. Als wichtigen Grund für die Finanzmarktkrise erkannte der Bundesrat eine verfehlte
internationale Finanzmarktregulierung. Ein Defizit, das keine noch so umfassende und effiziente Aufsicht zu korrigieren vermöge. Bei der Finanzmarktaufsicht ortete der Bundesrat keinen unmittelbaren Anpassungsbedarf auf Gesetzesstufe. Insbesondere 4

Bei den Vorgängerbehörden handelt es sich um die Schweizerische Bankenkommission (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) sowie die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG).

5789

ergaben die Untersuchungen keinerlei Abhängigkeiten der EBK oder der FINMA von den Beaufsichtigten. Der Bundesrat empfahl der FINMA, das duale Aufsichtssystem im Bereich der Grossbankenaufsicht zu überprüfen. Er begrüsste daher die in den strategischen Zielen der FINMA verankerte Absicht, die eigene Überwachungsintensität zu steigern.

Der Bundesrat richtet seinen Blick im vorliegenden Bericht auf die Beurteilung der Massnahmen der FINMA, die sie im Nachgang zur Finanzkrise und im Rahmen ihrer Integration zu einer sektorübergreifenden Finanzmarktaufsicht in den Bereichen Aufsichtsinstrumente und Organisation ergriffen und umgesetzt hat. Der Schwerpunkt liegt auf den Arbeiten der FINMA zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Banken-, insbesondere der Grossbankenaufsicht. Die Weiterentwicklung der Finanzmarktregulierung im Nachgang zur Finanzkrise bildet nicht Gegenstand dieses Berichts. Ebenfalls keine Beachtung finden die Sanktionsmöglichkeiten der FINMA zur Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Verstössen.

1.3

Erarbeitung und Aufbau des Berichts

Der Bundesrat hat für die Erarbeitung dieses Berichts zuerst die FINMA ersucht, ihm einen Bericht über ihre Arbeitsprozesse, ihre Organisation und über die Massnahmen vorzulegen, die sie zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente getroffen hat. Die FINMA kam diesem Auftrag mit ihrem Bericht vom 21. April 2011 über die «Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Aufsicht» nach, den sie am 2. Mai 2011 veröffentlichte. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat in der Folge einen unabhängigen Experten, Peter Hayward, beauftragt, unter anderem gestützt auf den Bericht der FINMA ein Gutachten zu erstellen.

Peter Hayward war langjährig in unterschiedlichen Funktionen bei der Bank of England und beim internationalen Währungsfonds (IWF) tätig. Er arbeitet heute als unabhängiger Experte auf Mandatsbasis für den IWF und die Weltbank. Sein Gutachten wird auf der Webseite der EFD veröffentlicht.

Der Bundesrat basiert seine Beurteilung der instrumentellen und organisatorischen Anpassungen der FINMA unter anderem auf den Bericht der FINMA vom 21. April 2011 über die «Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Aufsicht» sowie auf das Gutachten von Peter Hayward vom November 2011. Er teilt grundsätzlich die Erkenntnisse und Vorschläge des Gutachters, soweit im Bericht auf das Gutachten Bezug genommen wird.

Der Bericht beginnt mit der Darstellung und Würdigung des risikoorientierten Aufsichtskonzepts der FINMA. Danach gilt es, die organisatorische Neuausrichtung des Geschäftsbereichs «Banken» sowie die Weiterentwicklung des Aufsichtsinstrumentariums zu betrachten. Den Prüfgesellschaften wird angesichts ihrer Bedeutung für die Aufsichtstätigkeit ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Bericht schliesst mit zusammenfassenden Feststellungen zur Weiterentwicklung des Aufsichtsinstrumentariums und der Organisation der FINMA.

5790

2

Risikoorientiertes Aufsichtskonzept

2.1

Bedeutung des Aufsichtskonzepts

Die Finanzmarktaufsicht bezweckt den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger und der Versicherten sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte nach Massgabe der Finanzmarktgesetze5. Die Schaffung der FINMA, einer integrierten Finanzmarktaufsicht, führte zu einer formellen Harmonisierung der Aufsichtsinstrumente und Sanktionen. Auf Grundlage des FINMAG gelten für alle Beaufsichtigten unter dem Vorbehalt der ergänzenden oder abweichenden Regelungen in den jeweiligen Finanzmarktgesetzen6 dieselben Aufsichtsinstrumente7. Die materiellen fachbereichsspezifischen Aufsichtsansätze wurden beibehalten.

In der Schweiz kommt dem Finanzsektor volkswirtschaftlich eine vergleichsweise grosse Bedeutung zu. Darüber hinaus verfügt die Schweiz über zwei im Verhältnis zu ihrer Volkswirtschaft sehr grosse, global tätige Banken. Wie die Finanzkrise gezeigt hat, können von diesen beiden sogenannt systemrelevanten Banken unverhältnismässig hohe Risiken für die Stabilität des Schweizer Finanzsystems und, im Falle ihres Ausfalls, für die gesamte Schweizer Volkswirtschaft ausgehen. Die FINMA steht damit vor der Herausforderung, ihre finanziellen und personellen Ressourcen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags möglichst zielgerichtet, wirksam und effizient zu nutzen, um wesentliche Risiken sowie Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und deren Behebung durchzusetzen.

Das Aufsichtskonzept bestimmt, welches Aufsichtsinstrument die Aufsichtsbehörde mit welcher Intensität bei einem Institut einsetzt. Die FINMA hat ihr Aufsichtskonzept zur Steigerung der Effektivität und Effizienz ihrer Aufsicht angepasst. Neu findet der risikoorientierte Aufsichtsansatz in sämtlichen Aufsichtsbereichen Anwendung. Dieser Ansatz orientiert sich an den Risiken, die von den Beaufsichtigten für Gläubigerinnen, Gläubiger, Anlegerinnen, Anleger und Versicherte sowie für das Gesamtsystem und die Reputation des Schweizer Finanzplatzes ausgehen. Die FINMA teilt die Beaufsichtigten entsprechend ihrer Grösse, ihrer Bedeutung sowie ihrer Risikowirkung Aufsichtskategorien zu und versieht jedes Institut zusätzlich mit einer individuellen Risikobeurteilung, einem Rating.

2.2

Aufsichtskonzept in der Bankenaufsicht

Aufsichtskonzept Die FINMA wendet das risikoorientierte Aufsichtskonzept in der aktuellen Form seit 2010 in der Bankenaufsicht an. Demgemäss werden die Banken einer von fünf Kategorien zugeteilt. Massgebliche Kriterien für die Zuteilung bilden die Höhe der Bilanzsumme, des verwalteten Vermögens, der privaten Einlagen und der erforderlichen Eigenmittel. In die Kategorie 1 fallen die beiden Grossbanken. Die Kategorie 2 umfasst zwei Banken, die Kategorie drei 25, die Kategorie vier 70 und die

5 6 7

Art. 5 FINMAG.

Bankengesetz, Versicherungsaufsichtsgesetz, Kollektivanlagegesetz, Börsengesetz, Geldwäschereigesetz, Pfandbriefgesetz.

Art. 2 und Art. 24 ff. FINMAG.

5791

Kategorie fünf schliesslich 270 Institute. Gemessen an der Bilanzsumme oder am Depotvolumen fallen 85­90 Prozent auf die 29 Banken der Kategorien 1, 2 und 3.

Die FINMA erteilt darüber hinaus jeder Bank ein individuelles Rating, das ihre Einschätzung über deren aktuelle Verfassung widerspiegelt. Das Rating basiert auf quantitativen und qualitativen Elementen8. Es wird in der Regel vierteljährlich überprüft und bei Änderungen im Risikoprofil eines Instituts angepasst.

Würdigung Der risikobasierte Aufsichtsansatz erlaubt einer Aufsichtsbehörde, ihre Ressourcen entsprechend der Bedeutung und der Risiken einer Bank für Gläubigerinnen, Gläubiger, Anlegerinnen und Anleger und das Gesamtsystem einzusetzen. Die FINMA räumt demjenigen Institut, dessen Insolvenz erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems beziehungsweise die Volkswirtschaft haben kann, höhere Priorität in der Aufsichtstätigkeit ein als einem Institut mit niedrigerem Risikopotenzial. Die Kategorie und das Rating bestimmen ausserdem, welche Aufsichtsinstrumente die FINMA bei einer Bank einsetzt und wie die direkte Aufsicht durch die FINMA und die Aufsichtstätigkeit der Prüfgesellschaften zusammenwirken. Die regelmässige Überprüfung des individuellen Ratings eines Instituts ermöglicht der FINMA, Veränderungen in dessen Verfassung zeitnah festzustellen und durch entsprechende Anpassung des Aufsichtsinstrumentariums zu reagieren.

Gutachter Hayward erwähnt, dass bei Aufsichtsbehörden der führenden Finanzplätze die Aufsicht auf dem risikoorientierten Aufsichtsansatz basiert. Auch die Art und Weise, wie die FINMA ihr Aufsichtskonzept ausgestaltet hat, stimmt mit der Ausgestaltung des Ansatzes der Aufsichtsbehörden der Vereinigten Staaten, Kanadas und Europas überein9.

Entscheidend für die Wirksamkeit des risikoorientierten Aufsichtsansatzes ist die Fähigkeit der FINMA, die Risiken zu erkennen. Das setzt eine Auseinandersetzung mit dem Einzelinstitut sowie ein Verständnis für sein Geschäftsmodell und die daraus resultierenden Risiken voraus. Laut Gutachter Hayward bildet nicht nur die Feststellung der aus den Risiken resultierenden Themen, sondern auch die Fähigkeit der FINMA, diese Themen in der Aufsicht tatsächlich zu verfolgen, die Voraussetzung für eine wirksame Umsetzung des Konzepts10. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch
die direkte Kommunikation der FINMA mit dem Einzelinstitut, zum Beispiel im Rahmen von Vor-Ort-Prüfungen11.

Wesentliches Element für eine erfolgreiche Umsetzung des risikobasierten Aufsichtskonzepts ist schliesslich die Qualitätskontrolle. Optimalerweise würde eine eigene Organisationseinheit innerhalb der FINMA diese Tätigkeit ausüben. Auch Gutachter Hayward teilt diese Meinung und empfiehlt, dass diese Aufgabe innerhalb der FINMA allenfalls von der internen Revision, dem Führungsstab oder einem besonders für diese Aufgabe zu schaffenden Team vorgenommen wird12.

8 9 10 11 12

Das Rating stützt sich auf das so genannte CAMEL-System, vgl. dazu das Gutachten von Peter Hayward vom November 2011 (Gutachten Hayward), S. 9.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 9 und S. 10.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 9 f.

Vgl. unten Ziffer 3.2.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 11.

5792

3

Anpassungen in der Aufsicht durch die FINMA

3.1

Organisation der Bankenaufsicht

Anpassungen der Organisation Die FINMA hat die Aufsicht über die Banken neu organisiert. Die gesamte Bankenaufsicht ist seit Mitte 2009 in einem Geschäftsbereich und unter einheitlicher Leitung zusammengefasst. Die Bankenaufsichtsteams wurden nach Institutsgrösse und nach Geschäftstätigkeit gebildet. So bestehen heute neben den beiden Teams für UBS und CS Teams für die Vermögensverwaltungsbanken und Effektenhändler sowie für die Retail-, Geschäfts- und Handelsbanken. Alle Aufsichtsteams erstatten demselben Vorgesetzten, dem Leiter des Bereichs «Banken», Bericht.

Der Geschäftsbereich «Banken» nimmt neben den Aufsichtsfunktionen verschiedene Querschnittsfunktionen wahr, und zwar in den Abteilungen «Risikomanagement» mit den Fachbereichen «Markt- und Kreditrisiken», «Aggregierte Risiken und Szenarioanalyse» und «Kapitalmärkte» sowie den Abteilungen «Solvenz und Kapital» und «Bewilligungen».

Die FINMA hat darüber hinaus verschiedene Massnahmen zur Förderung des Wissens- und Informationsaustausches innerhalb der Bankenaufsicht getroffen. So finden auf institutionalisierter Basis regelmässig Besprechungen statt, an denen Mitglieder der verschiedenen Bankenaufsichtsteams und der Querschnittsabteilungen teilnehmen. Zweck dieser abteilungsübergreifenden Arbeiten ist es, sich in unterschiedlicher Zusammensetzung mit einem Aufsichtsthema auseinanderzusetzen. Auf Basis dieser interdisziplinären Arbeitsweise werden zum Beispiel Analysen ­ insbesondere Quervergleiche ­ erstellt und Vor-Ort-Prüfungen vorgenommen.

Aber auch andere Massnahmen, wie monatliche Informationsveranstaltungen, an denen ein Team aus dem Geschäftsbereich «Banken» ein besonderes Thema vorstellt, sollen den internen Wissensaustausch fördern.

Würdigung Die Verbesserung der Interaktion und des Informationsflusses zwischen den Teams innerhalb der Bankenaufsicht war erklärtes Ziel der organisatorischen Anpassungen durch die FINMA. Wesentlich für die Erreichung dieses Ziels ist nach Auffassung von Gutachter Hayward, dass die gewählte Organisationsform eine einfache vertikale und horizontale Interaktion sowie Kommunikation gewährleistet13. Die Vereinigung der Aufsicht über sämtliche Banken in einem Geschäftsbereich einerseits und die Eingliederung der Querschnittsfunktionen andererseits legen die Grundlage dazu. Die einheitliche Führung des
gesamten Geschäftsbereichs sowie flachere Hierarchien ermöglichen zudem rasches Handeln, falls Schwachstellen bei einem Bankinstitut festgestellt werden.

Massgeblich ist jedoch, dass die Teams auch tatsächlich interagieren und die Informationen austauschen, die zur Verbesserung der Aufsichtsqualität notwendig sind.

Die matrixartige Organisation erfordert ein hohes Mass an Koordination zwischen den Aufsichts- und Querschnittsfunktionen. Sie stellt hohe Anforderungen an die Leitung. Es gilt, die Diskussion und den Informationsaustausch innerhalb eines Teams und unter den verschiedenen Teams zu fördern, damit vorhandenes Fachwissen und der Erfahrungsschatz genutzt werden. Die Bildung von interdisziplinären 13

Vgl. Gutachten Hayward, S. 17.

5793

Gruppen zur Diskussion aktueller Aufsichtsthemen, zur Vornahme von Analysen oder zur gemeinsamen Durchführung von Vor-Ort-Prüfungen stellen wirksame Massnahmen zur Etablierung eines institutionalisierten Informationsflusses dar.

Auch der systematische Aufbau eines Wissensmanagements leistet einen wichtigen Beitrag. Zugleich ist den Arbeitsprozessen sowie allfälligen Schnittstellen sowohl innerhalb des Geschäftsbereichs «Banken» als auch zu anderen Geschäftsbereichen der FINMA entsprechende Bedeutung beizumessen. Diesen integrierten und ganzheitlichen Arbeitsansatz gilt es konsequent weiterzuverfolgen und, wie von der FINMA geplant, mit anderen Aufsichtsbereichen, insbesondere der Versicherungsaufsicht, weiter auszubauen.

Die von Gutachter Hayward vorgeschlagene Massnahme ­ Jobrotation innerhalb der Bankenaufsicht14 sowie zwischen den verschiedenen Geschäftsbereichen der FINMA ­ stellt eine mögliche Variante zur Förderung guter interner Interaktion und Kommunikation dar. In Frage kommen beispielsweise aber auch sogenannte Secondments bei Banken, Prüfgesellschaften, Anwaltskanzleien oder ausländischen Aufsichtsbehörden, wie sie die FINMA schon heute praktiziert.

3.2

Aufsichtsinstrumente

Anpassungen des Aufsichtsinstrumentariums Die konsequente Umsetzung der risikoorientierten Aufsicht hat zu verschiedenen Anpassungen im Aufsichtsinstrumentarium der FINMA geführt. Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerungen in der Bankenaufsicht zusammenfassend skizziert.

Wie die FINMA die Prüfgesellschaften in der Aufsichtstätigkeit künftig einsetzen will, wird aufgrund der Bedeutung der Prüfgesellschaften für die Aufsicht in einem eigenen Kapitel dargestellt15.

Ein zentrales Aufsichtsinstrument bildet der sogenannte Assessment-Letter. Damit teilt die FINMA der beaufsichtigten Bank formell ihre Risikoeinstufung, allfällige Schwachstellen sowie den daraus resultierenden Handlungsbedarf mit. Die Bank kann schriftlich dazu Stellung nehmen. Die Grossbanken und die beiden Banken der Kategorie 2 erhalten jährlich einen Assessment-Letter, die Banken der Kategorie 3 mindestens alle zwei Jahre.

Die FINMA hat die direkte Aufsicht bei den Instituten der Aufsichtskategorien 1, 2 und 3 verstärkt: Sie führt neu themenbezogene Spezialuntersuchungen bei einer oder mehreren Banken (Supervisory Reviews) durch. Die Prüfteams werden abhängig vom Prüfthema zusammengestellt. So nehmen beispielsweise Teams aus Mitgliedern der Bankenaufsicht und der Abteilung «Risikomanagement» Risikobeurteilungen vor. Die Supervisory Reviews ermöglichen der FINMA, sich rasch ein Bild über einen Geschäfts- oder Risikobereich zu machen, und ergänzen die Berichterstattung der Prüfgesellschaften.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Verbesserung der Instrumente zur Früherkennung. Zum einen will die FINMA das Monitoring als Methode zur Erfassung und Eindämmung systemischer Risiken weiterentwickeln. Zum anderen setzt sie heute 14 15

Vgl. Gutachten Hayward, S. 17.

Zu den Anpassungen beim Einsatz der Prüfgesellschaften in der Bankenprüfung, vgl. Ziffer 3.3.

5794

bei den Grossbanken bereits verfeinerte Aufsichtsinstrumente, wie Stresstests und Sensitivitätsanalysen (Building Block Analysis, BBA), ein. Diese Analysen erfolgen unter Einbezug der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Auch Verlustpotenzialanalysen (Loss Potential Analysis, LPA) werden bei den Grossbanken quartalsweise durchgeführt. Die FINMA plant, die Instrumente zur Früherkennung in Zukunft auch bei mittelgrossen Banken einzusetzen.

Die FINMA hat generell ihre Analysetätigkeit verstärkt. Insbesondere macht sie mehr vergleichende Analysen, Quervergleiche, deren Ergebnisse frühzeitiges Angehen von Schwachstellen ermöglichen. Monatlich wird ein detaillierter und vergleichender Grossbanken-Risikobericht erstellt. Im Kapitalmarktbereich umfassen die Analysen heute auch spezifische Geschäfte und Transaktionen.

Schliesslich ist die Bankenaufsicht in zahlreichen wichtigen anderen Bereichen weiterentwickelt und intensiviert worden. Unter anderem wird die Kapitalplanung stärker überwacht ­ bei den Grossbanken monatlich. Zudem wurde das Instrumentarium zur Überwachung des Liquiditätsmanagements der Grossbanken ausgebaut. Es umfasst ein monatliches Liquiditätsmonitoring auf Konzernstufe und seit Mitte 2011 auch auf Ebene Schweizer Stammhaus.

Würdigung Mit der Neuorganisation des Geschäftsbereichs «Banken» hat die FINMA die organisatorische Grundlage für die integrierte und risikobasierte Aufsichtstätigkeit in der Bankenaufsicht gelegt. Sie hat als wichtigsten Schritt ihre Überwachungstätigkeit bei den Banken, insbesondere bei den Grossbanken, ausgebaut. So hat sie 2011 rund einen Drittel ihrer Zeit für Vor-Ort-Kontrollen eingesetzt und gegen 40 Supervisory Reviews, wovon 20 bei den Grossbanken, vorgenommen16. Diese Intensivierung der Überwachungstätigkeit, insbesondere der Prüftätigkeit vor Ort, ist zu begrüssen und konsequent weiterzuverfolgen17.

Die meisten Aufsichtsbehörden führen laut Gutachter Hayward selbst Prüfungen bei den Bankinstituten, insbesondere bei systemrelevanten Banken, durch. Das Ausmass der Prüfungen durch die ausländischen Aufsichtsbehörden ist sehr unterschiedlich.

Die Einsätze reichen von wenigen Tagen über mehrere Wochen bis zur permanenten Stationierung eines Prüfteams vor Ort. Die Vor-Ort-Einsätze können mit oder ohne Ankündigung stattfinden18. Die direkte Aufsicht ist
personalintensiv. Dies ist auch der Grund, weshalb die FINMA in den vergangenen Jahren die im Verhältnis zur Grösse der Grossbanken personalmässig knapp dotierte Grossbankenaufsicht mit zusätzlichem Personal aufgestockt hat. Dabei ist es der FINMA besonders im direkten Nachgang zur Finanzkrise gelungen, qualifizierte Fachleute mit mehrjähriger Erfahrung im Finanzbereich zu gewinnen19.

Die Vor-Ort-Prüfung bedingt ein hinsichtlich Planung, Durchführung, Dokumentation und Berichterstattung gut strukturiertes Konzept. Die Wirksamkeit der Prüfungen hängt nach Auffassung von Gutachter Hayward nicht in erster Linie von der 16 17

18 19

Vgl. Gutachten Hayward, S. 12.

Vgl. die in dieselbe Richtung zielenden Empfehlungen des Financial Stability Board (FSB) in: Peer Review of Switzerland, Review Report of the Financial Stability Board vom 25. Januar 2012 (FSB Peer Review), S. 25.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 15.

Vgl. Das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanzkrise ­ Lehren für die Zukunft, Bericht in Beantwortung des Postulats David (08.4039) und der Motion WAK-N (09.3010), Bericht des Bundesrates vom 12. Mai 2010 (Bericht David), S. 22.

5795

Häufigkeit der Einsätze ab, sondern von der Fachkenntnis und der Erfahrung der Personen, welche die Prüfung durchführen20. Diese Personen müssen je nach Prüfthema fähig sein, im Gespräch mit Fach- und Führungskräften der Bank ihre Fragen mit dem nötigen Nachdruck zu stellen, die erhaltenen Antworten kritisch zu hinterfragen und bei Unklarheit zu insistieren. Dies gilt insbesondere bei den für die Bankenaufsicht zentralen Themen wie dem Risikomanagement, dem Geschäftsmodell und den Führungsprozessen. Die richtige Grundlage dafür ist eine gute Mischung von Mitarbeitenden, das heisst Studienabgängerinnen und -abgängern, in der Aufsicht erfahrene Personen und Spezialistinnen und Spezialisten im jeweiligen Fachbereich mit Praxis- und allenfalls Führungserfahrung21. Mittels Personalentwicklung ist zudem darauf hinzuwirken, dass die FINMA Mitarbeitende auch über längere Zeit halten kann, damit sie von ihrer Erfahrung und ihrem Wissen profitiert.

Die Massnahme der FINMA, die Fachkarriere neben der Führungskarriere als Laufbahnmöglichkeit vorzusehen, erscheint vor diesem Hintergrund überzeugend.

Ferner wurde 2010 bei den Banken der Kategorien 1 bis 3 der «Assessment-Letter» eingeführt und damit ein wichtiges Instrument der risikoorientierten Aufsicht. Die FINMA kommuniziert dem Beaufsichtigten damit ihre Risikosicht und den allfälligen konkreten Handlungsbedarf. Gutachter Hayward empfiehlt, das Instrument streng anzuwenden, die Behebung von kommunizierten Mängeln zu überprüfen und im Unterlassungsfall durchzusetzen22. Auch hier ist die Qualität der Analysen, auf welche die FINMA ihre Risikoeinschätzung stützt, von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit des Instruments. Neben dem Fachwissen und der Erfahrung der Mitarbeitenden müssen Informationen und Daten, auf welche die FINMA ihre Analysen stützt, eine hohe Qualität aufweisen. Die FINMA hat verschiedene Massnahmen in diesem Zusammenhang eingeleitet. Die Banken liefern seit der Finanzkrise gewisse Zahlen täglich, andere Angaben wöchentlich, was die Datenqualität verbessert.

Die FINMA setzt das Instrument des Quervergleichs heute regelmässig ein. Diese Entwicklung ist zu begrüssen. Nach Gutachter Hayward gehört der Quervergleich zum Standardinstrumentarium der Bankenaufsicht, das sich vor allem bei nationalen Vergleichen wirksam verwenden lässt23. Im
Fall von Grossbanken ist seine Aussagekraft jedoch beschränkt, da sich die Mitbewerber ­ abgesehen von der jeweils anderen Schweizer Grossbank ­ im Ausland befinden. In diesem Fall empfiehlt Gutachter Hayward Quervergleiche in enger Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsichtsbehörden, wie mit denjenigen des Vereinigten Königreichs und den USA, vorzunehmen. Zum anderen könne die FINMA allenfalls auch auf das Fachwissen von international tätigen Prüfgesellschaften zurückgreifen24. Schranken für den Austausch bilden aber letztlich die Vertraulichkeit der Daten und die gesetzlichen Vorschriften zu deren grenzüberschreitendem Austausch.

Die intensivere eigene Überwachungs- und Analysetätigkeit der FINMA fördert generell ihre Fähigkeit zur Früherkennung von Risiken. Gutachter Hayward hebt in diesem Zusammenhang insbesondere die häufiger zum Einsatz gelangenden Supervisory Reviews und der intensivere direkte Austausch mit dem Bankmanagement auf allen Führungsebenen hervor25. Ebenso führt die strukturierte risikoorientierte 20 21 22 23 24 25

Vgl. Gutachten Hayward, S. 15 f.

Vgl. auch Bericht David, S. 21 f.

Vgl. Gutachten Hayward, S.13.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 13 f.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 14.

Vgl. Gutachten Hayward, S. 19.

5796

Auseinandersetzung mit einer Bank zwecks Kategorisierung und Bewertung dazu, dass sich die FINMA frühzeitig im Aufsichtsprozess möglichen Risiken der Bank zuwendet. Diese Entwicklung wird auch von Gutachter Hayward wiederholt positiv hervorgehoben. Ferner kommt der Zusammenarbeit mit der SNB im Rahmen der Früherkennung eine wesentliche Rolle zu. Die Interaktion zwischen den beiden Institutionen und der Informations- und Datenaustausch können zur frühzeitigen Erfassung und Eindämmung systemischer Risiken für die Stabilität des Finanzsystems beitragen26.

Auch der regelmässige institutionalisierte Austausch mit ausländischen Aufsichtsbehörden hilft der FINMA, die Tätigkeiten und Geschäftsfelder der Grossbanken ausserhalb der Schweiz besser zu verstehen sowie daraus resultierende Risiken frühzeitig zu erkennen. Die FINMA verfügt über eine langjährige und gute Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden des Vereinigten Königreichs und den USA.

Die Zusammenarbeit umfasst die gegenseitige Teilnahme an Untersuchungen der jeweiligen Partneraufsichtsbehörde sowie die Koordination der laufenden Aufsicht und den Informationsaustausch darüber, allenfalls auch im Rahmen von sogenannten Aufsichtskollegien. Ebenso könnte die gemeinsame Vornahme von themenspezifischen Vor-Ort-Prüfungen mit ausländischen Aufsichtsbehörden einen zusätzlichen Mehrwert für die FINMA ergeben27. Schliesslich ist der gezielte Ausbau der Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden in Ländern, in denen die Grossbanken vermehrt aktiv sind, bilateral oder im Rahmen von Aufsichtskollegien zu empfehlen28.

3.3

Prüfgesellschaften

Problemstellung Die FINMA kann die Prüfung der Beaufsichtigten selbst, durch Dritte oder durch Prüfgesellschaften ausführen29. Die Schweiz setzt traditionell Prüfgesellschaften in der Bankenaufsicht ein30. Als «verlängerter Arm» der FINMA nehmen diese Prüfungen vor Ort vor. Die Prüfgesellschaft wird vom Beaufsichtigten gewählt und bezahlt31. Die FINMA hat die Wahl der Prüfgesellschaft zu genehmigen32. Die Prüfgesellschaft ist ferner nur bei Erfüllung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung zugelassen33. Voraussetzung für die Zulassung bildet unter anderem, dass die Prüfgesellschaft von der Revisionsaufsichtsbehörde nach dem Revisionsaufsichtsgesetz (RAG; SR 221.302) beaufsichtigt wird.

26 27 28 29 30

31 32 33

Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Bericht der Arbeitsgruppe Finanzstabilität vom Februar 2012.

So auch Gutachten Hayward, S. 19 f.

Vgl. ebenso Bericht David, S. 29 f.

Art. 24 FINMAG.

Aufgrund des dualen Aufsichtssystems kann die Anzahl Mitarbeitende bei der Aufsichtsbehörde in Grenzen gehalten werden. Vgl. ausführlich zu den Hintergründen z.B. die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 2. Februar 1934 betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über Banken und Sparkassen (BBl 1934 I 171 ff.).

Art. 24 FINMAG.

Art. 25 Abs. 2 FINMAG.

Art. 26 FINMAG.

5797

Die Prüfgesellschaft berichtet sowohl an das oberste Leitungsorgan der Bank als auch an die FINMA. Stellt sie Verletzungen aufsichtsrechtlicher Bestimmungen oder sonstige Missstände fest, so setzt sie dem Beaufsichtigten eine angemessene Frist zur Behebung. Wird die Frist nicht eingehalten, so informiert die Prüfgesellschaft die FINMA. Bei schweren Verletzungen und Missständen benachrichtigt sie die FINMA unverzüglich34. Die FINMA überprüft die Prüftätigkeit der Prüfgesellschaft35.

Dieses Aufsichtssystem hat unter der Vorgängerbehörde der FINMA, der EBK, bereits Änderungen erfahren. 1998 hat die EBK damit begonnen, Vor-Ort-Prüfungen bei den Grossbanken durchzuführen. Die FINMA hat ihre eigene Überwachungstätigkeit im Nachgang zur Finanzkrise insbesondere bei den Grossbanken stark ausgebaut36.

Die FINMA hat die Rolle der Prüfgesellschaften in der Aufsichtstätigkeit grundsätzlich überprüft, wobei insbesondere die folgenden Themen im Vordergrund standen: ­

Rechnungsprüfung und Aufsichtsprüfung: Ein und dieselbe Prüfgesellschaft nimmt bei einem beaufsichtigten Finanzinstitut in der Regel sowohl die Prüfung nach Obligationenrecht (OR; SR 220) als auch die Prüfung nach Aufsichtsrecht vor. Damit verfügt die Prüfgesellschaft über eine Doppelrolle, die hohe Fachkompetenz der Prüferinnen und Prüfer bedingt und die sich an unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausrichtet.

Die obligationenrechtliche Rechnungsprüfung umfasst im Wesentlichen eine detaillierte, mehrheitlich quantitative Analyse der vergangenen Rechnungsperiode. Die Prüfung soll aufzeigen, ob die Geschäftsvorfälle im Berichtsjahr vollständig und korrekt dargestellt wurden und ob die Fortführung des Unternehmens gewährleistet ist. Prüfthema bildet die Frage, ob der geprüfte Abschluss des Unternehmens im Einklang mit den anwendbaren Vorschriften zur Buchführung und Rechnungslegung erstellt wurde. Die Prüfung erfolgt dabei auf Grundlage der branchenüblichen Standards.

Die Aufsichtsprüfung dagegen konzentriert sich auf die Einhaltung der finanzmarktrechtlichen Bewilligungsvoraussetzungen durch das beaufsichtigte Finanzinstitut.

Im Zentrum steht damit die Frage, ob Strategie, innere Organisation und Ressourcen im Einklang stehen und die leitenden Personen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung bieten. Die Aufsichtsprüfung steht immer im Verhältnis zur Geschäftstätigkeit des Beaufsichtigten und soll ein umfassendes, zukunftsgerichtetes Bild ergeben. Entsprechend diesen unterschiedlichen Ausrichtungen von Rechnungs- und Aufsichtsprüfung eignen sich auch nicht die gleichen Prüfstandards.

­

34 35 36

Unabhängigkeit der Prüfgesellschaft: Neben der oben beschriebenen Doppelrolle bei der Ausübung der Prüftätigkeit kann das direkte Vertragsverhältnis zwischen der Prüfgesellschaft und dem beaufsichtigten Finanzinstitut, das die Prüfgesellschaft beauftragt, in bestimmten Konstellationen zu Interessenkonflikten und zur Gefährdung der Unabhängigkeit führen.

Art. 27 FINMAG.

Art. 28 FINMAG.

Vgl. oben Ziffer 3.2.

5798

­

Qualität der Aufsichtsprüfung: Die Gesamtverantwortung für die Aufsicht über die Banken liegt bei der FINMA. Da die Prüfgesellschaft einen Grossteil der Prüftätigkeiten vor Ort bei den Beaufsichtigten durchführt, ist die Qualität ihrer Berichte und Beurteilungen für die FINMA entscheidend.

Denn der Inhalt und die Qualität der Prüfung können sich insgesamt massgeblich auf die Qualität der Aufsicht über ein Institut auswirken.

Ziele und Massnahmen der FINMA Die FINMA hat gestützt auf eine umfassende Analyse ein Massnahmenpaket zum Prüfwesen mit dem Ziel festgelegt, die Prüfgesellschaften wirksamer und wirtschaftlicher in der Aufsichtsprüfung einzusetzen. Die Neuausrichtung betrifft nicht nur den Einsatz der Prüfgesellschaften bei der Bankenaufsicht, sondern auch bei der Aufsicht über Effektenhändler, Versicherungen und kollektive Kapitalanlagen.

Die FINMA hält am Einsatz der Prüfgesellschaften in der Aufsicht fest. Der risikoorientierte Aufsichtsansatz soll bestimmen, in welchem Umfang und mit welcher Intensität die Prüfgesellschaft Prüfhandlungen vornimmt. Die FINMA plant weiter, stärker Einfluss auf das Prüfmandat zu nehmen und die Prüfstrategie in Absprache mit der Prüfgesellschaft festzulegen. Dazu gehört, dass die FINMA die Prüftätigkeit stärker steuert und die von der Prüfgesellschaft verfolgte Prüfstrategie, wo erforderlich, situationsgerecht verändert. Die Prüfgesellschaft soll die Aufsichtsprüfung zukunftsgerichtet mit Blick auf das Fortbestehen des Beaufsichtigten ausführen.

Dies umfasst auch eine risikoorientierte Einschätzung möglicher Szenarien. Folgende Massnahmen hat die FINMA im Rahmen der Neuausrichtung des Prüfwesens vorgesehen: ­

Stärkere Ausrichtung der Aufsichtsprüfung auf das Geschäftsmodell des Beaufsichtigten: Die Aufsichtsprüfung soll sich stärker am Geschäftsmodell des beaufsichtigten Finanzinstituts ausrichten. Die Prüfung wird aus diesem Grund modular aufgebaut und besteht aus einer Basisprüfung, einer Zusatzprüfung und einer fallbezogenen Prüfung. Die Verwendung der einzelnen Prüfungsmodule, ihr Umfang und ihre Intensität richten sich nach der Aufsichtskategorie und dem Rating ­ der Risikowirkung ­ eines Beaufsichtigten.

Die Basisprüfung ­ die Standardprüfung ­ wird in ihrem bisherigen Umfang und in ihrer Intensität reduziert. Die FINMA macht konkrete Vorgaben zu den Prüfgebieten und zur Prüftiefe. Die Prüfung wird weiterhin jährlich oder in mehrjährigen Intervallen durch die gewählte Prüfgesellschaft vorgenommen. Prüfgebiete sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Betrieb des Beaufsichtigten und die damit verbundenen Bereiche aufbauund ablauforganisatorischer Art.

Die Zusatzprüfung soll durch die gewählte Prüfgesellschaft punktuell dort erfolgen, wo sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen oder der jeweiligen Risikosituation Bedarf für zusätzliche Prüfungen ergibt. Damit kann die FINMA die Prüfschwerpunkte entlang der jeweiligen Aufsichtskategorie und dem Rating eines Finanzinstituts gezielter steuern.

Schliesslich plant die FINMA, künftig Prüfbeauftragte auf Kosten des Beaufsichtigten fallbezogen einzusetzen. Diese Prüfbeauftragten sollen ergänzende Prüfungen vornehmen, spezielle Sachverhalte abklären oder institutsübergreifende Themen untersuchen. Die fallbezogene Prüfung 5799

kommt bei Bedarf von Spezialwissen oder bei Vorliegen eines aussergewöhnlichen Ereignisses zur Anwendung. Die Prüfgesellschaft oder ein Dritter soll die Prüfung durchführen. Durch den Einbezug von Dritten erhofft sich die FINMA ausserdem eine Öffnung des Markts für neue Anbieter aufsichtsrechtlicher Dienstleistungen und der Ausbau der Geschäftstätigkeit bestehender kleiner Prüfgesellschaften.

­

Klare Rolle und Haltung der Prüfgesellschaft: Die Funktion der Prüfgesellschaft als verlängerter Arm der FINMA erfordert eine andere Haltung und ein anderes Rollenverständnis als in der Rechnungsprüfung. Die FINMA will daher die Aufsichtsprüfung funktional und konzeptionell eindeutig und transparent von der Rechnungsprüfung trennen. Wenn die Komplexität oder die Risikosituation des beaufsichtigten Instituts es erfordern, wie bei den beiden Grossbanken, geht die FINMA weiter und verlangt zwei unterschiedliche Prüfteams mit je einer leitenden Prüferin oder einem leitenden Prüfer für die beiden Prüfungen.

Ferner erwartet die FINMA, dass die Prüfgesellschaft gestützt auf ihre Risikoanalyse des Beaufsichtigten eine Einschätzung über die erforderlichen Prüfgebiete und Prüftiefe abgibt. Die FINMA wird diese Einschätzung ihrer eigenen gegenüberstellen und daraus die jährliche Prüfstrategie ableiten.

Letztere beinhaltet die Definition der Prüfgebiete, die Häufigkeit der Prüfung sowie die Prüftiefe.

­

Unabhängige Prüfgesellschaft ohne Interessenkonflikte: Die Prüfgesellschaft steht in einem Spannungsverhältnis zwischen FINMA und Auftraggeber, dem zahlenden Beaufsichtigten, was ihre Unabhängigkeit tangieren und zu Interessenkonflikten führen kann. Die FINMA darf sich auf die Prüfergebnisse der Prüfgesellschaft nur verlassen, wenn diese ihre Aufgabe frei von fremden Einflüssen wahrnimmt. Die Anforderung des Obligationenrechts37 sowie des Revisionsaufsichtsgesetzes38 an die Prüfgesellschaften sowie die Standesregeln legen Grundlagen für die Unabhängigkeit. Sie gelten für die Aufsichtsprüfung sinngemäss. Darüber hinaus plant die FINMA weitere Massnahmen, um die Unabhängigkeit der Prüfgesellschaften zu stärken und Interessenkonflikten vorzubeugen.

So untersagt die FINMA der Prüfgesellschaft, Arbeiten zu überprüfen, die die Prüfgesellschaft vor Übernahme des Prüfmandats selbst für den Beaufsichtigten ausgeführt hat, beispielsweise im Bereich der internen Revision oder im Rahmen von dessen Bewilligungsverfahren. Ausserdem verlangt die FINMA künftig, dass Prüfgesellschaften während ihres Prüfmandats keine Beratungsdienstleistungen für den Beaufsichtigten erbringen dürfen. Auch die Zusammenarbeit zwischen der internen Revision des Beaufsichtigten und der externen Prüfgesellschaft soll klarer geregelt werden, um die Unabhängigkeit der Prüfgesellschaft zu stärken. Dies erfolgt durch bindende Vorgaben betreffend die transparente Darstellung der Zusammenarbeit und die Würdigung der Prüfungen und Prüfergebnisse der internen Revision. Auch soll der Prüfgesellschaft die Delegation von Prüfaufträgen an die interne Revision untersagt werden.

37 38

Vgl. Art. 728 OR.

Vgl. Art. 11 RAG.

5800

Umsetzung der Massnahmen Die FINMA hat Anfang 2012 mit der Umsetzung der oben skizzierten Neuausrichtung des Einsatzes der Prüfgesellschaften in der Aufsicht begonnen. Die einzelnen Massnahmen sollen, soweit möglich, auf Stufe FINMA-Rundschreiben (FINMARS) festgehalten werden. Konkret bedeutet dies, dass bestehende Rundschreiben zum Prüfwesen von der FINMA überarbeitet, wo möglich zusammengefasst und nach dem üblichen Anhörungsverfahren in einheitlicher Form für alle Aufsichtsbereiche neu erlassen und veröffentlicht werden.

Würdigung Der starke Einbezug der Prüfgesellschaft in die Bankenaufsicht stellt eine Schweizer Eigenheit dar. Die Zusammenarbeit und Aufgabenteilung zwischen Aufsichtsbehörde und Prüfgesellschaft haben sich insgesamt bewährt. Aus diesem Grund erscheint es richtig, dass die FINMA am bestehenden Aufsichtssystem und am Einsatz von Prüfgesellschaften grundsätzlich festhält. Wie die FINMA richtig erkannt hat, sind jedoch wesentliche Änderungen in die Wege zu leiten, um die Qualität der Prüftätigkeit einer Prüfgesellschaft und damit ihren Mehrwert für die Aufsicht zu steigern.

Denn die Qualität der Arbeit der Prüferinnen und Prüfer ist zentral für die Wirksamkeit der Aufsicht. Die FINMA kann die Qualität auf verschiedene Weise beeinflussen, beispielsweise durch Vorgaben an die Prüfgesellschaft beziehungsweise an die leitenden Prüferinnen und Prüfer und die Prüfteams, durch Bestimmung des Prüfinhalts und durch Überwachung der Tätigkeit der Prüfgesellschaft.

Die Umsetzung des risikoorientierten Aufsichtsansatzes sowie die Tatsache, dass die FINMA ihre eigene Überwachungstätigkeit verstärkt hat, setzen die Rahmenbedingungen für den künftigen Einsatz der Prüfgesellschaft in der Aufsichtsprüfung. Der geplante modulartige Aufbau der Prüfung gibt der FINMA insgesamt die Möglichkeit, die Prüftätigkeit durch externe Prüferinnen und Prüfer aus Risikosicht zu steuern und die Prüfstrategie festzulegen. Dies gilt insbesondere für die neu vorgesehenen Module der Zusatzprüfung und der fallbezogenen Prüfung, welche die FINMA entsprechend der Risikowirkung eines Finanzinstituts verwenden will. Dieser spezifische Einsatz der Prüfmodule macht aus Gründen der Wirksamkeit und Ressourceneffizienz Sinn und kann die Qualität der Aufsichtsprüfung insbesondere in der Grossbankenaufsicht verbessern.
Aufgrund der vermehrten Überwachungstätigkeit der FINMA selbst gewinnt die klare Rollenzuweisung zwischen der FINMA und der Prüfgesellschaft an Bedeutung. Dies verlangt von der FINMA eine wirksame Steuerung, Koordination und Organisation der Aufsicht über einen Beaufsichtigten. Vermischung von Prüfaufgaben und Verantwortlichkeiten sind zu vermeiden. Die FINMA ist, wie auch Gutachter Hayward betont39, für die Beurteilung der Risiken und der Angemessenheit der von einem Beaufsichtigten getroffenen Massnahmen zur Risikosteuerung zuständig.

Die Prüfung der Prüfgesellschaft solle sich auf Fakten konzentrieren, wie zum Beispiel auf die Stärken und Schwächen des Riskmanagements und der internen Kontrolle. Qualitative Beurteilungen der Prüfgesellschaft wie Risikoanalysen können das Bild zur Risikosituation des Beaufsichtigten vervollständigen, ersetzen aber nicht Beurteilungen, die die FINMA vornimmt. Wesentlich ist gemäss Gutachter

39

Vgl. Gutachter Hayward, S. 12.

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Hayward, dass die FINMA für die Gesamtbeurteilung zuständig ist40. Diese könne nicht an Dritte delegiert werden41.

Die zukunfts- und risikoorientierte Ausrichtung der Aufsichtsprüfung durch die Prüfgesellschaft kann deren Nutzen für die FINMA steigern. Zugleich grenzt die FINMA damit die Tätigkeit der Prüfgesellschaft in der Aufsichtsprüfung von derjenigen in der Rechnungsprüfung ab. Fraglich ist, ob die rein funktionale Trennung der Prüfteams samt ihrem Leiter ausreicht, um die für die Aufsichtsprüfung notwendige Fachkompetenz der Prüfgesellschaft sicherzustellen. Es erscheint daher richtig, dass die FINMA bei den Grossbanken gleichzeitig die personelle Trennung vorschreibt.

Die Bestrebungen der FINMA, die Unabhängigkeit der Prüfgesellschaft vom Beaufsichtigten zu stärken und Interessenkonflikte zu vermeiden, sind zu begrüssen.

Zentral für die Qualität der Prüfergebnisse ist die unabhängige Betrachtungsweise der Prüfgesellschaften. Die Möglichkeit, fallbezogen Prüfaufträge an Dritte zu vergeben, fördert zusätzlich die Unabhängigkeit der Aufsichtsprüfung.

Wichtig erscheint schliesslich die Überwachung der Tätigkeit der Prüfgesellschaften und die Kontrolle der Qualität ihrer Prüfung42. Die FINMA nimmt gemäss den von ihr definierten Massnahmen im Prüfwesen indirekt auf verschiedene Weise Einfluss auf die Qualität der Prüfberichte und Prüfergebnisse, so beispielsweise durch Festlegung der Prüfstrategie und Erteilung eines Auftrags zur Zusatzprüfung. Insgesamt bleibt auch die direkte Steuerung und Überwachung der Tätigkeit der Prüfgesellschaft für deren wirksamen Einsatz von Bedeutung.

4

Schlussfolgerungen

Die FINMA hat im Nachgang zur Finanzkrise zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und ihrer Organisation ergriffen. Verschiedene dieser Massnahmen dienen zugleich dazu, eine integrierte Schweizer Finanzmarktaufsicht zu schaffen.

Mit der Ausrichtung ihrer Aufsicht auf das risikoorientierte Aufsichtskonzept legt die FINMA die Grundlage für einen effizienten und wirksamen Einsatz ihrer personellen sowie finanziellen Ressourcen. Finanzinstitute, von denen höhere Risiken für die Stabilität des Finanzsystems ausgehen, verlangen nach einer intensiveren Aufsicht als solche mit niedrigerem Risikopotenzial. Es überzeugt, dass die Risikowirkung einer Bank bestimmt, welches Aufsichtsinstrument die FINMA mit welcher Intensität einsetzt.

Die FINMA hat die eigene Überwachungstätigkeit in der Bankenaufsicht ausgebaut.

Sie hat generell ihre Analysetätigkeit verstärkt, kommuniziert dem Beaufsichtigten ihre Risikoeinschätzung und nimmt vermehrt Vor-Ort-Prüfungen, insbesondere bei den Grossbanken, vor. Der Bundesrat begrüsst diese Entwicklung und empfiehlt der FINMA, auf diesem Weg konsequent weiterzugehen und vermehrt die Überwachungstätigkeit ­ wie unter Ziffer 3.2 beschrieben ­ selbst auszuüben. Die intensive Auseinandersetzung mit der Bank, ihrem Geschäftsmodell, ihren Risiken sowie 40 41 42

Vgl. Gutachter Hayward, S. 8.

Vgl. ebenso die Empfehlungen des FSB, FSB Peer Review, S. 25.

Vgl. die in ähnliche Richtung zielenden Empfehlungen des FSB, FSB Peer Review, S. 25.

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ihrem Risikomanagement schärft die Fähigkeiten der FINMA in der Früherkennung.

Auch die Zusammenarbeit und der Austausch mit der SNB und mit ausländischen Aufsichtsbehörden tragen dazu bei, weshalb diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen ist.

Mit den Anpassungen in der Organisation der Bankenaufsicht schuf die FINMA die Voraussetzungen für eine institutionalisierte interdisziplinäre Arbeitsweise. Der Bundesrat unterstützt die Massnahmen der FINMA, die den Informationsaustausch innerhalb des Geschäftsbereichs «Banken» sowie innerhalb der FINMA generell fördern. Auch der Aufbau eines Wissensmanagements ist in diesem Zusammenhang zentral. Gute Interaktion und Kommunikation ist Grundlage für eine integrierte Arbeitsweise, besonders vor dem Hintergrund, dass die FINMA vermehrt selbst die Überwachungstätigkeit ausübt. Zugleich ist auch den Arbeitsprozessen die entsprechende Bedeutung beizumessen.

Der Bundesrat begrüsst die von der FINMA definierten Ziele und Massnahmen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Prüfgesellschaften in der Aufsicht. Die geplanten Massnahmen werden insgesamt dazu beitragen, dass die FINMA einen grösseren Mehrwert von der Tätigkeit der Prüfgesellschaften hat. Der geplante modulartige Aufbau der Aufsichtsprüfung ermöglicht der FINMA, fall- und ereignisbezogene Prüfaufträge ergänzend zur Standardprüfung zu vergeben, allenfalls sogar an Dritte.

Damit übernimmt die FINMA die Steuerung der Prüfstrategie und der Prüfthemen.

Auch die vorgesehenen Massnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Prüfgesellschaft, zur Qualitätssicherung und zur Vermeidung von Interessenkonflikten führen zu einer klareren Definition der Rolle und des Auftrags der Prüfgesellschaft.

Verstärkte Aufmerksamkeit wird dagegen die Koordination zwischen der Prüftätigkeit, die die FINMA selbst ausübt, und derjenigen durch die Prüfgesellschaften verlangen, um die Vermischung von Verantwortlichkeiten in der Prüftätigkeit zu vermeiden.

Wesentlich bleibt jedoch die Fähigkeit der FINMA, die Risiken und Fehlentwicklungen bei einem Beaufsichtigten anhand der ihr zur Verfügung stehenden Aufsichtsinstrumente frühzeitig zu erkennen und deren Behebung durchzusetzen. Dazu braucht die FINMA fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über die notwendige Qualifikation und Branchenerfahrung verfügen. Der Bundesrat unterstützt
deshalb personalentwicklungspolitische Massnahmen der FINMA, wie die Einführung verschiedener Karrieremodelle, um qualifizierten Mitarbeitenden eine attraktive, langfristige Perspektive bei der FINMA zu bieten.

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