12.088 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Tschechien vom 21. November 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Protokolls vom 11. September 2012 zur Änderung des Abkommens vom 4. Dezember 1995 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht Das Abkommen zwischen der Schweiz und Tschechien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wurde am 4. Dezember 1995 unterzeichnet und seither nicht revidiert.

Im Zuge der vom Bundesrat am 13. März 2009 geänderten Abkommenspolitik zum Informationsaustausch nahmen die Schweiz und Tschechien 2011 Verhandlungen auf, um das Doppelbesteuerungsabkommen mit einer Bestimmung nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zu ergänzen. Das geltende Abkommen enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch beschränkt auf Informationen, die zur ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens notwendig sind.

Nebst der Vereinbarung einer Bestimmung über den Informationsaustausch in Steuersachen nach dem internationalen Standard konnte das Abkommen auch in anderen Punkten an die heutige Abkommenspolitik der Schweiz angepasst werden.

Zu erwähnen ist namentlich die Quellensteuerbefreiung von Dividenden aus Beteiligungen von mindestens 10 Prozent mit einer Mindesthaltedauer von einem Jahr und von Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und die Nationalbank.

Das Änderungsprotokoll wurde am 11. September 2012 in Prag unterzeichnet.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Protokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz schon immer den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Tschechien besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.974.31, DBA-CZ). Es wurde am 4. Dezember 1995 unterzeichnet und bislang nicht revidiert.

Nachdem der Bundesrat am 13. März 2009 mit seinem Beschluss, den Vorbehalt der Schweiz gegenüber dem Informationsaustausch gemäss OECD-Musterabkommen zurückzuziehen, eine Änderung der schweizerischen Abkommenspolitik eingeleitet hatte, trat Tschechien mit dem Wunsch an die Schweiz heran, das DBA-CZ mit einer Bestimmung nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zu ergänzen. Das DBA-CZ enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch, beschränkt auf Informationen, die zur ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens notwendig sind.

Das Protokoll zur Änderung des DBA-CZ (Änderungsprotokoll) wurde am 11. September 2012 in Prag unterzeichnet. Es enthält nebst der neuen Bestimmung über den Informationsaustausch in Steuersachen insbesondere eine Bestimmung über die ausschliessliche Besteuerung von Dividenden aus Beteiligungen von mindestens 10 Prozent bei einer Haltedauer von einem Jahr und von Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und die Nationalbank im Ansässigkeitsstaat, eine Bestimmung über die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen an die Vorsorge im anderen Vertragsstaat sowie die Verpflichtung Tschechiens, mit der Schweiz in

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Verhandlungen zu treten, falls Tschechien eine Schiedsklausel in einem Doppelbesteuerungsabkommen mit einem Drittstaat vereinbart hat.

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Würdigung

Die Quellensteuerbefreiung für Dividenden an Gesellschaften aus Beteiligungen von mindestens 10 Prozent nach mindestens einem Jahr Haltedauer vermeidet eine steuerliche Belastung der Dividenden in Konzernverhältnissen mit einer Schweizer Muttergesellschaft. Die an Vorsorgeeinrichtungen oder die Nationalbanken gezahlten Dividenden kommen generell in den Genuss einer Quellensteuerbefreiung, was die grenzüberschreitenden Investitionen dieser institutionellen Investoren erleichtert.

Zur Verhinderung von Missbräuchen wurde eine Bestimmung aufgenommen, die die Konsultation der zuständigen Behörden bei Verdacht auf Missbrauch vorsieht.

In Abweichung von seiner steten und langjährigen Abkommenspolitik war Tschechien bereit, der Schweiz gegenüber auf die Qualifikation der Dienstleistungserbringung als Betriebstätte im Sinn des Abkommens zu verzichten.

Sollte Tschechien künftig mit einem andern Staat eine Schiedsklausel in einem Doppelbesteuerungsabkommen vereinbaren, so ist Tschechien zur Aufnahme von Verhandlungen über die Aufnahme einer solchen Bestimmung in das DBA-CZ verpflichtet. Damit kann sichergestellt werden, dass die Schweiz in diesem Bereich nicht schlechter gestellt wird als andere Staaten.

Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch erfüllt, mit Ausnahme des materiellen Geltungsbereichs, die Eckwerte des Bundesrates und schränkt den Informationsaustausch auf konkrete Ersuchen ein. Die Anforderungen an Amtshilfegesuche entsprechen der am 13. Februar 2011 vom Bundesrat beschlossenen Anpassung an den internationalen Standard.

Im vorliegenden Änderungsprotokoll konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen wird. Die Kantone und interessierten Wirtschaftsverbände haben das Änderungsprotokoll begrüsst.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll ändert und ergänzt die erwähnten Bestimmungen im DBA-CZ. Nachfolgend wird der wesentliche Inhalt dieser Änderungen dargelegt.

Art. I des Änderungsprotokolls betreffend Art. 4 DBA-CZ (Ansässige Person) Die Revision wurde dazu genutzt, die Ansässigkeitsbestimmung an den aktuellen Wortlaut des OECD-Musterabkommens anzupassen. Neu wird explizit festgehalten, dass die Vertragsstaaten und ihre politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften auch vom Ansässigkeitsbegriff erfasst werden. Weiter wurde im Protokoll zum Abkommen festgehalten, dass auch juristische Personen, die in einem der Vertragsstaaten errichtet, aber von der Besteuerung ausgenommen sind, als ansässige Personen gelten (Ziff. 1). Diese Bestimmungen dienen lediglich der Präzisie9604

rung, denn in der Schweiz gelten solche Personen auch ohne eine entsprechende Bestimmung nach innerstaatlichem Recht als ansässig für Zwecke der Doppelbesteuerungsabkommen, auch wenn diese aufgrund der von ihnen verfolgten Zwecke von der Steuerpflicht ausgenommen sind.

Art. II des Änderungsprotokolls betreffend Art. 5 DBA-CZ (Betriebstätte) Nach tschechischer Auffassung begründen Unternehmen, die ausschliesslich Aufsichtstätigkeiten im Zusammenhang mit einem Bau- und Montageprojekt erbringen, nach der geltenden Fassung von Artikel 5 DBA-CZ eine Betriebstätte bereits nach 6 Monaten Dauer. Durch die Ergänzung der Bestimmung über die Bau- und Montagebetriebstätte mit der damit zusammenhängenden Aufsichtstätigkeit wird nun sichergestellt, dass für solche Unternehmen eine Betriebstätte auch erst nach 12 Monaten Dauer vorliegt.

Art. III des Änderungsprotokolls betreffend Art. 9 DBA-CZ (Verbundene Unternehmen) Die Schweiz schlug vor, die Bestimmung nach dem Wortlaut des OECD-Musterabkommens neu zu fassen. Tschechien wollte dagegen im Abkommen den Ausschluss einer Korrektur vorsehen in Fällen von Betrug, grobfahrlässigem Vorgehen oder vorsätzlicher Unterlassung und die Korrektur zeitlich befristen. Schliesslich einigten sich die Delegationen auf die Streichung des bisherigen Absatzes 3. Sowohl die Korrektur als auch die Gegenberichtigung sind daher Gegenstand von Konsultationen zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten, mit dem Ziel, eine Einigung über die Berichtigung der Gewinne in beiden Vertragsstaaten zu erlangen.

Art. IV des Änderungsprotokolls betreffend Art. 10 DBA-CZ (Dividenden) Das geltende DBA-CZ sieht einen Residualsteuersatz von 5 Prozent für Beteiligungen von mindestens 25 Prozent sowie von 15 Prozent in allen anderen Fällen vor.

Neu können Dividenden aus direkten Beteiligungen an Gesellschaften von mindestens 10 Prozent des Kapitals nur noch im Ansässigkeitsstaat der an der Dividende nutzungsberechtigten Gesellschaft besteuert werden, vorausgesetzt, die Haltedauer von einem Jahr war im Zeitpunkt der Zahlung der Dividende bereits abgelaufen (Art. 10 Abs. 3 Bst. a). Ist die Haltedauer im Zeitpunkt der Zahlung nicht erfüllt und wird deshalb eine Quellensteuer einbehalten, so kann diese bei späterer Erfüllung der Haltedauer zurückgefordert werden (Ziff. 3 Bst. a des Protokolls
zum Abkommen).

Ausser bei Beteiligungen gilt die ausschliessliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat auch für Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und die Nationalbanken (Art. 10 Abs. 3 Bst. b und c). Als Vorsorgeeinrichtungen gelten in einem Vertragsstaat ansässige Einrichtungen, die in diesem Staat errichtet sind und beaufsichtigt werden, sofern sie steuerlich anerkannt sind und natürliche Personen gegen Alter, Invalidität oder Tod versichern. Einrichtungen gelten als steuerlich anerkannt, wenn die Beiträge der Begünstigten vollständig oder teilweise steuerlich zum Abzug zugelassen sind oder die Beiträge des Arbeitgebers steuerlich nicht vollständig als Einkommen der Begünstigten erfasst werden (Ziff. 3 Bst. b des Protokolls zum Abkommen).

Weiter wird im Protokoll zum Abkommen auch festgehalten, dass kollektive Kapitalanlagen, in welche ausschliesslich Vorsorgeeinrichtungen investieren, gleich 9605

behandelt werden wie die direkte Kapitalanlage durch die Vorsorgeeinrichtungen selbst.

Auf Begehren Tschechiens wurde die Definition der Dividenden angepasst und damit das gemeinsame Verständnis der Schweiz und von Tschechien klargestellt, dass verdeckte Gewinnausschüttungen auch dann als Dividenden gelten, wenn sie beispielsweise aus überhöhten Darlehenszinsen herrühren (Abs. 5). Hintergrund der Änderung ist ein von diesem Verständnis abweichendes Urteil des tschechischen obersten Gerichtshofs.

Art. V des Änderungsprotokolls betreffend Art. 11 DBA-CZ (Zinsen) Die Definition der Zinsen wurde mit dem Ausschluss von Verzugszinsen ergänzt.

Zudem wurde klargestellt, dass Erträge, die als Dividenden gelten, keine Zinsen im Sinn des Abkommens sind. Diese Klarstellung steht im Zusammenhang mit der Anpassung des Dividendenbegriffs.

Art. VII des Änderungsprotokolls betreffend Art. 17 DBA-CZ (Künstler und Sportler) Artikel 17 Absatz 3 sieht eine Ausnahme von der Besteuerung im Tätigkeitsstaat vor, wenn der Auftritt in erheblichem Umfang durch öffentliche Mittel finanziert wird. Die neue Fassung dieses Absatzes präzisiert, dass die Finanzierung zur Anwendung der Ausnahme vollständig oder hauptsächlich aus dem Ansässigkeitsstaat des Sportlers oder der Sportlerin bzw. des Künstlers oder der Künstlerin stammen muss und das Besteuerungsrecht in diesem Fall diesem Staat zukommt.

Art. VIII des Änderungsprotokolls betreffend Art. 23 DBA-CZ (Vermeidung der Doppelbesteuerung) Die Bestimmung wurde an den heute gängigen Wortlaut in beiden Vertragsstaaten angepasst. Tschechien vermeidet die Doppelbesteuerung mittels Anrechnung (Abs. 1 Bst. a). Das innerstaatliche Recht Tschechiens sieht jedoch in gewissen Situationen eine Freistellung der ausländischen Einkünfte vor. Die Anwendbarkeit dieser Regeln unter dem DBA-CZ wird neu ausdrücklich festgehalten (Abs. 1 Bst. c).

In Fall der Schweiz wurde der Besteuerungsvorbehalt für Ruhegehälter aus öffentlichem Dienst gestrichen (Abs. 2 Bst. a). Solche Leistungen unterliegen heute einer Besteuerung in Tschechien. Der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend wird die Gleichbehandlung von Dividenden tschechischer Gesellschaften mit solchen von schweizerischen Gesellschaften auf Ebene der empfangenden schweizerischen Gesellschaft festgehalten (Abs. 2 Bst. c). Der
Beteiligungsabzug ist auf solche Dividenden daher gleichermassen anwendbar. Einer bilateralen Reglung konnte Tschechien nicht zustimmen, da der Beteiligungsabzug für Dividenden ausländischer Gesellschaften in Tschechien besonderen Voraussetzungen unterliegt.

Art. IX des Änderungsprotokolls betreffend Art. 24 DBA-CZ (Gleichbehandlung) Es kommt regelmässig vor, dass Beiträge an die Vorsorge in einem Staat geleistet werden, während das Erwerbseinkommen im anderen Staat besteuert wird. In solchen Situationen besteht das Risiko, dass die Vorsorgebeiträge steuerlich unberücksichtigt bleiben. So koordiniert das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der 9606

Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, SR 0.142.112.681) die Sozialversicherungssysteme der beteiligten Länder (Anhang II zum Freizügigkeitsabkommen). Die Bestimmungen gelten für Staatsangehörige der Schweiz und der Mitgliedstaaten der EU, welche in der Schweiz oder einem EU-Staat arbeiten oder dort gearbeitet haben und danach in ein anderes Land ziehen. Sie sehen grundsätzlich die Unterstellung unter das Sozialversicherungssystem nur eines Staates vor. Da die Koordinierungsbestimmungen des Freizügigkeitsabkommens zur sozialen Sicherheit nicht mit jenen der Doppelbesteuerungsabkommen über die Besteuerung des Erwerbseinkommens übereinstimmen, kommt es regelmässig vor, dass eine Person im einen Staat wohnt und dort die Sozialversicherungsbeiträge leisten muss und im anderen Staat arbeitet, wo sie ihr Erwerbseinkommen versteuert. Im Rahmen der Verhandlungen konnte Einigkeit erzielt werden, dass Beiträge an die Vorsorge im anderen Vertragsstaat im Arbeitsstaat unter gleichen Bedingungen steuerlich berücksichtigt werden sollen wie Beiträge an das Vorsorgesystem in diesem Staat (Abs. 6).

Der neu eingefügte Absatz 7 definiert den Begriff der steuerlich anerkannten Vorsorgeeinrichtung für Zwecke von Absatz 6. In der Schweiz fallen darunter die erste und zweite Säule sowie die Säule 3a. In der Schweiz wird der Abzug der Beiträge an die schweizerischen Sozialversicherungen (einschliesslich berufliche Vorsorge) bereits heute in den Quellensteuertarifen pauschal berücksichtigt. Die geltende schweizerische Praxis erfüllt somit in der Regel den Inhalt der Bestimmung schon heute.

Art. X des Änderungsprotokolls betreffend Art. 26 DBA-CZ (Informationsaustausch) Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz unterstützt die diesbezüglichen Bemühungen.

Mit dem Rückzug ihres Vorbehalts zu Artikel 26 des OECD-Musterabkommens hat sich die Schweiz am 13. März 2009 politisch verpflichtet, den internationalen Standard in diesem Bereich zu übernehmen.

Der vorliegende Artikel 26 übernimmt weitgehend den Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Abweichungen
bestehen hinsichtlich der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen. Diese sind mit dem internationalen Standard vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind die Informationen, die für die Durchführung des Abkommens oder die Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts für sämtliche Steuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sind «Fishing Expeditions» ausgeschlossen. Zudem wird festgehalten, dass der ersuchende Staat gehalten ist, seine eigenen Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er ein Auskunftsersuchen an den anderen Staat stellt. Nicht erforderlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist die Ansässigkeit der steuerpflichtigen Person in der Schweiz oder in Tschechien, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

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Ihrer üblichen Politik entsprechend beabsichtigte die Schweiz, den Informationsaustausch auf die vom Abkommen erfassten Steuern zu beschränken. Damit sollen Überschneidungen mit anderen internationalen Übereinkommen vermieden werden (z.B. mit dem Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, auf dem Gebiet der indirekten Steuern, SR 0.351.926.81). Tschechien weigerte sich jedoch, vom Wortlaut von Artikel 26 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens abzuweichen, und machte den Abschluss der Verhandlungen von dessen Übernahme abhängig. Im Rahmen der Gesamtlösung einigten sich die Delegationen schliesslich auf den Geltungsbereich für sämtliche Steuern.

Absatz 2 befasst sich mit dem Grundsatz der Geheimhaltung. Diese Bestimmung hält fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung oder Entscheidung über Rechtsmittel im Bereich der Steuern befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden. Der letzte Satz sieht die Möglichkeit der Verwendung für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte im Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die entsprechenden Verfahrensrechte zu entziehen.

Damit kann vermieden werden, dass die gleichen Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals eingeholt und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des ersuchten Staates ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht beim Informationsaustausch gewisse Einschränkungen zugunsten des ersuchten Staates vor. Der ersuchte Staat muss weder Verwaltungsmassnahmen durchführen, die über seine eigenen Gesetze und seine eigene Verwaltungspraxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis
des ersuchenden Staates nicht zulässig wären. Im Fall der Schweiz bedeutet dies, dass das rechtliche Gehör gewahrt bleibt. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des einen oder des anderen Vertragsstaates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die ausgetauschten Informationen vom ersuchenden Staat nicht ausreichend geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Informationen ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht nur auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Vertragsstaates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen zu Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden oder die Beteiligungsverhältnisse an Personen betreffen. Solche Informationen sind ungeachtet der Einschränkungen von Absatz 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Informationen auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn sie nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verwei9608

gern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des Strafverfahrens im innerstaatlichen Recht die nötigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der durch Absatz 5 erfassten Informationen. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss Änderungsprotokoll keinen Steuerbetrug mehr voraus. Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, wird mit dem letzten Satz die notwendige rechtliche Grundlage für die Befugnis geschaffen, die ersuchten Informationen zu erlangen.

Die Schweiz wird Tschechien keine Amtshilfe leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht. Dies wurde der tschechischen Delegation anlässlich der Verhandlungen mitgeteilt und von dieser zur Kenntnis genommen.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Ziff. 7) weiter konkretisiert.

Die Bestimmung des Änderungsprotokolls regelt detailliert die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. a). Notwendig sind namentlich, dass die betroffene steuerpflichtige Person identifiziert wird und, soweit bekannt, auch Namen und Adresse der Person (z.B. eine Bank) genannt werden, in deren Besitz die ersuchten Informationen vermutet werden. Auf Begehren von Tschechien ist zusätzlich zu den sonst üblichen Erfordernissen vorgesehen, dass der ersuchende Staat im Ersuchen die Erfüllung des Subsidiaritätsprinzips ausdrücklich bestätigt.

Die Auslegungsregel, einschliesslich des Verbots von «Fishing Expeditions», ist in Buchstabe b festgehalten.

Bis vor Kurzem war gemäss dem internationalen Standard der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. International haben jedoch Diskussionen kürzlich bei der OECD dazu geführt, dass der Standard erweitert wird und konkrete Anfragen auch zugelassen werden, wenn diese auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen aufgrund zahlreicher Indizien davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz wird solche Ersuchen ab dem Inkrafttreten des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 2012 (BBl 2012 8237) beantworten.

Die durch das Änderungsprotokoll eingeführten Bestimmungen
entsprechen dem erweiterten Standard.

Die Verpflichtung eines Vertragsstaats zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustauschs zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht (Bst. c).

Buchstabe d schliesslich hält die Garantie der Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen fest.

Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahres beginnen.

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Art. XI des Änderungsprotokolls betreffend das Protokoll zum Abkommen Nebst den bereits unter den betreffenden Bestimmungen des Änderungsprotokolls erklärten Bestimmungen des Protokolls zum Abkommen werden die bisherigen zwei Ziffern des Protokolls zum Abkommen in den neuen Ziffern 2 und 4 übernommen.

Weiter verpflichtet sich Tschechien der Schweiz gegenüber zur Aufnahme von Verhandlungen über die Vereinbarung einer Schiedsklausel im DBA-CZ, sollte es eine entsprechende Bestimmung in einem Doppelbesteuerungsabkommen mit einem Drittstaat vereinbaren (Ziff. 6 des Protokolls zum Abkommen). Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass die Schweiz in diesem Bereich gleich behandelt wird wie andere Abkommenspartner Tschechiens.

Zur Verhinderung des Missbrauchs des DBA-CZ wurde in Ziffer 8 des Protokolls zum Abkommen eine Verfahrensbestimmung vereinbart. Hat die zuständige Behörde eines der Vertragsstaaten die Vermutung, dass die Gewährung der Vorteile des DBA-CZ in einem spezifischen Fall zu einem Missbrauch des Abkommens führt, so nimmt sie Beratungen mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates auf.

Gestützt auf diese Beratungen kann die zuständige Behörde des ersten Staates die Abkommensvorteile verweigern. Der Entscheid hinsichtlich des Missbrauchs kommt nach dieser Bestimmung schliesslich dem Quellenstaat zu. Die vorgängige Konsultation mit dem anderen Vertragsstaat stellt jedoch sicher, dass ein Missbrauch des DBA-CZ unter Kenntnis aller Tatsachen und mit einer gewissen Zurückhaltung festgestellt wird. Nicht betroffen von diesem Verfahren sind die rechtsanwendenden Behörden in beiden Staaten. Wird jedoch beispielsweise eine Entlastung nach dem DBA-CZ im Einzelfall verweigert, so kann die betroffene Person eine Überprüfung durch die zuständigen Behörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens verlangen (Art. 25 DBA-CZ), in welchem die vorliegende Regelung Anwendung findet.

Art. XII des Änderungsprotokolls (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden Anwendung auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahres beginnen. Das gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Ausnahme von der Quellenbesteuerung von Dividenden aus massgeblichen Beteiligungen sowie von Dividenden an Vorsorgeeinrichtungen und an die Nationalbanken hat grundsätzlich steuerliche Einbussen zur Folge. Diese Ausnahmen führen jedoch zu einer Standortverbesserung und damit grundsätzlich zu zusätzlichen Steuereinnahmen. Über die Höhe der steuerlichen Einbussen und Mehreinnahmen liegt indessen keine Schätzung vor.

Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen für einheitliche Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten («global level playing field») und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs 9610

durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Änderungsprotokoll begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig. Das zur Genehmigung unterbreitete Änderungsprotokoll wird einen integrierenden Bestandteil des DBA-CZ bilden.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Das DBA-CZ ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Die neue Bestimmung zum Informationsaustausch gemäss dem Musterabkommen der OECD stellt eine gewichtige Neuerungen der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Doppelbesteuerung dar. Das Änderungsprotokoll enthält damit wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 11. September 2012 unterzeichneten Änderungsprotokolls wird daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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