zu 10.444 Parlamentarische Initiative Strafprozessordnung. Protokollierungsvorschriften Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 16. April 2012 Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Mai 2012

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren, Zum Bericht vom 16. April 2012 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates betreffend die parlamentarische Initiative 10.444 «Strafprozessordnung. Protokollierungsvorschriften» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Mai 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-1091

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) hat am 20. Mai 2010 auf Antrag eines Kommissionsmitgliedes mit 12 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen, eine parlamentarische Initiative gemäss Artikel 109 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20021 (ParlG) auszuarbeiten. Bezweckt wird eine Änderung der Strafprozessordnung2 (StPO), sodass bei Gerichtsverhandlungen, bei denen die Einvernahmen mittels technischer Hilfsmittel aufgezeichnet werden, darauf verzichtet werden kann, das Protokoll der einvernommenen Person vorzulesen oder zum Lesen vorzulegen und von dieser unterzeichnen zu lassen. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat am 15. Oktober 2010 mit 21 zu 3 Stimmen ihre für die Ausarbeitung eines Erlassentwurfs notwendige Zustimmung erteilt (Art. 109 Abs. 3 ParlG).

Die RK-S hat daraufhin einen Vorentwurf erarbeitet, nach welchem das urteilende Gericht darauf verzichten kann, Einvernahmeprotokolle vorzulesen oder der einvernommenen Person zum Lesen vorzulegen und von ihr unterzeichnen zu lassen, sofern die Einvernahme zumindest im Ton mit technischen Hilfsmitteln aufgenommen wird. Am 20. Oktober 2011 hat die RK-S diesen Vorentwurf einem engeren Kreis von Betroffenen zur Stellungnahme vorgelegt. Nach Kenntnisnahme der erhaltenen Stellungnahmen hat sie den Vorentwurf um eine analoge Regelung für die Zivilprozessordnung3 (ZPO) ergänzt und am 16. Februar 2012 den Erlassentwurf einstimmig angenommen. Den Bericht hat sie am 16. April 2012 verabschiedet.

2

Stellungnahme des Bundesrates

Nach der Auffassung des Bundestrates betrifft die Änderung zwar nicht einen zentralen Punkt des Verfahrens; dennoch führt sie dazu, dass inskünftig nicht mehr in der ganzen Schweiz in gleicher Weise protokolliert wird, sondern vielmehr wieder kantonale Unterschiede herrschen werden. Dies steht in einem Spannungsverhältnis zu der nach langer Zeit erreichten Vereinheitlichung des Straf- und Zivilprozessrechts. Mit Bezug auf das Strafprozessrecht erfolgt die Änderung sodann, obschon die Frage damals im Rahmen der Beratungen zur StPO in der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N)4 bereits eingehend diskutiert und ein entsprechender Antrag abgelehnt worden ist.

Trotz dieser Bedenken begrüsst der Bundesrat die vorgeschlagene Änderung der beiden Prozessrechte und beurteilt sie insbesondere aus folgenden Gründen als positiv: ­

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Sie ermöglicht ein Absehen vom Verlesen und Unterzeichnen von Einvernahmeprotokollen, belässt aber die Pflicht zur fortlaufenden Protokollierung.

Damit ist sichergestellt, dass das urteilende Gericht und die Parteien am SR 171.10 SR 312.0 SR 272 Protokoll der Sitzung der RK-N vom 10./11.5.2007, S. 39­43.

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Ende des Beweisverfahrens bzw. der Parteiverhandlungen über die nötigen Unterlagen für die Parteivorträge und die Urteilsberatung verfügen.

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Sie beschränkt sich im Strafprozess auf die urteilenden Gerichte, sodass die Richtigkeit der für das Verfahren besonders wichtigen Protokolle von Einvernahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren stets durch (Vor-)Lesen und Unterzeichnen geprüft und bestätigt wird.

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Sie lässt den Gerichten die nötige Flexibilität, indem diese je nach Einvernahme über die Anwendung der einfacheren Regeln entscheiden können.

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Sie stellt eine Parallelität der zivil- und der strafprozessualen Regelung sicher.

Antrag des Bundesrates

Aus den dargelegten Gründen beantragt der Bundesrat Zustimmung zum Antrag der RK-S.

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