Strategie Biodiversität Schweiz vom 25. April 2012

In Erfüllung der Massnahme 69 (Ziel 13, Art. 14, Ziffer 5) der Legislaturplanung 2007­2011: Ausarbeitung einer Strategie zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität

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Management Summary Ausgangslage Die Biodiversität ist eine unerlässliche Grundlage für das Leben auf dieser Erde und damit auch eine zentrale Lebensgrundlage für den Menschen. Sie umfasst die Vielfalt von Ökosystemen, von Arten und Genen. Biodiversität beschreibt die Vielfalt des Lebens in einem Wort.

Die Biodiversität erbringt unverzichtbare Leistungen für Gesellschaft und Wirtschaft, sogenannte Ökosystemleistungen. Die Vielfalt dieser Leistungen ist immens: Unter anderem liefert Biodiversität Nahrung, beeinflusst das Klima, erhält die Wasser- und Luftqualität, ist Bestandteil der Bodenbildung und bietet nicht zuletzt dem Menschen Raum für Erholung. Eine Verschlechterung des Zustands der Biodiversität führt zu einer Abnahme dieser Leistungen und somit zu einer Gefährdung einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

In den letzten Jahrzehnten erlitt die Biodiversität weltweit in allen Ökosystemen starke Verluste, ihr Zustand gilt heute als bedroht. Der OECD-Umweltprüfbericht Schweiz 2007 wie auch der Bericht Umwelt Schweiz 2007 (bestätigt durch die Berichte Umwelt Schweiz 2009 und 2011) sowie der 4. Nationalbericht der Schweiz über die Umsetzung der Biodiversitätskonvention ziehen über den Zustand der Biodiversität in der Schweiz eine negative Bilanz. In einer umfassenden Analyse kommen die Schweizer Biodiversitätswissenschaftler 2010 zum Schluss, dass die Talsohle noch nicht erreicht ist.

Der Verlust der Biodiversität erfolgt schleichend und wird deshalb von der Gesellschaft kaum wahrgenommen. Die Gesellschaft gewöhnt sich an die Veränderung, bevor sie wahrnimmt, was sie an wesentlichen Funktionen und Leistungen verloren hat. Der Biodiversitätsverlust in der Schweiz lässt sich in folgende Herausforderungen zusammenfassen: ­

Es sind bedeutsame quantitative und qualitative Verluste an Lebensräumen sowie eine zunehmende Zerschneidung aufgrund von Besiedlung, Mobilität und entsprechendem Ausbau der Infrastruktur festzustellen.

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Viele einst häufige Arten sind von drastischen Arealverlusten und sinkenden Bestandesgrössen betroffen. Von den rund 46 000 in der Schweiz bekannten Pflanzen-, Tier- und Pilzarten ist rund ein Drittel in ihrem Bestand bedroht.

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Es bestehen heute noch grosse Wissenslücken hinsichtlich der genetischen Vielfalt in der Schweiz. Das Schliessen dieser Lücken ist wichtig, damit das Potenzial dieser Vielfalt sowohl heute wie auch in Zukunft bewahrt und genutzt werden kann.

Die internationale Staatengemeinschaft hat erkannt, dass man dem Verlust der Biodiversität begegnen muss. So unterzeichnete die Schweiz 1992 das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention). Dieses trat 1995 in Kraft und hat mittlerweile 193 Vertragsparteien. Ziele dieses Übereinkommens sind die weltweite Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer

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Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben. Zur Umsetzung der Biodiversitätsziele haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, eigenständige nationale Strategien zu entwickeln.

Im Jahr 2002 einigten sich die Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention auf das Ziel, den Biodiversitätsverlust bis 2010 signifikant auf globaler, nationaler und regionaler Ebene zu reduzieren. Anlässlich der 10. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im Oktober 2010 in Nagoya (Japan) musste jedoch festgestellt werden, dass keiner der Staaten dieses Ziel erreichen konnte. Für die Jahre 2011­2020 wurde ein neuer strategischer Plan verabschiedet, der für sämtliche nationalen und internationalen biodiversitätsrelevanten Konventionen massgebend ist und dessen zwanzig Ziele als Rahmenkonzept die Umsetzung auf nationaler und regionaler Ebene unterstützt.

Das schweizerische Parlament reagierte auf den Verlust der Biodiversität und die entsprechenden internationalen Entwicklungen, indem es am 18. September 2008 die Erarbeitung einer Strategie Biodiversität Schweiz in die Legislaturplanung 2007­2011 aufnahm. Mit dem Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2009 wurde in der Folge das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) damit beauftragt, eine Strategie Biodiversität Schweiz zu erarbeiten.

Die vorliegende Strategie ist das Ergebnis der Umsetzung dieses parlamentarischen Auftrags. Sie ist die Folge einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik sowohl innerhalb der Bundesverwaltung als auch in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus den Kantonen, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Zudem wurden Vertreterinnen und Vertreter von Interessenverbänden zur fachlichen Begleitung eingeladen.

Die zehn strategischen Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz Die zehn strategischen Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz beschreiben die Schwerpunkte, an denen sich alle Akteure in den kommenden Jahren bis 2020 zu orientieren haben, um gemeinsam genügend Wirkung zu entfalten und klare Ergebnisse zu erreichen.

Die zehn Ziele erfüllen den Auftrag des Parlamentes vom 18. September 2008 und richten sich im Einklang mit dem Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2009 danach aus, die Biodiversität
in der Schweiz und global langfristig zu erhalten und zu fördern.

Mit den zehn Zielen soll das Oberziel «Die Biodiversität ist reichhaltig und gegenüber Veränderungen reaktionsfähig. Die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen sind langfristig erhalten» erreicht werden.

Die strategischen Ziele sind aufeinander abgestimmt und beeinflussen und unterstützen einander in der Umsetzung gegenseitig. Zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität sind die Ziele als gemeinsames Paket zu verfolgen.

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1. Die Nutzung von natürlichen Ressourcen und Eingriffe in diese erfolgen bis 2020 nachhaltig, sodass die Erhaltung der Ökosysteme und ihrer Leistungen sowie der Arten und der genetischen Vielfalt sichergestellt ist.

Die Wirtschaftssektoren sowie die Politikbereiche haben einen bedeutenden Einfluss auf die Biodiversität, profitieren aber auch von zahlreichen Ökosystemleistungen.

Nutzung, Erhaltung und Förderung der Biodiversität sollen optimal aufeinander abgestimmt werden. Die verschiedenen Sektoren sollen die Wichtigkeit der Biodiversität in ihrem Handeln und ihren Entscheiden berücksichtigen. Konkret heisst dies: ­

Raumplanung: Grundsätzlich ist die Biodiversität bei Eingriffen durch Bauten und Anlagen im Rahmen von Vorhaben aller raumwirksam tätigen Sektoralpolitiken flächendeckend zu berücksichtigen. Sie soll sowohl in Sachplänen, kantonalen Richtplänen wie auch im Rahmen der Nutzungsplanung systematisch behandelt werden. Die für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität notwendigen Flächen werden gesichert. Der gesetzlichen Pflicht zur Wiederherstellung und zum Ersatz beeinträchtigter schützenswerter Lebensräume ist umfassend Rechnung zu tragen. Weitere Verbesserungen können durch eine verstärkte Koordination in der Raumplanung im Hinblick auf die Biodiversität erzielt werden.

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Waldwirtschaft: Der gesetzlich verankerte naturnahe Waldbau wird auf der gesamten bewirtschafteten Waldfläche umgesetzt. Die Fläche der Waldreservate soll von heute 5 auf 8 % der gesamten Waldfläche erhöht werden.

Totholz und vielfältige Strukturen sollen ­ in ökologisch genügender Menge und Qualität ­ in allen Grossregionen der Schweiz vorhanden sein. Wo der Lebensraumschutz nicht ausreicht, sollen spezifische Artenförderungsmassnahmen die waldgebundenen Arten schützen und fördern.

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Landwirtschaft: Zur Erhaltung der Biodiversität in der Agrarlandschaft ist die Erreichung der «Umweltziele Landwirtschaft» massgebend. Im Bereich Biodiversität sollen die Umweltziele regional quantifiziert, qualifiziert und koordiniert umgesetzt werden. Die Wichtigkeit der Ökosystemleistungen für die Landwirtschaft soll anerkannt und deren Inwertsetzung durch den Markt und die Gesellschaft in den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren sichergestellt werden. Die Anreize für Leistungen zur Förderung der Biodiversität sollen erhöht, die Qualität und Vernetzung bestehender ökologischer Ausgleichsflächen verbessert werden, und wo nötig sollen neue Biodiversitätsförderflächen (ökologische Ausgleichsflächen) geschaffen werden.

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Jagd und Fischerei: Die nachhaltige Nutzung durch Jagd und Fischerei muss gezielt verbessert und periodisch überprüft werden. Denken, Planen und Handeln in überregionalen Wildtierräumen und Gewässereinzugsgebieten (statt auf Gemeinde- oder Kantonsebene) sollen durch Verordnungen und Anreize gefördert werden.

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Tourismus, Sport und Freizeit: Sport und Tourismus sollen mittels naturverträglicher Angebote und Infrastrukturen zur Schonung der Biodiversität beitragen. Dazu sind auf allen politischen Ebenen und gemeinsam mit der Sport- und Tourismusbranche die Möglichkeiten auszuloten, wie Massnahmen zur Förderung der Biodiversität realisiert werden können.

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Verkehr: Für eine grossflächige Vernetzung von Lebensräumen und Popuationen sollen neue Trennwirkungen vermieden werden; zudem wird ein Massnahmenbündel notwendig sein, das unter anderem den Bau von neuen Wildtierpassagen, die Aufwertung bestehender Wildtierpassagen durch ökologische Ausgleichsflächen im Bereich der Vernetzungskorridore und die Schaffung von Ersatzlebensäumen beinhaltet. Die bereits realisierten Massnahmen werden langfristig zu sichern sein.

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Erneuerbare Energien: Mit dem Entscheid zu einem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie setzt der Bundesrat einen Schwerpunkt auf die Nutzung erneuerbarer Energien. Zielkonflikte mit der Biodiversität sollen wo möglich durch bereits bestehende Strategien und Empfehlungen gelöst werden. Wo nötig, prüft der Bund die Ausarbeitung weiterer Vollzugshilfen. Des Weiteren möchte der Bund die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen unterstützen, um so eine umfassende Planung zu ermöglichen.

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Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes: Bei der Nutzung sind die Bedürfnisse der Biodiversität zu berücksichtigen. Hohe ökologische Werte von nicht mehr benötigten Grundstücken müssen auch bei einer Umnutzung bzw. einem Grundstücksverkauf bestehen bleiben. Bei anderen Flächen, welche zum heutigen Zeitpunkt noch keine grossen Naturwerte beinhalten, ist zu prüfen, ob sie für die Vernetzung oder als Schutzgebiete für die Biodiversität zur Verfügung gestellt werden könnten.

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Produktion, Dienstleistungen / Handel und Konsum: Damit die Biodiversität in unternehmerischen Entscheidungen stärker berücksichtigt und der negative Einfluss wirtschaftlicher Tätigkeiten auf die Biodiversität verringert wird, setzt die Schweiz vermehrt auf marktwirtschaftliche Instrumente und Anreize, Produkteumweltinformationen, international anerkannte Nachhaltigkeitsstandards und die Integration von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten in die Finanzmarktprozesse. Die öffentliche Beschaffung der Schweiz soll nachhaltig erfolgen, Biodiversitätsziele und die Auswirkungen auf die globale Biodiversität sollen in nationalen Entscheiden sowie den Sektoralpolitiken und -strategien der Wirtschaft genügend berücksichtigt und nationale und internationale Initiativen im Bereich Biodiversität und Wirtschaft gefördert werden.

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2. Zur Sicherung des Raumes für die langfristige Erhaltung der Biodiversität wird bis 2020 eine ökologische Infrastruktur von Schutzgebieten und Vernetzungsgebieten aufgebaut. Der Zustand der gefährdeten Lebensräume wird verbessert.

Vernetzte Lebensräume sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Biodiversität reichhaltig und gegenüber Veränderungen (z.B. Klimawandel) reaktionsfähig ist.

Bestehende Schutzgebiete sollen wo nötig ergänzt und qualitativ verbessert werden.

Vernetzungsgebiete sollen die Durchlässigkeit der Landschaft zwischen den Schutzgebieten sicherstellen.

3. Der Erhaltungszustand der Populationen von National Prioritären Arten wird bis 2020 verbessert und das Aussterben so weit wie möglich unterbunden.

Die Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten mit Schadenspotenzial ist eingedämmt.

Einzelne Arten oder Artengruppen können mit dem Lebensraumschutz allein nicht genügend gefördert werden und brauchen auch in Zukunft zusätzlich spezifische Massnahmen, damit ihr Überleben gesichert ist. Invasive gebietsfremde Arten mit Schadenspotenzial bedrohen einheimische Arten, ihre Ausbreitung soll deshalb verhindert werden.

4. Die genetische Verarmung wird bis 2020 gebremst, wenn möglich gestoppt.

Die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen, einschliesslich der Nutztiere und Kulturpflanzen, werden gesichert.

Eine hohe genetische Vielfalt ermöglicht es den Arten, sich besser an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Sie ist eine Grundlage für das Überleben der Arten und für die Aufrechterhaltung von Ökosystemleistungen. Sie ist auch eine Quelle für Forschung und Industrie sowie für die Land- und Waldwirtschaft.

5. Negative Auswirkungen von bestehenden finanziellen Anreizen auf die Biodiversität werden bis 2020 aufgezeigt und wenn möglich vermieden.

Wo sinnvoll werden neue positive Anreize geschaffen.

Das heutige Steuer- und Finanzsystem enthält teilweise Anreize, die sich ungünstig auf die Biodiversität auswirken. Bestehende Anreize müssen deshalb überprüft und Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Die Handlungsfelder liegen dabei nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der kantonalen und der internationalen Ebene.

6. Ökosystemleistungen werden bis 2020 quantitativ erfasst. Dies erlaubt es, sie in der Wohlfahrtsmessung als ergänzende
Indikatoren zum Bruttoinlandprodukt und bei Regulierungsfolgenabschätzungen zu berücksichtigen.

Eine intakte Umwelt ist wesentlich für die Wohlfahrt eines Landes. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) als gängige Messgrösse für das Wachstum enthält weder die Leistungen der Ökosysteme noch den entsprechenden ökonomischen Wert der Biodiversität. Zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität ist die Schaffung einer umfassenden Wohlfahrtsmessung unter Einbezug des natürlichen Kapitals jedoch

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wichtig, denn nur so wird die Gesamtleistung für Wirtschaft und Gesellschaft richtig abgebildet.

7. Wissen über Biodiversität ist in der Gesellschaft bis 2020 ausreichend vorhanden und schafft die Basis dafür, dass Biodiversität von allen als eine zentrale Lebensgrundlage verstanden und bei relevanten Entscheidungen berücksichtigt werden kann.

Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen mit ihrem Handeln die Biodiversität direkt oder indirekt. Fundiertes Wissen über Arten sowie Ökosysteme und deren Leistungen und das Verständnis, wie persönliche und politische Entscheidungen die Biodiversität beeinflussen, ermöglichen die Wahrnehmung der Verantwortung für die Erhaltung der Biodiversität. Das nötige Wissen muss für Verwaltung, Praxis, Politik und Öffentlichkeit auf gut verständliche Weise zugänglich gemacht werden.

8. Die Biodiversität im Siedlungsraum wird bis 2020 so gefördert, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt, siedlungsspezifische Arten erhalten bleiben und der Bevölkerung das Naturerlebnis in der Wohnumgebung und im Naherholungsgebiet ermöglicht wird.

Das Potenzial der Raumplanung für die ökologische Vernetzung und zur Schaffung oder Erhaltung von Frei- und Grünräumen in den Siedlungen wird im heutigen Vollzug noch nicht ausgeschöpft. Im Rahmen der Revision des Raumplanungsgesetzes sollen die Anforderungen an die raumplanerischen Instrumente für die Kantone und Gemeinden im Bereich Natur und Landschaft präziser umschrieben werden.

9. Das Engagement der Schweiz auf internationaler Ebene für die Erhaltung der globalen Biodiversität ist bis 2020 verstärkt.

Biodiversität überschreitet die Landesgrenzen, die Ökosysteme hängen global voneinander ab und stabilisieren sich gegenseitig. Um die Ökosysteme und die von ihnen erbrachten Leistungen sicherzustellen ist es unabdingbar, sich weltweit für die Erhaltung und die Förderung der Biodiversität zu engagieren.

10. Die Überwachung der Veränderungen von Ökosystemen, Arten und der genetischen Vielfalt ist bis 2020 sichergestellt.

Veränderungen der Biodiversität in der Schweiz müssen zuverlässig festgestellt werden können. Das bereits heute bestehende Biodiversitätsmonitoring dient als Basis für weitergehende Entwicklungen. Es muss dabei sichergestellt werden, dass die Umsetzung der Strategie
auf ihre Wirksamkeit hin überwacht werden kann. So können bei Bedarf Anpassungen an Massnahmen und an der Umsetzungspraxis vorgenommen werden.

Rahmenbedingungen für die Umsetzung Zur Umsetzung der Strategie Biodiversität Schweiz wird ein Aktionsplan ausgearbeitet, der die Erreichung der strategischen Ziele konkretisiert. Dieser Aktionsplan sieht eine Reihe von Massnahmen vor, die spezifisch auf die einzelnen Bereiche der

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Umsetzung und/oder auf verschiedene Akteure und Wirtschaftssektoren zugeschnitten sind. Der Aktionsplan klärt auch, ob und wenn ja welche Gesetzesanpassungen auf Bundesebene zur Umsetzung der Strategie notwendig sind. Die Erarbeitung des Aktionsplans wird gemeinsam mit den Partnern realisiert, die von den vorgesehenen Massnahmen betroffen sind. Spätestens 24 Monate nach Verabschiedung der Strategie durch den Bundesrat soll der Aktionsplan vorliegen. Die für den Aktionsplan notwendigen Grundlagenarbeiten, welche im Rahmen der heutigen Gesetzgebung möglich sind, sollen baldmöglichst eingeleitet werden.

Die Umsetzung der Strategie wird zusätzliche finanzielle sowie personelle Ressourcen erfordern. Der definitive Bedarf kann allerdings erst auf der Grundlage des zu erstellenden Aktionsplans eruiert werden.

Zur Beurteilung der Strategie Biodiversität Schweiz und ihrer Umsetzung sollen ein Zwischenbericht bis 2017 und eine Gesamtevaluation nach 2020 hinsichtlich Wirkung sowie Vollzugseffizienz erstellt werden.

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Inhaltsverzeichnis Management Summary

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Auftrag des Parlamentes 1.3 Vorgehen 1.4 Schnittstellen und Interessenabwägungen

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2 Begriff und Bedeutung der Biodiversität 2.1 Begriff Biodiversität 2.2 Messbarkeit 2.3 Bedeutung der Biodiversität für die Gesellschaft

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3 Biodiversität im internationalen Kontext 3.1 Globaler Zustand der Biodiversität 3.2 Globale Verflechtung 3.3 Internationale Übereinkommen 3.4 Strategischer Plan für die Biodiversität

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4 Zustand der Biodiversität in der Schweiz 4.1 Vielfältige Lebensräume 4.2 Artenvielfalt 4.3 Genetische Vielfalt

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5 Bisheriger Biodiversitätsschutz 5.1 Lebensraumschutz 5.2 Artenschutz 5.3 Schutz der genetischen Vielfalt

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6 Bisherige Biodiversitätsförderung in relevanten Bereichen 6.1 Raumplanung und Siedlungsentwicklung 6.2 Waldwirtschaft 6.3 Landwirtschaft 6.4 Jagd und Fischerei 6.5 Tourismus, Sport und Freizeit 6.6 Verkehr 6.7 Erneuerbare Energien 6.8 Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes 6.9 Bildung und Forschung 6.10 Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum

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7 Strategische Ziele 7.1 Biodiversität nachhaltig nutzen 7.1.1 Raumplanung

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7.1.2 Waldwirtschaft 7.1.3 Landwirtschaft 7.1.4 Jagd und Fischerei 7.1.5 Tourismus, Sport und Freizeit 7.1.6 Verkehr 7.1.7 Erneuerbare Energien 7.1.8 Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes 7.1.9 Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum 7.2 Eine ökologische Infrastruktur schaffen 7.3 Erhaltungszustand von National Prioritären Arten verbessern 7.4 Genetische Vielfalt erhalten und fördern 7.5 Finanzielle Anreize überprüfen 7.6 Ökosystemleistungen erfassen 7.7 Wissen generieren und verteilen 7.8 Biodiversität im Siedlungsraum fördern 7.9 Internationales Engagement verstärken 7.10 Veränderungen der Biodiversität überwachen

7295 7296 7298 7299 7299 7300 7300 7301 7303 7306 7307 7308 7309 7311 7312 7313 7316

8 Rahmenbedingungen für die Umsetzung 8.1 Ausarbeitung eines Aktionsplans in einem partizipativen Prozess 8.2 Organisation und Zusammenarbeit 8.3 Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft 8.4 Finanzierung und personelle Ressourcen 8.5 Evaluation der Strategie Biodiversität Schweiz

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Anhänge: A1 Aichi-Ziele A2 Berücksichtigung der Aichi-Ziele in der Strategie Biodiversität Schweiz A3 Ausgewiesene Flächen für die Biodiversität A4 Strategien und Programme mit Schnittstellen zum Thema Biodiversität

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Glossar

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Impressum

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Abkürzungsverzeichnis ABS ARE BAFU BDM-CH BFE BGF BK BLW BV CBD COP EJPD EU EUA EVD FAO GEF GSchG IBA IPP IUCN JSG LKS LwG NHG OECD ÖQV REDD REN RPG SECO TEEB UN

Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vorteilsausgleich (Access and Benefit-Sharing) Bundesamt für Raumentwicklung Bundesamt für Umwelt Biodiversitäts-Monitoring Schweiz Bundesamt für Energie Bundesgesetz über die Fischerei Bundeskanzlei Bundesamt für Landwirtschaft Bundesverfassung Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity) Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties) Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Europäische Union Europäische Umweltagentur Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization) Globaler Umweltfonds (Global Environment Facility) Gewässerschutzgesetz Wichtige Vogelgebiete (Important Bird Areas) Integrierte Produktpolitik Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature) Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel Landschaftskonzept Schweiz Landwirtschaftsgesetz Natur- und Heimatschutzgesetz Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Co-operation and Development) Öko-Qualitätsverordnung Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) Nationales ökologisches Netzwerk (Réseau Ecologique National) Raumplanungsgesetz Staatssekretariat für Wirtschaft Die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) Vereinte Nationen (United Nations Organization)

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UNCED UNDP UNECE UNEP UNESCO UNFCCC UNFF UNO UNWTO UVEK VBS WaG WIPO WTO

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Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development) Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme) Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (Economic Commission for Europe) Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Programme) Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) United Nations Framework Convention on Climate Change Waldforum der Vereinten Nationen (United Nations Forum on Forests) Vereinte Nationen (United Nations Organization) Welttourismusorganisation (World Tourism Organization), Sonderorganisation der Vereinten Nationen Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Waldgesetz Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization), Sonderorganisation der Vereinten Nationen Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

Strategie 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage

Biodiversität als Grundlage für das Leben Die Biodiversität ist eine unerlässliche Grundlage für das Leben auf dieser Erde. Die Vielfalt an Ökosystemen, Arten und Genen sorgt unter anderem für sauberes Wasser und reine Luft. Zudem versorgt uns die Biodiversität mit natürlichen Ressourcen.

Eine Verschlechterung des Zustands der Biodiversität führt zu einer Gefährdung dieser Leistungen. Aktuelle Erkenntnisse zeigen auf, dass man sich heute dieser Herausforderung einer Zustandsverschlechterung der Biodiversität stellen muss. Die gegenwärtig vom Menschen verursachte Aussterberate übertrifft die natürliche Rate um das Hundert- bis Tausendfache.1, 2 Etwa 75 % der genetischen Vielfalt von Kulturpflanzen sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts verloren gegangen3.

Übereinkommen über die biologische Vielfalt Die internationale Staatengemeinschaft hat erkannt, dass dem Verlust an Biodiversität begegnet werden muss. So unterzeichnete die Schweiz im Jahr 1992 das Übereinkommen über die biologische Vielfalt4 (Biodiversitätskonvention, Convention on Biological Diversity, CBD), das im Jahr 1995 in Kraft getreten ist5 und inzwischen 193 Vertragsparteien zählt. Ziele dieses Übereinkommens sind die weltweite Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben6. Zur Umsetzung der Biodiversitätsziele haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, eigenständige nationale Strategien zu entwickeln7, 8.

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7 8

Mace G. et al. 2005: Biodiversity. In: Ecosystems and Human Wellbeing: Current State and Trends (Hrsg. Hassan H., Scholes R., Ash, N.). Washington DC: Island Press, Chapter 4, S. 79­115 Bergamin F. 2011: Kontroverse um das Artensterben. Wissenschaftler bezeichnen Voraussagen von Aussterberaten als zu hoch. In: NZZ Online, verfügbar unter www.nzz.ch/nachrichten/hintergrund/wissenschaft/ kontroverse_um_das_artensterben_1.10693163.html [Stand 25.05.2011] Botschaft von Ahmed Djoghlaf, Executive Secretary, Convention on Biological Diversity on the Occasion of World Food Day, October 16, 2009 ­ Achieving Food Security in Times of Crisis Derzeit verfügen 173 Vertragsstaaten über nationale Biodiversitätsstrategien und entsprechende Aktionspläne www.cbd.int SR 0.451.43 Der Bundesrat orientiert sich an der international breit abgestützten Definition der Nachhaltigen Entwicklung, die im Hinblick auf die UNO-Konferenz von 1992 über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro durch die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 erarbeitet und nach ihrer Vorsitzenden «Brundtland-Definition» benannt worden ist. Laut dieser Definition ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne dabei die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen.

Artikel 6a der Biodiversitätskonvention EU Biodiversity Strategy to 2020 (03.05.2011).

http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/comm2006/2020.htm

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Im Jahr 2002 einigten sich die Mitglieder der Biodiversitätskonvention auf das Ziel, den Biodiversitätsverlust bis 2010 signifikant auf globaler, nationaler und regionaler Ebene zu reduzieren9. Anlässlich der 10. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im Oktober 2010 in Nagoya (Japan) musste jedoch festgestellt werden, dass dieses Ziel von keinem der Vertragspartner erreicht werden konnte. Für die Jahre 2011­2020 wurde ein neuer strategischer Plan10 verabschiedet (siehe Ziff. 3.4).

Zustand der Biodiversität in der Schweiz Mit Blick auf die Schweiz ziehen sowohl der OECD-Umweltprüfbericht Schweiz 200711 wie auch der Bericht Umwelt Schweiz 200712 sowie der 4. Nationalbericht der Schweiz über die Umsetzung der Biodiversitätskonvention13 eine negative Bilanz zum Zustand der Biodiversität in der Schweiz. Auch die Schweizer Biodiversitätswissenschaftler kommen 2010 in einer umfassenden Analyse zum Schluss, dass der Biodiversitätsverlust in der Schweiz bis anhin nicht gestoppt werden konnte und die Talsohle noch nicht erreicht ist.14

1.2

Auftrag des Parlamentes

Politischer Auftrag Das schweizerische Parlament reagierte auf die Entwicklungen der Biodiversität und nahm am 18. September 2008 die Erarbeitung einer Strategie Biodiversität Schweiz in die Legislaturplanung 2007­2011 auf. Mit Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2009 wurde in der Folge das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) damit beauftragt, eine Strategie Biodiversität Schweiz mit folgenden Eckpfeilern zu erarbeiten: Eckpfeiler und Unterziele ­

Die Biodiversität ist reichhaltig und gegenüber Veränderungen reaktionsfähig.

­

Die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen sind langfristig erhalten.

Weiter werden als Voraussetzung dafür folgende vier Unterziele vorgesehen:

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Schutz- und Förderflächen für die Biodiversität sind ausgewiesen und verbindlich gesichert.

­

Die Ressourcennutzung erfolgt nachhaltig.

6. Vertragsstaatenkonferenz, Biodiversitätskonvention, April 2002, COP Decision VI/26, B. Mission, Art. 11 10. Vertragsstaatenkonferenz, Biodiversitätskonvention, Oktober 2010, COP 10 Decision X/2, Strategic Plan for Biodiversity 2011­2020 OECD Umweltprüfberichte.

www.oecd-ilibrary.org/environment/oecd-umweltprufberichte_19900155 Hrsg. BAFU und BFS (2007, 2009, 2011): Umwelt Schweiz.

www.bafu.admin.ch/publikationen/00027/index.html?lang=de BAFU (Hrsg.) 2010: Umsetzung der Biodiversitätskonvention. Kurzfassung des 4. Nationalberichts der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Bern Lachat T. et al. 2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle erreicht? Zürich Bristol Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien: Haupt

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­

Die Biodiversität wird von der Gesellschaft als zentrale Lebensgrundlage verstanden, und die Ökosystemleistungen werden volkswirtschaftlich gefördert und verstärkt berücksichtigt.

­

Die Verantwortung der Schweiz für die globale Biodiversität wird stärker wahrgenommen.

Die Strategie Biodiversität Schweiz bildet einen Bestandteil der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates.

1.3

Vorgehen

Die vorliegende Strategie ist das Ergebnis der Umsetzung des parlamentarischen Auftrags. Sie ist die Folge einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik sowohl innerhalb der Bundesverwaltung als auch in Zusammenarbeit mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus den Kantonen, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Zudem wurden Vertreterinnen und Vertreter von Interessenverbänden zur fachlichen Begleitung eingeladen.

Die Strategie baut auf der schweizerischen Tradition einer engen Beziehung mit der Natur und den Errungenschaften der vergangenen Jahre auf. Sie berücksichtigt zudem die Tatsache, dass die Biodiversität dynamisch ist und dass Evolution immer auch Veränderung bedeutet. Sie berücksichtigt aber auch, dass einmal verloren gegangene Biodiversität (z.B. Aussterben einer Art) für immer verloren ist. Im Zentrum steht die Tatsache, dass der Mensch die Veränderungsprozesse auf der Erde heute stärker denn je beeinflusst (Klimawandel, Emissionen, Schadstoffeinträge usw.). Mit diesem Einfluss einher geht die Verantwortung der Gesellschaft und ihrer (öffentlichen und privaten) Akteure für die Bewahrung der Biodiversität.

1.4

Schnittstellen und Interessenabwägungen

Überall auf der Erde, wo es belebte Natur gibt, ist auch Biodiversität. In der Konsequenz hat sich eine Strategie Biodiversität Schweiz mit vielfältigen thematischen und organisatorischen Schnittstellen auseinanderzusetzen. Die wichtigsten Schnittstellen werden in Ziffer 6 (Bisherige Biodiversitätsförderung in relevanten Bereichen) sowie bei der Beschreibung der Handlungsfelder zu den strategischen Zielen (Ziff. 7) aufgezeigt. Zudem ist die vorliegende Strategie eingebettet in ein Netz aus zahlreichen weiteren Strategien und Programmen des Bundes zu sehen (Anhang A4).

Werte, Interessen und Zielen abwägen Wo Schnittstellen bestehen, stellen sich oft Fragen zu potentiellen Wert-, Interessens-, und Zielkonflikten, aber auch zu möglichen Synergien. Die vorliegende Strategie nimmt diese Fragen auf, soweit sie bereits ersichtlich und auf einer strategischen Stufe abgrenzbar waren. Es ist damit zu rechnen, dass sich ein Grossteil der potenziellen Konflikte und Synergien erst bei den konkreten Umsetzungsmassnahmen zeigt. Deshalb sind allfällige Wert-, Interessens- und Zielkonflikte dann im Rahmen der Umsetzung zu analysieren und gegeneinander abzuwägen. Längst nicht jeder potenzielle Konflikt manifestiert sich, ob nun auf Ebene der Strategie oder bei 7253

der konkreten Umsetzung. Sauber definierte Schnittstellen und gut ausgeleuchtete Konfliktbereiche können dazu beitragen, neue Lösungen zu finden. Insbesondere in Bereichen, die verzahnt sind und langfristig voneinander abhängen, muss eine Erörterung der Interessen, Ziele und Werte stattfinden.

Nicht immer wird eine rein fachliche Abwägung zielführend sein. Bei grundlegenden Themen (z.B. Versorgung mit Nahrung, Versorgung mit Energie, langfristige Erhaltung von Ökosystemen) wird auch auf politischer Ebene zu erörtern sein, welche Gewichtungen kurz- und langfristig vorzunehmen sind.

2

Begriff und Bedeutung der Biodiversität

2.1

Begriff Biodiversität

Die Schweiz orientiert sich an der Definition von Biodiversität, welche an der UNKonferenz von 1992 über Umwelt und Entwicklung im Rahmen der Biodiversitätskonvention verabschiedet wurde15. Biodiversität bezieht sich auf alle Aspekte der Vielfalt der belebten Welt und umfasst folgende Ebenen sowie deren Interaktionen: ­

die Vielfalt von Ökosystemen;

­

die Vielfalt der Arten;

­

die genetische Vielfalt.

Vielfalt von Ökosystemen Ökosysteme sind Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, die als funktionale Einheit miteinander und mit ihrer nicht belebten Umwelt in Wechselwirkungen stehen. Man unterscheidet dabei zwischen terrestrischen Ökosystemen (z.B. Steppen, Laubmischwald) und aquatischen Ökosystemen (z.B. Fliessgewässer). Ökosysteme sind grundsätzlich offene Systeme; sie brauchen zur Erhaltung einen Energiefluss. Sie sind zudem dynamisch; die Gefüge verharren also nicht in einem bestimmten Zustand, sondern verändern sich im Lauf der Zeit und in Wechselwirkung mit anderen Systemen. Die hohe Anzahl an Wechselwirkungen führt zudem dazu, dass Ökosysteme meist einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen.

Vielfalt der Arten Die Vielfalt der Arten (verschiedenster Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien) ist die Ebene der Biodiversität, die den meisten Menschen am vertrautesten ist. So lassen sich in einer Wiese auf den ersten Blick verschiedene Arten von Gräsern und Kräutern, Schmetterlingen, Heuschrecken, Bienen und Käfern erkennen. Der Wissenschaft sind heute weltweit rund 1,8 Millionen Arten bekannt, ein Viertel davon lebt im Boden, die Zahl der noch unbeschriebenen Arten wird allerdings weit höher geschätzt. In der Schweiz sind rund 46 000 Arten bekannt, doch auch hier wird vermutet, dass es etwa 70 000 Arten von Pflanzen, Tieren und Pilzen sein dürften.16

15 16

Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, Artikel 2.

www.cbd.int/convention/articles.shtml?a=cbd-02 Duelli P. 2004: Wie viele Arten leben in der Schweiz? Infoblatt Forsch.bereich Landsch. 61: Seite 4

7254

Genetische Vielfalt Eine weitere Ebene der Biodiversität, die genetische Vielfalt, bezeichnet die genetischen Unterschiede, die innerhalb von Arten bestehen. Genetische Unterschiede finden sich z.B. zwischen den an lokale Bedingungen angepassten Beständen einer Pflanzenart oder zwischen verschiedenen Sorten von Kirschen. Bei vielen Kulturpflanzen und bei den Nutztieren ist es der Mensch, der je nach Anbaugebiet und Verwendungsbereich mittels Zucht gezielt bestimmte Eigenschaften gefördert und damit eine grosse genetische Vielfalt geschaffen hat. Die genetische Vielfalt ist ein wichtiger Teil der Biodiversität, da sie die Basis für die Anpassungsfähigkeit der Arten an neue Umweltbedingungen ist, wie sie z.B. im Zusammenhang mit dem Klimawandel laufend entstehen. Arten mit einer geringen genetischen Vielfalt haben ein grösseres Aussterberisiko.

Ungenügendes Bewusstsein über Biodiversität Nach Ende des Internationalen Jahrs der Biodiversität (2010) ist der Begriff Biodiversität zwar bekannter geworden, er bleibt jedoch wenig verbreitet. Man muss feststellen, dass das Wissen über den Zustand der Biodiversität in Gesellschaft und Wirtschaft ungenügend bekannt ist. Ebenfalls zu wenig ausgeprägt ist das Bewusstsein, dass Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik und Bürgerinnen und Bürger sowie Konsumentinnen und Konsumenten mit ihren Entscheiden und ihrem Handeln die Biodiversität oft täglich direkt oder indirekt beeinflussen.17

2.2

Messbarkeit

Indikatoren Aufgrund ihrer Komplexität lässt sich Biodiversität nur schlecht direkt messen. Die Biodiversitätskonvention und andere Akteure nutzen Indikatoren, um den Zustand und die Entwicklung der Biodiversität zu beschreiben. Dabei lassen sich folgende Dimensionen von Indikatoren unterscheiden: ­

qualitative Indikatoren: z.B. Zustand der Ökosysteme;

­

quantitative Indikatoren: z.B. Anzahl der Arten;

­

direkte Indikatoren: z.B. Artenvielfalt einer Gruppe (z.B. Moose, Brutvögel, Heuschrecken) oder mehrerer Gruppen:

­

indirekte Indikatoren: z.B. Totalfläche aller Naturschutzgebiete.

Untersucht werden jeweils die drei Ebenen der Biodiversität (Ökosysteme, Arten, genetische Vielfalt). Messgrössen auf Ebene der Ökosysteme sind z.B. die Vielfalt und Verbreitung der verschiedenen Lebensraumtypen, die natürlich, naturnah oder auch stark vom Menschen geprägt sein können. Die Zusammensetzung der Arten auf einer bestimmten Fläche ist ein weiteres wichtiges Mass für die Biodiversität.

Zur Messung der genetischen Vielfalt sind meist Labormethoden nötig. Meist genügt der Blick auf eine einzelne Ebene der Biodiversität nicht, oft können Veränderungen nur aus einer Kombination von indirekten Indikatoren abgeleitet werden.

17

gfs.bern 2010: Studie Wahrnehmung und Einstellung zur Biodiversität. Schlussbericht

7255

Biodiversitäts-Monitoring Die Schweiz verfügt über verschiedene spezifische Monitorings betreffend Arten, Artengruppen und Biotope. Sie hat auch ein Biodiversitätsmonitoring (BDM-CH) aufgebaut, das Hinweise auf die Veränderungen der Biodiversität der Schweiz über längere Zeit gibt. Als eines der ersten Länder hat die Schweiz ein Indikatorenset für Ökosystemleistungen vorgelegt und mit dessen Umsetzung begonnen.18 Noch fehlen aber Indikatoren auf Ebene der genetischen Vielfalt der Wildarten. Ausserdem werden gerade die seltenen Arten nur unzureichend erfasst.19 Die zukünftige Bewertung der Entwicklung der Biodiversität soll sich auf den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Verordnung vom 16. Januar 199120 über den Naturund Heimatschutz (NHV) beziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Politik bezüglich des Schutzes der Biodiversität aktiv. Ziel war es, den damaligen Zustand der Biodiversität aufrechtzuerhalten, was bis heute nicht gelungen ist.

2.3

Bedeutung der Biodiversität für die Gesellschaft

Wert der Biodiversität Das Verständnis über die Bedeutung der Biodiversität ist stark geprägt von gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Diese verändern sich zwar mit der Zeit, mit Blick auf die Biodiversität finden sich jedoch wiederholt die Aspekte des Respekts vor der Natur, der Nutzung der Ressourcen der Biodiversität sowie der Nutzung ihrer Ökosystemleistungen wieder. Die Erhaltung und Förderung der Biodiversität wird in der Gesellschaft sowohl aus ethischen als auch aus ökonomischen Gründen als wichtig erachtet.

Ethische Aspekte der Biodiversität Was die ethischen Aspekte betrifft, werden drei Gründe als wichtig angesehen, warum Biodiversität langfristig erhalten werden muss. Erstens wird der Biodiversität ein Eigenwert zugeschrieben. Eigenwert bedeutet, dass der Biodiversität als solcher ­ das heisst unabhängig vom Nutzen ­ den sie für Menschen hat, ein Wert zukommt, der uns verpflichtet, zu ihr Sorge zu tragen. Zweitens wird die Biodiversität als eine notwendige Bedingung für die Sicherung von individuellen moralischen Rechten auf gewisse natürliche Ressourcen angesehen und ist aus diesem Grund zu erhalten. Zu diesen Rechten gehören etwa das Recht auf reine Luft oder das Recht auf sauberes Trinkwasser. Diese Rechte können nur gewährleistet werden, wenn die dafür erforderlichen Ökosystemleistungen gesichert sind. Drittens kann Biodiversität zum menschlichen Wohlergehen und damit zu einem guten Leben beitragen. Dabei denkt man an verschiedene Möglichkeiten, Natur zu erleben. Die von vielen als schön erfahrene natürliche Vielfalt beispielsweise oder die Erfahrung von Natur als Heimat werden als etwas beurteilt, das die Lebensqualität verbessern kann.

18

19 20

Staub C. et al. 2011: Indikatoren für Ökosystemleistungen. Systematik, Methodik und Umsetzungsempfehlungen für eine wohlfahrtsbezogene Umweltberichterstattung. Bern: Bundesamt für Umwelt. Umwelt-Wissen Nr. 1102 Biodiversitäts-Monitoring Schweiz.

www.biodiversitymonitoring.ch/deutsch/aktuell/portal.php SR 451.1

7256

Wirtschaftliche Bedeutung biologisch vielseitiger Ökosysteme Nebst einer ethischen Haltung hat sich seit einiger Zeit auch eine eher ökonomisch geprägte Einstellung zum gesellschaftlichen Wert der Biodiversität etabliert. Diese erachtet biologisch vielseitige Ökosysteme als wichtige wirtschaftliche Ressource für den Menschen. Vermehrt wahrgenommen wird auch, dass die Ökosysteme kostenlos Leistungen erbringen wie die Reinhaltung von Luft und Wasser, die Bodenfruchtbarkeit oder die Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen. Die Leistungen der Biodiversität sind lebenserhaltend und nach heutigem Wissensstand nicht künstlich ersetzbar, auch wenn sie bis zu einem gewissen Grad dank neuer Technologie punktuell substituierbar sind.

Gemäss der internationalen Klassifikation des Millennium Ecosystem Assessment21 lassen sich folgende Ökosystemleistungen unterscheiden (Abb.1): ­

Versorgungsleistungen: Nahrung, Holz, Fasern, genetische Ressourcen;

­

regulierende Leistungen: Regulierung von Klima, Schutz vor Naturgefahren und Krankheiten, Erhaltung der Wasser- und Luftqualität, Abfallbeseitigung;

­

kulturelle Leistungen: Erholung, ästhetisches Vergnügen, spirituelle Erfüllung;

­

unterstützende Leistungen: Bodenbildung, Erhaltung der Nährstoffkreisläufe.

Abb. 1

Biodiversität und ihre Erhaltung Die Biodiversität ist die Basis der Ökosystemleistungen, die für das menschliche Wohlergehen essenziell sind. Der Mensch ergreift Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität, um die Ökosystemleistungen zu bewahren.

Ökosystemleistungen

Biodiversität Genetische Vielfalt

Artenvielfalt

Vielfalt an Ökosystemen

Handlungen zur Erhaltung der Biodiversität Erhaltung

Nachhaltige Nutzung

Versorgungsleistungen Regulierende Leistungen Kulturelle Leistungen Unterstützende Leistungen

Menschliches Wohlergehen

Quelle: Handbuch Biodiversitätsmanagement. Ein Leitfaden für die betriebliche Praxis. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Berlin, Juni 2010

21

Millennium Ecosystem Assessment 2005: Ecosystems and Human Well-being: Synthesis. Washington DC: Island Press, S. 39 ff.

http://de.wikipedia.org/wiki/Millennium_Ecosystem_Assessment

7257

Wertkomponenten der Biodiversität Eine reichhaltige Biodiversität ist grundlegend für die Erbringung dieser Leistungen.

Sie stiften direkte Nutzen als Produktionsfaktoren oder Konsumgüter, aber auch indirekte Nutzen in Form von Schutzleistungen und regulierenden Leistungen.

Zusätzlich zu diesen direkten und indirekten Gebrauchsnutzen der Ökosystemleistungen weist Biodiversität auch einen Optionswert (allfälliger zukünftiger Gebrauch), einen Vermächtniswert (Nutzen durch die Erhaltung für kommende Generationen und einen Existenzwert (Nutzen rein aus dem Wissen, dass es in der Schweiz z.B. intakte Ökosysteme oder bestimmte Arten wie z.B. den Steinbock gibt) zu (Tab. 1).22 Tab. 1 Wertkomponenten der Biodiversität Übersicht über die verschiedenen Wertkomponenten der Biodiversität (Ökonomischer Totalwert von Umweltgütern angewendet auf Biodiversität und Ökosystemleistungen).

Use Values (Gebrauchsnutzen)

Non-Use Values (Nicht-Gebrauchsnutzen)

Direkter Gebrauchswert

Indirekter Gebrauchswert

Optionswert

Vermächtniswert

Existenzwert

z.B. Park oder Wald, welcher Erholungsleistungen erbringt, Nutzen für Landwirtschaft, Fischerei, Genressourcen

z.B. Regulierung der Wasserqualität und -menge, Nährstoffproduktion im Boden

z.B. zukünftiger Besuch von Wäldern, zukünftige Verfügbarkeit von genetischen Ressourcen

z.B. Erhaltung von natürlichen Lebensräumen für künftige Generationen

z.B. Wertschätzung für die Artenvielfalt in den Weltmeeren oder für wenig sichtbare Arten

Quelle: Markandya, A. et al. (2008): The Economics of Ecosystems and Biodiversity ­ Phase 1 (Scoping) Economic Analysis and Synthesis. Italy

Bestehende Ansätze zur ökonomischen Bewertung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen werden in den TEEB-Studien23 (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) aufgezeigt24.

Nutzung der Biodiversität Ein Grossteil des von der Biodiversität erbrachten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzens steht heute als öffentliches Gut kostenlos zur Verfügung. Das Fehlen eines Preises für diese Güter trägt dazu bei, dass derzeit kaum Anreize für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen vorhanden sind. Dies fördert die Übernutzung und Beeinträchtigung der Biodiversität. Wer die Biodiversität beeinträchtigt, kommt häufig nicht für die verursachten Kosten auf.

Gleichzeitig fehlen aufgrund der mangelhaften Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung der Biodiversität denjenigen die Mittel, die Massnahmen zu ihrer Erhaltung 22 23 24

Die dargelegten Wertkomponenten entsprechen dem Konzept des in der Umweltökonomie weit verbreiteten Ansatzes des Ökonomischen Totalwerts (TEV).

TEEB (The Economics of Ecosystems and Biodiversity). www.teebweb.org Laut TEEB versorgen z.B. die rund 100 000 Schutzgebiete der Erde die Menschen mit Ökosystemleistungen im Wert von 4,4­5,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

7258

und Förderung tätigen. In Zukunft wird darauf zu achten sein, dass diesen Effekten entgegengewirkt werden kann.

3

Biodiversität im internationalen Kontext

3.1

Globaler Zustand der Biodiversität

Insgesamt hat die Menschheit seit Mitte der 1980er-Jahre mehr natürliche Ressourcen verbraucht, als sich auf der Erde regenerieren konnten.25 Dies hat Folgen für die Biodiversität. Weltweit muss ein zunehmender Verlust der Biodiversität in allen Ökosystemen festgestellt werden (Abb. 2)26. Das Millennium Ecosystem Assessment geht davon aus, dass inzwischen bereits bis zu 60 % der untersuchten Ökosysteme degradiert sind27. Zukunftsszenarien zeigen, dass insbesondere der Klimawandel und das Wachstum der Weltbevölkerung die globale Biodiversität zusätzlich unter Druck setzen werden.

Abb. 2 Living Planet Index, 1970­2000 Der Living Planet Index ist ein Indikator für den Zustand der Biodiversität weltweit, der die Wirbeltierbestände an Land, im Süsswasser und im Meer seit 1970 misst. Er stützt sich auf Daten von 1145 Wirbeltierarten (555 an Land lebende Arten, 323 Süsswasserarten und 267 Meeresarten). Der Living Planet Index sank insgesamt um 40 % zwischen 1970 und 2000, der Index von Landarten ist dabei um 30 %, der von Süsswasserarten um 50 % und der von Meeresarten um 30 % gesunken.

Living Planet Index, 100% = 1970 120

100

80

Landarten Meeresarten Süsswasserarten Alle Wirbeltiere (Living Planet Index)

60

40 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

Quelle: WWF, UNEP-WCMC

25

26 27

Hirstein A. 2008: Buchhaltung über die Natur. In: NZZ am Sonntag, 03.02.2008, S. 67­69: Mathis Wackernagel, Gründer und Geschäftsführer des Global Footprint Network in Oakland bei San Francisco: «Seit Mitte der achtziger Jahre verbrauchen wir mehr Ressourcen, als die Erde regenerieren kann.» Secretariat of the Convention on Biological Diversity 2010: Global Biodiversity Outlook 3. Montréal Millennium Ecosystem Assessment 2005: Ecosystems and Human Well-being: Synthesis. Washington DC: Island Press, S. 39 ff.

http://de.wikipedia.org/wiki/Millennium_Ecosystem_Assessment

7259

Globaler Handlungsbedarf Biodiversität überschreitet die Landesgrenzen, die Ökosysteme hängen global voneinander ab und stabilisieren sich gegenseitig. Um die Ökosysteme und die von ihnen erbrachten Leistungen sicherzustellen ist es unabdingbar, sich weltweit für die Erhaltung und die Förderung der Biodiversität zu engagieren. Die zunehmende globale Vernetzung, die internationalen Wirtschafts- und Handelsaktivitäten wie auch die länderübergreifende Nutzung von Ressourcen unterstreichen die Tatsache, dass diese Aufgabe weltweit von den verschiedenen Akteuren gemeinsam wahrzunehmen ist.

3.2

Globale Verflechtung

Die Verflechtung der Schweiz im internationalen Kontext ist vielfältig. So stammen etliche genetische Ressourcen, die in der Schweiz in unterschiedlichen Sektoren (z.B. Land- und Ernährungswirtschaft, Pharma- und Biotechnologieindustrie, akademische Forschung) genutzt werden, aus anderen Ländern.

Einfluss der Schweiz auf die globale Biodiversität Anderseits wird auch die globale Biodiversität von der Schweiz beeinflusst. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts stieg der Ressourcenkonsum der Schweiz massiv an.28 Die Umweltbelastung, welche die inländische Endnachfrage im Ausland verursacht, ist deutlich höher als die Umweltbelastung, die direkt im Inland verursacht wird.29 Denn um diesen Konsum zu befriedigen, müssen Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte importiert werden (vgl. auch Ziffer 6.10). Die Rohstoffgewinnung, die Produktion, der Gebrauch, die Entsorgung und das Recycling dieser Güter haben alle ­ direkte oder indirekte ­ Auswirkungen auf die globale Biodiversität.

Die Schweiz beeinflusst die globale Biodiversität auch durch ihre Importe und Exporte von Dienstleistungen30 im Bereich der internationalen Wertschöpfungsketten inklusive ihrer Investitionen im Ausland. Deshalb müssen der Aussenhandel wie auch die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips umwelt- und biodiversitätsverträglich sein. Die Kriterien, nach welchen die schweizerischen Unternehmungen ihre Tätigkeiten ausüben, können einen starken Einfluss auf die globale Biodiversität haben. Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit verfügt die Schweiz über Programme, die unter anderem den nachhaltigen Handel und Investitionen in Biodiversitätsprodukte und -dienstleistungen31, die

28

29

30 31

BFS Aktuell 2008: Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung. Die Schweiz in einer globalisierten Welt. Online verfügbar unter www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/ themen/21/22/publ.Document.114903.pdf [Stand: 29.07.2011] Jungbluth N. et al. 2011: Environmental Impacts of Swiss Consumption and Production.

Environmentally extended input-output-analysis. ESU-services GmbH, Rütter+Partner, im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Bern Z.B. Beratung, Technologietransfer Durch nachhaltige Bewirtschaftung von Biodiversitätsressourcen (Nahrungsmittel; Zutaten für Pharmazie und Kosmetik; Zierblumen usw.) oder Dienstleistungen (Ökotourismus) unter Anwendung der Bio-Trade-Prinzipien kann der Handel einen konkreten Beitrag zur Erhaltung des Biodiversitätsreichtums leisten.

7260

Umsetzung von ABS32 in den Partnerländern, den Schutz des Tropenwaldes oder die Etablierung von Nachhaltigkeitslabels im internationalen Rohstoffhandel fördern.

3.3

Internationale Übereinkommen

Biodiversitätskonvention definiert politische und strategische Grundlagen Auf globaler Ebene befassen sich verschiedene Konventionen und Institutionen mit dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Biodiversität. Als zentrale Konvention wurde das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt33 (Convention on Biological Diversity, CBD) am Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 angenommen und von der Schweiz 1994 ratifiziert. Es ist 1995 in Kraft getreten. Die Biodiversitätskonvention ist keine reine Naturschutzkonvention, denn sie greift auch die nachhaltige Nutzung und den gerechten Vorteilausgleich ­ und damit das wirtschaftliche Potenzial der natürlichen Ressourcen ­ als wesentlichen Aspekt der Erhaltung der Biodiversität auf. Die gerechte und ausgewogene Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile wurde 2010 mit der Annahme des Nagoya-Protokolls über Access and Benefit-Sharing (ABS)34 konkretisiert. Die Bestimmungen der Biodiversitätskonvention im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs mit lebendigen genetisch modifizierten Organismen werden durch das Cartagena-Protokoll35 und dem Zusatzprotokoll zur Haftpflicht ergänzt. Fokussiert auf die Biodiversität beschäftigt sich die Konvention ferner mit internationalem Handel, Anreizmassnahmen, Tourismus, Technologietransfer, traditionellem Wissen und Fragen über Verantwortlichkeit und Haftung. Mit ihrer universellen Geltung bildet die Konvention heute das globale Forum der Staaten, um grundlegende politische und strategische Grundlagen für die globale Biodiversitätspolitik zu definieren.

Zahlreiche regionale und globale Abkommen Daneben besteht ein multilaterales System aus verschiedenen globalen und regionalen Abkommen, welche die Schweiz ratifiziert hat. Während sich einige Abkommen auf die Biodiversität selbst beschränken (CITES36, Ramsar-Übereinkommen über Feuchtgebiete37, Bonner Konvention38, Berner Konvention39), behandeln andere 32

33 34

35 36 37

38 39

Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

www.cbd.int/abs/doc/protocol/nagoya-protocol-en.pdf Übereinkommen vom 5. Juni 1992 über die Biologische Vielfalt (CBD; SR 0.451.43) Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt. www.cbd.int/abs/doc/protocol/nagoya-protocolen.pdf Cartagena-Protokoll. http://bch.cbd.int/protocol/text Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES; SR 0.453) Übereinkommen vom 2.Februar 1971 über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel von internationaler Bedeutung (Ramsar-Übereinkommen; SR 0.451.45) Übereinkommen vom 23. Juni 1979 zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (Bonner Konvention; SR 0.451.46) Übereinkommen vom 19. September 1979 über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention; SR 0.455)

7261

multilaterale Abkommen Teilaspekte davon (UNFCCC40, UNCCD41). Verschiedene Abkommen und Organisationen beschäftigen sich mit für die Biodiversität wichtigen Sektoralpolitiken wie Landwirtschaft (FAO42, 43), Waldwirtschaft (UNFF44 und ITTO45), geistiges Eigentum (WIPO46), Tourismus (UNWTO47) oder internationaler Handel (WTO48). Die Schweiz arbeitet aktiv an der Weiterentwicklung der multilateralen Abkommen, die sich mit Biodiversitätsfragen befassen, mit und beteiligt sich auch an Arbeiten im Rahmen von internationalen Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Biodiversität wie der Internationalen Naturschutzunion (IUCN49) und Wetlands International50, wo sie als Staat Mitglied ist. Sie treibt den Synergieprozess der Konventionen aktiv voran wie auch die Aktivitäten des Globalen Umweltfonds (GEF51, der Finanzierungsmechanismus der Biodiversitätskonvention) und weiterer Finanzierungsmechanismen und Entwicklungsprogramme (z.B. Weltbank52, UNDP53, REDD+54, FAO55 usw.).

Im Europäischen Raum engagiert sich die Schweiz im Rahmen des Europarates sowie ihrer vertraglichen Beziehungen zur EU56. Sie unterstützt europäische Initiativen57 und Prozesse (PEBLDS58 und Forest Europe59).

Gemeinsame Elemente aller Abkommen Die Analyse der Konventionen, der Vertragsstaatenkonferenzen und der multilateralen wie auch bilateralen Zusammenarbeiten lassen grundlegende gemeinsame Elemente erkennen, die sich im internationalen Kontext etabliert haben. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende Leitgedanken und Grundsätze (siehe Glossar): Vorsorgeprinzip, Verursacherprinzip, nachhaltige Nutzung, Bekämpfung von Ursachen, Nutzniesserprinzip, Integrationsprinzip sowie Access and Benefit-Sharing.

40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

57

58 59

Rahmenübereinkommen vom 9. Mai 1992 der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC; SR 0.814.01) Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen Z.B. der internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft Waldforum der Vereinten Nationen (UNFF) Internationale Tropenholzorganisation (ITTO) Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) der Vereinten Nationen Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) Welthandelsorganisation (WTO) Weltnaturschutzunion (IUCN) Eine global tätige Nichtregierungsorganisation, die sich um die Erhaltung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten kümmert Globaler Umweltfonds www.bafu.admin.ch/dokumentation/umwelt/09249/09375/index.html?lang=de Weltbank. www.worldbank.org Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) Programm zur Reduktion der Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern.

Im Gegenzug sollen Anreize (in der Regel Zahlungen) geschaffen werden.

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen Beispielsweise über ihre Aktivitäten in der europäischen Umweltagentur (EUA) oder über das Netzwerk der Leiter der Europäischen Naturschutzbehörden (ENCA) sowie im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der UNECE. So hat die EUA einen kompakten Synthesebericht zum Zustand und Ausblick über die Umwelt in Europa 2010 herausgegeben.

EU Green Infrastructure, ECONNECT und Ökologischer Verbund der Alpenkonvention, Netzwerk Alpen, Ramsar-Gebiete, Natura 2000, Smaragdnetzwerk inklusive Important Bird Areas (IBA) Paneuropäische Strategie über die biologische und landschaftliche Vielfalt (PEBLDS) Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder (Forest Europe). www.foresteurope.org

7262

3.4

Strategischer Plan für die Biodiversität

Die Schweiz hatte zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der Biodiversitätskonvention im Jahr 2002 das Ziel verabschiedet, «den Biodiversitätsverlust bis 2010 signifikant auf globaler, nationaler und regionaler Ebene zu reduzieren»60. An der 10. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im Oktober 2010 in Nagoya (Japan) wurde festgestellt, dass keiner der Staaten dieses Ziel erreichen konnte. Bemängelt wurde in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Staaten nicht zu konkreten Schritten veranlasst werden konnten, weil die Zielvorgabe zu abstrakt formuliert war.61 Strategischer Plan bis 2020 In der Folge strebte man in Nagoya für den Zeitraum nach 2010 die Aufstellung weltweit geltender eindeutiger und verständlicher Ziele an, welche die Staaten zu konkretem Handeln ermutigen sollen. Verabschiedet wurde ein strategischer Plan, der sich aus einer Vision, einer Mission, langfristigen strategischen Zielen und zwanzig bis 2020 zu erreichenden Zielen zusammensetzt. Gemäss Entscheid des Ministertreffens 2010 im schweizerischen Bogis-Bossey ist der strategische Plan massgebend für sämtliche nationalen und internationalen biodiversitätsrelevanten Konventionen. Der strategische Plan soll dabei als Rahmenkonzept dienen, das die Umsetzung der Ziele auf nationaler und regionaler Ebene fördert.62 Langfristige Ziele des strategischen Plans Folgende langfristigen strategischen Ziele werden mit dem strategischen Plan verfolgt: ­

Bekämpfung der Ursachen des Rückgangs der biologischen Vielfalt durch ihre durchgängige Einbeziehung in alle Bereiche des Staates und der Gesellschaft;

­

Reduktion des Drucks (die direkten Belastungen/negativen Einflüsse) auf die Biodiversität und Förderung ihrer nachhaltigen Nutzung;

­

Verbesserung des Zustands der biologischen Vielfalt durch Sicherung der Ökosysteme und Arten sowie der genetischen Vielfalt;

­

Erhöhung des sich aus der biologischen Vielfalt und den Ökosystemleistungen ergebenden Nutzens für alle;

­

Verbesserung der Umsetzung durch partizipative Planung, Wissensmanagement und Kapazitätsaufbau.

Aichi-Targets ­ konkrete Ziele auch für die Schweiz Allen oben genannten langfristigen strategischen Zielen sind einzelne konkrete Ziele zugeordnet, die von den Vertragsstaaten bis 2020 erreicht werden sollen. Im Bündel hat die Biodiversitätskonvention diesen Zielen die Bezeichnung «Aichi Targets» 60 61 62

6. Vertragsstaatenkonferenz, Biodiversitätskonvention, April 2002, COP Decision VI/26, B. Mission, Art. 11 Botschaft von Japan: Die Ergebnisse der COP10 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt. www.de.emb-japan.go.jp/naj/NaJ1101/cop10.html Strategischer Plan (Strategic Plan for Biodiversity 2011­2010 and the Aichi Targets).

www.cbd.int/doc/strategic-plan/2011­2020/Aichi-Targets-EN.pdf

7263

(Nagoya liegt in der Präfektur Aichi) gegeben. In denjenigen Bereichen, welche die Schweiz betreffen, sind die Aichi-Ziele bei der Formulierung der strategischen Ziele der Schweiz, angepasst an unsere landesspezifischen Besonderheiten, zu berücksichtigen. Die Konkretisierung des Strategischen Plans auf EU-Ebene wurde mit der Veröffentlichung der Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 202063 am 3. Mai 2011 durch die EU-Kommission bekannt gegeben. Die Mitgliedstaaten unterstützten diese am 21. Juni 2011 und haben am 19. Dezember 2011 Empfehlungen zu deren Umsetzung festgelegt64. Das Europäische Parlament äussert sich im ersten Semester 2012 zur Strategie.

4

Zustand der Biodiversität in der Schweiz

Die Biodiversität in der Schweiz ist geprägt durch die Topografie mit grossen Höhenunterschieden, die geologische Vielfalt, die heterogene Niederschlagsverteilung und durch die langjährige traditionelle Bewirtschaftung des Kulturlandes und des Waldes.

Boden ­ eine knappe Ressource Die allermeisten terrestrischen Ökosystemprozesse, die das Leben auf der Erde gewährleisten (Bodenfruchtbarkeit, Nährstoff- und Klimagaskreisläufe, Schadstoffabbau usw.), basieren auf der Interaktion zwischen bodenbiologischen und photosynthetischen Prozessen. Bodenlebewesen spielen dabei eine zentrale Rolle. Natürlich gewachsene Böden bilden die Grundlage der Biodiversität. Boden ist eine knappe, nicht erneuerbare Ressource. Quantitativer Bodenverlust, Versiegelung, Verdichtung, Überdüngung, Schadstoffeinträge und Verlust an organischer Substanz65 sind die Hauptprobleme, die zur Verarmung der biologischen Vielfalt im und über dem Boden in der Schweiz führen.

Die Biodiversität in der Schweiz erlitt seit 1900 starke Verluste. Für viele, einst häufige Arten wurden die Lebensräume reduziert, die Populationsgrössen sanken; zahlreiche einheimische Arten kommen nur noch in einzelnen dezimierten Beständen vor. Lebensräume wie Auen, Moore und Trockenwiesen und -weiden, naturnahe Quellen und Fliessgewässer haben stark an Fläche verloren. In den letzten zwanzig Jahren konnten die Bestandesrückgänge bei einigen Arten und die quantitativen Flächenverluste bei bestimmten Lebensräumen zwar gebremst, jedoch nicht gestoppt werden. Zudem ist die ökologische Qualität der meisten Lebensräume gering und 63

64

65

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Lebensversicherung und Naturkapital: Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020, Brüssel, den 3.5.2011. Annahme durch den Rat am 21. Juni 2011 «Biodiversitätsstrategie der EU für den Zeitraum bis 2020», Schlussfolgerungen des Rates vom 21. Juni 2011, http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st11/st11978.de11.pdf «Biodiversitätsstrategie der EU für den Zeitraum bis 2020: auf dem Weg zur Umsetzung», Schlussfolgerungen des Rates vom 19. Dezember 2011, http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st18/st18862.de11.pdf vgl. auch Publikumsbroschüre zur Biodiversitätsstrategie der EU Bundesamt für Raumentwicklung / Bundesamt für Umwelt (Hrsg., 2007): Landschaft unter Druck. 3. Fortschreibung 1989­2003. Bern, und Lachat T. et al. 2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle erreicht? Zürich Bristol Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien: Haupt

7264

nimmt weiterhin ab. Die Ausdehnung von Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen, die Zunahme von Tourismus- und Freizeitaktivitäten in bisher ungestörten Regionen, der Ausbau der erneuerbaren Energien, die zunehmend intensive landwirtschaftliche Nutzung in Gunstlagen im Berggebiet66, die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels sowie eingeführte invasive Arten dürften den Druck auf die Biodiversität in Zukunft noch verstärken, das heisst ein Aufwärtstrend ist unter den heute gegebenen Rahmenbedingungen nicht absehbar.67

4.1

Vielfältige Lebensräume

Ökosysteme und Lebensräume Biodiversität braucht Raum. Sie ist überall ­ vom Hochgebirge über den Wald und die Landwirtschaftsfläche bis hin zu den Siedlungsräumen, ja sogar entlang von Infrastrukturanlagen wie Bahnlinien.68 In den letzten Jahrtausenden entstand auf der Fläche der heutigen Schweiz eine grosse Vielfalt von Lebensräumen und Ökosystemen mit typischen Arten. Heute werden über 230 Lebensraumtypen unterschieden69.

Rund zwei Drittel der Schweizer Landesfläche liegen in den Alpen. Für die in diesem geografischen Raum vorkommende hohe Konzentration an vielfältigen Lebensräumen sowie für die darin lebenden Arten mit ihrer hohen genetischen Vielfalt trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung.70 Sie spielt als zentrales Land in der Mitte Europas eine wichtige Rolle in der Vernetzung der alpinen Lebensräume.

Wichtige europäische Flüsse haben ihren Ursprung in den schweizerischen Alpen.

Tourismus- und Sportaktivitäten sowie Sportinfrastrukturen, die Wasserkraftnutzung, die Nutzungsaufgabe von abgelegenen Wiesen und Weiden sowie die intensivierte Nutzung in alpinen Gunstlagen und auch der Klimawandel führen dazu, dass alpine Lebensräume immer stärker unter Druck geraten.

Alpiner Raum Wald Die Fläche des Waldes hat seit 1850 stetig zugenommen (von rund 0,7 Mio.71 ha auf 1,3 Mio.72 ha im Jahr 2006). Aufgrund des Flächenschutzes, des naturnahen Waldbaus und der Artenförderungsprogramme ist der Anteil von bedrohten Arten in 66 67 68

69 70 71 72

Stöcklin J. et al. 2007: Landnutzung und biologische Vielfalt in den Alpen. Fakten, Perspektiven, Empfehlungen. Synthesebericht II, NFP 48. Zürich: vdf Lachat T. et al. 2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle erreicht? Zürich Bristol Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien: Haupt MacArthur R.H., Wilson E.O. 1967: The Theory of Island Biogeography. N.J.: Princeton University Press: «Artenvielfalt ist eng mit Flächengrösse verbunden. Die Artenvielfalt nimmt mit einer Vergrösserung der Fläche zu und mit der Verkleinerung ab. Die Distanz zu anderen Lebensräumen desselben Typs wirkt sich ebenfalls auf die Artenvielfalt aus: Stark isolierte Lebensräume beherbergen weniger Arten als gut vernetzte und die Vitalität der Populationen nimmt ab.» Delarze R., Gonseth Y. 2008: Lebensräume der Schweiz. Ökologie ­ Gefährdung ­ Kennarten. h.e.p. Ott Verlag Stöcklin J. et al. 2007: Landnutzung und biologische Vielfalt in den Alpen. Fakten, Perspektiven, Empfehlungen. Synthesebericht II, NFP 48. Zürich: vdf Bisang K. 2001: Historische Entwicklung der institutionellen Regime des Waldes zwischen 1870 und 2000. Reihe «Ökologie und Gesellschaft, Band 17. IDHEAP Brändli U.B. 2010: Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der dritten Erhebung 2004­2006. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Bern, Bundesamt für Umwelt BAFU

7265

Wäldern geringer als in anderen Lebensräumen. Die Waldfläche trägt somit massgebend zur Erhaltung der Biodiversität bei. Mit der Waldflächenzunahme ist es jedoch auch möglich, dass gewisse Aspekte der Biodiversität verloren gehen, dies vor allem im Berggebiet, wo durch Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung Wiesen und Weiden zu Wäldern werden.

Feuchtgebiete und Gewässer Feuchtgebiete wie Flach- und Hochmoore, stehende Kleingewässer, Quellen, Seen und Fliessgewässer beherbergen eine grosse Vielfalt an speziellen Lebensräumen und stellen wichtige Ökosystemleistungen sicher, wie z.B. den Schutz vor Hochwasser, die Regulierung des Wasserhaushaltes oder die CO2-Speicherung. Die Ausdehnung dieser Lebensräume ist vor allem in den dicht besiedelten Gebieten des Mittellandes stark zurückgegangen. Von 1900­2010 betrug der Flächenverlust für Auen 36 %, für Moore 82 %. Viele Kleingewässer verschwanden zudem als Folge von Entwässerungen oder Eindolungen. Seit 1990 konnte der Flächenverlust bei den Auen und Mooren dank dem Inkrafttreten der entsprechenden Bundesinventare und einer wirksamen Gesetzgebung weitgehend gestoppt werden. Eine grosse Herausforderung bleibt die Erhaltung der Lebensraumqualität von Feuchtgebieten. Die meisten Moore weisen eine beeinträchtigte Hydrologie auf und sind langfristig von Eutrophierung, Austrocknung und Verbuschung bedroht.73 Bei den Auen fehlt die natürliche Dynamik weiterhin. Die Situation könnte sich in Zukunft verschlechtern, wenn sich aufgrund des Klimawandels die Niederschlagsverhältnisse grundlegend ändern sollten.

Die Gewinnung von Siedlungs- und Landwirtschaftsflächen, Gewässerverbauungen und die Nutzung der Gewässer zur Energiegewinnung haben die gewässertypischen Lebensräume und die davon abhängenden Arten stark beeinflusst. Von 65 000 Kilometern Fluss- und Bachläufen sind 14 000 Kilometer stark beeinträchtigt, gänzlich naturfremd oder eingedolt. Verbauungen, ungenügende Wassermengen und starke Schwankungen des Abflusses reduzieren die Durchgängigkeit der Fliessgewässer stark. Bezüglich der Gewässer fand in jüngerer Zeit eine Trendwende statt: Mit der revidierten Gewässerschutzgesetzgebung sind umfangreiche Revitalisierungen vorgesehen, welche die Gewässerlebensräume verbessern sollen. Durch den Bau von Kläranlagen ab den 1960er-Jahren ist die organische Belastung
der Gewässer deutlich zurückgegangen, wodurch die Artenvielfalt manchenorts wieder zugenommen haben dürfte. Heute stellen bei der Gewässerbelastung Mikroverunreinigungen (z.B. hormonaktive Substanzen, Arzneimittelwirkstoffe) eine Herausforderung dar.

Wie stark sie die Biodiversität beeinflussen, ist noch wenig erforscht.

Trockenstandorte Trockenstandorte wie Trockenwiesen und -weiden erlitten von 1900­2010 einen Flächenverlust von 95 %. In den letzten zwanzig Jahren hat die übrig gebliebene Fläche infolge Nutzungsintensivierung oder Nutzungsaufgabe und durch Überbauungen zusätzlich um rund ein Fünftel abgenommen74. Die Trockenwiesen und -weiden in der Schweiz sind im letzten Jahrhundert deutlich artenärmer geworden75, 73 74 75

Klaus G. 2007: Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz. Bern: BAFU Urech M., Eggenberg S., pro seco 2007: Inventarvergleiche. Interner Bericht. Bern: im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt Rechsteiner C. 2009: Wiesen der Schweiz ­ vor 120 Jahren und heute. Masterarbeit.

Universität Zürich

7266

und die Artenzusammensetzung in Wiesen und Weiden der tieferen und mittleren Lagen wird zunehmend ähnlicher bzw. monotoner76. Dank der Öko-Qualitätsverordnung77 von 2001 sowie dem Inventar zu den Trockenwiesen und -weiden, welches 2010 zur Trockenwiesenverordnung78 führte, konnte dieser Flächenverlust teilweise gebremst werden.

Siedlungsraum Im Siedlungsraum führen die intensiven Nutzungen zu Lebensraumzerschneidung, Versiegelung, Verdichtung von Böden sowie zu Luft- und Wasserbelastungen und beeinträchtigen damit die Biodiversität erheblich. Urbane Bedingungen ermöglichen aber auch eine Vielfalt von Lebensräumen, die oft als Refugium für Arten dienen, die ihren natürlichen Lebensraum verloren haben. Biodiversität im Siedlungsraum ist wichtig, um diese Arten zu erhalten. Ungenügende Frei- und Grünflächen im Siedlungsraum sowie das Auftreten von invasiven Arten bedrohen die urbane Biodiversität.79

4.2

Artenvielfalt

Bedrohte Artenvielfalt Zwischen 1900 und 1990 führten drastische Arealverluste und sinkende Bestände zahlreicher einst häufiger Arten dazu, dass gemäss heutigem Kenntnisstand rund ein Drittel der bekannten Arten in der Schweiz bedroht ist.80 Viele einheimische Arten kommen heute nur noch in vereinzelten und dezimierten Beständen vor oder es sind nur noch einzelne Individuen vorhanden.81 Vor allem im Mittelland ist die Artenvielfalt lokal so stark zurückgegangen, dass es fraglich ist, ob die Leistungen der Ökosysteme langfristig sichergestellt sind.

Seit den 1990er-Jahren haben sich die Bestandesrückgänge bei einigen Arten verlangsamt. In wenigen Einzelfällen fand eine positive Entwicklung statt. Die Prognosen bis 2020 zeigen jedoch, dass eine echte Trendwende unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich ist. Selbst wenn die Fläche wertvoller Lebensräume auf dem heutigen Niveau stabilisiert werden kann, drohen Artenverluste, da bei vielen seltenen Arten die Bestände sehr klein und kaum überlebensfähig sein dürften.

76 77

78 79 80

81

Biodiversitäts-Monitoring: Vielfalt von Artengemeinschaften (Z12) www.biodiversitymonitoring.ch/deutsch/indikatoren/z12.php Verordnung vom 4. April 2001 über die regionale Förderung der Qualität und der Vernetzung von ökologischen Ausgleichsflächen in der Landwirtschaft (Öko-Qualitätsverordnung, ÖQV), SR 910.14 Verordnung vom 13. Januar 2010 über den Schutz der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (Trockenwiesenverordnung, TwwV), SR 451.37 Lachat T. et al. 2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle erreicht? Zürich Bristol Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Baur B. et al. 2004: Biodiversität in der Schweiz: Zustand, Erhaltung und Perspektiven.

Grundlagen für eine nationale Strategie. Bern: Forum Biodiversität Schweiz (Hrsg.) und BAFU (Hrsg.) 2010: Umsetzung der Biodiversitätskonvention. Kurzfassung des 4. Nationalberichts der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Bern Gefährdete Arten in der Schweiz, Synthese Rote Listen, Stand 2010, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 2011

7267

Die Artenzusammensetzung der Lebensräume gleicht sich zunehmend, wie das Biodiversitätsmonitoring Schweiz für Wiesen und Weiden festgestellt hat.82 Dies hat unter anderem mit zunehmend einheitlichen Bewirtschaftungsmethoden zu tun, aber auch mit dem Nährstoffeintrag, der einzelne bereits häufige Arten stark begünstigt.

Auch die verschiedenen Lebensraumtypen werden sich immer ähnlicher. So nehmen in Mooren wegen Nährstoffeintrag und Austrocknung Pflanzen aus Fettwiesen zu, während die Zahl der Moorspezialisten sinkt.83 Insgesamt mag dadurch die Artenzahl in den Mooren kurzfristig sogar steigen, doch geht die Einmaligkeit dieser Lebensräume und die Unterschiedlichkeit zu anderen Lebensräumen verloren.

Invasive gebietsfremde Organismen Mit der globalen Vernetzung stieg gleichzeitig die Zahl der absichtlich und unabsichtlich eingeführten Arten in der Schweiz. Die meisten verschwinden nach einigen Jahren wieder oder gliedern sich unauffällig in unsere Ökosysteme ein. Einige aber haben die Fähigkeit, sich auf Kosten einheimischer Arten stark auszubreiten und eine so hohe Bestandesdichte zu erreichen, dass dadurch die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung beeinträchtigt werden können. Diese sogenannten invasiven gebietsfremden Arten können verschiedene ökologische Schäden verursachen, indem es zur Verdrängung von oder zur Hybridisierung mit einheimischen Arten kommt, oder indem ökologische Faktoren oder Funktionen einheimischer Ökosysteme verändert oder Krankheiten und Parasiten auf einheimische Arten übertragen werden. Im Weiteren können Gesundheitsprobleme beim Menschen durch toxische oder allergene Stoffe ausgelöst werden. In der Landwirtschaft oder an Infrastrukturen können beträchtliche ökonomische Verluste erfolgen, z.B. Mehrkosten im Unterhalt bei Gleisanlagen, Strassen und Ufern. Noch immer werden solche Arten eingeführt.

4.3

Genetische Vielfalt

Die Überlebens- und Evolutionsmöglichkeiten von Arten und ihren Populationen hängen auch von ihrer genetischen Vielfalt ab. Genetisch einheitliche Arten sind stärker vom Aussterben bedroht, da sie weniger gut auf die sich ändernden Umweltbedingungen reagieren können. Eine Verarmung der genetischen Vielfalt kann deshalb zum Aussterben von Arten führen.

Genetische Ressourcen in der Schweiz Gleichzeitig führt der Rückgang der genetischen Vielfalt auch zum Verlust wichtiger oder potenziell wichtiger Ressourcen für den Menschen. Denn genetische Ressourcen aus dem In- und Ausland dienen als Ausgangsmaterial für die Forschung, für die Entwicklung neuer Medikamente oder Wirkstoffe und bilden zum Beispiel auch die Grundlage von allen Pflanzensorten und Nutztierrassen der Landwirtschaft und von Baumarten der Waldwirtschaft. Für die Schweiz sind die spezifische biologische Vielfalt der Nutztiere und Nutzpflanzen im Alpenraum und die langjäh82 83

Bühler C. Roth T. 2011:Spread of common species results in local-scale floristic homogenization in grassland of Switzerland. Diversity and Distributions 17 (6), 1089­1098 Klaus G. 2007: Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz. Ergebnisse der Erfolgskontrolle Moorschutz. Umwelt-Zustand Nr. 0730, Bundesamt für Umwelt, Bern (Red.)

7268

rige landwirtschaftliche Praxis eine wichtige Quelle genetischer Ressourcen, die es zu erhalten und nachhaltig zu nutzen gilt. Die 39 einheimischen Nutztierrassen, 63 Kartoffelsorten, 3000 Obstsorten, 250 Gemüsesorten, 240 Futterpflanzen, 160 Aroma- und Medizinalpflanzen und 141 Rebsorten84 stellen einen Reichtum dar, der einen wichtigen Beitrag an die Sicherheit unserer Nahrungsmittelversorgung leistet und auch ein wertvolles kulturhistorisches Erbe ist.

Über die genetische Vielfalt der wild lebenden Arten ist indessen noch wenig bekannt. Es bestehen punktuelle Kenntnisse über die genetische Vielfalt von wiederangesiedelten Arten wie etwa dem Steinbock. Die fortschreitende Fragmentierung der Lebensräume führt vermehrt zur Isolation und genetischen Verarmung von Populationen wild lebender Arten. Der Erforschung und der Erhaltung der genetischen Vielfalt von wild lebenden Arten ist in der Artenförderung besondere Beachtung zu schenken.

Ganz besonders wertvoll ­ und bisher zu wenig beachtet ­ ist die genetische Vielfalt im Boden: Über eine Milliarde von Mikroorganismen, also Bakterien, Pilze, Algen und Einzeller, leben in einem Gramm Boden. Und unter einem Quadratmeter Boden leben Hunderttausende bis Millionen von Bodentieren, wie Würmer, Milben, Asseln und Insektenlarven. Viele Medikamente, beispielsweise die meisten Antibiotika, basieren auf der genetischen Vielfalt der Bodenlebewesen.

Genetische Ressourcen im Ausland Trotz grosser Vielfalt wild lebender Arten wie auch Nutzrassen und -sorten wird ein Grossteil der in der Schweiz genutzten genetischen Ressourcen im Ausland erworben. Für Industrie, Forschung und Landwirtschaft ist es deshalb wichtig, dass die genetischen Ressourcen global erhalten bleiben und der Zugang zu diesen Ressourcen auch im Ausland sichergestellt wird. Die ausgewogene und gerechte Verteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile schafft hierfür eine wichtige Grundlage.

5

Bisheriger Biodiversitätsschutz

Biodiversitätsschutz hat in der Schweiz eine lange Tradition. Seine Anfänge liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit dem Inkrafttreten des Natur- und Heimatschutzgesetzes wurden in erster Linie Lebensräume gefördert, später kam der Landschaftsschutz dazu.85 Zusätzlich zu den Naturwerten basiert dieser auch auf der menschlichen Wahrnehmung und Bewertung sowie auf Kultur, Tradition, Ästhetik und Brauchtum und setzt sich für ein nachhaltiges Zusammenspiel von Natur- und Kulturelementen ein, z.B. mittels Pärken von nationaler Bedeutung, Moorlandschaften von nationaler Bedeutung und besonderer Schönheit oder mit dem Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung. Besonderheiten der Landschaftspolitik wie das Landschaftsbild, der kulturhistorische Wert der Landschaft oder die Gestaltung von Bauten und Anlagen gehen dabei über die Thematik Biodiversitätsschutz hinaus.

84 85

Nationale Datenbank für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (PGREL). www.bdn.ch Das Landschaftskonzept Schweiz (LKS) ist die verbindliche Richtschnur für den Naturund Landschaftsschutz bei Bundesaufgaben.

7269

Erfolgreiche Zusammenarbeit im Naturschutz Naturschutz ist in der Schweiz eine Aufgabe, die gemeinsam von verschiedenen Institutionen der öffentlichen Hand und privaten Akteuren wahrgenommen wird.

Die daraus resultierende Mitverantwortung wird von allen Partnern aktiv und engagiert wahrgenommen. Dabei haben die grossen Bemühungen der Kantone und der Naturschutzorganisationen viel zur Erhaltung der Biodiversität beigetragen. Viele Erfolge wurden auch dank dem grossen ehrenamtlichen Engagement der Zivilgesellschaft erreicht.

Wenn, wie im Naturschutz, sowohl Bund als auch Kantone mit Aufgaben betraut bzw. zuständig sind, enthält die Bundesverfassung86 oft präzisierende Umschreibungen. So verbleibt den Kantonen nach Artikel 78 Absatz 1 BV zwar grundsätzlich die Kompetenz für den Naturschutz, nach Artikel 78 Absatz 4 BV erlässt jedoch der Bund Vorschriften zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt und zur Erhaltung ihrer Lebensräume in der natürlichen Vielfalt, wobei er bedrohte Arten vor Ausrottung schützt. Der Bund hat in diesem Bereich damit eine umfassende Bundeskompetenz, das heisst er kann alle Massnahmen treffen, die ihm zur Erreichung der Ziele des Arten- und Lebensraumschutzes erforderlich erscheinen.

Entsprechend der verfassungsmässigen Kompetenzumschreibung sind Bund, Kantone und Gemeinden gemäss den Artikeln 18 ff. des Bundesgesetzes über den Naturund Heimatschutz87 aufgefordert, schützenswerte Lebensräume und Standorte, die auch Vernetzungselemente umfassen, zu erhalten oder mit anderen geeigneten Massnahmen insbesondere dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten entgegenzuwirken. Im Vordergrund stehen dabei die Instrumente des Raumplanungsrechts auf allen Ebenen, das heisst des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Wichtige Voraussetzung für den Arten- und Lebensraumschutz ist eine ausreichende Finanzierung der Schutz- und Unterhaltsmassnahmen, wofür der Bund mit den Kantonen Programmvereinbarungen abschliesst (vgl. insb. Art. 18d und 23c NHG).

Die im Naturschutz bestehende Verbundaufgabe zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden ergibt sich auch aus dem verfassungsmässigen Nachhaltigkeitsprinzip, wonach der Bund und die Kantone ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch die Menschen anderseits
anstreben (Art. 73 BV). Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit kommt somit in den Zielumschreibungen der in der Bundesverfassung im Rahmen der Artikel 73­79 BV aufgeführten Bereiche (Umwelt, Raumplanung, Wasser, Wald, Natur- und Heimatschutz sowie Fischerei und Jagd) zum Tragen, indem die entsprechenden Ziele im Sinne der Vorsorge und Nachhaltigkeit auf den Schutz von Lebensräumen und deren Funktionszusammenhänge ausgerichtet sind.

Die verfassungsmässige Aufgabenteilung im Bereich des Naturschutzes hat sich bewährt und soll nicht verändert werden.

86 87

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101).

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451).

7270

5.1

Lebensraumschutz

Schutzgebiete Der Lebensraumschutz in der Schweiz war bis anhin durch langfristige Sicherung von wichtigen Gebieten für die Biodiversität geprägt. Als erste mit Bundesperimeter88 bezeichnete Gebiete wurden im Jahr 1875 eidgenössische Jagdbanngebiete89 gesetzlich verankert. Damals waren Reh, Rothirsch und Steinbock durch übermässiges Jagen fast oder vollständig ausgerottet. 1914 wurde der Schweizerische Nationalpark90 gegründet. In den 1990er-Jahren sicherte man spezifische Gebiete für Arten und Lebensräume langfristig. Ab 1991 gab es Wasser- und Zugvogelreservate91 und die Biotope von nationaler Bedeutung92. 1991 wurde die Hochmoorverordnung93 in Kraft gesetzt. Es folgten 1992 die Auenverordnung94, 1994 die Flachmoorverordnung95 und 1996 die Moorlandschaftsverordnung96. Im Jahr 2001 hat der Bundesrat das Bundesinventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung97 als erstes Inventar zum Schutz der Lebensräume einer zoologischen Artengruppe verordnet. 2010 wurde die Trockenwiesenverordnung98 verabschiedet. In der Schweiz besteht heute auf Kantons- und Gemeindeebene eine Vielzahl von kantonalen und kommunalen Gebieten, wie z.B. Waldreservate, die einen langfristigen Schutz geniessen. Weitere Flächen sind oft in privatem Eigentum (z.B. Naturschutzorganisationen) und werden auf diesem Weg privatrechtlich geschützt.

Neben den klassischen Schutzgebieten leisten auch die Flächen, welche mithilfe finanzieller Anreize biodiversitätsfördernd bewirtschaftet werden, einen wichtigen Beitrag zum Lebensraumschutz.

Gesetzliche Bestimmungen zum Lebensraumschutz Zum Schutz der Lebensräume bestehen gesetzliche Bestimmungen in den Bereichen Gewässerschutz, Wasserbau, Wald, Raumplanung, Chemikalien, Umweltschutz und Landwirtschaft. Insbesondere das 1876 erlassene Eidgenössische Forstpolizeigesetz sicherte nicht nur die Waldfläche sondern schuf gleichzeitig eine entscheidende Basis für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität. Mit dem heute geltenden 88 89 90 91 92

93 94 95 96 97 98

National bezeichnete Gebiete Verordnung vom 30. September 1991 über die eidgenössischen Jagdbanngebiete (VEJ; SR 922.31) Bundesgesetz vom 19. Dezember 1980 über den Schweizerischen Nationalpark im Kanton Graubünden (Nationalparkgesetz; SR 454) Verordnung vom 21. Januar 1991 über die Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung (WZVV; SR 922.32) Artikel 18a des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451), eingefügt 1987 als indirekter Gegenvorschlag zur Rothenthurm-Initiative (Schutz der Moore) Verordnung vom 21. Januar 1991 über den Schutz der Hoch- und Übergangsmoore von nationaler Bedeutung (Hochmoorverordnung; SR 451.32) Verordnung vom 28. Oktober 1992 über den Schutz der Auengebiete von nationaler Bedeutung (Auenverordnung; SR 451.31) Verordnung vom 7. September 1994 über den Schutz der Flachmoore von nationaler Bedeutung (Flachmoorverordnung; SR 451.33) Verordnung vom 1. Mai 1996 über den Schutz der Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung (Moorlandschaftsverordnung; SR 451.35) Verordnung vom 15. Juni 2001 über den Schutz der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung (Amphibienlaichgebiete-Verordnung, AlgV; SR 451.34) Verordnung vom 13. Januar 2010 über den Schutz der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (TwwV; SR 451.37)

7271

Waldgesetz von 1991 wird neben dem Schutz der Waldfläche explizit auch der qualitative Schutz des Waldes als naturnahe Lebensgemeinschaft verlangt. Das Wasserbaugesetz und das Gewässerschutzgesetz (beide aus dem Jahr 1991) kombinieren das Anliegen des Hochwasserschutzes mit dem Bestreben, die ökologischen Funktionen der Gewässer zu sichern. Mit der Revision des Gewässerschutzgesetzes (in Kraft seit 1. Januar 2011) werden die Anstrengungen zur Gewässerrevitalisierung und zur Minderung der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung in Zukunft deutlich intensiviert.

Funktionsfähigkeit der Schutzflächen nicht immer sichergestellt Allein durch die Einrichtung und langfristige Sicherung von Schutzgebieten konnte der Rückgang der Biodiversität in der Schweiz bisher aber nicht gestoppt werden.

Untersuchungen weisen darauf hin, dass die bestehenden Flächen nicht genügen, dass sie oft zu klein, zu wenig vernetzt und in ihrer Qualität stark beeinträchtigt sind.99 Meist sind Aufwertungen und Regenerationen erforderlich, damit die Gebiete, die dem Schutz der Biodiversität gewidmet sind, ihre Funktion erfüllen können. Da diese Gebiete vom Menschen zum Teil stark beeinträchtigt wurden, finden die natürlichen Prozesse häufig nicht mehr statt. Funktionsfähige Gebiete sind zur Sicherung von Lebensräumen und Arten sowie für die Vernetzung entscheidend.

Gründe für Flächen- und Qualitätsdefizite Die Defizite an Fläche und Qualität sind zum Teil auf Mängel im Vollzug des heute geltenden Rechtes zurückzuführen. Tatsache ist, dass die Mittel der Kantone und des Bundes unzureichend sind, um die Vollzugsaufgaben zufriedenstellend wahrnehmen zu können. Dabei ist zwischen Bund und Kantonen zu unterscheiden, wird doch der Bund eher als verhindernd wahrgenommen, da die Kantone ihre Bereitschaft signalisieren, trotz Sparprogrammen bereits heute mindestens 50 %100 mehr in diese Verbundaufgabe zu investieren. Der Vergleich der geschätzten Unterhaltskosten von Biotopen von nationaler Bedeutung mit den derzeitigen Ausgaben für Natur- und Landschaftsschutz zeigt, dass es zum Schutz und zur Pflege der Biotope etwa doppelt so viele Mittel bräuchte, als Bund und Kantone heutzutage zur Verfügung stellen. Dazu sind einmalige Investitionen für die Aufwertung und Regeneration der Biotope nötig, deren Kosten einem Mittelwert von 1,2 Milliarden entsprechen.101 Schliesslich wird die fehlende Einhaltung und Umsetzung des geltenden Rechts oft nicht sanktioniert.

99

Klaus G. 2007: Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz. Bern: BAFU und BAFU 2010: Switzerland's Fourth National Report under the Convention on Biological Diversity. Bern 100 Es handelt sich um errechnete Zahlen auf Basis der erklärten Investitionsbereitschaft der Kantone in den Bereichen Natur- und Landschaftsschutz und Biodiversität im Wald.

101 Ismail S. et al. 2009: Kosten eines gesetzeskonformen Schutzes der Biotope von nationaler Bedeutung. Technischer Bericht. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Basel: Pro Natura, Bern: Forum Biodiversität.

www.wsl.ch/dienstleistungen/publikationen/pdf/9625.pdf

7272

Anpassung der Lebensräume an den Klimawandel Eine grosse Herausforderung der nächsten Dekaden stellt die Anpassung der Lebensräume an den Klimawandel dar. Am 2. März 2012 verabschiedete der Bundesrat den 1. Teil seiner nationalen Anpassungsstrategie102, die sich auch den Anpassungen im Bereich Biodiversität annimmt. Wichtig ist dabei, dass die jetzigen und künftigen Schutz- und Vernetzungsgebiete so angelegt werden, dass eine Anpassung der Lebensräume an klimainduzierte Veränderungen möglich ist.

Réseau Ecologique National (REN) als Vision für einen landesweit vernetzten Lebensraum Mit dem Projekt Réseau Ecologique National (REN)103 hat der Bund 2004 seine Vision für einen landesweiten Verbund von Lebensräumen dargelegt. Anhand detaillierter Karten werden wichtige Gebiete zum Schutz von seltenen und gefährdeten Lebensräumen und Arten und deren Vernetzungsachsen geografisch aufgezeigt.

Dabei wird nicht nur die diesbezüglich aktuelle Situation ausgewiesen, sondern auch das Potenzial der Landschaft berücksichtigt. Aus den Ergebnissen dieses Projekts kann abgeleitet werden, dass für die Sicherstellung der Biodiversität und ihrer Funktionen mehr Flächen als heute einen Beitrag leisten müssen. Eine Aktualisierung der Unterlagen soll die Flächenbedürfnisse präzisieren.

Handlungsfelder für den Lebensraumschutz Die langfristige qualitative und quantitative Sicherung von Flächen ist Voraussetzung für die Erhaltung der Ökosysteme und ihrer Leistungen. Dabei soll die Versiegelung verringert und die Zerschneidung von Lebensräumen möglichst vermieden werden. Zudem braucht es eine gezielte Förderung einer auf Nachhaltigkeit beruhenden und insbesondere den spezifischen Eigenheiten der Lebensraumtypen angepassten Nutzung in allen Räumen (Siedlungsraum, Landwirtschaftsflächen, Wald, Gewässerraum).

Um den Arten langfristige Überlebenschancen zu bieten, müssen ihre Lebensräume genügend gross sein, eine gute Qualität aufweisen und sinnvoll auf der Landesfläche verteilt sein.104 Für die Weiterführung des Lebensraumschutzes stehen in Zukunft deshalb die nachstehenden Handlungsfelder im Vordergrund: ­

Die bestehenden Schutzgebiete müssen richtig gepflegt und wo nötig regeneriert werden. Wo notwendig müssen bestehende Schutzgebiete vergrössert und neue Schutzgebiete geschaffen und vernetzt werden. Dabei soll die Verantwortung der Schweiz für die repräsentative Erhaltung aller ihrer verschiedenen Lebensräume berücksichtigt werden. Auch die Anpassungsmöglichkeit der Ökosysteme an den Klimawandel muss sichergestellt werden.

­

Es braucht eine Verbesserung der Instrumente in der Raumordnungspolitik, weil diese mit ihrer Koordinationsfunktion die Entwicklung des Raumes einschliesslich seiner Bedeutung für die Biodiversität steuernd beeinflusst. Die Weiterentwicklung des REN soll zudem den Akteuren aus den für die Bio-

102

Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz ­ Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder. 1.Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012 103 Réseau Ecologique National (REN).

www.bafu.admin.ch/schutzgebiete-inventare/09443/index.html?lang=de 104 Lawton, J.H. et al. 2010: Making Space for Nature: a review of England's wildlife sites and ecological network. Report to Defra

7273

diversität relevanten Sektoren räumliche Grundlagendaten bieten, auf welchen die Handlungen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität basieren können.

­

Die Reduktion der Einträge von Mikroverunreinigungen in die Gewässer, sowohl aus der Siedlungsentwässerung als auch aus diffusen Quellen, z.B.

aus der Landwirtschaft, stellt die Wasserwirtschaft vor neue Herausforderungen. Im Zuge der verstärkten Förderung erneuerbarer Energien steigt der Druck auf die Gewässer durch die vermehrte Nutzung der Wasserkraft, auch an bisher noch ungenutzten Gewässern. Deshalb soll ein sektorenübergreifender Ansatz die sektorale Betrachtungsweise zunehmend durch ein integrales Gewässermanagement ablösen.

5.2

Artenschutz

Artenförderungsprogramme In der Schweiz wird Artenschutz prinzipiell durch die Instrumente des Lebensraumschutzes gewährleistet. Eine beschränkte Auswahl Arten wird von Bund und Kantonen zusätzlich mit Artenförderungsprogrammen unterstützt. Diese Programme sind speziell auf Arten oder Artengruppen ausgerichtet, die mit dem Lebensraumschutz allein nicht genügend gefördert werden können und deshalb auf spezifische zusätzliche Massnahmen angewiesen sind. Artenförderungsprogramme gibt es für einzelne Arten aus verschiedenen Gruppen wie Wirbeltiere, wirbellose Tiere, Pflanzen, Flechten, Algen und Pilze. Zu erwähnen sind namentlich das Programm Artenförderung Vögel Schweiz mit mehreren nationalen Aktionsplänen für Prioritätsarten und der Aktionsplan Flusskrebse Schweiz sowie Förderprojekte verschiedener Akteure für prioritäre Tagfalterarten, für Amphibien, Reptilien, Fledermäuse und einzelne Pflanzen. Erfolgreich wiederangesiedelt wurden Steinbock, Biber, Luchs und Bartgeier in der Schweiz.

Für Bär, Luchs, Wolf und Biber gibt es nationale Konzepte. Bei diesen steht das Management der Populationen im Vordergrund, damit Schäden begrenzt und wo nötig entschädigt werden können. Im Bereich der Fliessgewässer gibt es Aktionspläne für Fische und Flusskrebse.

Seit 1991 sind Rote Listen105 formal in der Natur- und Heimatschutzverordnung verankert. Sie zeigen den Gefährdungsgrad von Tier-, Pflanzen-, und Pilzarten.

Zudem werden mögliche Schutzmassnahmen für deren Erhaltung dargelegt. Die Roten Listen werden periodisch aktualisiert.

Handlungsfelder für den Artenschutz Im Bereich Artenförderung ist von den rund 46 000 bekannten einheimischen Arten nur bei rund einem Viertel der Gefährdungszustand bekannt106. Die Prioritäten für Artenschutzprogramme ergaben sich bisher oft aus dem Kenntnisstand der Wissenschaft und den finanziellen und personellen Ressourcen von Organisationen, die im Artenschutz tätig sind. In Zukunft muss der Kenntnisstand über Arten erweitert 105 106

Verordnung vom 16. Januar 1991 über den Natur- und Heimatschutz (NHV; SR 451.1) Cordillot F., Klaus G. 2011: Gefährdete Arten in der Schweiz. Synthese Rote Listen, Stand 2010. Umwelt-Zustand Nr. 1120: 111 S. Bundesamt für Umwelt, Bern

7274

werden. Zudem braucht es übergeordnete Ziele und Grundsätze für die Prioritätensetzung und den Umgang mit Zielkonflikten. Bei Artenförderprogrammen sollen die National Prioritären Arten (Arten, die in der Schweiz gefährdet sind und für welche die Schweiz besondere Verantwortung trägt) im Vordergrund stehen. Jedoch sind auch heute noch häufige oder verbreitete Arten durch Erhaltung und Aufwertung ihrer Lebensräume zu fördern. Insbesondere müssen die An- und Umsiedlungen von Arten sowie der Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten geregelt werden. Dazu braucht es eine Gesamtkonzeption für die Erhaltung und den Wiederaufbau der natürlichen und kulturell geformten Artenvielfalt.

5.3

Schutz der genetischen Vielfalt

Mangelndes Wissen über die genetische Vielfalt Die genetische Vielfalt der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten sowie Mikroorganismen der Schweiz ist bis heute nur ansatzweise bekannt. Bis anhin wurde wenig unternommen, um die genetischen Ressourcen wild lebender Arten der Schweiz zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Eine Ausnahme bilden Baumarten, die im Rahmen der Waldpflege und Waldnutzung besser erforscht sind. Bessere Kenntnisse bestehen auch bezüglich der Vielfalt der Pflanzensorten und Nutztierrassen in der Landwirtschaft, teilweise unter Einbezug ihrer wild lebenden Verwandten.

Unbekannte genetische Vielfalt kann weder geschützt noch nachhaltig genutzt werden, was zu einer Verarmung und zu unbemerkten Verlusten führen kann. Mit der Erhaltung der wild lebenden Arten und ihren natürlichen Verbreitungsgebieten können in den meisten Fällen auch die genetische Vielfalt dieser Arten und ihr Potenzial als Ressourcen für weitere Generationen sichergestellt werden. Zusatzmassnahmen in Form von Genbanken, Stammsammlungen, botanischen Gärten usw.

sind jedoch notwendig. Um zu bestimmen, welche Arten der Schweiz wie erhalten werden sollen, ist es wichtig, die genetische Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in der Schweiz besser zu kennen.

Bisherige Anstrengungen Die Arbeit zur Erhaltung der genetischen Ressourcen richtet sich bis anhin insbesondere nach den relevanten Artikeln der Biodiversitätskonvention sowie nach den sogenannten Bonner Leitlinien über ABS107. Im Bereich der Mikroorganismen leistete der Bund einen Beitrag zum Aufbau einer nationalen Stammsammlung für Mikroorganismen108. Die Mehrheit der botanischen Gärten der Schweiz wurden einem internationalen Pflanzenaustauschnetzwerk angeschlossen. Die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) führt seit mehreren Jahren ein Sensibilisierungsprogramm betreffend Nutzung der genetischen Ressourcen in der akademischen Forschung. Neben einer möglichst natürlichen Verjüngung der Bestände wird der Erhaltung der waldgenetischen Ressourcen in der Schweiz Rechnung getragen durch Verwendung von standortgerechtem Vermehrungsgut bei

107

Bonner Leitlinien über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte und ausgewogene Beteiligung an den Vorteilen aus ihrer Nutzung. www.abs.bfn.de/fileadmin/ ABS/documents/Bonn-Guidelines_englisch-deutsch_Druckfassung.pdf 108 Culture Collection of Switzerland (CCOS). www.ccos.ch

7275

künstlicher Verjüngung, durch gezielte Förderung seltener Baumarten sowie durch das Ausscheiden von Wäldern von besonderem genetischem Interesse.

Im Landwirtschaftsbereich wird die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen und ihrer verwandten Wildarten durch den nationalen Aktionsplan (NAP109) unterstützt. Zudem trat 2004 der internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für die Ernährung und Landwirtschaft110 in Kraft, der übereinstimmend mit der Biodiversitätskonvention, die Erhaltung, die nachhaltige Nutzung und den gerechten Vorteilsausgleich zum Ziel hat. Für tiergenetische Ressourcen wurde ein Konzept zur Erhaltung der Rassenvielfalt der landwirtschaftlichen Nutztiere ausgearbeitet. Private Initiativen, wie ProSpecieRara111, tragen ebenfalls stark zur Erhaltung der Pflanzensorten und Nutztierrassen bei. Schliesslich hat die Schweiz am 11. Mai 2011 das Nagoya-Protokoll über ABS unterzeichnet, und der Bundesrat hat das UVEK beauftragt, eine Ratifikationsbotschaft auszuarbeiten.

6

Bisherige Biodiversitätsförderung in relevanten Bereichen

Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität ist eine gewaltige gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Herausforderung. Es zeigt sich, dass diese mit klassischen Naturschutzinstrumenten allein nicht erfolgreich zu bewältigen ist. Biodiversität wird geprägt von Landnutzungen und von Eingriffen durch Bauten, Anlagen und Infrastrukturen sowie von diffusen Verschmutzungen; der Umgang mit ihr hängt vom Wissensstand und von den verfügbaren Informationen ab. Ein nachhaltiger Umgang mit der Biodiversität und damit eine Sicherung der Ökosystemleistungen kann nur dann erreicht werden, wenn die verschiedenen Sektoralpolitiken die Biodiversität als Handlungsfeld der Zukunft annehmen. Nachstehend wird aufgezeigt, wie die einzelnen Bereiche die Biodiversität beeinflussen und von ihr profitieren.

6.1

Raumplanung und Siedlungsentwicklung

Wachstum und Zersiedelung In der Schweiz haben Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie neue Ansprüche an Wohnen, Freizeit und Mobilität zu einer massiven Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen geführt. Die bestehenden raumplanerischen Instrumente wie Sach-, Richt- und Nutzungsplanungen genügen für eine nachhaltige Raumentwicklung nicht. Die Zersiedelung, die Zerschneidung von Landschaften und Lebensräumen und der zunehmende Druck auf ökologisch wertvolle Flächen (Versiegelung, Schadstoffeinträge, intensivere Nutzung usw.) konnten nicht aufgehalten 109

Nationaler Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL).

www.cpc-skek.ch/deutsch/nap_projekte/infos.html 110 Internationaler Vertrag vom 3. November 2001 über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, SR 0.910.6 111 ProSpecieRara: Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren. www.prospecierara.ch

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werden. Die Aspekte des Natur- und Landschaftschutzes müssen besser mit den anderen Raumnutzungen abgestimmt und ihre Anliegen (insbesondere Vernetzung, Aufwertung, Raumbedarf) integriert werden. Die Raumplanung besitzt hier eine besonders grosse Verantwortung, die sie bisher nur ansatzweise wahrgenommen hat.

Wie bereits in den Botschaften zur Landschaftsinitiative112 und zur Teilrevision des Raumplanungsgesetzes113 aufgeführt, liegen die Gründe generell in der mangelnden Kompetenz und Durchsetzung zur Begrenzung und Steuerung der Siedlungsentwicklung, zudem spezifisch bezüglich Biodiversität bei der ungenügenden Koordination raumwirksamer Tätigkeiten, der zu wenig verbindlichen Anwendung von Kompensations- und Ersatzmassnahmen und der zu geringen Berücksichtigung von Biodiversitätsaspekten (in den Anforderungen des Bundes an kantonale Richtpläne) bei raumrelevanten Tätigkeiten.

Raumkonzept Schweiz: mehr Raum für Biodiversität Das Raumkonzept Schweiz (Entwurf)114 setzt unter anderem das Ziel, Raum für Biodiversität zu schaffen. Die Raumplanung soll dazu einen zentralen Beitrag leisten. Der Bund erarbeitet in der Raumplanung Grundlagen und ist für die Koordination über die Kantone hinweg zuständig. Die Hauptverantwortung in der Raumplanung tragen die Kantone und Gemeinden. Umso wichtiger ist es, dass das Raumkonzept, welches tripartit ­ von Bund, Kantonen, Gemeinden und Städten ­ erarbeitet worden ist, auch von den betreffenden Partnern gemeinsam umgesetzt wird und dass dabei das Ziel betreffend Raumbedarf der Biodiversität eine hohe Priorität erhält.

Handlungsfelder für die Raumplanung Es sind ausreichend grosse, qualitativ gute Lebensräume zu sichern, die untereinander vernetzt und auch im Siedlungsraum als Grün- und Freiflächen ausgeschieden sind. Weil sich die Siedlungen in den letzten Jahrzehnten stark ausgedehnt haben, braucht es zudem neue Massnahmen für den haushälterischen Umgang mit dem Boden und zur Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum. Ein grosses Problem stellen die Versiegelung des Bodens und die qualitative Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit durch unsachgemässe Bewirtschaftung und Bautätigkeit dar, die 112

Vgl. Botschaft vom 20. Januar 2010 zur Volksinitiative «Raum für Mensch und Natur (Landschaftsinitiative)», 10.018, BBl 2010 1033 1037: «Die seit Inkrafttreten des RPG am 1. Januar 1980 eingetretene Entwicklung zeigt, dass die geltende gesetzliche Regelung Mängel aufweist und namentlich der Zersiedelung der Landschaft nicht Einhalt zu gebieten vermochte. Das verfassungsmässige Ziel der haushälterischen Nutzung des Bodens ist in den letzten Jahrzehnten nicht wunschgemäss erreicht worden. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: So gingen die Planungsbehörden vorerst von einem zu grossen Bevölkerungswachstum aus, was zu überdimensionierten Bauzonen geführt hat. Der Bedarf wurde meistens kommunal und nicht regional oder kantonal ermittelt, womit es an einer übergeordneten Betrachtungsweise mangelte. Planungsfremde Motive, wie etwa die Sanierung der Gemeindefinanzen oder die Unterstützung des eigenen (Bau-)Gewerbes, förderten Einzonungen. Für die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer ist zudem der finanzielle Anreiz, ihr Land einzonen zu lassen, angesichts des grossen Wertgefälles zwischen Bauland und Land ausserhalb der Bauzonen beträchtlich. Auszonungen hingegen sind politisch wesentlich schwieriger zu realisieren als Einzonungen und wurden in der Vergangenheit auch deshalb nicht konsequent vorgenommen, weil Entschädigungsforderungen der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer befürchtet wurden.» 113 Botschaft vom 20. Januar 2010 zu einer Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, 10.019.

BBl 2010 1049. Vgl. u.a. auch ARE (2005), Raumentwicklungsbericht 2005 114 Raumkonzept Schweiz (Entwurf).

www.are.admin.ch/themen/raumplanung/00228/00274/index.html?lang=de

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eine multifunktionale Nutzung für die Biodiversität weitgehend ausschliessen. Wenn Böden versiegelt oder beeinträchtigt werden, können bodenbiologische Prozesse und die damit verbundenen Ökosystemleistungen (wie Nahrungsmittel- und Holzproduktion, Trinkwasserversorgung usw.) nicht stattfinden. Wichtig für die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen, die auf dieser basieren, ist, zusätzliche Versiegelung und Belastung natürlich gewachsener Böden so weit wie möglich zu vermeiden.

Biodiversität in der Siedlung 75 % der Schweizer Bevölkerung leben heute in Städten und Agglomerationen.

Selbst in den Städten bieten sich rund 40­50 % der Flächen als Lebensräume für Tiere und Pflanzen an, die sich mit anderen Nutzungen überlagern lassen. Für den Aufbau eines landesweiten Verbundes von Lebensräumen sind solche Flächen sehr wichtig, denn sie tragen wesentlich zur Lebensqualität in den Siedlungen bei, fördern die Identifizierung der Bevölkerung mit ihrer natürlichen Umgebung und ermöglichen Erholung und Freizeitaktivitäten. Sie fördern mit Naturerfahrungen und -erlebnissen die Wahrnehmung der Umwelt und unterstützen damit auch das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Biodiversität. Frei- und Grünräume in den Siedlungen können auch andere Räume vom zunehmenden Druck durch Erholungssuchende entlasten.

Der städtische Siedlungsraum ist inzwischen auch zu einem Hort für selten gewordene Arten und Lebensräume geworden. Dies als Folge von zwei Entwicklungen: Einerseits kommen Mangelbiotope wie Trockenwiesen noch als Relikte im Siedlungsraum vor, anderseits finden aus der Landwirtschaft verdrängte seltene Arten im städtischen Umfeld auf Brachen und Plätzen wieder einen Ersatzlebensraum. Die mit Überbauungen und Neugestaltungen verbundene Dynamik ermöglicht bei gezieltem Einbezug der Biodiversität aussergewöhnliche Lebensräume für seltene Arten. Die entsprechenden Flächen ­ insbesondere unversiegelte Räume ­ müssen verbindlich gesichert werden (Grün- und Freiflächenanteile).

In den Städten und Gemeinden gibt es verschiedene gute Beispiele, wie sich Biodiversität im Siedlungsraum fördern lässt. Auch bei der Anwendung der raumplanerischen Instrumente ­ Richtpläne und Nutzungspläne ­ existieren bei den Kantonen und Gemeinden gute Ansätze im Umgang mit Natur und Landschaft. Die Aspekte der Biodiversität
werden aber noch nicht überall in den raumplanerischen Instrumenten genügend berücksichtigt und umgesetzt. Neue Politiken, Programme und Instrumente, wie die Agglomerationspolitik mit ihren Programmen und Modellvorhaben, bieten hierzu innovative Ansätze, sofern sie ausgehend von einer ganzheitlichen und gesamträumlichen Betrachtungsweise konzipiert sind.

6.2

Waldwirtschaft

Vielfältige Wälder und Wald-Ökosystemleistungen Die Wälder der Schweiz sind dank der klimatischen und geologischen Unterschiede sehr vielfältig ­ unterschieden werden über hundert natürliche Waldgesellschaften, die mehr als 60 % der in unserem Lande vorkommenden Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen beherbergen. Mit zur hohen Artenvielfalt beigetragen hat auch die vielfältige Nutzungsgeschichte der Wälder, die unter anderem für viel Licht, Wärme und magere Standorte gesorgt hat. Die verschiedenen Ökosystemleistungen des 7278

Waldes, wie die Schutz-, Nutz- und Wohlfahrtsfunktionen, sind direkt mit seiner spezifischen Biodiversität verknüpft.

Zunahme der Waldfläche und der ökologischen Qualität der Wälder Die Fläche des Waldes hat seit 1850 stetig zugenommen, vor allem in den Alpen und auf der Alpensüdseite. Die Waldbewirtschaftung erfolgt in der Schweiz heute flächendeckend nachhaltig und weitestgehend naturnah, wie dies gemäss Waldgesetz verlangt wird. Insgesamt ist der prozentuale Anteil gefährdeter Arten in Wäldern geringer als in anderen Lebensräumen. Die ökologische Qualität der Wälder hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Mehrere entsprechende Indikatoren zeigen einen positiven Trend: Die Strukturvielfalt wächst, die Waldverjüngung erfolgt grösstenteils und zunehmend natürlich, und der Totholzanteil ist angestiegen.115 Handlungsfelder für die Waldwirtschaft Dennoch gibt es Defizite im Bereich Waldbiodiversität. Dazu gehört weiterhin die Untervertretung vielfältiger Strukturen, wie z.B. gestufte Waldränder, lichte Wälder, feuchte Waldstellen, Wytweiden116 und Selven117, sowie der Mangel an Alt- und Totholz, insbesondere auf Flächen im Mittelland und im Jura. Diese Defizite führen zu einem Rückgang an seltenen und gefährdeten licht- und wärmeliebenden Arten sowie an Habitatspezialisten biologisch alter Entwicklungsphasen. Dazu kommt eine heute noch ungenügende Ausscheidung von Waldreservaten. Ebenfalls eine flächendeckende Bedrohung für die Waldbiodiversität stellen die Ungleichgewichte in der Nährstoffversorgung durch Einträge aus der Luft (vorwiegend Stickstoff) dar. Grosser Einfluss auf die Waldbiodiversität geht auch vom Klimawandel aus.

Waldpolitik 2020 Die Waldpolitik des Bundes wird durch die Waldpolitik 2020 geleitet. Sie ist eine politische Absichtserklärung des Bundesrates, welche die Grundlage für konkrete Massnahmen bildet, die in einem Massnahmenplan konkretisiert werden. In der Waldpolitik 2020 festgehalten sind langfristige Visionen (bis 2030) über den gewünschten Zustand des Waldes, davon abgeleitete quantifizierte Ziele für die Periode 2010­2020 sowie die Strategie zur Zielerreichung. Hauptziel der Waldpolitik 2020 ist die Sicherstellung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Dabei ist der Wald so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen und Leistungen nachhaltig und gleichwertig erfüllen
kann. Dies sind: Gestaltung der Landschaft, Schutz von natürlichen Ressourcen, Holz und andere Waldprodukte, Artenvielfalt und Lebensräume, Schutz vor Naturgefahren sowie Freizeit- und Erholungsraum.

Der Bund fördert in Form von Programmvereinbarungen mit den Kantonen die biologische Vielfalt im Wald. Unterstützt werden dabei die Einrichtung von Waldreservaten und Altholzinseln sowie die gezielte Förderung von prioritären Tier- und Pflanzenarten und ihren Lebensräumen (Waldränder, Selven, Wytweiden, Mittel115

Brändli U.B. 2010: Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der dritten Erhebung 2004­2006. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Bern, Bundesamt für Umwelt BAFU 116 Auf Wytweiden findet gleichzeitig eine Wald- und Weidennutzung statt. Sie gelten juristisch als Wald und sind dem Waldgesetz unterstellt.

117 Unter Selven sind die bekannten Edelkastanien- und die wohl eher seltenen Nussbaumbestockungen zu verstehen, die hauptsächlich im Wallis, im Tessin und in Südbünden vorkommen. Sie dienen traditionell der Holznutzung und der Früchtegewinnung, werden aber auch beweidet und/oder gemäht.

7279

wald). In den übrigen Waldbeständen braucht es zudem zur nachhaltigen Erhaltung des Waldes und zur Förderung der biologischen Vielfalt flächendeckend eine naturnahe Waldbewirtschaftung.

6.3

Landwirtschaft

Wertvolle Lebensräume ­ entstanden durch die Landwirtschaft Mit der Landwirtschaft hat der Mensch über Jahrhunderte einen Beitrag an die Erhaltung der Vielfalt von Lebensräumen und von damit verbundenen Arten geleistet. Feucht- sowie Trockenwiesen und -weiden, die dank der Bewirtschaftung entstanden sind und erhalten wurden, beherbergen einen Grossteil der Schweizer Artenvielfalt.

Biodiversität ­ Grundlage für eine funktionierende Landwirtschaft Es gibt zahlreiche für die Landwirtschaft wesentliche Ökosystemleistungen. Dazu gehören, die Bestäubung, die biologische Schädlingsbekämpfung und die Bildung und Erhaltung fruchtbarer Böden. Die Biodiversität im Boden sorgt für fruchtbare Böden, indem organische Abfallstoffe in einfachere anorganische Bestandteile umgewandelt werden, die dann den Pflanzen wieder als Nährstoffe zur Verfügung stehen. Die genetische Vielfalt bei den Nutztierrassen und Kulturpflanzen sowie bei den mit diesen verwandten Wildarten ist eine wichtige Ressource. Sie bietet die Möglichkeit, die zukünftige landwirtschaftliche Produktion an veränderte Markt-, Produktions- und Umweltbedingungen anzupassen.

Verlust an Biodiversität durch Intensivierung der Landwirtschaft Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Landwirtschaftspolitik auf Produktionssteigerung und Rationalisierung ausgerichtet. Mit einem beträchtlichen öffentlichen Engagement konnte die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung gesteigert werden.

Die Intensivierung der Nutzung, die Vergrösserung und Vereinheitlichung der Parzellenflächen, die Nutzungsaufgabe in schwer zugänglichen Gebieten, der zunehmende Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, die Mechanisierung der Landwirtschaft sowie die Trockenlegung von zahlreichen Feuchtgebieten haben seit Mitte des letzten Jahrhunderts zu Verlusten an Biodiversität im Kulturland geführt. Naturnahe Strukturen, welche die Bewirtschaftung erschwerten, wurden entfernt: Sträucher, Einzelbäume, Raine, Hecken, Steinhaufen, Tümpel und topografische Unebenheiten wurden beseitigt, Waldränder begradigt und Bäche eingedolt.

Viele Arten haben dadurch ihren Lebensraum verloren und sind auf lokaler oder regionaler Ebene verschwunden oder selten geworden. Tief greifend waren die Veränderungen bei der ökologischen Qualität des Grünlands infolge einer markanten Nutzungsintensivierung im
Mittelland. Diese Entwicklung greift seit Ende des letzten Jahrhunderts mehr und mehr auf gut erreichbare und einfach zu bewirtschaftende Flächen im Berggebiet über. Insgesamt sind Wiesen und Weiden der Schweiz dadurch im letzten Jahrhundert deutlich artenärmer geworden. Mit zunehmendem Maschineneinsatz haben vor allem die charakteristischen Arten traditionell genutzter Wiesen und Weiden abgenommen. Neben der direkten Beeinflussung der Biodiversität durch die Nutzungsformen beeinflusst die landwirtschaftliche Produktion die Biodiversität auch indirekt, beispielsweise durch Pestizideinträge sowie Nährstoffeinträge in Biotope, namentlich aufgrund ungenügender Pufferstreifen. Insbesondere 7280

die Stickstoffeinträge aus der Luft sind ein bedeutender negativer Einflussfaktor auf die Biodiversität generell und spezifisch auf die Ökosysteme Wald, Wasser und Feuchtgebiete.118 Vielfalt der Kultursorten- und rassen Zur Biodiversität in der Landwirtschaft zählt auch die Vielfalt der Kulturpflanzen und der Nutztierrassen. Im Zuge der Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft während der Nachkriegsjahre verloren viele lokal angepasste Landsorten und -rassen an Bedeutung. Sie wurden gesamtschweizerisch durch wenige Hochertragssorten und Hochleistungsrassen ersetzt. Dadurch ist ein Teil unwiderruflich verloren gegangen, vor allem bei den Ackerkulturen. Auch der Handel, die Verarbeitungsindustrie und die Grossverteiler haben dazu beigetragen, indem sie auf einige wenige Sorten setzten.

Direktzahlungen Ab Mitte der 1980er-Jahre reagierte die Agrarpolitik auf unerwünschte Entwicklungen mit der Trennung der Preis- und Einkommenspolitik und der Einführung der Direktzahlungen. Diese wurden mit Vorschriften und Anreizen zur umweltschonenden Produktion und zur Förderung der Biodiversität verbunden. Mit angepassten Schwerpunkten und ergänzenden Instrumenten im Meliorationswesen werden seit den 1990er-Jahren die aus heutiger Sicht negativen Entwicklungen der Kriegs- und Nachkriegszeit korrigiert und auch räumliche Bedürfnisse der Ökologie (ökologischer Ausgleich, Gewässeraufwertungen und -wiederausdolungen) in die Meliorationsmassnahmen integriert sowie mittels finanzieller Anreize gezielt gefördert.

Ökologischer Ausgleich Mit dem Instrument des ökologischen Ausgleichs auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche hat der Bund 1993119 einen Anreiz geschaffen, der Verarmung der Landschaften und dem Artenschwund entgegenzuwirken. Das Ziel des ökologischen Ausgleichs auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche besteht hauptsächlich darin, die biologische Vielfalt im Landwirtschaftsgebiet zu erhalten und zu fördern sowie zur Erhaltung der typischen Landschaftsstrukturen und -elemente beizutragen. Mit Direktzahlungen gibt der Bund den Landwirten einen Anreiz zum Anlegen und Pflegen von ökologischen Ausgleichsflächen. Ausserdem werden die Landwirte mit Beratung unterstützt.

1996 wurde der multifunktionale Auftrag für die Landwirtschaft in der Bundesverfassung120 verankert. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
wie der Biodiversität gehört seitdem zu den Kernaufgaben der Landwirtschaftspolitik.

Gemäss Bundesverfassung hat der Bund die Aufgabe, mit wirtschaftlich lohnenden Anreizen Produktionsformen, die besonders naturnah sowie umwelt- und tierfreundlich sind, zu fördern.

118

Bobbink R. et al. 2011: Review and revision of empirical critical loads and dose-response relationships. Proceedings of an expert workshop, Noordwijkerhout, 23­25 June 2010.

Netherlands: National Institute for Public Health and the Environment 119 Damals in der Öko-Beitragsverordnung (OeBV) von 1993, heute im Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) 120 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101)

7281

Landwirtschaftsgesetz und Öko-Qualitätsverordnung Seit Inkrafttreten des neuen Landwirtschaftsgesetzes 1998121 wird für den Bezug von Direktzahlungen in der Landwirtschaft im Rahmen des ökologischen Leistungsnachweises verlangt, dass 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (3,5 % bei Spezialkulturen) als Biodiversitätsförderflächen (ökologische Ausgleichsflächen) ausgeschieden werden müssen. Da die Relevanz dieser Flächen für die Biodiversität nicht überall gleich war, wurde 2001 mit der Einführung der Öko-Qualitätsverordnung ein erster Schritt gemacht, Anreize für eine qualitative Verbesserung der Flächen und eine sinnvolle Vernetzung zu schaffen. Seit 2008 können überdies Projekte zur nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen für jeweils sechs Jahre mit Finanzhilfen unterstützt werden. Im Jahr 2008 wurden durch das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Landwirtschaft ­ auf gesetzlichen Grundlagen und internationalen Verpflichtungen beruhende ­ Umweltziele für die Landwirtschaft122 publiziert. Damit sind Grundlagen vorhanden, um zielorientierte Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität in den landwirtschaftlich genutzten Flächen zu definieren.

Auch auf privater Ebene wurden und werden zahlreiche Initiativen, Programme und Projekte entwickelt, um dem Verlust der Biodiversität im Landwirtschaftsgebiet entgegenzuwirken.123 Handlungsfelder für die Landwirtschaft Durch die bisher ergriffenen Massnahmen konnten die Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft reduziert und der Rückgang der Biodiversität teilweise verlangsamt werden. Für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität braucht es aber noch zusätzliche Anstrengungen. Die Herausforderung der Zukunft ist es, mit einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung beizutragen. Um die Erhaltung und die Förderung der Biodiversität im Landwirtschaftsgebiet mit einer effizienten Nahrungsmittelproduktion in Einklang zu bringen, braucht es ein abgestimmtes Vorgehen unter Berücksichtigung der lokalen Standortbedingungen und Produktionspotenziale. Es sind regionale, qualitative und quantitative Zielwerte zu erarbeiten. Die Qualitätskriterien und Flächenbedürfnisse können aus wissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedener Fallstudien hergeleitet werden124. Sie werden für die verschiedenen
Produktionsregionen der Schweiz qualitativ und quantitativ so präzisiert, dass die von der landwirtschaftlichen Nutzung abhängigen Arten und Lebensräume in ihrem Verbreitungsgebiet gezielt gefördert und erhalten werden. Im Berggebiet hängen die Bedürfnisse stark von der Landnutzungsintensität ab. Je nach Entwicklung der Intensität der Bewirtschaftung verändert sich das Bedürfnis, Flächen als Biodiversitätsförderflächen (ökologische Ausgleichsflächen) zu sichern. Des Weiteren braucht es zusätzliche Anstrengungen zur kontinuierlichen Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, des Tierarzneimitteleinsatzes, wie auch des Stickstoff- und Phosphoreintrages.

121

Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) 122 Umweltziele Landwirtschaft.

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00097/index.html?lang=de 123 Z.B. stellt das private Label IP Suisse an seine rund 20 000 Mitglieder anspruchsvolle Forderungen betreffend Qualität und Vernetzung von ökologischen Ausgleichsflächen auf dem Betrieb und fördert so die Biodiversität von privater Seite.

124 Z.B. Oppermann R., Gujer H.U. 2003: Artenreiches Grünland bewerten und fördern ­ MEKA und ÖQV in der Praxis. Stuttgart: Ulmer

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Wichtig für die Förderung der Biodiversität wird auch die konkrete Ausgestaltung bei der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems im Rahmen der in Erarbeitung stehenden Agrarpolitik 2014­2017 sein. Ein wichtiger Faktor ist ebenfalls die Ausbildung und die Motivation der Landwirte. Ökologische Probleme und Zusammenhänge sowie die Bedeutung der Biodiversität für die landwirtschaftliche Produktion und Handlungsmöglichkeiten zur Förderung der Biodiversität sollen dort vermehrt Berücksichtigung finden.

6.4

Jagd und Fischerei

Nachhaltige Jagd und Fischerei Die Jagd und die Fischerei orientieren sich am Prinzip der Nachhaltigkeit, indem in den eidgenössischen und den kantonalen Gesetzgebungen geschützte und nutzbare Arten, Schonzeiten, Fang-/Abschusszahlen, Grössen-/Altersauflagen usw. festgelegt werden. Für die Jagd und die Fischerei kennt das Bundesrecht je ein eigenes Gesetz, das Jagdgesetz125 und das Fischereigesetz126, sowie die dazugehörigen Verordnungen. Gestützt auf diese Grundlagen ist eine Reihe von Konzepten und Vollzugshilfen ausgearbeitet worden.

Management von Jagd und Fischerei Die Bejagungs- und die Fischerei-Konzepte sind so ausgerichtet, dass bei den genutzten Populationen der Alters- und Geschlechteraufbau und die natürlich gewachsenen Sozialsysteme sowie die genetische Vielfalt aller genutzten Arten langfristig erhalten bleiben. Bei regionalen Rückgängen von Beständen bejagter oder befischter Arten sind die Kantone dafür verantwortlich, die Nutzung einzuschränken. Sie sind aber auch verpflichtet, die Bestände der Wildhuftiere so zu regulieren, dass diese die natürliche Waldverjüngung nicht verhindern.

Um den Schutz der jagdbaren Arten nachhaltig zu sichern, hat der Bund ein Netz von eidgenössischen Wild- und Wasservogelschutzgebieten sowie Populationen von nationaler Bedeutung mit wichtigen Laichgebieten ausgeschieden. Dieses Netz wird von den Kantonen durch zahlreiche weitere Schutzgebiete und Ruhezonen für Wildtiere ergänzt.

Handlungsfelder für die Jagd und die Fischerei Für Wildtier- und Fischarten, welche grosse zusammenhängende Gebiete beanspruchen, ist es für die Zukunft wichtig, die Vernetzung der Lebensräume an Land und im Wasser wiederherzustellen. Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit Arten, die zur einheimischen Artenvielfalt gehören, aber in der Kulturlandschaft mit menschlichen Interessen in Konflikt treten; Wolf und Luchs können Nutztiere reissen, Rothirsche im Wald Schäden anrichten.

125

Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) 126 Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (BGF; SR 923.0)

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6.5

Tourismus, Sport und Freizeit

Biodiversität bietet vielfältige Potenziale für das Naturerleben, die Erholung, Sportund Tourismusaktivitäten sowie die Bewegungsförderung und die Gesundheitsvorsorge und ist damit von entscheidender Wichtigkeit für den Tourismusstandort Schweiz. Diese Leistungen sollen mittels einer nachhaltigen Nutzung langfristig erhalten bleiben. Wald und Grünland, Flüsse, Schluchten und Felsen sind in der Schweiz gut erschlossen und für Freizeit-, Sport- und Tourismusaktivitäten einfach zugänglich.

Auswirkungen der Tourismus-, Sport- und Freizeitaktivitäten auf die Biodiversität Tourismus-, Sport- und Freizeitaktivitäten haben aber auch vielfältige ökologische Auswirkungen. Als überlagernde Nutzungen erhöhen sie in der Regel die jeweilige Nutzungsintensität. Zudem sind diese Aktivitäten oft mit einem Ausbau von Infrastrukturen (Flächenverbrauch, Zerschneidung und Zerstörung von Lebensräumen) und direkten oder indirekten Auswirkungen auf Flora und Fauna (z.B. Störung) verbunden, so etwa infolge Verbindung von Skigebieten, grossflächiger Beschneiung und Planierung von Pisten sowie Verlegung von Skigebieten in höhere Lagen.

Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte kann ­ trotz den Bemühungen der Branche beispielsweise im Bereich umweltverträglicher touristischer Transportanlagen ­ von einem anhaltenden Druck auf die Biodiversität ausgegangen werden.

Handlungsfelder für Tourismus, Sport und Freizeit Wichtig für die Zukunft sind eine verstärkte Integration langfristiger Biodiversitätsziele in die Sport- und Tourismuspolitiken und die Gewährleistung einer kohärenten sektorübergreifenden Zusammenarbeit, wie sie auch im Landschaftskonzept Schweiz (Sachziel 3A) sowie in der Tourismusstrategie127 des Bundesrates bzw. im Umsetzungsprogramm zur Tourismusstrategie 2012­2015128 vorgesehen ist. Eine wichtige Bedeutung haben dabei die Naherholungsräume in Siedlungsgebieten.

Sport und Tourismus sollen mittels naturverträglicher Angebote und Infrastrukturen zur Schonung der Biodiversität beitragen. Dazu braucht es Bildungs- und Informationsangebote sowie eine stärkere Lenkung der Tourismus-, Sport- und Freizeitaktivitäten, welche partizipativ mit den betroffenen Akteuren erarbeitet werden soll.

6.6

Verkehr

Zerschneidung der Landschaft Die Zerschneidung der Landschaft und damit der Lebensräume hat in den letzten dreissig Jahren im Mittelland und in den Tallagen stark zugenommen. Der Bau der Verkehrsinfrastrukturen wie auch die Ausdehnung der Siedlungsfläche haben zudem grosse Flächen an naturnahen Lebensräumen zerstört, welche nur teilweise wieder ersetzt werden konnten. Die immer weiter gehende Zerschneidung der insgesamt schrumpfenden Fläche naturnaher Lebensräume führt zu einer Aufsplitterung der 127

Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz, 18. Juni 2010, Schweizerischer Bundesrat 128 In Erarbeitung

7284

Tier- und Pflanzenbestände in isolierte und kleine Populationen. Einige Jahre mit hoher Sterblichkeit oder schlechtem Fortpflanzungserfolg können genügen, um solche kleinen Populationen auszulöschen. Ebenfalls einen negativen Effekt haben die Auswirkungen des Verkehrs selbst, dem zahlreiche Tiere zum Opfer fallen und der Lebensräume mit Schadstoffen belastet.

Bemerkenswert ist auf der anderen Seite, dass den extensiv gepflegten Böschungsbereichen von Eisen- und Autobahnen gerade im strukturarmen und intensiv genutzten Mittelland eine hohe Bedeutung zukommt, da sie Lebensraum und Vernetzungsmöglichkeiten bieten. Dasselbe gilt für die teilweise sehr grossen Flächen auf Zivilflugplätzen, welche häufig extensiv gepflegt werden und dadurch für den ökologischen Ausgleich in einer Region wichtig sein können.

Handlungsfelder für den Bereich Verkehr Wichtig ist, die Vermeidung von neuen Trennwirkungen. Im Stadium der Planung soll deshalb dem Ausbau von bestehenden Verkehrsinfrastrukturen der Vorrang vor dem Bau neuer Infrastrukturanlagen gegeben werden.

Ein bedeutender Handlungsbedarf besteht bei der Minimierung der Trennwirkung von einzelnen Infrastrukturen sowie bei der Verbesserung der Durchlässigkeit für Wildtiere, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger. Zur Sicherstellung der Massnahmen im Raum sind die Instrumente der Raumplanung zu ergänzen und aufeinander abzustimmen.

Ebenfalls wichtig ist die konsequente Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen bei Eingriffen in schutzwürdige Lebensräume durch Infrastrukturvorhaben, um die aktuelle Situation nicht weiter zu verschlechtern.129 Diese Massnahmen orientieren sich qualitativ und quantitativ an den durch den Eingriff beeinträchtigten Lebensräumen und sollen nach inhaltlichen Vorgaben sowie an den für die Biodiversität geeigneten Orten gemäss nationaler und kantonaler Sicht angelegt werden.

Eine naturnahe130 Pflege der Verkehrsinfrastrukturböschungen erlaubt die Erhaltung der Biodiversität, schafft neue Lebensräume und fördert funktionierende Vernetzungsachsen für Fauna und Flora. Da Verkehrsinfrastrukturen häufige Ausbreitungsachsen für invasive Neophyten sind, muss die Böschungspflege auch Kontrollund Bekämpfungsmassnahmen gegen invasive Organismen beinhalten.

6.7

Erneuerbare Energien

Energiestrategie 2050 ­ Stromversorgungssicherheit ohne Kernenergie Der Bundesrat will in der Schweiz weiterhin eine hohe Stromversorgungssicherheit garantieren ­ mittelfristig jedoch ohne Kernenergie. Das hat er am 25. Mai 2011 im Rahmen der neuen Energiestrategie 2050 beschlossen und dem Parlament zur 129

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451), Art. 18 Abs. 1bis und 1ter 130 Unter «naturnaher Pflege» ist eine an die standortsspezifische Biodiversität angepasste Pflege zu verstehen, welche sich u.a. dadurch auszeichnet, dass gemäht statt gemulcht wird, das Schnittgut entfernt wird, Gebüsche und Hecken selektiv ausgelichtet werden, die Schnitthöhe Tiere berücksichtigt, keine Herbizide und keine Pestizide verwendet werden und nicht gedüngt wird.

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Diskussion unterbreitet. Die bestehenden Kernkraftwerke sollen am Ende ihrer Betriebsdauer stillgelegt und nicht durch neue Kernkraftwerke ersetzt werden. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, setzt der Bundesrat auf verstärkte Einsparungen (Energieeffizienz), den Ausbau der Wasserkraft und der neuen erneuerbaren Energien sowie wenn nötig auf fossile Stromproduktion (Wärmekraftkopplungsanlagen, Gaskombikraftwerke) und auf Importe. Zudem sollen die Stromnetze rasch ausgebaut und die Energieforschung verstärkt werden.

Der Nationalrat hat in seiner ausserordentlichen Session über Kernenergie und alternative Energien (Amtliches Bulletin 11.9008) am 8. Juni 2011 den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die Nutzung erneuerbarer einheimischer Energien wird als wichtige Alternative zur Kernenergie angesehen.

Nutzung erneuerbarer Energien und Biodiversität Die Nutzung erneuerbarer Energien hat oft Berührungspunkte mit der Biodiversität.

Es kann sein, dass erneuerbare Energien positive Auswirkungen auf die Biodiversität haben, z.B. CO2-Neutralität bei der Nutzung von Energieholz, Emissionsfreiheit bei der Nutzung von Windenergie oder lokal positive Effekte, wie etwa das Auflichten eines Waldes durch die Holznutzung. Es ist aber auch möglich, dass die Nutzung von erneuerbaren Energien mehr oder weniger stark in Konflikt mit der Biodiversität gerät. Dies insbesondere durch Raumbedarf, durch Bauwerke zur Energieerzeugung, durch ihre Betriebsregime, durch Ruhestörungen oder durch indirekte Einflüsse, wie etwa die erforderlichen Erschliessungen. Während z.B. die Wasserkraftnutzung bedeutende Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme hat, stellen Windenergieanlagen sowohl für Vögel wie auch für Fledermäuse wegen des Kollisionsrisikos eine Gefahr dar. Bereits bestehende Strategien und Empfehlungen zur Nutzung erneuerbarer Energien tragen jedoch dazu bei, die Zielkonflikte zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem das Konzept Windenergie Schweiz und die Empfehlung zur Planung von Windenergieanlagen, die Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraft, die Biomassestrategie Schweiz und die Biomasse-Energiestrategie sowie die sich in Erarbeitung befindenden Beiträge zum UVP-Handbuch hinsichtlich der Beurteilung und Vermeidung der negativen Auswirkungen
der Windenergieanlagen auf Vögel und Fledermäuse.131 Der Bund ist gefordert, Wege zur Minimierung der Konflikte mit den Biodiversitätsanliegen zu finden, dies namentlich auch im Rahmen der Energiestrategie 2050.

6.8

Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes

Der Bund ist direkt oder via Beteiligungen im Besitz von einer Vielzahl von Grundstücken, Bauten und Anlagen. Insbesondere durch die Grundstücke des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie durch die Nationalstrassen und deren Mittelstreifen und Böschungen ist er sogar der grösste Landbesitzer der Schweiz.

131

Siehe Anhang A4: Strategien und Programme.

7286

Ökologisch wertvolle Grundstücke im Besitz des Bundes Oft sind die Grundstücke des VBS ökologisch besonders wertvoll, weil sie extensiv genutzt werden, abgelegen liegen und vor anderen Nutzungsinteressen (z.B. Bebauung) geschützt sind. Weiter kann die militärische Nutzung die Dynamik in der Landschaft auslösen, welche für spezifische Naturwerte, wie z.B. Flächen mit Pioniervegetation oder seltene Amphibien, notwendig ist.

Durch Bauten und Anlagen, die militärische Nutzung (z.B. Schiessen, Strassen- und anderer Verkehr) sowie die militärische Luftfahrt sind jedoch auch negative Einflüsse auf die Biodiversität zu verzeichnen: Bodenversiegelung, Zerschneidung durch Bauten und Anlagen, wie z.B. Einzäunungen, Bodenbelastungen, Störungen am Boden und in der Luft.

Handlungsfelder für das VBS Das VBS hat in den letzten Jahren verschiedene Anstrengungen unternommen, sodass der aktuelle Stand der Umsetzung weitgehend als vorbildlich betrachtet werden kann. Entsprechend ist eine der grossen zukünftigen Herausforderungen das Halten dieses guten Standards.

6.9

Bildung und Forschung

Bildung Der Begriff Biodiversität und die damit zusammenhängende umfassende Thematik waren bislang nicht Bestandteil der Schweizer Lehrpläne. Aus- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte fehlen weitgehend. Im Zusammenhang mit dem Jahr der Biodiversität 2010 konnte aber festgestellt werden, dass Unterrichtsmaterialien zum Thema bestanden oder spezifisch erarbeitet wurden132. Grobziele von Lehrplänen auf Sekundarstufe133 zeigen auf, dass bereits heute die Basis besteht, um sich mit dem Thema im Rahmen des Schulunterrichts auseinanderzusetzen.

Handlungsfelder für die Bildung Die Fähigkeit, Arten zu erkennen, zu beschreiben und einordnen zu können, sowie die Kenntnisse über deren Ökologie spielen bei der Erforschung und Erhaltung der Biodiversität und ihrer wirtschaftlichen Erschliessung eine zentrale Rolle. In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Vermittlung dieses Wissens in der Grundausbildung stark vernachlässigt. Professuren in den relevanten Themenbereichen (insbesondere Systematik, Taxonomie und Ethologie) wurden an Schweizer Universitäten wiederholt gestrichen; das gegenwärtige Lehrangebot an den Schweizer Hochschulen ist für eine vertiefte Ausbildung in Feldbiologie und Systematik unzureichend.134 Viele der in der Schweiz vorkommenden Artengruppen können nur ungenügend untersucht werden. Gemäss Umfrage sind 20 % der befragten Arten132 133

Z.B. Unterrichtsangebot von Pro Natura, 2009 an 2300 Klassen in der Schweiz abgegeben Z.B. Stufenlehrplan Kanton Basel-Landschaft 2009: «Lebensgemeinschaften in einem Lebensraum über einen längeren Zeitraum erkunden, erforschen und dokumentieren. Die Eingriffe des Menschen in die Lebensräume aufzeigen und beurteilen».

www.lehrplan-sek.bl.ch/kk/mensch_umwelt/bio.pdf 134 Kompetenz Artenkenntnis: Betrachtung des Bildungsangebotes in der Schweiz. Erhebung Februar 2009 und Februar 2012. www.artenspezialisten.ch/index.cfm/page/geschichte

7287

spezialisten älter als 60 Jahre.135 Das Fehlen einer jungen Generation mit vertieften Kenntnissen der Arten und ihrer Ökologie hat Auswirkungen auf die mittel- bis langfristigen Möglichkeiten der Überwachung der Biodiversität oder auf die Erfolgskontrolle getroffener Massnahmen einer Strategie Biodiversität Schweiz. Es gilt, nächste Generationen mit den Fähigkeiten zur Bestimmung von Arten auszurüsten und das Wissen über Arten und ihre Ökologie zu stärken. Die dafür nötige Ausund Weiterbildung ist übergreifend in Hochschulen, Museen sowie botanischen und zoologischen Gärten zu verankern. Dabei soll das Potenzial der bestehenden Naturmuseen und ihrer Vergleichssammlungen besser ausgeschöpft und in Wert gesetzt werden. Prioritäten wie auch Zielsetzungen sind zu definieren.

Forschung Die Schweiz hat mit dem Integrierten Projekt Biodiversität im Schwerpunktprogramm (SPP) Umwelt des Schweizerischen Nationalfonds (1992­2001) und im Rahmen europäischer Forschungsprojekte bereits früh Pionierarbeit in der jungen Disziplin «Conservation Biology» geleistet. Die Schweiz verliert aber den internationalen Vorsprung, weil grosse und interdisziplinäre Forschungsprogramme zur Veränderung der Biodiversität, zu den Ursachen und Konsequenzen dieser Veränderungen und zur Rolle der Biodiversität für das Funktionieren von Ökosystemen136 und deren Nutzen für die Gesellschaft fehlen.

Handlungsfelder für die Forschung Durch die grosse Breite und interdisziplinäre Natur der Biodiversitätsforschung und -anwendung ist eine enge Kooperation zur Identifizierung und Nutzung von Synergien erforderlich. Derzeit ist das Biodiversitätswissen in der Schweiz aber über viele Institutionen verteilt, unzureichend vernetzt und wenig zugänglich. Im Gegensatz zu verschiedenen ausländischen Initiativen gibt es in der Schweiz keine Massnahmen zur Haltung, Aufbereitung und Verbreitung von Biodiversitätswissen. Die Schweiz macht sich dadurch bestehendes Wissen zu wenig zunutze und fällt gegenüber dem Ausland in der Synthese von Biodiversitätswissen in Grundlagenforschung und Anwendung zurück.

Aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht trägt die Biodiversität ein hohes Nutzungspotenzial in sich. Um dieses Potenzial zu bewahren und daraus zu schöpfen, braucht es nicht nur Investitionen in Forschung und Entwicklung, sondern auch institutionelle
Anreize. Die Erforschung von Verbindungen zwischen Biologie, Medizin und Technologie sowie von deren Teilbereichen, wie Biomedizin, Biochemie, Molekularbiologie, Biophysik und Bioinformatik, ermöglicht die Erschliessung neuer Märkte. Basis dafür ist aber eine reiche Biodiversität, die nicht nur statisch erfasst, sondern auch in ihrer Dynamik analysiert und begriffen werden kann.

135

Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) 2006: Die Zukunft der Systematik in der Schweiz. Positionspapier, Bern.

www.biodiversity.ch/downloads/Systematik_d_leicht.pdf_d_leicht.pdf 136 Gamfeldt L. et al. 2008: Multiple functions increase the importance of biodiversity for overall ecosystem functioning. In: Ecology, Vol. 89, No. 5, S. 1223­1231

7288

6.10

Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum

Die Förderung und Erhaltung der Biodiversität hat viel mit der Wirtschaft zu tun: Produktion, Dienstleistungen / Handel und Konsum sind einerseits auf eine reichhaltige und reaktionsfähige biologische Vielfalt angewiesen und beeinflussen anderseits sowohl die Biodiversität in der Schweiz als auch global ­ dies sowohl in fördernder als auch in schädigender Art und Weise (vgl. auch Ziff. 3.2).137 Zudem stieg seit Mitte des letzten Jahrhunderts der Konsum der Schweiz massiv an. Der zunehmende hohe Konsum und der Verbrauch von Ressourcen stellt ein gesellschaftliches Phänomen dar, das von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird.

Während die landbezogenen Wirtschaftssektoren (Landwirtschaft, Forstwirtschaft usw.) direkte negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben können (über Schadstoffeinträge, Flächenverbrauch usw.; vgl. Ziff. 6.2 und 6.3), beeinflussen die anderen Sektoren die Biodiversität indirekt: über die Landnutzung, den Bedarf an Rohstoffen und weiteren Vorleistungen, die Umweltbelastung des Verkehrs und des Energiebedarfs und über die gesamte vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette.

Zusätzlich zu den spezifischen Aspekten bestimmter Sektoren (z.B. Waldwirtschaft, Tourismus) oder bestimmter Bereiche (z.B. Verkehr) in den vorangehenden Ziffern werden hier deshalb übergeordnet die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Biodiversität behandelt.

Produktion und Dienstleistungen Je mehr die Biodiversität an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnt, desto höher sind auch die Erwartungen an die Verantwortung von Unternehmen zu deren Erhaltung und Förderung. Themen der biologischen Vielfalt stehen vermehrt im Interesse von Investoren, Finanzdienstleistern sowie Konsumentinnen und Konsumenten.138 Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Biodiversität trägt zur nachhaltigen Entwicklung bei und birgt unternehmerische Chancen.139 Viele Branchen und Wirtschaftssektoren können von der Biodiversität profitieren.140

137

Während z.B. die Agrar- oder die Rohstoffindustrie direkt von der Verfügbarkeit dieser Güter abhängt, profitieren Unternehmen anderer Wirtschaftszweige indirekt von der Vielfalt der Arten und ihrem Nutzen, so etwa der Grosshandel oder die Bauindustrie. Weiter ist die Produktion von Nahrungsmitteln, Arzneimitteln oder Kosmetika ohne die kommerzielle Nutzung genetischer Ressourcen heute kaum denkbar. Diese dienen als natürliche Inhaltsstoffe von Produkten oder als Genmaterial in der Züchtung von Nutzpflanzen und -tieren.

138 Eine steigende Zahl an Initiativen befasst sich denn auch mit dem Thema Biodiversität und Wirtschaft wie z.B. die EU Business @ Biodiversity Platform oder die Business and Biodiversity Initiative «Biodiversity in Good Company».

139 Vgl. u.a. TEEB (2012), The Economics of Ecosystems and Biodiversity in Business and Enterprise, S. 57. Edited by Joshua Bishop. Earthscan, London and New York 140 Das gilt z.B. für die Lebensmittelkonzerne, die Landwirte, die Fischindustrie, die holzverarbeitende Industrie, die Energiewirtschaft, die Minengesellschaften, die Bauwirtschaft, die Kosmetik- und Pharmaindustrie, die Modeindustrie und die Finanzwirtschaft.

7289

Die biologische Vielfalt bietet zahlreiche Chancen, welche von innovativen Unternehmen genutzt werden können, und beinhaltet ein riesiges Innovationspotenzial (neue Technologien und Produkte, neue Märkte und Geschäftszweige, neue Einnahmen).141 Der Bericht «TEEB for Business»142 präsentiert Schätzungen, die zeigen, dass sich nachhaltigkeitsbezogene globale Geschäftschancen auf der Basis von natürlichen Ressourcen (u.a. Energie, Forstwirtschaft, Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Wasser, Metalle) bis 2050 im Bereich von 2­6 Billionen US-Dollar bewegen könnten.

Der anhaltende Verlust an Biodiversität birgt für Unternehmen hingegen diverse unternehmerische Risiken:143 ­

Verknappung und Verteuerung von Rohstoffen (Auswirkungen auf die Produktivität);

­

Produktivitätseinbusse durch fehlende Dienstleistungen der Natur (wie etwa Bestäubung);

­

Indirekte neue Regulierungen (Ge- und Verbote, Quotierungen, finanzielle Instrumente, Kompensations- und Haftungsregime) und veränderte Kundenansprüche, da aufgrund des Verlusts an biologischer Vielfalt der Biodiversität eine stärkere Bedeutung beigemessen wird.

­

Reputationsrisiken (Risiko eines Reputationsschadens durch die Finanzierung von Projekten mit negativem Einfluss auf die biologische Vielfalt).

Finanz- und Versicherungssektor Der Finanz- und Versicherungssektor hat indirekte, aber bedeutende Auswirkungen auf die Biodiversität: Über die Anlage von Kapital (z.B. Pensionskassengelder, Beteiligungen), die Vergabe von Krediten und die Bewertung von Risiken beeinflussen die Akteure des Finanzmarktes144 das Verhalten der übrigen Wirtschaftsakteure und haben somit auch einen Einfluss auf die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeiten auf die Biodiversität.145 Bei einem vorausschauenden Risikomanagement oder der Erschliessung neuer Geschäftsfelder wird Biodiversität künftig eine wichtigere Rolle spielen: Die Versicherung von Risiken wird zunehmend auch Biodiversitätsthemen mit einschliessen,

141 142

143

144

145

So z.B. «Biomimicry», oder «bio-inspired Design» (Das Erlernen nachhaltiger Lösungen von der Natur), Nachhaltigkeitsanlagen im Finanzsektor usw.

Vgl. TEEB ­ The Economics of Ecosystems and Biodiversity (2010), Report for Business ­ Executive Summary, S. 10.

www.cbd.int/doc/meetings/cop/cop-10/information/cop-10-inf-23-en.pdf Vgl. auch die etwas andere Typologisierung in World Economic Forum (2010), Biodiversity and Business Risk. A Global Risks Network briefing. A briefing paper for participants engaged in biodiversity related discussions at the World Economic Forum DavosKlosters Annual Meeting. Prepared by PricewaterhouseCoopers for the World Economic Forum. www3.weforum.org/docs/WEF_AM10_PwC_Biodiversity_BriefingMaterial.pdf Zu den wichtigsten Finanzmarktakteuren gehören Banken und Vermögensverwalter, Versicherer und Rückversicherer, Vorsorgeeinrichtungen und Lebensversicherer sowie Akteure im Bereich Informationsbeschaffung, z.B. Rating-Agenturen.

Für eine ausführlichere Darstellung und Beschreibung der Auswirkungen des Finanzmarktes auf die Umwelt generell vgl. Brugger E.A et al. (2005), Finanzmärkte und Umwelt, S. 24 ff. Umwelt-Materialien Nr. 200. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern. www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00322/index.html?lang=de

7290

die Finanzierung kontroverser Infrastrukturprojekte ebenso.146 Zudem legen im Vermögensverwaltungsgeschäft so genannte Nachhaltigkeitsgeldanlagen an Bedeutung zu («Grüne Geldanlagen», Nachhaltigkeitsfonds, usw.). Darüber hinaus gelten auch für den Finanzsektor die allgemeinen unternehmerischen Risiken des Verlustes an Biodiversität.

Handel und internationale Wertschöpfungsketten Die wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Schweiz beeinflussen über den Handel und internationale Wertschöpfungsketten147 auch die Biodiversität auf globaler Ebene (vgl. Ziff. 3.2). Die Schweiz hat als kleines, global jedoch hoch integriertes Land die Chancen und die Verantwortung, auf internationaler institutioneller Ebene, in der Entwicklungszusammenarbeit, entlang der internationalen Wertschöpfungsketten sowie bei öffentlichen und international relevanten Aktivitäten einen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der globalen Biodiversität zu leisten (vgl. Ziff. 7.9).

Konsum Seit Mitte des letzten Jahrhunderts stieg der Ressourcenkonsum der Schweiz massiv an.148 Um diesen Konsum zu sichern, müssen Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte importiert werden. Der damit verbundene steigende Verbrauch von natürlichen Ressourcen beeinflusst die Biodiversität sowohl in der Schweiz wie auch in den exportierenden Ländern.

Zur Fällung von Konsumentscheidungen ist heute kaum bekannt, welche Produkte die Biodiversität eher positiv oder negativ beeinflussen (darunter fallen ebenfalls die Entscheide von institutionellen und privaten Anlegern, wie und wo sie ihr Geld investieren). In der Folge wurde dieser Aspekt von Konsumentinnen und Konsumenten ­ seien es Privatpersonen oder Beschaffungsstellen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft ­ bislang auch kaum berücksichtigt. Verbessert werden kann diese Situation durch vermehrte transparente und relevante Produktumweltinformationen, die die Kaufentscheide der Konsumenten unterstützen (z.B. Labels, Deklarationen, Anbietererklärungen), die Festlegung von Produktstandards149 oder mittels 146

Im Bankensektor werden heute bereits mindestens vier Strategien zum Umgang mit Biodiversitätsrisiken angewendet [vgl. TEEB (2012), The Economics of Ecosystems and Biodiversity in Business and Enterprise, S. 55. Edited by Joshua Bishop. Earthscan, London and New York]: (1) die Verweigerung («red-lining») von Investitionen in Gebieten mit hoher Biodiversität, (2) die Entwicklung von Richtlinien für umweltsensitive Sektoren, (3) Zurückhaltung in Finanzsektoren, in welchen eine Bank keine spezifischen Kenntnisse besitzt, (4) Zusammenarbeit mit Kreditnehmern zur Verbesserung von deren Umweltperformance und zur Vermeidung von negativen Umweltwirkungen (Rabobank entwickelte z.B. einen Grundsatz, der es ermöglicht, gewisse unerwünschte Praktiken in der Lieferkette von Palmöl auszuschliessen, um auf diese Weise nachhaltige Abläufe zu voranzutreiben [vgl. TEEB (2012), The Economics of Ecosystems and Biodiversity in Business and Enterprise, S. 59. Edited by Joshua Bishop. Earthscan, London and New York].

147 Unter Wertschöpfungskette versteht man die Gesamtheit aller Prozesse, die volkswirtschaftliche Werte schaffen. Im Falle eines Produktionsunternehmens umfasst die Wertschöpfungskette alle Aktivitäten von der Forschung und Entwicklung über die Förderung der Rohstoffe, die Beschaffung aller Vorleistungen und die Produktion von Vor-, Halbfertig- und Fertigprodukten bis hin zur Distribution an den Endkunden inklusive aller dazwischen liegenden Transport-, Lager- und Verwaltungsvorgänge.

148 BFS Aktuell 2008: Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung. Die Schweiz in einer globalisierten Welt.

www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/21/22/publ.Document.114903.pdf 149 Z.B. Round Table of Sustainable Palm Oil (RSPO). www.rspo.org

7291

Vorschriften (z.B. Pflicht zur Holzdeklaration) und im Falle der öffentlichen Hand mit WTO-kompatiblen Umweltleistungsbeschrieben.150 Integrierte Produktpolitik Der Bundesrat bestätigt in seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung 2012­2015151, dass er ressourcenrelevante Informationen für Marktteilnehmende als wichtige Massnahme zur Umsetzung der sogenannten Integrierten Produktpolitik (IPP)152 erachtet. Dies wurde bereits im Rahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2008­2011153 festgehalten. Die IPP hat zum Ziel, die Nachfrage vonseiten Privater als auch der öffentlichen Hand nach Produkten zu fördern, die hohen sozialen, ökonomischen und ökologischen Anforderungen über den gesamten Lebensweg genügen.154 Damit lässt sich der Entscheid der Konsumenten, wofür sie ihr Geld ausgeben, beeinflussen.

Grüne Wirtschaft Unterstützend zu seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung will sich der Bundesrat vermehrt für eine grüne Wirtschaft engagieren. Er hat in seinem Aussprachepapier Grüne Wirtschaft vom Oktober 2010 diese Absicht bekräftigt und will in diesem Zusammenhang unter anderem die ökologische Transparenz des Markts mit besseren Umweltinformationen zu Produkten erhöhen. Wichtig ist dabei, dass die Umweltbelastung inklusive der Biodiversitätsaspekte über den ganzen Lebensweg von Produkten bewertet wird und die Information relevant155 und verständlich ist.

Fachlich fundierte Umweltinformationen zu Produkten sollen Privatpersonen wie Beschaffungsstellen für Konsumentscheidungen zur Verfügung stehen.

Handlungsfelder für Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum Insgesamt braucht es in Zukunft generell eine verstärkte Berücksichtigung der Biodiversität in unternehmerische Entscheidungen. Dafür bieten sich insbesondere verbesserte Informationen und marktwirtschaftliche Instrumente156; Fehlanreize, welche zu biodiversitätsschädigendem Verhalten führen, sind wenn möglich zu beseitigen. Im Bereich des Konsums sollten die Produktumweltinformationen weiter ausgebaut werden. Zudem sind die Anforderungen der Biodiversität bei der öffentlichen Beschaffung verstärkt zu berücksichtigen. Nicht zuletzt anzustreben sind auch eine stärkere Berücksichtigung der Auswirkungen auf die globale Biodiversität in nationalen Entscheiden und den Sektoralpolitiken und -strategien der Wirtschaft sowie verstärkte Bemühungen der Schweiz zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität auf internationaler Ebene anzustreben (vgl. dazu auch Ziff. 7.9).

150

151 152 153 154

155 156

Umweltleistungsbeschriebe sind ökologische Produktkriterien, welche entweder in Form von technischen Spezifikationen oder als Zuschlagskriterien in die Ausschreibung integriert werden. Die Kriterien basieren häufig auf international anerkannten Umweltzeichen.

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2012­2015, Bericht vom 25. Januar 2012 Integrierte Produktpolitik (IPP). www.bafu.admin.ch/produkte/01967/index.html?lang=de Strategie Nachhaltige Entwicklung: Leitlinien und Aktionsplan 2008­2011, Bericht vom 16. April 2008 Die IPP hat zum Ziel, die Nachfrage vonseiten Privater als auch der öffentlichen Hand nach Produkten zu fördern, die hohen sozialen, ökonomischen und ökologischen Anforderungen über den gesamten Lebensweg genügen.

Das heisst, sie erlauben den Konsumentinnen und Konsumenten Produkte zu wählen, die einen bedeutenden Umweltvorteil aufweisen, und andere zu meiden.

Vgl. z.B. Simmen H., Walter F. (2007) Landschaft gemeinsam gestalten, NFP48, S. 61.

7292

7

Strategische Ziele

«Die Biodiversität ist reichhaltig und gegenüber Veränderungen reaktionsfähig. Die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen sind langfristig erhalten» (Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2009, vgl. Ziff. 1.2).

Um dieses Oberziel zu erreichen, muss das Überleben der einheimischen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet sichergestellt sein, die genetische Vielfalt der einheimischen Wildarten, Nutzrassen und Kultursorten muss erhalten sein, die Ökosysteme der Schweiz müssen funktionsfähig bleiben und ihre Leistungen sichergestellt sein, und die Schweiz muss zur Sicherung der globalen Biodiversität beitragen.

Wie die vorangegangenen Ziffern aufzeigen, besteht in verschiedenen Bereichen ein klarer Handlungsbedarf. Die nachfolgend dargelegten zehn strategischen Ziele beschreiben die Schwerpunkte, an denen sich die nationalen Akteure in den kommenden Jahren bis 2020157 zu orientieren haben, um gemeinsam genügend Wirkung zu entfalten und klare Ergebnisse zu erreichen. Die zehn Ziele berücksichtigen die Aufträge des Parlamentes und des Bundesrates (Ziff. 1.2) und richten sich danach aus, die Biodiversität in der Schweiz und global langfristig zu erhalten und zu fördern. Die Aichi-Ziele der Biodiversitätskonvention (Anhang A1) und die daraus resultierende Biodiversitätsstrategie der EU sind insoweit berücksichtigt, als dass sie für die Schweiz Anwendung finden (Anhang A2).

Die zehn strategischen Ziele sind aufeinander abgestimmt und beeinflussen und unterstützen einander in der Umsetzung gegenseitig. Zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität entsprechend der Zielsetzung des Bundesrates sind diese Ziele als gemeinsames Paket zu verfolgen.

7.1

Biodiversität nachhaltig nutzen

Herausforderung Verschiedenste Sektoren haben einen bedeutenden Einfluss auf die Biodiversität, profitieren aber auch von zahlreichen Ökosystemleistungen. Deshalb müssen Nutzung, Erhaltung und Förderung der Biodiversität optimal aufeinander abgestimmt sein. Dies kann mit Naturschutzmassnahmen allein nicht erreicht werden. Zur Aufrechterhaltung der Ökosystemleistungen müssen die wirtschaftlichen und politischen Sektoren die Wichtigkeit der Biodiversität anerkennen und in ihrem Handeln und in ihren Entscheidungen berücksichtigen.

Ziel Die Nutzung von natürlichen Ressourcen und Eingriffe in diese erfolgen bis 2020 nachhaltig, sodass die Erhaltung der Ökosysteme und ihrer Leistungen sowie der Arten und der genetischen Vielfalt sichergestellt ist.

157

In Kohärenz mit dem strategischen Plan der Biodiversitätskonvention (2011­2020) sowie mit den laufenden Arbeiten zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union.

7293

Handlungsfelder Die Handlungsfelder in den am meisten betroffenen Sektoren werden nachstehend in einzelnen Ziffern genauer beschrieben. Dabei nimmt die Raumplanung (Ziff. 7.1.1) mit ihrer Koordinationsfunktion eine besondere Rolle ein.

Für die relevanten Sektoren ist das in Erarbeitung begriffene System sektoraler Umweltziele, abgeleitet aus bestehenden Rechtsgrundlagen, vom BAFU weiterzuentwickeln und zu konkretisieren. Sektorale Umweltziele wurden bereits im Bereich Landwirtschaft publiziert, in den Bereichen Energie und Verkehr sind sie in Vorbereitung. Die sektoralen Umweltziele schaffen die Grundlagen, um die Umweltdefizite in den jeweiligen Sektoren zu verringern und ihre Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität zu verbessern.

7.1.1

Raumplanung

Koordination raumwirksamer Sektoralpolitiken Raumplanung umfasst unter anderem die räumliche Koordination von raumwirksamen Sektoralpolitiken, z.B. durch die kantonalen Richtpläne oder die Sachpläne des Bundes. Überdies spielt die Raumplanung auch bei der Schaffung einer ökologischen Infrastruktur (Ziff. 7.2) eine wichtige Rolle.

Grundsätzlich ist die Biodiversität bei Eingriffen durch Bauten und Anlagen im Rahmen von Vorhaben aller raumwirksam tätigen Sektoralpolitiken, namentlich der Infrastrukturpolitiken, aber auch der Energiewirtschaft zur Erzeugung und zum Transport von Energie, der Landesverteidigung sowie der Land- und Waldwirtschaft flächendeckend zu berücksichtigen. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Lebensräume steht die Erhaltung in quantitativer und qualitativer Hinsicht im Vordergrund. Die je nach Sektoralpolitik heute teilweise vorbildliche Praxis bei Projektierung, Umsetzung und Unterhalt ist beizubehalten und wo notwendig zu fördern.

Synergien mit dem Thema Landschaft, wie gute Gestaltung und landschaftliche Wirkung von Eingriffen, sind zu nützen.

Raumplanungsgesetz Im Rahmen der 2. Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes sollen deshalb die Anforderungen an die raumplanerischen Instrumente ­ Richt- und Nutzungspläne ­ für die Kantone und Gemeinden im Bereich Natur und Landschaft präziser umschrieben werden. Ziel ist es, dass die Aspekte Landschaft und Biodiversität sowohl auf Stufe des kantonalen Richtplans als auch im Rahmen der Nutzungsplanung systematisch behandelt und die notwendigen Flächen gesichert werden.

Planung- und Projektierung von Infrastrukturen Bei der Planung und Projektierung von Infrastrukturen erfolgt die Berücksichtigung und Umsetzung der Massnahmen zugunsten der Biodiversität mit den der jeweiligen Planungsstufe des Vorhabens entsprechenden Instrumenten der Raumplanung.

Insbesondere muss die Abfolge vom Sachplan des Bundes über den kantonalen Richtplan und die allenfalls vorhandene regionale Ebene (Teilrichtpläne, kantonale Sach- und Gestaltungspläne) bis auf die Ebene der kommunalen Nutzungsplanung lückenlos und kohärent umgesetzt werden. (Die spezifischen Handlungsfelder zur

7294

Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum werden im Ziff. 7.8 näher ausgeführt).

Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen Der gesetzlichen Pflicht zur Wiederherstellung und zum Ersatz beeinträchtigter schützenswerter Lebensräume158 ist umfassend Rechnung zu tragen, um die Erhaltung und die Aufwertung der biologischen und landschaftlichen Werte und Funktionen zu gewährleisten und das ökologische Gleichgewicht zu sichern. Die Massnahmen sind an den für die Biodiversität geeigneten Orten so umzusetzen, dass sie die beeinträchtigten Lebensräume qualitativ und quantitativ ersetzen, Trennwirkungen aufheben und die Vernetzung verbessern.

Weitere Verbesserungen können erzielt werden durch eine verstärkte Koordination in der Raumplanung im Hinblick auf die Biodiversität und eine stärkere Fokussierung der Ausbildung von Raumplanern auf Biodiversitätsaspekte.

7.1.2

Waldwirtschaft

Waldpolitik 2020: Biodiversität im Wald erhalten Die Waldpolitik 2020 legt die Erhaltung und eine gezielte Verbesserung der Biodiversität im Wald als eines der Ziele fest. Die unten genannten Aktivitäten stimmen mit den Zielen und strategischen Stossrichtungen der Waldpolitik 2020159 überein.

Diese wurde in Abstimmung mit den zentralen Waldakteuren erarbeitet. Bei ihrer Umsetzung werden folgende Stossrichtungen verfolgt: Naturnahen Waldbau weiterentwickeln Die Waldbewirtschaftung wird auf der gesamten bewirtschafteten Fläche darauf ausgerichtet, den gesetzlich verankerten naturnahen Waldbau umzusetzen. Dieser ist Bestandteil einer nachhaltigen Nutzung der Ressource Wald, indem er grundsätzlich zur Produktions- und Leistungsfähigkeit, zur Resilienz des Ökosystems Wald und zur Bereitstellung von ausreichendem Lebensraum und Ruhe für die Wildtiere einen entscheidenden Beitrag leistet. Im Rahmen der Konkretisierung der Waldpolitik 2020 sollen Grundsätze für die Anforderungen an den naturnahen Waldbau weiterentwickelt werden. Es ist dabei insbesondere folgenden Aspekten Rechnung zu tragen: ­

Möglichst natürliche Verjüngung: Die Fähigkeit des Waldes zur natürlichen Verjüngung wird erhalten oder verbessert. Die Naturverjüngung hat Vorrang.

­

Standortgerechte Verjüngung: Die Baumartenmischung wird derart auf den Standort abgestimmt, dass dessen ökologische Eigenschaften nicht negativ beeinflusst werden.

­

Berücksichtigung der vorhandenen Strukturvielfalt: Bei den waldbaulichen Eingriffen werden die Möglichkeiten zur Erhaltung und Förderung der Vielfalt des Lebensraumes genutzt.

158

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz, SR 451, Art. 18, Abs. 1. Def. von «Ersatz» vgl. Glossar 159 Waldpolitik 2020. www.bafu.admin.ch/wald/01152/01154/09198/index.html?lang=de

7295

­

Bodenschonende Holzernte: Die naturgegebene Bodenfruchtbarkeit wird durch die Waldbewirtschaftung weder chemisch noch physikalisch (kein flächiges Befahren) beeinträchtigt.

Neue Erkenntnisse aus der Forschung zur Anpassung an den Klimawandel werden in der Weiterentwicklung von waldbaulichen Strategien laufend berücksichtigt.

Waldreservate, Artenförderung, Totholz und vielfältige Strukturen Auf der Basis von durch den Bund noch zu definierenden, regional differenzierten qualitativen und quantitativen Biodiversitätszielen, die bei einem Mehraufwand oder Minderertrag eine Grundlage für die Honorierung der Leistungen der Waldbewirtschaftenden zugunsten der Biodiversität bilden sollen, werden weitere biodiversitätsspezifische Massnahmen umgesetzt. Bestehende Finanzierungsmechanismen werden dabei miteinbezogen. Die wichtigsten Aktionsfelder sind: ­

Waldreservate: Mit einer Fläche von rund 610 Quadratkilometern belegen die Waldreservate heute gut 5 % der Schweizer Waldfläche.160 Gemäss Waldpolitik 2020 soll dieser Anteil bis 2020 auf 8 % Prozent ausgeweitet werden. Das Endziel, wie es 2001 zwischen dem Bund und der Konferenz der kantonalen Forstdirektoren vereinbart wurde, sieht bis im Jahr 2030 10 % der Waldfläche vor. Davon soll die Hälfte als Naturwaldreservate, das heisst als Reservate, in denen keine Eingriffe stattfinden, ausgeschieden werden. Grosse zusammenhängende Flächen für natürliche Kreisläufe sollen in genügender Anzahl auf alle Grossregionen der Schweiz verteilt werden.

­

Totholz und vielfältige Strukturen: Sie sollen ­ in ökologisch ausreichender Menge und Qualität ­ in allen Grossregionen der Schweiz vorhanden sein.

Zudem braucht es eine genügende Dichte alter Biotopbäume.

­

Artenförderung: Wo der Lebensraumschutz nicht ausreicht, sollen spezifische Artenförderungsmassnahmen die waldgebundenen Arten schützen und fördern.

Vernetzung sicherstellen Die Vernetzung der Wälder unter sich und mit den Ökosystemen des Offenlandes soll als wichtige Voraussetzung einer langfristigen Erhaltung der Biodiversität sichergestellt und im Sinne einer ökologischen Infrastruktur verstärkt werden.

7.1.3

Landwirtschaft

Qualität von bestehenden ökologischen Ausgleichsflächen und deren Vernetzung erhöhen Agrarpolitik 2014­2017 Zur Erhaltung der Biodiversität in der Agrarlandschaft ist die Erreichung der «Umweltziele Landwirtschaft» massgebend. Im Bereich Biodiversität sollen die Umweltziele regional quantifiziert, qualifiziert und koordiniert umgesetzt werden.

Wichtig für die Förderung der Biodiversität in der Landwirtschaft sind die Erhaltung heute noch artenreicher Flächen, die Erhöhung der ökologischen Qualität von bestehenden ökologischen Ausgleichsflächen, deren bessere Vernetzung und wo nötig die 160

GIS-Auswertung und Schätzung BAFU, Zustand Ende 2011

7296

Anlage von zusätzlichen ökologischen Ausgleichsflächen161. Dabei sollen die Anreize für Leistungen zur Förderung der Biodiversität erhöht, die Synergien (z.B.

Nützlingsförderung oder Pufferfunktionen) mit der landwirtschaftlichen Produktion genutzt und die dafür notwendige Eigeninitiative der Landwirte sowie die Anerkennung der Ökosystemleistungen und deren Inwertsetzung in den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren gestärkt werden.162 Mit der Agrarpolitik 2014­2017163 will der Bundesrat die landwirtschaftliche Produktion stärken, die Umweltleistungen der Landwirtschaft steigern und die bäuerlichen Einkommen verbessern. Das Kernelement dabei ist die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Die Direktzahlungsinstrumente werden klar auf die in der Bundesverfassung festgehaltenen Ziele ausgerichtet. Kann die Agrarpolitik 2014­2017 wie geplant umgesetzt werden, wird ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität im landwirtschaftlich genutzten Raum geleistet werden.

Ökologischen Leistungsnachweis optimieren Der ökologische Leistungsnachweis soll, wie es auch im Rahmen der Agrarpolitik 2014­2017 geplant ist, als Voraussetzung für den Empfang von Direktzahlungen bezüglich der Anforderungen bei Düngung, Bodenschutz, Pflanzenschutz und ökologischem Ausgleich optimiert werden.

Ammoniakemissionen reduzieren Die Reduktion der Ammoniakemissionen ist aufgrund der weitreichenden ökologischen Auswirkungen dringlich zu behandeln ebenfalls ein Ziel der Agrarpolitik 2014­2017. Dafür sollen verschiedene Instrumente und Anreizsysteme kombiniert eingesetzt werden. Als wichtiges Instrument sollen zusätzliche Anreize für Ressourceneffizienz im Rahmen der Direktzahlungen für die Förderung von gezielten technischen Massnahmen gesprochen werden.

Landwirtschaftliche Beratung und Forschung ausbauen Die landwirtschaftliche Beratung sowie die Forschung sollen zur optimalen Förderung der Biodiversität als Bestandteil einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen.

Der Nutzen einer hohen Biodiversität in der Agrarlandschaft und die Wichtigkeit der dadurch erbrachten Ökosystemleistungen (z.B. Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit, Schädlingsbekämpfung) sollen aufgezeigt werden und integraler Bestandteil der landwirtschaftlichen Lehrgänge und der Beratung sein.

161

In der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014­2017 (Agrarpolitik 2014­2017) vom 1. Februar 2012 ist vorgesehen, dass Landwirtschaftsgesetz dahingehend zu ändern, dass ökologische Ausgleichsflächen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen neu als Biodiversitätsförderflächen bezeichnet werden.

162 Umweltziele Landwirtschaft.

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00097/index.html?lang=de 163 Agrarpolitik 2014­2017.

www.blw.admin.ch/themen/00005/00044/01178/index.html?lang=de

7297

7.1.4

Jagd und Fischerei

Nachhaltigkeit beibehalten, überprüfen und anpassen Die Nachhaltigkeit in der Nutzung durch Jagd und Fischerei muss gezielt verbessert werden. Dabei soll die Artennutzung insbesondere in Bezug auf die natürliche Waldverjüngung, Klimawandel sowie auf die künstliche, genetische Selektion durch die überproportionale Entnahme bestimmter Populationsteile164 periodisch überprüft und falls nötig angepasst werden.

Überregionales Denken, Planen und Handeln fördern Für viele Tierarten sind die administrativen Verantwortlichkeitsräume zu klein bemessen. Denken, Planen und Handeln in überregionalen Wildtierräumen und Gewässereinzugsgebieten (statt auf Gemeinde- oder Kantonsebene) sind durch Verordnungen und Anreize gezielt zu fördern.

Vorgaben für Kantone erlassen Bei Vollzugsdefiziten oder Schwierigkeiten zur Erreichung eines regionalen Gleichgewichtes zwischen Wald und Wild erlässt der Bund Vorgaben für die Kantone zur Sicherung der natürlichen Waldverjüngung und der wichtigsten Wildtierlebensräume. Dabei sind die zielorientierte Regulierung der Wildhuftierbestände und die Aufwertung der Lebensräume auf kantonaler Ebene wichtige Massnahmen.

Ruhezonen für Wildtiere fördern Zum Schutz der frei lebenden Säugetiere und Vögel unterstützt der Bund die Kantone bei der Ausscheidung von Ruhezonen für Wildtiere sowie bei gezielten Artenund Lebensraumförderungsprojekten. Das in Entwicklung begriffene Netz an Schutzgebieten und Ruhezonen für Wildtiere soll als Teil der ökologischen Infrastruktur (vgl. Ziff. 7.2) in raumplanerische Prozesse Eingang finden Lebensräume der Fische verbessern Die Lebensräume der Fische sind so zu verbessern, dass auf die aufwendigen Jungfisch-Besatzmassnahmen sukzessive verzichtet werden kann. Prioritäre Lebensräume für die Fortpflanzung der Fische sind zu definieren und sollen in die ökologische Infrastruktur aufgenommen werden (vgl. Ziff. 7.2). Im Rahmen der Vernetzung der Lebensräume im Wasser ist die Durchgängigkeit der Fliessgewässer, insbesondere vom See zum Bach, durch Auf- und Abstiegshilfen für Fische zu verbessern.

Artenschutz und Bestandesregulation zur Schadenminimierung gewährleisten Der Umgang mit sich in der Kulturlandschaft ausbreitenden geschützten Arten, die zu Konflikten führen können (z.B. Luchs und Wolf), braucht neue Konzepte, welche gleichzeitig den Artenschutz
und wenn nötig die Bestandesregulation zur Schadenminimierung gewährleisten. Die Prävention von Schäden und Massnahmen zur Förderung der Akzeptanz sollen ein zentraler Pfeiler dieser Konzepte sein.

164

Coltman, D.W. et al. 2003: Evolutionary consequences of trophy hunting. In: Nature, 426, S. 165­172

7298

7.1.5

Tourismus, Sport und Freizeit

Biodiversität in die Sport- und Tourismuspolitik integrieren Die Biodiversität ist zentral für die touristische Wertschöpfung und soll auch langfristig für Tourismus, Sport und Freizeit genutzt werden können. Deshalb ist die Biodiversität verstärkt in die Sport- und Tourismuspolitiken zu integrieren, und die sektorübergreifende Zusammenarbeit ist zu gewährleisten.165 Tourismus, Sport und Freizeit sollen mittels naturverträglicher Angebote und Infrastrukturen zur Schonung der Biodiversität beitragen.

Auf allen politischen Ebenen und gemeinsam mit der Sport- und Tourismusbranche sind die Möglichkeiten auszuloten, wie Massnahmen zur Förderung der Biodiversität realisiert werden können.166 Tourismus-, Sport- und Freizeitaktivitäten lenken Zudem werden die Tourismus-, Sport- und Freizeitaktivitäten klarer gelenkt. Rahmenbedingungen für den Umgang mit den für die Artenvielfalt wichtigen Gebieten (z.B. raumplanerische Massnahmen zur Ausscheidung von Rückzugsräumen/Ruhezonen für Wildtiere) sollen festgelegt sowie eine Besucherlenkung in ökologisch sensiblen Gebieten umgesetzt und Informationen bereitgestellt werden.

Wenig besuchte Gebiete vor Störungen bewahren Mit der Erhaltung und Schaffung von ausreichenden attraktiven Naherholungsräumen werden abseits liegende, noch wenig besuchte Gebiete vor grossen Besucherströmen und den damit verbundenen Störungen bewahrt.

7.1.6

Verkehr

Neue Trennwirkungen vermeiden Neue Trennwirkungen sind zu vermeiden. Im Stadium der Planung soll deshalb dem Ausbau von bestehenden Verkehrsinfrastrukturen der Vorrang vor dem Bau neuer Infrastrukturanlagen gegeben werden. Ist ein Neubau unumgänglich, sollen schützenswerte Lebensräume möglichst geschont werden.

Lebensräume und Populationen vernetzen Die Arbeiten zur Aufhebung der Trennwirkung von einzelnen Infrastrukturen sowie die Verbesserung der Durchlässigkeit für Wildtiere, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger sind weiterzuführen. Für eine grossflächige Vernetzung von Lebensräumen und Populationen wird ein Bündel von Massnahmen notwendig sein. Die Aufhebung bestehender Trennwirkungen und die Verbesserung der Durchlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur für die Fauna sind durch den Bau von neuen Wildtierpassagen oder durch die Verbesserung von bestehenden Bauwerken zu erreichen. Alle baulichen Massnahmen sind durch eine Einbindung der Wildtierkorridore in die Richt- und Zonenpläne langfristig zu sichern. Leitsysteme für die Fauna und die 165

Vgl. dazu die Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz (2010).

www.seco.admin.ch/tourismus 166 Vgl. z.B. Kampagne Schweiz Tourismus «Die Schweiz ganz natürlich», Kampagne BAFU-SAC «Respektiere deine Grenzen».

7299

Schaffung von Ersatzlebensräumen sind in Koordination mit der Landwirtschaft, der Waldwirtschaft und dem Siedlungsbau anzustreben. Der Unterhalt der baulichen Massnahmen ist zu gewährleisten. Dabei ist darauf zu achten, dass alle Böschungen naturnah gepflegt und Kontroll- und Bekämpfungsmassnahmen gegen invasive Organismen eingesetzt werden.

7.1.7

Erneuerbare Energien

Koordination mit Energiestrategie 2050 Bei der Erarbeitung des Aktionsplans ist der Entscheid des Bundesrates zu einem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie und dessen Umsetzung im Rahmen der neuen Energiestrategie 2050167 zu berücksichtigen. Die Planung der Energieerzeugung soll grossräumig (kantonsübergreifend) und inhaltlich umfassend unter Einbezug und Bewertung aller Energieträger mit ihren jeweils spezifischen Potenzialen erfolgen. Die Beeinträchtigung der Biodiversität soll dabei möglichst gering gehalten werden. Zielkonflikte mit der Biodiversität sollen wo möglich durch bereits bestehende Strategien und Empfehlungen gelöst werden. Wo nötig, prüft der Bund die Ausarbeitung weiterer Vollzugshilfen. Des Weiteren möchte der Bund die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen unterstützen, um so eine umfassende Planung zu ermöglichen. Zielführend können auch freiwillige Absprachen oder Branchenlösungen sein.

7.1.8

Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes

Berücksichtigung der Biodiversität bei Nutzung und Umnutzung sicherstellen Durch die Rolle als grösster Landbesitzer der Schweiz fällt dem Bund sowie den Haltern von Beteiligungen eine spezielle Verantwortung zu. Die Aspekte der Biodiversität sollen bei der Nutzung deshalb vermehrt Beachtung finden.

Wo dies der Bund als Landeigentümer beeinflussen kann, sollen hohe ökologische Werte von nicht mehr benötigten Grundstücken auch bei einer Umnutzung bzw.

einem Grundstücksverkauf bestehen bleiben. Bei anderen Flächen, welche zum heutigen Zeitpunkt noch keine grossen Naturwerte beinhalten, ist zu prüfen, ob sie für die Vernetzung oder als Schutzgebiete für die Biodiversität zur Verfügung gestellt werden könnten. Denkbar wäre auch ein Einsatz dieser Flächen als Realersatz für Bundesbauten und Infrastrukturvorhaben. Neben der Frage, wer diese Flächen zukünftig besitzen soll, ist auch die Sicherstellung des angepassten Unterhalts bzw. die Finanzierung der notwendigen Aufwertungsmassnahmen zu klären.

167

Energiestrategie 2050. www.bfe.admin.ch/themen/00526/00527/index.html?lang=de

7300

7.1.9

Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum

Die aus dem Verlust an Biodiversität resultierenden unternehmerischen Risiken müssen stärker angegangen und der negative Einfluss der Wirtschaft auf die Biodiversität verringert werden. Genauso gilt es jedoch, auch die mit der Erhaltung und Förderung der Biodiversität verbundenen unternehmerischen Chancen zu nutzen und das Know-how der Wirtschaft aktiv in die Entwicklung von Lösungsansätzen einzubeziehen (vgl. Ziff. 6.10). Dafür sind in erster Linie Grundlagen (Wissen) und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der negative Einfluss der Wirtschaft auf die Biodiversität verringert werden kann und der private Sektor die mit der Biodiversität verbundenen Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und darauf angemessen reagieren kann.

Marktwirtschaftliche Instrumente und Anreize Die Schweiz setzt vermehrt auf marktwirtschaftliche Instrumente und Anreize für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und zur Förderung von wirtschaftlichen Tätigkeiten (Schaffung von klaren Rahmenbedingungen für die Wirtschaft), die im Einklang mit der Biodiversität stehen. Dazu gehören insbesondere die Beseitigung von umweltschädlichen Subventionen (vgl. Ziff. 7.5), die Stärkung des Vorsorgeprinzips168, Anreize für Investitionen durch Kommunikation und Information über best practice, die Förderung von Nachhaltigkeitsstandards zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität169, die Prüfung der aktuellen Umwelthaftpflichtsregelungen mit Bezug auf Risiken für die Biodiversität sowie die Prüfung innovativer Systeme zur Abgeltung für Ökosystemleistungen, welche nicht über den Markt abgegolten werden. Zudem müssen auch Anstrengungen unternommen werden hinsichtlich abgestimmter Regeln für fachlich fundierte, relevante und verständliche Produktumweltinformationen. Dabei sollte die Schweiz insbesondere den Ansatz einer erhöhten Rückverfolgbarkeit und Transparenz bezüglich der Auswirkungen auf die globale Biodiversität von Produktion und Konsum fördern.

Öffentliche Beschaffung Die öffentliche Beschaffung der Schweiz hat nachhaltig zu erfolgen. Dabei soll die Nachhaltigkeit in ihrer Gesamtheit und unter verstärktem Einbezug der Biodiversität über den ganzen Lebensweg der Produkte analysiert und beurteilt werden. Auch auf internationaler Ebene wird die nachhaltige öffentliche Beschaffung unterstützt (z.B.

im Rahmen der Marrakech Task Force for Sustainable Public Procurement170), insbesondere auch durch Massnahmen im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des SECO.

168

Z.B. Umsetzung von REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals), Elimination von Mikroverunreinigungen aus Abwasser (welche Gewässerökosysteme empfindlich stören können) usw.

169 Anreize für Investitionen im Rahmen der IPP und der Aktivitäten zur Grünen Wirtschaft oder mittels Kommunikation oder Informationen über «good practice», wenn möglich ohne Mehrbelastung der öffentlichen Hand.

170 Marrakech Task Force for Sustainable Public Procurement (SPP): Promotes and supports the implementation of SPP in both developed and developing countries.

www.unep.fr/scp/marrakech/taskforces/procurement.htm

7301

Nachhaltigkeit im Handel, in Anlage- und Wirtschaftspolitik Im Bereich des nationalen und internationalen Handels fördert die Schweiz die Entwicklung und Einhaltung von international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards, zu denen auch die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die globale Biodiversität gehört.171 Die Politik zur Etablierung und Umsetzung von anerkannten Nachhaltigkeitsstandards und Labels im internationalen Handel basiert auf der Labelstrategie des Bundes. Dabei sollen alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette einbezogen werden, beispielsweise durch die Förderung von «Codes of Conduct».

Auswirkungen nationaler Entscheide auf globale Biodiversität Die Schweiz fördert mit freiwilligen Massnahmen die Integration von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten in die Finanzmarktprozesse (z.B. über Labels für nachhaltige Finanzanlagen).172 Der Bund sowie die öffentlichen Einrichtungen betreiben soweit als möglich eine Anlage- und Wirtschaftspolitik, welche die nachhaltige Entwicklung fördert. Zudem wird die Transparenz der Finanzmarktakteure gefördert.

Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass die Biodiversität in der Schweiz und die Auswirkungen auf die globale Biodiversität in nationalen Entscheiden (z.B. Landwirtschaftspolitik, Standortförderung, Finanzdienstleistungen usw.) sowie den Sektoralpolitiken und -strategien der Wirtschaft genügend berücksichtigt werden (Landwirtschaft, Wald, Tourismus, usw.). Dazu zählen beispielsweise auch Überlegungen, inwieweit der Import von Nahrungs- und Futtermitteln oder von Rohstoffen die globale Biodiversität beeinträchtigt. Weiter berücksichtigt die Schweiz die Biodiversitätsziele in den Folgearbeiten gemäss Aussprachepapier grüne Wirtschaft173, dem nationalen Masterplan Cleantech und anderen nationalen Strategien (Nachhaltigkeits-, Klima-, Energiestrategie usw.). Hinsichtlich der Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums (Standortförderung) ist bei Programmen und Projekten der neuen Regionalpolitik (NRP) sicherzustellen, dass der bereits bestehende Grundsatz konsequent umgesetzt wird, wonach Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung zu berücksichtigen sind.

Risiken und Chancen der Biodiversität für die Wirtschaft Die heute bestehenden, von der Wirtschaft, NGOs und Regierungen (oft auch in Zusammenarbeit und meist freiwillig) entwickelten,
Prinzipien, Leitlinien, Werkzeuge usw. im Bereich Biodiversität und Wirtschaft sind noch zu schwach. In der Schweiz sollen deshalb nationale und internationale Initiativen weiterentwickelt werden, welche sich mit einer verbesserten Zusammenarbeit hinsichtlich des

171

Bereits heute verfügt die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit über Programme, welche z.B. die Stärkung des nachhaltigen Biodiversitätshandels, die Umsetzung des ABS, den Schutz des Tropenwaldes oder die Etablierung von Nachhaltigkeitslabels im internationalen Rohstoffhandel fördern.

172 Vgl. Brugger E.A et al. (2005), Finanzmärkte und Umwelt, S. 77 ff. Umwelt-Materialien Nr. 200. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00322/index.html?lang=de 173 Grüne Wirtschaft. www.bafu.admin.ch/wirtschaft/11350/index.html?lang=de

7302

Umgangs mit Risiken und Chancen der Biodiversität für die Wirtschaft auseinandersetzen.174 Im Bereich der Wissenschaft müssen die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Wirtschaft deutlicher herausgearbeitet werden (stärkere Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft). Zudem sollen Informationen über diese Wechselwirkungen den Unternehmen einfacher zugänglich gemacht werden.

7.2

Eine ökologische Infrastruktur schaffen

Herausforderung Wirksam erhaltene, vernetzte und funktionsfähige Lebensräume sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Biodiversität reichhaltig und gegenüber Veränderungen (z.B. Klimawandel) reaktionsfähig ist. Bestehende Schutzgebiete müssen ergänzt und qualitativ verbessert werden. Vernetzungsgebiete sollen die Durchlässigkeit der Landschaft zwischen den Schutzgebieten sicherstellen.

Ziel Zur Sicherung des Raumes für die langfristige Erhaltung der Biodiversität wird bis 2020 eine ökologische Infrastruktur von Schutzgebieten und Vernetzungsgebieten aufgebaut. Der Zustand der gefährdeten Lebensräume wird verbessert.

Handlungsfelder Bis 2020 baut die Schweiz eine ökologische Infrastruktur auf, welche wichtige Funktionen der Ökosysteme sowie alle bedeutenden natürlichen und naturnahen Lebensräume in einem guten Erhaltungszustand sichert. Hierzu sind einerseits die Ergänzung und Aufwertung des Schweizer Schutzgebietssystems nötig, anderseits die Ergänzung und Sicherung eines Systems von Vernetzungsgebieten in der gesamten Landschaft. Schutz- und Vernetzungsgebiete sollen auch die Vernetzung mit den entsprechenden Gebieten der umliegenden Länder sicherstellen.

174

Dazu gehören z.B.: ­ die EU Business @ Biodiversity Platform.

http://ec.europa.eu/environment/biodiversity/business/index_en.html ­ die Business and Biodiversity Initiative «Biodiversity in Good Company» («Zusammenschluss von Unternehmen, die gemeinsam für den Schutz der biologischen Vielfalt eintreten ­ im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft. Die seit 2008 bestehende Initiative wird in Eigenregie der Wirtschaft als Verein weitergeführt». www.businessand-biodiversity.de) ­ die Union for Ethical Biotrade (UEBT, «Non-profit association that promotes the of ingredients that come from native biodiversity. Members commit to gradually ensuring that their sourcing practices promote the conservation of biodiversity, respect traditional knowledge and assure the equitable sharing of benefits all along the supply chain.» www.ethicalbiotrade.org/) ­ die Initiative der privaten Schweizer Stiftung «Natur & Wirtschaft», Förderung der Biodiversität auf Firmengeländen und um Industrieareale. www.natureeteconomie.ch Für eine ausführlichere Übersicht über ausgewählte Initiativen, Guidelines und Tools siehe TEEB (2012),The Economics of Ecosystems and Biodiversity in Business and Enterprise, S. 243ff. Edited by Joshua Bishop. Earthscan, London and New York

7303

Schutzgebiete dienen dazu, sogenannte Hotspots für Biodiversität (Gebiete mit einer hohen Anzahl an spezialisierten Arten und Lebensräumen) mit Schutzbestimmungen langfristig zu sichern. Das heutige Schweizer Schutzgebietssystem besteht aus den folgenden Flächen die rechtlich geschützt sind: Inventare der Biotope von nationaler Bedeutung, Schweizerischer Nationalpark, Jagdbanngebiete, Wasser- und Zugvogelreservate, Ramsargebiete, Smaragdgebiete175, kantonale, kommunale und privatrechtliche Schutzgebiete (inkl. Waldreservate).

Zur Erhaltung wichtiger Gebiete für die schweizerische Biodiversität soll das Schweizer Schutzgebietssystem wo nötig ergänzt und aufgewertet werden. Zusätzliche Schutzgebiete sollen dazu ausgeschieden werden. Für deren räumliche Festlegung werden die Gefährdung von Arten, die ökologisch repräsentative Vertretung und die Gefährdung der natürlichen Lebensräume der Schweiz eine zentrale Rolle spielen. Die Vervollständigung des Schweizer Schutzgebietssystems ist im Rahmen einer Gesamtkonzeption zusammen mit den betroffenen Akteuren zu entwickeln und bis 2020 umzusetzen.176, 177 Der Schutz in bereits bestehenden Schutzgebietsflächen mit eher schwachen Anforderungen beim Schutz der Biodiversität (wie z.B. Jagdbanngebiete, Wasser- und Zugvogelreservate) sollte ausgeweitet werden.

Damit die bestehenden Schutzgebiete ihren Zweck erfüllen können, braucht es zudem eine verbesserte Bewirtschaftung dieser Gebiete. Ihr Management soll besser auf die Schutzziele ausgerichtet werden. Wo nötig sind Regenerationsmassnahmen vorzunehmen, um die langfristige Funktionalität der Gebiete zu sichern. Dies erfordert einen grossen finanziellen und personellen Aufwand, der nur mit vereinten Kräften von Bund, Kantonen, Gemeinden, Naturschutzorganisationen und privatem Engagement zu leisten ist.

Vernetzungsgebiete dienen dazu, die Schutzgebiete untereinander zu verbinden und die Verbindung zu den Schutzgebieten der Nachbarländer so herzustellen, dass sich Arten ausbreiten können und Ökosysteme erhalten bleiben. Zudem soll die Anpassung der Lebensräume an klimabedingte Veränderungen möglich sein. Vernetzungsgebiete können ökologisch qualitativ wertvolle Flächen aus Kulturland, Wald, Gewässer, Siedlungsraum und entlang von Verkehrsinfrastrukturen sein.178

175

Smaragdnetzwerk: Europaweites Netzwerk von Schutzgebieten zur Erhaltung der gefährdeten Arten und Lebensräume von europäischer Bedeutung. Basis ist die Berner Konvention des Europarates.

176 Svancara L.K. et al. 2005: Policy-driven versus Evidence-based Conservation: A Review of Political Targets and Biological Needs. In: BioScience, Vol. 55, No. 11, p. 989­995 177 Desmet P., Cowling R. 2004: Using the species-area relationship to set baseline targets for conservation. In: Ecology an Society, Vol. 9, No. 2 178 Kulturland: Extensiv genutzte Wiesen und Weiden, Streuflächen, ökologische Ausgleichsflächen im Ackerland; feuchte, nicht drainierte Stellen im Grünland; Tümpel, Säume, Hecken und andere Strukturelemente; Wald: Wälder, die nicht bewirtschaftet werden; die einen grossen Vorrat an Totholz aufweisen; Wälder auf feucht-nassen oder sehr trockenen Standorten; speziell genutzte Wälder (z.B. Mittel- oder Niederwälder; Kastanienselven); Wälder, Waldränder mit breitem Kraut- und Gebüschsaum.

Gewässer: Naturnahe Bäche, Flüsse und Seeufer; revitalisierte Gewässer.

Siedlungsraum: Suburbane Freiräume; naturnah gepflegte Parkanlagen und Friedhöfe; extensiv begrünte Flachdächer; Naturgärten; nicht versiegelte und wenig genutzte Nischen. Verkehrsinfrastruktur: Naturnah gepflegte Flächen entlang von Strassen und Bahnen sowie in Bahnhöfen.

7304

Ebenfalls zu den Vernetzungsgebieten gehören künstliche Verbindungselemente.

Das sind Wildtierbrücken und -unterführungen, Amphibien- und Kleintierdurchlässe.

Die Aktualisierung des REN soll den genauen Flächenbedarf an Vernetzungsgebieten in Bezug zu den Schutzgebieten festhalten. Es ist anzustreben, dass sich Nutzung und Biodiversität auf diesen Flächen nicht gegenseitig ausschliessen. Das REN ist bezüglich Datenlage und Methodik auf den aktuellen Stand zu bringen und auf Lebensräume im Gebirge und im Siedlungsgebiet auszuweiten. Eine Defizitanalyse soll den Stand der ökologischen Vernetzung im Vergleich zu den Vorgaben des REN aufzeigen. Daraus soll der Handlungsbedarf bezüglich Neuschaffung, Sicherung und Aufwertung von Vernetzungsgebieten abgeleitet und geografisch dargestellt werden.

Schon heute leisten die verschiedenen Sektoren, wie z.B. Wald, Landwirtschaft, Siedlung, Verkehr einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung. Allfällige Anpassungen von Bewirtschaftung oder Pflegeaufwand im Hinblick auf die Vernetzungsfunktion sind wo notwendig abzugelten. Im Rahmen des Aktionsplans soll geprüft werden, ob und inwieweit Pärke von nationaler Bedeutung, Moorlandschaften von nationaler Bedeutung und besonderer Schönheit und die Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung einen Beitrag zur Schaffung der ökologischen Infrastruktur leisten können.

Weiter soll im Rahmen des Aktionsplans geprüft werden, ob und inwieweit mittels Sachplan bzw. Konzept nach Artikel 13 des Raumplanungsgesetzes179 eine ökologische Infrastruktur aus Schutzgebieten und Vernetzungsgebieten bezeichnet werden soll, dies im Rahmen der Bundeskompetenz von Artikel 78 Absatz 4 BV180 und in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Ein solches Instrument könnte die Koordination raumwirksamer Tätigkeiten erleichtern, als Grundlage zur Lösung von Zielkonflikten und zur Nutzung von Synergien mit den Aufgaben der raumwirksamen Sektoralpolitiken des Bundes (v.a. zur Abstimmung mit den jeweiligen Sachplanungen) im Hinblick auf die Erhaltung und Förderung der Biodiversität dienen und insbesondere dafür sorgen, dass die Biotope von nationaler Bedeutung ausreichend untereinander vernetzt sind.

Im internationalen Kontext muss die Schweiz den Anforderungen des Strategischen Plans der Biodiversitätskonvention181 und des europäischen
Smaragd-Netzwerks der Berner Konvention182 gerecht werden. Beide Instrumente verlangen eine Erweiterung der Schutzgebiete. Der Strategische Plan der Biodiversitätskonvention183 verlangt dass mindestens 17 % der Landesfläche als Schutzgebiete ausgeschieden und geschützt werden. Der Beitrag der Sektoren und das Potential der verschiedenen Schutzgebietsinstrumente sollen im Rahmen des Aktionsplanes mit den zuständigen Akteuren identifiziert werden.

179 180 181 182

183

Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz RPG; SR 700) Vgl. Ziff. 5.

Siehe Anhang A1: Aichi Biodiversity Target 11.

Smaragdnetzwerk: Europaweites Netzwerk von Schutzgebieten zur Erhaltung der gefährdeten Arten und Lebensräume von europäischer Bedeutung. Basis ist die Berner Konvention des Europarates.

Siehe Anhang A1: Aichi Biodiversity Target 11.

7305

7.3

Erhaltungszustand von National Prioritären Arten verbessern

Herausforderung Einzelne Arten oder Artengruppen können mit dem Lebensraumschutz allein nicht genügend gefördert werden und brauchen auch in Zukunft zusätzlich spezifische Massnahmen, damit sich das Überleben ihrer Populationen sichern lässt. Eingeführte invasive Arten können einheimische Arten bedrohen und zu deren Verlust führen.

Ziel Der Erhaltungszustand der Populationen von National Prioritären Arten wird bis 2020 verbessert und das Aussterben so weit wie möglich unterbunden. Die Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten mit Schadenspotenzial ist eingedämmt.

Handlungsfelder Der Bund legt die Priorität in der Artenförderung auf diejenigen einheimischen Arten, die bekanntermassen gefährdet sind, für welche die Schweiz eine besondere Verantwortung trägt und für deren Erhaltung dringender Handlungsbedarf besteht.

Diese Liste der National Prioritären Arten dient als Grundlage für die Anstrengungen des Bundes in der Artenförderung. Die heute noch nicht gefährdeten Arten werden durch Massnahmen zur Aufwertung der gesamten Landschaft gefördert (vgl.

Ziff. 7.1 und 7.2).

Der Bund legt in einem Konzept Artenförderung Schweiz fest, welche Ziele die Schweiz in der Artenförderung verfolgt, wie sie Prioritäten setzt, nach welchen Grundsätzen sie handelt und mit welchen Strategien und Massnahmen sie Arten sichert. Übergeordnetes Ziel ist es, bis 2020 die Populationen National Prioritärer Arten184 in der Schweiz langfristig zu sichern.

Die Artenförderung soll grundsätzlich mit einer Bündelung von Massnahmen erreicht werden. Vorrang haben Förderstrategien, die auf bestehenden Schutz- und Förderinstrumenten basieren, Synergien mit Sektoralpolitiken nutzen und mehrere prioritäre Arten gleichzeitig über gemeinsame Habitate fördern. Für National Prioritäre Arten, für deren Erhaltung der spezifische Lebensraumschutz nicht genügt, werden artspezifische Aktionspläne ausgearbeitet.

Der Bund legt Grundsätze für die Artenförderung fest, namentlich zur Sicherung der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten, zur An- und Umsiedlung von Arten, zum Umgang mit den Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Arten und zu Zielkonflikten innerhalb der Arten- und Lebensraumförderung sowie zwischen Artenförderung und anderen Sektoralpolitiken.

Zur Verhinderung der Einfuhr und Ausbreitung von invasiven gebietsfremden
Arten mit Schadenspotenzial wird eine nationale Strategie erstellt und umgesetzt. Im Rahmen eines Monitorings sollen mögliche Gefährdungen der Umwelt und Beeinträchtigungen der biologischen Vielfalt durch invasive gebietsfremde Arten frühzei184

Liste der National Prioritären Arten.

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01607/index.html?lang=de

7306

tig erkannt und die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen überprüft werden können. Die Schweiz setzt sich zudem für einen verstärkten internationalen Erfahrungsaustausch im Bereich invasiver gebietsfremder Arten ein. Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit werden mittels vermehrter Aufklärungsarbeit im Umgang mit gebietsfremden Arten und deren Schadpotenzial sensibilisiert.

Die Umsetzung der Artenförderung erfolgt in Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Der Bund definiert die Prioritäten auf nationaler Ebene, vervollständigt werden sie auf regionaler Ebene durch die Kantone. Den Kantonen fällt denn auch die Verantwortung des Vollzugs zu. Die so entstandenen Programme und Prioritäten sollen veröffentlicht werden, um das direkte Mitwirken von gemeinnützigen Organisationen zu erleichtern.

7.4

Genetische Vielfalt erhalten und fördern

Herausforderung Eine hohe genetische Vielfalt ermöglicht es den Arten, sich besser an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Sie ist eine Grundlage für das Überleben der Arten und für die Aufrechterhaltung von Ökosystemleistungen. Sie ist auch eine Quelle genetischer Ressourcen für Land- und Waldwirtschaft sowie für Forschung und Industrie.

Ziel Die genetische Verarmung wird bis 2020 gebremst, wenn möglich gestoppt. Die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen, einschliesslich der Nutztiere und Kulturpflanzen, werden gesichert.

Handlungsfelder Es soll ein Konzept zur Erhaltung der genetischen Vielfalt in der Schweiz (Organisation, Dokumentation, Monitoring, Rolle und finanzielle Beteiligung der Wirtschaftssektoren) vorgelegt werden, um prioritäre Massnahmen für die Erhaltung der genetischen Vielfalt und für die Vermeidung der genetischen Erosion einzuleiten.

Die bestehenden Konzepte mit thematischem Bezug werden dabei berücksichtigt.

Die verfügbaren genetischen Ressourcen der Schweiz sind zu erfassen, damit Schwerpunkte bezüglich Erhaltungsmassnahmen richtig gesetzt werden können.

Die genetische Variabilität der Arten soll als Kriterium entwickelt und bei der Festlegung von Schutz- oder Vernetzungsgebieten berücksichtigt werden.

Die heutigen Massnahmen (z.B. nationale Aktionspläne, Genbanken, mikrobiologische Stammsammlungen, zoologische oder botanische Gärten) zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der genetischen Vielfalt sollen fortgesetzt und weiterentwickelt werden.

7307

Das Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich185 ist in der Schweiz baldmöglichst zu ratifizieren (vgl.

Ziff. 7.9).

Im Nachgang zur Ratifizierung des Nagoya Protokolls über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich (Access and Benefit-Sharing) soll abgeklärt werden, ob der Zugang zu den eigenen genetischen Ressourcen der Schweiz so geregelt werden soll, dass auch die Schweiz an den Vorteilen, die aus ihren Ressourcen entstehen, teilhaben kann.

7.5

Finanzielle Anreize überprüfen

Herausforderung Das heutige Steuer- und Finanzsystem (Subventionen im weiteren Sinn) enthält, nebst biodiversitätsfördernden Anreizen, teilweise Anreize, welche ungünstig für die Biodiversität sind.186 So haben gemäss einer Studie187 rund ein Drittel aller Bundessubventionen eine potenziell schädigende Wirkung auf Biodiversität und Landschaft. Steuern und Subventionen müssen deshalb überprüft werden.

Ziel Negative Auswirkungen von bestehenden finanziellen Anreizen auf die Biodiversität werden bis 2020 aufgezeigt und wenn möglich vermieden. Wo sinnvoll werden neue positive Anreize geschaffen.

Handlungsfelder Bestehende Anreize des Steuer- und Finanzsystems müssen so optimiert werden, dass sie den planerischen Vorgaben nicht zuwiderlaufen, sondern diese unterstützen.

In vielen Fällen sind bereits entsprechende Arbeiten im Gang (z.B. Agrarpolitik, Waldpolitik). Ziel ist, bis 2015 aufzuzeigen, in welchen Bereichen zusätzlicher Bedarf für verbesserte Anreize besteht. Um den Anforderungen des Strategischen Plans der Biodiversitätskonvention gerecht zu werden188, müssen bis spätestens 2020 der biologischen Vielfalt abträgliche Anreize einschliesslich Subventionen beseitigt, schrittweise abgebaut oder umgestaltet werden, um die negativen Auswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren oder sie ganz zu vermeiden. Bis 2020 sollen deshalb allfällige Botschaften für Gesetzesrevisionen erarbeitet sein.

185

Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

www.cbd.int/abs/doc/protocol/nagoya-protocol-en.pdf 186 Vgl. z.B. Waltert F. et al. 2010: Fiskalische Instrumente und Flächeninanspruchnahme.

WSL im Auftrag von BAFU und ARE.

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01558/index.html?lang=de 187 Rodewald R., Neff C. 2001: Bundessubventionen ­ landschaftszerstörend oder landschaftserhaltend? Praxisanalyse und Handlungsprogramm. Bern: Stiftung Landschaftsschutz Schweiz 188 Siehe Anhang A1: Aichi Biodiversity Target 3.

7308

Vorbildcharakter für die Überprüfung bestehender Mechanismen hat beispielsweise die Umlagerung der tiergebundenen Beiträge im Rahmen der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems.189 Diese stellten bislang einen Anreiz dar, mehr Tiere pro Fläche zu halten, als standortgerecht angebracht wäre. Ähnlich gilt es, bestehende Mechanismen in anderen Bereichen zu optimieren.

In Bereichen, in denen das Marktversagen besonders ausgeprägt ist, sind auch neue Anreizmechanismen zu prüfen. Die Zersiedelung und die mit ihr einhergehende Fragmentierung von Habitaten ist ein Beispiel für ein Marktversagen, bei dem durch die Nutzung privater Güter das öffentliche Gut Biodiversität beeinträchtigt wird.

Eine abgestimmte und sorgfältige Entwicklung solcher finanziellen Mechanismen ist nötig.

Wichtige Handlungsfelder bestehen neben der nationalen auch auf der kantonalen und der internationalen Ebene. In einzelnen Kantonen wurden bereits gute Erfahrungen mit Anreiz- und Finanzierungsmechanismen zur Förderung der nicht direkt marktfähigen Ökosystemleistungen gemacht. Auch auf internationaler Ebene wurden in jüngster Zeit Beispiele von marktwirtschaftlichen Instrumenten erarbeitet.190 Was fehlt, ist ein systematischer, anwendungsorientierter Austausch auf Kantonsund Gemeindeebene. Zur Bündelung der Kräfte gilt es, vorhandene Erfolgsmodelle auf kantonaler, nationaler und internationaler Ebene für die Schweiz bzw. für unterschiedliche Kantone zu nutzen.

7.6

Ökosystemleistungen erfassen

Herausforderung Eine gesunde Umwelt ist wesentlich für die Wohlfahrt eines Landes. Das Bruttoinlandprodukt als gängige Messgrösse für das Wachstum sagt darüber nichts aus, da es sich an finanziellen Transaktionen orientiert. Die Leistungen der Ökosysteme und damit die Bedeutung der Biodiversität für die Wohlfahrt sind darin nicht sichtbar.

Zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität ist es wichtig, Ökosystemleistungen mittels Indikatoren zu erfassen und in die öffentlichen wie die privaten Entscheidungs- und Marktmechanismen einzubringen. Diese Indikatoren brauchen indes nicht monetär zu sein; die Leistungen können auch in Form von bio-physikalischen Indikatoren (z.B. Erreichbarkeit von Naherholungsgebieten) sichtbar gemacht werden. In der EU ist vorgesehen, dass spätestens 2020 Naturkapital und Ökosystemleistungen von öffentlichen Behörden und Unternehmen ihrem tatsächlichen Wert entsprechend erfasst werden.191

189 190

Agrarpolitik 2014­2017 (Verabschiedung durch den Bundesrat am 1. Februar 2012) The Economics of Ecosystems and Biodiversity. www.teebweb.org. Commissariat général au développement durable 2010: Conservation et utilisation durable de la biodiversité et des services écosystémiques: analyse des outils économiques.

www.developpement-durable.gouv.fr/IMG/pdf/Refbiodiv2.pdf 191 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 20.9.2011, «Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa» KOM(2011) 571

7309

Ziel Ökosystemleistungen werden bis 2020 quantitativ erfasst. Dies erlaubt es, sie in der Wohlfahrtsmessung als ergänzende Indikatoren zum Bruttoinlandprodukt und bei Regulierungsfolgenabschätzungen zu berücksichtigen.

Handlungsfelder Der Bund hat einen Katalog mit 23 Ökosystemleistungen erstellen lassen, welche für die Schweizer Bevölkerung von besonders hohem Nutzen sind. Diese sollen mit einfachen Indikatoren gemessen werden.192 Mit der Weiterentwicklung dieses Indikatorensets wurde bereits begonnen. Eine umfassende Umrechnung der Ökosystemleistungen in Geldbeträge wird aber aus Schweizer Sicht kaum machbar sein.

Die Ergebnisse der quantitativen Erfassung der Ökosystemleistungen sollen Basis für die Abwägung von Zielkonflikten in der Umsetzung der Strategie sein.

Im Rahmen seines Beschlusses zur grünen Wirtschaft193 hat der Bundesrat Ende 2010 das Departement des Innern beauftragt, das Bruttoinlandprodukt mit geeigneten Indikatoren über soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen zu ergänzen. Die vom BAFU erarbeiteten Grundlagen zu den Ökosystemleistungen werden in die Arbeiten einbezogen, wobei die Anforderungen an die amtliche Statistik und die von internationalen Organisationen vorgegebenen Methoden berücksichtigt werden. Ein entsprechender Standard der UNO, SEEA194, soll per 2013 bezüglich Ökosystemen und Ökosystemleistungen überarbeitet werden. Die Schweiz nimmt an diesem Prozess aktiv teil. Sie orientiert sich in der Umsetzung an internationalen Standards und an einem angemessenem Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand der Erfassung.

Im erwähnten Beschluss zur grünen Wirtschaft hat der Bundesrat auch das UVEK beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EVD, dem EJPD und der BK die Möglichkeit zu prüfen, die Untersuchung der Auswirkungen von Erlassentwürfen auf Ressourceneffizienz und -verträglichkeit im Botschaftsleitfaden und im Rahmen der Regulierungsfolgenabschätzung festzuschreiben. Im Botschaftsleitfaden wurde dieser Beschluss bereits umgesetzt, sodass die Auswirkungen von Gesetzesänderungen auf die Umwelt, das heisst auch auf die Biodiversität, fortan systematischer dargelegt werden. Bei der nächsten Überarbeitung der Vorgaben zur Regulierungsfolgenabschätzung wird ebenfalls zu prüfen sein, wie die Biodiversität angemessen berücksichtigt werden kann.

192

Staub C. et al. 2011: Indikatoren für Ökosystemleistungen. Systematik, Methodik und Umsetzungsempfehlungen für eine wohlfahrtsbezogene Umweltberichterstattung. Bern: Bundesamt für Umwelt. Umwelt-Wissen Nr. 1102 193 Sechs Handlungsfelder für eine grüne Wirtschaft.

www.bafu.admin.ch/wirtschaft/11350/index.html?lang=de 194 Handbook of National Accounting: Integrated Environmental and Economic Accounting 2003. http://unstats.un.org/unsd/envaccounting/seea2003.pdf

7310

7.7

Wissen generieren und verteilen

Herausforderung Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen mit ihrem täglichen Handeln die Biodiversität direkt oder indirekt. Umgekehrt profitieren sie in vielfältiger Weise von der Biodiversität als zentrale Lebensgrundlage. Fundiertes Wissen über Arten, Ökosysteme und deren Leistungen sowie das Verständnis, wie persönliche und politische Entscheidungen die Biodiversität beeinflussen, sind die Basis, damit die Verantwortung für die Erhaltung der Biodiversität wahrgenommen werden kann. Die Voraussetzung hierfür ist, dass das nötige Wissen vorliegt und für Verwaltung, Praxis, Politik und Öffentlichkeit zugänglich ist.

Ziel Wissen über Biodiversität ist in der Gesellschaft bis 2020 ausreichend vorhanden und schafft die Basis dafür, dass Biodiversität von allen als eine zentrale Lebensgrundlage verstanden und bei relevanten Entscheidungen berücksichtigt werden kann.

Handlungsfelder Information und Sensibilisierung: Bund, Kantone und Gemeinden stärken mit Kommunikationsaktivitäten das Bewusstsein aller Akteure aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft darüber, dass und wie sie von Ökosystemleistungen profitieren, welches die Folgen ihres Handelns und ihres Konsums auf die Biodiversität und die Ökosystemleistungen sind und wie sie zur Erhaltung beider beitragen können. Produktumweltinformationen sollen den ganzen Lebenszyklus berücksichtigen und so alle relevanten Umweltwirkungen einbeziehen ­ also auch die Biodiversität. Es gibt ausreichend Gelegenheiten, um allen Menschen Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen mit der Biodiversität zu ermöglichen und einen Alltagsbezug herzustellen.

Bildung und Beratung: Um die Handlungskompetenz von Schülerinnen und Schülern sowie von Auszubildenden zu stärken, sollen Sachkenntnisse über die in der Schweiz lebenden Arten, über die Biodiversität und ihren Wert, über die Leistungen der Ökosysteme und über Handlungsmöglichkeiten, Biodiversität zu erhalten, zu fördern und ihre Nutzung nachhaltig zu gestalten, in allen Lehrplänen sämtlicher Bildungsstufen im Kontext von Bildung für Nachhaltige Entwicklung195 verankert werden. Anbieter von Weiterbildungen, auch ausserschulische Institutionen wie Museen, zoologische und botanische Gärten, Naturschutzzentren usw. werden bei der Planung und Durchführung von Bildungsangeboten im Bereich Biodiversität
unterstützt. Berufsleuten aus Bereichen, die biodiversitätsrelevant sind oder sein könnten, steht ein Beratungsangebot zur Verfügung, das auf den neusten Erkenntnissen basiert.

Forschung: Die schweizerische Biodiversitätsforschung betreibt internationale Spitzenforschung zu Grundlagen und Anwendungen und leistet einen gewichtigen Beitrag zur Lösung von drängenden Fragestellungen. Dies bedingt Anstrengungen 195

Vgl. www.edk.ch/dyn/12048.php

7311

bei der Datenerhaltung, -zusammenführung, -synthese und der Theoriebildung in der Biodiversitätsforschung, bei der innovativen experimentellen Forschung in angemessenen räumlichen und zeitlichen Dimensionen, bei der Einrichtung von langfristigen interdisziplinären Forschungsflächen sowie bei der Vernetzung der Forschenden zur Verbesserung des Zugangs zu neuen Erkenntnissen, Methoden und Technologien sowie zur Verbesserung ihrer Aus- und Weiterbildung. Hierzu müssen Netzwerke und Strukturen verbessert werden. Forschende sollen sich nebst der Nutzung der Normalförderung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) aktiv bei den Ausschreibungen für neue Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) beteiligen und Vorschläge für neue Nationale Forschungsprogramme einreichen, in denen Natur-, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Akteure aus anderen Gesellschaftsbereichen eng zusammenarbeiten.

Wissensaustausch: Bereits vorhandenes wie neu gewonnenes Wissen soll den verschiedenen Akteuren in Verwaltung, Praxis, Wirtschaft und Politik zur Verfügung stehen. Dies bedingt verstärkte Schnittstellen und einen verbesserten Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und anderen Gesellschaftsbereichen sowie die zielgruppengerechte Aufbereitung, Zusammenstellung und Synthetisierung von Forschungsergebnissen.

7.8

Biodiversität im Siedlungsraum fördern

Herausforderung Biodiversität muss auch im Siedlungsraum Platz haben. Sie erfüllt wichtige Naturund Klimafunktionen und fördert gleichzeitig die Gesundheit, die Erholung und die Sensibilisierung der Bevölkerung. Im Rahmen der im Parlament hängigen Teilrevision des Raumplanungsgesetzes196 werden Massnahmen zur Siedlungsbegrenzung und zur Siedlungsentwicklung nach innen vorgeschlagen. Grün- und Freiräume müssen deshalb in den Siedlungen verstärkt gesichert und vernetzt werden; vor allem aber muss ihre Qualität im Interesse einer multifunktionalen Nutzung verbessert werden.

Ziel Die Biodiversität im Siedlungsraum wird bis 2020 so gefördert, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt, siedlungsspezifische Arten erhalten bleiben und der Bevölkerung das Naturerlebnis in der Wohnumgebung und im Naherholungsgebiet ermöglicht wird.

Handlungsfelder Das Potenzial der Raumplanung für die ökologische Vernetzung und zur Schaffung oder Erhaltung von Frei- und Grünräumen in den Siedlungen wird im heutigen Vollzug noch nicht voll ausgeschöpft. Die Biodiversität muss ihre vielfältigen Funktionen auch in den Siedlungen auf möglichst vielen Flächen erfüllen können.

196

Revision des Raumplanungsgesetzes: 10.019 (indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative)

7312

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Agglomerationspolitik prüft der Bund bereits, ob die Freiraumentwicklung neben den Themen Siedlung und Verkehr als zusätzlicher Handlungsschwerpunkt aufgenommen werden soll. Dieser Auftrag sollte mit der Evaluation der Frage ergänzt werden, mit welchen organisatorischen und finanziellen Mitteln Grün- und Freiräume im Siedlungsraum umfassend gefördert werden können. Damit würden sich Synergien mit einer qualitativ guten Siedlungsentwicklung nach innen erzielen und ein attraktiver Standortfaktor schaffen lassen. Eine Option wäre es, die bestehenden Agglomerationsprogramme mit einem finanziellen Anreizsystem für die Biodiversität und die Landschaft zu ergänzen, damit Massnahmen, welche über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweggehen, finanziert und auch Private zu Massnahmen im Bereich der Biodiversität motiviert werden können. Dafür müsste aber eine neue Finanzierung gefunden werden.

Bei der zunehmenden baulichen Verdichtung werden Grün- und Freiflächen immer mehr unter Druck geraten. Deshalb sollen die kantonalen und kommunalen Raumplanungsinstrumente dazu beitragen, Siedlungen so zu gestalten, dass die sich dort entwickelnde Biodiversität quantitativ (Durchlässigkeit des Siedlungsraumes mittels Korridoren, Einzelflächen, Entsiegelung, Gebäudebegrünungen) und qualitativ (Gestaltung und Funktionalität) verbessert werden kann. Die Kantone und die Gemeinden wie auch die privaten Akteure tragen hier eine grosse Verantwortung. Es sind naturnahe, leicht und rasch zugängliche Freiräume sowie Vernetzungsstrukturen zu schaffen, aufzuwerten und zu erhalten. Dabei spielen Gewässer, Wälder und offene Flächen eine wichtige Rolle, aber auch die Art und Weise wie Gärten, Pärke, Dächer usw. bewirtschaftet werden. Durch die Nutzung dieser Freiräume als Begegnungsräume für die Menschen werden Identifikation und Verbundenheit gefördert.

Um die Grün- und Freiflächen in den Siedlungen als multifunktionales Netzwerk zu erhalten, bei dem auch Private einen Beitrag leisten, müssen vor allem Stadt- und Agglomerationsgemeinden in der Bauzone Grün- und Freiflächenanteile verbindlich im Nutzungsplan bezeichnen. Neben den quantitativen Sicherungsmassnahmen sollten die verschiedenen Akteure auch für die qualitativen Aspekte sensibilisiert und weitergebildet werden.

7.9

Internationales Engagement verstärken

Herausforderung Die Schweiz ist für das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen nebst der Erhaltung der landeseigenen Biodiversität auch auf die Erhaltung der Biodiversität auf globaler Ebene angewiesen. Die Stabilität der Ökosysteme weltweit ist auch im Interesse der Schweiz. Die bisherigen Anstrengungen auf internationaler Ebene müssen deshalb verstärkt werden.

Ziel Das Engagement der Schweiz auf internationaler Ebene für die Erhaltung der globalen Biodiversität ist bis 2020 verstärkt.

7313

Handlungsfelder Das Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich197 ist in der Schweiz baldmöglichst zu ratifizieren.

Damit soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, welche die Einhaltung von nationalen Vorschriften über den Zugang zu genetischen Ressourcen sicherstellt.

Dies ermöglicht die Gewährleistung eines ausgewogenen Vorteilsausgleichs. Im Rahmen der Biodiversitätskonvention müssen die Umsetzung des Strategischen Plans gemessen und unterstützt und der konkrete Finanzierungsbedarf zur Umsetzung auf globaler Ebene, insbesondere in Ländern des Südens, solide abgeklärt werden.198 Für die Deckung dieses Finanzierungsbedarfs soll die Schweiz die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen können. Ausserdem soll sich die Schweiz dafür einsetzen, dass der Globale Umweltfonds (GEF) im Bereich der Biodiversität die nötigen Mittel erhält und die Wirksamkeit des Fonds gesteigert wird. In den von der Schweiz unterstützten Finanzierungsmechanismen oder Entwicklungsprogrammen (z.B. Weltbank, UNDP, REDD+ usw.) wird sich die Schweiz weiterhin dafür einsetzen, dass der Erhaltung der Biodiversität und deren nachhaltigen Nutzung die nötige Aufmerksamkeit zukommt. Der Schutz und die Erhaltung der Biodiversität werden auch durch die bilaterale Schweizer Entwicklungszusammenarbeit gezielt gefördert.

Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit fördert die Schweiz Projekte zugunsten der Biodiversität. Nicht unterstützt werden dürfen Projekte mit negativen Auswirkungen auf die Biodiversität. Zudem wird in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls die Entwicklung und Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards gefördert, zu denen auch die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die globale Biodiversität gehört (vgl. auch die Entwicklung und Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards im nationalen und internationalen Handel in Ziff. 7.1.9).199 Im Rahmen ihrer Wirtschafts- und Handelspolitik200 wendet die Schweiz Modellbestimmungen zu Handel und Nachhaltigkeit in Freihandelsabkommen an und prüft den Einbezug zusätzlicher Nachhaltigkeitsbestimmungen in Investitionsschutzabkommen. Innerhalb der WTO leistet sie einen Beitrag zur Klärung des Verhältnisses des WTO-Rechts und des Umweltrechts. Mit diesen Massnahmen stellt die Schweiz sicher, dass Handel,
Umwelt und Sozialstandards sich gegenseitig unterstützend entwickeln. Die Vergabe von Schweizer Exportrisikoversicherungen bindet der Bund an den Nachweis der Nichtgefährdung der globalen Biodiversität im Sinne der geltenden OECD-Umweltrichtlinie der «Approches Communes concernant l'envi-

197

Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

www.cbd.int/abs/doc/protocol/nagoya-protocol-en.pdf 198 Der globale Finanzbedarf steht noch nicht fest. Die Abklärung dazu liegt im Mandat der Biodiversitätskonvention.

199 Bereits heute verfügt die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit über Programme, welche z.B. die Stärkung des nachhaltigen Biodiversitätshandels, die Umsetzung des ABS, den Schutz des Tropenwaldes oder die Etablierung von Nachhaltigkeitslabels im internationalen Rohstoffhandel fördern.

200 Insbesondere in der WTO-Doha-Runde und bei Freihandelsabkommen sowie im Bereich der Investitionen

7314

ronnement et les crédits à l'exportation bénéficiant d'un soutien public»201. Als weitere Massnahme zu prüfen ist die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Im europäischen Raum engagiert sich die Schweiz im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen zur EU und gewährleistet die Komptabilität der Massnahmen mit der neuen Biodiversitätsstrategie der EU202. Sie unterstützt die Aktivitäten der Europäischen Umweltagentur (EUA) und des Netzwerks der Leiter der Europäischen Naturschutzbehörden (ENCA). Im Rahmen ihrer Mitgliedschaft engagiert sich die Schweiz in der Wirtschaftskommission der UNO für Europa (UNECE), der OECD und der Berner Konvention (Europarat). Um die Vernetzung der ökologischen Infrastruktur der Schweiz mit den umgebenden Ländern sicherzustellen, werden die europäischen Vernetzungsprojekte203 wie auch die alpenübergreifende Vernetzung der Ökosysteme mit den Projekten ECONNECT204 und dem Ökologischen Verbund der Alpenkonvention unterstützt.

Weil die Kräfte der multilateralen Institutionen gebündelt und sich widersprechende Beschlüsse vermieden werden müssen, sind die Kooperationen und die Synergien zwischen den Konventionen im Biodiversitätsbereich stetig zu verbessern.205 Andere multilaterale Abkommen sollen in ihren Beschlüssen Biodiversitätsaspekten Rechnung tragen.206 Insbesondere müssen im Klimabereich Biodiversitäts-Safeguards207 durchgesetzt werden. Im Bewusstsein, dass eine räumliche Konzentration diesen Bestrebungen förderlich ist, setzt sich die Schweiz wo immer möglich für eine Bündelung der verschiedenen biodiversitätsrelevanten Institutionen am Standort Genf ein. Weiter unterstützt die Schweiz die Arbeiten des zwischenstaatlichen Ausschusses zwischen der Wissenschaft und der Biodiversitätspolitik (IPBES) sowie affiliierter Organisationen wie der GBIF208, im Bewusstsein, dass Entscheidungsträger sowie relevante internationale Foren angewiesen sind auf 201 202

203

204

205

206 207

208

Gemeinsame Herangehensweisen bei der Berücksichtigung von Umweltaspekten bei staatlich geförderten Exportkrediten Die Konkretisierung des Strategischen Plans auf EU-Ebene wurde mit der Veröffentlichung der Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020 am 3. Mai 2011 durch die EUKommission bekanntgegeben. Die Mitgliedstaaten unterstützten diese am 21. Juni 2011 und haben am 19. Dezember 2011 Empfehlungen zu deren Umsetzung festgelegt. Das Europäische Parlament äussert sich im ersten Semester 2012 zur Strategie.

Wie die grüne Infrastruktur der EU (Green Infrastructure.

http://biodiversity.europa.eu/topics/green-infrastructure), die Ramsar-Feuchtgebiete, das Netz Natura 2000/Smaragdnetzwerk und die wichtigsten Vogelgebiete «Important Bird Areas (IBA)» usw.

ECONNECT zielt darauf ab, den ökologischen Verbund im Alpenraum zu verbessern.

Für das Projekt haben sich internationale, mit der Alpenkonvention verbundene Dachorganisationen, wissenschaftliche Institutionen und lokale Umsetzungspartner zusammengeschlossen. www.econnectproject.eu/cms/?q=homepage/de Namentlich diejenigen der Biodiversitätskonvention, der Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten, der Bonner Konvention über migrierende Tierarten, des Artenschutzübereinkommens (CITES), des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) und der Welterbekonvention der UNESCO.

Z.B. die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) oder die Abkommen im Rahmen der FAO, der UNFF, des UN-Waldforums, der WIPO und der WTO.

biodiversity safeguards = Mindestanforderungen, um offensichtliche Risiken für die Biodiversität zu vermeiden (Pistorius et al. (2010): Greening REDD+: Challenges and opportunities for forest biodiversity conservation. Policy Paper, University Freiburg, Germany) Global Biodiversity Information Facility (GBIF). www.gbif.org

7315

unabhängige wissenschaftliche Analysen und Berichte über den Zustand, die Entwicklung sowie Handlungsoptionen für die Förderung der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität auf globaler, nationaler und regionaler Ebene.

Ebenfalls in Bezug zum internationalen Engagement der Schweiz stehen die folgenden Handlungsfelder, welche bereits in Ziffer 7.1.9 zu Produktion, Dienstleistungen/Handel und Konsum vertieft diskutiert werden: Die Unterstützung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, die Förderung der Entwicklung und Einhaltung von international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards, der Einbezug globaler Biodiversitätsauswirkungen in nationale Entscheide sowie Produktumweltinformationen.

7.10

Veränderungen der Biodiversität überwachen

Herausforderung Veränderungen der Biodiversität in der Schweiz müssen zuverlässig festgestellt werden können. Ausgehend von heute bereits bestehenden Monitorings ist ein Monitoringsystem für alle Ebenen (Vielfalt der Ökosysteme, Arten und Gene) der Biodiversität aufzubauen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine Umsetzungs- und Erfolgskontrolle der nationalen und sektoralen Umweltziele und der Strategie Biodiversität Schweiz.

Ziel Die Überwachung der Veränderungen von Ökosystemen, Arten und der genetischen Vielfalt ist bis 2020 sichergestellt.

Handlungsfelder Die heutigen Monitorings müssen in einem kohärenten System inhaltlich weiterentwickelt sowie institutionell und finanziell abgesichert werden.

Wichtige Datenquellen sind im Rahmen bestehender Monitoringprogramme bereits heute vorhanden. Diese umfassen unter anderem das Biodiversitäts- und das Landschaftsmonitoring Schweiz, das Landesforstinventar (LFI), die Arealstatistik des Bundesamtes für Statistik, das Agrar-Umweltmonitoring des BLW oder das topografische Landesmodell der schweizerischen Landestopografie. Die noch bestehenden Lücken sollen im Rahmen dieser Programme geschlossen werden. Basierend auf der vorliegenden Strategie und den daraus resultierenden Umsetzungsvorhaben sind neue ausgewählte Kenngrössen als Indikatoren zu definieren.

Programme zur Sammlung, Georeferenzierung und Verbreitung von Biodiversitätsdaten sind fortzuführen und auszubauen, die Vernetzung von nationalen, kantonalen und weiteren Datenzentren ist zu verstärken, und die Vergleichbarkeit der Daten ist zu gewährleisten.

Zur Sicherstellung der internationalen Vergleichbarkeit werden die Ansprüche aus bestehenden internationalen Berichterstattungspflichten berücksichtigt (z.B. Indikatoren der OECD, der Europäischen Umweltagentur oder der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa oder Country progress reports zuhanden der FAO). Die 7316

Beziehungen zu internationalen Monitoring- und Informationssystemen werden verstärkt.

Die Berichterstattung erfolgt im Rahmen bestehender Berichte. Zukünftig sollten die Resultate der Monitoringprogramme, Erfolgskontrollen und weiterer Instrumente besser zusammengeführt, öffentlich zugänglich gemacht und deutlicher kommuniziert werden. Dafür ist es wichtig ein aussagekräftiges und langfristig gültiges Set von Indikatoren für die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen zu definieren und umzusetzen.

8

Rahmenbedingungen für die Umsetzung

Die Erhaltung der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen ist weder für den Bund noch für die Kantone eine neue Aufgabe. Sie nehmen diese in den gesetzlichen Grundlagen wie Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG), Landwirtschaftsgesetz (LwG), Waldgesetz (WaG), Gewässerschutzgesetz (GSchG), Jagdgesetz (JSG) und Fischereigesetz (BGF) definierte Aufgabe gemeinsam wahr. Für den Natur- und Landschaftsschutz bei Bundesaufgaben ist zudem das Landschaftskonzept Schweiz (LKS) relevant. Trotz der bisherigen Anstrengungen und vereinzelt positiven Entwicklungen ist jedoch angesichts der unaufhaltsam und rasch fortschreitenden Verschlechterung der Biodiversität ein verstärktes Engagement der Gesellschaft und mithin von Bund und Kantonen für die Erhaltung dieser Lebensgrundlage dringend nötig. Es ist auch festzuhalten, dass nach Ansicht der Kantone der Bund seit einigen Jahren die Investitionen im Bereich Biodiversität bremst und die Kantone bereit wären, ihre Investitionen zugunsten der Biodiversität zu erhöhen. Die Leistungsangebote der Kantone im Rahmen der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen haben diesen Sachverhalt bestätigt.

8.1

Ausarbeitung eines Aktionsplans in einem partizipativen Prozess

Umsetzung der Strategie Biodiversität Schweiz Nach Verabschiedung der Strategie Biodiversität Schweiz durch den Bundesrat zuhanden des Parlamentes ist ein Aktionsplan auszuarbeiten, der die Erreichung der strategischen Ziele konkretisiert. Aufgabe der Erarbeitung des «Aktionsplans Biodiversität» ist es, zu jedem strategischen Ziel der Strategie Biodiversität Schweiz konkrete Massnahmen zu definieren. Dabei sind Zielkonflikte mit anderen Zielen des Bundesrates darzulegen und der nötige Mittelbedarf aufzuzeigen. Der Aktionsplan soll nicht nur Massnahmen im Verantwortungsbereich des Bundes umfassen, sondern ebenso Aktivitäten, die Kantone und Gemeinden sowie weitere Akteure der Biodiversität (z.B. Wirtschaft oder Private) ergreifen. Mit Blick auf seine Umsetzung bis zum Jahr 2020 muss der Aktionsplan zudem zu jeder Massnahme den Handlungsbedarf, entsprechende Zielgrössen, Zuständigkeiten und Termine definieren sowie massnahmenspezifische Kostenfolgen abschätzen.

Der Aktionsplan soll spätestens 24 Monate nach der Verabschiedung der Strategie Biodiversität Schweiz durch den Bundesrat vorliegen. Innerhalb des UVEK wird das BAFU mit der Leitung des Projekts zur Erstellung des Aktionsplans beauftragt. Für die Entwicklung der Massnahmen sind die jeweils zuständigen Bundesstellen ver7317

antwortlich. Bei der Erarbeitung wie auch bei der späteren Umsetzung des Aktionsplans werden die Kantone und Gemeinden sowie weitere Akteure der Biodiversität einbezogen. Dies geschieht sowohl auf der Ebene des Gesamtprozesses im Sinne einer strategischen Begleitung und Verankerung, wie auch massnahmenbezogen in den einzelnen Handlungsfeldern. Damit wird eine Kohärenz der Bundespolitiken mit Auswirkungen auf die Biodiversität gesichert und gleichzeitig die strategische Kooperation des Bundes mit den weiteren Akteuren bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie gestärkt. Die kantonalen Stellen werden dabei über ihre gesamtschweizerischen Vertretungen einbezogen. Dieses Vorgehen unterstreicht die bereits heute praktizierte Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden in den verschiedenen Bereichen des Biodiversitätsschutzes.

Mit dem Aktionsplan sollen die Zielsetzungen der Strategie Biodiversität in sämtliche umweltrelevante Tätigkeiten von Bund, Kantonen, Gemeinden sowie von Privaten integriert und damit von allen Sektorpolitiken als gemeinsame Verantwortung für die Erhaltung und die Förderung der Biodiversität getragen werden.

Gesetzliche Anpassungen Die Anliegen der Strategie Biodiversität werden in erster Linie gestützt auf die bestehenden rechtlichen Grundlagen umgesetzt. Grundsätzlich haben sich diese Bestimmungen bewährt, werden jedoch zur Umsetzung der Strategie punktuell angepasst werden müssen. Die nötigen Anpassungen werden nach Genehmigung des Aktionsplans vorgeschlagen. Inwieweit Gesetzesanpassungen notwendig sind, wird im Rahmen des Aktionsplans geklärt. Gleichzeitig soll im Rahmen laufender Projekte mit Auswirkungen auf die Gesetzgebung geprüft werden, inwiefern die Anliegen der vorliegenden Strategie mitberücksichtigt werden können.

Eventuelle Gesetzesanpassungen sind insbesondere zu folgenden Themen zu prüfen: ­

die Ausscheidung und Sicherstellung von langfristig genügend Fläche für die Biodiversität und deren Vernetzung;

­

Schaffung eines biodiversitätsspezifischen Bundesplanungsinstruments (Sachplan bzw. Konzept) als Grundlage zur Lösung von Zielkonflikten und zur Nutzung von Synergien; er soll insbesondere dem Anliegen der Vernetzung Rechnung tragen;

­

die Pflicht von Bund und Kantonen, mit bestimmten Massnahmen (z.B. entsprechend genutzte Korridore) bei ihren raumwirksamen Aufgaben für eine funktionierende Vernetzung der Schutzgebiete zu sorgen;

­

die Möglichkeit zur finanziellen Förderung von Arten, für die der Lebensraumschutz nicht ausreicht.

8.2

Organisation und Zusammenarbeit

Umsetzung durch verantwortliche Bundesstellen Das BAFU begleitet die Umsetzung der Strategie Biodiversität Schweiz. Die Umsetzung der im Aktionsplan festgelegten Massnahmen erfolgt durch die für den jeweiligen Sektor verantwortlichen Bundesstellen unter Einbezug der entsprechenden kantonalen Stellen und gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Privatwirt-

7318

schaft. Die verantwortlichen Bundesstellen berichten periodisch über den Zustand der Umsetzung.

Mobilisierung aller Partner Eine Politik zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität setzt eine von Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaftssektoren und der Zivilgesellschaft (Verbände, Vereine usw.) gemeinsam getragene Verantwortung voraus. Die von der Biodiversität beeinflussten Bereiche sind derart zahlreich und vielfältig, dass der Erfolg der durchzuführenden Massnahmen in entscheidendem Masse von der Mobilisierung aller Partner der Zivilgesellschaft und aller zuständigen Behörden abhängen wird.

Keine neuen Strukturen Für die Umsetzung der Strategie werden keine spezifischen zusätzlichen Strukturen geschaffen. Die bestehenden Strukturen und Gremien können aber noch besser genutzt werden (z.B. die interdepartementale Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention in der Schweiz). Der Aktionsplan wird konkret aufzeigen, ob und wie bestehende Strukturen und Gremien angepasst und verändert werden müssen. Wo notwendig wird er auch die vielfältigen und geteilten Zuständigkeiten konkretisieren.

8.3

Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft

Positive Auswirkungen der Strategie auf Wirtschaft und Gesellschaft Verschiedene internationale Arbeiten209 zeigen den hohen ökonomischen und gesellschaftlichen Nutzen einer Erhaltung und Förderung der Biodiversität. Die von der Strategie ausgelösten Verbesserungen im Bereich Umwelt werden sich auf lange Sicht auch positiv auf die Wirtschaft und die Gesellschaft auswirken. Kurzfristig sind die Wirkungen davon abhängig, welche Massnahmen konkret getroffen werden und was auf der Stufe «Strategie» noch nicht abschliessend beurteilt werden kann, sich aber bei der Erarbeitung des Aktionsplans deutlicher zeigen wird.

Aktionsplan und Botschaft sind auf ihre Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft hin zu untersuchen. Diese Untersuchungen liefern die Basis für die Abwägung von Schutz und Nutzen sowie für die Optimierung des Kosten-NutzenVerhältnisses. Im Bereich Wirtschaft sind insbesondere mögliche Auswirkungen in den Sektoren zu prüfen, ebenso wie eine allfällige zusätzliche finanzielle Belastung für die öffentliche Hand.

209

Vgl. z.B. TEEB ­ The Economics of Ecosystems and Biodiversity. Beispielsweise: Report for Business ­ Executive Summary 2010.

7319

8.4

Finanzierung und personelle Ressourcen

Ressourcenbedarf Die Umsetzung der Strategie wird zusätzliche finanzielle wie personelle Ressourcen erfordern. Die präzise Ermittlung des effektiven Bedarfs bei allen beteiligten Partnern sowie die Festlegung der Art der Finanzierung werden indessen erst im Rahmen der Erarbeitung des Aktionsplans sowie allfällig notwendiger Gesetzesänderungen möglich sein.

8.5

Evaluation der Strategie Biodiversität Schweiz

Zwischenbericht Es muss sichergestellt werden, dass die Umsetzung der Strategie auf ihre Wirksamkeit hin überwacht werden kann. Zu diesem Zweck wird bis 2017 ein Zwischenbericht erstellt, der es ermöglicht, bei Bedarf Anpassungen an den Umsetzungsarbeiten vornehmen zu können. Der Zwischenbericht soll insbesondere folgende Fragen beantworten: ­

Können die Ziele erreicht werden?

­

Wurden die richtigen Umsetzungsstrategien festgelegt?

­

Sind die Instrumente und Massnahmen wirksam und effizient?

­

Welche Folgerungen und Empfehlungen ergeben sich für die Anpassung der Strategie und den Aktionsplan?

Gesamtevaluation Nach 2020 ist eine Gesamtevaluation hinsichtlich Vollzug und Effizienz (Art. 170 BV) zu erstellen. Sowohl der Zwischenbericht wie auch die Gesamtevaluation berücksichtigen in ihrer Analyse die Überwachung von Veränderungen der Biodiversität (Ziff. 7.10). Der Bundesrat und die an der Umsetzung der Strategie beteiligten Partner werden über die Ergebnisse aller Evaluationen informiert.

7320

Anhang A1

Aichi-Ziele Strategic Goal A: Address the underlying causes of biodiversity loss by mainstreaming biodiversity across government and society Target 1: By 2020, at the latest, people are aware of the values of biodiversity and the steps they can take to conserve and use it sustainably.

Target 2: By 2020, at the latest, biodiversity values have been integrated into national and local development and poverty reduction strategies and planning processes and are being incorporated into national accounting, as appropriate, and reporting systems.

Target 3: By 2020, at the latest, incentives, including subsidies, harmful to biodiversity are eliminated, phased out or reformed in order to minimize or avoid negative impacts, and positive incentives for the conservation and sustainable use of biodiversity are developed and applied, consistent and in harmony with the Convention and other relevant international obligations, taking into account national socioeconomic conditions.

Target 4: By 2020, at the latest, Governments, business and stakeholders at all levels have taken steps to achieve or have implemented plans for sustainable production and consumption and have kept the impacts of use of natural resources well within safe ecological limits.

Strategic Goal B: Reduce the direct pressures on biodiversity and promote sustainable use Target 5: By 2020, the rate of loss of all natural habitats, including forests, is at least halved and where feasible brought close to zero, and degradation and fragmentation is significantly reduced.

Target 6: By 2020 all fish and invertebrate stocks and aquatic plants are managed and harvested sustainably, legally and applying ecosystem based approaches, so that overfishing is avoided, recovery plans and measures are in place for all depleted species, fisheries have no significant adverse impacts on threatened species and vulnerable ecosystems and the impacts of fisheries on stocks, species and ecosystems are within safe ecological limits.

Target 7: By 2020 areas under agriculture, aquaculture and forestry are managed sustainably, ensuring conservation of biodiversity.

Target 8: By 2020, pollution, including from excess nutrients, has been brought to levels that are not detrimental to ecosystem function and biodiversity.

Target 9: By 2020, invasive alien species and pathways
are identified and prioritized, priority species are controlled or eradicated, and measures are in place to manage pathways to prevent their introduction and establishment.

Target 10: By 2015, the multiple anthropogenic pressures on coral reefs, and other vulnerable ecosystems impacted by climate change or ocean acidification are minimized, so as to maintain their integrity and functioning.

7321

Strategic Goal C: To improve the status of biodiversity by safeguarding ecosystems, species and genetic diversity Target 11: By 2020, at least 17 per cent of terrestrial and inland water, and 10 per cent of coastal and marine areas, especially areas of particular importance for biodiversity and ecosystem services, are conserved through effectively and equitably managed, ecologically representative and well connected systems of protected areas and other effective area-based conservation measures, and integrated into the wider landscapes and seascapes.

Target 12: By 2020 the extinction of known threatened species has been prevented and their conservation status, particularly of those most in decline, has been improved and sustained.

Target 13: By 2020, the genetic diversity of cultivated plants and farmed and domesticated animals and of wild relatives, including other socio-economically as well as culturally valuable species, is maintained, and strategies have been developed and implemented for minimizing genetic erosion and safeguarding their genetic diversity.

Strategic Goal D: Enhance the benefits to all from biodiversity and ecosystem services Target 14: By 2020, ecosystems that provide essential services, including services related to water, and contribute to health, livelihoods and well-being, are restored and safeguarded, taking into account the needs of women, indigenous and local communities, and the poor and vulnerable.

Target 15: By 2020, ecosystem resilience and the contribution of biodiversity to carbon stocks has been enhanced, through conservation and restoration, including restoration of at least 15 per cent of degraded ecosystems, thereby contributing to climate change mitigation and adaptation and to combating desertification.

Target 16: By 2015, the Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from their Utilization is in force and operational, consistent with national legislation.

Strategic Goal E: Enhance implementation through participatory planning, knowledge management and capacity building Target 17: By 2015 each Party has developed, adopted as a policy instrument, and has commenced implementing an effective, participatory and updated national biodiversity strategy and action plan.

Target 18: By 2020, the
traditional knowledge, innovations and practices of indigenous and local communities relevant for the conservation and sustainable use of biodiversity, and their customary use of biological resources, are respected, subject to national legislation and relevant international obligations, and fully integrated and reflected in the implementation of the Convention with the full and effective participation of indigenous and local communities, at all relevant levels.

Target 19: By 2020, knowledge, the science base and technologies relating to biodiversity, its values, functioning, status and trends, and the consequences of its loss, are improved, widely shared and transferred, and applied.

7322

Target 20: By 2020, at the latest, the mobilization of financial resources for effectively implementing the Strategic Plan for Biodiversity 2011­2020 from all sources, and in accordance with the consolidated and agreed process in the Strategy for Resource Mobilization, should increase substantially from the current levels. This target will be subject to changes contingent to resource needs assessments to be developed and reported by Parties.

7323

Anhang A2

Berücksichtigung der Aichi-Ziele in der Strategie Biodiversität Schweiz Nr.

Strategisches Ziel Strategie Biodiversität Schweiz

Berücksichtigt Aichi-Ziel

1

Die Nutzung von natürlichen Ressourcen und Eingriffe in diese erfolgen bis 2020 nachhaltig, sodass die Erhaltung der Ökosysteme und ihrer Leistungen sowie der Arten und der genetischen Vielfalt sichergestellt ist.

4, 7

2

Zur Sicherung des Raumes für die langfristige Erhaltung der Biodiversität wird bis 2020 eine ökologische Infrastruktur von Schutzgebieten und Vernetzungsgebieten aufgebaut.

Der Zustand der gefährdeten Lebensräume wird verbessert.

5, 8, 11, 14, 15

3

Der Zustand von stark gefährdeten Arten wird bis 2020 verbessert und das Aussterben so weit wie möglich unterbunden.

Die Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten mit Schadenspotenzial ist eingedämmt.

9, 12

4

Die genetische Verarmung wird bis 2020 gebremst. Die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen, einschliesslich der Nutztiere und Kulturpflanzen, werden gesichert.

13, 16

5

Negative Auswirkungen von bestehenden finanziellen Anreizen auf die Biodiversität werden bis 2020 aufgezeigt und wenn möglich vermieden.

Wo sinnvoll werden neue positive Anreize geschaffen.

3

6

Ökosystemleistungen werden bis 2020 quantitativ erfasst.

Dies erlaubt es, sie in der Wohlfahrtsmessung als ergänzende Indikatoren zum Bruttoinlandprodukt und bei Regulierungsfolgenabschätzungen zu berücksichtigen.

2, 3, 20

7

Wissen über Biodiversität ist bei allen Akteuren bis 2020 ausreichend vorhanden und schafft die Basis dafür, dass Biodiversität als zentrale Lebensgrundlage verstanden und bei relevanten Entscheidungen berücksichtigt werden kann.

1, 19

8

Die Biodiversität im Siedlungsraum wird bis 2020 so gefördert, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt, siedlungsspezifische Arten erhalten bleiben und der Bevölkerung das Naturerlebnis in der Wohnumgebung und im Naherholungsgebiet ermöglicht wird.

4, 7

9

Das Engagement der Schweiz auf internationaler Ebene für die Erhaltung der globalen Biodiversität ist bis 2020 verstärkt.

6, 10, 16, 18, 20

10

Die Überwachung der Veränderungen von Ökosystemen, Arten und der genetischen Vielfalt ist bis 2020 sichergestellt.

17, 19

7324

Anhang A3

Ausgewiesene Flächen für die Biodiversität Ausgewiesene Flächen für die Biodiversität Aufgrund der unvollständigen Flächenstatistiken und der teilweise mangelnden Qualität der vorhandenen georeferenzierten Flächeninformationen ist es äusserst schwierig, eine genaue Übersicht über die Schutzgebiete der Schweiz zu erstellen.

Bei allen Zahlen in der nachfolgenden Tabelle sind die Überlappungen eingeschlossen.

Ausgewiesene Flächen für die Biodiversität

Fläche (ha)

% der Landesfläche

Nationalpark

17 033

0,41

Biotope von nationaler Bedeutung1 ­ Amphibienlaichgebiete ­ Auengebiete ­ Hochmoore ­ Flachmoore ­ Trockenwiesen und -weiden

13 886 22 639 1 524 19 218 21 412

0,34 0,55 0,04 0,47 0,52

Wasser- und Zugvogelreservate WZVV

22 164

0,54

150 888

3,65

Eidgenössische Jagdbanngebiete Kandidatengebiete Smaragd

64 2452

1,56

Waldreservate

61 0003

1,48

Biotope von regionaler und lokaler Bedeutung

51 5184

1,25

Pufferzonen Biotope von nationaler + regionaler Bedeutung

20 6835

0,50

Naturschutzgebiete Dritter

41 3006

1,00

Flächen nach Öko-Qualitätsverordnung

59 000

1,43

1 2 3 4 5 6

Total Flächenanteil, wenn Überlappungen zwischen Biotopen von nationaler Bedeutung nur einmal gezählt werden: 73 296 ha = 1,79 % Fast vollständige Überlappung mit Biotopen von nationaler Bedeutung (Ausnahme: Oberaargau) GIS-Auswertung und Schätzung BAFU, Zustand Ende 2011 GIS-Auswertung BAFU, Daten von 1995 Schätzung BAFU, 2011 Pro Natura Leistungsbericht, 2010 (www.pronatura.ch/content/data/10_leistungsbericht.pdf)

7325

Anhang A4

Strategien und Programme mit Schnittstellen zum Thema Biodiversität Name

Herausgeber

Web-Adresse

Generelle Strategien und Programme Strategie Nachhaltige Entwicklung 2012­2015

Bundesrat, ARE

www.are.admin.ch/themen/nachhaltig/00262/00528/index.html?lang=de

Bundesrat, BAFU

www.bafu.admin.ch/wald/01152/11490/index.html?lang=de&download=NHzLpZ eg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCGeoR7gGym162epY bg2c_JjKbNoKSn6A--

ARE, BLW, BWL, BAFU Bundesrat, BLW

www.are.admin.ch/themen/raumplanung/00244/02186/02189/index.html?lang=de

Wald Waldpolitik 2020

Landwirtschaft Sachplan Fruchtfolgeflächen Weiterentwicklung Direktzahlungssystem Wasser Leitbild Fliessgewässer Schweiz: Für eine nachhaltige Gewässerpolitik Einzugsgebietsmanagement ­ Leitbild für eine integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz Massnahmen gegen Mikroverunreinigungen Gesunde Fische in unseren Fliessgewässern: 10-Punkte-Plan

7326

www.blw.admin.ch/themen/00006/00514/index.html?lang=de

BAFU, BWG; BLW, www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00404/index.html?lang=de ARE BAFU, BFE, BLW, ARE, www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01576/index.html?lang=de Wasser-Agenda 21 BAFU Eawag, BAFU

www.bafu.admin.ch/gewaesserschutz/03716/11218/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00926/index.html?lang=de

Name

Herausgeber

Web-Adresse

Tourismus, Sport und Freizeit Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz

Bundesrat, SECO

www.evd.admin.ch/themen/00129/01523/index.html?lang=de

Bundesrat, BAFU BAFU

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00836/index.html?

www.bafu.admin.ch/landschaft/00524/01676/01688/index.html?lang=de

Bundesrat, ARE, ASTRA, BAV

www.are.admin.ch/themen/raumplanung/00240/01406/index.html?lang=de

ARE

www.are.admin.ch/themen/agglomeration/00626/index.html?lang=de

BFE BFE, BAFU, ARE BFE, BAFU, ARE

www.bfe.admin.ch/themen/00526/00527/index.html?lang=de www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/18670.pdf www.bfe.admin.ch/themen/00490/00500/index.html?lang=de&dossier_id=04426

BFE BFE, BLW, ARE, BAFU BFE

www.bfe.admin.ch/themen/00490/00491/index.html?lang=de&dossier_id=00803 www.bafu.admin.ch/biomasse/11126/index.html?lang=de

BFE UVEK, EDA, EVD

www.bfe.admin.ch/energie/index.html www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/13414.pdf

Landschaft Landschaftskonzept Schweiz (LKS) Landschaft 2020 Verkehr Sachplan Verkehr Siedlung Agglomerationsprogramm Energie Energiestrategie 2050 Konzept Windenergie Schweiz Empfehlung zur Planung von Windenergieanlagen Strategie Wasserkraftnutzung Schweiz Biomasse Strategie Schweiz (übergeordnet zu Biomasse-Energie-Strategie) Biomasse-Energie-Strategie ­ Strategie für die energetische Nutzung von Biomasse in der Schweiz EnergieSchweiz 2011­2020 ­ Detailkonzept Energiestrategie Schweiz ­ Bericht zur Energieaussenpolitik der Schweiz ­ Umfeld, Herausforderung und Strategie

7327

www.bfe.admin.ch/themen/00490/00496/index.html?lang=de&dossier_id=00726

Name

Herausgeber

Web-Adresse

Sachplan Übertragungsleitungen (SÜL) Konzept und Gesetzgebung zur kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke

BFE, ARE BFE

www.bfe.admin.ch/themen/00544/00624/index.html?lang=de www.bfe.admin.ch/themen/00612/02073/index.html

BAFU, BFE, ARE

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01593/index.html

Grundstücke, Bauten und Anlagen im Besitz des Bundes Sachplan Militär VBS Bildung und Forschung Fischer et al. 2010. Zukunft Biodiversitätsforschung Schweiz: Herausforderungen, Potenziale, Visionen, Roadmap: Ein Strategiepapier zuhanden der Schweizerischen Forschungsförderung, Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften SCNAT, Bern Biodiversitätsdeklaration von Villars-sur-Glâne

www.vbs.admin.ch/internet/vbs/de/home/documentation/SPM.html

SCNAT

www.biodiversity.ch/d/publications/position_papers/

SCNAT

http://kongress10.scnat.ch/d/jahreskongress/praesentationen/documents/ DeklarationBiodiversitaet-d-Layout.pdf

Konsum Strategie für eine integrierte Produktpolitik (IPP)

BAFU

www.bafu.admin.ch/produkte/01967/index.html?lang=de

Lebensräume REN

BAFU

www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00540/index.html?lang=de

BAFU BAFU, SVS/BirdLife Schweiz, Schweizerische Vogelwarte Sempach

www.bafu.admin.ch/tiere/07964/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00083/index.html?lang=de

Arten Rote Listen Artenförderung Vögel: Aktionspläne für die Schweiz

7328

Name

Herausgeber

Web-Adresse

Luchs-Management Bär-Management Wolf-Management Biber-Konzept Schweiz 2004 Aktionsplan Flusskrebse Schweiz Liste der National Prioritären Arten

BAFU BAFU BAFU BAFU BAFU BAFU

www.bafu.admin.ch/tiere/09262/09327/09329/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/tiere/09262/09285/09288/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/tiere/09262/09413/09415/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/tiere/09262/09281/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01600/index.html?lang=de www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01607/index.html?lang=de

BLW

www.cpc-skek.ch/deutsch/nap_projekte.html

BLW

www.blw.admin.ch/themen/00233/00234/00247/index.html

SKEW

www.cps-skew.ch/deutsch/skew_empfehlungen/ empfehlungen_fuer_saatgut_einheimischer_wildpflanzen.html http://abs.scnat.ch/

Genetische Vielfalt Nationaler Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) Genetische Ressourcen bei den landwirtschaftlichen Nutztieren Empfehlungen für Saatgut einheimischer Wildpflanzen ABS-Programm der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften SCNAT Bonner Leitlinien über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte und ausgewogene Beteiligung an den Vorteilen aus ihrer Nutzung Strategien und Programme in Erarbeitung Massnahmenplan der Waldpolitik 2020 Agrarpolitik 2014­2017: Für eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft Nationale Wasserstrategie

7329

SCNAT Biodiversitätskonvention (CBD)

www.cbd.int/doc/publications/cbd-bonn-gdls-ge.pdf

UVEK, BAFU

Der Massnahmenplan, der die Umsetzung der Waldpolitik 2020 konkretisiert, befindet sich in Erarbeitung.

www.blw.admin.ch/themen/00005/00044/01178/index.html?lang=de

BLW BAFU in Zusammenarbeit mit den wichtigsten Nutzern

www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20103533

Name

Herausgeber

Web-Adresse

Wasserversorgung 2025

BAFU (SVGW, Kantone) BAFU (Eawag, VSA, Kantone) ARE (in Vernehmlassung) WSL ARE BAFU BAFU

Die Hauptstudie befindet sich in Erarbeitung. Die Vorstudie wurde als Sonderdruck Nr. 1511 aus Gas-Wasser-Abwasser (2009) publiziert.

Das Vorprojekt wurde 2011 gestartet. Resultate liegen noch nicht vor.

BAFU

www.bafu.admin.ch/wirtschaft/11350/index.html?lang=de

Wasserentsorgung 2025 Raumkonzept Schweiz Raumansprüche von Mensch und Natur Suburbane Freiraumentwicklung Bodenstrategie Schweiz Nationale Anpassungsstrategie an die Klimaänderung Grüne Wirtschaft

7330

www.are.admin.ch/themen/raumplanung/00228/00274/index.html?lang=de www.wsl.ch/info/organisation/fpo/raumanspruch/index_DE www.are.admin.ch/themen/agglomeration/04191/index.html?lang=de www.aramis.admin.ch/Default.aspx?page=Texte&projectid=27304 www.bafu.admin.ch/org/organisation/09477/09479/index.html?lang=de

Glossar Access and Benefit-Sharing (ABS)

Aichi-Ziele

Allergen Ammoniak, Ammoniakemission

Aquatisch

Artenförderung

Artenvielfalt Auen

Aufwertung

Berner Konvention

Mit ABS bezeichnet man den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile. Die Grundzüge dieses Mechanismus sind in der Biodiversitätskonvention enthalten und wurden mit der Annahme des Nagoya-Protokolls über ABS weiter konkretisiert.

Zwanzig Ziele für die Zeitspanne 2011­2020, die im Oktober 2010 an der 10. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention in Nagoya, Präfektur Aichi, Japan, als Folgeplan (Aichi Biodiversity Targets) verabschiedet wurden. Dieser Plan nennt die aktuellen Globalziele für sämtliche internationalen Vereinbarungen und Belange der Vereinten Nationen in Sachen Biodiversität.

Stoff, der eine Überreaktion des Immunsystems (Allergie) auslösen kann.

Ammoniak (NH3) ist ein Luftschadstoff. Er trägt wesentlich zur Versauerung und Nährstoffanreicherung der Böden bei.

Ammoniak entsteht hauptsächlich bei der Zersetzung organischer Substanzen. Neben der Landwirtschaft ist der Verkehr als wesentliche Quelle zu nennen. Zudem kann Ammoniak in der Atmosphäre massgeblich zum Feinstaub in der Luft beitragen.

Als aquatisch bezeichnet man in der Biologie Organismen, die ihren Lebensmittelpunkt im Wasser haben, beispielsweise Fische, manche Wirbellose und Amphibien, aber auch Pflanzen.

Die Erhaltung und Förderung von prioritären, meist bedrohten oder seltenen Arten in ihrer genetischen Vielfalt, ihrer räumlichen Verbreitung und ihrer Populationsdichte durch spezifische Massnahmen, die über die Biotopschutzmassnahmen hinausgehen.

Synonym zu Anzahl Arten. Teil der Biodiversität ( Biodiversität).

Lebensräume, in denen die Wasser von Gletschern, Flüssen und Seen in flacheren Bereichen intensiv mit Land in Berührung kommen. Typisch ist, dass der Wasserspiegel schwankt.

Unterschieden wird zwischen Tieflandauen ­ Flussauen, Deltas und Seeauen ­ sowie alpinen Auen ­ Gletschervorfelder und alpine Schwemmebenen. Da die Dynamik der Auen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume schafft, finden sich sehr viele Tier- und Pflanzenarten in diesen Ökosystemen.

Aufwertung ist ein Oberbegriff für zeitlich beschränkte Massnahmen, die zu einer Verbesserung der heutigen Situation in einem Lebensraum (z.B. Biotop) führen. Die Verbesserung kann sowohl am Zustand als auch an den ablaufenden Prozessen gemessen werden. Aufwertung
kann auch als «ökologische Bereicherung» eines Lebensraumes betrachtet werden (z.B. ein neues Amphibiengewässer in einer Aue) und hat nicht a priori das Ziel, einen früheren Zustand wiederherzustellen, dies im Gegensatz zu Renaturierung.

Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume. Diesen völkerrechtlichen Vertrag des Europarates aus dem Jahr 1979 haben 42 europäische und 4 afrikanische Staaten sowie die Europäische Gemeinschaft ratifiziert (die Schweiz 1982; SR 0.455).

7331

Biodiversität

Biodiversitätskonvention (CBD)

Biologische Vielfalt Biomasse

Biotop Biotopbäume

Biotope von nationaler Bedeutung Bodenfunktionen

Bonner Konvention

Cartagena-Protokoll

Conference of Parties (COP) Direktzahlungen

7332

Die Biodiversität umfasst die Arten ( Artenvielfalt), die Vielfalt ihrer Gene ( genetische Vielfalt), die Vielfalt der Ökosysteme sowie die Wechselwirkungen innerhalb und zwischen diesen einzelnen Ebenen.

Internationales Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity). Dieses völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, unterzeichnet am Weltgipfel in Rio de Janeiro (1992), Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED), hat die Schweiz 1994 ratifiziert (SR 0.451.43).
Weltgipfel von Rio Biodiversität
Gesamte durch Pflanzen, Tiere, Menschen und andere Organismen anfallende oder erzeugte organische Substanz. Biomasse dient einerseits als Primärrohstoff (Ernährung, Fasern, Bauholz) und kann anderseits als Sekundärrohstoff, meist Holz und Reste der landwirtschaftlichen Bearbeitung, als Energiequelle genutzt werden.

Lebensraum einer Lebensgemeinschaft mit typischen Umweltbedingungen. Gemäss dem Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG; SR 451) auch Synonym von Lebensraum.

Bäume mit besonderer Bedeutung für Flora und Fauna, da sie Natur- und Spechthöhlen, Kronentotholz, Pilzbefall oder andere Schäden aufweisen. Sie bieten deshalb Lebensraum für spezialisierte Tier-, Moos- und Flechtenarten. Oftmals sind Biotopbäume alte Bäume.

Auen, Moore, Amphibienlaichgebiete, Moorlandschaften und Trockenwiesen und -weiden. Die Inventare der Biotope von nationaler Bedeutung sind ein wichtiger Pfeiler der Biodiversitätspolitik des Bundes.

Leistungen des Bodens, die er aufgrund seiner unterschiedlichen Eigenschaften erbringen kann. Böden erfüllen vielfältige, existenzielle Funktionen für Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere und Menschen, aber auch für den Energie-, Wasser- und Stoffhaushalt.

Internationales Übereinkommen von 1979 zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals, CMS), das die Schweiz 1995 ratifiziert hat (SR 0.451.46). Das Sekretariat des Übereinkommens ist in Bonn angesiedelt und wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) getragen.

Internationales Protokoll über die biologische Sicherheit, benannt nach dem letzten Verhandlungsort Cartagena (Kolumbien). Es ist ein 2003 in Kraft getretenes internationales Folgeabkommen der Biodiversitätskonvention (SR 0.451.431) und regelt erstmals völkerrechtlich bindend den grenzüberschreitenden Transport, die Handhabung und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen.
Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention
(CBD) Die Direktzahlungen (DZ) sind ein zentrales Element der Schweizer Agrarpolitik. Sie ermöglichen eine Trennung der Preis- und Einkommenspolitik und gelten die von der Gesellschaft geforderten Leistungen der Landwirtschaft ab. Es wird zwischen allgemeinen und ökologischen Direktzahlungen unterschieden.

ECONNECT

Einheimische Art

Emission Erosion

Ersatz beeinträchtigter schützenswerter Lebensräume

Extensiv gepflegt, extensiv genutzt Extensivierung

Fauna Fischgängigkeit Flora Gebietsfremde Arten Gefährdete Art Gene Genetische Ressource

Projekt, welches den ökologischen Verbund im Alpenraum zu verbessern anstrebt. Für das Projekt haben sich internationale, mit der Alpenkonvention verbundene Dachorganisationen, wissenschaftliche Institutionen und lokale Umsetzungspartner zusammengeschlossen.

Art, die ihr natürliches Verbreitungsgebiet oder regelmässiges Wandergebiet ganz oder teilweise im Inland hat (oder in geschichtlicher Zeit hatte) bzw. auf natürliche Weise im Inland ausdehnt.

Abgabe von Stoffen (Gase, Stäube) und Energie (Abwärme, Strahlung, Lärm) an die Umwelt. Auch die abgegebenen Stoffe selbst werden als Emission bezeichnet.

Abtrag des Bodens durch die Einwirkung von Wind und Wasser. Der natürliche Vorgang der Erosion kann durch die Bodenbewirtschaftung des Menschen (vor allem Ackerbau und Forstwirtschaft) verstärkt werden.

Genetische Erosion findet auf Ebene der genetischen Vielfalt von Wildarten statt, z.B. durch Hybridisierung mit gezüchteten Varietäten oder Rassen (Gefässpflanzen, Fische, Brutvögel usw.)

Neuschaffung eines Lebensraums an einem anderen Ort als Ersatz für einen beeinträchtigten bzw. zerstörten Lebensraum.

Als angemessen im Sinne von Art. 18 Abs. 1ter NHG ist der Ersatz dann zu betrachten, wenn der neue Lebensraum ökologisch dem beeinträchtigten gleichwertig ist. Die Ersatzmassnahme liegt in der gleichen Gegend wie der Eingriff und ist in Bezug auf den betroffenen Natur- oder Kulturraum gebietstypisch und ökologisch sinnvoll. Sie orientiert sich in diesem Rahmen vorrangig an der Art und Funktion des beeinträchtigten Objekts. Der zeitlichen Lücke zwischen Eingriff und Funktionsfähigkeit des Ersatzes ist Rechnung zu tragen.
Extensivierung
Verringerung des Einsatzes von ertragsfördernden Betriebsmitteln (z.B. Dünger, Pflanzenschutzmittel) bzw. Herabsetzung der Nutzungsintensität (z.B. Viehbesatz pro ha) und/oder Arbeit je Flächeneinheit.

Tierwelt Ein Fliessgewässer ist fischgängig, wenn den Fischen die Möglichkeit geboten wird, im Rahmen der Fischwanderung Hindernisse (Stauwehre oder Wasserfälle) zu überwinden.

Pflanzenwelt Arten, die nach der Entdeckung Amerikas 1492 auch ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsbereichs auftreten.
Invasive gebietsfremde Arten
Art, die aufgrund massgebender Kriterien für ihr Überleben (z.B. IUCN 2001, 2003) mit einem Aussterberisiko behaftet ist.
Rote Listen
Informationseinheiten innerhalb der Erbinformation (DNA), welche Informationen für die Vererbung von Merkmalen eines Organismus enthalten.

Genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert. Genetisches Material ist jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält.

7333

Genetische Vielfalt

Geothermie Grünland

Habitatspezialisten Hormonaktive Substanzen

Hybridisierung Integrationsprinzip Invasive gebietsfremde Arten

Klima Klimaerwärmung

Klimaschutz Klimawandel

Kulturlandschaft

Kulturpflanze

7334

Vielfalt innerhalb der Arten und somit die genetische Variabilität zwischen Individuen und Populationen der gleichen Art.

Genetische Vielfalt und Austausch zwischen Individuen ist die Grundlage für die Entstehung und Anpassungsfähigkeit der Arten (Evolution).

Biodiversität, Artenvielfalt Die im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte Wärme.

Diese Erdwärme wird als regenerative Energiequelle genutzt.

Als Grünland werden landwirtschaftlich genutzte Flächen bezeichnet, auf denen Gras und krautige Pflanzen als Dauerkultur wachsen und die entweder beweidet oder gemäht werden.

Arten, welche auf bestimmte Lebensräume für ihr Überleben angewiesen sind (z.B. auf Moore, Quellen, Tümpel).

Nicht körpereigene Stoffe, die aufgrund ihrer Struktur und Wirkungsweise auf Lebewesen ähnlich wirken wie Hormone oder ihren Hormonhaushalt beeinflussen. Diese Stoffe sind schon in sehr geringen Mengen enorm wirksam.

Kreuzung genetisch unterschiedlicher Unterarten, Arten oder Gattungen.

Umweltpolitik kann nur dann effektiv sein, wenn ihre Belange auch im Rahmen anderer Politiken (Verkehr, Aussenwirtschaft, Energie usw.) mitbedacht und mitberücksichtigt werden.

Arten, die absichtlich oder unabsichtlich in Gebiete ausserhalb ihres natürlichen Lebensraums eingeführt werden und dort in der Lage sind, sich zu etablieren und einheimische Arten zu verdrängen. Sie haben unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Lebensräume und können auch ökonomische oder gesundheitliche Probleme verursachen oder Krankheiten übertragen. Invasive gebietsfremde Arten zeichnen sich durch ein effizientes Ausbreitungsvermögen sowie durch eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit und Konkurrenzstärke aus. In neuen Lebensräumen haben sie oft wenige natürliche Feinde.

Gebietsfremde Arten.

Gesamtheit aller an einem Ort möglichen Wetterzustände, einschliesslich ihrer typischen Aufeinanderfolge sowie ihrer tages- und jahreszeitlichen Schwankungen.

Die Erwärmung des Klimas auf der Erde aufgrund einer Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre und anderer Gase vorwiegend aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der globalen Waldvernichtung.

Sammelbegriff für alle Bestrebungen, dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Änderung des Klimas im Verlauf der Zeit, die aufgrund einer Änderung im Mittelwert oder im Schwankungsbereich
seiner Eigenschaften identifiziert werden kann, und die über einen längeren Zeitraum von typischerweise Jahrzehnten oder noch länger andauert. Klimawandel kann durch interne natürliche Schwankungen, äussere Antriebe oder andauernde anthropogene Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre oder der Landnutzung zustande kommen. Folgen des Klimawandels sind unter anderem Temperaturanstieg, extreme Regenfälle oder langanhaltende Dürren.

Aufgrund der Nutzung durch den Menschen in historischer Zeit entstandene und durch die Nutzungsformen geprägte Landschaft mit überwiegend anthropogenen Ökosystemen (im Gegensatz zur Naturlandschaft).

Vom Menschen planmässig angebaute und der Auslese oder Züchtung unterworfene Pflanzenart.

Landschaft

Landschaftsleistungen

Landschaftsschutz

Lebensraum Marktwirtschaftliche Instrumente Metapopulation Mikroorganismen

Monitoring Nachhaltige Entwicklung

Nachhaltige Nutzung

Nagoya-Protokoll über ABS

Landschaft umfasst den gesamten Raum ­ wie wir ihn wahrnehmen und erleben. Landschaften bilden räumlich die gelebte und erlebte Umwelt des Menschen, welche ihm als Individuum sowie der Gesellschaft die Erfüllung physischer und psychischer Bedürfnisse ermöglicht. Landschaften haben dabei als Ressource vielfältige Funktionen. Sie sind Wohn-, Arbeits-, Erholungs- und Identifikationsraum für den Menschen, Siedlungs- und Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, vielfältiger Erholungs- und Identifikationsraum sowie räumlicher Ausdruck des kulturellen Erbes. Zudem leisten sie einen Beitrag zur Wertschöpfung. Landschaften sind dynamische Wirkungsgefüge und entwickeln sich aufgrund natürlicher Faktoren und durch die menschlichen Nutzung und Gestaltung stetig weiter.

Landschaftsleistungen sind Landschaftsfunktionen mit Nutzen für den Menschen (z.B. als Wirtschafts- und Standortfaktor, für Identität und kulturelles Erbe, Erholung und Gesundheit) sowie als räumliche Basis für die Biodiversität und die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen.

Unter Landschaftsschutz werden alle Massnahmen verstanden, welche die Erhaltung, Förderung und Gestaltung der natürlichen, vom Menschen geschaffenen oder als schön empfundenen Landschaftselemente in ihrer regionaltypischen Ausprägung und in ihrem Zusammenspiel zum Ziel haben.

Gemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt ohne ihre Wechselwirkung untereinander.

Ökosystem, Biotop U.a. Abgaben, Subventionen, handelbare Zertifikate, ein verursachergerechtes Haftungs- und Eigentumsrecht sowie im weiteren Sinn freiwillige Vereinbarungen und Labels.

Gruppe von Teilpopulationen, die untereinander einen eingeschränkten Genaustausch haben. Dabei besteht die Möglichkeit, dass solche Teilpopulationen aussterben.

Mikroskopisch kleine Lebewesen, die als einzelne Individuen mit blossem Auge in der Regel nicht zu erkennen sind. Dazu gehören unter anderem Bakterien, Viren, einzellige Algen und viele Pilzarten.

Art der unmittelbaren systematischen Erfassung, Beobachtung oder Überwachung eines Prozesses mittels technischer Hilfsmittel oder anderer Beobachtungssysteme.

Nachhaltig ist eine Entwicklung, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen
zu beeinträchtigen.

Die Nutzung von Bestandteilen der Biodiversität und von anderen natürlichen Ressourcen in einer Weise und in einem Ausmass, die nicht zum langfristigen Rückgang der Biodiversität und/oder der natürlichen Ressourcen führen.

Internationales Abkommen zur Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile, das im Oktober 2010 im Rahmen der 10. Vertragsparteienkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt verabschiedet wurde.

Access and Benefit-Sharing (ABS)

7335

Nährstoffkreislauf

Natura 2000

Naturlandschaft

Natürlich Natürliche Ressourcen Natürliche Vielfalt Natürliche Waldverjüngung Naturnaher Eingriff Naturnaher Waldbau Naturschutz

Nutzniesserprinzip

Nutztier Öffentliche Güter

7336

Die Nährstoffe befinden sich in einem ständigen Kreislauf.

Beispielsweise nehmen viele Pflanzen Nährstoffe mit ihren Wurzeln aus dem Boden auf und verwenden sie für ihren Stoffwechsel. Werden die Pflanzen gefressen, sterben sie oder verlieren sie im Herbst ihre Blätter, werden sie schliesslich durch die Bodenlebewesen verwertet und mineralisiert. Somit werden die Nährstoffe wieder für andere Lebewesen verfügbar.

Kohärentes Netz von Schutzgebieten, das innerhalb der Europäischen Union gemäss der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter, wildlebender, heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. Natura 2000 entspricht in der Schweiz dem Smaragdnetzwerk.

Von unmittelbaren menschlichen Aktivitäten unbeeinflusst gebliebene Landschaft, die lediglich auf dem Zusammenwirken der derzeit herrschenden naturbedingten ökologischen Faktoren beruht.

Vom Menschen unveränderter, ursprünglicher Zustand, der durch die Natur bedingt ist.

Natürliche Rohstoffe, die als Input für das Wirtschafssystem dienen und von der Natur bzw. der Umwelt bereitgestellt werden.

Umschreibung von Biodiversität.

Begründung eines neuen Bestandes von Bäumen ohne Pflanzung, sondern durch abfallende Samen der Altbäume.

Verantwortungsvoller Eingriff in die Natur oder Bewirtschaftung einer natürlichen Ressource, sodass die ökologische Nachhaltigkeit gewährleistet ist.

Naturnaher Waldbau lenkt die Waldentwicklung, um ökonomische, ökologische und soziale Ziele nachhaltig zu erreichen, und orientiert sich dabei an den natürlichen Lebensabläufen.

Unter Naturschutz werden alle Massnahmen verstanden, welche die Erhaltung und Förderung der Naturgüter und der ihnen zugewiesenen Werte in der gesamten Landschaft aus ökologischen, wirtschaftlichen, ethischen, historischen, ästhetischen oder emotionalen Gründen anstreben. Zu den Naturwerten gehören die Biodiversität im Sinne des Weltgipfels von Rio ( Biodiversitätskonvention) sowie die Vielfalt an Erscheinungen der unbelebten Natur.

Der Nutzer einer Umweltressource zahlt demjenigen eine Entschädigung, der durch Verzicht auf seine Umweltnutzung die Qualität der Ressource erhält (bzw. verbessert) und dadurch Einkommens- bzw. Nutzeneinbussen erleidet.

Ein nicht frei lebendes, an den Menschen mehr oder weniger
gewöhntes Tier, dessen Nutzwert überwiegt (z.B. die Kuh als Milchlieferantin).

Güter, bei denen zusätzliche Nutzer nicht vom Konsum ausgeschlossen werden können (Nichtausschliessbarkeit) und zudem ein zusätzlicher Nutzer auch keine Mehrkosten verursacht (Nichtrivalität im Konsum), wie z.B. saubere Umgebungsluft oder Ruhe.

Ökologische Infrastruktur

Ökologischer Ausgleich auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nach LwG, neu Biodiversitätsförderfläche Ökologischer Ausgleich nach NHG

Öko-Qualitätsverordnung (ÖQV) Ökosystem

Ökosystemleistung

Parasiten

Pionierpflanze

Pioniervegetation Population Prioritäre Art

Ausgedehntes Netz aus Schutz- und Vernetzungsgebieten welches sich über das ganze Land erstreckt und Gebiete mit einer hohen Anzahl an spezialisierten Arten und Lebensräumen miteinander verbindet. Damit wird die Verbreitung von Arten sichergestellt was die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen aufrechterhält. Die ökologische Infrastruktur ist in ein übergreifendes europaweites Netz integriert, das die Verbindung zu grenznahen Schutzgebieten und ökologischen Korridoren im Ausland sicherstellt.

Bezweckt die Erhaltung und Förderung der Biodiversität der Kulturlandschaft durch finanzielle Anreize für das Anlegen von ökologischen Ausgleichsflächen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen wie z.B. Buntbrachen, Hecken, extensive Wiesen oder Streuflächen. Der Begriff entstand in der ÖkoBeitragsverordnung (OeBV) von 1993.

Sammelbegriff für Massnahmen, die der Erhaltung und Wiederherstellung der Funktion der Lebensräume und ihrer Vernetzung in intensiv genutzten bzw. dicht besiedelten Kulturlandschaften dienen. Ziel des ökologischen Ausgleichs ist die Förderung der natürlichen Artenvielfalt. Der Begriff ist seit 1991 in der Verordnung zum Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) verankert.

Gesetzliche Basis für die Abgeltung von qualitativ hochwertigen und vernetzten Ausgleichsflächen.

Dynamischer Komplex einer Gemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt, die untereinander in Wechselwirkung stehen.
Lebensraum, Biodiversität
Bestandteile der Biodiversität erbringen selbst oder aufgrund von Wechselbeziehungen Leistungen, ohne die menschliches Leben nicht denkbar wäre und die zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Beispiele von Ökosystemleistungen sind die Versorgung mit Wasser, die Bildung von fruchtbarem Boden, die Bestäubung und die Schädlingskontrolle, die Erosionskontrolle, der Schutz vor Lawinen durch Wälder, die Erholung durch Nah- und Fernerholungsräume oder das Angebot an wertvollen Landschaften für die kommerzielle Nutzung im Tourismus. Ein Teil der Ökosystemleistungen wird als Landschaftsleistungen bezeichnet.

Tiere oder Pflanzen, die auf Kosten eines anderen Lebewesens existieren, meist indem sie diesem von innen oder aussen die Nahrung entziehen oder andere Leistungen beziehen. Bekannte Parasiten sind z.B. Flöhe.

Pflanzenart, die in noch nicht besiedeltes Gebiet vordringt. Sie besitzt besondere Fähigkeiten zur Anpassung an die Besiedlung neuer, noch vegetationsfreier Räume, z.B. hohe und schnelle Samenproduktion, Windverbreitung von Samen oder die Toleranz gegenüber extremen Umweltbedingungen. Typische Pionierarten sind konkurrenzschwach und werden im Verlauf der biologischen Sukzession (Abfolge von Pflanzengesellschaften an einem Standort) durch andere Arten verdrängt.
Pionierpflanze
Gesamtheit der Individuen einer Art, die in einem (mehr oder weniger abgeschlossenen) Lebensraum leben und eine natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft bilden.

Prioritäre Arten werden nach folgenden Kriterien bezeichnet: Gefährdungsgrad, Seltenheit, Verantwortung der Schweiz für das Überleben der Art und Zweckmässigkeit der Schutzinstrumente.

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Pufferzone, Pufferstreifen

Ramsar-Abkommen

Rasse

Raumplanung Regeneration

Renaturierung

Réseau Ecologique National (REN)

Resilienz Ressourcen Revitalisierung

Rote Listen

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Flächen mit deutlich reduzierter Nutzungsintensität, welche an einen empfindlichen, naturnahen Lebensraum grenzen (z.B. Flachmoor, Magerrasen). Im besten Fall nehmen sie diffuse Nährstoffeinträge vor deren Erreichen des empfindlichen Lebensraums auf.

Internationales Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung (Convention on Wetlands of International Importance especially as Waterfowl Habitat). Es ist ein völkerrechtlicher Vertrag von 1971 und damit eines der ältesten internationalen Vertragswerke zum Umweltschutz. Von der Schweiz wurde es 1976 ratifiziert (SR 0.451.45).

Eine Gruppe von Individuen einer Tierart, die sich in manchen Merkmalen von einer anderen Gruppe derselben Art unterscheidet. Innerhalb einer Rasse sind fruchtbare Kreuzungen möglich. Rassen entstehen durch regionale Isolation (geografische Rasse) oder durch unterschiedliche Lebensansprüche (ökologische Rasse).

Unterart, Sorte Koordination von raumwirksamen Tätigkeiten und deren Steuerung über längere Zeit. Sie umfasst alle räumlichen Planungen der öffentlichen Hand auf sämtlichen Staatsebenen.

Eine Form der Renaturierung. Massnahmen (z.B. Inaktivierung von Drainagen, Einstauung) zur Wiederherstellung der moorbildenden und sich langfristig selbst regulierenden hydrologischen Prozesse in degradierten Hoch- oder Flachmooren.

Zurückführen eines anthropogen veränderten Lebensraums in einen naturnahen Zustand, im Prinzip eine Wiederherstellung.

Renaturierungen sind meistens mit baulichen Eingriffen verbunden, im Gegensatz zu Aufwertungen. Je nach Lebensraum spricht man von Renaturierung (z.B. kleine Fliessgewässer), Revitalisierung (Auen) oder Regeneration (Moore).

Das Projekt Nationales ökologisches Netzwerk bezweckt den Verbund von Populationen und Lebensräumen und dient als Planungshilfe und Instrument zum Schutz der Artenvielfalt und der Landschaft. Es zeigt anhand detaillierter Karten ökologische Vorranggebiete und deren Vernetzungsachsen.

Fähigkeit eines Ökosystems, Störungen zu tolerieren, ohne dass das System so zusammenbricht, dass sich langfristig ein qualitativ veränderter Systemzustand einstellt.

Vorräte materieller und ideeller Art, die in der Regel nur im begrenzten Umfang vorhanden sind. Natürliche Ressourcen werden als Naturgüter bezeichnet.
Eine Form der Renaturierung. Massnahmen (z.B. Rückbau von Verbauungen) zur Wiederherstellung der dynamischen Prozesse des Wasser- und Sedimenthaushaltes in beeinträchtigtem Auengebiet. Die Gewässerschutzgesetzgebung verpflichtet die Kantone zur Revitalisierung von Gewässern.

Rote Listen zeigen die momentane Gefährdungskategorie einheimischer Pilz-, Pflanzen- und Tierarten. Die Roten Listen werden anhand von international verbindlichen, objektiv nachvollziehbaren Kriterien durch Fachleute erstellt. Sie dienen als Grundlage für den Naturschutz und geben einen Überblick über den Wandel der Artenvielfalt und ihre Gefährdungssituation. Rote Listen sind ein Rechtsinstrument des Naturschutzes. Bei Eingriffen in die Natur muss auf RoteListen-Arten Rücksicht genommen werden.

Sachplan Fruchtfolgeflächen

Schutzgebiet

Sektorale Umweltziele Smaragdnetzwerk

Sorte Sukzession Terrestrisch Toxisch Trockenwiese/-weide

Typische Art Umwelt Unbelebte Umwelt Unterart

Vernetzung

Versiegelung

Vertragsstaatenkonferenz

Fruchtfolgeflächen sind Teil der für die Landwirtschaft geeigneten Flächen. Sie umfassen ackerfähiges Kulturland, vorab Ackerland und die Kunstwiesen in Rotation, sowie ackerfähige Naturwiesen. Der Sachplan Fruchtfolgeflächen trat 1992 in Kraft und soll bestgeeignetes Landwirtschaftsland vor Überbauung schützen und die langfristige Versorgung sichern.

Ein geografisch festgelegtes Gebiet, das im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Erhaltungsziele ausgewiesen und gesichert ist und einem biodiversitätsspezifischen Management unterliegt.

Projekt des Bundesamtes für Umwelt, in welchem in Zusammenarbeit mit relevanten Sektoren Umweltziele festgelegt werden.

Europaweites Netzwerk von Schutzgebieten zur Erhaltung der gefährdeten Arten und Lebensräume von europäischer Bedeutung. Basis ist die Berner Konvention des Europarates.

Natura 2000 Eine Gruppe von Individuen einer Pflanzenart, die sich in manchen Merkmalen von einer anderen Gruppe derselben Art unterscheidet.

Rasse, Unterart Das natürliche Aufeinanderfolgen von Pflanzengesellschaften bzw. Vegetationsphasen: Grasphase ­ Staudenphase ­ Strauchphase ­ Baumphase.

Auf dem Land lebend, auftretend.

Giftig.

Trockene, nährstoffarme und artenreiche Wiesen und Weiden.

Sie werden regelmässig zur Heugewinnung gemäht, kommen aber natürlicherweise auch in Auen oder in den Felsensteppen der Inneralpen vor. Teilweise werden sie zusätzlich im Herbst beweidet. Ohne Nutzung stünde auf diesen Flächen in Mitteleuropa meist Wald.

Für einen bestimmten Lebensraum repräsentative Art. Solche Arten kommen in diesem Lebensraum stetig vor und sind Teil der räumlichen Abgrenzungskriterien.

Ein sehr allgemeiner Begriff, der verwendet wird, um sich auf alles zu beziehen, was ausserhalb eines bestimmten Referenzpunktes ­ gewöhnlich eines Organismus ­ auf diesen einwirkt.

Gesamtheit aller Umweltfaktoren, an denen keine Lebewesen beteiligt sind. Diese umfassen unter anderem Klima, Atmosphäre, Gestein, Wasser, Wärme, Temperatur und Licht.

Systematische Einheit, in der innerhalb einer Tier- oder Pflanzenart Individuen aus einer bestimmten Region mit auffallend ähnlichen Merkmalen zusammengefasst werden.

Rasse, Sorte Unter Vernetzung ist nicht nur die Schaffung von einigen Vernetzungsachsen für einige grosse Wildsäuger zu verstehen, sondern ein System von miteinander
verbundenen Lebensräumen, in denen alle Arten, die potenziell vorhandenen sein können, mindestens eine Metapopulation aufzubauen vermögen.

Abdichtung von Bodenoberflächen (z.B. durch Asphaltierung, Betonierung, Bebauung), die zum Verlust der natürlichen Bodenfunktionen (Lebensraum, Wasser- und Nährstoffkreisläufe, Filter- und Puffereigenschaften) führt.

Politisches Gremium und beschlussfassendes Organ der Biodiversitätskonvention (COP Conference of Parties).

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Verursacherprinzip Vorsorgeprinzip

Weltgipfel von Rio

Wildtierkorridor

Wildtierpassage

Zerschneidung

Zersiedelung

Zucht

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Die Kosten für biodiversitätsschädigende Handlungen sollen vom Verursacher selbst und nicht von der Gemeinschaft getragen werden.

Durch frühzeitiges und vorausschauendes Handeln sollen mögliche Gefährdungen und Belastungen der Biodiversität wenn möglich ausgeschlossen oder zumindest minimiert werden.

Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED). An der Konferenz, die 1992 in Rio de Janeiro stattgefunden hat, wurde unter anderem die Biodiversitätskonvention (CBD) verabschiedet.

Wildtierkorridore sind für die Wanderung der Wildtiere bevorzugt benutzte «Verkehrswege», die durch die menschliche Landnutzung eingegrenzt sind. Sie dienen so innerhalb des Verbreitungsareals einer Art der grossräumigen Vernetzung abgegrenzter und isolierter Lebensräume von Populationen oder Teilen von Populationen und damit auch dem genetischen Austausch. Von den in der Schweiz existierenden rund 300 Wildtierkorridoren von überregionaler Bedeutung sind nur rund ein Fünftel ungehindert benutzbar. Haupthindernis für die Durchgängigkeit der Korridore ist das Kreuzen mit dem Mobilitätsnetz des Menschen.

Wildtierpassagen sind zur Überwindung bestehender oder geplanter Verkehrswege errichtete Bauwerke, mit denen die Wanderungsmöglichkeit für Wildtiere erhalten oder wiederhergestellt werden kann. Sie dienen auch der Verkehrssicherheit.

Aktive anthropogene Fragmentierung von Lebensräumen durch linienhafte Eingriffe (z.B. Strassen- und Schienenbau, Energietrassen, Bebauung). Durch die Zerteilung eines vormals zusammenhängenden Lebensraums (und der darin lebenden Arten) entstehen mehrere, meist isolierte Habitate.

Durch die Siedlungstätigkeit des Menschen zunehmende mosaikartige Durchsetzung eines zusammenhängenden Landschaftsraumes (z.B. mit Siedlungen, Nutzflächen und Infrastruktur).

Kontrollierte, gezielte Verpaarung ausgewählter Tiere oder Pflanzen mit dem Ziel, die gewünschten Eigenschaften an die Nachkommen weiterzuvererben.

Impressum Projektoberleitung (BAFU) Willy Geiger, Thomas Göttin, Evelyne Marendaz Guignet, Christine Hofmann, Florian Wild Projektleitung Sarah Pearson Perret (BAFU), Claudia Jacobi und Michael Herrmann (PrivatePublicConsulting) Beiträge Urs Amstutz (Waldwirtschaft Schweiz), Roger Bisig (Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz), Georg Brosi (Jagd- und Fischereiverwalterkonferenz), Ernst Brugger (BHP Consulting), Beat Bürgenmeier (Universität Genf), Simona Capaul (PrivatePublicConsulting), Alexandra Cropt (Schweizerischer Bauernverband), Gérald Dayer (VS), Thomas Egger (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete), Kurt Eichenberger (WWF Schweiz), Anders Gautschi (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete), Oliver Graf (Publizack), Olivier Guex (VS), Markus Haberthür (Ambio), Barbara Haering (ECONCEPT), Heinz Hänni (Schweizerischer Bauernverband), Christian Hediger (UNA), Lukas Jenni (Vogelwarte Sempach), Gregor Klaus, Marcus Knill (Knill&Knill), Raymond-Pierre Lebeau, Peter Lehmann (sanu), Sandra Limacher (WaldKultur GmbH), René Longet (Schweizerischer Städteverband), Richard Maurer (AG), Gilles Mulhauser (GE), Werner Müller (Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz), Urs Näf (economiesuisse), Martin Nydegger (Schweiz Tourismus), Daniela Pauli (Forum Biodiversität Schweiz), Patrick Scheuchzer (ECOPLAN), Thomas Stirnimann (LU), Thomas Vellacott (WWF), Bertrand von Arx (Konferenz der Beauftragten für Natur- und Landschaftsschutz), Felix Walter (ECOPLAN), Eric Widmer (Gruner AG), Othmar Wüest (Konferenz der kantonalen Forstdirektoren), Willi Zimmermann (ETHZ), Maria Luisa Zürcher (Schweizerischer Gemeindeverband), Dominique Zygmont (scienceindustries).

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