12.025 Botschaft zur Genehmigung der Änderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Übereinkommen von Espoo) vom 15. Februar 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Änderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-0944

1777

Übersicht Ausgangslage Die vorliegende Botschaft betrifft die Änderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Übereinkommen) aus dem Jahr 1991. Das Übereinkommen, das von der Schweiz am 16. September 1996 ratifiziert wurde und am 10. September 1997 in Kraft trat, sieht die Einrichtung eines Mechanismus für die länderübergreifende Information und Konsultation vor, der bei Projekten zum Tragen kommt, die erhebliche grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können.

Im Bestreben, die Liste der dem Übereinkommen unterstellten Projekte (Anhang I des Übereinkommens) zu aktualisieren und zwecks verbesserter Durchführung des Übereinkommens verschiedene Bestimmungen zu präzisieren hat die 3. Konferenz der Parteien am 4. Juni 2004 den Beschluss III/7 über die Änderungen der Artikel 2, 8, 11, 14 und 14bis sowie der Anhänge I und VI des Übereinkommens verabschiedet.

Per 8. Dezember 2011 hatten 18 Parteien diese Änderungen ratifiziert.

Inhalt der Vorlage Die Änderungen der Artikel 2, 8, 11, 14 und 14bis sowie der Anhänge I und VI des Übereinkommens sind mehrheitlich mit der schweizerischen Gesetzgebung vereinbar. Lediglich zwei Punkte im Anhang der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung müssen bei einer zukünftigen Revision angepasst werden.

Die Genehmigung der Änderungen hat für den Bund und die Kantone keinerlei finanzielle und personelle Auswirkungen.

Mit der Genehmigung der Änderungen zum Übereinkommen bringt die Schweiz zum Ausdruck, dass sie der kontinuierlichen Durchführung und verbesserten Anwendung des Übereinkommens und der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung einen hohen Stellenwert beimisst.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Das Übereinkommen

Das Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen1 (nachstehend Übereinkommen) wurde am 25. Februar 1991 in Espoo (Finnland) unterzeichnet. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 16. September 1996 ratifiziert, worauf es am 10. September 1997 in Kraft trat. Sämtliche Nachbarländer der Schweiz sind dem Übereinkommen beigetreten. Am 8. Dezember 2011 zählte das Übereinkommen 45 Parteien, darunter die meisten europäischen Staaten und die Europäische Gemeinschaft.

Das Übereinkommen legt einen Mechanismus für die länderübergreifende Information und Konsultation fest, der bei Projekten zum Tragen kommt, die erhebliche grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen haben können. Zum einen stellt das Übereinkommen sicher, dass in dem Land, in dem eine Anlage mit möglicherweise grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen errichtet werden soll (d.h.

bei der sogenannten Ursprungspartei), eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird (Art. 2). Zum andern gewährleistet es, dass die Ursprungspartei das betroffene Nachbarland beziehungsweise die betroffenen Nachbarländer (betroffene Partei) über die möglichen bedeutenden grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen des Vorhabens in Kenntnis setzt und konsultiert, und legt die entsprechenden Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien fest. Insbesondere sieht das Übereinkommen vor, dass die Ursprungspartei die betroffene Partei über solche Vorhaben in Kenntnis setzt (Art. 2 Ziff. 4 und Art. 3), damit diese am Verfahren mitwirken kann (Art. 2 Ziff. 6 und Art. 5), und es verpflichtet die Ursprungspartei, bei ihrer endgültigen Entscheidung die Ergebnisse der Konsultation der Öffentlichkeit und der Verwaltung der betroffenen Partei zu berücksichtigen (Art. 6).

Das Übereinkommen ist massgebend für 17 in Anhang I aufgeführte Arten von Vorhaben, die «wahrscheinlich erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen zur Folge haben» sowie für weitere Tätigkeiten, die die Parteien einvernehmlich dem Übereinkommen unterstellen (Art. 2 Ziff. 5).

In der Schweiz kamen die Grundsätze des Übereinkommens bis heute in rund 20 Fällen zur Anwendung. Im Rahmen der letzten Revision der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV2) im Dezember 2008 wurde
dieser ein Artikel (Art. 6a UVPV) hinzugefügt, der die zuständigen Bundes- und Kantonsbehörden bezeichnet, welche die Rechte und Pflichten der Schweiz aus dem Übereinkommen wahrnehmen.

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SR 0.814.06 SR 814.011

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1.2

Revision des Übereinkommens

Gemäss Artikel 14 des Übereinkommens kann jede Partei Änderungen des Übereinkommens vorschlagen.

Am 27. Februar 2001 verabschiedete die 2. Konferenz der Parteien den Beschluss II/14 über die Änderung der Artikel 1 und 17 des Übereinkommens. Mit dieser Änderung sollte einerseits der Begriff «Öffentlichkeit» neu definiert werden; andererseits sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass weitere UNO-Mitgliedsländer, die aber nicht der UNECE angehören, dem Übereinkommen beitreten können. Die Schweiz hat diese Änderungen am 16. Juni 2010 ratifiziert.

Am 4. Juni 2004 verabschiedete die 3. Konferenz der Parteien den Beschluss III/7 über die Änderungen der Artikel 2, 8, 11, 14 und 14bis sowie der Anhänge I und VI des Übereinkommens. Diese Änderungen zielen darauf ab, durch die Präzisierung verschiedener Bestimmungen und die Aktualisierung von Anhang I die Anwendung des Übereinkommens zu erleichtern. Sie sind Gegenstand der vorliegenden Botschaft.

1.3

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Europäische Gemeinschaft ist seit 1997 Partei des Übereinkommens und hat die Änderungen, die Gegenstand dieser Botschaft sind, am 18. Januar 2008 ratifiziert.

Im europäischen Recht ist die Umsetzung des Übereinkommens durch die Richtlinie 85/337/EWG3 geregelt, welche durch die Richtlinien 97/11/EG4, 2003/35/EG5 und 2009/31/EG6 geändert wurde.

Im Rahmen der schweizerischen Gesetzgebung werden das Übereinkommen und seine Änderungen grundsätzlich in gleicher Weise umgesetzt, und es liegen keine Abweichungen zu den einschlägigen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft vor.

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Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40.

Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 73 vom 14.3.1997, S. 5.

Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, Abl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17.

Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates, der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und 2008/1/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006, ABl. L 140 vom 5.6.2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, S. 114.

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2

Inhalt der Änderungen des Übereinkommens vom 4. Juni 2004

Mit der Änderung von Artikel 2 («Allgemeine Bestimmungen») wird ein neuer Absatz eingefügt, der den betroffenen Parteien die Gelegenheit gibt, an einem Verfahren zur Festlegung der Anforderungen an den Inhalt des Umweltverträglichkeitsberichts (UVB) mitzuwirken, sofern die Ursprungspartei ein solches Verfahren durchzuführen beabsichtigt.

Mit den Änderungen zu Artikel 8 («Bi- und multilaterale Zusammenarbeit») und Anhang VI («Regelungen für die bi- und multilaterale Zusammenarbeit») wird präzisiert, dass die Bestimmungen des Übereinkommens in Bezug auf die Erfüllung bi- oder multilateraler Übereinkünfte auch auf die jeweils dazugehörigen Protokolle anwendbar sind.

Artikel 11 («Konferenz der Parteien») wird um drei neue Absätze ergänzt, die verschiedene Fragen in Bezug auf die Befugnisse der Konferenz der Parteien regeln.

Dabei wird präzisiert, dass die Parteien gegebenenfalls die Mitwirkung von und die Zusammenarbeit mit kompetenten Gremien suchen, welche über Fachkenntnisse verfügen, die für die Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Interesse sind. Ausserdem werden die Parteien ermächtigt, bei Bedarf Protokolle zum Übereinkommen auszuarbeiten und Nebengremien einzusetzen, die für die Durchführung des Übereinkommens notwendig sind.

Die Änderung zu Artikel 14 («Änderungen des Übereinkommens») regelt das Inkrafttreten von Änderungen neu. Künftig sollen Änderungen in Kraft gesetzt werden können, wenn mindestens drei Viertel der Parteien, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung dem Übereinkommen beigetreten sind, die Änderungen ratifiziert haben.

Eine weitere Änderung betrifft die Einfügung eines neuen Artikels 14bis («Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens»), der Fragen hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens regelt. Er sieht vor, dass die Parteien die Einhaltung und Umsetzung der Bestimmungen des Übereinkommens gemäss dem von der Konferenz der Parteien beschlossenen Verfahren überprüfen. Die Überprüfung stützt sich unter anderem auf regelmässige Berichte der Parteien. Über die Häufigkeit der Berichterstattung sowie über die darin enthaltenen Informationen entscheidet die Konferenz der Parteien. Zudem wird präzisiert, dass das Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen auch die allfälligen Protokolle des Übereinkommens einschliesst.
Mit der Änderung von Anhang I wird die Liste der Vorhaben, die unter den Geltungsbereich des Übereinkommens fallen, überarbeitet. Neben der Aufnahme neuer Projekte und der Ausweitung bereits geregelter Projekte werden auch verschiedene redaktionelle Änderungen usw. vorgenommen. Die Änderungen zu Anhang I des Übereinkommens betreffen im Einzelnen folgende Punkte: Aufnahme neuer Projekte Projekt 7b: «Bau von neuen vier- oder mehrspurigen Strassen oder Verlegung und/oder Ausbau bestehender ein- oder zweispuriger Strassen zu vier- oder mehrspurigen Strassen [...]»; Projekt 10b: «Abfallbeseitigungsanlagen zur Verbrennung oder chemischen Behandlung ungefährlicher Abfälle [...]»; Projekte 18a und 18b: «Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet 1781

in ein anderes [...]»; Projekt 19: «Abwasserbehandlungsanlagen [...]»; Projekt 20: «Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen [...]»; Projekt 21: «Bau von Hochspannungsfreileitungen für eine Stromstärke von 220 kV oder mehr [...]»; Projekt 22: «Grössere Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung [...]».

Ausweitung bereits bisher geregelter Projekte Projekt 2: «(Kernkraftwerke und sonstige Kernreaktoren), einschliesslich der Demontage oder Stilllegung solcher Kraftwerke oder Reaktoren»; Projekt 12: «(Massnahmen zur Grundwasserentnahme) oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme [...]»; Projekt 13: «(Anlagen zur Herstellung von Zellstoff, Papier) und Pappe [...]»; Projekt 14: «Grössere Steinbrüche (und grössere Anlagen für den Bergbau) [...])»; Projekt 15: «(Offshore-Kohlenwasserstoffförderung.) Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken [...]».

Redaktionelle Änderungen Aufgliederung von Projekt 2 in zwei Projekte; in Projekt 8 Ersatz von «Öl- oder Gaspipelines grossen Durchmessers» durch «Öl-, Gas- oder Chemikalienpipelines grossen Durchmessers».

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Projekt 3 betreffend die radioaktive Abfälle und Kernbrennstoffe wurde präzisiert und neu formuliert.

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Zudem werden der Zeitpunkt, ab dem «Kernkraftwerke und sonstige Kernreaktoren nicht mehr als solche Anlagen gelten», sowie der Begriff «Flugplatz» definiert.

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Die Projekte 1, 4, 5, 6, 7a (vormals 7), 9, 11, 16 und 17 sowie die Definition der Begriffe «Autobahn» und «Autostrasse» bleiben unverändert.

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Kommentare

Angesichts der Erfahrungen bei der Durchführung des Übereinkommens und der Entwicklung des Instruments der UVP auf nationaler und internationaler Ebene sowie im Rahmen anderer umweltrelevanter Übereinkommen wurden die Änderungsvorschläge zu den Artikeln 2, 8, 11, 14 und 14bis und zu den Anhängen I und VI von sämtlichen Delegationen (darunter auch diejenige der Schweiz) begrüsst und von der 3. Konferenz der Parteien mit dem Beschluss III/7 vom 4. Juni 2004 verabschiedet.

Die Änderungen betreffen sowohl redaktionelle als auch inhaltliche Anpassungen und Zusätze, die die Harmonisierung des Übereinkommens mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Übereinkünften gewährleisten, so etwa mit den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, dem Protokoll des Übereinkommens über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen vom 21. Mai 20037 sowie dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffent7

Protokoll über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen; von der Schweiz nicht ratifiziert.

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lichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) vom 25. Juni 19988.

Dank der Änderung zu Artikel 2 werden die Vorteile einer frühzeitigen internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der UVP verstärkt. Die Schweiz kennt auf Bundesebene kein Verfahren zur Festlegung des Inhalts eines UVB, da es sich bei der Voruntersuchung gemäss Artikel 8 UVPV nicht um ein Verfahren handelt. In einigen wenigen Kantonen jedoch hat die Beurteilung der Voruntersuchung Verfügungscharakter. Die Möglichkeit der betroffenen Partei, an dem Verfahren mitzuwirken, besteht indessen nur bei Projekten, die erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen haben können. Die Änderung dürfte also nur für einige Kantone und in wenigen Fällen Konsequenzen haben.

Die Änderungen zu den Artikeln 8, 11 und 14 sowie zu Anhang VI präzisieren gewisse Bestimmungen, die bislang im Übereinkommen nicht in allen Fällen ausformuliert waren. Den Parteien einschliesslich der Schweiz erwachsen dadurch jedoch keine neuen Verpflichtungen.

Mit den geänderten Fassungen der Artikel 8 und 11 sowie von Anhang VI wird die Möglichkeit zur Ausarbeitung von Protokollen zum Übereinkommen rechtlich verankert. In der Praxis entstehen dadurch jedoch keine zusätzlichen Rechte, denn bereits im Jahr 2003 wurde das Protokoll über die strategische Umweltprüfung erstellt. Ähnlich verhält es sich mit der Änderung zu Artikel 11, die die Möglichkeit zur Einsetzung von Nebengremien vorsieht, die zur Durchführung des Übereinkommens notwendig sind. Eine Arbeitsgruppe in diesem Sinne besteht bereits, und die Schweiz wirkt regelmässig mit. Diese Änderung schafft somit keine neuen Pflichten für die Schweiz.

Gemäss der derzeit geltenden Fassung des Übereinkommens treten Änderungen in Kraft, sobald sie von drei Vierteln der Parteien ratifiziert worden sind. Mit der Änderung von Artikel 14 wird präzisiert, dass eine Änderung des Übereinkommens in Kraft tritt, sobald drei Viertel der Parteien, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Vertragspartei waren, eine Ratifikationsurkunde hinterlegt haben.

Mit dem neuen Artikel 14bis wird die Verpflichtung sämtlicher Parteien, über die Anwendung des Übereinkommens und die Einhaltung seiner Bestimmungen Bericht zu erstatten, rechtlich im Übereinkommen verankert. Konkret
entstehen dadurch für die Parteien jedoch keine neuen Verpflichtungen. An den drei letzten Konferenzen der Parteien in den Jahren 2001, 2004 und 2008 haben die Parteien nämlich Beschlüsse über den Arbeitsplan gefasst, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens vorsehen (Beschluss II/11: Überprüfung der Durchführung des Übereinkommens; Beschlüsse III/9 und IV/7: Einhaltung der Bestimmungen und Durchführung des Übereinkommens). Kraft dieser Beschlüsse haben die Parteien ­ darunter auch die Schweiz ­ bereits über ihre Tätigkeiten in den Jahren bis 2003 sowie in den Zeiträumen 2003­2005 und 2006­2009 Bericht erstattet. Diese Änderung bedingt folglich keine neue Verpflichtung für die Schweiz.

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UNECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) von 1998; Ratifizierung durch die Schweiz in Vorbereitung.

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Dank der Änderung zu Anhang I wird die Liste der Vorhaben, die dem Übereinkommen unterstellt sind, aktualisiert und an das Recht der Europäischen Union und an völkerrechtliche Übereinkünfte angepasst. In Bezug auf die UVP-pflichtigen Vorhaben steht das Übereinkommen nicht über dem schweizerischen Recht, auch wenn die Beschreibungen der in Anhang I zum Übereinkommen genannten Vorhaben von denjenigen im Anhang zur UVPV abweichen. Die Vorhaben, die neu zu Anhang I des Übereinkommens hinzugefügt werden, sind entweder bereits im Anhang zur UVPV enthalten, und zwar mit vergleichbaren oder sogar strengeren Schwellenwerten als im Anhang I des Übereinkommens (z.B. die Projekte 7a und 7b, 10b, 19, 21 und 22 des Übereinkommens, die im Anhang zur UVPV unter den Anlagenummern 11.1 bis 11.3, 40.7, 40.9, 22.2 und 21.8 aufgeführt sind), oder aber sie sind für die Schweiz nicht massgebend (z.B. die Projekte 15 und 18a). Lediglich die Projekte 12 und 13 des Übereinkommens sind nicht oder nur teilweise im Anhang zur UVPV abgedeckt. Dazu sei folgendes präzisiert:

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Einige Vorhaben werden in dem Übereinkommen nicht präzise definiert (z.B. Projekt 11 «Grosse» Talsperren und Stauseen und Projekt 22 «Grössere» Anlagen), was einen gewissen Ermessensspielraum bei der Entscheidung lässt, ob ein Projekt dem Übereinkommen unterliegt oder nicht. Diese Entscheidung wird anhand der schweizerischen Schwellenwerte, die in der UVPV festgelegt sind, getroffen.

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Im Hinblick auf die Ausweitung von Projekt 2 des Übereinkommens betreffend die Demontage von Kernkraftwerken ist festzuhalten, dass für ein solches Vorhaben auch in der Schweiz eine UVP erforderlich ist. Artikel 62 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 20039 «Stilllegung von Kernanlagen» verweist auf die Bestimmungen, die für das Baubewilligungsverfahren gelten. Da für die Erteilung einer Baubewilligung für eine Kernanlage eine UVP durchgeführt werden muss (Anlage Nr. 21.1 gemäss Anhang zur UVPV), ist auch die Stilllegung einer Kernanlage UVP-pflichtig. Artikel 45 Buchstabe i der Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 200410 verlangt in diesem Fall ausdrücklich die Ausarbeitung eines UVB. Die Genehmigung dieser Änderung erfordert damit keine Gesetzes- oder Verordnungsänderung auf schweizerischer Ebene.

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Da die Projekte 12 und 13 des Übereinkommens nicht oder nur teilweise im Anhang zur UVPV abgedeckt werden, muss dieser angepasst werden. In der UVPV fehlen sowohl Massnahmen zur Grundwasserentnahme als auch künstliche Grundwasserauffüllungssysteme, deren jährliche Entnahme- oder -Auffüllungsmenge mindestens 10 Millionen m3 beträgt. Diese müssten folglich neu aufgenommen werden. Die Auswirkungen für die Schweiz dürften gering sein, weil bisher lediglich zwei derartige Anlagen zur Nutzung des Grundwassers in Betrieb sind. Laut UVPV sind gegenwärtig zudem nur Zellstoff-(Zellulose-)Fabriken UVP-pflichtig (Anlagetyp 70.12). Gemäss der derzeit geltenden Fassung von Anhang I des Übereinkommens unterstehen Anlagen zur Herstellung von Zellstoff (Zellulose) und Papier dem Übereinkommen; folglich ist der Anhang zur UVPV durch den Zusatz «Papierfabriken» zu ergänzen. Die Änderung von Anhang I des Übereinkommens dehnt dieses auch auf Anlagen zur Herstellung von Pappe aus, folglich müssen SR 732.1 SR 732.11

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auch diese in den Anhang zur UVPV aufgenommen werden. Die Schweiz hat weniger als zehn Papier-, Zellstoff- und Pappefabriken mit einem Produktionsvolumen von über 20 Tonnen pro Tag. Der im Übereinkommen definierte Schwellenwert liegt indessen bei einem täglichen Ausstoss von mindestens 200 Tonnen (luftgetrocknet). Die Auswirkungen für die Schweiz sind folglich äusserst gering.

Die Änderungen der Artikel 2, 8, 11 und 14, der neue Artikel 14bis sowie die Änderungen der Anhänge I und VI sorgen für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit und stärken die Durchführung und Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens. Darüber hinaus tragen sie zu einer Ausschöpfung von Synergien mit anderen multilateralen Übereinkünften im Umweltbereich bei.

4

Inkrafttreten der Änderungen

Gemäss der derzeit geltenden Fassung des Übereinkommens treten Änderungen in Kraft, sobald sie von drei Vierteln der Parteien ratifiziert worden sind.

Bis zum 8. Dezember 2011 hatten 18 Parteien die Änderungen ratifiziert darunter die Europäische Gemeinschaft, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Österreich. Der Anteil der Länder, die den Änderungen zugestimmt haben, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Es wird davon ausgegangen, dass die Änderungen bis 2014 in Kraft treten werden.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen für den Bund

Bereits heute ist der Bund teilweise für die Durchführung des Übereinkommens zuständig, und die Anzahl der Projekte unter dem Übereinkommen ist begrenzt. Die finanziellen und personellen Auswirkungen für den Bund sind deshalb unbedeutend.

5.2

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die Änderungen der Artikel 2, 8, 11, 14, 14bis sowie von Anhang VI des Übereinkommens haben keine Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Die Liste der Projekte, die dem Übereinkommen unterstehen (Anhang I), wurde zwar geändert, aber die Anzahl der betroffenen Projekte bleibt gering. Neu sollen Massnahmen zur Grundwasserentnahme sowie künstliche Grundwasserauffüllungssysteme und Anlagen zur Herstellung von Papier und Pappe in der Schweiz UVP-pflichtig werden.

Hiervon sind allerdings nur neue Anlagen oder umfangreiche Veränderungen an bestehenden Anlagen betroffen.

Dem Übereinkommen sind nur diejenigen Anlagen unterstellt, die erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen haben können.

Insgesamt sind die Auswirkungen der Änderungen, die Gegenstand dieser Botschaft sind, auf die Schweizer Wirtschaft unbedeutend.

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5.3

Auswirkungen auf die Kantone

Die Kantone sind bereits heute teilweise für die Durchführung des Übereinkommens zuständig. Die Anzahl der Projekte unter dem Übereinkommen ist gering, und die Auswirkungen für die Kantone sind vernachlässigbar.

5.4

Auswirkungen auf das schweizerische Recht

Die Änderungen aus dem Jahr 2004 zum Übereinkommen und insbesondere die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Übereinkommens (Anhang I) sind überwiegend mit der schweizerischen Gesetzgebung vereinbar.

Der Anhang zur UVPV muss angepasst werden, um auch Massnahmen zur Grundwasserentnahme oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme und Anlagen zur Herstellung von Papier und Pappe in der Schweiz UVP-pflichtig zu machen. Diese Anpassung wird im Rahmen einer zukünftigen Revision der UVPV erfolgen. Eine Überführung der weiteren Änderungen, namentlich die neu in Anhang I aufgenommenen Projekte, in das nationale Recht ist nicht erforderlich.

Angesichts der untergeordneten Tragweite und der begrenzten Auswirkungen der Änderungen zum Übereinkommen wurde auf eine Vernehmlassung verzichtet und an deren Stelle eine Anhörung gemäss Artikel 10 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 durchgeführt. Zudem wurden gemäss Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung vom 17. August 200512 über das Vernehmlassungsverfahren die übrigen Bestimmungen dieser Verordnung angewendet.

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200813 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200814 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Da die Änderungen des Übereinkommens zu einer Verbesserung der UVP im grenzüberschreitenden Rahmen führen werden, steht die Vorlage jedoch im Einklang mit dem Ziel Nummer 12 der Legislaturplanung «Schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen».

7

Verfassungsmässigkeit

Als verfassungsrechtliche Grundlage für den Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen dient Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV15), der dem Bund die Befugnis erteilt, Verträge mit anderen Staaten abzuschliessen. Kraft Artikel 166 Absatz 2 BV muss die Bundesversammlung diese Änderungen genehmigen.

11 12 13 14 15

SR 172.061 SR 172.061.1 BBl 2008 753 BBl 2008 8543 SR 101

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Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen internationale Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Das revidierte Übereinkommen ist unbefristet, kann aber jederzeit gekündigt werden. Ein Beitritt zu einer internationalen Organisation ist nicht vorgesehen. Damit bleibt zu klären, ob die Änderungen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Laut Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200216 gelten als rechtsetzend Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Eine völkerrechtliche Norm gilt ausserdem als wichtig, wenn sie aufgrund ihres Gegenstandes in den Geltungsbereich von Artikel 164 Absatz 1 BV fällt und deshalb einen innerstaatlichen Erlass in Form eines Bundesgesetzes erforderlich macht. Die Änderung zu Anhang I des Übereinkommens betrifft die Liste der Vorhaben, die dem Übereinkommen unterstehen, und steht damit im Zusammenhang mit der UVP-Pflicht für neue Anlagen im Sinne von Artikel 10a des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198317. Diese Änderung enthält damit wichtige rechtsetzende Bestimmungen.

Folglich untersteht der Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderungen dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV.

16 17

SR 171.10 SR 814.01

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