Anhang 3

Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung vom 10. Juni 2008

Die Internationale Arbeitskonferenz, die sich in Genf zu ihrer siebenundneunzigsten Tagung versammelt hat, ist der Ansicht, dass die gegenwärtige Globalisierung, die durch die Verbreitung neuer Technologien, die Weitergabe von Ideen, den Austausch von Waren und Dienstleistungen, den Anstieg des Kapitalverkehrs und der Finanzströme, die Globalisierung der Geschäftswelt und ihrer Verfahren, den Dialog sowie den Personenverkehr insbesondere von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekennzeichnet ist, die Arbeitswelt tiefgreifend verändert: ­

Einerseits hat der Prozess der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration einer Reihe von Ländern geholfen, ein hohes Wirtschaftswachstum zu erzielen, Arbeitsplätze zu schaffen, viele ländliche Gebiete in die moderne Stadtwirtschaft zu integrieren, die eigenen Entwicklungsziele voranzutreiben und die Innovation bezüglich Produktentwicklung sowie die Weitergabe von Ideen anzuregen.

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Andererseits hat die weltweite wirtschaftliche Integration dazu geführt, dass viele Länder und Branchen vor grossen Herausforderungen stehen, betreffend Einkommensungleichheit, andauernd hohe Arbeitslosen- und Armutsquoten, Anfälligkeit der Volkswirtschaften für Erschütterungen von aussen, Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheit und Schattenwirtschaft und deshalb Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und den damit verbundenen Schutz haben.

anerkennt, dass es unter diesen Umständen noch wichtiger ist, für bessere Ergebnisse zu sorgen, die auf alle gerecht verteilt werden, um so auf das weltweite Streben nach sozialer Gerechtigkeit zu reagieren, Vollbeschäftigung zu erzielen, den Fortbestand offener Gesellschaften und der Weltwirtschaft zu sichern, sozialen Zusammenhalt zu ermöglichen und wachsende Armut und Ungleichheit zu bekämpfen.

ist davon überzeugt, dass der Internationalen Arbeitsorganisation bei der Förderung und Verwirklichung von Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit in einem sich stets wandelnden Umfeld eine entscheidende Rolle zukommt: ­

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basierend auf dem Auftrag, der in der Verfassung der IAO einschliesslich der Erklärung von Philadelphia (1944) festgelegt wurde, welche im XXI Jahrhundert weiterhin von umfassender Bedeutung ist, die Politik ihrer Mitglieder inspirieren sollte und die neben anderen Zielen, Vorgaben und Prinzipien: ­ bekräftigt, dass Arbeit keine Ware ist und dass Armut, dort wo sie existiert, eine Gefahr für den Wohlstand aller darstellt;

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anerkennt, dass der IAO die feierliche Verpflichtung zukommt, weltweit die Umsetzung von Programmen zwischen den Nationen zu begleiten, über die sich ihre Ziele verwirklichen lassen, nämlich Vollbeschäftigung, Verbesserung der Lebensstandards, Mindestlöhne und die Ausweitung von Massnahmen zur sozialen Sicherheit, um allen, die es benötigen, ein Grundeinkommen zu gewährleisten, sowie die Verwirklichung aller anderen in der Erklärung von Philadelphia genannte Ziele; erteilt der IAO den Auftrag, alle internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken im Lichte der sozialen Gerechtigkeit als grundlegendem Ziel zu untersuchen und zu überdenken;

gestützt auf die Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihren Folgemassnahmen (1998) und unter Bekräftigung dieser Erklärung, in der die Mitglieder in der Erfüllung des Auftrags der Organisation die besondere Bedeutung der Grundrechte anerkennen, nämlich der Vereinigungsfreiheit und der effektiven Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen, der Beseitigung aller Formen von Zwangsoder Pflichtarbeit, der effektiven Abschaffung von Kinderarbeit und der Beseitigung von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf;

sieht sich ermutigt durch die Tatsache, dass die internationale Staatengemeinschaft menschenwürdige Arbeit als ein wirkungsvolles Mittel anerkennt, mit dem sich die Herausforderungen der Globalisierung bewältigen lassen, wie dies hervorgeht aus: ­

den Ergebnissen des Weltgipfels für soziale Entwicklung 1995 in Kopenhagen;

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der breiten Unterstützung, die das von der IAO entwickelte Konzept einer menschenwürdigen Arbeit auf weltweiter und regionaler Ebene zu wiederholten Malen erhalten hat;

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der Zustimmung der Staats- und Regierungschefs auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen 2005 für eine gerechte Globalisierung und Ziele der produktiven Vollbeschäftigung und menschenwürdigen Arbeit für alle als grundlegende Ziele ihrer betreffenden nationalen und internationalen Politik;

ist überzeugt, dass in einer Welt, gekennzeichnet durch steigende gegenseitige Abhängigkeit und Komplexität sowie durch Internationalisierung der Produktion: ­

die Grundwerte Freiheit, Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und Nichtdiskriminierung für eine nachhaltige Entwicklung und Effizienz in Sachen Wirtschaft und Soziales wesentlich sind;

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der soziale Dialog und die Praxis des Tripartismus zwischen den Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden auf nationaler und internationaler Ebene heute mehr denn je relevant ist, um Lösungen zu finden und den sozialen Zusammenhalt sowie den Rechtsstaat unter anderem mit Hilfe internationaler Arbeitsnormen zu festigen;

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die Bedeutung des Arbeitsverhältnisses als es ein Mittel zur Sicherung des arbeitsrechtlichen Schutzes anerkannt werden muss;

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nachhaltige, rentable Produktionsunternehmen in Verbindung mit einer soliden Sozialwirtschaft und einem existenzfähigen öffentlichen Sektor für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten unabdingbar sind;

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der geänderten Trilateralen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (1977), die sich mit der wachsenden Rolle dieser Handlungsträger bei der Verwirklichung der Ziele der Organisation auseinandersetzt, eine besondere Bedeutung zukommt;

anerkennt, dass die Organisation angesichts der heutigen Herausforderungen ihre Bemühungen verstärken und all ihre Instrumente nutzen muss, um die Verwirklichung ihrer Verfassungsziele zu fördern und dass sie diesen Bemühungen mehr Wirksamkeit verleiht und die eigene Hilfskapazität für Mitglieder, die bestrebt sind, die Ziele der IAO in einer globalisierten Welt umzusetzen, erhöht, indem sie: ­

einen schlüssigen und abgestimmten Ansatz wählt, um die Ausarbeitung eines globalen und integrierten Verfahrens in Übereinstimmung mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit und den vier strategischen Zielen der IAO voranzutreiben und gleichzeitig die zwischen ihnen bestehenden Synergien nutzen zu können;

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ihre institutionellen Praktiken und die Führung anpasst, um unter genauer Einhaltung des Rahmens und der geltenden verfassungsrechtlichen Verfahren die Wirksamkeit und Effizienz derselben zu erhöhen;

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den Auftraggebern hilft, die Bedürfnisse, die sie auf nationaler Ebene in eine ausgiebigen Diskussion zwischen den drei Beteiligten eingebracht haben, zu befriedigen, indem sie ihnen qualitative Informationen, Beratung und technische Programme zur Verfügung stellt, die zur Erfüllung der genannten Bedürfnisse im Rahmen der Verfassungsziele der IAO beitragen;

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ihre Normungspolitik als einen Eckpfeiler der IAO-Tätigkeit fördert, indem sie ihre Relevanz für die Arbeitswelt erhöht und sicherstellt, dass die Normen ihre Rolle bei der Verwirklichung der Verfassungsziele der Organisation korrekt erfüllen; und verabschiedet somit am heutigen 11. Juni zweitausendacht die vorliegende Erklärung.

I. Umfang und Grundsätze Die Konferenz anerkennt und erklärt Folgendes: A.

In einer sich immer rascher wandelnden Welt, das Engagement und die Bemühungen der Mitglieder und der Organisation zielen darauf den Verfassungsauftrag der Organisation insbesondere mit Hilfe internationaler Arbeitsnormen zu erfüllen und die produktive Vollbeschäftigung sowie die menschenwürdige Arbeit in den Mittelpunkt der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu rücken, und sollten sich auf die vier strategisch gleichbedeutenden 4259

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Ziele der IAO stützen, auf die sich die Agenda für menschenwürdige Arbeit bezieht und die sich wie folgt darstellen lassen: i) Förderung von Beschäftigung durch die Schaffung eines nachhaltigen wirtschaftlichen und institutionellen Rahmens, so dass: ­ die Einzelpersonen erforderliche Kapazitäten und Kompetenzen erwerben und erneuern können, damit sie auf produktive Weise zur persönlichen Entfaltung und für den Wohlstand der Allgemeinheit arbeiten können; ­ die Gesamtheit der Unternehmen, ob öffentlich oder privat, nachhaltig wirtschaftet, um das Wachstum zu fördern und für alle bessere Möglichkeiten und Perspektiven hinsichtlich des Einkommens und der Beschäftigung zu schaffen; ­ die Gesellschaften ihre Ziele in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und sozialen Fortschritt verwirklichen und einen angemessenen Lebensstandard erlangen können; ii) Ergreifen und Verstärken von nachhaltigen und an die nationalen Gegebenheiten angepassten Sozialschutzmassnahmen (soziale Sicherheit und Schutz der Arbeitnehmer), insbesondere: ­ indem die soziale Sicherheit, einschliesslich der Massnahmen zur Sicherung eines Grundeinkommens für all jene, die diesen Schutz benötigen, auf alle ausgeweitet und der Anwendungsbereich und Umfang der Massnahmen angepasst wird, um auf Unsicherheiten und neue Bedürfnisse antworten zu können, die durch den raschen technischen, gesellschaftlichen, demographischen und wirtschaftlichen Wandel hervorgerufen werden; ­ durch Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleisten; ­ durch die Möglichkeit aller, über Gehälter und Verdienste, die Arbeitsdauer und die sonstigen Arbeitsbedingungen sowie durch die Gewährung eines Mindesteinkommens aller jene, die eines solchen Schutzes bedürfen, an den Früchten des Fortschritts gerecht beteiligt zu werden; iii) Förderung des sozialen Dialogs und des Tripartismus als die am besten geeigneten Methoden für: ­ eine auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten des jeweiligen Landes abgestimmte Umsetzung der strategischen Ziele; ­ die Umwandlung der wirtschaftlichen Entwicklung in sozialen Fortschritt, und des sozialen Fortschritts in wirtschaftliche Entwicklung; ­ erleichteres Zustandekommen eines Konsenses hinsichtlich relevanter nationaler und internationaler Politiken, die sich auf die Strategien und Programme für Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit auswirken;

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die effektive Gestaltung der Gesetzgebung und der Beschäftigungseinrichtungen, insbesondere in Bezug auf die Anerkennung des Arbeitsverhältnisses, die Förderung guter Arbeitsbeziehungen und die Einrichtung wirksamer Arbeitsaufsichtssysteme; iv) Einhaltung, Förderung und Umsetzung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, denen eine besondere Bedeutung zukommt, insofern als sie Rechte und Bedingungen darstellen, die für die umfassende Verwirklichung der strategischen Ziele notwendig sind, wobei: ­ die Koalitionsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen für die Verwirklichung der vier strategischen Ziele von besonderer Bedeutung sind; ­ die Verletzung grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit nicht als legitimer Wettbewerbsvorteil geltend gemacht oder zu diesem Zweck genutzt und die Beschäftigungsnormen nicht für handelsprotektionistische Zwecke verwendet werden dürfen.

B.

Diese vier strategischen Ziele sind untrennbar miteinander verbunden, voneinander abhängig und stärken sich gegenseitig. Wird die Förderung eines einzelnen Ziels vernachlässigt, so beeinträchtigt dies auch die Umsetzung aller anderen. Damit ein optimaler Erfolg gewährleistet wird, müssen die Bemühungen um eine Förderung dieser Ziele in eine globale und integrierte Strategie der IAO für menschenwürdige Arbeit eingebunden werden. Die Gleichheit von Männern und Frauen und die Nichtdiskriminierung sind in Bezug auf die vorgenannten strategischen Ziele als Querschnittsthemen zu betrachten.

C.

Es ist Aufgabe der einzelnen Mitglieder, unter Vorbehalt der von ihnen eingegangenen internationalen Verpflichtungen sowie der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit über die Umsetzung der strategischen Ziele zu entscheiden, wobei sie unter anderem folgende Punkte genau zu berücksichtigen haben: i) die nationalen Bedingungen und Gegebenheiten sowie die von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vorgebrachten Prioritäten und Bedürfnisse; ii) die wechselseitige Abhängigkeit, Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen Mitgliedern der IAO, die in einer globalisierten Wirtschaft mehr denn je relevant erscheinen; iii) die Grundsätze und Bestimmungen der internationalen Arbeitsnormen.

II. Umsetzungsmethode Im Übrigen erkennt die Konferenz in einer globalisierten Wirtschaft Folgendes an: A.

Die Umsetzung der Bestimmungen aus Abschnitt I dieser Erklärung setzt voraus, dass die IAO die Anstrengungen ihrer Mitglieder in geeigneter Weise unterstützt. Deswegen sollte die Organisation ihre institutionellen Praktiken überdenken und anpassen, damit sie die Führung der Organisation 4261

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verbessern und ihre Kapazitäten verstärken kann, so dass sie ihre personalen und finanziellen Mittel und den eindeutigen Vorteil, den ihre dreigliedrige Struktur und ihr Normungssystem bieten, bestmöglich nutzen kann: i) Die Bedürfnisse der Mitglieder in Bezug auf die einzelnen strategischen Ziele und die Arbeit der IAO, um im Rahmen einer wiederkehrenden und in die Tagesordnung der Konferenz aufgenommenen Frage auf diese Bedürfnisse zu antworten, werden besser verstanden, so dass: ­ sich feststellen lässt, auf welche Weise die IAO über eine Koordinierung all ihrer Instrumente auf diese Bedürfnisse wirksamer reagieren kann; ­ die erforderlichen Mittel, um diesen Bedürfnissen nachzukommen, festgelegt und gegebenenfalls weitere Mittel angezogen werden können; ­ der Verwaltungsrat und das Internationale Arbeitsamt in der Erfüllung ihrer Aufgaben geleitet werden können.

ii) Ihre technischen Zusammenarbeit und die von ihr angebotene Begutachtung werden gestützt und koordiniert, damit: ­ die von den einzelnen Mitgliedern erbrachten Anstrengungen unterstützt und bekräftigt werden, um die Verwirklichung aller strategischen Ziele mit Unterstützung der Regierung und der Sozialpartner, gegebenenfalls über nationale Programme für menschenwürdige Arbeit und in Verbindung mit dem System der Vereinten Nationen zu fördern; ­ sie wo immer erforderlich helfen kann, die institutionelle Fähigkeit der Mitgliedstaaten und die der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu stärken, und so die Durchführung einer kohärenten und einschlägigen Sozialpolitik sowie eine nachhaltige Entwicklung zu erleichtern.

iii) Mit Hilfe der empirischen Analyse und durch die Besprechung konkreter Erfahrungen zwischen den drei Akteuren werden das Verständnis und der Austausch von Erkenntnissen über die zwischen den strategischen Zielen bestehenden Synergien verbessert, dies geschieht unter freiwilliger Beteiligung der betreffenden Länder und dient dazu, den Mitgliedern in Bezug auf das Potenzial und die Herausforderungen der Globalisierung Entscheidungshilfen zu geben.

iv) Sie leistet Mitgliedern, die darum ersuchen und die strategischen Ziele im Rahmen bilateraler oder multilateraler Abkommen parallel voranbringen möchten, Hilfe, soweit diese Abkommen mit den Verpflichtungen, die diese Mitglieder der IAO gegenüber zu erfüllen haben,
vereinbar sind.

v) Nach Rücksprache mit nationalen und internationalen Arbeitnehmerund Arbeitgeberorganisationen geht die IAO neue Partnerschaften mit nichtstaatlichen Einrichtungen und Wirtschaftsakteuren wie multinationalen Unternehmen oder Gewerkschaften, die in einem Bereich auf internationaler Ebene tätig sind, ein, um die Effizienz ihrer Tätigkeiten und Programme zu erhöhen, die Mithilfe der Partner in angemessener 4262

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Weise zu sichern und die strategischen Ziele der IAO unter Zuhilfenahme aller weiteren Mittel zu fördern.

B.

Gleichzeitig übernehmen die Mitglieder eine grundlegende Verantwortung, indem sie sich über ihre Sozial- und Wirtschaftspolitik an einer globalen und integrierten Strategie zur Umsetzung der strategischen Ziele beteiligen, zu denen auch die in Abschnitt I dieser Erklärung genannte Agenda für menschenwürdige Arbeit zählt. Die Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit auf nationaler Ebene ist von den Bedürfnissen und Prioritäten der Mitgliedstaaten abhängig und es ist deren Aufgabe, nach Absprache mit den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zu entscheiden, wie dieser Aufgabe nachzukommen ist. Dafür haben sie folgende Möglichkeiten: i) Sie können eine nationale oder regionale Strategie für menschenwürdige Arbeit entwickeln, die sich auf sämtliche Prioritäten stützt, mit denen sich die strategischen Ziele auf integrierte Weise verwirklichen lassen.

ii) Sie können, falls nötig mit Unterstützung des IAA, passende Indikatoren oder Statistiken erstellen, mit deren Hilfe sich die erzielten Fortschritte beobachten und auswerten lassen.

iii) Sie können ihre Situation in Bezug auf die Ratifizierung oder Anwendung der IAO-Instrumente überprüfen, um die Abdeckung der einzelnen strategischen Ziele kontinuierlich auszuweiten, indem sie Instrumenten aus dem Bereich der Kernarbeitsnormen den Vorzug geben, sowie jenen, die in Bezug auf die Führung als besonders wesentlich angesehen werden und den Tripartismus, die Beschäftigungspolitik und die Arbeitsaufsicht betreffen.

iv) Sie können geeignete Massnahmen für eine adäquate Koordinierung der in ihrem Namen in relevanten internationalen Foren vorgebrachten Haltungen ergreifen ebenso wie alle angesichts dieser Erklärung geeigneten Massnahmen.

v) Sie können nachhaltige Unternehmen fördern.

vi) Sie können unter Umständen geeignete nationale und regionale Praktiken, die aus gelungenen nationalen oder regionalen Initiativen gewählt wurden und sich auf menschenwürdige Arbeit beziehen, untereinander austauschen.

vii) Sie können auf bilateraler, regionaler oder multilateraler Ebene und soweit es ihre Mittel erlauben, die Bemühungen anderer Mitglieder auf angemessene Weise unterstützen um den Grundsätzen und Zielen dieser Erklärung Wirkung zu verleihen.

C.

Andere internationale und regionale Organisationen, deren Auftrag angrenzende Bereiche betrifft, können einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung dieses integrierten Ansatzes leisten. Die IAO sollte sie auffordern, menschenwürdige Arbeit zu fördern, wobei selbstverständlich jede Institution ihren Auftrag ohne Einmischung von aussen selbst erfüllt. Nachdem die Handelsund Finanzmarktpolitik Auswirkungen auf die Beschäftigung hat, ist es 4263

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Aufgabe der IAO, diese Wirkungen zielgerecht, nämlich der zentralen Stellung, die der Beschäftigung im Rahmen der Wirtschaftspolitik zukommen soll, zu beurteilen.

III. Schlussbestimmungen A.

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes sorgt dafür, dass alle Mitglieder diese Erklärung erhalten und über sie auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, die internationalen Organisationen, die auf regionaler und internationaler Ebene für angrenzende Bereiche zuständig sind, sowie alle sonstigen Einrichtungen, die der Verwaltungsrat bestimmt.

Die Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen müssen die Erklärung in allen einschlägigen Foren, an denen sie sich selbst beteiligen oder sich vertreten lassen könnten, bekanntgeben und sie auf jede erdenkliche Weise an andere, potentiell interessierte Einrichtungen weitergeben.

B.

Der Verwaltungsrat und der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes haben die für die unverzügliche Anwendung des Abschnitts II dieser Erklärung erforderlichen Einzelheiten festzulegen.

C.

Sobald es der Verwaltungsrat für richtig erachtet wird die Wirkung dieser Erklärung, insbesondere jener Massnahmen, die eine Anwendung der Erklärung fördern, von der Internationalen Arbeitskonferenz gemäss den vom Verwaltungsrat festgelegten Bestimmungen überprüft, um zu entscheiden, welche Massnahmen geeignet erscheinen.

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Anhang

Überwachung der Erklärung I. Allgemeines Ziel und Geltungsbereich A.

Zweck dieser Folgemaßnahmen ist es, die Mittel zu bestimmen, mit deren Hilfe die Organisation die Bemühungen ihrer Mitglieder zur Umsetzung ihrer Verpflichtung zur Verfolgung der vier strategischen Ziele unterstützen wird, die für die Erfüllung des Verfassungsauftrags der Organisation wichtig sind.

B.

Mit diesen Folgemaßnahmen sollen im größtmöglichen Umfang alle Aktionsmittel genutzt werden, die gemäß der Verfassung der IAO zur Erfüllung ihres Mandats zur Verfügung stehen. Einige der Maßnahmen zur Unterstützung der Mitglieder können eine gewisse Anpassung der bestehenden Durchführungsmodalitäten von Artikel 19, Absatz 5 e) und 6 d), der Verfassung der IAO erforderlich machen, ohne dass dadurch die Berichterstattungspflichten von Mitgliedstaaten zunehmen würden.

II. Maßnahmen der Organisation zurUnterstütung ihrer Mitglieder Verwaltung, Ressourcen und externe Beziehungen A.

Der Generaldirektor ergreift alle erforderlichen Massnahmen, indem er unter anderem alle geeigneten Vorschläge dem Verwaltungsrat unterbreitet und so die Mittel gewährleistet, mit denen die Organisation ihre Mitglieder in deren Bemühungen um eine Erfüllung dieser Erklärung unterstützt. Diese Massnahmen umfassen, wie in der Erklärung angegeben, die Untersuchung und Anpassung der institutionellen Praktiken und Führung der IAO und müssen folgende Notwendigkeiten berücksichtigen: i) Zusammenhalt, Koordinierung und Zusammenarbeit innerhalb des Internationalen Arbeitsamtes müssen gewährleistet werden, damit es seine Funktion erfüllen kann.

ii) Operative Politiken und Fähigkeiten müssen verstärkt und aufrechterhalten werden.

iii) Ressourcen, Verwaltungsprozesse und institutionelle Strukturen müssen effizient und wirksam genutzt werden.

iv) Adäquate Kompetenzen und eine angemessene Wissensgrundlage sowie wirksame Führungsstrukturen müssen vorhanden sein.

v) Wirkungsvolle Partnerschaften im Rahmen der Vereinten Nationen und des multilateralen Systems müssen gefördert werden, um die Programme und Arbeiten der IAO zu stärken oder die Ziele der Organisation auf andere Weise zu fördern.

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vi) Die für die Führung wichtigsten Normen müssen erkannt, aktualisiert und gefördert werden.1 Die Situation und die Bedürfnisse der Mitglieder verstehen und beantworten B.

Die Organisation errichtet über die Internationale Arbeitskonferenz gemäss den vom Verwaltungsrat beschlossenen Einzelbestimmungen ein System wiederkehrender Diskussionen, das sich mit den Kontrollmechanismen der IAO nicht überschneiden darf, um: i) die Situation und die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitglieder in Bezug auf die einzelnen strategischen Ziele besser zu verstehen und wirksamer zu beantworten, wobei sie alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einschliesslich der Normung, der technischen Zusammenarbeit sowie der technischen Kapazitäten und Forschungskapazitäten des Internationalen Arbeitsamtes nutzt und ihre Prioritäten und Aktionsprogramme dementsprechend anpasst; ii) den Erfolg der IAO-Arbeit zu beurteilen, damit Entscheidungen hinsichtlich der Programme, des Budgets und anderer die Führung betreffenden Aspekte erleichtert werden.

Technische Unterstützung und beratende Dienste C.

1

Die Organisation liefert auf Bitte der Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, im Rahmen ihres Auftrags alle erdenklichen Hilfen, die die Bemühungen ihrer Mitglieder bei der Umsetzung der strategischen Ziele im Rahmen einer kohärenten und integrierten nationalen oder regionalen Strategie auf geeignete Weise unterstützen; dazu gehört auch: i) die Verstärkung und Koordination ihrer technischen Kooperation im Rahmen nationaler Programme für menschenwürdige Arbeit und im System der Vereinten Nationen; ii) die allgemeine Begutachtung und Hilfe, die jedes Mitglied im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Strategie verlangen darf und die Untersuchung von Möglichkeiten innovierender Partnerschaften zur Umsetzung der Strategie; iii) die Ausarbeitung geeigneter Mittel, mit denen sich die erzielten Fortschritte und der Einfluss messen lassen, den andere Faktoren und Politiken auf die Bemühungen der Mitglieder ausüben könnten;

Das Übereinkommen (Nr. 81) über die Arbeitsaufsicht, 1947, das Übereinkommen (Nr. 122) über die Beschäftigungspolitik, 1964, das Übereinkommen (Nr. 129) über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, und das Übereinkommen (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976, sowie die in später aktualisierten Listen aufgeführten Normen.

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iv) die Auseinandersetzung mit den spezifischen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Entwicklungsländer und der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, insbesondere über eine Mobilisierung der Ressourcen.

Erforschen, Sammeln und Teilen von Informationen D.

Die Organisation ergreift alle Massnahmen, die für den Ausbau ihrer Forschungskapazität, ihrer empirischen Erkenntnisse und ihrer Kenntnis der Art und Weise, in der sich die strategischen Ziele gegenseitig beeinflussen, geeignet sind und trägt zu sozialem Fortschritt, unternehmerischer Nachhaltigkeit, nachhaltiger Entwicklung und Beseitigung der Armut in der Weltwirtschaft bei. Diese Massnahmen können den Erfahrungsaustausch zwischen Regierungen und Sozialpartnern sowie sinnvolle Praktiken auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene umfassen, und zwar im Rahmen von: i) eigens durchgeführten Studien auf Basis freiwilliger Zusammenarbeit von Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in den betroffenen Ländern, oder ii) anderer Vereinbarungen, beispielsweise Untersuchungen durch Ebenbürtige, die die betreffenden Mitglieder vielleicht erstellen möchten oder an denen sie bereit sind freiwillig teilzunehmen.

III. Beurteilung durch die Konferenz A.

Die Wirkung dieser Erklärung, vor allem hinsichtlich ihres Beitrags zur Förderung der Ziele und Vorgaben der Organisation über eine integrierte Umsetzung der strategischen Ziele, wird einer Beurteilung durch die Konferenz unterzogen, die in zeitlichen Abständen im Rahmen einer in der Tagesordnung notierten Punkt wiederholt werden kann.

B.

Das Internationale Arbeitsamt bereitet für die Konferenz einen Bericht vor, der die Wirkung der Erklärung beurteilt und Informationen über folgende Punkte enthält: i) Handlungen oder Massnahmen, die aufgrund dieser Erklärung ergriffen wurden, diese Informationen können von den tripartiten Auftraggebern insbesondere in den Regionen über die Dienststellen des IAA geliefert werden oder aus anderen zuverlässigen Quellen entstammen; ii) Massnahmen, die vom Verwaltungsrat oder dem Internationalen Arbeitsamt ergriffen wurden und die Überwachung relevanter Fragen zu Führung, Kapazität und Wissensgrundlage bei der Verfolgung der strategischen Ziele sichern; hierzu gehören auch die Programme und Arbeiten der IAO sowie deren Auswirkung; iii) die eventuelle Wirkung der Erklärung auf andere interessierte internationale Organisationen.

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C.

Interessierte multilaterale Einrichtungen können sich an der Beurteilung der Auswirkungen und der damit einhergehenden Diskussion beteiligen. Andere interessierte Einrichtungen können auf Einladung des Verwaltungsrats dieser Diskussion beiwohnen und sich daran beteiligen.

D.

Aufgrund dieser Beurteilung entscheidet die Konferenz, ob weitere Beurteilungen oder andere geeignete Handlungen erfolgen sollen.

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