Bundesbeschluss über die Reform der Justiz vom 8. Oktober 1999

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 20. November 19961, beschliesst: I Die Bundesverfassung vom 18. April 19992 wird wie folgt geändert: Art. 29a

Rechtsweggarantie

Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.

Art. 122

Zivilrecht

1

Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts ist Sache des Bundes.

2

Für die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivilsachen sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.

3

Aufgehoben

Art. 123

Strafrecht

1

Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts ist Sache des Bundes.

2 Für die Organisation der Gerichte, die Rechtsprechung in Strafsachen sowie den Straf- und Massnahmenvollzug sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.

3

1 2

Bisheriger Abs. 2

BBl 1997 I 1 AS 1999 2556

1999-5342

8633

Reform der Justiz. BB

II Das vierte Kapitel des fünften Titels der Bundesverfassung vom 18. April 19993 wird durch folgende Bestimmungen ersetzt:

4. Kapitel: Bundesgericht und andere richterliche Behörden Art. 188

Stellung des Bundesgerichts

1

Das Bundesgericht ist die oberste rechtsprechende Behörde des Bundes.

2

Das Gesetz bestimmt die Organisation und das Verfahren.

3

Das Gericht verwaltet sich selbst.

Art. 189 1

Zuständigkeiten des Bundesgerichts

Das Bundesgericht beurteilt Streitigkeiten wegen Verletzung: a.

von Bundesrecht;

b.

von Völkerrecht;

c.

von interkantonalem Recht;

d.

von kantonalen verfassungsmässigen Rechten;

e.

der Gemeindeautonomie und anderer Garantien der Kantone zu Gunsten von öffentlich-rechtlichen Körperschaften;

f.

von eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die politischen Rechte.

2

Es beurteilt Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen.

3

Das Gesetz kann weitere Zuständigkeiten des Bundesgerichts begründen.

4

Akte der Bundesversammlung und des Bundesrates können beim Bundesgericht nicht angefochten werden. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.

Art. 190

Massgebendes Recht

Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend.

Art. 191 1

Zugang zum Bundesgericht

Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht.

2

Für Streitigkeiten, die keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffen, kann es eine Streitwertgrenze vorsehen.

3

AS 1999 2556

8634

Reform der Justiz. BB

3 Für bestimmte Sachgebiete kann das Gesetz den Zugang zum Bundesgericht ausschliessen.

4 Für offensichtlich unbegründete Beschwerden kann das Gesetz ein vereinfachtes Verfahren vorsehen.

Art. 191a

Weitere richterliche Behörden des Bundes

1

Der Bund bestellt ein Strafgericht; dieses beurteilt erstinstanzlich Straffälle, die das Gesetz der Gerichtsbarkeit des Bundes zuweist. Das Gesetz kann weitere Zuständigkeiten des Bundesstrafgerichts begründen.

2

Der Bund bestellt richterliche Behörden für die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung.

3

Das Gesetz kann weitere richterliche Behörden des Bundes vorsehen.

Art. 191b

Richterliche Behörden der Kantone

1

Die Kantone bestellen richterliche Behörden für die Beurteilung von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sowie von Straffällen.

2

Sie können gemeinsame richterliche Behörden einsetzen.

Art. 191c

Richterliche Unabhängigkeit

Die richterlichen Behörden sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet.

III 1

Dieser Beschluss untersteht der Abstimmung des Volkes und der Stände.

2

Die Bundesversammlung bestimmt das Inkrafttreten.

Nationalrat, 8. Oktober 1999

Ständerat, 8. Oktober 1999

Die Präsidentin: Heberlein Der Protokollführer: Anliker

Der Präsident: Rhinow Der Sekretär: Lanz

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