99.026 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Korruptionsstrafrechts) sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 19. April 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend die Korruption sowie den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Übereinkommens vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr.

Wir beantragen Ihnen ferner, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1994

P

93.3656

1997

M 96.3457

Bestechung ausländischer Beamter (N 18. 3. 94, Rechsteiner) Korruptionsfälle, gesetzgeberische Konsequenzen (S 11. 12. 96, Schüle; N 5. 6. 97)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. April 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-4574

5497

Übersicht Wie viele andere Staaten ist auch die Schweiz in jüngerer Zeit verstärkt mit dem Problem der Korruption konfrontiert worden. Grössere Bestechungsfälle im Inland haben den Reformbedarf des geltenden Bestechungsstrafrechts deutlich gemacht.

Auf internationaler Ebene hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass auch der grenzüberschreitenden Korruption mit den Mitteln des Strafrechts entgegengetreten werden muss. Diese Überzeugung hat ihren Niederschlag namentlich in dem im Rahmen der OECD abgeschlossenen Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr gefunden. Bereits am 15. Februar 1999 ist das Übereinkommen in Kraft getreten; 12 der 34 Unterzeichnerstaaten hatten es zu diesem Zeitpunkt ratifiziert.

Mit dieser Vorlage sollen die Schwächen des geltenden Rechts bei der Bekämpfung der inländischen und grenzüberschreitenden Bestechung behoben und die Voraussetzungen für den Beitritt der Schweiz zur OECD-Konvention geschaffen werden.

Zu diesem Zweck werden im Einzelnen folgende wesentliche Neuerungen vorgeschlagen: Die Bestechungstatbestände des Schweizerischen Strafgesetzbuches (bisherige Art. 288, 315 und 316) werden neu in einem eigenen Titel zusammengefasst und einer grundlegenden Revision unterzogen. Aktive Bestechung (Art. 322ter E-StGB) wird neu zu einem mit Zuchthaus bedrohten Verbrechen aufgewertet. Dadurch verlängert sich die heute zu kurze Verjährungsfrist bei dieser Straftat. Zudem wird das Waschen von Bestechungsgeldern durchgehend strafbar. Anders als im geltenden Recht werden sodann nicht nur vorgängige Zuwendungen, sondern auch nachträgliche Belohnungen bestraft. Schliesslich decken die neuen Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und der Vorteilsannahme (Art. 322quinquies und 322sexies) Zuwendungen ab, die im Hinblick auf die Amtsführung als solche erfolgen.

Dadurch können namentlich auch als «Anfüttern» bzw. «Klimapflege» bezeichnete Verhaltensweisen bestraft werden, die für den Aufbau der besonders gefährlichen systematischen Korruption typisch sind.

Der neue Tatbestand der aktiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies) ist der entsprechenden Strafnorm für inländische Amtsträger nachgebildet; er unterscheidet sich von Artikel 322ter des Entwurfs lediglich in der Umschreibung
des Tatobjektes (Amtsträger eines fremden Staates oder einer internationalen Organisation). Diese neue Strafnorm bildet zugleich die Hauptvoraussetzung zur Umsetzung der Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr.

Dem Erfordernis, nicht strafwürdige Sachverhalte hinreichend vom Anwendungsbereich der Bestechungsstrafnormen auszunehmen, trägt Artikel 322octies des Entwurfs Rechnung, indem er namentlich sicherstellt, dass in denjenigen Ausnahmefällen, die trotz völlig fehlendem Strafbedürfnis unter die Bestechungstatbestände fallen, ein Verzicht auf Bestrafung möglich wird.

5498

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

11

Ausgangslage

111

Erhöhte Bedeutung der Thematik

Korruption hat sich in den letzten Jahren sowohl in der Schweiz wie auch auf internationaler Ebene zu einem brennenden Thema entwickelt. Sowohl auf eidgenössischer wie auch auf kantonaler Ebene wurden vermehrt Administrativ- und Strafuntersuchungen wegen Bestechung eingeleitet1. Korruptionsfälle waren sodann auch Gegenstand von Abklärungen parlamentarischer Untersuchungskommissionen 2.

Dies hat dazu geführt, dass das Thema Korruption in der öffentlichen Diskussion sowohl in den Medien wie im politischen Diskurs in den Brennpunkt gerückt ist.

So haben allein seit 1990 eidgenössische Parlamentarierinnen und Parlamentarier ca. 40 Vorstösse3 zum Thema eingereicht.

Vorläufig nur einen beschränkt signifikanten Niederschlag hat diese Entwicklung allerdings bis heute in der Verurteilten-Statistik gefunden: Die Zahl der Verurteilungen wegen aktiver und passiver Bestechung in der Schweiz liegt seit Jahren ziemlich konstant bei ca. zehn pro Jahr. Auffällig ist immerhin, dass die Zahl der Verurteilungen wegen Annahme von Geschenken (Art. 316 StGB) von durchschnittlich einer in den Jahren 1987­1994 auf ein Dutzend in den Jahren 1995 und 1996 angestiegen ist4.

Angesichts dieser vergleichsweise bescheidenen Zahlen könnte man versucht sein anzunehmen, das Thema habe in der Schweiz nur geringe Bedeutung. Bereits der Schlussbericht der vom EJPD eingesetzten Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfung und Korruption»5 weist allerdings darauf hin, dass in jüngerer Zeit eine Häufung von bekannt gewordenen Fällen festgestellt werden musste6. Obwohl die Schweiz nach

1

2

3 4

5 6

Im Bund wurden in den letzten Jahren verschiedene Verfahren eröffnet. Zu nennen sind Untersuchungen im VBS, im Bundesamt für Statistik, im Bereiche ETH-Informatik, bei der früheren PTT-Telecom, bei der Käseunion oder beim Amt für Bundesbauten. Die Medien haben auch über zahlreiche kantonale Untersuchungen berichtet, namentlich die Strafuntersuchung im Zürcher Wirtschaftswesen, diverse Verfahren im Kanton Freiburg, Strafverfahren gegen einen Beamten der Basler Fremdenpolizei, gegen Beamte des Waadtländer Elektrizitätswerkes sowie über die Zürcher Klärschlammaffäre. Dies ist lediglich eine Zufallsauswahl, die die Aktualität des Themas dokumentiert.

Vgl. den Bericht der PUK I vom 17. Juli 1997 an den Kantonsrat Zürich in der Affäre Raphael Huber, auf Gemeindeebene den Bericht der Untersuchungskommission «Klärschlammentsorgung 1988­1992» vom 4. Oktober 1996 an den Gemeinderat von Zürich.

Vgl. dazu unten 121.1 Für detaillierte statistische Angaben vgl. Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption» S. 7 und S. 27 ff. Statistiken für die Jahre 1997 und 1998 liegen noch nicht vor.

A.a.O., S. 27­55.

Vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Schüle AB SR 1996 1147 sowie das Referat von Bundesrat Koller an der Jahresversammlung der Schweizerischen Kriminalistischen Gesellschaft vom 24. April 1997, ZStrR 116 S. 125 ff. (127).

5499

wie vor international als wenig korruptes Land gilt7, wird ein erhebliches Dunkelfeld vermutet.

In der Tat kann der Schein trügen. Nachdem in Mailand8, Wien9, Marseille10 und Paris11 Häufungen von Korruptionsfällen entdeckt worden waren, hat man auch in den vor kurzem noch als traditionell korruptionsresistent geltenden Verwaltungen Deutschlands ein erhebliches Ausmass an Bestechlichkeit festgestellt12. Typischerweise haben Verfahren gegen einzelne Personen lawinenartig weitere Ermittlungen ausgelöst. In der Schweiz hat trotz Einzelfällen von Gewicht bisher eine derartige Inflation der Fallzahlen nicht stattgefunden. Mit Blick auf die ihrer Natur nach besonders exponierten Branchen und Verwaltungszweige (so z. B. Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Rüstungswesen, Erteilung von Bau- und Aufenthaltsbewilligungen, Steuerverwaltungen) lässt sich allerdings kaum annehmen, dass die Risiken in der Schweiz prinzipiell geringer sind. Gerade im öffentlichen Beschaffungswesen weisen die Verfahren gewisse Transparenzdefizite auf, die zur Bestechung missbraucht werden könnten13. Hinzu kommt, dass die Anreize zur Bestechung möglicherweise mit der Internationalisierung des Ausschreibungswesens und der Verschärfung der Kartellvorschriften zunächst einmal ansteigen werden14, weil dadurch die bisher verbreiteten Absprachen unter Anbietern erschwert und ihrerseits kriminalisiert15 werden, aber möglicherweise auch, weil vermehrt Anbieter auf Schweizer Märkten auftreten, die sich in ihrem angestammten Tätigkeitsgebiet an korruptive Praktiken gewöhnt haben.

Die geringe Zahl der ausgewiesenen Straffälle in der Schweiz könnte auch daher kommen, dass Verurteilungen unter anderen Titeln ergangen sind und dementsprechend anders verbucht wurden (z. B. als Verfahren wegen ungetreuer Amts- oder Geschäftsbesorgung, z. T. auch wegen Betrugs). Zudem haben laufende grössere Verfahren der jüngsten Zeit noch nicht Eingang in die Verurteilten-Statistik gefunden.

7

8

9 10 11 12

13

14 15

Vgl. etwa den «Corruption Perceptions Index 1998» von Transparency International, der unserem Land Rang 10 in der Liste der am wenigsten korrupten Länder zuweist; für weitere Nachweise vgl. auch Bundesrat Koller in ZStrR 116 S. 127 f.

Vgl. Colombo, Korruption als Flächenbrand, sowie Raith, Korruption: Der Weg in die politische und gesellschaftliche Krise ­ das Beispiel Italiens, in: Friedrich Ebert-Stiftung (Hrsg.), Korruption in Deutschland, Berlin 1995 S. 31 ff.

Rollwagen, Wirtschaftskriminalität im Bauwesen, Vergabe öffentlicher Aufträge, in: Meyerhofer/Jehle (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, Heidelberg 1996 S. 119 ff.

Service Central de Prévention de la Corruption, rapport annuel 1993/94 S. 53 ff.

Service Central de Prévention de la Corruption, rapport annuel 1995.

Für München wird berichtet, dass zwischen 1988 und 1996 insgesamt gegen 1200 Personen Verfahren eröffnet worden seien (Scholz, Die Zeit, Dossier Korruption, 30. 8. 96 S. 9); für Frankfurt wird von 1700 Fällen gesprochen (Udo Müller, Korruption in der öffentlichen Verwaltung, Kriminalistik 47 (1993) S. 509 ff.; Schaupensteiner, Submissionsabsprachen und Korruption im öffentlichen Bauwesen, Zeitschrift für Rechtspolitik, 1993, S. 250).

Michel, Les règles de passation des marchés publiques sous l'aspect du risque de corruption, in: Borghi/Mayer-Bisch (éd.), La corruption l'envers des droits de l'homme, Fribourg 1995 S. 224 ff.; Queloz, Journal de Genève et Gazette de Lausanne, 23. April 1997 S. 3; Pieth, Korruption ­ ein Thema?, Baurechtstagung Freiburg 1997 S. 31 ff. [Pieth 1997 b].

Vgl. das Bundesgesetz vom 6. 10. 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, SR 251).

Vgl. die Anmerkung von Schubarth zu BGHSt 38, 186, in: Baurecht 1993 S. 56 ff.

5500

Hinsichtlich einschlägiger Disziplinarverfahren bestehen im Unterschied zur Strafrechtspflege kaum verlässliche Statistiken, weil die Erledigung häufig amtsintern und zum Teil informell erfolgt. Im Übrigen werden selbst formelle Verfahren eingestellt, wenn Beamte aus dem Amt scheiden. Zudem sind Vorgesetzte im Falle von Korruptionsverdacht nicht in allen Kantonen zur Anzeige verpflichtet. Generell wird vermutet, dass die Verwaltungen nur mit Zurückhaltung zur Anzeige bei den Strafbehörden schreiten. Hinzu kommt, dass Bestechung als Delikt unter Tätern nicht selten im Verborgenen bleibt, da sie vom geschädigten Gemeinwesen oder Privaten oft spät oder gar nie entdeckt wird. Es muss deshalb von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden.

Zusätzliche Aufschlüsse über die Korruptionsrealität lassen sich von aktuellen empirischen Forschungsprojekten im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes 40 («Gewalt im Alltag ­ Organisiertes Verbrechen») des Schweizerischen Nationalfonds erhoffen, welche die Verbreitung der Korruption in der Schweiz untersuchen.

Sie bedienen sich dabei unter anderem einer Umfrage bei kantonalen Justiz- und Verwaltungsbehörden.

Ob die aktuelle Diskussion über Korruption primär auf eine effektive Zunahme der Fälle oder eine gesteigerte Sensibilität gegenüber dem Phänomen zurückzuführen ist, lässt sich somit nicht eindeutig klären. Hingegen muss festgestellt werden, dass sich jüngere Fälle durch ein erhöhtes Mass an Komplexität und Breite auszeichnen: An die Stelle von eher simplen Austauschverhältnissen sind vermehrt auf Dauer angelegte Beziehungsgeflechte mit einer Vielzahl von Amtshandlungen und Vorteilszuwendungen getreten.

Die gesteigerte Bedeutung der Korruption in der Schweiz spiegelt im Übrigen eine weltweite Entwicklung wider. Aus ökonomischer Perspektive werden sowohl für die Ausbreitung des Phänomens wie auch für die Enttabuisierung des Themas insbesondere folgende Gründe verantwortlich gemacht: Die Internationalisierung der Märkte und der technologische Fortschritt, insbesondere im Bereiche der Informatik und der Kommunikation, schaffen neue Gelegenheiten zu weiträumiger Bestechung. Daher sind auch immer mehr Anbieter stärker als früher mit Korruption konfrontiert. Insbesondere für die Industriestaaten hat man sodann einen Wandel im Berufsbild der Beamten für
die Zunahme mitverantwortlich gemacht. Waren bisher jedenfalls in Westeuropa die Tugenden der Genauigkeit, Regelkonformität und Unbestechlichkeit für Beamtenverhalten massgebend, wird nunmehr von Beamten flexibler und innovativer Einsatz ihres Ermessens erwartet16. In einer Gesellschaft, die das finanzielle Fortkommen auf Kosten anderer Werte immer höher gewichtet, muss damit gerechnet werden, dass sich Beamte vermehrt dazu hergeben, die ihnen verliehene Macht zu privatem Vorteil zu missbrauchen. Mit steigendem Konkurrenzdruck geraten sodann Unternehmer leichter in Versuchung, die schlechte Auftragslage mit privaten Zahlungen, etwa an Vergabebeamte, zu verbessern17.

16 17

Zu den Risiken des «New Public Management» vgl. auch Bundesrat Koller in ZStrR 116 S. 128.

Für Beispielfälle vgl. z. B. Neue Zürcher Zeitung 2./3. November 1996 S. 20 sowie Pieth 1997 b S. 30 ff.

5501

112

Begriff und Methoden der Korruption

Korruption ist ein weiter Begriff mit einem präzisen Kern und einem diffusen Rand: Bestechung als der eigentliche Kern der Korruption setzt einen «Bestechungsvertrag» voraus, der auf den Austausch eines nicht zustehenden Vorteils an einen Amtsträger gegen eine pflichtwidrige Handlung (oder Unterlassung) geht. Das Grundmodell setzt also eine (erfolgte oder bloss beabsichtigte) doppelte Pflichtverletzung voraus.

Die Rechtsbegriffe der Korruption sowohl im Beamten- wie im Strafrecht erfassen allerdings auch Vorstufen und schwächere Formen der eigentlichen Unrechtsvereinbarung. Zu diskutieren sind insbesondere die Vorteilsgewährung und -annahme und die nachträgliche Belohnung. «Korruption» hat sodann einen weiten Begriffshof, der die Bevorzugung von Freunden oder Verwandten bei der Ämter- oder Auftragsvergabe sowie weitere Formen der Patronage18 umfasst.

Das Grundmuster der Bestechung, das vom Kauf einzelner Entscheidungen (oder auch Informationen) ausgeht, gibt allerdings die Korruptionsrealität nur sehr beschränkt wieder. Es erfasst die dynamische Dimension unzureichend und isoliert Segmente aus zusammenhängenden Geschehensabläufen: Sowohl auf der Geberwie der Nehmerseite wird die eigentliche Bestechung vor- und nachbereitet. Ohne vorgängige Abklärung der Bestechungsbereitschaft wären das Anbieten wie das Fordern von Vorteilen viel zu riskant. Häufig werden potentielle Empfänger erst auf ihre Zugänglichkeit getestet, und ihre Widerstandskraft wird durch Geschenke allmählich aufgeweicht19. Die Schenkenden geben häufig zunächst ohne Bezug zu konkreten Gegenleistungen. Professionelle Bestechung setzt geradezu darauf, dass wiederholte Zuwendungen und die allmähliche Erhöhung der Beträge, noch immer ohne konkreten Bezug zu einer Gegenleistung, Abhängigkeiten schaffen, ohne gleich sämtliche Abwehrreflexe des Empfängers zu mobilisieren. Gelegentlich spricht man in diesem Zusammenhang von «Anfüttern»20.

Oft geht die Initiative aber auch von der Empfängerseite aus: Der Empfänger lässt durch kalkulierte Inaktivität den potentiellen Geber seine Macht spüren. Es kommt in gewissen Fällen zu regelrechter Nötigung. Vielfach tritt dabei eine Mittelsperson an den künftigen Vorteilsgeber heran21. Wenn sich auf Geber- wie auf Nehmerseite informelle Regeln, fixe Tarife und berufsmässige Zwischenträger etablieren,
spricht man von systematischer Korruption.

Von langer Hand vorbereitet wird bei grösseren Operationen vielfach auch die Finanzabwicklung. Während bereits der Einzelakt regelmässig zu einer Falschverbuchung in der Buchhaltung des Gebers führt, werden Mittel für grössere Bestechungszyklen häufig vorgängig aus der regulären Buchhaltung ausgeschieden22. Typischerweise erfolgt der Aufbau von «schwarzen Kassen» über Sitzgesellschaften

18 19 20

21 22

Balmelli, Die Bestechungstatbestände des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Bern 1996 S. 7.

Pieth 1997b S. 43 f.; für Beispiele vgl. Müller, Korruption in der öffentlichen Verwaltung, Kriminalistik 47 (1993) S. 510.

Schaupensteiner, Gesamtkonzept zur Eindämmung der Korruption, NStZ 16 (1996) S. 409 ff. (413); Vahlenkamp/Knauss, Korruption ­ hinnehmen oder handeln? BKAForschungsreihe Band 33, Wiesbaden 1995, S. 206.

Beispiele im Sachverhalt des Falles Huber und Mitangeklagte, SJZ 92 (1996) S. 13 ff.

Es werden z. B. reguläre Forderungen durch eine Zahlstelle ausserhalb der Bilanz eingezogen, die Forderungen in der Unternehmensrechnung allerdings als «uneinbringlich» oder als Rabatt oder Skonto verbucht.

5502

oder Berufsgeheimnisträger an Off-shore-Finanzplätzen23. Hat sich der Bestechende nicht rechtzeitig vorgesehen, kann es auch vorkommen, dass er sich bei grossen Zahlungen, insbesondere im Umfeld von internationalen Wirtschaftstransaktionen, sehr kurzfristig Liquidität verschaffen muss. Dabei ist die Versuchung gross, sich auf dem Schwarzmarkt bei Geldwäschern mit Bargeld einzudecken. Das Risiko, dass Unternehmen so in den Kontakt mit Exponenten des organisierten Verbrechens geraten, ist nicht von der Hand zu weisen24.

Selbst wenn Bestechung immer wieder auch in Einzelfällen vorkommt, besteht ihr ökonomischer Sinn darin, korruptive Dauerbeziehungen zwischen Marktteilnehmern und Vergabeinstanzen oder Bewilligungsempfängern und Bewilligungsbeamten herzustellen. Die erste «Investition» mag für sich genommen als nicht zielgerichtet erscheinen, zahlt sich aber mit der Zeit aus und bedarf später nur noch kleinerer Erinnerungsleistungen. Bestechung im grossen Stil ist ­ untechnisch ausgedrückt ­ ein Dauerdelikt.

Rechtliche Konstruktionen, die in jedem Fall auf dem konkreten Nachweis der gesamten Unrechtsvereinbarung insistieren, riskieren daher die dynamische Dimension der Bestechung zu verkennen. Kurze Verjährungsfristen führen oftmals dazu, dass Zusammenhänge gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden können, so beispielsweise, wenn das vor Jahren gewährte nicht rückzahlbare «Darlehen» infolge Verjährung nicht mehr mit erst viel später erfolgten pflichtwidrigen Amtshandlungen in Verbindung gebracht werden kann.

113

Die Risiken der systematischen Korruption

Was systematische Korruption bedeutet, zeigt sich an der Entwicklung in gewissen Ländern des Südens besonders drastisch. Korruption kann Staat, Gesellschaft und Wirtschaft wie ein Netz überziehen. Hatten in den Sechziger- und Siebzigerjahren «ökonomische Funktionalisten» zum Teil noch positive Auswirkungen der Korruption postuliert25, hat sich seither die Einschätzung grundlegend gewandelt: Es ist zwar denkbar, dass im Einzelfall ein Gesuchsteller durch entsprechendes Aufgeld schneller als ohne Zahlung zu einem Telefonanschluss gelangt, auf den er ohnehin Anspruch hat. Sein Verhalten wird die Behörde aber längerfristig dazu veranlassen, die beschränkten Ressourcen künstlich weiter zu verknappen und die Anschlusszeiten zu verlängern26. Auch andere «positive Effekte» der Korruption erweisen sich 23

24 25

26

Vgl. Financial Action Task Force on Money Laundering, Shell Company Typology, März 1993; Müller/Wabnitz, Wirtschaftskriminalität, 3. Aufl., München 1993 S. 224; Pieth, Die Praxis der Geldwäscherei, in: Trechsel (Hrsg.), Geldwäscherei, Prävention und Massnahmen zur Bekämpfung, Zürich 1997 S. 11 ff. (20) [Pieth 1997c].

Pieth, International Cooperation to Combat Corruption, in: Eliott (Hrsg.), Corruption and the Global Economy, Washington 1997 S. 121 [Pieth 1997a].

Leff, Economic Development through Bureaucratic Corruption, in: The American Behavioural Scientist, November 1964 S. 8 ff.; Huntington, Political Order in Changing Societies, Newhaven und London 1968 S. 59 ff.; MacMullan, A Theory of Corruption, in: The Sociological Review, 1961, vol. VIII, S. 181 ff.; Scott, Corruption, in: American Political Science Review, 1969, vol. 63, S. 1142 ff.

Beispiele aus Entwicklungsländern belegen, dass breites Ermessen in der Zuteilung von Ressourcen gepaart mit ungenügender Kontrolle und schlechter Bezahlung die Behörde geradezu zur Korruption einlädt, vgl. Klitgaard, National and International Strategies for Reducing Corruption, OECD Symposium on Corruption and Good Governance, Paris 13./14. März 1995 S. 8.

5503

bei Lichte besehen als Folgen einer verkürzten Betrachtung: Dass die Bestechung zu einer Kapitalakkumulation im betreffenden Land beiträgt, ist meist schon deshalb unrichtig, weil die Mittel fast immer im Ausland angelegt und verbraucht werden.

Es darf sodann nicht davon ausgegangen werden, dass sich über dem legalen Markt ein gleichmässig funktionierender Bestechungsmarkt etabliert, der gerade die besten Anbieter begünstigt. Favorisiert werden vielmehr Personen mit den besten Beziehungen und solche, die am ehesten Gewähr für Geheimhaltung bieten.

Systematische Korruption führt indes nicht nur zu Wettbewerbsverfälschung und damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schäden, sondern sie untergräbt auch die demokratischen Grundlagen eines Gemeinwesens, indem die Unparteilichkeit der Behörden und die freie Willensbildung beeinträchtigt werden. Letztlich gefährdet systematische Korruption den demokratischen Rechtsstaat in seiner Existenz. Diese Entwicklung kann in etlichen Staaten Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und auch Osteuropas beobachtet werden.

Es fällt aber immer schwerer, systematische Korruption allein als Problem der Entwicklungsländer zu sehen. Zum einen hat sie auch in unseren Breitengraden unmittelbare Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen: Sie schlägt direkt auf die Chancen der Wirtschaft zurück, ihre Produkte unter fairen Bedingungen auf den Weltmärkten zu verkaufen. Zum andern sind in den letzten zehn Jahren auch in Westeuropa und anderen Industriestaaten (insbesondere auch in Japan und den USA) Verfahren gegen Tausende von Personen eröffnet worden27. Dabei ist wesentlich, dass schon bei einer vergleichsweise geringen Zahl von Aufsehen erregenden Bestechungsfällen das allgemeine Vertrauen in die Integrität von Staat und Behörden irreversiblen Schaden nehmen kann, was wiederum einen Wertezerfall und eine weitere Ausbreitung von Korruption zur Folge haben kann. Es gilt daher, einer solchen Entwicklung durch rechtzeitige Gegenmassnahmen zu begegnen.

114

Reformbedürftigkeit der geltenden Bestechungstatbestände

Aus den Anzeichen dafür, dass Bestechung häufiger und in schwerwiegenderen Formen auftritt als lange Zeit angenommen, ergibt sich noch kein direkter gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Vielmehr ist nach der Tauglichkeit des geltenden Rechts zur Bewältigung der neuen Herausforderungen zu fragen.

114.1

Der Wandel des geschützten Rechtsgutes und die sich daraus ergebenden Konsequenzen

Das geltende Bestechungsstrafrecht ist seit Erlass des StGB noch keiner Revision unterzogen worden. Seine Wurzeln reichen auf die kantonalen Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts zurück28.

Im Zentrum stehen die eigentlichen Bestechungsverbote von Artikel 288 und 315 StGB sowie der Tatbestand der Annahme von Geschenken in Artikel 316 StGB. Da27

28

Colombo in: Friedrich Ebert-Stiftung (Hrsg.), Korruption in Deutschland, Berlin 1995 S. 37 ff.; Service Central de Prévention de la Corruption, rapports annuels, 1993/94 sowie 1995. Vgl. schon oben 111.

Zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. Balmelli S. 34 ff.

5504

neben enthält das StGB einzelne Spezialbestechungstatbestände (Bestechung bei Zwangsvollstreckung nach Art. 168 StGB, Wahlbestechung gemäss Art. 281 StGB).

Sodann sind in Bestechungsverfahren vielfach auch die weiteren Amtsdelikte von Belang (insbesondere Amtsmissbrauch, ungetreue Amtsführung, Verletzung von Amtsgeheimnissen und Urkundenfälschung im Amt). Bei Fällen der Bestechung Privater müssen insbesondere Artikel 4 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb, aber auch Artikel 158 StGB (ungetreue Geschäftsbesorgung) mit in Betracht gezogen werden.

Bei der Beratung des StGB setzte sich Stooss, der Autor der Vorentwürfe, mit seiner Konzeption sowohl in den Expertenkommissionen wie den Räten durch. Er konzentrierte sich auf die eigentliche Bestechung im Sinne der doppelten Pflichtverletzung, der Annahme eines nicht gebührenden Vorteils für eine künftige pflichtwidrige Amtshandlung29. Damit verhalf er einem wichtigen und auch heute noch modernen Prinzip zum Durchbruch: Strafrecht ist äusserst zurückhaltend einzusetzen, nur dann, wenn andere Massnahmen nicht ausreichen. Zudem müssen die Tatbestände möglichst klare Konturen aufweisen und den eigentlichen Unrechtskern bezeichnen.

Dass zusätzlich noch ein Auffangtatbestand der Geschenkeannahme geschaffen wurde, hängt mit der Tradition des 19. Jahrhunderts zusammen, schweren Pflichtverstössen von Beamten im «besonderen Gewaltverhältnis»30 mit Straftatbeständen zu begegnen31. Dass das Bestechungsrecht aus damaliger Sicht weitgehend strafrechtlich überhöhtes Disziplinarrecht war, zeigt sich heute noch daran, dass die aktive Bestechung bloss als Vergehen, die passive dagegen als Verbrechen eingestuft ist. Die Entsprechung zur Geschenkeannahme auf der Aktivseite, die Vorteilsgewährung, wurde überhaupt nicht als strafwürdig betrachtet.

Dies ist denn auch der Ansatzpunkt einer ersten Serie von Revisionsvorschlägen.

Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Auffassung vom Rechtsgut der Bestechungstatbestände gewandelt. An die Stelle der Bestrafung von Ungehorsam von Beamten (und einer Art verselbstständigter schwächerer Teilnahmeform für NichtBeamte) ist die Sorge um die Sachlichkeit und Objektivität der staatlichen Entscheidungsfindung getreten: Die Bestechungsnormen gelten nach heute allgemeiner Auffassung32 bereits
dem abstrakten Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Sachlichkeit staatlicher Tätigkeit. Aus dieser Perspektive ist nicht recht einzusehen, wieso die Handlung des Bestechenden so viel weniger schwer wiegen soll als die des Bestochenen. Natürlich können die konkreten Umstände sehr unterschiedlich liegen, der Bestochene kann fordernd, ja gar erpressend auftreten oder der mächtige Bestechende kann den Beamten zur Pflichtverletzung verleiten. Dem ist vom Richter im Einzelfall Rechnung zu tragen. Er sollte dazu auch im Hinblick auf den Bestechenden über die volle Bandbreite der Sanktionen verfügen. Auch wäre es kaum zu verstehen, wenn Bestechlichkeit wie Bestechung zum Vergehen herabgestuft würde, während beispielsweise die zentralen Vermögensdelikte nun einheitlich zu Verbre-

29 30 31 32

Vgl. Protokoll Exp. Komm. I, 3. Teil S. 262 ff., 4. Teil S. 692 ff.; Protokoll Exp. Komm.

II, Band V S. 185 ff.

Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt a.M. 1990 Nr. 65.

Vgl. Balmelli S. 67 ff.; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar 2. Aufl., Zürich 1997 N. 1 zu Art. 315.

Stratenwerth, Schweiz. Strafrecht, Besonderer Teil II, 4. Aufl., Bern 1995 § 57 N. 1; Trechsel N. 1 zu Art. 316; Balmelli S. 96 f.

5505

chen aufgewertet worden sind33. Daraus ergibt sich als erste Korrektur eine Angleichung der Strafdrohung für «Bestechen» an jene des «Sich-bestechen-Lassens».

Stooss glaubte, die Strafbarkeit der Vorteilsvergabe für pflichtgemässes Handeln verhindern zu müssen, damit nicht gesellschaftlich akzeptierte Verhaltensweisen wie die klassischen Neujahrsgeschenke und Trinkgelder pönalisiert werden34. Zum einen ist die Haltung inkonsequent, weil dann auch auf die Strafbarkeit der Geschenkeannahme hätte verzichtet werden müssen: Die Regelung der Materie hätte dem Beamtenrecht überlassen werden können. Zum andern verkennt diese Auffassung, dass Geschenke erhebliche Beträge erreichen können. Während es stossend erschiene, den Ausdruck spontaner Dankbarkeit für eine besondere Leistung als strafbar zu erklären, zumal wenn das Geschenk massvoll ausfällt, kann die Zuwendung von z. B.

50 000 Franken an einen Beamten auch als Geschenk für dessen ordnungsgemässes Amtshandeln nicht mehr toleriert werden. Dabei können auch 50 000 Franken im Verhältnis zu einem damit zusammenhängenden Grossauftrag dem Gebenden durchaus als Bagatelle erscheinen. Grundsätzlich muss deshalb auch die Geschenkevergabe strafbar sein35.

Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Objektivität staatlicher Entscheidungsprozesse ist allerdings auch in Frage gestellt, wenn kurz nach der Vergabe eines erheblichen Staatsauftrages vom Anbieter vorher nicht vereinbarte 50 000 Franken auf das Privatkonto des Vergabebeamten einbezahlt werden. Solche Beispiele haben dazu geführt, dass die Bundesbehörden auch die Belohnung und Belohnungsannahme auf die Liste der Reformthemen gesetzt haben36.

Bis hierhin wurden Themen angesprochen, die im angrenzenden Ausland längst zu Reformen des Bestechungsstrafrechtes geführt haben37.

Mangels Praxis hat für das Schweizer Recht erst das Grossverfahren in Sachen Huber und Mitangeklagte in Zürich eine Entscheidung der Frage notwendig gemacht, ob auch die zwar erkaufte, aber vom Ergebnis her vertretbare, im Ermessen des Beamten liegende Handlung als pflichtwidrig zu betrachten sei. Die Bedeutung dieser Frage für das genannte Verfahren war erheblich: Wenn ein Beamter bei einer beschränkten Zahl zulässiger Bewilligungen unter valablen Kandidaten denjenigen bevorzugt, der am meisten bietet ­ also die Bewilligung quasi informell
versteigert ­ wäre das Verhalten bei Verneinung einer Pflichtwidrigkeit für den Zahlenden ganz straflos und für den Beamten mit maximal sechs Monaten Gefängnis zu bestrafen.

Die Tat würde zudem bereits nach fünf Jahren relativ bzw. nach siebeneinhalb Jahren absolut verjähren. Wohl zu Recht haben das Zürcher Bezirksgericht38 und im Rechtsmittelverfahren auch das Zürcher Obergericht39 den Verkauf der Ermessens-

33 34 35 36 37

38 39

Vgl. z. B. Art. 138, 139, 140, 146, 147, 156 und 157 StGB.

Zur Gesetzgebungsgeschichte Balmelli: S. 34 ff. (38).

So auch die Forderung der von beiden Räten überwiesenen Motion 96.3457 (Schüle), AB SR 1996 1146 ff. und AB NR 1997 1015 f.

Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption», S. 81.

Für die Revision in Deutschland im Jahre 1974: Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 47 Aufl. München 1995 S. LXX f.; vgl. etwa zu den beiden Antikorruptionsgesetzen in Österreich aus den Jahren 1964 und 1982, Pallin, in: ÖJZ 1982 S. 337; vgl. zum französischen Antikorruptionsgesetz vom 29. 1. 1993, Barth, in: Eser et al.

(Hrsg.), Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, Freiburg i.B. 1997 S. 105 ff; vgl. auch die Art. 318 und 321 des italienischen Codice penale.

Vgl. SJZ 92 (1996) S. 15; Trechsel N. 5 zu Art. 288 m.w.H.

Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 17. September 1998.

5506

entscheidung als Pflichtwidrigkeit gewertet. Wir sind indessen der Auffassung, dass nun in dieser Frage der Gesetzgeber Klarheit schaffen muss.

114.2

Die Forderung nach Beweiserleichterungen

114.21

Problemstellung

Während die Gleichstellung der aktiven und passiven Bestechung sowie der Einbezug der Vorteilsvergabe ins Strafrecht zu den traditionellen Reformthemen gehören, hat die Aufdeckung von Tausenden von Bestechungsfällen im angrenzenden Ausland auf weitere Reformbedürfnisse aufmerksam gemacht: Das Grundmodell der Bestechung erfordert den Nachweis eines Bezugs der Vorteilszuwendung zum (erwarteten) Beamtenhandeln. Die Erfahrung im Ausland hat gezeigt, dass der Nachweis der Bestechung vielfach an diesem Äquivalenzverhältnis scheitert. Sei es, dass zwar Leistung und potenzielle Gegenleistung für sich genommen nachweisbar wären, die Bestimmung der Leistung für eben diesen Zweck aber nicht ohne Fiktion darzutun ist, sei es, dass eine Gegenleistung gar (noch) nicht ersichtlich ist, etwa weil so genannte «Klimapflege» getrieben wurde. In einer besonderen Weise Schwierigkeiten bereitet hat das Äquivalenzprinzip im Zürcher Wirtefall: Zuwendungen und Bewilligungserteilungen lagen zeitlich zum Teil weit auseinander, zum Teil so weit, dass die Teilakte, wenn sie einzeln betrachtet wurden, bereits verjährt waren. Nachdem das Bundesgericht die als willkürlich empfundene Figur des «Fortsetzungszusammenhanges» aufgegeben hatte40, waren die Anklagebehörden in Verlegenheit, wenn sie den faktischen Bestechungszusammenhang auch rechtlich thematisieren wollten. Zwar gelang es, in einzelnen Bezügen eine «verjährungsrechtliche Einheit»41 auch rechtlich herzustellen; dennoch ist im In- wie im Ausland die Forderung erhoben worden, entweder Auffangtatbestände zu schaffen, die vom vollständigen Nachweis einer «Unrechtsvereinbarung» dispensieren und die auch das so genannte «Anfüttern» erfassen sollen42, oder aber die prozessuale Massnahmenpalette zu erweitern43.

40 41 42

43

Vgl. erstmals BGE 116 IV 121 ff. und 117 IV 408 ff. und neuerdings BGE 121 IV 272.

Pieth, Die verjährungsrechtliche Einheit gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB bei Bestechungsdelikten, BJM 1996, S. 57 ff.

Vgl. etwa die Art. 432 ff. des französischen Nouveau Code Pénal, die nicht danach differenzieren, ob die angesonnene Amtshandlung rechtmässig (Vorteilsannahme) oder rechtswidrig (Bestechlichkeit) ist, und die mit Art. 432­12 und 432­13 auch Auffangtatbestände kennen, bei denen eine Kausalbeziehung zwischen Vorteil und Amtshandlung nicht erforderlich ist. Die vor kurzem erfolgte Reform in Deutschland zu den §§ 331 ff.

StGB führte ebenfalls zur strafrechtlichen Erfassung des sog. «Anfütterns», vgl. Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997, Bundesgesetzblatt 1997 Teil I Nr. 58.

Vgl. dazu etwa die postulierte Einführung einer Kronzeugenregelung im Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfung und Korruption», S. 82; vgl. zu Beweiserleichterungen und verwandten prozessualen Instrumenten im nahen und weiten Ausland die illustrativen Länderberichte verschiedener Autoren, in: Eser et al. (Hrsg.) Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, Freiburg i.B. 1997.

5507

114.22

Optionen einer Revision

Die Forderung nach Herabsetzung der Beweisanforderungen bezüglich des Bestechungsvertrags muss sich dem Einwand stellen, dass dadurch die Konturen des Tatbestandes verwischt und der Bezug zum eigentlichen Unrechtskern verdünnt werden44. Die Schaffung noch abstrakterer Gefährdungsdelikte greift weiter ins Vorfeld von Rechtsgutsverletzungen zurück und könnte auch marginale Fälle erfassen, deren Strafwürdigkeit zweifelhaft ist. Das Gesetz muss daher eine adäquate Abgrenzung zu den als nicht strafwürdig empfundenen üblichen Geschenken sowie anderen Formen von Zuwendungen, die als erwünscht gelten (Sponsoring, Drittmittelfinanzierung), sicherstellen.

Aus heutiger Sicht stehen dem Gesetzgeber drei Reformmodelle zur Verfügung: a. Rückzug auf die eigentliche Bestechung Der Ausgangspunkt der Stooss'schen Lösung hatte den strafrechtsdogmatischen Vorzug, dass er sich auf die eigentliche Bestechung/Bestechlichkeit im Sinne der Unrechtsvereinbarung beschränkte und damit zum Vornherein nur zweifelsfrei Strafwürdiges erfasste. Denkbar wäre es, diesen Ansatz beizubehalten, ja, sogar die heute strafbare Geschenkeannahme (Art. 316 StGB) zu entkriminalisieren und deren Sanktionierung ganz dem Disziplinarrecht zu überlassen. Dieser Schritt scheint nur auf den ersten Blick radikal: Ein teilweiser Ausgleich würde dadurch herbeigeführt, dass die hier vorgeschlagenen Kerntatbestände der Bestechung (Art. 322ter und 322quater E-StGB) Ermessenshandlungen gegen Geld den Fällen der Pflichtverletzung explizit gleichstellen. Damit würde die Strafbarkeitslücke auf die Fälle der Geschenkeannahme für gebundenes Verwaltungshandeln reduziert. Eine weitere Einschränkung der Strafbarkeitslücke ergibt sich sodann auch aus der Erfassung der nachträglichen Belohnung/Belohnungsannahme für pflichtwidriges und für Ermessenshandeln durch Artikel 322ter und 322quater des Entwurfs.

Eine solche Konstruktion ohne Auffangtatbestände setzt sich allerdings dem entscheidenden Einwand aus, dass sie sowohl beim Geber wie beim Nehmer auch umfangreichste Geschenke, deren Bezug zu einer bestimmbaren Gegenleistung des Beamten nicht nachweisbar ist, straflos lässt. Dabei kann ein Geschenk von z. B.

100 000 Franken an einen Beamten, das für dessen Amtsführung, aber nicht nachweislich für eine bestimmte Handlung versprochen oder gegeben wird, das Vertrauen
in die Institutionen bereits erheblich in Frage stellen. In der Regel fehlt auch ein adäquates verwaltungsrechtliches Sanktionsinstrumentarium gegen den Geber: Er könnte in Teilbereichen zwar indirekt, etwa durch Ausschluss von Vergabeverfahren, sanktioniert werden. Entsprechende Regelungen müssten aber sowohl in Bund wie Kantonen erst entwickelt werden. Dabei treten durchaus ähnliche Probleme wie bei der Strafbarkeit auf.

b. Auffangtatbestände der Vorteilsvergabe und -annahme Kommt man somit zum Schluss, dass grundsätzlich das Erfordernis besteht, die neuen Kerntatbestände der Bestechung mit Auffangtatbeständen zu ergänzen, so liesse sich folgende Lösung denken: Es würden Auffangtatbestände i.S. des geltenden Artikels 316 StGB vorgesehen. Demnach wäre es auch im Hinblick auf gebundenes 44

Vgl. zur vergleichbaren Problematik im Umweltstrafrecht: Stratenwerth, Das Strafrecht in der Krise der Industriegesellschaft, Basel 1993; und beim Rassismusartikel: Kunz, ZStrR 109, S. 163; vgl. auch Balmelli, S. 88 ff.

5508

Verwaltungshandeln strafrechtlich verboten, Geschenke und Belohnungen anzunehmen. Hinzu käme neu eine entsprechende Strafdrohung gegen die aktive Vergabe von Geschenken und Belohnungen für rechtmässiges Verhalten.

Der Vorzug einer solchen Lösung läge darin, dass jedenfalls auch das Geschenkegeben für pflichtgemässes Amtshandeln klar verboten würde. Weiter ist es einfacher, nicht strafwürdige übliche Bagatellgeschenke auszuklammern, wenn die Strafbarkeit durchgehend die Anknüpfung der Vorteilszuwendung an eine bestimmte Amtshandlung voraussetzt.

Auf der anderen Seite ist hingegen nicht zu verkennen, dass eine derartige Lösung nur in sehr beschränktem Umfang die Funktion eines Auffangtatbestandes übernehmen könnte: Insbesondere würde durch den vorgeschlagenen Einbezug von Ermessenshandlungen in die neuen Kerntatbestände von Artikel 322ter und 322quater EStGB die Anwendbarkeit einer solchen Ergänzungsnorm auf Vorteilszuwendungen und -annahmen für gebundene Verwaltungsakte i. e. S. reduziert. Entsprechende Verhaltensweisen ­ d. h. Vorteilszuwendungen für rechtmässige Amtshandlungen ­ mögen zwar durchaus strafwürdig sein, sie sind jedoch für den Aufbau von weitverzweigten, auf Dauer angelegten Bestechungsnetzen kaum relevant. Umgekehrt würde ein derartiger Auffangtatbestand auch umfangreichste Zuwendungen nicht erfassen, soweit noch kein genügender Bezug zu einer bestimmten Amtshandlung nachweisbar wäre. Es würden somit gerade diejenigen Sachverhalte ausgeklammert, die für den Aufbau der besonders gefährlichen systematischen Korruption von zentraler Bedeutung sind45.

c. Auffangtatbestände des «Anfütterns» Die vorstehend46 dargelegten Lücken des geltenden Rechts bei der Bekämpfung von langdauernden und systematischen Korruptionsabläufen müssen aus den genannten Gründen mit Tatbeständen geschlossen werden, die auch eine zureichende Erfassung von Sachverhalten ermöglichen, die als «Anfüttern» oder «Klimapflege» bezeichnet werden. Hierzu ist es notwendig, die Anforderungen an den Nachweis des Bezugs zu einer bestimmten Gegenleistung herabzusetzen. Allein auf die Vorteilsvergabe abgestellt werden kann allerdings nicht, weil sonst auch Privatzuwendungen erfasst würden. Es bedarf nach wie vor eines ­ wenn auch gelockerten ­ Bezugs zum Amt: Der Vorteil wird zwar nicht für eine Amtshandlung, aber doch «im
Hinblick auf die Amtsführung» gegeben. Der Hinweis auf die Amtsführung soll dabei verdeutlichen, dass nicht irgendein vager Bezug zur Amtsträgerqualität gemeint ist; vielmehr soll der Vorteil einen Bezug zum künftigen Verhalten im Amt schlechthin aufweisen.

Auf die einzelnen Elemente der Tatbestände ist im Besonderen Teil einzugehen.

45 46

Vgl. vorne 112.

Vgl. vorne 114.21.

5509

115

Korruptionsbekämpfung auf internationaler Ebene

115.1

Ausgangspunkt und internationale Vorstösse

Wie bereits bei der Schilderung der Risiken systematischer Korruption dargelegt wurde47, gibt es wesentliche Gründe, weshalb dem nationalen (Straf-)Gesetzgeber grenzüberschreitende Bestechung nicht gleichgültig sein kann. Selbst als lokal empfundene Bestechung weist oft eine internationale Dimension auf. Vielfach werden Beamte von ausländischen Unternehmen bestochen, oder es werden die Finanzflüsse über ausländische Mittelsleute oder Finanzinstitute abgewickelt48. In einem weiteren Sinn betrifft die lokale Bestechung auch ausländische Interessen, insbesondere weil Marktbedingungen verfälscht oder durch die Korruption von Administrationen und Justizorganen die Investitionsbedingungen negativ beeinflusst werden.

Diese Erkenntnisse haben zu einer Vielzahl von internationalen Initiativen gegen die Korruption geführt. Neben der UNO49 und der OECD arbeiten insbesondere regionale Organisationen wie die Europäische Union, der Europarat sowie die Organisation Amerikanischer Staaten50 an einer Verstärkung und Harmonisierung des Bestechungsrechts mittels internationaler Instrumente. So hat etwa die EU auf der Basis ihrer Bestrebungen zum Schutze der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen der Dritten Säule des Unionsvertrags51 bindende Instrumente zur Korruptionsbekämpfung erarbeitet: Nach einem Zusatzprotokoll52 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft wurde 1997 ein selbstständiges Übereinkommen53 zur Strafbarkeit der aktiven und passiven Bestechung von Beamten der EU und ihrer Mitgliedstaaten verabschiedet.

Derzeit arbeiten die zuständigen Gremien der Organisation an gemeinsamen Massnahmen gegen die Privatbestechung. Die Harmonisierung der Korruptionsabwehr wird von der EU als wichtiger Schritt zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes betrachtet.

Auch die Schweiz hat sich von Anfang an aktiv an den einschlägigen Arbeiten derjenigen internationalen Organisationen beteiligt, denen sie als Mitglied angehört.

Nachfolgend ist daher auf die Aktivitäten des Europarates und der OECD zur Korruptionsbekämpfung näher einzugehen.

47 48

49

50 51

52 53

Oben 113.

Die Medien berichten wiederholt auch über Fälle der aktiven Bestechung durch Schweizer Unternehmen im Ausland, wobei viele der lokalen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Mangels Strafbarkeit der aktiven Bestechung ausländischer Beamter nach Schweizer Recht wird eine schweizerische Strafuntersuchung regelmässig nicht durchgeführt: Beobachter 8/92 vom 10.7.92, SonntagsZeitung 6.3.94; SonntagsZeitung 19.9.93, Weltwoche 22.9.93; SonntagsZeitung 24.7.94; Die Wochenzeitung 14.10.94; Neue Zürcher Zeitung 20.8.1996 S. 26; Basler Zeitung 23.9.1997 S. 13; Basler Zeitung 25.9.1997.

Vgl. die Erklärung der Vereinten Nationen über die Korruption und die Korruptionsakte in internationalen Geschäftstransaktionen; Resolution 51/191 der Generalversammlung vom 16. Dezember 1996. Bereits in den Siebzigerjahren fanden im Rahmen der UNO Verhandlungen über eine Anti-Korruptions-Konvention statt, die indessen scheiterten.

Inter-Amerikanische Konvention gegen Korruption vom 29. März 1996.

Gestützt auf Art. K 3 des Maastrichter Unionsvertrages ist am 26.7.1995 das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften verabschiedet worden (ABl 1995 C 316, S. 48 ff.).

Das Erste Zusatzprotokoll vom 27.9.1996, Deutscher Bundestag, Drucksache 868/95.

Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind.

5510

115.2

Die Arbeiten des Europarates

Die Aktivitäten des Europarates zur Korruptionsbekämpfung wurden durch die 19. Europäische Justizministerkonferenz 1994 ausgelöst. Eine eigens dafür gebildete multidisziplinäre Arbeitsgruppe54 erstellte in der Folge ein umfassendes Aktionsprogramm gegen die Korruption55 und wandte sich anschliessend der Umsetzung dieses Aktionsprogrammes zu, die gegenwärtig immer noch im Gange ist. Die Arbeiten sind sehr breit angelegt und umfassen u.a. die Schaffung einer Strafrechtsund Zivilrechtskonvention, die Ausarbeitung eines europäischen Verhaltenskodexes für öffentlich Bedienstete sowie die Bereitstellung eines Mechanismus für die Überwachung der Umsetzung und Anwendung der Konventionen und übrigen Instrumente zur Korruptionsbekämpfung des Europarates.

Als erstes Instrument wurden vom Ministerkomitee 20 Leitprinzipien zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet56. Dabei handelt es sich um eher allgemein gehaltene, rechtlich nicht verbindliche Grundsätze, die sich teils an die Gesetzgeber, teils an die Justizbehörden der einzelnen Staaten richten. Anschliessend wurde der erwähnte Überwachungsmechanismus ausgearbeitet, welcher vom Ministerkomitee im Mai 1998 verabschiedet werden konnte57. Dieses Statut zur Errichtung einer Kommission zur Korruptionsbekämpfung (Groupe d'Etats contre la Corruption, im Folgenden GRECO) sieht die Schaffung einer Institution vor, welche mittels gegenseitiger Evaluation und Reaktion ihrer Mitglieder die Umsetzung der 20 Leitprinzipien sowie später der Anti-Korruptions-Konventionen des Europarates vorantreiben soll.

Zentrale Aufgabe von GRECO bildet die Durchführung von Länderprüfungen, die sich wesentlich am Muster der Geldwäschereibekämpfungs-Arbeitsgruppe Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) orientiert. Zur Konstituierung von GRECO bedarf es der Anschlusserklärung von mindestens 14 Mitgliedstaaten des Europarates58. Zu erwähnen ist schliesslich, dass die Ratifikation der AntiKorruptions-Konventionen, so namentlich auch der Strafrechtskonvention, automatisch die Mitgliedschaft des betreffenden Staates in GRECO begründet, sofern sie noch nicht besteht.

Vorliegend von besonderem Interesse ist sodann die Strafrechtskonvention gegen die Korruption, welche am 4. November 1998 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedet worden ist und seit dem 27. Januar 1999
zum Beitritt aufliegt59.

Dieses neue Übereinkommen geht im Vergleich zu anderen Anti-KorruptionsKonventionen, wie z. B. auch der OECD-Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, wesentlich weiter: Neben der Verpflichtung, aktive und passive Bestechung inländischer Amtsträger und Parlamentarier unter Strafe zu stellen (Art. 2­4 des Übereinkommens), sind die Vertragsstaaten auch gehalten, die aktive und passive Bestechung ausländischer Amtsträger und Parlamentarier zu kriminalisieren (Art. 5 und 6). Gleiches gilt 54 55 56

57 58 59

Groupe multidisciplinaire sur la Corruption (GMC).

Programme d'action contre la corruption, Strassburg 1996.

Resolution (97) 24 vom 6. November 1997; vgl. auch Ziff. III.2 des vom zweiten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates am 11. Oktober 1997 verabschiedeten Aktionsplans.

Resolution (98) 7 des Ministerkomitees des Europarates betreffend Statut zur Errichtung einer Kommission zur Korruptionsbekämpfung.

Ende Januar 1999 hatten elf Staaten ihren Beitritt erklärt.

Vgl. Dokument CM (98) 181.

5511

bezüglich Amtsträgern, Abgeordneten und Richtern internationaler Organisationen bzw. Gerichtshöfe (Art. 9­11). Sodann besteht die Verpflichtung, die aktive und passive Privatbestechung zu erfassen (Art. 7 und 8). Zu bestrafen sind weiter auch als «Handel mit Einflussnahme» (trafic d'influence) bezeichnete Vorstufen der inländischen und grenzüberschreitenden Bestechung (Art. 12). Die Vertragsstaaten müssen darüber hinaus in ihren Rechtsordnungen weitere Mindeststrukturen zu einer effizienten Korruptionsbekämpfung aufweisen, so namentlich bezüglich der Korruptionsgeldwäscherei (Art. 13), der Bestrafung von Buchführungsdelikten (Art. 14), der Haftung juristischer Personen (Art. 18) sowie der internationalen Zusammenarbeit (Art. 25 ff.).

Im Interesse einer möglichst gleichwertigen Umsetzung durch die Vertragsstaaten enthält die Konvention eine doppelte Einschränkung der Möglichkeit, Vorbehalte anzubringen: Zum einen können nur zu bestimmten Bestimmungen (Art. 4­12, 17 und 26) Vorbehalte bzw. einschränkende Erklärungen angebracht werden (vgl.

Art. 36 und 37), und zum andern können gesamthaft nicht mehr als fünf verschiedene Vorbehalte erklärt werden (Art. 37 Ziff. 4). Das mit der Konvention gekoppelte Überwachungssystem GRECO zielt zudem darauf ab, ständigen Druck auf die Vertragsstaaten zur weiteren Reduktion der Vorbehalte zu erzeugen.

Die neue Konvention verfolgt damit letztlich das optimistische Ziel, das Korruptionsstrafrecht in den Mitgliedstaaten des Europarates zu vereinheitlichen, und zwar auch in Bereichen, die heute in den meisten Ländern strafrechtlich noch gar nicht erfasst sind. Auch bei Umsetzung der heute im Parlament hängigen Gesetzesentwürfe60 könnte die Schweiz nicht alle Anforderungen dieses Übereinkommens erfüllen und müsste mehr Vorbehalte erklären, als die Konvention zulässt. Aber auch die meisten anderen Staaten müssen ihr Korruptionsstrafrecht grundlegend überarbeiten, wenn sie die Konvention umsetzen wollen. Da das Übereinkommen zudem die vergleichsweise hohe Zahl von 14 Beitritten voraussetzt (Art. 32), ist kaum damit zu rechnen, dass es in naher Zukunft in Kraft treten wird. Die Konvention stellt mithin eine zweite, fortgeschrittene Etappe in der internationalen Korruptionsbekämpfung dar. Schon angesichts der Dringlichkeit der Umsetzung der OECDKonvention muss daher eine
Ratifikation der Europarats-Konvention mit der damit verbundenen Umsetzungsgesetzgebung einem späteren 2. Gesetzgebungspaket vorbehalten bleiben. Hingegen soll der mit der vorliegenden Revision neu einzufügende Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger 61 auch mit Blick auf die Erfordernisse der Europaratskonvention konzipiert werden, damit diese neue Bestimmung nicht schon wieder nach kurzer Zeit revidiert werden muss.

60 61

Neben dieser Vorlage betrifft dies namentlich die Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches, vgl. BBl 1999 I 1979 ff.

Art. 322septies E-StGB, vgl. dazu im Einzelnen unten 221.

5512

115.3

Die Arbeiten der OECD, insbesondere zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17. Dezember 1997

Die OECD bemüht sich bereits seit 1989 um einen multidisziplinären Zugang zum Thema der internationalen Korruption. Allerdings ist der Ansatz ­ entsprechend dem beschränkten Mandat der Wirtschaftsorganisation ­ von Anfang an auf die Verhinderung von aktiver Bestechung ausländischer Beamter im Geschäftsverkehr beschränkt. Gestützt auf frühere Empfehlungen von 199462 und 199663 hat der Ministerrat der OECD im Mai 199764 eine umfassende Empfehlung verabschiedet, die die Mitgliedstaaten zu konkreten Massnahmen auf vier Gebieten auffordert: Abgesehen von der Strafbarkeit der aktiven Bestechung ausländischer Beamter soll die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit transnationaler Bestechungszahlungen unterbunden werden65. Buchhaltungs- und Revisionsvorschriften sollen einen bestimmten Transparenzstandard anstreben. Im Bereiche der Vergabe öffentlicher Aufträge wird zunächst auf die Arbeiten von GATT/WTO verwiesen. Zusätzlich sollen die Mitgliedstaaten den temporären Ausschluss von im Ausland fehlbaren Unternehmen von Ausschreibungen im Inland prüfen.

Die Empfehlung von 1997 enthält sodann Verfahrensvorschriften zu einer effizienten gegenseitigen Evaluation der Umsetzungsgesetzgebung und -praxis, die sich ebenfalls am Modell der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF)66 orientiert. Schliesslich ist die OECD bestrebt, über ihren Kreis hinaus jene Schwellenländer und ihre Unternehmen einzubeziehen, die als ernst zu nehmende Konkurrenten der OECD-Unternehmen auf den Weltmärkten auftreten.

Von den Mitgliedstaaten wurde die Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Beamter als derart zentral eingestuft, dass sie vereinbart haben, die diesbezüglichen Elemente der Empfehlung in eine Konvention zu übersetzen und damit einen höheren Grad an Verbindlichkeit zu erreichen. Zugleich haben sich die Regierungen der Mitgliedstaaten auf einen sehr ambitiösen Fahrplan geeinigt.

62

63 64 65

66

Organisation for Economic Co-operation and Development, Recommendation of the Council on Bribery in International Business Transactions (Dokument C (94) 75/FINAL) vom 27. Mai 1994.

Recommendation of the Council on the Tax Deductibility of Bribes of Foreign Public Officials (Dokument C (96) 27/FINAL) vom 11. April 1996.

Revised Recommendation of the Council on Combatting Bribery in International Business Transactions (Dokument C/M (97) 12/FINAL) vom 23. Mai 1997.

Vgl. dazu auch den Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats zur Parlamentarischen Initiative Carobbio (Schmiergelder, Steuerliche Nichtanerkennung) vom 29. Januar 1997, BBl 1997 II 1037 sowie die Stellungnahme des Bundesrates in BBl 1997 IV 1336 ff.

Financial Action Task Force on Money Laundering, Recommendations 1990 and 1996: Sämtliche Mitgliedstaaten dieser von der G7 ins Leben gerufenen Ad-hoc-Organisation werden reihum einem eingehenden gegenseitigen Evaluationsprozess unterworfen. Experten anderer Mitgliedstaaten befragen Regierungsvertreter und Branchenmitglieder im Land selbst und verfassen einen Bericht, der von der Organisation diskutiert und verabschiedet wird.

5513

Das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr67 wurde auf Expertenebene durch eine Arbeitsgruppe des OECD-Ausschusses für internationale Investitionen vorbereitet und anlässlich einer diplomatischen Verhandlungskonferenz am 21. November 1997 verabschiedet. Bereits am 17. Dezember 1997 fand auf Ministerebene die Unterzeichnung durch 33 Staaten statt. Die Unterzeichnung durch die Schweiz stützt sich auf den entsprechenden Beschluss des Bundesrates vom 8. Dezember 1997. Bislang sind dem Übereinkommen folgende 12 Staaten beigetreten: Island, Japan, Deutschland, Ungarn, USA, Finnland, Grossbritannien, Kanada, Norwegen, Bulgarien, Griechenland sowie Korea. Das Übereinkommen ist am 15. Februar 1999 in Kraft getreten.

Die Konvention strebt nicht die weltweite Vereinheitlichung des Bestechungsrechtes an, dazu sind die rechtlichen Systeme der Vertragsparteien zu unterschiedlich strukturiert. Sie legt vielmehr einen Standard fest, den jeder Vertragsstaat mit seinen eigenen Mitteln umsetzen soll. Der Prozess der Länderprüfung wird anschliessend ­ unter Respektierung fundamentaler rechtlicher Besonderheiten ­ feststellen, ob die Modelle «funktional äquivalent» und untereinander kompatibel sind68. Aus diesem Grund bedarf die Konvention der Übersetzung in schweizerische Rechtssprache. Zur Auslegung der Konvention kommt dem offiziellen Kommentar, der parallel zum Text ausgehandelt worden ist, eine wichtige Bedeutung zu.

Die Konvention der OECD unterscheidet sich von den Harmonisierungskonventionen der EU, des Europarats und der OAS dadurch, dass sie sich auf die eine Seite des Korruptionsgeschehens beschränkt: Sie erfasst im Prinzip nur die aktive Bestechung ausländischer Beamter und nur, soweit im Geschäftsverkehr bestochen wird.

Ihr Ziel ist die Vereinbarung unter Industriestaaten, gegen aktiv Bestechende im eigenen Land und unter Umständen auch gegen eigene Staatsangehörige, die im Ausland bestechen, vorzugehen, und zwar unabhängig davon, ob das verletzte Land ein entsprechendes Ersuchen stellt. Die Bestrafung des bestochenen Beamten dagegen ist nach der OECD-Konvention Sache des Heimatlandes. Im Grunde handelt es sich um einen Anti-Korruptionspakt der Domizilstaaten der wichtigsten Exporteure und Investoren69.

Von zentraler Bedeutung ist
dabei das Anliegen der Wettbewerbsgleichheit («level playing field of commerce»). Es wird eine international möglichst einheitliche Definition der Bestechung im Geschäftsverkehr angestrebt. Die Unternehmen sollen sich ­ so weit trägt die Ratio der Wettbewerbsgleichheit ­ möglichst an einen weltweit geltenden Verhaltensmassstab gewöhnen. Welche Schritte im Einzelnen zur Umsetzung der Konvention notwendig sind, ist im Besonderen Teil zu erörtern70.

67 68 69 70

Text im Anhang zu dieser Botschaft.

Vgl. dazu die Ausführungen im offiziellen Kommentar (Dokument OECD, DAFFE/IME/BR (97) 17/FINAL) N. 2 und 3.

Von OECD-Staaten gehen ca. 70 % der weltweiten Exporte und ca. 90% der Auslandsinvestitionen aus.

Vgl. nachfolgend 22.

5514

115.4

Reformbedarf für das innerstaatliche Korruptionsstrafrecht

In jüngster Zeit hat sich in den Industriestaaten die Auffassung durchgesetzt, dass sich der nationale Strafgesetzgeber nicht mehr länger auf die ausschliessliche Erfassung der innerstaatlichen Bestechung beschränken kann: Von den 34 an der Ausarbeitung des OECD-Übereinkommens beteiligten Staaten71 haben nun alle das Übereinkommen unterzeichnet. Zwölf dieser Staaten haben das Übereinkommen ratifiziert. In den meisten weiteren Signatarstaaten sind entsprechende Vorlagen im Parlament hängig. Nach Jahren der Stagnation hat damit nun ein eigentlicher Durchbruch stattgefunden. Dieser Umstand hat unter anderem allerdings auch die Konsequenz, dass säumige Länder wegen des zentralen Stellenwerts der Wettbewerbsgleichheit Gefahr laufen, sehr bald unter erheblichen Druck der Staatengemeinschaft zu geraten.

Unter den Bedingungen der Globalisierung der Weltwirtschaft ist auch die Schweiz von der transnationalen Bestechung betroffen, sei es, dass von hier aus ausländische Beamte bestochen werden oder dass im Ausland generierte Bestechungssummen und Erträge über Schweizer Finanzinstitute angelegt werden. Ein Gesamtkonzept gegen die Beamtenbestechung muss auch diesen Aspekten Rechnung tragen. Bei der Kriminalisierung grenzüberschreitender Bestechung geht es nicht um einen generellen Schutz ausländischer Gemeininteressen: Eine entscheidende Besonderheit der transnationalen Korruption besteht vielmehr darin, dass typischerweise im NordSüd-Verhältnis bestochen wird ­ selbst wenn die Erfahrung zeigt, dass durchaus auch Beamte im Norden Ziel von grenzüberschreitenden Korruptionshandlungen sein können ­ und das verletzte Land vielfach nicht in der Lage ist, sich gegen die Marktmacht der Korrupteure zur Wehr zu setzen. Die Verfolgung des Bestechenden im Heimatland des Beamten stösst auf faktische wie rechtliche Schwierigkeiten: Zuweilen wird die lokale Administration ein Auslieferungsersuchen an den Aufenthaltsort des Bestechenden oder ein Rechtshilfegesuch an das Land, in dem die Bestechungsgelder verwaltet werden, unterlassen oder gar verhindern. Aber auch einem gestellten Auslieferungsersuchen würde zumindest ein kontinentaleuropäisches Land dann nicht nachkommen, wenn es sich gegen eigene Staatsangehörige richtet.

Mangels eines Tatbestands der Bestechung ausländischer Beamter wäre das Heimatland des Bestechenden
aber auch nicht in der Lage, das Verfahren hilfsweise selber durchzuführen. Wie in anderen Fällen systematischer Auslandsdelinquenz durch eigene Staatsangehörige oder organisierter Delinquenz gegen fremde Interessen72 ist es durchaus gerechtfertigt, zum Schutz qualifizierter Auslandsinteressen,

71 72

Die 29 OECD-Mitgliedstaaten sowie Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Chile und die Slowakische Republik.

Vgl. zunächst die Fälle des Weltrechtsprinzips (insbesondere für Betäubungsmittelkriminalität, Terrorismus, Frauenhandel, Geldfälschung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) sowie neuerdings die Entscheidung verschiedener Staaten, Sexualdelikten gegen Kinder im Ausland, begangen durch eigene Staatsangehörige, Einhalt zu gebieten. Auch hierbei handelt es sich um einen Fall systematisch organisierter oder doch erleichterter Auslandsdelinquenz, welcher das Tatortland oftmals hilflos gegenübersteht; vgl. dazu auch die Botschaft zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches und der dort vorgeschlagene neue Artikel 5 StGB (Sexualstraftaten gegen Unmündige im Ausland).

5515

wie fremder Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, mit Kriminalsanktion zu reagieren.

Die vorgeschlagene Angleichung des Sanktionsniveaus an die Bestechung schweizerischer Beamter zeigt denn auch, dass es bei der Bestechung ausländischer Beamter um mehr als die Sanktionierung blosser Wettbewerbsverstösse gehen soll: Die Schweiz nimmt in Abstimmung mit der Staatengemeinschaft ihren Teil der Verantwortung zur Verhinderung hochgradig schädlichen Verhaltens im Ausland wahr.

Die Arbeiten der OECD zum Thema Korruption beschränken sich schon vom Mandat der Organisation her auf Bestechung im Geschäftsverkehr. Im Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr äussert sich dies in folgender Einschränkung der Tathandlung: «... um im internationalen Geschäftsverkehr einen Auftrag oder einen sonstigen unbilligen Vorteil zu erlangen oder zu behalten»73. Obschon im Vernehmlassungsverfahren74 einzelne Wirtschaftsverbände gefordert haben, der im Vorentwurf vorgeschlagene Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies VE-StGB) sei entsprechend Artikel 1 des OECD-Übereinkommens auf den internationalen Geschäftsverkehr zu beschränken75, sind wir nach wie vor der Auffassung, dass auf eine solche Einschränkung verzichtet werden sollte: Zum einen will auch die Konvention den Tatbestand keineswegs auf das öffentliche Beschaffungswesen reduzieren, sondern es sollen auch weitere Fälle der Bestechung im Geschäftsverkehr erfasst werden, etwa die Bestechung eines Richters im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen über die Vertragserfüllung oder die Bestechung eines Sicherheitskontrolleurs, der für die Abnahme einer riskanten Anlage verantwortlich ist76. Ein Verzicht auf die Einschränkung bringt daher auch keine Wettbewerbsnachteile für die Wirtschaft mit sich. Andererseits gibt es ausserhalb des Geschäftsverkehrs grenzüberschreitende Bestechungsfälle, die in ihrer Strafwürdigkeit einer Bestechung im Rahmen von Geschäftstransaktionen in nichts nachstehen; zu denken ist beispielsweise an die Bestechung von Justizorganen oder an Bestechungszahlungen im Hinblick auf internationale Kindesadoptionen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Strafrechtskonvention des Europarates eine Einschränkung auf den Geschäftsverkehr nicht kennt und diesbezüglich
auch keinen Vorbehalt erlaubt. Es wäre nun aber kaum sinnvoll, in einer ersten Gesetzgebungsphase eine auf Bestechung im Geschäftsverkehr beschränkte Regelung zu erlassen, um möglicherweise bereits wenige Jahre darauf, im Rahmen der Umsetzung der Europaratskonvention, das einschränkende Element wieder zu streichen.

Im Vernehmlassungsverfahren ist von verschiedener Seite gefordert worden, dass die Strafbarkeit ­ anders als im Vorentwurf ­ auch auf die passive Bestechung fremder Amtsträger ausgedehnt werden sollte77. Wohl bestehen in der Tat gute

73 74 75

76 77

Art. 1 Ziff. 1 des Übereinkommens.

Vgl. dazu unten 122.

So die Industrie-Holding, die Schweizerische Bankiervereinigung, der Schweizerische Gewerkschaftsbund sowie der Vorort. Demgegenüber hat der Kanton Genf den Verzicht auf die Einschränkung ausdrücklich begrüsst.

Vgl. dazu N. 5 des offiziellen Kommentars zum Übereinkommen.

So von den Kantonen ZH, AG und TI, der SVP, der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz, der Schweizerischen Kriminalistischen Gesellschaft sowie vom Schweizerischen Anwaltsverband.

5516

Gründe für ein solches Vorgehen, da sich das Argument, die Bestrafung des bestochenen Beamten sei Aufgabe des ihn beschäftigenden Staates, nur als teilweise richtig erweist: Die wohl empfindlichste Lücke ergibt sich bei bestochenen Amtsträgern internationaler Organisationen, weil hier kein «Opferstaat» für Bestrafung sorgt. Gerade für unser Land ist diese Konstellation nicht unbedeutend, weil die Schweiz vergleichsweise viele Amtsträger internationaler Organisationen beherbergt. Aber auch bei der Bestechung von Amtsträgern anderer Staaten in der Schweiz könnte die unbefriedigende Situation eintreten, dass zwar der Bestecher, nicht aber der Bestochene einer Bestrafung zugeführt werden könnte, sei es, weil der Opferstaat untätig bleibt oder weil eine Auslieferung des Bestochenen ­ aus welchen Gründen auch immer ­ nicht erfolgen könnte.

Andererseits ist die Bestrafung der passiven Bestechung fremder Amtsträger zur Umsetzung der OECD-Konvention klarerweise nicht erforderlich: Die Bestrafung des bestochenen Beamten bleibt nach diesem Übereinkommen ausschliesslich Angelegenheit des so genannten Opferstaates. Die Einführung eines Tatbestandes der passiven Bestechung fremder Amtsträger gehört der Sache nach zu einer zweiten, weiterreichenden Stufe der Rechtsharmonisierung im Bereich der transnationalen Bestechung, wie sie insbesondere in der neuen Anti-Korruptions-Konvention des Europarates vorgezeichnet ist78. Dieses Übereinkommen verlangt denn auch die Bestrafung der passiven Bestechung von ausländischen Beamten und Parlamentariern sowie von Beamten, Parlamentariern und Richtern internationaler Organisationen bzw. Gerichtshöfe79. Es erscheint daher sachgerecht, die Frage der Strafbarkeit der passiven Bestechung fremder Amtsträger im Kontext mit einem künftigen Gesetzgebungsverfahren zur späteren Ratifikation des Europarats-Übereinkommens anzugehen.

12

Entstehungsgeschichte

121

Der Weg zur Vernehmlassungsvorlage des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 1. Juli 1998

Die Akzentuierung der Korruptionsproblematik führte in den Neunzigerjahren zu einer ganzen Reihe von parlamentarischen Vorstössen zu verschiedensten Aspekten

78 79

Vgl. oben 115.2.

Vgl. Art. 5, 6 sowie 9­11 des Übereinkommens des Europarates sowie oben 115.2.

5517

der Bestechung80. Hinsichtlich der Strafbestimmungen überwies der Nationalrat im Jahre 1994 eine Motion von Nationalrat Rechsteiner als Postulat, mit der eine Änderung des Strafgesetzbuches in dem Sinne verlangt wurde, dass neu auch die Bestechung ausländischer Beamter zu bestrafen sei81. Ständerat Schüle verlangte seinerseits im Oktober 1996 mit einer Motion, dass gesetzgeberische Konsequenzen aus verschiedenen Korruptionsfällen der letzten Zeit zu ziehen seien. Dieser Vorstoss wurde im Dezember 1996 vom Ständerat und im Juni 1997 vom Nationalrat als erheblich erklärt82.

Bereits im Sommer 1995 hatte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes die Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption» mit dem Auftrag eingesetzt, eine vertiefte gesamtschweizerische Lagebeurteilung vorzu80

81 82

Interpellation Ziegler:Annahm von Geldern aus Korruption, 90.630, AB NR 1990 1956 f.; Frage der grünen Fraktion: Italienische Schmiergeldaffäre, 93.5138, AB NR 1993 1772; Frage Misteli: Italienische Schmiergeldaffäre, 93.5197, AB NR 1993 1772 f.; Frage Rechsteiner: Italienischer Schmiergeldskandal, 93.5144, AB NR 1993 1773; Als Postulat überwiesene Motion Rechsteiner: Bestechung ausländischer Beamter, 93.3656, AB NR 1994 585; Postulat Zbinden: Exportrisikogarantie und Schmiergeldzahlungen, 94.3425, AB NR 1994 2478 f.; Einfache Anfrage Hubacher: Schmiergelder, 93.1114, AB NR 1994 1987 f.; Einfache Anfrage Strahm Rudolf: Korrupte und Gattwidrige Geschäftspraktiken einer Schweizer Firma, 94.1091, AB NR 1994 1979; Dringliche Einfache Anfrage Rechsteiner: Bekämpfung der Korruption und der Geldwäscherei, 94.1059, AB NR 1994 1270 f.; Dringliche Einfache Anfrage de Dardel: Schmiergelder aus Grossbritannien auf Schweizer Bankkonten, 94.1063, AB NR 1994 1271 f.; Interpellation Rechsteiner: «Mani pulite» und die Schweiz, 93.3427, AB NR 1994 645 f.; Postulat Ruffy: Nationales Forschungsprogramm. Studien über die Korruption, 93.3670, AB NR 1994 594 f.; Postulat Carobbio: Schmiergeldskandale in Italien. Rolle der Schweiz, 93.3647, AB NR 1995 2104 ff.; Frage Grendelmeier: Korruption im Autobahnbau (1), 95.5190, AB NR 1995 1984 f.; Frage Weder Hansjürg: Korruption im Autobahnbau (2), 95.5191, AB NR 1995 1985; Frage Meier Samuel: Korruption im Autobahnbau (3), 95.5192, AB NR 1995 1985; Frage Dünki: Korruption im Autobahnbau (4), 95.5193, AB NR 1995 1985; Frage Sieber: Korruption im Autobahnbau (5), 95.5194, AB NR 1995 1985; Frage Zwygart: Korruption im Autobahnbau (6), 95.5195, AB NR 1995 1986; Frage Rechsteiner: Revision der Bestechungsdelikte im StGB, 95.5128, AB NR 1995 1351; Frage Dünki: Telecom PTT. Schweige- oder Schmiergelder, 95.5098, AB NR 1995 1201; Frage Zwygart: Schwarzzahlungen der Käseunion (1), 95.5163, AB NR 1995 1857; Frage Dünki: Schwarzzahlungen der Käseunion (2), 95.5164, AB NR 1995 1857; Frage Wiederkehr: Schwarzzahlungen der Käseunion (3), 95 5165, AB NR 1995 1857; Frage Zwygart: Schwarzzahlungen der Käseunion (4), 95.5166, AB NR 1995 1857; Frage Meier Samuel: Schwarzzahlungen der Käseunion (5), 95.5167, AB NR 1995 1858; Frage Eberhard. Schwarzzahlungen der Käseunion (6), 95.5168, AB NR 1995
1858; Frage Meier Samuel: Schwarzzahlungen der Käseunion (7), 95.169, AB NR 1995 1858 f.; Parlamentarische Initiative (Carobbio): Schmiergelder, Steuerliche Nichtanerkennung, 93.440, AB NR 1995 551 ff., vgl. auch BBl 1997 II 1037 ff. und 1997 IV 1336 ff.; Einfache Anfrage Schüle: Gesetzgeberische Konsequenzen aus dem Fall Raphael Huber, 95.1061, AB SR 1995 1070 f.; Dringliche Einfache Anfrage Ziegler: Kauf des F/A 18.

Korruptionsverdacht, 96.1005, AB NR 1996 1285 f.; Frage Dünki: Korruptionsverdacht bei der Schweizerischen Käseunion, 96.5054, AB NR 1996 809; Frage Chiffelle: EMD, Korruptionsverdacht, 96.5020, AB NR 1996 189; Postulat Alder: Zivile Kontrolle über die Armee. Bericht, 96.3128, AB NR 1996 1443 ff.; Interpellation Stucky: Submissionsverfahren. Zweite Runde, 96.3456, AB NR 1996 2427; Frage Zwygart: Betrugsaffäre Gotthard-Strassentunnel, 96.5005, AB NR 1996 192; Postulat Strahm: Bestechungsprävention bei öffentlichen Aufträgen, 96.3347; Parlamentarische Initiative Rechsteiner Paul: Bekämpfung der Korruption, 128/96.414 n und schliesslich die von beiden Räten überwiesene Motion Schüle: Korruptionsfälle. Gesetzgeberische Konsequenzen, 96.3457 AB SR 1996 1146 ff. und AB NR 1997 1015 f.

Vgl. AB NR 1994 585 f.

Vgl. AB SR 1996 1146 ff. und AB NR 1997 1015 f.

5518

nehmen, gestützt darauf den Handlungsbedarf abzuklären und gegebenenfalls Vorschläge zur effizienteren Bekämpfung der Korruption zu unterbreiten. Die Arbeitsgruppe legte im Herbst 1996 ihren Schlussbericht83 vor und formulierte eine Reihe von Empfehlungen zur besseren Prävention und Repression der Korruption 84.

Der Bundesrat kam gestützt auf diesen Bericht zum Schluss, dass zwar die Lage bezüglich Korruption in der Schweiz nicht als alarmierend zu bezeichnen sei, aber die in jüngster Zeit zu beobachtenden Anzeichen für eine Verschärfung der Problematik doch zu echter Sorge und zu Gegenmassnahmen Anlass gäben85. Entsprechend beauftragte der Bundesrat seine Verwaltungskontrolle, eine Liste korruptionsgefährdeter Dienste des Bundes zu erstellen und die bestehenden Sicherheitsdispositive zu evaluieren86. Weiter erhielt das Eidgenössische Finanzdepartement das Mandat, eine Musterregelung für die Annahme von persönlichen Geschenken für Bedienstete der öffentlichen Verwaltungen des Bundes auszuarbeiten. Bezüglich der strafrechtlichen Postulate beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, ein vernehmlassungsfähiges Gesamtkonzept zur Verstärkung der strafrechtlichen Bekämpfung der Korruption auszuarbeiten, welches die Vorschläge der Arbeitsgruppe und die parlamentarischen Vorstösse aus einer gesamtheitlichen Sicht prüfe.

Am 1. Juli 1998 nahm der Bundesrat vom Entwurf und erläuternden Bericht zur Revision des Schweizerischen Korruptionsstrafrechts Kenntnis und ermächtigte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens. Der Vorentwurf87, der sich auf ein von Prof. Dr. M. Pieth, Universität Basel, unter Mitarbeit von Dr. M. Balmelli erstattetes Gutachten stützte, schlug ein aus drei Teilen bestehendes Gesamtkonzept zur Verstärkung der strafrechtlichen Bekämpfung der Bestechung vor: Neben der Bestechung schweizerischer Amtsträger umfasste die Vorlage auch die Bestechung fremder Amtsträger sowie die Privatbestechung: ­

83

84 85 86 87

Die Vorschriften über die Bestechung schweizerischer Amtsträger wurden als Artikel 322ter ff. VE-StGB neu in einem eigenen Titel zusammengefasst und einer grundlegenden Revision unterzogen. Die Kerntatbestände der aktiven und passiven Bestechung (Art. 322ter und 322quater VE-StGB) wurden spiegelbildlich ausgestaltet, d. h. die aktive Bestechung vom Vergehen zum Verbrechen aufgewertet. Dies bewirkte zugleich eine Verlängerung der Verjährungsfrist für die aktive Bestechung. Durch diese Änderung wurde zudem auch das Waschen von Bestechungsgeldern durchgehend strafbar.

Anders als im geltenden Recht wurden sodann gemäss Vorentwurf nicht nur vorgängige Zuwendungen, sondern auch nachträgliche Belohnungen bestraft. Weiter wurde vorgeschlagen, Handlungen von Beamten, die auf Grund einer Bestechung geleistet worden sind, auch dann für strafbar zu erklären, wenn der Beamte dadurch keine Rechtsverletzung begangen, sondern Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Sicherheitsprüfungen und Korruption» des Eidg.

Justiz- und Polizeidepartements, Bern, Oktober 1996 sowie die entsprechende Zusammenfassung.

Vgl. dazu die Zusammenfassung, S. 8 ff.

Vgl. dazu auch die Antwort des Bundesrates auf die Motion Schüle, AB SR 1996 1147.

Vgl. nun den Bericht der Verwaltungskontrolle des Bundesrates vom 26. März 1998: «Korruptionsgefährdungen und Sicherheitsvorkehrungen in der Bundesverwaltung».

Revision des Schweizerischen Korruptionsstrafrechts, Bericht und Vorentwurf, Eidg.

Justiz- und Polizeidepartement, Bern Juni 1998.

5519

nur sein Ermessen zu Gunsten der bestechenden Person ausgeübt hat. Diese Bestimmungen wurden sodann mit den neuen Auffangtatbeständen der Vorteilsgewährung und der Vorteilsannahme (Art. 322 quinquies und 322sexies VE-StGB) ergänzt, die neben Geschenken für rechtmässige Einzelakte auch Zuwendungen für die Amtsführung als solche pönalisierten, wodurch auch das für die systematische Korruption besonders wichtige «Anfüttern» strafrechtlich erfasst werden konnte.

­

Zur Umsetzung des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17. Dezember 1997 schlug der Vorentwurf einen neuen Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger vor (Art. 322septies VE-StGB). Die vorgeschlagene neue Strafnorm entsprach dabei grundsätzlich dem Tatbestand der aktiven Bestechung schweizerischer Amtsträger in Artikel 322ter des Vorentwurfs.

­

Der dritte Teil der Vorlage schliesslich schlug eine Revision des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor und regelte die Privatbestechung in einem neuen Artikel 4bis VE-UWG. Mit der vorgeschlagenen Revision sollte die Privatbestechung im Geschäftsverkehr strukturell der Beamtenbestechung des Strafgesetzbuches angepasst werden. So sollte vor allem auch die passive Privatbestechung unter Strafe gestellt werden. Sodann wurde vorgeschlagen, Privatbestechung nicht mehr nur auf Antrag, sondern neu von Amtes wegen zu verfolgen.

122

Vernehmlassungsverfahren

Am Vernehmlassungsverfahren, das vom 1. Juli bis zum 30. September 1998 dauerte, nahmen alle Kantone, die Bundesratsparteien und die liberale Partei, 22 Organisationen, das Militärkassationsgericht sowie eine Einzelperson teil.

Die Vernehmlassung ergibt folgendes Bild88: Bei der generellen Beurteilung der Vorlage wird die Notwendigkeit einer Revision des schweizerischen Korruptionsstrafrechts bejaht und der Stossrichtung der Vorlage ­ mit Ausnahme der Privatbestechung ­ ganz überwiegend zugestimmt. Positiv aufgenommen wird der Vorentwurf insbesondere von den Kantonen. Mit gewissen Abstrichen gilt dies auch für die Bundesratsparteien, wobei hier verstärkt auch kritische Töne, insbesondere im Hinblick auf die Privatbestechung sowie eine zu weit gehende Kriminalisierung, anklingen. Diese Sorge wird namentlich auch von etlichen Wirtschaftsverbänden geäussert. Gesamthaft gesehen deutlich positiv wird die Vorlage auch von den anderen interessierten Organisationen aufgenommen.

Die Bestechung von inländischen Amtsträgern (Art. 322ter­322sexies VE) als erster Teil der Vorlage wird gesamthaft gesehen ganz überwiegend positiv beurteilt. Im Einzelnen erfahren bemerkenswert breite Zustimmung die Systematik (Neugliederung der Bestechungstatbestände unter einem eigenen Titel) sowie die Aufwertung der aktiven Bestechung zu einem Verbrechen mit den daraus sich ergeben88

Ausführlich dazu: Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Vorentwurf zur Revision des Schweizerischen Korruptionsstrafrechts, Bundesamt für Justiz, Bern, November 1998.

5520

den Konsequenzen für Verjährung und Geldwäscherei. Ebenfalls mehrheitlich begrüsst wird der Einbezug von Ermessenshandlungen in Artikel 322ter und quater VE-StGB, der Verzicht auf das Erfordernis der Künftigkeit der Amtshandlung sowie die strafrechtliche Erfassung des so genannten Anfütterns.

Oft thematisiert wird sodann der Amtsträger- resp. Beamtenbegriff. Verbreitet geäussert wird hier das Bedürfnis nach präzisen Kriterien. Etliche Teilnehmer möchten deshalb die Abgrenzung durch eine Änderung des Beamtenbegriffs in Artikel 110 Ziffer 4 StGB verdeutlichen. Vereinzelt wird aber auch der Standpunkt vertreten, die Abgrenzung sei Sache der Gerichtspraxis.

Ein Problem ist die ausreichend klare untere Abgrenzung der Strafbarkeit, insbesondere bei geringfügigen und sozialüblichen Zuwendungen. Die Forderung nach zusätzlichen Präzisierungen im Gesetz taucht häufig auf, und es werden diesbezüglich etwa folgende Lösungen vorgeschlagen: ­

Einführung einer Erheblichkeitsklausel

­

Auffangtatbestand für leichte Fälle

­

Geringfügigkeitsklausel analog Artikel 172ter StGB

­

Opportunitätsprinzip für leichte Fälle in Anlehnung an Artikel 66bis StGB.

Teilweise wird aber auch die Auffassung vertreten, dass das öffentliche Dienstrecht die Kriterien präzisieren müsse.

Zu erwähnen ist schliesslich die verschiedentlich erhobene Forderung, auch mittelbare bzw. indirekte Vorteilszuwendungen in die Korruptionstatbestände miteinzubeziehen.

Auch dem zweiten Teil der Vorlage ­ Schaffung eines neuen Tatbestandes der aktiven Bestechung ausländischer Amtsträger und Beitritt zum OECD-Übereinkommen ­ wird gesamthaft gesehen ganz überwiegend zugestimmt. Negativ äussern sich lediglich acht Teilnehmer, wobei in den meisten Fällen primär der Zeitpunkt eines Beitritts zum Übereinkommen als verfrüht erachtet wird.

Recht verbreitet ist der Ruf nach Einschränkungen des Tatbestandes: Zu erwähnen sind einerseits Forderungen, die spezifisch die grenzüberschreitende Bestechung betreffen, so die Beschränkung des Tatbestandes auf den internationalen Geschäftsverkehr, erhöhte Anforderungen an die beidseitige Strafbarkeit oder die Einschränkung der räumlichen Anknüpfung. Andererseits gelten im Zusammenhang mit der Parallelnorm der Bestechung schweizerischer Amtsträger geäusserte Vorbehalte bezüglich der ausreichenden unteren Abgrenzung der Strafbarkeit explizit oder implizit auch hier.

Verschiedene Vernehmlasser äussern sich zur Frage, ob die Strafbarkeit der juristischen Person in dieser Vorlage oder aber im Rahmen der laufenden AT-Revision zu behandeln sei. Die Meinungen darüber sind geteilt.

Bemerkenswert ist schliesslich, dass von verschiedener Seite gefordert wird, auch die passive Bestechung fremder Amtsträger unter Strafe zu stellen.

Der dritte Teil der Vorlage über die Privatbestechung wird deutlich weniger günstig aufgenommen als die Vorschläge bezüglich der inländischen und der grenzüberschreitenden Bestechung von Amtsträgern. Überwiegende Zustimmung erfährt die vorgeschlagene UWG-Revision lediglich seitens der Kantone. Demgegenüber neh-

5521

men insbesondere die Parteien und die Wirtschaftsverbände eine mehrheitlich ablehnende Haltung ein.

Am klarsten verworfen wird die Ausgestaltung der Privatbestechung als Offizialdelikt. Besser aufgenommen wird demgegenüber der Einbezug der passiven Privatbestechung als zweite wesentliche Neuerung der vorgeschlagenen UWG-Revision.

Zuweilen wird eine griffigere bzw. einschränkendere Ausgestaltung des Tatbestandes verlangt. Die Minderheit, die die Aufwertung der Privatbestechung zum Offizialdelikt begrüsst, fordert zumeist auch ihre Überführung ins Kernstrafrecht.

Weitere Meinungsäusserungen betreffen vorab die Notwendigkeit ausserstrafrechtlicher Regelungen zur Korruptionsprävention. So wird insbesondere die Fertigstellung der Musterregelung für den Umgang mit Geschenken durch das EFD und die Umsetzung der Parlamentarischen Initiative Carobbio betreffend Ausschluss der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schmiergeldzahlungen gefordert. Daneben werden zu technischen und redaktionellen Einzelpunkten etliche Hinweise, Anregungen und auch Vorbehalte angebracht.

123

Weiteres Vorgehen und Ausarbeitung der Vorlage

Mit Beschluss vom 20. Januar 1999 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis und beauftragte das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement mit der Ausarbeitung von Botschaft und Entwurf zur Revision des Korruptionsstrafrechts und zum Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr. Zum weiteren Vorgehen gab der Bundesrat dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement namentlich folgende Vorgaben: Botschaft und Entwurf seien auf der Basis der beiden ersten Teile des Vorentwurfs (Bestechung schweizerischer Amtsträger, Bestechung fremder Amtsträger und Ratifikation des entsprechenden OECDÜbereinkommens) und im Lichte der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens auszuarbeiten. Dabei sei den im Vernehmlassungsverfahren verbreitet geäusserten Wünschen nach einer Begrenzung und Klärung der unteren Schwelle der Strafbarkeit Rechnung zu tragen: Einerseits soll für leichte Fälle und bei fehlendem Strafbedürfnis ein spezifisch auf Bestechungsdelikte zugeschnittenes gemässigtes Opportunitätsprinzip den Verzicht auf Bestrafung ermöglichen. Darüber hinaus seien die Tatbestandsformulierungen soweit möglich zusätzlich zu konkretisieren, ohne jedoch die auch im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich begrüssten Verschärfungen der Strafnormen ­ wie namentlich den Einbezug von Ermessenshandlungen, den Verzicht auf das Erfordernis der Künftigkeit der Amtshandlung sowie die Erfassung des so genannten «Anfütterns» ­ rückgängig zu machen.

Obschon die Revisionsbedürftigkeit der Strafbestimmungen über die Privatbestechung auch im Vernehmlassungsverfahren überwiegend bejaht wurde, stellte der Bundesrat fest, dass sich dieses Vorhaben schwerlich im Rahmen der hier zur Debatte stehenden Vorlage realisieren liesse: Trotz struktureller Ähnlichkeiten mit der Beamtenbestechung besteht bei der Privatbestechung ein weites Feld von unterschiedlich gelagerten Problemen, die teilweise einer vertieften Prüfung bedürfen.

Eine solche würde jedoch zu einer Verzögerung der Vorlage führen, die sich mit ihrer Dringlichkeit nicht vereinbaren lässt. Aus diesen Gründen beschloss der Bundesrat, die Privatbestechung von der vorliegenden Revision abzukoppeln und in einem späteren zweiten Paket, voraussichtlich im Kontext mit der Ratifizierung der Straf5522

rechtskonvention gegen die Korruption des Europarates89, vorzulegen. In diesem Zusammenhang wird auch auf den verschiedentlich im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Vorschlag zurückzukommen sein, auch die passive Bestechung fremder Amtsträger unter Strafe zu stellen.

2

Besonderer Teil

21

Bestechung schweizerischer Amtsträger (Art. 322ter­322sexies E-StGB)

211

Rechtsgut und Systematik

211.1

Rechtsgut

Wie bereits im Allgemeinen Teil dieser Botschaft dargelegt wurde90, hat sich das durch die Bestechungstatbestände geschützte Rechtsgut im Laufe der Zeit gewandelt: Die traditionelle Deutung der Bestechlichkeit als Ungehorsamstatbestand wurde abgelöst vom Interesse am Schutz der Objektivität und Sachlichkeit amtlicher Tätigkeit. Lässt sich ein Amtsträger für seine amtliche Tätigkeit Vorteile versprechen, so besteht die erhebliche Gefahr, dass er sich in seiner Tätigkeit nicht mehr an Sachgesichtspunkten, sondern an persönlichen Vorteilen orientiert. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit staatlicher Aufgabenerfüllung wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Der Vertrauensverlust stellt die rechtsstaatliche und demokratische Legitimation staatlichen Handelns in Frage91. Diese Rechtsgutsauffassung schlägt sich im geltenden Recht bei den verschiedenen Tatbeständen in jeweils unterschiedlich abstrakter Weise nieder. Artikel 315 Absatz 2 StGB thematisiert die unmittelbare Verfälschung des staatlichen Entscheidungsprozesses, indem diese Tatbestandsvariante die erfolgte Verletzung der Amtspflicht voraussetzt und damit ein konkretes Gefährdungsdelikt darstellt. Artikel 288 und Artikel 315 Absatz 1 StGB sind demgegenüber als abstrakte Gefährdungsdelikte einzustufen, weil sie das reale Vorliegen einer pflichtwidrigen amtlichen Tätigkeit nicht voraussetzen: Zur Vollendung genügt das Vorteilsversprechen bzw. das Fordern im Hinblick auf eine künftige pflichtwidrige amtliche Tätigkeit. Schliesslich verlagert Artikel 316 StGB den Schutz auf eine noch abstraktere Stufe, da die Leistung für ein rechtmässiges Amtshandeln weniger den Entscheidungsprozess als das allgemeine Vertrauen in staatliches Handeln beeinträchtigt.

Der Entwurf hält an der bisher verfolgten Schutzrichtung fest. Die neuen Tatbestandsformulierungen bezwecken ebenfalls den Schutz des allgemeinen Vertrauens in die Objektivität und Sachlichkeit staatlichen Handelns. Sämtliche Tatbestände sind aber als abstrakte Gefährdungsdelikte konzipiert. Die Tatbestände der eigentlichen Bestechung (Art. 322ter und 322quater E-StGB) greifen auf die Struktur des bestehenden Grundtatbestandes zurück. Demgegenüber abstrahieren die Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme (Art. 322quinquies und 322sexies 89 90 91

Vgl. dazu oben 115.2.

Oben Ziff. 114.1.

Vgl. etwa BGE 117 IV 288 ff.; Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 21.8.1995 S. 34 f.; Stratenwerth, 1995 § 57 N. 1; Balmelli S. 87 ff.; Pieth, Die Bestechung schweizerischer und ausländischer Beamter, in: FS für Jörg Rehberg, Zürich 1996 S. 235 [1996a].

5523

E-StGB) weiter: Sie begnügen sich damit, dass der Vorteil allgemein im Hinblick auf die Amtsführung in Aussicht gestellt bzw. gefordert wird. Der Bezug zum Rechtsgut ergibt sich aus der typischen Gefährlichkeit des scheinbar zweckfreien «Anfütterns».

211.2

Systematik

Nach geltendem Recht wird die aktive Bestechung im 15. Titel «strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt» und die passive Bestechung und die Annahme von Geschenken im 18. Titel bei den strafbaren Handlungen «gegen die Amts- und Berufspflicht» eingeordnet. Diese systematische Trennung ist schon länger als unbefriedigend empfunden worden. Nicht nur macht sie es dem Bürger schwer, die massgeblichen Bestimmungen aufzufinden; sie suggeriert überdies, dass die aktive Bestechung andere Schutzgüter verletze als die passive. Wie dargelegt, entspricht dies jedenfalls der heutigen Rechtsgutsauffassung nicht mehr.

Der Vorentwurf empfiehlt daher, sämtliche Bestechungstatbestände in einem Titel zusammenzuziehen. Da aber weder der 15. noch der 18. Titel sich dazu eignen, wird vorgeschlagen, einen neuen 19. Titel «Bestechung und Bestechlichkeit» einzuführen92. Die Schaffung eines neuen 19. Titels hat den weiteren Vorteil, dass der Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger ebenfalls hier eingeordnet werden kann.

Entsprechend sind die bisherigen Bestechungstatbestände (Art. 288, 315 und 316 StGB) aufzuheben.

212

Bestechen und sich bestechen lassen (Art. 322ter und 322quater E-StGB)

212.1

Die Definition des Amtsträgers

212.11

Allgemeines

Das geltende Recht umschreibt in Artikel 315 StGB die Täter der passiven Bestechung als «Mitglieder einer Behörde, Beamte, zur Ausübung des Richteramtes berufene Personen, Schiedsrichter, amtlich bestellte Sachverständige, Übersetzer oder Dolmetscher». In Artikel 288 StGB (aktive Bestechung) wird dieselbe Definition verwendet, wenn auch ergänzt um die «Angehörigen des Heeres», da Artikel 288 StGB zugleich als Gegenstück zum Bestechlichkeitstatbestand von Artikel 142 MStG dient. Das Schweizerische Strafgesetzbuch unterscheidet, anders als das deutsche und das österreichische, nicht prinzipiell zwischen der Bestechung von Amtsträgern einerseits und der Bestechung von gerichtlich tätigen Personen andererseits.

Auch Parlamentarier werden prinzipiell vom Schweizer Bestechungsrecht erfasst.

Die etwas umständliche Umschreibung der Amtsträger hat nach wie vor ihre Berechtigung, sie wird im Entwurf lediglich sprachlich etwas vereinfacht, so bezüglich der «zur Ausübung eines Richteramtes berufenen Personen»93.

92 93

Dementsprechend ist der bisherige 19. Titel «Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen» neu als 20. Titel zu bezeichnen.

Dazu Stratenwerth, 1995 II § 57 N. 3.

5524

212.12

Der Beamtenbegriff gemäss Artikel 110 Ziffer 4 StGB

Unter den von den Bestechungstatbeständen erfassten Amtsträgern kommt zweifellos den Beamten herausragende praktische Bedeutung zu. Der hier massgebende strafrechtliche Beamtenbegriff wird vom Strafgesetzbuch in Artikel 110 Ziffer 4 definiert. Wie andere Rechte erfasst das Schweizerische Strafgesetzbuch sowohl institutionelle wie funktionale Beamte. Auf Grund der spezifisch strafrechtlichen Beamtendefinition kommt es nicht darauf an, in welcher Rechtsform der funktionale Beamte für das Gemeinwesen tätig ist, entscheidend ist, dass er Staatsaufgaben wahrnimmt94. Deshalb wird der strafrechtliche Begriff des Beamten auch nicht etwa obsolet, wenn der dienstrechtliche Beamtenstatus in den öffentlichen Verwaltungen abgeschafft wird.

Während der Staat früher überwiegend hoheitlich aufgetreten ist, bedient er sich bei seiner Aufgabenerfüllung zunehmend alternativer Handlungsformen (insbesondere im Rahmen der Leistungsverwaltung). Die Schwierigkeit besteht darin, im Einzelfall die blosse Verlagerung von Staatstätigkeit auf Private (outsourcing) von echter Privatisierung zu unterscheiden: Auf den eigentlichen Privatbereich sind die hier erörterten Regeln nicht anwendbar, blosses outsourcing dagegen macht die Akteure häufig zum funktionalen Beamten. Folgende drei Beispiele illustrieren die Problematik:

212.13

Anwendungsbeispiele

(1) Eine Beamtin der staatlichen Liegenschaftsverwaltung X nimmt ihr nicht gebührende Vorteile für Wohnungszuweisungen entgegen. Sie kontrahiert namens des Staates mit den jeweiligen Mietern privatrechtlich und unterscheidet sich in ihrer Tätigkeit an sich nicht vom Angestellten einer privaten Liegenschaftsverwaltung.

Dennoch rechtfertigt die Tatsache, dass sie Angestellte der staatlichen Liegenschaftsverwaltung ist, den strafrechtlichen Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Objektivität ihrer Tätigkeit. Die Liegenschaftsverwalterin ist auf Grund ihrer eigenen institutionellen Einbindung in die staatliche Organisation in casu als Beamtin im Sinne von Artikel 110 Ziffer 4 Satz 1 StGB zu qualifizieren. Die privatrechtliche Natur der Kundenbeziehung ändert daran nichts.

(2) Der Angestellte einer privatrechtlich konstituierten Kraftwerke-AG gewährt einem Unternehmen auf Grund unzulässiger Privatzahlungen bessere Bedingungen bei der Energielieferung. Der Betreffende ist privatrechtlich angestellt. Die KraftwerkeAG nimmt jedoch eine öffentliche Aufgabe (Energievesorgung) wahr und ist staatlich beherrscht. Die Rechtsform alleine kann nicht zum Ausschluss der strafrechtlichen Beamteneigenschaft führen: Das allgemeine Interesse an der sachgemässen Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist auch bei organisatorischer Ausgliederung schützenswert, sodass vorliegend bereits aus Rechtsgutsüberlegungen der bei einer (staatlich beherrschten) privaten Unternehmung Angestellte im Sinne von Artikel 110 Ziffer 4 Satz 2 StGB als funktionaler Beamter zu qualifizieren ist95. Dassel94 95

Vgl. BGE 121 IV 220; Stratenwerth, 1995 § 56 N. 5; zum Behördenbegriff vgl. BGE 114 IV 35.

Vgl. aber auch Balmelli S. 121 ff., 122 der hier bereits Art. 110 Ziff. 4 Satz 1 analog heranzieht.

5525

be gilt gemäss der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wenn eine Person vom öffentlichen Verwaltungsträger zwar privatrechtlich angestellt ist, jedoch staatlichen Aufsichts- und Weisungsbefugnissen untersteht96.

(3) Während in den obgenannten Fällen die Kriterien der institutionellen Einbindung oder der öffentlichen Aufgabe den Ausschlag gegeben haben, ist der dritte Fall besonders heikel: Der Geschaftsführer eines mit der Planung, Mitwirkung an der Vergabe und der Überwachung öffentlicher Bauvorhaben beauftragten Ingenieurbüros lässt sich von einem potentiellen Unternehmer für die bevorzugte Behandlung bei der Auftragsvergabe (etwa für ein massgeschneidertes Leistungsverzeichnis) bezahlen. Das fragliche Ingenieurbüro ist weder staatlich beherrscht noch haben seine Angestellten hoheitliche Befugnisse. Kann der geschäftsleitende Ingenieur dennoch als funktionaler Beamter behandelt werden? Die Frage ist praktisch von erheblicher Bedeutung, weil die Gemeinwesen immer wieder darauf angewiesen sind, im Beschaffungswesen Aufgaben zu delegieren, und weil in diesem Bereich, schon wegen der Dimension der involvierten Aufträge, das Risiko der Bestechung besonders gross ist. Hinzu kommt, dass die frühzeitige Einwirkung auf ein Projekt schwer aufzudeckende, besonders wirksame Manipulationsmöglichkeiten eröffnet97.

Vorab ist festzuhalten, dass auch institutionelle Beamte der Bedarfsverwaltung unter den Amtsträgerbegriff fallen98. Wenn Entscheidungsbefugnisse oder wichtige Entscheidvorbereitungsarbeiten an Private delegiert werden, kann auch in diesem Bereich nichts anderes gelten: Der Ingenieur, der sich dafür privat bezahlen lässt, dass er die Vergabe- oder Abnahmeentscheidungen beeinflusst, fällt unter die Korruptionsnorm; die Vergabe öffentlicher Aufträge ist zweifelsfrei Staatstätigkeit. Fraglich kann höchstens sein, ob schon die reine Dienstleistung der Projektierung dadurch zu staatlicher Tätigkeit wird, dass sie als Basis der Ausschreibung dient. Das öffentliche Vergabewesen ist bis ins Detail Gegenstand eines ausgeklügelten Regelungssystems, das der Rechtsgleichheit unter Bewerbern und auch dem Schutz des staatlichen Budgets dient. Die Projektierung ist nicht bloss eingekaufte Sachleistung, sie legt vielmehr das Anforderungsprofil für das gesamte Vergabeverfahren fest. Es wäre schwer verständlich, wenn diese zentrale normative Funktion aus strafrechtlicher Sicht nicht als funktionale Beamtentätigkeit gewertet würde99.

212.14

Zur Frage des gesetzlichen Regelungsbedarfs

Auch wenn sich in Zukunft solche und ähnliche Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit der Einführung des «New Public Management» (NPM) und zunehmender 96

97 98

99

Vgl. BGE 121 IV 216 ff.: Obwohl das Bundesgericht nicht explizit von der funktionalen Betrachtungsweise abweicht, stellt es in casu mehrheitlich auf institutionelle Gesichtspunkte ab, wenn es ausführt: «Der entscheidende Unterschied zwischen Einzel- und Amtsvormund liegt im Rechtsverhältnis des Amtsvormundes zum Gemeinwesen, das vom Kanton oder der Gemeinde zu bestimmen ist. Im Gegensatz zum Einzelvormund ist der Amtsvormund in aller Regel im Verhältnis zum Gemeinwesen Beamter». (a.a.O.

S. 222).

Vgl. Pieth 1997b S. 36 ff.

Vgl. BGE 118 IV 310 ff. (315), in dem das Bundesgericht nicht daran zweifelt, dass ein Angestellter der Universität im Bereich des Einkaufs von Geräten (Bedarfsverwaltung) Beamter ist; zum Ganzen vgl. Balmelli S. 116 ff.

So Pieth 1997b S. 42 ff.; ebenso für das deutsche Recht Weiser, NJW 1994 S. 968 ff.; kritisch dagegen Balmelli S. 123 ff.

5526

Auslagerung von Staatsaufgaben vermehrt stellen werden, ist die Materie in Bezug auf die Bestechungsproblematik nicht durch eine einfache gesetzliche Regelung zu klären. Die geltende Legaldefinition in Artikel 110 Ziffer 4 StGB ermöglicht es durchaus, sowohl funktionale wie auch institutionelle Beamte zu erfassen. Deshalb hat der Bundesrat auch im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches keine materiellen Änderungsvorschläge zu Artikel 110 Ziffer 4 StGB vorgebracht. Die dort neu vorgeschlagene strafrechtliche Definition des Beamten in Artikel 110 Absatz 3 E-StGB weist denselben normativen Gehalt auf wie das geltende Recht100.

Da der strafrechtliche Beamtenbegriff im Kontext der Revision des Allgemeinen Teils des StGB ohnehin bereits Gegenstand der parlamentarischen Beratungen bildet, ist dort zu prüfen, ob der geltende Amtsträgerbegriff den in jüngster Zeit erfolgten Entwicklungen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben genügend Rechnung zu tragen vermag. Aus diesen Gründen besteht jedenfalls kein Anlass, im Rahmen dieser Revision des Korruptionsstrafrechts Artikel 110 Ziffer 4 StGB zu ändern.

212.2

Tathandlung: «Die Leistung»

212.21

Der Vorteil

Im geltenden Recht wird das Tatmittel als «Geschenk oder anderer nicht gebührender Vorteil» umschrieben. Im Entwurf wird nurmehr der Begriff «Vorteil» verwendet, da Geschenke stets Vorteile sind101. Der normative Gehalt bleibt derselbe. Gemäss herrschender Lehre sind Vorteile sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen materieller wie immaterieller Art102. Jede objektiv messbare, rechtliche, wirtschaftliche oder auch persönliche Besserstellung des Zuwendungsempfängers gilt als Vorteil. Klassisch ist die Zuwendung von Bargeld. Daneben fallen Sach- und Nutzzuwendungen wie z. B. die Zuwendung wertvoller Gegenstände, die Überlassung eines Leihwagens, die Gewährung von Firmenrabatten oder das Spendieren einer Reise unter den materiellen Vorteilsbegriff; ebenso der Verzicht auf geldwerte Leistungen (wie z. B. der Schulderlass, negative Schuldanerkennung usw.)103.

In der Praxis geben eine Reihe von Scheingeschäften zu Diskussionen Anlass, die dem deliktischen Zusammenwirken der Parteien einen legalen Anstrich verleihen sollen. Immer wieder werden wirtschaftlich nicht begründete «Beraterhonorare» ausgerichtet, bei Handelsgeschäften werden überhöhte Rechnungen ausgestellt oder Darlehen zu marktunüblichen Konditionen gewährt. Auch solche Geschäfte sind als materielle Vorteile zu qualifizieren, wenn sich Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich nicht entsprechen, der Vorteil sich folglich in messbarer Weise niederschlägt.

100 101 102 103

Vgl. BBl 1999 I 1979 ff. (2147, 2334).

Vgl. statt vieler Gerber, ZStrR 96 (1979) S. 248.

Vgl. Stratenwerth, 1995 § 57 N. 5 m.w.H.; Trechsel N. 3 zu Art. 315.

Vgl. Balmelli S. 131 f.

5527

212.22

Der nicht gebührende Vorteil

Der Begriff des nicht gebührenden Vorteils ist bereits in den geltenden Artikeln 315 und 316 StGB erwähnt. Der Passus sollte ursprünglich die selbstverständliche Tatsache unterstreichen, dass rechtlich geschuldete Taxen, Gebühren und Vergütungen keine Vorteile i.S. der Bestechungstatbestände sind104. Dem Element kommt heute aber eine weiterreichende Bedeutung zu; so ist es in den Legaldefinitionen sowohl der OECD-Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr105 wie auch der Strafrechtskonvention des Europarates gegen die Korruption106 in analoger Forum («indu», bzw. «undue») enthalten.

«Nicht gebührend» ist ein Vorteil, zu dessen Annahme der Amtsträger nicht berechtigt ist. Der Passus erlaubt es, insbesondere solche Zuwendungen aus dem Anwendungsbereich der Bestechungstatbestände auszuschliessen, deren Annahme dienstrechtlich erlaubt ist. Zu denken ist an administrative Regeln über Meldung, Bewilligung oder Ablieferung von Geschenken und anderen Vorteilszuwendungen. Das Erfordernis des nicht gebührenden Vorteils gibt aber auch Raum, Vorteilszuwendungen auszuscheiden, die geringfügig und sozial toleriert sind. Diese wichtigen Präzisierungen bringt auch der Gesetzestext in Artikel 322octies Ziffer 2 des Entwurfs zum Ausdruck107. Die Frage, ob ein Vorteil nicht gebührend ist, kann sich namentlich bei Belohnungen für rechtmässiges Amtshandeln oder für die Amtsführung an sich stellen und bildet mithin insbesondere bei den Auffangtatbeständen von Artikel 322quinquies und 322sexies E-StGB108 ein zusätzliches Kriterium für die Begrenzung der Strafbarkeit.

212.23

Mittelbare Vorteilsgewährung

Erfolgt die Zuwendung nicht direkt vom Täter an den Empfänger, sondern leistet ein Dritter im Stile eines Erfüllungsgehilfen, so liegt ein Fall der mittelbaren Zuwendung vor. Diese wird ­ obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ­ unbestrittenermassen bereits vom aktuellen Gesetzestext erfasst109. Das geltende Recht befasst sich nicht mit den Modalitäten der Leistung, da es bereits genügt, dass ein Vorteil versprochen wurde. Wer die Leistung erbracht hat bzw. erbringen sollte, ist für die Strafbarkeit des Versprechenden und des Empfängers nicht von Belang.

Demgemäss kann auf eine explizite Erwähnung im Gesetzestext verzichtet werden.

212.24

Vorteilsgewährung an Dritte

Eine Vorteilsgewährung an Dritte genügt für das Vorliegen der Tatbestandsmässigkeit gemäss überwiegender Lehre und Rechtsprechung nur, wenn der Amtsträger

104 105 106 107 108 109

Vg. Stratenwerth, 1995 § 57 N. 5.

Artikel 1 Ziffer 1 OECD-Konvention.

Artikel 2 ff. des Europaratsübereinkommens.

Vgl. dazu hinten Ziff. 23.

Vgl. dazu unten Ziff. 213.

Vgl. BGE 100 IV 58; Balmelli S. 150.

5528

zumindest mittelbar bevorteilt erscheint110. Wann dies der Fall ist, kann fraglich sein. Während beispielsweise die Zuwendung an nahe Angehörige eines Amtsträgers ohne Weiteres als tatbestandsmässiger Vorteil qualifiziert wird, wenn der Amtsträger daraus einen mittelbaren Nutzen zieht111, ist dies bei einer Zuwendung an eine gemeinnützige Institution (z. B. Rotes Kreuz) kaum der Fall. Dazwischen gibt es indessen Konstellationen, bei denen das Kriterium des mittelbaren Vorteils Abgrenzungsschwierigkeiten bietet; zu denken ist an Fälle, wo die Zuwendung an Personen oder Institutionen geht, die dem Amtsträger gesellschaftlich oder ideell nahe stehen, wie z. B. Vereine und politische Parteien. Einer im Vernehmlassungsverfahren verschiedentlich erhobenen Forderung112 folgend wird daher vorgeschlagen, die Drittzuwendung auf der Empfängerseite explizit zu regeln113. Unter den Gesichtspunkten des Rechtsgüterschutzes und der Strafwürdigkeit ist es denn auch völlig unerheblich, ob der Vorteil dem Amtsträger selber oder einem Dritten zukommen soll, sofern der Zusammenhang zwischen Vorteil und Amtspflichtverletzung hinreichend dargetan ist. Dabei versteht sich, dass der Beweis dieses Zusammenhangs bei Drittzuwendungen regelmässig nicht einfach zu erbringen sein wird.

Während mithin bei den eigentlichen Bestechungstatbeständen der Amtsträger nicht mehr als persönlich (mit-)bevorteilt erscheinen muss, ist bei den Auffangtatbeständen der Vorteilsgewährung und -annahme (Art. 322quinquies und 322sexies E-StGB) an diesem Erfordernis festzuhalten, weil es hier an einer konkreten Gegenleistung (Amtshandlung) fehlt, die auch objektiv ausreichend mit einer Zuwendung an einen aussenstehenden Dritten in Verbindung gebracht werden könnte.

212.25

«Anbietet, verspricht oder gewährt» bzw. «fordert, sich versprechen lässt oder annimmt»

Die Formulierung der tatbestandsmässigen Handlung i. e. S. ist in der Sache unverändert belassen, sprachlich aber leicht vereinfacht worden.

212.3

Tathandlung: Die «Gegenleistung»

Der geltende Tatbestand des Sich-bestechen-Lassens (Art. 315 StGB) bringt die anvisierte Gegenleistung des Beamten auf eine Kurzformel: Der Vorteil wird versprochen oder gegeben «für eine künftige pflichtwidrige Amtshandlung». Bei näherem Hinsehen erweisen sich mehrere dieser Begriffe als problematisch. Zudem stimmt die Formel nicht mit dem korrespondierenden Tatbestand der aktiven Bestechung (Art. 288 StGB) überein. Schliesslich ist der Tatbestand der Annahme von Geschen110

Vgl. BGer in Rep 70 (1946) S. 386; SJZ 92 (1996), S. 13; vgl. im Weiteren die kasuistischen Umschreibungen bei Stratenwerth, 1995 § 57 N. 6, 24; Trechsel N. 3 zu Art. 315; Gerber S. 249. A.M. noch die ältere Lehre: Hafter, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, zweite Hälfte, Berlin 1943 S. 757; Logoz, Commentaire du Code Pénal Suisse, Partie Spécial Bd. II, Neuchâtel/Paris 1956 N. 3 zu Art. 288; Peter, Die Bestechung im Schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1946 S. 67.

111 Vgl. Gerber S. 249; gemäss Trechsel N. 3 zu Art. 315, soll es genügen, dass der Vorteil an Dritte geeignet ist, die Handlungsweise des Amtsträgers zu beeinflussen.

112 Vgl. die Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse, S. 9.

113 So auch die Legaldefinitionen der Konventionen der OECD und des Europarates sowie z. B. das Deutsche Strafrecht in §§ 331 ff. StGB.

5529

ken (Art. 316 StGB) scheinbar analog zu Artikel 315 StGB konstruiert, die Praxis interpretiert die Formel aber in den beiden Tatbeständen unterschiedlich. Insbesondere auf drei Fragen ist näher einzugehen: Erläuterungsbedürftig sind die Begriffe der Amtshandlung und der Pflichtwidrigkeit, sodann ist zu prüfen, ob am Erfordernis der Künftigkeit festzuhalten ist.

212.31

Die Amtshandlung

Das geltende Recht ist an dieser Stelle ­ wie bemerkt ­ aus zwei Gründen unscharf: Es verwendet bezüglich der Geschenkeannahme und der passiven Bestechung scheinbar denselben Begriff der Amtshandlung. Bei der Geschenkeannahme soll aber nur an Handlungen des Amtsträgers im Rahmen seiner Kompetenz gedacht worden sein. Demgegenüber misst die Praxis der analogen Formel in Artikel 315 eine andere Bedeutung zu: Als «Amtshandlungen» werden hier auch Akte betrachtet, die mit der amtlichen Tätigkeit bloss im Zusammenhang stehen, die in Ausnutzung der amtlichen Stellung vorgenommen worden sind. Erfasst werden auf Grund konstanter Bundesgerichtspraxis auch pflichtwidrige Handlungen, zu denen der Beamte weder örtlich, sachlich noch funktional zuständig war, zu denen er aber auf Grund seiner amtlichen Stellung Gelegenheit hatte114, sowie die recht häufigen Fälle des Verkaufs im Amte erworbener Informationen an Aussenstehende115. Das weitere Verständnis des Begriffs der Amtshandlung in Artikel 315 StGB durch das Bundesgericht ist denn auch mit der ratio legis vereinbar116: Auch die eigentlichen Bestechungsdelikte dienen nicht nur dem Schutze vor konkret verfälschten Entscheiden, sondern bereits vor abstrakter Gefährdung des Vertrauens in die Beamtenschaft.

De lege ferenda ist eine Vereinfachung und Klärung angezeigt. Die vorgeschlagene Formel soll vier Dinge klarstellen: Zunächst muss sie breit genug sein, auch Fälle zu erfassen, in denen Vorteile zur Beförderung von Handlungen gegeben werden, die der Beamte lediglich auf Grund seiner amtsinternen Stellung vornehmen kann, auch wenn es nicht gesetzlich vorgesehene Amtshandlungen sind (z. B. Verkauf von Informationen) oder wenn er in der internen Aufgabenverteilung für diese Handlung gar nicht zuständig ist (z. B. Verwendung des Stempels des Kollegen in dessen Abwesenheit). Sodann muss die Formel reine Privathandlungen ausgrenzen: Was der Beamte als Privatperson erhält, ist auch dann, jedenfalls für die strafrechtlichen Bestechungstatbestände, irrelevant, wenn er etwa mit «Schwarzarbeit» gegen das Dienstrecht verstösst117. Weiter müssen sich die Tatbestände der eigentlichen Bestechung ­ in Abgrenzung von der Vorteilsgewährung und -annahme ­ auf die Förderung einer zumindest bestimmbaren Handlung beziehen. Schliesslich ist im Interesse der Klarheit neben der Handlung auch die Unterlassung explizit im Gesetz zu erwähnen; 114

Vgl. etwa das illustrative Beispiel in BGE 77 IV 39 ff., in dem der angeklagte Zöllner, obwohl formell dem Zollamt X zugeteilt, zeitweise auf den Zollämtern Y und Z Handlungen vorgenommen hat.

115 So der klassische Fall des Inspektors der staatlichen Basler Brandversicherungsanstalt, der in amtlicher Eigenschaft Öfen zu untersuchen hatte und während mehr als zwanzig Jahren in unerlaubter Weise bei Defekten dem Versicherten einen bestimmten Ofenbauer empfahl, der sich ihm gegenüber mit einer verdeckten Gewinnbeteiligung erkenntlich zeigte: BGE 72 IV 179 ff.

116 A. A. Stratenwerth, 1995 S. 57 N. 17; zur Kritik an der Position von Stratenwerth vgl.

Balmelli S. 155 ff.

117 Vgl. BGE 72 IV 183; Stratenwerth, 1995 § 57 N. 16; Balmelli S. 173.

5530

ein Anwendungsbeispiel bildet hier etwa das Untätigsein eines anzeigepflichtigen Strafverfolgungsorgans gegen Geldzahlung.

Aus diesen Gründen wird, in Anlehnung an die Bundesgerichtspraxis, für beide Tatbestände eine einheitliche Doppelformel vorgeschlagen: «... im Zusammenhang mit dessen/seiner amtlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung ...».

212.32

Pflichtwidrige Handlung und Ermessensentscheid

Während die Praxis gestützt auf verwaltungsrechtliche Grundsätze zur Pflichtwidrigkeit gesicherte Leitlinien erarbeitet hat118, blieb die Frage lange ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen auch Ermessensentscheide als pflichtwidrig im Sinne der strafrechtlichen Bestechungstatbestände anzusehen sind. Das bernische Obergericht hatte bereits 1946 angenommen, dass ein Beamter seine Amtspflicht verletze, wenn er Ermessensentscheide nicht unbefangen und unparteiisch treffe119.

Vorab ist klarzustellen, dass eigentliche Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, -unterschreitung und Willkür) im Sinne der verwaltungsrechtlichen Lehre den Rechtsfehlern zuzuweisen sind. Klärungsbedürftig sind indessen die Fälle, in denen der Entscheid sachlich vertretbar ist, der Beamte aber seine Neutralität verkauft hat: Im Fall Huber und Mitangeklagte berief sich die Verteidigung darauf, dass eine grosszügigere Bewilligungspraxis für Gastwirtschaften durchaus im Interesse einer allmählichen Liberalisierung im Wirtschaftswesen gestanden habe und die Entscheide daher nicht als pflichtwidrig zu betrachten seien. Als problematisch erwies sich indessen der Verkauf von Bewilligungen unter gleichermassen valablen Kandidaten an den Meistbietenden. Bei einer derartigen «Versteigerung» von Bewilligungen in privatem Interesse kann von einem sachlichen und fairen Verfahren nicht gesprochen werden. Es liegt ein schwer wiegender Verfahrensmangel vor. Die Entscheidungsinstanz ist befangen, die Behörde falsch zusammengesetzt. Sie begeht eine formale Rechtsverweigerung120. Auf Grund des geltenden Rechts kann man sich allerdings darüber streiten, ob Ermessenshandlungen im Hinblick auf die in Aussicht gestellten Vorteile immer pflichtwidrig sind oder ob es des zusätzlichen, schwer zu erbringenden Nachweises bedarf, dass sich der Beamte auch vom Vorteilsversprechen hat beeinflussen lassen. Dagegen spricht, dass bereits nach den ordentlichen Regeln der Ablehnung wegen Befangenheit die Besorgnis der Befangenheit ausreicht.

Im Sinne einer klaren, objektivierbaren Lösung, die auch Beweisprobleme in Grenzen hält, wird eine gesetzliche Regelung der Frage vorgeschlagen121. Ermessenshandlungen gegen Vorteilsversprechen sollen wie Verstösse gegen klare Rechtsnormen behandelt werden. In der Praxis zeigt sich, dass Beamte im Ermessensbe118

Vgl. BGE 72 IV 181 f.; BGE 77 IV 45 ff.; BGE 93 IV 55 f.; SJZ 92 (1996) S. 15; Hauser/Rehberg, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, Zürich 1989, § 100 S. 270; Stratenwerth, 1995 § 57 N. 20; Balmelli S. 176 ff., insbesondere zum Begriff der Verwaltungsakzessorietät S. 180 ff.

119 ZBJV 82 (1946) S. 126. Kritisch Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar 1. Aufl., Zürich 1989 N. 5 zu Art. 288; in der 2. Aufl. in N. 5 zu Art. 288 m.w.N.

aber nunmehr modifiziert.

120 Vgl. auch SJZ 92 (1996) S. 15; Balmelli S. 186 ff.; Peter S. 33 f.; Pieth, [1996a] S. 242.

121 Vgl. auch die in Deutschland geltenden §§ 332 und 334 StGB.

5531

reich besonders gefährdet sind, zudem fühlen sie sich hier am sichersten, weil mit der Aufdeckung selbst bei inhaltlicher Überprüfung des Entscheides kaum zu rechnen ist. Wo demgegenüber Anspruch auf eine Amtshandlung oder Dienstleistung i. S. gebundenen Verwaltungshandelns besteht, kommen nur die Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und -annahme in Betracht 122.

212.33

Künftige pflichtwidrige Handlung?

Die Zuwendung, die als Belohnung zeitlich nach der (pflichtwidrigen) amtlichen Tätigkeit erfolgt, ist nach einhelliger Schweizer Lehre und Rechtsprechung weder für den Zuwendenden noch den Empfänger strafbar123. Vorausgesetzt ist freilich, dass vor der betreffenden amtlichen Tätigkeit der Vorteil nicht schon gefordert bzw.

angeboten oder versprochen worden ist. Die Künftigkeit setzt der Strafbarkeit somit eine bemerkenswerte Grenze, da unabhängig von der Höhe der nachträglichen Bezahlung und dem zeitlichen Bezug zur amtlichen Tätigkeit das Strafrecht grundsätzlich nicht zum Zuge kommt. So wäre selbst eine wenige Tage nach der unrechtmässigen Erteilung einer amtlichen Bewilligung erfolgte Zahlung über mehrere Hunderttausend Franken an einen Beamten grundsätzlich nicht strafbar, wenn sich nicht nachweisen liesse, dass die Summe zuvor versprochen oder gefordert wurde.

Dieses Ergebnis ist unbefriedigend, weil der Bezug zur konkreten pflichtwidrigen Handlung durchaus gegeben sein kann. Doch die bisherige Regelung hält die Belohnung offensichtlich für ungefährlich, weil sie den Entscheid nicht mehr beeinflussen kann. Allerdings tangiert sie das heute allgemein anerkannte breitere Rechtsgut des Vertrauens in die Sachlichkeit staatlicher Aufgabenerfüllung erheblich.

In der Praxis ist im Übrigen bei fortgesetzten Geschäftskontakten zwischen den Parteien oft schwer feststellbar, ob die Vorteilszuwendung eine (straflose) nachträgliche Zahlung darstellt oder bereits als eine Zahlung im Hinblick auf die nächste sich abzeichnende amtliche Tätigkeit zu verstehen ist124. In kantonalen Entscheiden wurde zum Teil eine buchstabengetreue, segmentierende Gesetzesauslegung abgelehnt und das Verhalten der angeschuldigten Personen als Einheit betrachtet125.

Dennoch bleibt es dabei, dass das Erfordernis der Künftigkeit für die Strafverfolgung eine erhebliche Hürde darstellt. Der Entwurf schlägt daher vor ­ analog zu einigen ausländischen Regelungen126 ­, auf dieses zusätzliche Tatbestandselement zu verzichten.

212.4

Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung: Äquivalenz

Das geltende Recht drückt in den Wendungen «damit» (Art. 288 StGB) und «für» (Art. 315 und 316 StGB) aus, dass die Beziehung zwischen Leistung und Gegen122 123

Artikel 322quinquies und 322sexies E-StGB, dazu unten 213.

Vgl. BGE 118 IV 316; BGE 71 IV 147; Hauser/Rehberg § 125 S. 341; Stratenwerth, 1995 § 57 N. 8.

124 Hauser/Rehberg, § 126 S. 343 führen gar an, dass bei ständigen amtlichen Beziehungen eine Strafbarkeit praktisch nicht in Betracht komme, da sich der Vorteil stets als Honorierung für eine bereits vorgenommene Tätigkeit erklären lasse.

125 Vgl. SJZ 92 (1996) S. 16; ZR 51 (1952) S. 167; zustimmend Balmelli S. 208.

126 Vgl. etwa im deutschen Recht die §§ 331 StGB oder die italienischen Art. 318 ff. CP.

5532

leistung Beweisgegenstand ist. Das Bundesgericht verlangt dabei allerdings nicht den konkreten Nachweis der Unrechtsvereinbarung für jeden Vorteil und jede pflichtwidrige Handlung. Das würde irreale Anforderungen an die Strafverfolgungsbehörden stellen oder aber den Druck auf den Einsatz besonderer Ermittlungsmassnahmen und eine Kronzeugenregelung erheblich erhöhen. Die gegenwärtige Praxis begnügt sich damit, dass die künftigen Handlungen des Beamten mindestens «ihrer Art nach bestimmbar» sein sollen127. Die Praxis rekurriert dabei auch auf objektive Hilfskriterien wie die Höhe des Vorteils, die zeitliche Nähe und die Häufigkeit der Kontakte zwischen Gebendem und Nehmendem sowie insbesondere den Zusammenhang zwischen der beruflichen Stellung des Gebenden und der Amtstätigkeit des Nehmenden (Identität der Geschäftsbereiche)128. So hat das Bezirksgericht Zürich129 die Äquivalenz bejaht, obgleich die Vorteilsgewährung (in der Höhe von 281 125 Franken) gegenüber der Amtspflichtverletzung um ein Jahr zurücklag, weil die Vorteilshöhe unter den gegebenen Umständen andauernde Wirkung erzeuge. Hingegen lehnte es den genügenden Bezug bei einer sieben Jahre zurückliegenden Vorteilsgewährung über einen vergleichbaren Betrag ab. Weiter bejahte es den Bezug auf Grund der identischen Branchenzugehörigkeit. Das Obergericht Luzern130 hat in einem anderen Fall gar erwogen, bei wiederkehrenden Kontakten ein genügendes Äquivalenzverhältnis zu vermuten.

Durchaus zweifelhaft bleibt aber, ob auf Grund der heutigen Praxis auch blosse «Goodwill-Zahlungen» oder das so genannte «market conditioning» erfasst werden können. Soweit die Frage von der kantonalen Praxis erörtert worden ist, ist sie verneint worden131. Auch wenn in der Lehre vereinzelt eine abweichende Meinung vertreten wird132, ist es angezeigt, die Frage im Gesetz zu klären. Dabei soll eine zweistufige Lösung gewählt werden: Die eigentliche Bestechung setzt nach wie vor den Bezug zu einer mindestens bestimmbaren Handlung oder Unterlassung voraus.

Die Anforderungen an die Äquivalenz bei den eigentlichen Bestechungstatbeständen133 werden durch die vorliegende Revision im Vergleich zum geltenden Recht nicht reduziert. Eine Lockerung der Äquivalenz zur Erfassung des so genannten «Anfütterns» ist dagegen in den Auffangvorschriften der Vorteilsgewährung und -annahme134 vorgesehen, indem dort der Vorteil nicht für eine bestimmbare Gegenleistung, sondern für die Amtsführung als solche erfolgt.

127

128 129 130 131 132 133 134

Das Bundesgericht spricht in BGE 118 IV 316 von einem «lien suffisant entre l'avantage et un ou plusieurs actes futurs du fonctionnaire, détérminables de manière générique». In diesem Sinne auch SJZ 92 (1996) S. 16, wonach Äquivalenz vorliegt, wenn die betreffende Handlung in ihrem sachlichen Gehalt mindestens in groben Zügen bekannt ist; so auch Pieth 1996a, S. 243.

Dieser Praxis zustimmend, Balmelli S. 215 ff.; Pieth 1996a S. 243.

Vgl. SJZ 92 (1996) S. 16; Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 21. August 1995 S. 153, 157, 289, 297 ff.

LGVE 1990 S. 83.

LGVE 1990 S. 83 ff. (85).

Balmelli S. 216; a.M. wohl Trechsel, N. 5a zu Art. 288.

Artikel 322ter, 322quater und 322septies E-StGB.

Artikel 322quinquies und 322sexies E-StGB.

5533

212.5

Die Strafdrohungen und ihre Auswirkungen

Aus den bereits dargelegten Gründen135 ist die Strafdrohung der aktiven Bestechung derjenigen der passiven Bestechung anzugleichen. Artikel 322ter und 322quater EStGB drohen Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis an und bilden damit Verbrechenstatbestände (Art. 9 Abs. 1 StGB). Dies hat einerseits Auswirkungen auf die Verfolgungsverjährung und andererseits auf die Korruptionsgeldwäscherei: ­

Bei Wirtschaftsdelikten generell und bei Bestechungsdelikten im Besonderen bereiten die Verjährungsvorschriften der Strafverfolgung grosse Schwierigkeiten, zumal Bestechung ein Delikt unter Tätern ist und daher häufig erst nach geraumer Zeit aufgedeckt wird. So hat namentlich die Aufarbeitung des Falles Huber die Grenzen des geltenden Rechts deutlich werden lassen, indem sich zeigte, dass insbesondere die nur 5-jährige Verjährungsfrist für den Vergehenstatbestand von Artikel 288 StGB eine adäquate Behandlung von komplexen Sachverhalten erheblich erschwert. Die vorgeschlagene Änderung der Strafdrohungen entschärft die Problematik, indem nun auch für den Tatbestand des Bestechens (Art. 322ter VE-StGB) die 10-jährige Verjährungsfrist gemäss Artikel 70 Absatz 2 StGB gilt.

­

Nach geltendem Recht ist die aktive Bestechung als blosser Vergehenstatbestand auch keine strafbare Vortat zur Geldwäscherei, was sich insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung grenzüberschreitender Korruption als Nachteil erweist. Die Anpassung der Strafdrohungen im Entwurf behebt auch diesen Mangel und führt dazu, dass das Waschen von Bestechungsgeldern durchgehend strafbar wird.

213

Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme (Art. 322quinquies und 322sexies E-StGB)

213.1

Kriminalpolitisches Erfordernis

Erfahrungen in der Schweiz und im Ausland haben gezeigt, dass korruptive Beziehungen häufig mit «Streugeschenken» oder auch gezielten «Goodwill-Zahlungen» beginnen, denen keine konkrete Gegenleistung zuzuordnen ist. Sie sind deshalb gefährlich, weil Geschenke psychologisch nach einer Erwiderung verlangen. Die Risiken der Befangenheit sind mit Händen zu greifen. Es gibt kriminalpolitisch auch keinen Grund, weshalb die schlichte Zuwendung jenseits des Bewilligten oder sozial Üblichen, beispielsweise die Zuwendung von 100 000 Franken an einen kantonalen Baudirektor, strafrechtlich ausser Betracht bleiben soll, wenn kein konkretes Projekt zur Diskussion steht und der «Bonus» vielleicht erst Jahre später eingelöst wird. Die Bedeutung derartiger Zuwendungen für die Ausbildung der besonders gefährlichen systematischen Korruption wurde bereits oben unter Ziffer 112 dargelegt. Das geltende Recht, welches bei der Erfassung auch umfangreichster Anfütterungszahlungen erhebliche Schwächen aufweist136, verleitet die Praxis dazu, auf der Tatebene mit Vermutungen, etwa aus der «ökonomischen Logik», Bezüge zu erschliessen.

Eine Klärung der Lage durch den Gesetzgeber ist vorzuziehen. Der bereits im Vorentwurf unterbreitete Vorschlag, inskünftig auch das «Anfüttern» unter Strafe zu 135 136

Insbesondere oben Ziff. 114.1.

Vgl. oben Ziff. 114.2.

5534

stellen, ist im Vernehmlassungsverfahren denn auch ganz überwiegend begrüsst worden137.

Die Problematik wird im Übrigen auch in den Nachbarländern der Schweiz diskutiert. Italien und Deutschland arbeiten an einer Lockerung des Äquivalenzbezugs138.

In Schweden wird gänzlich auf das Erfordernis des bestimmbaren Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung verzichtet 139, und in Österreich liegt gemäss Rechtssprechung ein ausreichender Bezug bereits vor, wenn sich vernünftigerweise keine anderen Gründe für die Zuwendung finden lassen als der bestehende amtliche Kontakt140.

213.2

Die notwendige Beziehung zwischen Vorteil und Amt

Hinsichtlich des Amtsträgerbegriffs und des nicht gebührenden Vorteils sind Artikel 322quinquies und 322sexies E-StGB den neuen Formeln der eigentlichen Bestechung nachgebildet. Die beiden Tatbestände gehen über die Bestechung/Bestechlichkeit insofern hinaus, als sie den Bezug zu einer konkreten Handlung des Beamten fallen lassen. Allerdings kann, wie bereits dargelegt wurde141, der Bezug zum Amt nicht völlig aufgegeben werden, weil sonst auch Privatempfänge erfasst würden. Erwogen wurde vorerst, die für Artikel 322ter und 322quater E-StGB vorgesehene Passage, die bei den eigentlichen Bestechungsdelikten den rahmenmässigen Bezug zum Amt herstellt, auch an dieser Stelle zu übernehmen («in Zusammenhang mit dessen/seiner amtlichen Tätigkeit»). Im Kontext der eigentlichen Bestechungsdelikte hat diese Formel die Funktion, auch solches pflichtwidriges Verhalten zu erfassen, zu dem der Beamte auf Grund seiner amtlichen Stellung bloss die Gelegenheit hatte. Im Rahmen eines Anfütterungstatbestandes wäre dagegen die Formel zu weit, weil sie auch Geschenke erfassen müsste, die der Beamte bloss erhält, weil er Postbote, Polizist usw.

ist. Zu denken ist bspw. an Geschenke von Verwandten und Freunden aus Anlass einer Beförderung.

Mit der nun gewählten Formel «im Hinblick auf die Amtsführung» wird ­ auch im Vergleich zum Vorentwurf142 ­ zusätzlich verdeutlicht, dass nur solche Zuwendungen erfasst werden sollen, die eine Beeinflussung des Amtsträgers anvisieren. Der Vorteil muss mit anderen Worten geeignet sein, auf die Amtsführung des Empfängers einzuwirken. Die Wendung «im Hinblick auf» macht dabei klar, dass die Vorteilszuwendung ihrer Natur nach zukunftsgerichtet sein muss.

137 138

139 140 141 142

Vgl. die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens, S. 9 f.

Vgl. zu den italienischen Reformbemühungen: Hein, in: Eser et al. (Hrsg.), Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, Freiburg i.B. 1997 S. 244 ff.; zum revidierten Bestechungsrecht in Deutschland vgl. §§ 331 und 333 StGB.

Vgl. Cornils, in: Eser et. al., Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, Freiburg i.B. 1997 S. 517.

Vgl. Überhofen, in: Eser et al., Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, Freiburg i.B.

1997 S. 399.

Vorne Ziff. 114.22 Bst. c.

Artikel 322quinqies und 322sexies VE-StGB umschrieben den Bezug mit «für die Amtsführung».

5535

213.3

Die untere Begrenzung der Strafbarkeit

Wie ausgeführt soll die Formel «im Hinblick auf die Amtsführung» verdeutlichen, dass sozial übliche Geschenke a priori nicht gemeint sind. So hat der Blumenstrauss für die Krankenschwester oder das Weihnachtspräsent für den Postboten primär die Funktion, vergangene treue Dienstleistungen zu belohnen und nicht die künftige Amtsführung zu beeinflussen; auch unabhängig von der Frage, ob der Vorteil «nicht gebührend» ist, entfällt hier eine Strafbarkeit. Erfasst wäre demgegenüber das erwähnte Fallbeispiel einer unspezifischen, aber umfangreichen Zahlung an einen Baudirektor oder die bezahlte Vergnügungsreise von Entscheidungsträgern im Energiesektor, selbst wenn im Moment keine konkreten Entscheide anstehen. Nicht im Hinblick auf ihre Amtsführung belohnt wird dagegen die Lehrerin, die schwachen Schülern in ihrer Freizeit gegen Entgelt Nachhilfeunterricht erteilt, solange die Entlöhnung ein adäquates Verhältnis zur Leistung nicht deutlich übersteigt. Es liegt indessen in der Natur der Sache, dass die Abgrenzung im Einzelfall heikel sein kann: Was für den Geber und den Empfänger als «Kleinigkeit» dasteht, kann auf der Seite der Konkurrenten oder der Steuerzahler grosse Empfindlichkeiten wecken: Es ist beispielsweise weder für den Konkurrenten noch für den Bürger eine vernachlässigbare Bagatelle, wenn eine Bau-Arbeitsgemeinschaft im hängigen Vergabeverfahren für ein grosses Infrastrukturprojekt die zuständige kantonale Vergabeabteilung zu einem vorweihnächtlichen Kegelabend einlädt: Diese «kleine» Erkenntlichkeit könnte die Konkurrenten und das staatliche Budget sehr teuer zu stehen kommen.

Solche Überlegungen wird man bei der Konkretisierung des öffentlichen Dienstrechts anstellen müssen, welches für die Frage des nicht gebührenden Vorteils von zentraler Bedeutung ist143.

Dass auch dann noch Grenzfälle übrig bleiben können, hat primär damit zu tun, dass das öffentliche Dienstrecht des Bundes, der Kantone und der Gemeinden nur eine begrenzte Regelungsdichte aufweisen kann. Hinzu kommt, dass Musterregelungen für den Umgang mit Geschenken nur beschränkt verallgemeinerungsfähig sind; so verdient z. B. ein bestimmtes, relativ umfangreiches Geschenk eine durchaus unterschiedliche Beurteilung, je nachdem ob es vom Bürger an den langjährigen Gemeindepfarrer zu dessen Pensionierung oder aber vom Informatik-Lieferanten
an den Amts-Einkäufer zu Weihnachten geht. Die neu eingefügte Bestimmung von Artikel 322octies Ziffer 1 E-StGB144 erlaubt es sicherzustellen, dass nicht strafwürdige Fälle wirklich immer adäquat behandelt werden können.

213.4

Drittmittelfinanzierung und Sponsoring

Neben den Bagatellgeschenken wird ein weiteres Abgrenzungsthema zunehmend wichtiger: Krisen im Staatshaushalt führen häufig zu radikalen Sparmassnahmen.

Betroffen sind regelmässig Leistungsempfänger im Bereiche von Kultur, Bildung und Forschung. Es ist inzwischen im Rahmen der Drittmittelfinanzierung oder des Sponsoring üblich geworden, dass auch öffentlich-rechtliche Institutionen Private um die freiwillige Mitfinanzierung von Staatsaufgaben angehen. Natürlich geht es beim Sponsoring und der Drittmittelfinanzierung zur Erfüllung von staatlichen Aufgaben um ein von der Korruption radikal abweichendes Ziel: um die offen dekla143 144

Zum Begriff des nicht gebührenden Vorteils vgl. schon oben Ziff. 212.22.

Vgl. dazu unten Ziff. 23.

5536

rierte oder ohne weiteres deklarierbare, verantwortungsvolle freiwillige Übernahme einer öffentlichen Aufgabe durch Private. Es geht bereits von der Idee her nicht darum, Beamten private Vorteile für ihre Amtsführung und schon gar nicht für pflichtwidrige Handlungen zukommen zu lassen.

Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass korruptives Verhalten im Kleide der Drittmittelfinanzierung daherkommt: Erhält der Chefarzt einer Klinik private Gewinnbeteiligungen dafür, dass er beim Einkauf von Medikamenten für die Institution ein Unternehmen bevorzugt, sind Begriffe wie Drittmittelfinanzierung oder Sponsoring beschönigende Decknamen für Bestechung.

Allerdings ist das Bedürfnis nach einer klaren Abgrenzung der echten Drittmittelfinanzierung vom «Anfüttern» nach den Tatbeständen von Artikel 322quinquies und 322sexies E-StGB ernst zu nehmen, weil das Abgrenzungskriterium der illegalen Gegenleistung bei diesen Auffangtatbeständen zurücktritt. Die Abgrenzung verlagert sich hier auf die Seite der «nicht gebührenden» Vorteilszuwendung. Die meisten Fälle werden allerdings schon deshalb ausgeschieden, weil die Drittmittel regelmässig einer Institution, also einem echten Dritten und nicht Einzelpersonen persönlich gewährt werden: Anders als bei den eigentlichen Bestechungstatbeständen ist die Vorteilsgewährung an bzw. die Vorteilsannahme durch aussenstehende Dritte nicht strafbar.

Übrig bleibende persönliche Beiträge und Zuwendungen können von der Praxis ohne Schwierigkeiten durch eine entsprechende Auslegung des Erfordernisses des nicht gebührenden Vorteils eliminiert werden. Gerade in diesem Bereich ist die Publizität bzw. Transparenz ein wichtiges Kriterium. Wer ohne korruptiven Nebenzweck Drittmittel zur Verfügung stellt, wird eine Publikation, die beispielsweise auch den Konkurrenten zur Kenntnis gelangt, nicht scheuen. Auf der Empfängerseite ist insbesondere an Meldungen an die zuständige vorgesetzte Behörde zu denken. Allenfalls übrig bleibende Grenzfälle können wiederum über Artikel 322octies Ziffer 1 E-StGB gelöst werden.

213.5

Strafdrohung

Im Unterschied zu den Bestechungsstrafnormen sind die Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und -annahme infolge ihres allgemein geringeren Unrechtsgehalts als Vergehen auszugestalten (Strafdrohung Gefängnis oder Busse).

5537

22

Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies E-StGB) und Beitritt zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr

221

Der Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies E-StGB) und die diesbezüglichen Anforderungen des Übereinkommens

221.1

Tatbestandskonstruktion

Wie bereits dargelegt wurde, dient die Konvention der Formulierung eines gemeinsamen Mindeststandards für so verschiedene Rechtssysteme wie die angelsächsischen, die kontinental europäischen und einzelne ostasiatische Rechte. Bereits von daher ist eine wörtliche Übernahme des Konventionstextes weder sinnvoll noch notwendig. Vielmehr drängt sich eine Anpassung an die Schweizer Rechtssprache auf. Dabei empfiehlt es sich, soweit wie möglich von der Formulierung des Tatbestands des Bestechens schweizerischer Amtsträger (Art. 322ter E-StGB) auszugehen.

Die Konvention will primär den Zufluss an grossen Bestechungszahlungen, insbesondere an Staatschefs und Minister (sog. «grand corruption») und damit die Angebotsseite der weltweiten Korruption einschränken; sie richtet sich nicht gegen Schmiergeldzahlungen ins Ausland oder im Ausland, die unterbezahlte lokale Beamte dazu veranlassen sollen, ihrer Pflicht nachzukommen. Die Kriminalisierung der Vorteilsgewährung an ausländische Amtsträger ist mithin nicht erforderlich. Daher muss als Muster der Tatbestand des eigentlichen Bestechens gemäss Artikel 322ter E-StGB dienen.

221.2

Die Voraussetzungen der Strafbarkeit

221.21

Zum Begriff des fremden Amtsträgers (Art. 1 Ziff. 4 Bst. a des Übereinkommens)

Konvention und Gesetzesvorschlag beziehen sich sowohl auf die Bestechung von Amtsträgern ausländischer Staaten145 wie auch von Vertretern internationaler Organisationen.

Im Sinne einer autonomen Amtsträgerdefinition wird von der Konvention (Art. 1 Ziff. 4 lit. a) nicht einfach auf das Recht des verletzten Staates verwiesen, vielmehr werden allgemeine Prinzipien der Amtsträgereigenschaft entwickelt: Für die Zwecke der Konvention gelten zunächst als institutionelle Amtsträger sämtliche Angehörige der Legislative, Exekutive und der Judikative, ob sie ernannt oder gewählt wurden.

Die Definition deckt sich mit der in der Schweiz gebräuchlichen landesinternen Umschreibung des Amtsträgers146 als Tatobjekt der aktiven Bestechung.

Bei der Umsetzung der Konvention empfiehlt es sich, auch hier das Modell des Tatbestandes der Bestechung schweizerischer Amtsträger zu verwenden, selbst wenn die historisch gewachsene, detaillierte Aufzählung die Norm etwas schwerfällig werden lässt: Es soll damit klargestellt werden, dass der Kreis der institutionellen 145 146

Art. 1 Ziff. 4 lit. b des Übereinkommens.

Vgl. oben Ziff. 212.1.

5538

Amtsträger derselbe ist wie in der Strafnorm der Bestechung schweizerischer Amtsträger.

Das Übereinkommen stellt klar, dass auch funktionale Beamte als Amtsträger gelten.

Auch hier deckt sich die Konvention mit den geltenden Schweizer Bestimmungen.

Die autonome Definition des funktionalen Beamten im Übereinkommen erfasst sämtliche Staatsaufgaben, die von Privaten wahrgenommen werden, unbesehen der Rechtsnatur der Vertragsbeziehung zwischen der Gebietskörperschaft und dem Beauftragten. Von der echten Privatisierung unterscheidet sich die blosse Übertragung öffentlicher Aufgaben an Private auch hier dadurch, dass Privatisierung freie Konkurrenz impliziert. Natürlich sind auch unter den Bedingungen der Privatisierung unter Umständen staatliche Bau-, Betriebs-, Aus- und Einfuhrbewilligungen notwendig, sie machen jedoch die Aktivität noch nicht zur Staatsaufgabe. Auch die staatliche Aufsicht, etwa im Finanzbereich, «verstaatlicht» die betreffende Funktion keineswegs. Anders liegt es aber insbesondere dort, wo per Konzession Privaten ein Monopol zugewiesen wird. Sodann wird auch von der Konvention die Verlagerung von Aufgaben im Rahmen des Verfahrens der Vergabe öffentlicher Aufträge auf Private (Projektierung, Vorauswahl von Anbietern usw.) als funktionale Staatsaufgabe verstanden147.

Wie im Schweizer Recht fallen unter den funktionalen Beamtenbegriff der Konvention sodann auch Organe staatlich beherrschter und kontrollierter Unternehmen.

Aus dem Kommentar148 ergibt sich, dass staatliche Aktienmehrheit oder Kontrolle über ein Unternehmen zwar ein gewichtiges Indiz für die Erfüllung einer öffentlichen Funktion darstellt. Es sind hingegen Ausnahmen denkbar, insbesondere wo der Staat ein Unternehmen zu rein fiskalischen Zwecken beherrscht oder wo infolge einer Sanierung eine zeitlich beschränkte Übernahme vorliegt. Als Kriterium hierfür wird im Kommentar genannt, dass das Unternehmen wie ein privates (ohne präferentielle Behandlung) der Konkurrenz ausgesetzt ist.

Erfasst sind von der Legaldefinition schliesslich auch Vertreter einer internationalen Organisation. Der diesbezügliche Begriff der Konvention ist allerdings auf intergouvernamentale internationale Organisationen und solche, die von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gebildet werden, beschränkt. Eingeschlossen sind auch Organisationen
zur Förderung regionaler wirtschaftlicher Integration, wie etwa die EU. Der in Artikel 322septies des Entwurfs verwendete Begriff der internationalen Organisation deckt sich mit dieser Umschreibung.

221.22 a)

Tathandlung (Art. 1 Ziff. 1 und Ziff. 4 Bst. b des Übereinkommens) Vorteilsversprechen und -gewähren

Das Erfordernis des ungerechtfertigten geldwerten oder sonstigen Vorteils entspricht auf den ersten Blick ganz schweizerischer Rechtstradition. Allerdings soll der Begriff nicht nur geschuldete Zahlungen ausgrenzen, er übernimmt eine zusätzliche Abgrenzungsfunktion: Der Kommentar149 präzisiert, dass solche Zahlungen, die 147 148 149

Vgl. N. 12 des offiziellen Kommentars sowie oben Ziff. 212.1.

N. 14 und N. 15 des offiziellen Kommentars.

N. 8 des offiziellen Kommentars.

5539

vom lokalen Recht ausdrücklich zugelassen oder gar gefordert sind, nicht unter den Straftatbestand fallen. Diese Formulierung enthält mithin eine gewisse Ausnahme von der autonomen Bestechungsdefinition und einen partiellen Rückverweis auf abweichendes lokales Recht des verletzten Staates: Praktisch alle Länder der Welt verbieten die Bestechung ausdrücklich. Hingegen vermögen lokale Gebräuche aus Sicht der Konvention das geschriebene Recht oder entsprechend gefestigtes case law nicht zu derogieren. Bezüglich der Strafbarkeit des Bestechenden werden Ausnahmen nur berücksichtigt, wenn sie im Recht des verletzten Staates auf gleicher Stufe wie das Verbot selbst verankert sind. Weitere Ausnahmen oder Beschränkungen der Strafbarkeit ergeben sich aus dem Ziel des Vorteilsversprechens150.

Keiner expliziten Umsetzung bedarf sodann die Passage «unmittelbar oder über Mittelspersonen» in Artikel 1 Ziffer 1 des Übereinkommens, weil indirekte Vorteilsversprechen bereits nach geltendem Schweizer Recht ohne explizite Erwähnung im Gesetz erfasst werden können. Auch insofern ist eine simple Assimilation an das Recht der Bestechung Schweizer Beamter möglich. Sowohl im Text des Übereinkommens (Art. 1 Ziff. 1) wie auch in den hier vorgeschlagenen Bestechungstatbeständen ist die Drittzuwendung auf der Empfängerseite ausdrücklich geregelt151.

Identität besteht sodann auch in der Formulierung der Tathandlung i. e. S.

(«anbietet, verspricht oder gewährt»).

b)

Die Beeinflussung des Amtsträgers (Art. 1 Ziff. 1 Ü)

Die mit dem Vorteilsversprechen intendierte Beeinflussung des Amtsträgers ist in der Konvention sehr offen gefasst: «damit der Amtsträger in Zusammenhang mit der Ausübung von Dienstpflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt» (Art. 1 Ziff. 1 des Übereinkommens).

Der offizielle Kommentar zur Konvention152 hält fest, dass es möglich sei, diese Passage mit «den Beamten zu einer Amtspflichtverletzung veranlassen» zu übersetzen. Damit erlaubt die Konvention der Schweiz, auch hier die Formel der Bestechung inländischer Beamter zu übernehmen. Allerdings fordert der Kommentar an gleicher Stelle, dass auf den Nachweis der Pflichtverletzung gemäss lokalem Recht des verletzten Staates verzichtet werde, also auch die Pflichtverletzung autonom zu definieren sei. Der Kommentar geht zudem explizit davon aus, dass jeder Amtsträger auch bei der Ermessensausübung zur Unparteilichkeit verpflichtet ist153. Dadurch, dass im vorgeschlagenen Artikel 322septies E-StGB das alternative Tatbestandselement «für eine ... im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung» aus Artikel 322ter E-StGB übernommen wird, kann den Anforderungen der Konvention vollumfänglich Rechnung getragen werden.

Umgekehrt sucht die Konvention Fälle blosser Schmiergeldzahlungen, d. h. Zahlungen zur beförderlichen Abwicklung rechtmässiger Amtshandlungen, auszuschliessen154. Dies ist besonders für Rechtsordnungen wichtig, die, wie das geltende französische Recht, nicht prinzipiell zwischen der Bestechung und der Vorteilsgewäh150 151 152 153 154

Zu blossen Schmiergeldzahlungen vgl. nachfolgend b).

Vgl. dazu oben Ziff. 212.24.

N. 3 des offiziellen Kommentars.

A.a.O.

Vgl. N. 9 des offiziellen Kommentars (so genannte «facilitation payments»).

5540

rung unterscheiden. Zum Ausschluss von Schmiergeldzahlungen an fremde Amtsträger bedarf demgegenüber das Schweizer Recht nach der hier vorgeschlagenen Systematik keiner gesonderten Regelung in Artikel 322septies des Entwurfs: Diese Norm ist einerseits genügend breit, um den Anforderungen des Übereinkommens an einen weiten, die Ermessensausübung abdeckenden Begriff der Amtspflichtverletzung zu genügen. Demgegenüber fallen Vorteilszuwendungen für überwiegend gebundenes Verwaltungshandeln, d. h. Schmiergeldzahlungen im vorstehend umschriebenen Sinne, nicht unter die Bestechungsstrafnormen, sondern unter den Auffangtatbestand von Artikel 322quinquies des Entwurfs (Vorteilsgewährung), der auf schweizerische Amtsträger beschränkt bleibt.

221.3

Sanktion (Art. 3 Ziff. 1 des Übereinkommens)

Die Konvention verlangt «wirksame, angemessene und abschreckende Strafen». Sie beabsichtigt damit allerdings nicht eine prinzipielle Beeinflussung der nationalen Konzeption der Strafzumessung. Aus dem zweiten Satz von Artikel 3 Ziffer 1 der Konvention ergibt sich einzig, dass die Bestechung ausländischer Beamter in vergleichbarer Weise wie die Bestechung nationaler Beamter sanktioniert werden soll.

Dabei ist Freiheitsstrafe vorzusehen, weil der Straftatbestand Rechtshilfe und Auslieferung ermöglichen muss.

Gemäss Artikel 322ter E-StGB soll die aktive Bestechung kongruent zur passiven Bestechung als Verbrechen eingestuft werden. Analog dazu ist auch die Bestechung fremder Amtsträger mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis zu bedrohen. Damit sind die Anforderungen des Übereinkommens erfüllt, und es wird im Übrigen klargestellt, dass auch die Bestechung fremder Amtsträger als Vortat zur Geldwäscherei in Frage kommt155.

222

Weitere Bestimmungen des Übereinkommens und ihre Auswirkungen auf das schweizerische Recht

222.1

Die strafrechtliche Haftung juristischer Personen für die Bestechung fremder Amtsträger (Art. 2 und Art. 3 Ziff. 2 Ü)

Die Konvention statuiert in Artikel 2 den Grundsatz, dass die Vertragsstaaten die Haftbarkeit juristischer Personen vorsehen sollen. Note 20 des Kommentars und Artikel 3 Ziffer 2 des Übereinkommens stellen indessen klar, dass die strafrechtliche Haftung zwar Präferenz hat, dass die Vertragsparteien aber nicht zur Einführung der strafrechtlichen Haftung der juristischen Person gezwungen sind. Staaten, die das Prinzip nicht kennen, müssen jedoch dafür besorgt sein, dass fehlbare juristische Personen «wirksamen, angemessenen und abschreckenden nicht-strafrechtlichen Sanktionen» unterliegen. In Frage kommen verschiedene verwaltungsrechtliche und zivilrechtliche Alternativsanktionen, so neben der Geldstrafe die Streichung von Subventionen und Unterstützungsleistungen, der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, die Einschränkung der Geschäftstätigkeit, die Unterstellung unter Aufsicht und in extremis die Schliessung des Betriebs bzw. die Aufhebung der rechtlichen 155

Dazu nachfolgend Ziff. 222.5.

5541

Persönlichkeit156. Zwingend müssten an Stelle strafrechtlicher Sanktionen einzig monetäre Sanktionen vorgesehen werden.

Die Umsetzung der diesbezüglichen Anforderungen der Konvention bedingt auf jeden Fall ein Tätigwerden des Gesetzgebers: Bekanntlich kennt das geltende Schweizerische Strafgesetzbuch noch keine strafrechtliche Unternehmenshaftung. Auch stehen keine vergleichbare verwaltungsstrafrechtliche Geldsanktionen zur Verfügung: Mit verwaltungsrechtlichen Sanktionen i.S. der Konvention wird in erster Linie an verwaltungsstrafrechtliche Bussen gegen Unternehmen gedacht, wie sie bspw.

im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG) vorgesehen sind. Bereits ein Vergleich der Sanktionen zeigt allerdings, dass entsprechende schweizerische Bestimmungen, insbesondere Artikel 7 des Verwaltungsstrafrechts des Bundes (VStrR) mit einer Maximalstrafe von 5000 Franken Busse, die Funktion des deutschen Paragraphen 30 OWiG (bis zu einer Million DM Busse bei vorsätzlichen Straftaten) nicht übernehmen können und damit keinen zureichenden Ersatz für eine strafrechtliche Unternehmenshaftung bilden.

Der Schweizer Gesetzgeber hat die Frage der strafrechtlichen Haftung des Unternehmens bereits vor längerer Zeit thematisiert: Im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage zum so genannten zweiten Paket gegen das organisierte Verbrechen157 wurde ein entsprechender Vorschlag unterbreitet. Die Reaktionen im Vernehmlassungsverfahren waren gemischt; von verschiedenster Seite wurde geltend gemacht, dass es sich um ein Thema von grundlegender Tragweite handle, das im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches behandelt werden sollte158.

Bereits im Erläuternden Bericht zum Vorentwurf des Schweizerischen Korruptionsstrafrechts159 wurde darauf hingewiesen, dass eine derart grundsätzliche Neuerung wie die strafrechtliche Unternehmenshaftung nicht allein zur Umsetzung des OECDÜbereinkommens eingeführt werden könne. Die Konvention bilde indessen neben der Tatsache, dass immer mehr ausländische Rechtsordnungen die strafrechtliche Unternehmenshaftung einführen160, einen weiteren Anlass, die Frage im Rahmen der AT-Revision prioritär zu behandeln.

In der Zwischenzeit hat der Bundesrat Entwurf und Botschaft zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgelegt161. Darin wird unter dem Titel «Verantwortlichkeit des Unternehmens» ein neuer Artikel 102 EStGB unterbreitet162, der folgenden Wortlaut hat:

156 157

158

159 160 161 162

N. 24 des offiziellen Kommentars.

Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend Strafbarkeit der kriminellen Organisation, die Einziehung, das Melderecht des Financiers sowie die Verantwortlichkeit des Unternehmens; Vorentwurf und erläuternder Bericht, EJPD Bern 1991 S. 47 ff.

Vgl. Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse, Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, Bern Januar 1992 S. 19 ff. sowie die Botschaft des Bundesrates BBl 1993 III S. 293 ff.

A.a.O. S. 43.

Vgl. insbesondere Art. 121­2 des neuen französischen Strafgesetzbuches.

BBl 1999 I 1979 ff.

Damit ist auch die im Vernehmlassungsverfahren kontrovers diskutierte Frage obsolet geworden, ob die Strafbarkeit des Unternehmens in dieser Vorlage oder in der Botschaft zur AT-Revision zu unterbreiten sei; vgl. dazu die Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse, S. 12.

5542

Art. 102 1 Wird durch den Betrieb eines Unternehmens eine Straftat verübt und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten Person zugerechnet werden, so wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft.

2 Das Gericht bemisst die Busse nach der Schwere der Tat, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sowie nach der Gefahr weiterer Straftaten, für die das Unternehmen verantwortlich wäre.

3 Als Unternehmen im Sinne dieses Artikels gelten juristische Personen, Gesellschaften und Einzelfirmen.

Diese Bestimmung163 wäre nach ihrem Inkrafttreten sowie nach Inkrafttreten des hier vorgeschlagenen Artikels 322septies E-StGB somit auch dann anwendbar, wenn es sich bei der in Frage stehenden Straftat gemäss Artikel 102 Ziffer 1 E-StGB um die Bestechung eines fremden Amtsträgers handelt. Damit ist den Anforderungen von Artikel 2 des Übereinkommens Genüge getan. Auch kann die vorgesehene Möglichkeit der Verhängung von Busse bis zu fünf Millionen Franken als «wirksame, angemessene und abschreckende Strafe» i. S. von Artikel 3 Ziffer 1 des Übereinkommens bezeichnet werden. Fragen könnte man sich höchstens, ob der Umstand, dass das Unternehmen nach dem vorgeschlagenen Artikel 102 E-StGB nur dann sanktioniert wird, wenn die Tat keiner bestimmten (natürlichen) Person zugerechnet werden kann, mit dem Übereinkommen vereinbar ist. Weder der Konvention noch dem offiziellen Kommentar lässt sich indessen entnehmen, dass eine parallele Sanktionierung von natürlicher und juristischer Person gefordert ist. Artikel 2 des Übereinkommens stellt zudem das Erfordernis der Verantwortlichkeit juristischer Personen für die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers ausdrücklich unter den Vorbehalt der Übereinstimmung mit den Rechtsgrundsätzen des betroffenen Vertragsstaates164.

Zur vollumfänglichen Umsetzung des Übereinkommens durch unser Land ist erforderlich, dass sowohl Artikel 322septies als auch Artikel 102 E-StGB in Kraft stehen.

Sollte sich die zeitgerechte Behandlung und Verabschiedung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens durch das Parlament als nicht möglich erweisen, so müsste die Schweiz bei der vorgängigen Ratifikation des Übereinkommens einen Vorbehalt zu dessen Artikel 2 und Artikel 3 Ziffer 1 und 2 anbringen, weil sie einstweilen die Anforderungen des Übereinkommens an die Mindeststrukturen strafrechtlicher bzw. nichtstrafrechtlicher Unternehmensverantwortlichkeit sowie an die gegen fehlbare Unternehmen anzudrohenden Sanktionen nicht erfüllen könnte. Bei der späteren Inkraftsetzung von Artikel 102 E-StGB wäre der Vorbehalt wieder zurückzuziehen. Diese Eventualität ist durch Artikel 3 des Bundesbeschlusses über den Beitritt zum Übereinkommen abgedeckt.

Es wäre zwar auch denkbar, an Stelle oder bis zur Einführung einer adäquaten strafrechtlichen Unternehmenshaftung eine verwaltungsstrafrechtliche Geldsanktion einzuführen. Indessen fragt sich, ob es sinnvoll sein kann, für die Zwecke dieser Kon163 164

Zu den Erläuterungen vgl. BBl 1999 I 2136 ff.

Kaum ausreichend wäre die vorgeschlagene subsidiäre Unternehmenshaftung allerdings für die spätere Umsetzung der Strafrechtskonvention gegen die Korruption des Europarates, da die Konvention in Artikel 18 die Haftung des Unternehmens nicht nur bei Organisationsmängeln vorsieht, sondern auch in den Fällen, wo die Tat zu Gunsten und im Namen der juristischen Person durch eine natürliche Person in Führungsposition begangen wird (vgl. Art. 18 Ziff. 1 Europarats-Ü).

5543

vention eine derartige verwaltungsstrafrechtliche Sondernorm zu kreieren, obwohl sich die Vertragsstaaten einig sind, dass eine strafrechtliche Haftung des Unternehmens vorzuziehen wäre. Hinzu kommt, dass es fragwürdig erscheint, formell verwaltungsrechtliche Normen zu erlassen, die in ihrem Gehalt klar strafrechtlicher Natur sind. Auch ist nicht ersichtlich, wo derartige Normen systematisch einzuordnen wären. Aus diesen Gründen wird vorgeschlagen, die Arbeiten an der strafrechtlichen Haftung der juristischen Person im Rahmen der AT-Revision mit Beschleunigung weiterzuverfolgen, statt im bisherigen Recht wenig verankerte verwaltungsstrafrechtliche Normen zu schaffen.

222.2

Beschlagnahme und Einziehung (Art. 3 Ziff. 3 Ü)

Gemäss Artikel 3 Ziffer 3 der Konvention müssen die Vertragsstaaten dafür sorgen, dass sowohl die Bestechungssumme wie Erträge aus Bestechung oder deren Wertersatz beschlagnahmt und eingezogen werden können. Die Konvention gestattet, dieselbe Wirkung auch über eine Geldsanktion zu erzielen.

Das schweizerische Strafrecht verfügt mit den Artikeln 58 ff. StGB über griffige Einziehungsbestimmungen, die auch den Anforderungen der Konvention zu genügen vermögen. Gemäss Artikel 59 StGB verfügt der Richter «die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine strafbare Handlung zu veranlassen oder zu belohnen ...». Damit lässt sich die Bestechungssumme oder -leistung sowohl vor wie auch nach der Übergabe beim Bestechenden bzw. beim Bestochenen einziehen.

Schwieriger dürfte sich zuweilen die Einziehung der aus Bestechung stammenden Erträge gestalten, weil hier naturgemäss praktische Schwierigkeiten beim Nachweis illegal erworbener Gewinne auftreten können: Der Bestechende wird geltend machen, dass er den Vertrag auch ohne Bestechung hätte erhalten können. Sodann fragt sich, ob jede noch so kleine Summe die Einziehung des gesamten Ertrags rechtfertige. Schliesslich stellt sich auch die Frage des Berechnungsprinzips. Da der Vertrag an sich nicht illegal sein muss, ist davon auszugehen, dass die Aufwendungen abgezogen werden dürfen (Nettoprinzip165).

Im vorliegenden Kontext bedeutsam ist sodann auch die bisher wenig erörterte Frage, unter welchen Umständen Verbrechenserträge bei juristischen Personen abgeschöpft werden können. Die Frage stellt sich insbesondere dort, wo Organe oder weitere Angestellte bestechen und der Ertrag des Grundgeschäftes direkt beim Unternehmen anfällt. Die Einziehung setzt primär beim Täter an, und die juristische Person kann nach geltendem Recht nicht Täter sein. Hingegen kommt sie ohne weiteres als Dritte i.S. von Artikel 59 Ziffer 1 Absatz 2 StGB in Betracht166. Diese Bestimmung gibt Auskunft, unter welchen Bedingungen bei Dritten eingezogen werden kann. Dabei werden anhand von Kriterien, die sich nicht mit den zivilrechtlichen Kategorien decken, eigentliche und uneigentliche Dritte unterschieden: Geschützt vor der Einziehung sind Dritte, die Werte in Unkenntnis der Einziehungsgründe angenommen und zudem eine gleichwertige Gegenleistung erbracht haben.

Die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Grundverhältnis kann da165 166

Vgl. Schmid ZStrR 113 (1995) S. 238 [Schmid 1995]; anders Arzt, Sonderband ZStrR 114 (1996) S. 97 [Arzt 1996].

Vgl. Schmid (1995) S. 343.

5544

durch aufgehoben werden, dass die Bestechungssumme vom bestechenden Unternehmen durch Aufpreis oder Lieferung von Minderqualität auf den Vertragspartner überwälzt wird. In solchen Fällen ist die Dritteinziehung unabhängig vom (fehlenden) guten Glauben möglich.

Selbst bei gleichwertiger Gegenleistung muss das Unternehmen des Bestechenden gutgläubig sein. Da die juristische Person als solche keine innere Einstellung haben kann, ist das Wissen der Organe und Vertreter massgebend; dieses ist der juristischen Person zuzurechnen167.

222.3

Zuständigkeit (Art. 4 Ü)

Die Konvention geht prinzipiell vom Territorialitätsprinzip aus. Zu erfassen sind sämtliche Bestechungshandlungen, die ganz oder teilweise in der Schweiz stattgefunden haben. Die Konvention spricht damit zunächst für das Schweizer Recht eine Selbstverständlichkeit aus (Art. 3 StGB). Angesichts der internationalen Verflechtungen wird häufig nur ein Teil der Tat in einem Land ausgeführt. Die Konvention möchte deshalb die Anforderungen an die räumliche Anknüpfung möglichst tief halten168. Als problematisch könnte sich daher in Grenzfällen die bisherige Bundesgerichtspraxis erweisen, nach der zwar auch Versuch, Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft in der Schweiz eine selbstständige Zuständigkeit begründen169, nicht dagegen blosse Teilnahmehandlungen170. Es ist indessen davon auszugehen, dass sich die Praxis erforderlichenfalls im Sinne einer konventionskonformen Auslegung des Gesetzes entwickeln kann. Zudem wird häufig auch eine persönliche Anknüpfung möglich sein: Über das Territorialitätsprinzip hinaus kennt die Schweiz das aktive Personalitätsprinzip. Nach Artikel 6 StGB ist das Schweizer Strafrecht auch zuständig für Verbrechen oder Vergehen, die ein Schweizer im Ausland verübt hat171. Damit ist der neue Tatbestand der aktiven Bestechung ausländischer Beamter auch auf Auslandstaten schweizerischer Staatsangehöriger anwendbar. Im Sinne einer Assimilationsklausel verpflichtet die Konvention denn auch diejenigen Staaten, welche das aktive Personalitätsprinzip kennen, diesen Grundsatz ebenfalls auf den Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger anzuwenden (Art. 4 Ziff. 2 Konv.). Im Lichte des die Konvention prägenden Grundsatzes der funktionalen Äquivalenz172 muss nun aber diese zusätzliche Verpflichtung für die betroffenen Länder umgekehrt auch dazu führen, dass ihnen gegenüber nicht von einem zu extensiven Verständnis des Territorialitätsprinzips ausgegangen werden darf. Auch hier besteht demnach für den schweizerischen Gesetzgeber kein Handlungsbedarf.

167

168 169

170 171 172

Trechsel N. 15 zu Art. 59; Schmid (1995) S. 343; ders., Kommentar Einziehung, Zürich 1998, S. 131. Demgegenüber sind für Arzt (1996) S. 107 f. juristische Personen grundsätzlich gutgläubig, es sei denn, es bestehe zwischen natürlicher und juristischer Person wirtschaftliche Identität oder es liessen sich aus dem Zivilrecht Ansprüche gegen das Unternehmen ableiten.

Vgl. N. 25 des offiziellen Kommentars.

Vgl. Cassani, die Anwendbarkeit des Schweizerischen Strafrechts auf internationale Wirtschaftsdelikte, ZStrR 114 (1996) S. 247 mit Hinweisen auf die Bundesgerichtspraxis.

Vgl. BGE 104 IV 77 ff. und 108 1b 301 ff.

An diesem Prinzip hält auch die Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches fest, vgl. BBl 1999 I 1998 f., 2300 f. (Art. 7 E-StGB).

Vgl. oben 115.3.

5545

Anzufügen ist, dass das aktive Personalitätsprinzip gemäss Artikel 6 StGB voraussetzt, dass die Tat auch am Begehungsort strafbar ist173. Dieser Vorbehalt der beidseitigen Strafbarkeit wird im offiziellen Kommentar zu Artikel 4 Ziffer 2 des Übereinkommens ausdrücklich als zulässig erklärt174.

222.4

Opportunitätsprinzip und Verjährung (Art. 5 und 6 des Übereinkommens)

Die Konvention beschränkt die Möglichkeit, bei der Verfolgung von transnationaler Korruption zu weit gehende Opportunitätsüberlegungen einfliessen zu lassen: Die Strafverfolgungsbehörden sollen sich bei der Eröffnung von Untersuchungen und in der Anklagepraxis allein von rechtlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Unzulässig sind politisch motivierte Verfahrenseinstellungen zum Schutze nationaler ökonomischer Eigeninteressen, aussenpolitische Rücksichtnahmen und Unterscheidungen nach Ansehen der involvierten Person oder des Unternehmens. Die geltenden kantonalen und eidgenössischen Prozessrechte genügen diesen Anforderungen. Gleiches gilt auch für das vorgeschlagene eingeschränkte Opportunitätsprinzip in Artikel 322octies des Entwurfs, welches ausschliesslich auf die rechtlichen Kriterien der Tatschwere und des Verschuldens abstellt175.

Bezüglich der Verjährungsfristen verlangt die Konvention einen angemessenen Zeitraum zur Ermittlung und Verfolgung. Es ist insbesondere daran zu denken, dass Untersuchungen in internationalen Verhältnissen oftmals noch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als lokale Korruptionsverfahren, zumal vielfach Erkundigungen im Ausland eingeholt werden müssen. Die Einstufung des neuen Tatbestandes von Artikel 322septies E-StGB als Verbrechen führt zu einer angemessenen und auch im Hinblick auf die Anforderungen der Konvention ausreichenden Verjährungsfrist.

222.5

Korruptions-Geldwäscherei (Art. 7 des Übereinkommens)

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein Finanzplatz von der Bedeutung der Schweiz immer wieder mit im Ausland generierten Korruptionsgeldern und -erträgen kon-

173 174 175

Ebenso grundsätzlich Artikel 7 E-StGB, vgl. BBl 1999 I 1998 f., 2300 f.

A.a.O. N. 26.

Vgl. dazu im Einzelnen hinten Ziff. 23.

5546

frontiert ist176. Zwar war die Schweiz bereits bisher in der Lage, dem verletzten Staat im Rahmen eines Strafverfahrens auf dem Rechtshilfeweg behilflich zu sein.

Die Fähigkeit zu rascher Hilfe ist zudem durch die Revision des IRSG177 verbessert worden. Schwierigkeiten ergeben sich hingegen bei der Rechtshilfe zu Gunsten von Drittstaaten (Tatortstaat, Sitzstaat von fehlbaren Unternehmen)178, bei der selbstständigen Einziehung von Geldern aus Bestechung ausländischer Beamter179 und namentlich bei der Verfolgung der Korruptions-Geldwäscherei in der Schweiz, soweit die Vortat in der Bestechung eines ausländischen Beamten besteht: Während Schmid180 davon ausgeht, dass Delikte, die sich primär gegen ausländische staatliche Interessen richten und damit in der Schweiz nicht strafbar sind, als Vortaten der Geldwäscherei nicht in Frage kommen, nehmen Ackermann181, Zulauf182, Bernasconi183 und Cassani184 an, dass das Prinzip der abstrakten beidseitigen Strafbarkeit auch auf die Definition der Vortat (Art. 305 bis Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 3) anzuwenden sei. Die Praxis hat sich zum Teil der Ansicht Schmids angeschlossen185.

Diese wichtige Zweifelsfrage wird durch die Ausgestaltung des neuen Tatbestands der aktiven Bestechung eines fremden Amtsträgers als Verbrechen nach Schweizer Recht behoben. Gleichzeitig wird dadurch die in Artikel 7 der Konvention enthaltene Anforderung erfüllt, wonach diejenigen Staaten, welche die innerstaatliche Be-

176

177

178

179 180 181

182 183 184 185

Generell: Bernasconi, Die Bestechung von ausländischen Beamten nach schweizerischem Straf- und Rechtshilferecht zwischen EG-Recht und neuen Anti-KorruptionsStaatsverträgen, ZStrR 109 (1992) S. 383 ff.; ders. in: NZZ vom 7. 2. 94; Pieth 1996a S. 248; ders. 1997a S. 13 ff.; Trinkler, Aus der Praxis des Kantons Zürich zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, ZStrR 104 (1988) S. 203 ff. Für konkrete Fälle: vgl.

Heidenheimer/Johnston/LeVine (Hrsg.), Political Corruption, A Handbook, New Brunswick 1989 S. 704 (United Brands); Corriere del Ticino 25. 1. 93, Neue Zürcher Zeitung 27. 1. 93, 11. 2. 93, Handelszeitung 25. 2. 93; Fiorini, Ricordati da lontano, Milano 1993, S. 76 ff.; Trepp, Swiss Connection, Zürich 1996, insbesondere S. 142 ff. und 170 (conto protezione); Weitere Berichte zu den «piste svizzere» der Mailänder Bestechungsuntersuchungen: Tagesanzeiger 22. 9. 93 S. 2, Bilan, vol. 12, dec. 1995 S. 74, Die Wochenzeitung 24. 1. 97 S. 13; Mani pulite in Italia e la pista svizzera, Referat von Carlo Palermo vom 19. November 1993 in Bern, abgedruckt in: Hubacher, Tatort Bundeshaus, Bern 1994 S. 244 ff.; Svenska Dagbladet 14. 5. 87, S. 8, Neue Zürcher Zeitung 31. 8. 93, S. 5, BGE 1A.55/1993; BGE 1A. 36, 38 und 40/1996 (Bofors); USA v. Steindler, Dotan und Katz, US District Court, Southern District of Ohio, Western Division, Indictment vom 17. 3. 94 (General Electric); NZZ 1. 5. 94, El Pais 17. 6. 94, Weltwoche 4. 8. 94 (Roldán); Corriere della Sera 27. 3. 95 (Agusta).

BG über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. 3. 1981 (IRSG), revidiert am 4. 10. 1996, in Kraft seit 1. 2. 1997, AS 1997 I 114 ff.; Botschaft des Bundesrats in BBl 1995 III 1 ff.

Insbesondere bei Untersuchungen von US-Behörden gegen US-Unternehmen wegen Verletzung der Foreign Corrupt Practices Act 1977/1988 (FCPA); vgl. insbesondere den Fall USA v. Steindler, Dotan und Katz (Anm. 176).

Sem. Jud. 116 (1994) S. 110 ff., Krit.: Schmid 1995, S. 332.

Schmid, Schweizerischer Anwaltverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991 S. 122 f.

Ackermann, Geldwäscherei-Money Laundering, Zürich 1992 S. 218; vgl. zum Diskussionsstand auch dens. in Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Zürich 1998 S. 453 ff.

Zulauf, Gläubigerschutz und Vertrauensschutz ­ zur Sorgfaltspflicht
der Bank im öffentlichen Recht der Schweiz, ZSR 1994 S. 510 Anm. 244.

Bernasconi 1992 S. 406 ff.

Cassani, Commentaire du Droit pénal Suisse, Crimes ou délits contre l'administration de la justice, Art. 303­311 CP, Bern 1996 S. 67.

Vgl. das Urteil der Tessiner Beschwerdekammer vom 3. 9. 1992.

5547

stechung als Vortat zur Geldwäscherei behandeln, dies auch für die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger tun müssen.

222.6

Verstösse gegen Buchhaltungsvorschriften (Art. 8 des Übereinkommens)

Artikel 8 der Konvention greift das Postulat auf, mangelhafte Buchführung, Fälschung und Betrug zum Zwecke der Bestechung bzw. ihrer Tarnung ebenfalls zu sanktionieren. In Ziffer 1 von Artikel 8 werden die Vertragsstaaten dazu aufgefordert, im Rahmen des geltenden Buchführungsrechts186 zu verbieten, nicht verbuchte Konten zu führen, nicht verbuchte oder ungenügend identifizierte Transaktionen auszuführen, nicht existierende Ausgaben zu verbuchen, ungenügend identifizierte Verbindlichkeiten zu verbuchen sowie falsche Dokumente zu gebrauchen. Gemäss Ziffer 2 dieser Bestimmung sollen die Parteien wirkungsvolle, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen ergreifen, wobei aber verwaltungsrechtliche, zivilrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen in Frage kommen.

Das Schweizer Recht genügt den Anforderungen. Artikel 957 des Obligationenrechts und Artikel 52 der Handelsregisterverordnung halten fest, dass, wer verpflichtet ist, seine Firma ins Handelsregister einzutragen, auch gehalten ist, diejenigen Bücher ordnungsgemäss zu führen, die nach Art und Umfang seines Geschäftes nötig sind, um die Vermögenslage des Geschäftes und die mit dem Geschäftsbetriebe zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie die Betriebsergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre festzustellen187.

Artikel 325 Absatz 1 StGB bedroht mit Haft oder Busse, wer vorsätzlich oder fahrlässig der gesetzlichen Pflicht, Geschäftsbücher ordnungsmässig zu führen, nicht nachkommt. Darüber hinaus werden die Buchhaltung und ihre Bestandteile durch Artikel 251 StGB vor Falschverbuchung und Unterlassung einzelner Buchungen geschützt188. Umstritten ist lediglich, welche weiteren Schriftstücke, die als Belege zur Buchhaltung dienen könnten, an der besonderen Beweiskraft teilhaben, die eine inhaltliche Fälschung zur Falschbeurkundung im Sinne von Artikel 251 StGB werden lässt189. Soweit die falsche Buchführung oder Bilanz zur Täuschung verwendet wird, können Vermögensdelikte (insbesondere Art. 146 oder 152 StGB) oder Konkurs- und Betreibungsdelikte (Art. 163, 166, 170 StGB) in Frage kommen.

186

Bezogen auf diejenigen Gesellschaften, für die die Buchführungspflicht gilt (Art. 8 Ziff. 1 in fine Ü).

Weitere Vorschriften zur kaufmännischen Buchführung enthalten Art. 958 ff. OR und speziell für die Aktiengesellschaft Art. 662 a und 663 OR.

188 Corboz, Les principales infractions, Bern 1997, S. 313 N. 45; Stratenwerth, 1995 § 36 N. 38 ff.; Schmid, Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, insbesondere im Zusammenhang mit der kaufmännischen Buchführung, ZStR 95 (1978) S. 274 ff.; ders. Buchführungsdelikte im Zeitalter der Datenverarbeitung, in: FS für Helbling, Zürich 1992 S. 333 ff.; ders., Das neue Vermögens- und Urkundenstrafrecht, SJZ 91 (1995) S. 1 ff.

189 Corboz, Le faux dans les titres, in: RJB 131 (1995) S. 551 f. m.w.V.; Stratenwerth 1995 § 36 N. 41; ders., in: Der Schweizer Treuhänder 1980 S. 32 ff.

187

5548

222.7

Internationale Zusammenarbeit, insbesondere Rechtshilfe und Auslieferung (Art. 9­11 des Übereinkommens)

Die Bestimmungen des Übereinkommens zur internationalen Zusammenarbeit verweisen auf den gesicherten Bestand an Bestimmungen zur Rechtshilfe und Auslieferung. Wegen des weiten Kreises der Vertragsparteien werden aber gewisse fundamentale Prinzipien nochmals angesprochen. Das schweizerische Rechtshilferecht, das sich an den europäischen Instrumenten orientiert, genügt den Anforderungen vollumfänglich. Immerhin sind die Anstrengungen fortzusetzen, die Effizienz der Rechtshilfe zu steigern190.

Entsprechend dem System des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen kommt in der Schweiz dem Bundesamt für Polizeiwesen die Funktion der zuständigen Rechtshilfebehörde i.S. von Artikel 11 des Übereinkommens zu.

222.8

Länderexamen (Art. 12 des Übereinkommens)

Für die Wirksamkeit der Konvention ist es von ganz zentraler Bedeutung, dass die bedeutendsten Wirtschaftsnationen praktisch gleichzeitig auf koordinierte und effiziente Weise die Konvention umsetzen. Eigentlich atypisch für eine Kriminalisierungskonvention ist das dem Instrumentarium des so genannten «soft law» entliehene Länderexamen: Die Konvention sieht vor, dass die Vertragsparteien regelmässig und systematisch die Umsetzung der Konvention überprüfen. Dabei wird auf das Modell der «peer review» abgestellt: Es werden Experten mit der Überprüfung der einzelnen Länder betraut, die von den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden. Auf Grund ihres Berichts wird die Entwicklung im überprüften Land von der Plenarversammlung der OECD-Arbeitsgruppe über Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr diskutiert. Dieses Forum trägt die Verantwortung für den schliesslich veröffentlichten Bericht. Das Länderexamen wird als die sicherste Garantie für eine koordinierte Umsetzung der Konvention betrachtet.

Die verfahrensmässigen Details sind zum Teil bereits im Rahmen der OECDEmpfehlung von 1997 von den Ländern akzeptiert worden, zum Teil werden sie von der zuständigen Arbeitsgruppe in der Umsetzungsphase noch zu konkretisieren sein.

222.9

Inkrafttreten (Art. 15 des Übereinkommens)

Die Konvention möchte möglichst viele Länder zur baldigen Ratifikation animieren, zugleich will sie aber verhindern, dass einzelne Staaten durch ihre Zögerlichkeit das Inkrafttreten der Konvention für die anderen Parteien verhindern. Aus diesem Grund ist für das Inkrafttreten ein zweistufiger Modus gewählt worden: In einer ersten Phase ist die Ratifikation von fünf der zehn grössten Exportländer der OECD, die gleichzeitig mindestens 60 Prozent des Exportvolumens dieser Gruppe bestreiten, notwendig, damit das Übereinkommen in Kraft tritt (Art. 15 Ziff. 1 des Übereinkommens). Sollte diese vergleichsweise hohe Hürde indes bis Ende 1998 nicht übersprungen werden, so kann anschliessend das Inkrafttreten auch von lediglich zwei 190

Vgl. N. 30 des offiziellen Kommentars.

5549

ratifizierenden Staaten herbeigeführt werden, sofern sie die Erklärung abgeben, nach Artikel 15 Ziffer 2 beitreten zu wollen.

Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass aus Wettbewerbsgründen ein möglichst koordiniertes Vorgehen der Industriestaaten erforderlich ist. Diese Auffassung wurde auch von verschiedenen Vernehmlassern geteilt191. In Artikel 2 des Bundesbeschlusses über den Beitritt zum Übereinkommen wird deshalb klargestellt, dass die Schweiz in Anwendung von Artikel 15 Ziffer 1 des Übereinkommens beitritt. Damit ist sichergestellt, dass das Übereinkommen auch für unser Land in jedem Fall erst dann verbindlich werden kann, wenn das in Artikel 15 Ziffer 1 festgelegte Quorum erreicht ist. Dieses Quorum wurde am 17. Dezember 1998 mit dem Beitritt Kanadas erreicht, nachdem schon zuvor Deutschland, Japan, die USA sowie Grossbritannien das Übereinkommen ratifiziert hatten.

222.10

Die übrigen Bestimmungen des Übereinkommens

Die restlichen Bestimmungen des Übereinkommens (Art. 13: Unterzeichnung und Beitritt; Art. 14: Ratifikation und Verwahrer; Art. 16: Änderung sowie Art. 17: Rücktritt) entsprechen vergleichbaren Verfahrens- bzw. Schlussbestimmungen in anderen Übereinkommen und geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass.

Das Übereinkommen kann jederzeit gekündigt werden, wobei der Rücktritt ein Jahr nach Eingang der entsprechenden Notifikation wirksam wird.

23

Gemeinsame Bestimmungen (Art. 322octies E-StGB)

Zur Schliessung der teils gravierenden Lücken des geltenden Korruptionsstrafrechts ist es unvermeidlich, die einschlägigen Tatbestände auszuweiten. So lässt sich beispielsweise das für den Aufbau der besonders gefährlichen systematischen Korruption wichtige «Anfüttern» nur dann erfassen, wenn die Anforderungen an die Beziehung zwischen Vorteil und Amtshandlung herabgesetzt werden. Mit jeder Ausweitung der Strafbarkeit ist indessen auch ein gesteigertes Bedürfnis verbunden, nicht strafwürdige Sachverhalte zureichend vom Anwendungsbereich der Tatbestände auszunehmen. Der Wunsch nach einer zusätzlichen Begrenzung und Klärung der Untergrenze der Strafbarkeit ist denn auch im Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Korruptionsstrafrechts verbreitet geäussert worden192.

Bei den neu formulierten Bestechungstatbeständen des 19. Titels wird diesem Bedürfnis einerseits durch die erweiterte Abgrenzungsfunktion des Begriffs des nicht gebührenden Vorteils Rechnung getragen193: Am Erfordernis des nicht gebührenden Vorteils zur Begründung der Strafbarkeit fehlt es einerseits, wenn die Annahme der Zuwendung dienstrechtlich zulässig ist, das heisst sich auf eine generellabstrakte Norm des öffentlichen Dienstrechts zu stützen vermag. Andererseits sind aber auch geringfügige Geschenke, die schon auf Grund gesellschaftlicher Normen keine Befangenheit hervorrufen können, keine nicht gebührende Vorteile. Zu denken ist an Zuwendungen im absoluten Bagatellbereich (Kaffee während der Bespre191 192 193

Vgl. die Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse, S. 5.

Vgl. die Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse, S. 7 und 11.

Vgl. auch oben Ziff. 212.22.

5550

chung, Taschenkalender etc.), bei denen sich eine Prüfung der weiteren Merkmale der Bestechungstatbestände a priori nicht rechtfertigt. Diese Verdeutlichung bringt der Gesetzestext in Ziffer 2 von Artikel 322octies zum Ausdruck. Die Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und -annahme (Art. 322quinquies und 322sexies E-StGB) werden im Übrigen durch das Erfordernis, dass der Vorteil «im Hinblick auf die Amtsführung» erfolgen muss, zusätzlich von nicht strafbaren Zuwendungen abgegrenzt194.

Dennoch lässt sich insbesondere aus den vorstehend unter 213.3 dargelegten Gründen nicht völlig ausschliessen, dass in Ausnahmefällen Sachverhalte übrig bleiben können, die unter einen Tatbestand von Artikel 322ter ff. E-StGB fallen, obgleich sie zum Vornherein nicht geeignet sind, Sachlichkeit und Objektivität der staatlichen Entscheidungsfindung zu gefährden. Der hier vorgeschlagene neue Artikel 322octies Ziffer 1 des Entwurfs trägt diesem Umstand Rechnung, indem er sicherstellt, dass in denjenigen Ausnahmefällen, die trotz völlig fehlendem Strafbedürfnis unter die Bestechungstatbestände fallen, ein Verzicht auf Bestrafung möglich wird. Die Einführung eines derartigen eingeschränkten Opportunitätsprinzips ist insbesondere auch deshalb angezeigt, weil die kantonalen Verfahrensgesetze nur zum Teil ein prozessuales Opportunitätsprinzip kennen195 und die im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgeschlagene generelle materiellrechtliche Möglichkeit der Strafbefreiung wegen fehlendem Strafbedürfnis196 aller Voraussicht nach erst nach dieser Vorlage in Kraft treten wird.

Voraussetzung für die Anwendung von Ziffer 1 von Artikel 322octies ist, dass sowohl Tatschwere wie auch Schuld gering sind. Dem Umfang des Vorteils allein kommt deshalb keine herausragende Bedeutung zu, weil Zuwendungen im absoluten Bagatellbereich ohnehin nicht unter die Bestechungstatbestände fallen, da sie keine nicht gebührenden Vorteile sind. Massgebend für die Anwendung der Opportunitätsklausel sind somit die gesamten objektiven und subjektiven Umstände, so insbesondere auch die mit dem Vorteil bezweckte Gegenleistung sowie das Ausmass der Schuld.

Damit Ziffer 1 zur Anwendung kommen kann, muss eine Gesamtwürdigung des an sich tatbeständsmässig-rechtswidrigen Verhaltens ergeben, dass Tatschwere und
Schuld gemessen am Regelfall der in Frage kommenden Straftat als deutlich weniger gravierend erscheinen. Diese Differenz muss derart ausgeprägt sein, dass die Verhängung von Kriminalstrafe sowohl unter general- wie auch unter spezialpräventiven Gesichtspunkten als nicht gerechtfertigt erscheint.

Auch Artikel 322octies Ziffer 1 ist ­ wie sich schon aus der Marginalie ergibt ­ auf alle Bestechungstatbestände des neuen 19. Titels anwendbar (Art. 322ter­322septies EStGB). Sind die geforderten Voraussetzungen erfüllt, so ist die zuständige Behörde verpflichtet, von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung abzusehen.

Unter der zuständigen Behörde sind analog zu Artikel 66bis StGB (Verzicht auf Weiterverfolgung und Strafbefreiung) Organe der Strafrechtspflege zu verstehen.

194 195

Dazu im Einzelnen oben Ziff. 213.2 und Ziff. 213.3.

Vgl. etwa die Übersicht bei Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Aufl.

Basel 1997 S. 188. In einer künftigen vereinheitlichten Strafprozessordnung soll nach Auffassung der Expertenkommission ein gemässigtes prozessuales Opportunitätsprinzip gelten; vgl. «Aus 29 mach 1», Konzept einer Eidg. Strafprozessordnung, EJPD Bern 1997 S. 45 ff.

196 Artikel 52 E-StGB, vgl. BBl 1999 I 2063 ff., 2312.

5551

Gemeint sind auch hier Strafjustizorgane wie Untersuchungsrichter, Anklagebehörden und urteilende Gerichte, nicht aber die Polizei.

24

Anpassung von Artikel 340 Ziffer 1 StGB

Artikel 340 StGB betreffend Umfang der Bundesgerichtsbarkeit muss an die neue Systematik der Bestechungsdelikte ­ Einordnung als neuer neunzehnter Titel des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches ­ angepasst werden. Mit der Formulierung «... die von einem Behördemitglied oder Beamten des Bundes oder gegen den Bund verübten strafbaren Handlungen des (...) neunzehnten Titels ...» wird sichergestellt, dass für sämtliche Bestechungsdelikte, die sich gegen Amtsträger des Bundes richten bzw. von solchen begangen werden, Bundesgerichtsbarkeit begründet wird. Eine materielle Änderung zum geltenden Recht ist damit nicht verbunden.

Redaktionell an die neue Systematik der Bestechungsdelikte angepasst werden muss sodann auch der derzeit in den parlamentarischen Beratungen stehende neue Artikel 340bis E-StGB (Bundesgerichtsbarkeit bei Wirtschaftskriminalität und organisiertem Verbrechen)197.

25

Militärstrafgesetz

Die geltenden Bestechungstatbestände von Artikel 288, 315 und 316 StGB finden ihre Entsprechung in den Artikeln 141­143 MStG. Letzteres stellt auf der aktiven Seite die Bestechung eines Angehörigen der Armee198 durch dem MStG Unterstehende gesondert unter Strafe (Art. 141 MStG). Abgesehen vom Tatobjekt entspricht Artikel 141 MStG dem Tatbestand der Bestechung im bürgerlichen Strafrecht (Art. 288 StGB). Das Sich-bestechen-Lassen und die Geschenkannahme (Art. 142 und 143 MStG) unterscheiden sich ihrerseits von den entsprechenden Tatbeständen des StGB durch den Täterkreis (nach Art. 2 ff. MStG dem Militärstrafrecht Unterstehende).

Entsprechend sind Artikel 141 ff. MStG den neuformulierten Tatbeständen des bürgerlichen Strafrechts anzupassen: Artikel 141 E-MStG enthält den neuen Tatbestand des Bestechens von Artikel 322ter E-StGB für den Sonderfall, dass ein Angehöriger der Armee Tatobjekt und ein dem MStG Unterstehender Täter ist. Die Vorteilsgewährung von Artikel 322quinquies E-StGB wird analog in einem neuen Artikel 141a E-MStG untergebracht. Auf der passiven Seite wird das Sich-bestechen-Lassen (Art. 322quater E-StGB) bzw. die Vorteilsannahme (Art. 322sexies E-StGB) durch dem Militärstrafrecht Unterstehende in Artikel 142 bzw. 143 E-MStG geregelt. Wegen dem besonderen Täterkreis bzw. Tatobjekt der militärstrafrechtlichen Tatbestände ist vorliegend die «dienstliche Tätigkeit/Dienstausübung» an Stelle der «amtlichen Tätigkeit/Amtsausübung» relevant. Sodann kann die überholte Vorschrift von Artikel 143 Ziffer 3 MStG über den Verfall der Zuwendung ersatzlos gestrichen werden, da heute die allgemeinen Einziehungsbestimmungen (Art. 41 ff. MStG) massgebend sind. Im Übrigen decken sich die neuen Tatbestände des MStG mit denjenigen des 197 198

Vgl. die Botschaft des Bundesrates betr. Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtstaatlichkeit in der Strafverfolgung, BBl 1998 S. 1529 ff.

Zu diesem Begriff vgl. Hauri, Militärstrafgesetz, Kommentar, Bern 1983 S. 407.

5552

bürgerlichen Strafrechts. Nicht gesondert ins MStG aufzunehmen ist die neue Strafnorm der Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322 septies E-StGB), da diese Strafbestimmung weder spezifisch militärischer Natur ist noch ein militärisches Rechtsgut schützt noch ihre Begehung durch Militärpersonen häufig einen direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem Militärdienst aufweisen wird. Die Bestimmung ist indessen über Artikel 7 MStG auch für die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen anwendbar.

Der neue Artikel 143a (Gemeinsame Bestimmungen) bildet das Gegenstück zu Artikel 322octies E-StGB. Das eingeschränkte Opportunitätsprinzip in Ziffer 1 von Artikel 143a E-MStG nennt im Unterschied zu Artikel 322octies Ziffer 1 E-StGB das Absehen von der Strafverfolgung nicht, weil im Zusammenhang mit dem militärgerichtlichen Ermittlungsverfahren nicht von der zuständigen Behörde gesprochen werden kann, die von der Strafverfolgung absieht199. Im Übrigen kann auf die Erläuterungen zu Artikel 322octies E-StGB verwiesen werden200.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone

Die Vorlage hat für Bund und Kantone keine unmittelbaren finanziellen oder personellen Auswirkungen. Allerdings kann die verstärkte Ahndung von Bestechung, so insbesondere im grenzüberschreitenden Bereich, künftig zu einer gewissen Mehrbelastung der Strafverfolgungsorgane der Kantone und ­ im Rahmen der Bundesgerichtsbarkeit gemäss Artikel 340 StGB und 340bis E-StGB ­ auch des Bundes führen. Die dadurch allenfalls zusätzlich anfallenden Kosten lassen sich indes kaum abschätzen.

4

Legislaturplanung

Im Bericht über die Legislaturplanung 1995­1999 ist die Vorlage noch nicht enthalten. Hingegen sind gesetzliche Massnahmen gegen Korruption und Bestechung sowohl in den Zielen des Bundesrates für das Jahr 1998201 wie auch 1999 aufgeführt.

5

Verhältnis zum internationalen Recht

Es kann auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere unter Ziffer 115, verwiesen werden.

199 200 201

Vgl. auch Artikel 47a Absatz 1 MStG sowie BBl 1985 II 1063.

Oben Ziff. 23.

BBl 1998 228.

5553

6

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über die Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes beruht auf Artikel 64bis BV, welcher den Bund zur Gesetzgebung im Gebiete des Strafrechts befugt.

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über den Beitritt zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, der den Bund ermächtigt, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 BV.

Das Übereinkommen ist jederzeit kündbar und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Auch führt es keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c der Bundesverfassung herbei. Zwar sind die Vertragsstaaten verpflichtet, dem Mindeststandard des Übereinkommens landesrechtlich zu entsprechen und künftige gesetzgeberische Massnahmen in Betracht zu ziehen. Das Übereinkommen enthält jedoch keine Normen, die das nationale Recht ersetzen oder ergänzen und unmittelbar von den staatlichen Behörden oder von den Bürgern angewendet werden können. Der Bundesbeschluss ist daher dem fakultativen Referendum nicht zu unterstellen.

10461

5554