99.053 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Kroatien vom 31. Mai 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 12. März 1999 unterzeichnete Abkommen mit der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. Mai 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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Übersicht Am 12. März 1999 konnte mit der Republik Kroatien ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen werden. Es handelt sich dabei nach Slowenien um das zweite umfassende Steuerabkommen (Einkommen und Vermögen) der Schweiz mit einem Nachfolgestaat der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die Direktinvestitionen der schweizerischen Wirtschaft in der Republik Kroatien bewegen sich gegenwärtig noch in einem bescheidenen Rahmen, dürften aber in den kommenden Jahren an Bedeutung zunehmen. Das Doppelbesteuerungsabkommen bietet den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung einen steuerlichen Schutz. Es stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen im Verhältnis zu ihren Konkurrenten aus anderen westlichen Industriestaaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden.

Das vorliegende Abkommen folgt weitgehend dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der schweizerischen Vertragspraxis. Die Kantone und interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens gutgeheissen.

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Botschaft 1

Vorgeschichte

Die Republik Kroatien hatte sich bereits seit einiger Zeit intensiv darum bemüht, mit der Schweiz in Verhandlungen über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens zu treten. Nachdem die Schweiz im Juni 1996 mit Slowenien, einem andern Nachfolgestaat der vormaligen Republik Jugoslawien, ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen und sich zudem die allgemeine politische Lage im Balkan in den darauf folgenden Jahren verbessert hatte, konnte zwischen der Schweiz und Kroatien am 30. September und 1. Oktober 1997 in Bern eine erste Verhandlungsrunde abgehalten werden. Die während des knapp bemessenen Verhandlungszeitraumes erzielten Resultate durften als zufriedenstellend qualifiziert werden. Bei einem Grossteil der Abkommensbestimmungen konnte bereits eine Einigung über den materiellen Wortlaut erzielt werden. In den für die Schweiz wichtigen Bereichen der Quellenbesteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren führten die Verhandlungen jedoch noch nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Zudem beharrte Kroatien auf der Aufnahme von Bestimmungen über den Informationsaustausch und «tax sparing». Die Verhandlungen wurden mit der Redaktion eines gemeinsamen Abkommensentwurfs, der auch die zu diesem Zeitpunkt noch offenen Punkte enthielt, abgeschlossen.

Nur wenige Monate später fand am 15. und 16. April 1998 in Zagreb die zweite Verhandlungsrunde statt. In den für die Schweiz zentralen Bereichen der Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren führten die Verhandlungen zu Lösungen, die im Rahmen der schweizerischen Abkommenspolitik mit den Ländern in dieser Region liegen. Schweizerischerseits gilt es insbesondere den bei Lizenzgebühren erreichten 0-Satz hervorzuheben. Die übrigen noch offenen Punkte konnten ebenfalls bereinigt und ein den Interessen der Schweiz insgesamt gebührend Rechnung tragender Abkommensentwurf paraphiert werden.

Der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Kroatien ist für die Schweiz sowohl wirtschaftlich als auch politisch von Bedeutung. Mit Direktinvestitionen von über 100 Millionen o. Franken belegte die Schweiz 1997 den dritten Rang der in Kroatien tätigen ausländischen Investoren.

Das Abkommen enthält, in Abweichung von der schweizerischen Abkommenspolitik gegenüber Nicht-Mitgliedern der OECD, auch eine Bestimmung über den
Informationsaustausch. Diesbezüglich ist insbesondere auf die von der Schweiz in jüngster Vergangenheit gemachten Erfahrungen hinzuweisen, die deutlich gezeigt haben, dass es selbst bei Verhandlungen mit Nicht-Mitgliedstaaten der OECD zunehmend schwieriger wird, den schweizerischerseits bisher angestrebten gänzlichen Verzicht auf die Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch durchzusetzen oder sich, wie dies beispielsweise mit Russland noch möglich gewesen war, als Alternative dazu, auf einen die schweizerische Auffassung erläuternden Briefwechsel zu beschränken. Dieses Zugeständnis der Schweiz gegenüber Kroatien erscheint vertretbar, weil in Übereinstimmung mit der ständigen schweizerischen Abkommenspraxis gegenüber OECD-Mitgliedstaaten auch im Verhältnis zu NichtMitgliedstaaten der OECD weiterhin nur solche Informationen ausgetauscht werden können, die für eine korrekte Anwendung des Abkommens notwendig sind (sog.

«kleine Amtshilfeklausel»). Hinzu kommt, dass die mit Kroatien vereinbarte Lösung 7600

nicht grundsätzlich neu ist. Verschiedene von der Schweiz mit andern NichtMitgliedern der OECD abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen enthalten ebenfalls Bestimmungen über den Informationsaustausch (China, Indien, Slowenien und Thailand). Überdies darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass diese den Bedürfnissen der Mehrheit der Verhandlungspartner entgegenkommende Haltung der Schweiz im Gegenzug die Möglichkeit eröffnet, in andern für sie ebenso wichtigen Bereichen gezielt günstigere Abkommenslösungen anzustreben. Die Aufnahme einer «kleinen Amtshilfeklausel» wird demzufolge schweizerischerseits immer auch davon abhängen, ob die vereinbarten Abkommenslösungen insgesamt den Interessen der Schweiz gebührend Rechnung tragen. Das mit Kroatien erreichte Verhandlungsergebnis vermag dieses wichtige Kriterium zu erfüllen.

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Bemerkungen zu den Bestimmungen des Abkommens

Das Abkommen zwischen der Schweiz und der Republik Kroatien folgt sowohl formell als auch materiell weitestgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis auf diesem Gebiet. Wir beschränken uns deshalb im folgenden darauf, die hauptsächlichsten Abweichungen vom Musterabkommen zu erläutern und auf die Besonderheiten des Abkommens hinzuweisen.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Das Abkommen findet für alle Steuern vom Einkommen und Vermögen Anwendung. Kroatien erhebt zurzeit noch keine Vermögensteuer. Die an der Quelle erhobenen Steuern von Lotteriegewinnen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des Abkommens (Art. 2 Abs. 5).

Art. 5

Betriebstätte

Eine Bau- oder Montageausführung sowie damit zusammenhängende Überwachungstätigkeiten begründen eine Betriebstätte, sofern deren Dauer zwölf Monate übersteigt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Das Abkommen folgt dem im Musterabkommen der OECD festgelegten Grundsatz, wonach eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr zugerechnet werden können. Die einzige Protokollbestimmung bekräftigt diesen Grundsatz und stellt sicher, dass für die Bemessung des Betriebstättengewinns nicht vom Grundsatz der Attraktivkraft der Betriebstätte ausgegangen werden darf.

Art. 10

Dividenden

Die Steuer zu Gunsten des Quellenstaates beträgt 5 Prozent bei Beteiligungen von mindestens 25 Prozent, die von einer Gesellschaft (ausgenommen sind Personengesellschaften) gehalten werden. In den übrigen Fällen ist das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 15 Prozent begrenzt.

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Art. 11

Zinsen

Die Steuer zu Gunsten des Quellenstaates ist generell auf 5 Prozent begrenzt.

Art. 12

Lizenzgebühren

Lizenzgebühren können nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

In Übereinstimmung mit anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen wird das Besteuerungsrecht für Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Beteiligungen an einer Immobiliengesellschaft, deren Vermögen hauptsächlich aus im anderen Staat gelegenen Grundstücken besteht, diesem anderen Staat zugewiesen.

Art. 17

Künstler und Sportler

Entsprechend der Vertragspraxis der Schweiz erfolgt die Besteuerung am Tätigkeitsort grundsätzlich auch für Einkünfte, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler für dessen Auftreten zufliessen. Diese Besteuerung tritt nicht ein, wenn nachgewiesen werden kann, dass weder der Künstler oder der Sportler noch mit ihnen verbundene Personen an den Gewinnen dieser anderen Person beteiligt sind. Die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 von Artikel 17 finden auch dann keine Anwendung, wenn die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers direkt oder indirekt in erheblichem Umfang aus öffentlichen Mitteln stammen.

Art. 21

Andere Einkünfte

Diese Einkünfte können ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Kroatien vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode; die Schweiz wendet grundsätzlich die Befreiungsmethode an und gewährt für Dividenden und Zinsen die pauschale Steueranrechnung.

Art. 26

Informationsaustausch

Wie einleitend dargelegt, erklärte sich die Schweiz zur Aufnahme eines Artikels über den Austausch von steuerlichen Informationen bereit. In Übereinstimmung mit der ständigen schweizerischen Abkommenspraxis können aber nur Informationen ausgetauscht werden, die für die korrekte Anwendung des Abkommens notwendig sind.

Art. 28

Inkrafttreten

Das Abkomen tritt durch Austausch der Ratifikationsurkunden auf diplomatischem Weg in Kraft und seine Bestimmungen sind auf Steuern vom Einkommen und vom Vermögen für Steuerjahre anwendbar, die am oder nach dem 1. Januar des auf die letzte der beiden Notifikationen folgenden Jahres beginnen.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Staaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen insbesondere durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und die Anrechnung der von der Republik Kroatien auf Dividenden und Zinsen erhobenen Steuern. Da die kroatischen Investitionen in der Schweiz einstweilen noch unbedeutend sind, dürfte den Einbussen, die sich aus der teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer an in der Republik Kroatien ansässige Personen ergeben, zurzeit keine grosse Bedeutung zukommen. Dagegen wird die durch Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 eingeführte pauschale Steueranrechnung die schweizerischen Fisken belasten. Diesen Einbussen, deren Ausmass mangels geeigneter Unterlagen nicht geschätzt werden kann, stehen auch finanzielle Vorteile für die schweizerischen Fisken gegenüber.

Während bisher die kroatischen Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren zum Abzug zugelassen werden mussten, können künftig die aus der Republik Kroatien stammenden Einkünfte mit dem Bruttobetrag besteuert werden.

Daraus wird sich eine allgemeine Erhöhung des steuerbaren Einkommens ergeben.

Den steuerlichen Auswirkungen sind andererseits die beträchtlichen Vorteile gegenüberzustellen, die sich für die schweizerische Wirtschaft aus der Förderung des Handels und der Erleichterung der Investitionen in der Republik Kroatien ergeben.

Im Übrigen werden Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen und dienen der Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Grundlage des Abkommens bildet Artikel 8 der Bundesverfassung (BV), der dem Bund die Befugnis erteilt, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 85 Ziffer 5 BV für die Genehmigung des Abkommens zuständig. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Das Abkommen sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch bringt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung. Der Bundesbeschluss unterliegt daher nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 89 Ziffer 3 BV.

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Schlussfolgerungen

Das Abkommen mit der Republik Kroatien folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen sowie der schweizerischen Abkommenspraxis. Es bringt den schweizerischen Investoren eine erhebliche Entlastung von den kroatischen Steuern und dürfte sich allgemein günstig auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken.

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