99.075 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Belarus vom 15. September 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 26. April 1999 unterzeichnete Abkommen mit der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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Übersicht Nach nur einer Verhandlungsrunde konnte am 26. April 1999 mit Belarus ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen abgeschlossen werden.

Nachdem Belarus im Sommer 1991 die Unabhängigkeit von der Sowjetunion erlangt hatte, wurde schweizerischerseits bereits im Januar 1993 ein Investitionsschutzabkommen mit diesem Staat paraphiert. Belarus trat anschliessend auch mit dem Begehren um Aufnahme von Doppelbesteuerungsverhandlungen an die Schweiz heran. Im April 1996 konnte in einer einzigen Verhandlungsrunde das vorliegende Abkommen ausgehandelt und paraphiert werden. Nachdem allerdings Präsident Lukaschenko im November 1996 ein neues Grundgesetz durchsetzte, das das Prinzip der Gewaltentrennung und wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze missachtet, wurde die Unterzeichnung des Doppelbesteuerungsabkommens von schweizerischer Seite aufgeschoben und an die Bedingung der Eröffnung einer ständigen OSZE-Vertretung in Minsk geknüpft. Erst nach Erfüllung dieser Bedingung durch Belarus im Jahre 1998 war der Weg frei für die Unterzeichnung des Abkommens.

Das nun abgeschlossene Abkommen bietet den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen steuerlichen Schutz.

Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen westlichen Staaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden. Das Abkommen folgt weitgehend dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens im Vernehmlassungsverfahren begrüsst.

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Botschaft 1

Vorgeschichte

Die Schweiz einigte sich am 19. April 1996 nach nur einer Verhandlungsrunde mit der Republik Belarus (Weissrussland) über den Entwurf eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens, welches das am 5. September 1986 zwischen der Schweiz und der Sowjetunion abgeschlossene Abkommen über Steuerfragen ersetzen soll. Dieses Abkommen findet nämlich seit der Auflösung der Sowjetunion unter anderem auch im Verhältnis zwischen der Schweiz und Belarus vorläufig noch Anwendung.

Angesichts der seinerzeit unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen beider Staaten und der sehr begrenzten Betätigungsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen in der Sowjetunion wurden im Abkommen von 1986 nur diejenigen Steuerfragen geregelt, die in dieser Zeit in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion von tatsächlicher Bedeutung waren. Das neue Abkommen mit Belarus ist dagegen ein umfassendes; es bezieht sich auf sämtliche Einkommen- und Vermögensteuern.

Nach der Auflösung der Sowjetunion erlangte die Republik Belarus am 25. August 1991 die Unabhängigkeit. Verschiedene Faktoren deuteten anfänglich darauf hin, dass Belarus im Vergleich zu anderen GUS-Staaten eine günstige Ausgangslage für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung und damit für ausländische Investitionen aufweise. Als positiv zu werten waren insbesondere die geographische Lage, das relativ hohe Ausbildungsniveau der Bevölkerung, die breite industrielle Basis und die vergleichsweise gut ausgebaute Infrastruktur in den Bereichen Verkehr und Kommunikation. Andere Faktoren, wie z. B. die nur sehr zögerlich vorankommenden Wirtschaftsreformen, die hohe Abhängigkeit von Russland gerade im Energiebereich, die geringen eigenen Rohstoffvorkommen und der vorläufig noch kleine interne Markt beeinträchtigen jedoch insbesondere seit der Machtübernahme durch Präsident Lukaschenka im Juli 1994 die Attraktivität Weissrusslands als Investitionsstandort. Mit dem Verfassungsreferendum vom 24. November 1996 setzte Lukaschenko zudem ein neues Grundgesetz durch, welches das Prinzip der Gewaltentrennung missachtet und wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze aufhebt. Dieser Schritt sowie das seitherige unberechenbare Verhalten des Präsidenten führten zu einer weitgehenden aussenpolitischen Isolation der Republik Belarus.

Wie in allen Nachfolgestaaten der ehemaligen
UdSSR setzte nach Erreichung der Unabhängigkeit auch in Belarus eine langjährige Rezession ein, die 1994 in einer Abnahme des BIP von 12,6 % gipfelte. Die Regierung weigerte sich, rasche, umfassende Reformen vorzunehmen. Der Übergang zur Marktwirtschaft soll in kleinen Schritten und von der Regierung kontrolliert erfolgen. Welche Faktoren sich im verschärften Wettbewerb um Direktinvestitionen schliesslich durchsetzen werden, wird erst die zukünftige Entwicklung zu zeigen vermögen.

Was den bilateralen Handel zwischen der Schweiz und Belarus betrifft, wurde bei den Einfuhren im Jahr 1997 eine Zunahme von knapp 70 % auf 21 Mio. Fr. verzeichnet, denen Ausfuhren von 27 Mio. Fr. gegenüberstanden. Im Jahr 1998 fielen die Importe allerdings auf 12 Mio zurück, was in erster Linie auf geringere Kunststoffeinfuhren aus Belarus zurückzuführen war. Die Exporte gingen ebenfalls leicht zurück und betrugen 1998 noch 26 Mio Fr. Ende des Jahres 1997 waren 47 schwei-

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zerische Unternehmen, zum Teil mit eigenen Vertretungen und zum Teil in Form von Joint Ventures, in Belarus tätig.

Die oben umschriebene politische Situation in Belarus verhinderte eine rasche Unterzeichnung des bereits im Frühjahr 1996 paraphierten Doppelbesteuerungsabkommens. Von schweizerischer Seite wurde dessen Unterzeichnung von der Eröffnung einer ständigen OSZE-Vertretung in Minsk abhängig gemacht. Erst nach Erfüllung dieser Bedingung durch Belarus im Jahre 1998 konnte das Abkommen am 26. April 1999 unterzeichnet werden.

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Bemerkungen zu den Bestimmungen des Abkommens

Das neue Abkommen zwischen der Schweiz und der Republik Belarus folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis mit Entwicklungsländern. Es werden deshalb im Folgenden nur die wesentlichsten Abweichungen vom Musterabkommen und die wichtigen Besonderheiten des Abkommens erläutert.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Das Abkommen findet für alle Steuern vom Einkommen und Vermögen Anwendung. Da Belarus nicht ein föderalistisch aufgebauter Staat ist, wird im Protokoll präzisiert, dass sich der Begriff «politische Unterabteilungen» in Absatz 1 und in anderen Abkommensbestimmungen nur auf die Schweiz beziehe.

Art. 3

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Auf Wunsch von Belarus wird in Absatz 1 Buchstabe f) eine Definition des Begriffs der festen Einrichtung aufgenommen. Die Bestimmungen betreffend den internationalen Verkehr werden auf den Strassenverkehr ausgedehnt. In allen Bestimmungen über den internationalen Verkehr wird zudem auf den Sitzort des Unternehmens abgestellt.

Art. 4

Ansässige Person

In einer Protokollbestimmung zu Artikel 4 werden die massgeblichen Kriterien aufgeführt, nach denen die Ansässigkeit einer Gesellschaft zu bestimmen ist, wenn diese gestützt auf das interne Recht gemäss Absatz 1 in beiden Vertragsstaaten als ansässig gilt.

Art. 5

Betriebstätte

Eine Bau- oder Montageausführung begründet eine Betriebstätte, sofern ihre Dauer zwölf Monate übersteigt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Der Entwurf folgt dem im Musterabkommen der OECD festgelegten Grundsatz, dass eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr zugerechnet werden können.

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Der Grundsatz, wonach bei der Bemessung des Betriebstättengewinns einzig von den aus der effektiven Tätigkeit der Betriebstätte resultierenden und ihr zurechenbaren Einkünften und nicht vom Prinzip der Attraktivkraft der Betriebstätte ausgegangen werden darf, wird zudem in einer Protokollbestimmung festgehalten.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Wie bei den meisten in letzter Zeit vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen gelang es auch hier, die der schweizerischen Praxis entsprechende Formulierung von Absatz 2 einzubringen. Der Abkommensentwurf sieht vor, dass sich die Vertragsstaaten über die Vornahme von Gewinnaufrechnungen konsultieren können.

Art. 10

Dividenden

Die Steuer zu Gunsten des Quellenstaates beträgt 5 Prozent bei Beteiligungen von mindestens 25 Prozent, die von einer Gesellschaft gehalten werden. In den übrigen Fällen ist das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 15 Prozent begrenzt.

Art. 11

Zinsen

Die Steuer zu Gunsten des Quellenstaates ist nach dem Abkommensentwurf grundsätzlich auf 8 Prozent begrenzt. Ein Sondersatz von 5 Prozent gilt für Bankzinsen.

Zudem sind Zinsen auf genehmigten Darlehen, Zinsen auf Kreditlieferungen von Ausrüstungen (nicht aber von Warenlieferungen) sowie Zinsen auf Staatsanleihen ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat des Empfängers steuerbar.

Art. 12

Lizenzgebühren

Belarus erhebt gemäss internem Recht seit dem 1. Januar 1999 auf Lizenzgebühren eine Quellensteuer von 20 Prozent. Im Abkommen konnte diese Quellensteuer bei Lizenzen für Patente und Know-how auf 3 Prozent, bei Leasinggebühren auf 5 Prozent und bei den übrigen Lizenzgebühren (für Marken und Modelle sowie für Urheberrechte) auf 10 Prozent begrenzt werden. Damit wurde eine Lösung getroffen, die sich im Rahmen der schweizerischen Abkommenspolitik hält und die den schweizerischen Interessen gebührend Rechnung trägt. Die Lösung entspricht derjenigen, die Belarus mit Schweden getroffen hat.

Art. 17

Künstler und Sportler

Entsprechend der schweizerischen Vertragspraxis erfolgt die Besteuerung am Tätigkeitsort grundsätzlich auch für Einkünfte, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler für dessen Auftreten zufliessen. Diese Besteuerung tritt jedoch nicht ein, wenn nachgewiesen werden kann, dass weder der Künstler oder der Sportler noch mit ihnen verbundene Personen an den Gewinnen dieser anderen Person direkt beteiligt sind.

Art. 21

Andere Einkünfte

Diese Einkünfte können ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden. In Artikel 21 wird zudem festgehalten, dass das Abkommen auf die an der Quelle erhobenen Steuern auf Lotteriegewinnen nicht Anwendung finde.

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Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Belarus vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode; die Schweiz wendet grundsätzlich die Befreiungsmethode an und gewährt für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung.

Informationsaustausch Das Abkommen enthält keine Bestimmung über den Informationsaustausch.

Art. 28

Inkrafttreten

Auf eine rückwirkende Anwendbarkeit auf Anfang des Jahres des Inkrafttretens musste auf Begehren von Belarus verzichtet werden. Die Bestimmungen des Abkommens sind deshalb erstmals ab dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres anwendbar.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der in Belarus auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhobenen Quellensteuern. Die Einbussen, die sich aus der teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer an in der Republik Belarus ansässige Personen ergeben, dürften kaum ins Gewicht fallen. Dagegen wird die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 eingeführte pauschale Steueranrechnung die schweizerischen Fisken belasten. Diesen Einbussen, deren Ausmass mangels geeigneter Unterlagen nicht geschätzt werden kann, stehen auch finanzielle Vorteile für die schweizerischen Fisken gegenüber. Während bisher die belarussische Quellensteuer zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden musste, können inskünftig die aus Belarus stammenden Einkünfte in der Schweiz mit dem Bruttobetrag besteuert werden. Daraus wird sich eine allgemeine Erhöhung des steuerbaren Einkommens ergeben.

Im hier vorliegenden Abkommensentwurf konnten Lösungen vereinbart werden, die für die Schweiz, aber auch für die schweizerische Wirtschaft günstig sind. Das neue Abkommen bringt insgesamt namhafte Verbesserungen und Erleichterungen gegenüber dem bisherigen Zustand unter dem alten Abkommen mit der Sowjetunion. Die einzige Schlechterstellung gegenüber dem alten Abkommen liegt im Bereich der Lizenzgebühren. Sie musste im Hinblick auf eine vorteilhafte Gesamtlösung in Kauf genommen werden. Allgemein darf erwartet werden, dass das Abkommen zur Förderung neuer schweizerischer Direktinvestitionen in der Republik Belarus beitragen und sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Neuausrichtung des Landes auswirken wird, auch wenn zurzeit dessen politische Entwicklung noch als recht unsicher gilt. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens im Vernehmlassungsverfahren einhellig gutgeheissen. Im übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden, und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage dieses Abkommens bildet Artikel 54 der Bundesverfassung vom 18. April 1999, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss unterliegt daher nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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Schlussfolgerungen

Das vorliegende Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es schafft Rechtssicherheit und bringt den schweizerischen Investoren eine erhebliche Entlastung von den belarussischen Steuern. Das Abkommen dürfte sich allgemein günstig auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Republik Belarus auswirken.

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