Kreisschreiben des Bundesrates an die Aufsichtsbehörden über das Pflegekinderwesen und die Adoptionsvermittlung # S T #

vom 2l. Dezember 1988

Am I.Januar 1989 treten revidierte Bestimmungen der Verordnung über die Adoptionsvermittlung (SR 211.221.36) und der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (Pflegekinderverordnung; SR 211.222.338) in Kraft (vgl. AS 1989 51 54). Um die Anwendung der neuen Bestimmungen in der Praxis zu erleichtern, lassen wir Ihnen die folgenden Erläuterungen zugehen.

I

Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO)

II

Die Voraussetzungen der Bewilligung für die Aufnahme eines Kindes in Familienpflege

III

Übersicht

Bisher wurden die Voraussetzungen der Bewilligung in zwei Artikeln geregelt.

Der eine enthielt die allgemeinen Voraussetzungen der Bewilligung (alter Art. 5), der andere die besonderen Voraussetzungen für die Aufnahme ausländischer Kinder (alter Art. 6).

Neu wird in vier Bestimmungen unterschieden zwischen: - den allgemeinen Voraussetzungen der Bewilligung (Art. 5), - der Aufnahme ausländischer Kinder zur Adoption (Art. 6), - der Aufnahme ausländischer Kinder aus andern Gründen (Art. 6 a) und - der erleichterten Aufnahme ausländischer Kinder (Art. db).

Damit werden die Voraussetzungen der Bewilligung nach Fallgruppen übersichtlicher zusammengefasst.

Artikel 5 gilt für alle Gesuchsteller, unabhängig davon, ob sie ein schweizerisches oder ein ausländisches Kind aufnehmen wollen. Soll ein Kind ausländischer Staatsangehörigkeit, das bisher im Ausland gelebt hat, als Pflege- oder künftiges Adoptivkind in die Schweiz geholt werden, so sehen die Artikel 6 bzw. 6a zusätzliche Voraussetzungen vor. Handelt es sich dagegen um die Aufnahme eines ausländischen Kindes, das in der Schweiz lebt, so umschreibt Artikel 5 die Voraussetzungen grundsätzlich abschliessend. In der Schweiz lebt ein Kind, wenn es hier nicht nur ferienhalber oder aus anderen Gründen kurzfristig weilt, sondern. hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Rechtsmissbrauch würde vorliegen, wenn Pflegeeltern in der Absicht, die Artikel 6 oder 6a zu umgehen, eine schwangere Frau zur Geburt in die Schweiz reisen Hessen, die dann ohne ihr Kind in ihr Herkunftsland zurückkehren würde.

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Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Materiell liegt das Schwergewicht der Revision der Bewilligungsvoraussetzungen auf der Konkretisierung wichtiger Punkte, die bei der Plazierung eines Kindes zum Zwecke späterer Adoption besonders zu beachten sind (Art. 5 Abs. 2 und 3 sowie Art. 6). Dabei ist von Artikel 268« des Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 270) auszugehen, wonach eine Adoption erst nach umfassender Untersuchung aller wesentlichen Umstände, nötigenfalls unter Beizug von Sachverständigen, ausgesprochen werden darf. «Namentlich sind die Persönlichkeit und die Gesundheit der Adoptiveltern und des Adoptivkindes, ihre gegenseitige Beziehung, die erzieherische Eignung, die wirtschaftliche Lage, die Beweggründe und die Familienverhältnisse der Adoptiveltern ... abzuklären» (Art. 268a Abs. 2 ZGB). Soweit es in diesem Verfahrensstadium möglich ist, sind die für die Adoption wesentlichen Umstände bereits vor der Aufnahme des Kindes zu prüfen. Die Erfahrung zeigt, dass die Auswahl der Pflegeeltern die entscheidende Phase bei einer Adoption ist, da davon das Gedeihen des künftigen Adoptivverhältnisses und damit die günstige Entwicklung des Kindes abhängt. Ist das Kind einmal plaziert, stehen die Behörden oft vor einem «fait accompli», selbst wenn das Pflegeverhältnis sich nicht so gut entwickelt. Zum Teil ist eine Umplazierung für das Kind schädlicher, als es in der Familie, in die es sich eingelebt hat, zu belassen. Eine Untersuchung von Problemfällen hat indessen gezeigt, dass verschiedene Schwierigkeiten bei Adoptivkindern hätten vermieden werden können, wenn die Adoptiveltern sorgfältiger ausgewählt worden wären.

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Bewilligungspflicht (Art. 4 Abs. 1)

Bei der Aufnahme von unmündigen Kindern aus dem Ausland zum Zwecke späterer Adoption durch eine Familie in der Schweiz überlässt das Bundesamt für Ausländerfragen die Beurteilung der Aspekte, welche die Kindesinteressen betreffen, völlig der für die Erteilung der Pflegekinderbewilligung zuständigen Behörde (vgl. Ziff. 126).

Indessen war die Aufnahme eines nicht mehr schulpflichtigen über 15jährigen Unmündigen nach der bisherigen Pflegekinderverordnung nicht bewilligungspflichtig. Diese Lücke ist mit der Revision, soweit es um die Aufnahme eines über 15jährigen, aber noch nicht 18jährigen Jugendlichen aus dem Ausland zum Zwecke späterer Adoption geht, geschlossen worden, auch wenn solche Plazierungen sehr selten sind. Ein Schutz ist wichtig, da der Jugendliche in der Schweiz keinen gesetzlichen Vertreter hat und vom Ausland her für diese Kinder nur beschränkt eine Pflegeplatzabklärung vorgenommen werden kann. Deshalb muss wie bei den unter Fünfzehnjährigen in der Schweiz die Pflegekinderaufsichtsbehörde für die Wahrung der Kindesinteressen verantwortlich sein.

Mit der Neufassung von Artikel 4 Absatz l wird auch die Übereinstimmung mit der Verordnung über die Adoptionsvermittlung verbessert, welche die Vermittlung von unmündigen Kindern schlechthin erfasst.

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Ist das Kind älter als 18 Jahre, so ist es nach dem Recht vieler Staaten bereits mündig. Aber auch wenn dies nicht zutrifft, ist im Hinblick auf das zweijährige Pflegeverhältnis, das gemäss Artikel 264 ZGB jeder Adoption in der Schweiz vorausgehen muss, nur noch eine Mündigenadoption möglich (vgl. die Art. 35, 75 und 77 des Bundesgesetzes vom 18. Dez. 1987 über das Internationale Privatrecht; AS 1988 1776; SR 291). Diese unterliegt gemäss Artikel 266 ZGB einschränkenden Voraussetzungen. Eine Plazierung zum Zwecke späterer Adoption fällt damit praktisch ausser Betracht.

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Allgemeine Voraussetzungen der Bewilligung (Art. 5 Abs. ,2 und 3)

113.1

Voraussetzungen für alle Gesuchsteller

Artikel 5 Absatz l enthält wie bisher die Voraussetzungen, die alle Gesuchsteller erfüllen müssen, gleichgültig ob es sich um gewöhnliche Pflegeeltern oder künftige Adoptiveltern handelt.

113.2

Adoptionsplazierungen

Für Adoptionsplazierungen wird im neuen Artikel 5 Absatz 2, der dem alten Artikel 5 Absatz 3 entspricht, besonders hervorgehoben, dass namentlich nach den Beweggründen der Adoptiveltern zu erwarten sein müss, die Adoption werde dem Wohl des Kindes dienen. Die Motivation der künftigen Adoptiveltern ist eine der grundlegenden Voraussetzungen zur Adoption. Das Kind muss bedingungslos angenommen und geliebt werden.

113.3

Checkliste für die Abklärung

Schon nach dem früheren Recht sollte der Eignung der künftigen Adoptiveltern besondere Beachtung geschenkt werden, wenn Umstände vorliegen, die ihre Aufgabe erschweren können. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung in der Schweiz und im Hinblick auf die schicksalhafte Bedeutung der Auswahl der Pflegeeltern für das Kind werden die wichtigsten dieser Umstände im Sinne einer Checkliste in Artikel 5 Absatz 3 festgehalten. Selbstverständlich ist die Aufnahme bei Vorliegen dieser Umstände keineswegs verboten. Vielmehr hat jeder Gesuchsteller Anspruch darauf, dass sein Gesuch sorgfältig geprüft wird.

Man muss und darf aber verlangen, dass im Rahmen der Abklärung der Bewilligungsvoraussetzungen bei Vorliegen solcher Umstände gründlich geprüft wird, ob die Gesuchsteller für das betreffende Kind geeignete künftige Adoptiveltern sind. Dabei lassen insbesondere die Erwartungen der Gesuchsteller und die Art, wie sie sich auf die Aufnahme des Kindes vorbereitet haben, Rückschlüsse auf ihre Eignung zu.

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Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Besondere Beachtung ist der Eignung der Pflegeeltern namentlich in folgenden Fällen zu schenken: 113.31

Altersunterschied von mehr als 40 Jahren

Bei der Revision des Adoptionsrechtes 1972 wurde das frühere Adoptionsalter von 40 Jahren wesentlich gesenkt. In der bundesrätlichen Botschaft vom 12. Mai 1971 (BB1 1971 l 1220, Ziff. 3.5.1.2.3.) wurde insbesondere festgehalten, der Sinn der Erziehungsadoption verlange, dass das Kind Adoptiveltern bekomme, welche ungefähr im Alter natürlicher Eltern stehen, während ein höheres Mindestalter die Adoption in die grosselterliche Stufe verschiebe. In der parlamentarischen Beratung wurde bestätigt, dass die Adoption das natürliche Kindesverhältnis nachahmen solle. Im Hinblick darauf ist nicht bei einem bestimmten Alter, wohl aber bei einem bestimmten Altersunterschied zwischen Kind und künftigen Adoptiveltern das Augenmerk besonders darauf zu richten, ob letztere nicht nur im Moment der Gesuchseinreichung, sondern voraussichtlich während der ganzen Dauer der Unmündigkeit, namentlich auch während der Pubertät des Kindes, die nötige Spannkraft und Anpassungsfähigkeit für die Erziehung haben.

Ein natürliches Kindes Verhältnis ist auch bei einem grösseren Altersunterschied als 40 Jahren nicht ausgeschlossen. Trotzdem ist es vertretbar, in der Verordnung dieses Kriterium zu nennen, da es nur darum geht, dass von einem gewissen Altersunterschied an die abklärenden Instanzen das Alter der künftigen Adoptiveltern in ihre Überlegungen besonders einbeziehen müssen. Es versteht sich von selbst, dass die Abklärungen umso gründlicher geführt werden müssen, je mehr der Altersunterschied von 40 Jahren überschritten wird.

113.32

Einzeladoption

Die Entstehungsgeschichte des Adoptionsrechts macht deutlich, dass das Gesetz vom Leitgedanken der vollständigen Familie geprägt ist und somit von der gemeinschaftlichen Adoption als Normalfall ausgeht. Es verbietet aber die Einzeladoption nicht, da sie im Einzelfall eine ausgesprochen glückliche Lösung für ein Kind sein kann. So erwähnt die Botschaft zum Adoptionsrecht (BB1 19711 1219, Ziff. 3.5.1.2.1.) etwa den Fall einer ledigen Ärztin, die ein invalides Kind, das sonst in keiner Familie plaziert werden kann, annimmt.

Die Einzeladoption gibt dem Kind aber nur einen Elternteil, Vater oder Mutter.

Die erzieherischen Fähigkeiten des Gesuchstellers wie auch die zeitliche Disponibilität sind deshalb gründlich zu prüfen.

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

113.33

Mögliche Integrationsschwierigkeiten des Kindes

Es macht für die Adoptiveltern einen wesentlichen Unterschied aus, ob sie ein Kind im schulpflichtigen Alter oder ein Kleinkind aufnehmen. Untersuchungen zeigen, dass Integrationsschwierigkeiten eher zu erwarten sind, je älter und damit je geprägter ein Kind von seiner bisherigen Lebensgeschichte ist. Darauf müssen sich die künftigen Adoptiveltern vorbereiten, damit sie dem Kind helfen können, sich in seiner neuen Umgebung einzuleben und nötigenfalls rasch eine neue Sprache zu erlernen. Wichtig ist auch, dass sie genügend Zeit dem Kind widmen können, um Schwierigkeiten zu überwinden.

113.34

Körperlich oder geistig behindertes Kind

Gerade ein behindertes familienloses Kind hat es besonders nötig, eine Familie zu finden, die sich liebevoll um es kümmert. Indessen ist nicht weiter zu begründen, dass die Aufnahme eines behinderten Kindes grosse Anforderungen an die.Pflegeeltern stellt. Je nach Behinderung geht ihre Betreuungsaufgabe weit über das hinaus, was bei einem gesunden Kind nötig ist. Zum Teil ist auch damit zu rechnen, dass das erwachsene Kind nicht selbständig leben kann. Die Tragfähigkeit der künftigen Adoptiveltern und ihre Motivation sind deshalb eingehend abzuklären. Für ein behindertes Kind ist es besonders ungünstig, wenn es umplaziert werden muss, weil sich die Pflegeeltern überfordert fühlen.

Tragisch ist die Lage für ein ausländisches Kind, wenn die Pflegeeltern ihre Adoptionsabsicht aufgeben und keine Ersatzeltern für das Kind gefunden werden können, so dass es in einem Heim aufwachsen muss, wo es rechtlich und sozial isoliert ist.

Von der Praxis zu beachten ist aber, dass der Begriff der Behinderung relativ ist und Behinderungen unterschiedlichster Intensität erfasst. Zudem kann der Gesundheitszustand eines Kindes aus der Dritten Welt aus Distanz zum Teil nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Gewisse Behinderungen sind auf Unterernährung und falsche Betreuung zurückzuführen und können nach Ergreifen geeigneter Massnahmen in der Schweiz wieder verschwinden.

113.35

Gleichzeitige Aufnahme mehrerer Kinder

Kinder mit engen Beziehungen, insbesondere Geschwister, sind nach Möglichkeit in der gleichen Adoptivfamilie zu plazieren. Werden aber mehrere Kinder gleichzeitig aufgenommen, können die Pflegeeltern dem einzelnen Kind notwendigerweise weniger Zeit widmen. Bei Anfangsschwierigkeiten kann es somit auch rascher zu einer Überforderung der Pflegeeltern kommen. Auch hier ist deshalb ihre Eignung gründlich zu prüfen.

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

114 114.1

Aufnahme ausländischer Kinder zur Adoption (Art. 6) Leitlinie

Die Generalversammlung der Vereinigten Nationen hat am 3. Dezember 1986 eine Erklärung zur Adoption und Pflegekindschaft angenommen (Déclaration 41/85 sur les principes sociaux et juridiques applicables à la protection et au bien-être des enfants, envisagés surtout sous l'angle des pratiques en matière d'adoption et de placement familial sur les plans national et international).

Darin wird festgehalten, dass eine Adoption über die Landesgrenzen hinweg nur dann ein geeignetes Mittel der Kinderfürsorge ist, wenn das Kind weder bei seiner angestammten Familie noch in einer Adoptiv- oder Pflegefamilie seines Herkunftslandes aufwachsen kann. Nach Auffassung des Bundesrates muss diese Leitlinie auch für die internationale Adoptionspraxis unseres Landes gelten. Indessen können die Pflegekinderaufsichtsbehörden nicht im Einzelfall von den Pflegeeltern den Nachweis verlangen, dass für ein ausländisches Kind, das bisher im Ausland gelebt hat und zur Adoption in der Schweiz aufgenommen werden soll, tatsächlich keine Pflege- oder Adoptivfamilie in seinem Herkunftsland gefunden werden kann. Vielmehr obliegt es grundsätzlich den Behörden des Herkunftslandes, welche die Zustimmung zur Ausreise erteilen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Bst. d), diese Frage zu beurteilen. Deshalb verzichtet der Bundesrat darauf, diese Leitlinie in der Verordnung selber zu erwähnen. Eltern, die mit einer vorläufigen Bewilligung (vgl. die Art. Sa und 8b) im Ausland ein Kind suchen, sind aber auf diese anerkannte Leitlinie hinzuweisen.

114.2

Erwartungen an die Adoptiveltern

Einem Kind mit einer anderen Hautfarbe kann man es in der Regel ansehen, dass es ein Adoptivkind ist. Artikel 6 Absatz l hält deshalb fest, dass künftige Adoptiveltern, die aus dem Ausland, das heisst insbesondere aus der Dritten Welt ein Kind aufnehmen, bereit sein müssen, dieses auch in seiner äusserlichen Eigenart voll anzunehmen. Zudem müssen sie dem Kind ein Selbstbewusstsein im Sinne eines gewissen Gefühls des Stolzes auf seine Herkunft vermitteln können. Das setzt voraus, dass die Adoptiveltern das Herkunftsland ihres Kindes beispielsweise durch Lektüre oder Reisen kennen lernen und sich mit den dortigen gesellschaftlichen, politischen wie auch religiösen Verhältnissen etwas vertraut machen wollen, damit sie dem Kind seine angestammte Heimat näherbringen und seine entsprechenden Fragen mit Respekt und ohne Überschätzung der schweizerischen Verhältnisse beantworten können.

114.3

Urkunden für das Kind

Artikel 6 Absatz 2 präzisiert, welche Papiere bzw. Berichte der Pflegekinderaufsichtsbehörde vorgelegt werden müssen, wenn ein Kind zur Adoption aus dem

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Ausland in die Schweiz geholt wird. Wird das Kind durch ein Adoptionsbüro vermittelt, so ist dieses für die Beschaffung der nötigen Urkunden zuhanden der Pflegeeltern zuständig (Art. 9 Abs. 3 der Verordnung über die Adoptionsvermittlung; AS 1989 51).

Verlangt werden: 114.31

Ärztlicher Bericht über die Gesundheit des Kindes

Soweit dies möglich ist, sollten die künftigen Adoptiveltern über den Gesundheitszustand des Kindes, das sie aufzunehmen gedenken, Bescheid wissen, damit sie ungefähr abschätzen können, was auf sie zukommt. Der ärztliche Bericht ist auch die Grundlage für die zuständige Behörde, um einigermassen zu beurteilen, welchen Anforderungen die Pflegeeltern zu genügen haben (vgl.

Art. 5 Abs. 3 Bst. d). Er kann überdies für die spätere medizinische Versorgung des Kindes wichtige Informationen enthalten. Dass die Diagnosemöglichkeiten in manchen Ländern nicht mit denen in der Schweiz verglichen werden können, ist hinzunehmen.

114.32

Bericht über die bisherige Lebensgeschichte des Kindes

Befindet sich ein Kind in der Schweiz, so ist es meist ausgeschlossen, noch Angaben über seine frühere Lebensgeschichte aus seinem Herkunftsland zu erhalten. Wichtig ist deshalb, dass Informationen vor der Aufnahme in der Schweiz zusammengetragen werden. Der Bericht über die Lebensgeschichte des Kindes soll insbesondere den Adoptiveltern ermöglichen, seine allfälligen späteren Fragen nach Herkunft und angestammter Familie zu beantworten. Zusammengetragen werden kann aber nur, was bekannt ist. Deshalb kann bei Findelkindern der Bericht über die Lebensgeschichte erst vom Moment an beginnen, da es aufgefunden und von Dritten in Pflege genommen wurde. Besondere Nachforschungen darüber, wer die leiblichen Eltern sind, können und dürfen hier nicht verlangt werden. Die Pflegekinderaufsichtsbehörde darf aber erwarten, dass die das Kind betreffenden bekannten und wichtigen Fakten mit Sorgfalt in einem Bericht festgehalten werden.

114.33

Zustimmung der Eltern des Kindes zur Adoption oder Erklärung einer Behörde des Herkunftslandes, weshalb diese Zustimmung nicht beigebracht werden kann

Die hier verlangten Angaben schaffen im Hinblick auf die Artikel 265aff. ZGB die nötige Grundlage, damit beurteilt werden kann, ob ein Kind in der Schweiz legal adoptierbar ist.

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114.34

Unbedenklichkeitserklärung der zuständigen Behörde des Herkunftslandes

Nach altem Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c mussten die Gesuchsteller eine Erklärung des nach dem Heimatrecht des Kindes zuständigen gesetzlichen Vertreters des Kindes über den Zweck der Unterbringung und seine Zustimmung dazu vorlegen. Indessen hat ein Kind, das zur Adoption vermittelt wird, häufig keinen eigentlichen gesetzlichen Vertreter oder dieser ist nicht auffindbar. Zudem ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oft obsolet, wenn das Kind nach dem Recht seines Heimatstaates bereits adoptiert worden ist. Neu soll deshalb eine staatliche Stelle prüfen, dass die Rechtsvorschriften des Herkunftslandes des Kindes eingehalten sind und das Kind legal ausreisen darf. Damit erübrigen sich besondere Nachforschungen nach einem gesetzlichen Vertreter.

Zudem richtet das Einbeziehen einer staatlichen Stelle eine erwünschte Barriere gegen das Beschaffen von Kindern auf unlautere Art auf.

Die Unbedenklichkeitserklärung kann insbesondere darin bestehen, dass den schweizerischen Pflegeeltern die Vormundschaft über das Kind anvertraut wird (z.B. Indien), dass es von den schweizerischen Pflegeeltern im Herkunftsland adoptiert wird (verschiedene südamerikanische Staaten), dass es durch eine hiezu befugte Amtsstelle-vermittelt wird oder schliesslich, dass eine zuständige Behörde bescheinigt, dass der Übergabe des Kindes an die Pflegeeltern in der Schweiz nach dem Recht des Herkunftslandes nichts entgegensteht. Diese Wirkung kann einer ausländischen Vormundschaft oder Adoption auch beigelegt werden, wenn sie in der Schweiz als solche nicht anerkannt wird.

Aus dieser Erklärung der nach dem Recht des Herkunftslandes zuständigen Behörde können gleichzeitig die Zustimmung der Eltern oder die Gründe, warum diese Zustimmung nicht beigebracht werden kann (vgl. Bst. c), hervorgehen.

Ob diese Urkunde im konkreten Einzelfall von einer zuständigen Behörde erstellt worden ist, hat die Pflegekinderaufsichtsbehörde - nötigenfalls mit Hilfe von Bundesstellen - abzuklären.

Denkbar ist, dass die Gesuchsteller trotz entsprechender Bemühungen die erforderliche Erklärung einer Amtsstelle aus einem namentlich durch Kriegsgeschehen völlig desorganisierten Heimatstaat des Kindes nicht beibringen können.

Solchen und ähnlichen Notstandssituationen hat die Pfiegekinderaufsichtsbehörde Rechnung zu tragen, ohne dass dies ausdrücklich in der Verordnung festgehalten sein muss.

114.4

Übersetzung fremdsprachiger Urkunden

Die für das Kind nötigen Urkunden müssen grundsätzlich in einer schweizerischen Amtssprache vorgelegt werden, damit sie von der Pflegekinderaufsichtsbehörde bei einigem Bemühen auch verstanden werden können. Sind sie in einer anderen Sprache geschrieben, hängt es von den Sprachkenntnissen der Be10

Pflegekinderwesen und Adöptionsvermittlung

hördemitglieder ab, ob die Gesuchsteller auch eine Übersetzung beibringen müssen (Art. 6 Abs. 3). Namentlich bei Urkunden in englischer Sprache dürfte eine Übersetzung oft entbehrlich sein. Gleichgültig ist, ob die Übersetzung im Heimatstaat des Kindes oder erst in der Schweiz erstellt wird. Hat die Pflegekinderaufsichtsbehörde berechtigte Zweifel, ob eine korrekte Übersetzung vorgelegt wird, kann sie auf Kosten der Pflegeeltern (vgl. Art. 25 Abs. 2) von sich aus die Übersetzung der Papiere veranlassen oder die Beglaubigung der Übersetzung verlangen.

114.5

Unterhaltsverpflichtung der Pflegeeltern

Artikel 6 Absatz 4 stimmt inhaltlich praktisch mit dem alten Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung überein. Präzisiert wird im neuen Text, dass die Verpflichtung, welche die Pflegeeltern übernehmen, dem Umfang nach der elterlichen Unterhaltspflicht gemäss den Artikeln 276 ff. ZGB entspricht. Wichtig ist, dass die Pflegekinderaufsichtsbehörde die Pflegeeltern über die Tragweite der Erklärung, die sie unterzeichnen müssen, genau aufklärt, damit sie nicht wegen Willensmängeln (Art. 23 ff. des Obligationenrechts; SR 220) angefochten werden kann.

Die Pflegeeltern haben wie Eltern für den Unterhalt des von ihnen aus dem Ausland in die Schweiz geholten Kindes zu sorgen, unter Einschluss einer über das Mündigkeitsalter hinaus dauernden Ausbildung (ygl. Art. 277 Abs. 2 ZGB). Die Verpflichtung bleibt bestehen, auch wenn das Kind umplaziert werden muss.

Eltern dagegen, die ein ausländisches Kind, das bereits in der Schweiz lebt, aufnehmen, können nicht zur Abgabe der Garantieerklärung im Sinne von Artikel 6 Absatz 4 verpflichtet werden.

Die Verpflichtung der für die Einreise des Kindes in die Schweiz verantwortlichen Pflegeeltern erlischt erst, wenn es adoptiert wird oder in Ausnahmefällen in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist. Im letzteren Fall umfasst die Unterhaltspflicht der Pflegeeltern in der Schweiz auch die Rückreisekosten. Findet man für das Kind ein anderes Elternpaar, das es zum Zwecke späterer Adoption aufnimmt, so ruht die Unterhaltsverpflichtung, solange die künftigen Adoptiveltern für das Kind sorgen und es noch nicht adoptiert ist (vgl. Art. 294 Abs. 2 ZGB).

Die Schuldübernahmeerklärung wird gleichzeitig gegenüber dem Kind und dem Gemeinwesen, das allenfalls an Stelle der Pflegeeltern für den Unterhalt des Kindes aufkommen müsste, abgegeben. Die Pflegekinderaufsichtsbehörde hat darüber zu wachen, dass die Erklärung entsprechend formuliert wird. Nimmt ein Ehepaar ein ausländisches Kind auf, so ist die Schuldübernahmeerklärung die Grundlage, um den nicht obhutsberechtigten Elternteil bei einer allfälligen Scheidung vor einer Adoption weiterhin zu Zahlungen anzuhalten. Die Schuldübernahmeerklärung gegenüber dem Gemeinwesen verfolgt das gleiche Ziel wie die in Artikel 289 Absatz 2 ZGB vorgesehene Surrogation. Das Gemeinwesen 11

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

kann nur im Umfang der elterlichen Unterhaltspflicht auf die Pflegeeltern zurückgreifen.

115

Aufnahme ausländischer Kinder aus anderen Gründen (Art. 6a)

Die Aufnahme von ausländischen Kindern, die bisher im Ausland gelebt haben, zu einem anderen Zwecke als der Adoption ist praktisch gleich geregelt wie im früheren Recht (alter Art. 6 Abs. 2 Bst. b-d). Neu sind lediglich gewisse Präzisierungen bezüglich der Schuldübernahmeerklärung der Pflegeeltern (vgl.

Ziff. 114.5) angebracht worden. Zudem kann die Pflegekinderaufsichtsbehörde eine Übersetzung verlangen, wenn die Erklärung des gesetzlichen Vertreters (Art. 6a Abs. 2) nicht in einer schweizerischen Amtssprache verfasst ist (vgl.

Ziff. 114.4).

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Erleichterte Aufnahme ausländischer Kinder (Art. 60)

Die besonderen Voraussetzungen von Artikel 6 oder 6a müssen nicht erfüllt sein, wenn ein ausländisches Kind zwar bisher im Ausland gelebt hat, seine Eltern aber eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen (Art. 6b Bst. a, vgl. alter Art. 6 Abs. 1). Das gleiche gilt, wenn die Plazierung des Kindes aus dem Ausland in die Schweiz durch eine Bundesbehörde vermittelt wird (beispielsweise Aufnahme von elternlosen Flüchtlingskindern) (Art. 6b Bst. b, vgl. alter Art. 6 Abs. 1).

12

Bewilligungsverfahren

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Vorbemerkung

Jede sorgfältige Vorbereitung einer Adoption braucht Zeit. Geht es indessen um die Aufnahme eines bestimmten Kindes, ist von der Pflegekinderaufsichtsbehörde speziell darauf zu achten, dass nicht unnötig Zeit verstreicht. Je früher ein Kind von den künftigen Adoptiveltern aufgenommen werden kann, desto besser ist es.

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Übersicht

Ziel der Revision des BewilligungsVerfahrens ist es, besser den Bedürfnissen der Praxis Rechnung zu tragen. Neu werden deshalb im Hinblick auf die Adoption ausländischer Kinder das Institut der vorläufigen Bewilligung (Art. 80) vorgesehen und das Verfahren der Pflegekinderaufsichtsbehörde und der Fremdenpolizei voneinander getrennt (Art. 86; vgl. alter Art. 6 Abs. 3). Im übrigen wird bei 12

Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Adoptionsplaziemngen zwingend der Beizug von Sachverständigen in Sozialarbeit vorgeschrieben (Art. 7 Abs. 2).

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Untersuchung (Art. 7 Abs. 2)

Wie schon früher erwähnt, ist die Auswahl der Pfiegeeltern für das Gelingen einer Adoption von schicksalhafter Bedeutung. In Artikel 7 Absatz 2 wird deshalb neu für die ganze Schweiz vorgeschrieben, dass bei Adoptionsplazierungen der Pflegeplatz durch einen Sachverständigen in Sozialarbeit abgeklärt werden muss, gleichgültig ob es sich um ein schweizerisches oder ausländisches Kind handelt. Das ist umso wichtiger, als zum Teil noch kommunale Behörden ohne grosse Erfahrung im Adoptionswesen für die Pflegekinderbewilligung zuständig sind.

Hat eine Adoptionsvermittlungsstelle bereits eine «enquête sociale» durchgeführt, kann sich die Pflegekinderaufsichtsbehörde darauf stützen und nötigenfalls die Stelle um ergänzende Abklärungen bitten. In den übrigen Fällen kann die Pflegekinderaufsichtsbehörde, die keine eigene Fachperson zur Verfügung hat, die nötigen Abklärungen insbesondere auch einer geeigneten Adoptionsvermittlungsstelle übertragen. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich um eine Stelle mit Erfahrung in der Durchführung solcher Abklärungen handelt. Zwar können diese Stellen mangels gesetzlicher Grundlage nicht verpflichtet werden, solche Aufträge zu übernehmen. Dennoch dürfte der freiwillige Beizug oft nützlich sein.

Von Bundesrechts wegen steht nichts entgegen, dass den Gesuchstellern die durch den Beizug Sachverständiger entstehenden Kosten auferlegt werden (vgl.

Art. 25 Abs. 2).

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Bewilligung (Art. 8 Abs. 3 und 4)

Artikel 8 Absatz 3 übernimmt den früheren Artikel 5 Absatz 2. Die Pflicht, das Kind gegen die Folgen von Krankheit, Unfall und, Haftpflicht angemessen zu versichern, ist eine gesetzliche Auflage der Bewilligung. Ob der gesetzliche Vertreter oder allenfalls die Pflegeeltern das Kind versichern müssen, ist im Einzelfall zu prüfen.

Artikel 8 Absatz 4 ist neu. Mit der Revision soll das Verfahren der Pflegekinderaufsichtsbehörde und der Fremdenpolizei bei Aufnahme von Kindern aus dem Ausland entflochten werden (vgl. alter Art. 6 Abs. 3 und hinten, Ziff. 126). Die Pflegekinderaufsichtsbehörde soll ihre Bewilligung zuerst erteilen. Ihre Gültigkeit steht aber unter der Bedingung, dass die Fremdenpolizei das Visum ausstellt oder eine Aufenthaltsbewilligung zusichert. In der von der Pflegekinderaufsichtsbehörde ausgestellten Bewilligung ist darauf hinzuweisen.

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Vorläufige Bewilligung zur Aufnahme eines ausländischen Kindes (Art. 8 a)

Nach Artikel 8 der früheren Verordnung mussten die Pflegeeltern die Bewilligung vor Aufnahme des Kindes einholen und es wurde ihnen die Bewilligung nur für ein bestimmtes Kind erteilt. Das setzte voraus, dass das Kind geboren und seine Identität bekannt war. Eine Bewilligung, welche den Pflegeeltern generell die Aufnahme eines Kindes oder eines Kindes mit fingierten Personalien erlaubte, war daher nach dem Wortlaut der früheren Verordnung nicht zulässig.

Indessen musste die Revision der Entwicklung der Praxis bei der DrittweltAdoption Rechnung tragen. Sie ist durch zwei Merkmale geprägt: Die Adoptionswilligen suchen zum grossen Teil ohne Hilfe eines anerkannten Vermittlers direkt im Ausland ein Kind. Zum anderen: Immer mehr Herkunftsländer von Kindern verlangen, dass die ausländischen Pflegeeltern sich darüber ausweisen, dass sie auf Grund ihres Wohnsitzrechtes ein Kind aufnehmen dürfen. Mit der Revision kann darum Pflegeeltern eine sogenannt vorläufige Bewilligung erteilt werden (Art. 8a Abs. 1). Haben die Pflegeeltern eine vorläufige Bewilligung, und liegen auch die nötigen fremdenpolizeilichen Papiere vor (Art. Sa Abs. 4 und 80), so kann das Kind in die Schweiz einreisen. Die Pflegeeltern sind dann verpflichtet, die Einreise des Kindes unverzüglich der Pflegekinderaufsichtsbehörde mitzuteilen (Art. 8b Abs. 4), worauf diese über die endgültige Bewilligung entscheidet (Art. Sa Abs. 5).

Selbstverständlich steht es Gesuchstellern, die ein bestimmtes Kind in die Schweiz holen wollen, nach wie vor frei, direkt eine endgültige Bewilligung gemäss Artikel 8 zu verlangen.

Damit Gesuchstellern eine vorläufige Bewilligung erteilt werden kann, müssen sie die Voraussetzungen von Artikel 5 sowie Artikel 6 Absätze l und 4 erfüllen.

Das Adoptionsvorhaben muss zudem insofern konkrete Gestalt angenommen haben, als die Gesuchsteller in ihrem Gesuch das Land, aus dem das Kind kommen soll, und die Kontaktpersonen, mit deren Hilfe sie das Kind suchen wollen, angeben müssen (Art. 8 a Abs. 2). Das können beispielsweise eine Adoptionsvermittlungsstelle in der Schweiz oder im Herkunftsland des Kindes, ein bestimmtes Waisenhaus oder Bekannte im Ausland sein.

Haben die Gesuchsteller bestimmte feste Vorstellungen über das Kind, so müssen sie auch diese in ihrem Gesuch festhalten. Die Pflegekinderaufsichtsbehörde hat im
Rahmen ihrer Abklärungen des Pflegeplatzes solchen Vorstellungen wie auch Artikel 5 Absatz 3 Rechnung zu tragen und zu prüfen, ob sie die künftigen Pflegeeltern für genügend tragfähig erachtet, um ein Kind gleichgültig welchen Alters oder welchen Gesundheitszustandes aufzunehmen. Wenn nicht, können entsprechende Auflagen und Bedingungen mit der vorläufigen Bewilligung verbunden werden (Art. Sa Abs. 3). Diese müssen aber so formuliert sein, dass die Fremdenpolizei oder die schweizerische Vertretung im Herkunftsland des Kindes ihre Einhaltung kontrollieren kann (vgl. Art. 8b Abs. 3).

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Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

Im übrigen ist es wichtig, dass die vorläufige Bewilligung befristet werden kann.

Zwischen der Abklärung des Pflegeplatzes und der Aufnahme des Kindes sollte kein zu grosser Zeitraum liegen.

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Fremdenpolizei (Art. 86)

Die Pflegekinderverordnung von 1977 verquickte unter dem Einfluss der fremdenpolizeilichen Praxis vor 1977 das Verfahren der Erteilung der Pflegekinderbewilligung und das der fremdenpolizeilichen Bewilligung (alter Art. 6 Abs. 3).

Inzwischen hat sich das Bundesamt für Ausländerfragen jeglicher Beurteilung der Kindesinteressen enthalten. Die Revision hat dieser Veränderung der Praxis Rechnung getragen und das Verfahren der Pflegekinderbewilligung gegen das fremdenpolizeiliche Verfahren abgegrenzt. Die Pflegekinderaufsichtsbehörde befindet allein und abschliessend über die Erteilung der endgültigen oder vorläufigen Pflegekinderbewilligung auch für ein ausländisches Kind, das bisher im Ausland gelebt hat. Verweigert sie die Bewilligung, besteht kein Anlass, die Akten der Fremdenpolizei zu übermitteln. Erteilt sie dagegen die Bewilligung oder die vorläufige Bewilligung, so überweist sie das Geschäft von Amts wegen der Fremdenpolizei. Diese entscheidet dann über die Erteilung eines Visums oder der Zusicherung einer Aufenthaltsbewilligung und hat die Pflegekinderaufsichtsbehörde über ihren Entscheid zu orientieren.

Die Pflegekinderbewilligung wird erst mit der Erteilung der entsprechenden fremdenpolizeilichen Bewilligung wirksam, ist also durch diese suspensiv bedingt (Art. 8 Abs. 4 und 8a Abs. 4). Die Gesuchsteller sind von der Pflegekinderaufsichtsbehörde ausdrücklich darauf hinzuweisen.

Liegt erst eine vorläufige Bewilligung vor, muss vor der Einreise des Kindes sichergestellt sein, dass die Urkunden nach Artikel 6 Absatz 2 vorhanden sind, dass allfällige Auflagen und Bedingungen, die in der Pflegekinderbewilligung enthalten sind, erfüllt sind und dass die Pflegeeltern der Aufnahme des betreffenden Kindes schriftlich zustimmen. Deshalb wird die Fremdenpolizei oder mit ihrem Einverständnis - die Schweizerische Vertretung im Herkunftsland des Kindes verpflichtet, vor der Ausstellung des Visums bzw. vor der Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung die entsprechende Kontrolle vorzunehmen. Dazu gehört auch die Prüfung der Zuständigkeit der Behörde, die die Ausreise des Kindes zum Zwecke der Adoption bewilligt hat. Dieses Verfahren ist vom Bundesamt für Ausländerfragen bereits mit Erfolg erprobt worden. Empfehlenswert ist es im übrigen, bei der Aushändigung der fremdenpolizeilichen Papiere die Pflegeeltern
ausdrücklich auf ihre Verpflichtung aufmerksam zu machen, die Einreise des Kindes unverzüglich der Pflegekinderaufsichtsbehörde anzuzeigen (Art. 8 è Abs. 4), worauf diese von Amtes wegen und ohne neuen Antrag der Pflegeeltern über die endgültige Bewilligung entscheidet (Art. 8a Abs. 5).

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Ist dies ohne wesentliche Verzögerung möglich, so kann die Fremdenpolizei die Kontrolle, dass die nötigen Urkunden vorhanden sind, auch durch die Pflegekinderaufsichtsbehörde vornehmen lassen, und erst im Einverständnis mit dieser Behörde die fremdenpolizeilichen Papiere aushändigen.

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Aufsicht (Art. 10 Abs. 4)

Bei einem Kind aus dem Ausland, das zum Zwecke späterer Adoption plaziert wird, ist wichtig, dass es in der Schweiz einen gesetzlichen Vertreter hat, der seine Interessen umfassend auch gegenüber den Pflegeeltern wahrt, nötigenfalls das Kind umplaziert und nach Ablauf des zweijährigen Pflegeverhältnisses darauf hinwirkt, dass die Adoption durchgeführt wird. Der neue Artikel 10 Absatz 4 sieht deshalb vor, dass die Pflegekinderaufsichtsbehörde darüber zu wachen hat, dass die gesetzliche Vertretung des Kindes ordnungsgemäss geregelt ist. Wie vorzugehen ist, kann nur im Einzelfall nach den Grundsätzen des internationalen Minderjährigenschutzrechts bestimmt werden (Art. 85 des Bundesgesetzes vom 18. Dez. 1987 über das Internationale Privatrecht; AS 1988 1776; SR 291). In der Regel dürfte die Errichtung einer Vormundschaft anzustreben sein.

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Aktenführung (Art. 21 Abs. 2)

Der neue Artikel 21 Absatz 2 präzisiert, dass Absatz l nicht abschliessend ist.

Vielmehr kann das kantonale Recht die Erhebung weiterer Daten vorsehen, so beispielsweise bei Tagespflegeplätzen.

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Gebühren (Art. 25 Abs. 2)

Es obliegt dem kantonalen Recht, eine Kompetenz zur Erhebung von Gebühren zu schaffen. Wie schon unter dem früheren Recht sind aber die Verrichtungen der Pflegekinderaufsichtsbehörde im Rahmen der Aufsicht über Familien- und Tagespflegeverhältnisse von Bundesrechts wegen grundsätzlich gebührenfrei (Art. 25 Abs. 1).

Der neue Absatz 2 stellt klar, dass Auslagen, die der Behörde zusätzlich anfallen, den Gesuchstellern nach kantonalem Recht immer belastet werden dürfen.

Unter Auslagen sind insbesondere Kosten für Sachverständige (vgl. Art. 7 Abs. 2) oder für Übersetzungen (vgl. Art. 6 Abs. 3 und da Abs. 2), Reisekosten sowie Porto, Telefon-, Telegramm- und Telexkosten im Auslandsverkehr zu verstehen.

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Pflegekinderwesen und Adopüonsvermittlung

12.10

Sanktionen (Art. 26 Abs. 1)

Der Bussenrahmen bei Widerhandlungen gegen die Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern ist von maximal 200 auf maximal 1000 Franken erhöht worden, da eine Busse von bis zu 200 Franken in der heutigen Zeit generalpräventiv keine Wirkung entfaltet. Die Höhe einer Busse ist entsprechend der Schwere der Verletzung der Vorschriften zum Schutze der Pflegekinder festzulegen.

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Verordnung über die Adoptionsvermittlung Zwischenstaatliche Vermittlung (Art. 6)

Der neue Artikel 6, der die Voraussetzungen der Bewilligung für die zwischenstaatliche Vermittlung regelt, enthält vier Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht: - Statt von einer Sonderbewilligung zu sprechen, wird präzisiert, dass es sich bei der Bewilligung für die zwischenstaatliche Vermittlung um eine Zusatzbewilligung zur ordentlichen Bewilligung gemäss Artikel 4 und 5 handelt.

- Bisher berechtigte die Sonderbewilligung zur Vermittlung aus dem Ausland in die Schweiz und aus der Schweiz ins Ausland (alter Art. 6 Abs. 2). Fortan betrifft die Bewilligung dagegen nur die Vermittlung aus dem Ausland in die Schweiz. Für die heute singuläre Vermittlung aus der Schweiz ins Ausland hat der Vermittler dagegen in jedem Einzelfall die Bewilligung der Aufsichtsbehörde einzuholen (Art. 6 Abs. 4).

- Als zusätzliches Erfordernis für die Sonderbewilligung wurde bisher vom Vermittler nur der Nachweis verlangt, «dass er die erforderlichen Kenntnisse des internationalen Rechts und ausländischer sozialer Verhältnisse besitzt oder dass ihm Sachverständige mit diesen Kenntnissen zur Verfügung stehen» (alter Art. 6 Abs. 3). Das ist ungenügend. Vielmehr muss der Vermittler die konkreten rechtlichen, kulturellen und sozialen Verhältnisse der Länder, aus welchen er Kinder vermittelt, kennen und imstande sein, die Pflegeeltern bis zur Adoption fachkundig zu beraten (Art. 6 Abs. 2 Bst. b und c).

- Die Zusatzbewilligung wird nur für Länder erteilt, für die der Vermittler die Voraussetzungen erfüllt (Art. 6 Abs. 3). Das entspricht der Praxis, wie sie schon unter bisherigem Recht von verschiedenen Kantonen geübt worden ist.

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Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung

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Bewilligungen (Art. 7 Abs. 2)

Der neue Artikel 7 Absatz 2 präzisiert, dass die Bewilligungen mit Auflagen und Bedingungen verbunden werden können. Denkbar ist beispielsweise die Auflage, dass der Vermittler nur für Personen tätig wird, die durch die Pflegekinderaufsichtsbehörde vorabgeklärt worden sind.

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Voraussetzungen der Vermittlung und der Unterbringung (Art. 9)

Das bisherige Recht verlangte als Voraussetzung der Unterbringung des Kindes eine eingehende und im einzelnen spezifizierte Untersuchung der Verhältnisse bei den Pflegeeltern und beim Kind durch den Vermittler. Überdies musste seit 1978 - die Pflegekinderbewilligung vorliegen (alter Art. 9 Abs. 1). Dabei blieb das Verhältnis der Untersuchung durch den Vermittler und der Untersuchung für die Pflegekinderbewilligung unklar.

Neu sind entsprechend den heutigen praktischen Bedürfnissen in der Adoptionsvermittlung zwei Vorgehensweisen möglich: - Der Adoptionsvermittler führt unter Berücksichtigung der revidierten Artikel 5 f. der Pflegekinderverordnung eine eigene eigentliche «enquête sociale» durch, auf die sich auch die Pflegekinderaufsichtsbehörde bei der Erteilung der Pflegekinderbewilligung stützen kann (Art. 7 Abs. 2 PAVO).

- Der Vermittler ist insbesondere im Hinblick auf seine Ausbildung nicht verantwortlich für eine eigene umfassende «enquête sociale». Vielmehr wird diese von der Pflegekinderaufsichtsbehörde veranlasst.

Ob der Vermittler eigene Abklärungen des Pflegeplatzes im umfassenden Sinn durchführen kann, ist im Rahmen des Verfahrens für die Erteilung der Vermittlungsbewilligung zu prüfen.

Gemäss Artikel 9 Absatz l darf der Vermittler den Kontakt zu einem Kind erst herstellen, wenn er sich überzeugt hat, dass die Pflegeeltern die Voraussetzungen für die Aufnahme des gewünschten Kindes erfüllen. Dass dies zutrifft, kann entweder durch eigene Abklärungen festgestellt werden oder aus einer vorläufigen Bewilligung gemäss Artikel 8 a der Pflegekinderverordnung hervorgehen.

Auf jeden Fall darf das Kind erst bei den Pflegeeltern untergebracht werden, wenn eine vorläufige oder endgültige Bewilligung der Pflegekinderaufsichtsbehörde vorliegt (Art. 9 Abs. 2).

Bei der Vermittlung von Kindern aus dem Ausland muss der Vermittler die Gesetzgebung des Herkunftslandes des Kindes einhalten und dafür sorgen, dass die nach der Pflegekinderverordnung (Art. 6 Abs. 2 und 3 PAVO) nötigen Untersuchungen durchgeführt sowie die erforderlichen Unterlagen beschafft und nötigenfalls übersetzt werden (Art. 9 Abs. 3).

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Pflegekinderwesen .und Adoptionsvermittlung

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Aufklärung und Beratung (Art. 11)

Artikel 11 Absatz l ist dem neuen Artikel 9 der Adoptionsvermittlungsverordnung angepasst worden.

Absatz 2 verpflichtet den Vermittler, die Pflegeeltern über allfällige Schwierigkeiten, die mit der beabsichtigten Adoption verbunden sein können, aufzuklären. Ist das Kind einmal untergebracht, hat der Vermittler die Pflegeeltern auf ihren Wunsch zu beraten.

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Auskunfts- und Editionspflicht (Art. 15 Abs. 3)

Im Hinblick auf verstärkte Bestrebungen zum Datenschutz schränkt der neue Artikel 15 Absatz 3 die Auskunftspflicht eines Vermittlers gegenüber anderen Vermittlern ein. Auskünfte kann ein anderer Vermittler nur verlangen, wenn er nachweist, dass er für die betreffenden Pflegeeltern oder für das betreffende Kind tätig ist.

21. Dezember 1988

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Stich Der Bundeskanzler: Buser

2891

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an die Aufsichtsbehörden über das Pflegekinderwesen und die Adoptionsvermittlung vom 2l. Dezember 1988

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