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89.011

Botschaft zu einem Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) vom 30. Januar 1989

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände mit dem Antrag auf Zustimmung. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 1972 P 11190 Lebensmittelkontrollen (N 5. 12. 72, Ribi) 1974 M 11716 Lebensrnittel-Importe.

Kontrolle (N 11. 12. 73, Tschumi; S 19. 3. 74) 1979 P 79.353 Tabakwerbung (N 27. 11. 79, Schär) 1979 P 79.475 Waren-Deklaration (N 27. 11. 79, Neukomm) 1980 P 79.406 Veterinärmedizin. Medikamentenhandel (N 25. 9. 80, Dürr) 1981 M 79.406 Veterinärmedizin.

Medikamentenhandel (N 25. 9. 80, Dürr; S 3. 3. 81) 1981 P 80.920 Hormone. Einfuhrverbot (N 19. 6. 81, Christinat) 1982 P 82.322 Hygiene der Tierprodukte. Neues Gesetz (N 17. 12. 82, Tochon) 1987 P 87.426 Nachfleischschau. Aufhebung (N 9. 10. 87, Biel) 1988 P 88.410 Neues Lebensmittelgesetz. Änderung von alten Verordnungen (N 23. 6. 88, Jung) Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. Januar 1989

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Buser

1989-12

36 Bundesblatt. 141. Jahrgang. Bd.I

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Übersicht Das Lebensmittelgesetz von 1905 (LMG; SR 817.OJ führte gesamtschweizerisch die Lebensmittelkontrolle nach einem bundesrechtlich vorgeschriebenen Verfahren ein und löste damals ganz unterschiedliche kantonale Regelungen ab. Auch das Verwaltungsverfahrensrecht in den Kantonen war damals noch weniger einheitlich ausgebildet, was den Schwerpunkt auf den Verfahrensvorschriften erklärt. Seine Konzeption orientiert sich an den Verhältnissen der damaligen Zeit, als Lebensmittel noch weitgehend am gleichen Ort hergestellt, verkauft und gegessen wurden.

Standardisierte Lebensmittel, die bei der Herstellung verpackt und unverändert an die Konsumenten abgegeben werden, waren damals noch unbekannt. Das lebensmittelpolizeiliche und gesundheitliche Hauptproblem bildeten damals minderwertige, verfälschte und zugleich gesundheitsgefährdende Lebensmittel sowie Nachahmungen und Surrogate. Das geltende Gesetz enthält keinerlei materielle Vorschriften über die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln; der gesamte materielle Regelungsbereich wurde an den Bundesrat delegiert. In der Folge ist aufgrund der Notwendigkeit, sich ständig neuen Entwicklungen anzupassen, ein weitgefächertes, unübersichtliches Verordnungsgebilde entstanden.

Den heutigen Anforderungen vermag das geltende Gesetz in verschiedener Hinsicht nicht mehr zu genügen: - die komplexen Verhältnisse und strengere Anforderungen an die gesetzliche Verankerung von Verordnungen bedingen, dass der Gesetzgeber Ziel und Ausmass der Verordnungskompetenz des Bundesrats mit Rahmenbedingungen und Kriterien im Gesetz einschränkt, - die Befugnisse der Bundesbehörden zur Koordination des dezentralen Vollzugs durch die Kantone müssen verstärkt werden; zur Bewältigung von ausserordentlichen Situationen müssen sie nötigenfalls die zu treffenden Massnahmen einheitlich vorschreiben können, - die zweispurige Vollzugsorganisation in den Kantonen muss durch eine klare Kompetenzordnung abgelöst werden, - die zunehmende Einbettung in die internationale Gemeinschaft bedingt ein Gesetz, das auch künftige Entwicklungen aufzufangen vermag.

Im Lebens- und Wirtschaftsbereich, der durch die Lebensmittelgesetzgebung erfasst wird, besteht eine ausgeprägte Polarität zwischen konsumenten-, natur- und umweltschützerisch orientierten Kreisen einerseits sowie Produzenten-
und Handelskreisen anderseits. Dies wirkte sich auch bei der Vorbereitung des Gesetzesentwurfs aus. Die Vorbereitungsarbeiten beanspruchten bis heute rund 15 Jahre. Das Vernehmlassungsverfahren über den Gesetzesentwurf im Jahre 1982 ergab lediglich einen Konsens über die Notwendigkeit einer Totalrevision; im übrigen fand kein Regelungsbereich überwiegende Zustimmung, es gab aber auch wenig einheitlich abgelehnte Vorschläge.

Der vorliegende Gesetzesentwurf wurde durch eine Redaktionskommission unter Leitung eines verwaltungsexternen Experten unter Berücksichtigung der Entwicklungen der vergangenen Jahre und der Erfahrungen der jüngsten Zeit grundlegend

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überprüft. Konzeptionell hält sich das Gesetz an die für Polizeigesetze geltenden Grundsätze, d. h. es greift nur soweit in die Handels- und Gewerbefreiheit der Produzenten und Verkäufer ein, als dies zum Schutz der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung erforderlich ist.

Unter den Neuerungen sind zu erwähnen: - die ausdrückliche Einbeziehung der landwirtschaftlichen Produktion in den Geltungsbereich, - die Aufstellung materieller Grundsätze über die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln, - die Verstärkung der Koordinations- und Leitungsbefugnisse der Bundesbehörden gegenüber den Kantonen, - die klare Zuständigkeitsordnung für den Vollzug in den Kantonen, - die Straffung der Verfahrensvorschriften und die Neufassung der Strafbestimmungen, - die Schaffung der Rechtsgrundlage für die spezifische Kontrolle von Tierarzneimitteln bei der Einfuhr.

Das geltende Verordnungsrecht wird beim Inkrafttreten des Lebensmittelgesetzes nicht rechtswidrig. Es soll indessen mit dem Ziel, die Zahl der Verordnungen zu verringern, neu strukturiert sowie in Form einer systematischeren Gliederung an das neue Gesetz angepasst und soweit notwendig ergänzt werden.

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Botschaft I II

Allgemeiner Teil Der Verfassungsauftrag

Das Lebensmittelgesetz stützt sich auf Artikel 69bis der Bundesverfassung (BV).

Dieser lautet: Artikel 69bls 1

Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen: a. über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln; b. über den Verkehr mit andern Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können.

2 Die Kantone vollziehen diese Bestimmungen.

3 Dagegen liegt die Kontrolle der Einfuhr an der Landesgrenze dem Bunde ob.

Als die Bundesverfassung am l I.Juli 1897 mit dieser Bestimmung ergänzt wurde, waren die Konsumenten von Lebensmitteln noch mehrheitlich Selbstversorger. Die Käufer kannten ihre Produzenten zumeist persönlich. Der Grundsatz von Treu und Glauben beim Einkauf von Nahrungsmitteln musste nicht über einen komplizierten Kontrollapparat sichergestellt werden. Der Konsument vertraute auf sein eigenes Urteil: Aussehen, Farbe, Beschaffenheit, Geruch und Geschmack gaben ihm hinreichend Aufschluss über die Qualität der angebotenen Ware. Demgegenüber werden heute viele Lebensmittel in grosstechnischem Massstab hergestellt und verarbeitet. Wir kaufen Produkte aus der ganzen Welt. Der Weg vom Produzent zum Konsument ist damit für den Konsumenten unkontrollierbar gewordenJ)*).

Trotz dieser veränderten Umwelt bedarf es grundsätzlich keiner neuen Verfassungsbestimmung, um den heutigen Bedürfnissen gerecht zu werden, da das geltende Verfassungsrecht dem Bunde sehr weitgehende Befugnisse auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts überträgt. Das neue Lebensmittelgesetz wird sich deshalb auch in Zukunft auf die gleiche Verfassungsbestimmung abstützen, die schon Grundlage war für das Lebensmittelgesetz von 1905.

Der Bund hat die Befugnis, zum Schutz der Gesundheit sowohl den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln wie auch mit Gebrauchsgegenständen zu regeln und überdies den Täuschungsschutz, das heisst den Schutz von Treu und Glauben im Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln, sicherzustellen.

Mit der Übertragung umfassender Rechtsetzungskompetenzen hat die Bundesverfassung dem Bund auch die Verantwortung übertragen, von seiner Kompetenz soweit Gebrauch zu machen, als es die äusseren Umstände, das heisst der Gesundheits- und Täuschungsschutz der Bevölkerung aufgrund der heutigen komplexen, schwer zu überblickenden Verhältnisse, erfordern. Die Entwicklung im Bereich der Produktion und des Vertriebes von Lebensmitteln und Ge*' Die Anmerkungen befinden sich am Schluss der Botschaft.

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brauchsgegenständen macht es notwendig, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen, welche es ermöglichen, die Konsumenten vor Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände zu schützen und zugleich das Vertrauen der Bevölkerung in Produktion und Vertrieb von Lebensmitteln zu stärken.

Im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts gilt es auch, die Rechtsgrundlagen zu schaffen, mit denen die Schweiz im internationalen Bereich weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben vermag. Durch interne Verwaltungsbestimmungen sollen keine unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen gegenüber der inländischen Produktion bzw. gegenüber dem Import aus dem Ausland entstehen.

Schliesslich muss der Gesetzgeber den neuartigen Gefährdungen aus dem Bereich der Umwelt, aber auch neuen, riskanten technologischen Verfahren der Lebensmittelherstellung und -behandlung Rechnung tragen.

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Ausgangslage

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Das bisherige Gesetz

Das geltende Bundesgesetz vom 8. Dezember 19052) betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen hat seine Wurzeln noch im letzten Jahrhundert. Der Bund erhielt durch die Änderung der Bundesverfassung am 11. Juli 18973) in Artikel 69bis BV die Kompetenz zum Erlass von Bestimmungen über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände. Eineinhalb Jahre später lag die Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 18994) über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vor. In den parlamentarischen Beratungen erfuhr der Entwurf des Bundesrats noch wesentliche Änderungen. Die Beratungen nahmen rund sechs Jahre in Anspruch. Bis zum Inkrafttreten am I.Juli 19095) vergingen weitere 3% Jahre.

Das Gesetz trat damals an die Stelle der unterschiedlichsten kantonalen Vorschriften über die Lebensmittelkontrolle. Es wurde in einer Zeit konzipiert und realisiert, als Lebensmittel noch überwiegend am gleichen Ort hergestellt, verkauft und gegessen wurden. Transporte über grössere Distanzen und Verteilung durch Ladenketten in verschiedenen Landesteilen gab es in der damaligen Zeit noch nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang. Auch waren standardisierte Lebensmittel, die bei der Herstellung verpackt und unverändert an den Konsumenten abgegeben werden, noch weitgehend unbekannt. Das Hauptproblem bildeten damals für die Behörden die Täuschung der Konsumenten durch minderwertige und verfälschte Lebensmittel sowie Nachahmungen wie Kunstmost, Kunsthonig und andere Surrogate. Es fehlten einheitliche Verfahrens Vorschriften in den Kantonen. Überdies existierte das Schweizerische Strafgesetzbuch noch nicht.

Das Gesetz war ein reines Lebensmittelkontrollgesetz und delegierte deshalb die gesamte materielle Regelung des Lebensmittelrechts an den Bundesrat. Aus diesem Grund hat wohl das Gesetz seither nur drei Änderungen erfahren. 19426) wurden die Strafbestimmungen mit jenen des Schweizerischen Strafgesetzbu897

ches koordiniert. 19787' wurde die Rechtsgrundlage für die Deklaration der Zusammensetzung von Lebensmitteln geschaffen und 19858' wurde, als Folge der Verfassungsänderung vorn 10. März 1985 9', die Bestimmung über Bundesbei: träge aufgehoben.

Neben dem Lebensmittelgesetz regeln das Bundesgesetz vom 24. Juni 191010' betreffend das Absinthverbot und das Bundesgesetz vom 7. März 1912") betreffend das Verbot von Kunstwein und Kunstmost weitere lebensmittelrechtliche Bereiche. Während das Bundesgesetz vom 24. Juni 1910 einzig das Absinth verbot nach Artikel 32ter der Bundesverfassung näher regelt, enthält das Bundesgesetz vom 7. März 1912 materielle lebensmittelrechtliche Bestimmungen über Kunstwein und Kunstmost. Es geht bei letzterem sowohl um den Schutz vor Täuschung, als auch um den Schutz der Gesundheit im Zusammenhang mit diesen heute nicht mehr aktuellen Produkten.

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Die Verordnungsvorschriften

Der Bundesrat machte von seiner Verordnungskompetenz ausgiebig Gebrauch.

Er erliess 1909 und 1926 die Vorgänger der heutigen Lebensmittelverordnung12' und 1909 und 1938 die Vorgänger der heutigen Fleischschauverordnung13'.

Ende 1987 existierten im Bereich Lebensmittelpolizei und Gebrauchsgegenstände (SR 817) neben der zentralen Lebensmittelverordnung14', die seit 1936 nicht weniger als 50 mal geändert wurde, und der Eidgenössischen Fleischschauverordnung15' mit 14 Änderungen seit 1957, weitere 20 Verordnungen oder Beschlüsse des Bundesrats. Darauf stützen sich insgesamt 16 Verordnungen des Eidgenössischen Departements des Innern und zehn Verordnungen der Bundesämter für Gesundheitswesen und für Veterinärwesen. Insgesamt bilden diese Verordnungen ein wenig systematisches, unübersichtliches Gebilde von Vorschriften auf verschiedenen Stufen, welches es Kontrollorganen und Normadressaten nicht leicht macht, sich darin zurecht zu finden. Überdies bestehen hunderte von Einzelbewilligungen, welche bestimmte Lebensmittel einzelner Hersteller umschreiben und zulassen.

Aufgrund des neuen Lebensmittelgesetzes wird es nötig sein, diesen Verordnungswildwuchs zu entflechten, die entsprechenden Vorschriften zu überprüfen, zusammenzufassen und abgestuft nach ihrer Bedeutung auf Stufe Bundesrat und Departement systematisch zu ordnen.

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Probleme

Das geltende Lebensmittelgesetz ordnet die kantonale Vollzugsorganisation, das bei der Lebensmittelkontrolle zu beobachtende Verfahren, das Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit Entscheiden der Kontrollorgane und die Strafbestimmungen sowie die Aufgaben der Bundesbehörden, insbesondere die Lebensmittelkontrolle an der Grenze durch die Zollorgane. Wesentlichste Bestimmung ist Artikel 54, der den Bundesrat verpflichtet, «die nötigen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung» zu erlassen.

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Die uneingeschränkte Delegation der materiellen Rechtsetzungsbefugnisse auf Stufe Verordnung vermag den heutigen Anforderungen an die Rechtmässigkeit der Verwaltung nicht mehr zu genügen. Es ist namentlich nötig, wegleitende Grundsätze mit weitreichenden Folgen durch den parlamentarischen Meinungsbildungsprozess abzusichern. Angesichts der heutigen Komplexität der Verhältnisse im Lebensmittelbereich muss der Gesetzgeber die weitgehende Verordnungskompetenz des Bundesrates mit Rahmenbedingungen und Kriterien im Gesetz einschränken, die das Ziel und Ausmass der zu treffenden Regelungen festlegen. Das geltende Lebensmittelgesetz liess es zu, dass in der Lebensmittelverordnung und in der Eidgenössischen Fleischschauverordnung nach völlig unterschiedlichen Konzepten Vorschriften aufgestellt wurden. Die Lebensmittelverordnung umschreibt, wie das Endprodukt beschaffen sein muss, während anderseits die Eidgenössische Fleischschauverordnung darauf abzielt, Gesundheitsgefährdungen und Täuschung durch prophylaktische, die Produktion, den Handel und den Verkauf betreffende Vorschriften abzuwenden.

Das geltende Gesetz bietet auch keine Orientierungshilfe für die Bewältigung von Ausnahmefällen. Beispielsweise gibt es heute bereits Nahrungsmittel, die aus der Umwelt derart mit Rückständen belastet sind (unter anderem gewisse Spezialitäten aus dem Meer), dass sie, nach den üblichen Massstäben beurteilt, in der Schweiz nicht mehr zugelassen werden könnten. Soll der Liebhaber also darauf verzichten müssen, oder besteht die sinnvollere Lösung darin, auf solche selten und üblicherweise in geringen Mengen genossenen Spezialitäten einen weniger strengen Massstab, allenfalls in Verbindung mit einer entsprechenden Deklaration oder Warnaufschrift anzuwenden?

Für die Vorbereitung der Ausführungsbestimmungen und den Vollzug bestanden bis Mitte 1987 zwei Zuständigkeitsbereiche. Das Bundesamt für Veterinärwesen vollzog das Lebensmittelgesetz mit den auf kantonaler Ebene zuständigen Tierärzten bezüglich Fleisch und Fleischwaren nach dem Prinzip «de l'etable à la table». Das Bundesamt für Gesundheitswesen war mit den Kantonschemikern verantwortlich für die Kontrolle aller übrigen Lebensmittel und der Gebrauchsgegenstände. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats hat bereits in ihrem Bericht vorn 13. November 198116)
den Ablauf der Lebensmittelkontrolle am Beispiel der Hormonrückstände im Kalbfleisch untersucht und verlangt, dass eine einzige Instanz nach aussen für die Kontrolle aller verkauften Lebensmittel verantwortlich sein müsse (Gesamtverantwortung für die Verkaufsfront).

Die Dezentralisation des Vollzuges auf die Kantone hat sich bis heute weitgehend bewährt. Die Kantonschemiker haben aufgrund einer freiwilligen, seit Jahrzehnten bestehenden Vereinigung die notwendigen Koordinationsmassnahmen im wesentlichen selbständig getroffen und vereinbart. Allen Anforderungen eines zeitgemässen, schnellen und zielgerichteten Vollzugs vermag diese freiwillige Koordination aber nicht mehr zu genügen. Aus diesem Grunde müssen dem Bund bestimmte Befugnisse zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs, aber auch zur Information der Bevölkerung übertragen werden. Die Hauptverantwortung für den Vollzug im Inland verbleibt aber nach wie vor entsprechend der, Verfassungsgrundlage bei den Kantonen. Die heutige internationale und nationale Verknüpfung von Produktion, Handel und Verteilung der 899

Lebensmittel lässt sich nur durch eine verstärkte Koordination des Vollzugs durch den Bund überwachen. Insbesondere überregional tätige Grossorganisationen im Lebensmittelbereich können nur dann rechtsgleich behandelt werden, wenn sie in allen Kantonen nach gleichen Kriterien kontrolliert und beurteilt werden. Dies gilt in noch stärkerem Masse für die grosse Zahl ausländischer Produkte, die zum Teil weltweit vertrieben werden.

Der Bund muss aber auch in der Lage sein, Krisensituationen wie beispielsweise jene im Zusammenhang mit den Listerienvorkommnissen 1987/88 zu bewältigen. Dafür muss ihm das Gesetz vermehrte Befugnisse und Verantwortung übertragen. Die Bundesbehörden müssen die Vollzugsmassnahmen der Kantone verbindlich koordinieren und Massnahmen zur Sicherung eines einheitlichen Vollzugs vorschreiben können. Nur so kann der Bund der Verunsicherung der Bevölkerung begegnen und rasch eingreifen, um die Verteilung und den Vertrieb von Lebensmitteln zu verhindern, welche die Gesundheit eines grossen Teils der Bevölkerung gefährden.

Über die Information und die öffentliche Warnung der Bevölkerung in Krisensituationen enthält das geltende Gesetz ebenfalls keinerlei Bestimmungen. Diesem Bereich wird aber in der heutigen Zeit ein derart grosses Gewicht beigemessen, dass es unerlässlich ist, hierüber Grundsätze im Gesetz aufzustellen. Den Vollzugsbehörden müssen für die entsprechende Problemsituation klare Handlungsanweisungen gegeben und Kompetenzen eingeräumt werden.

Die Strafbestimmungen schliesslich gestatten es nicht, alle unter den heutigen Zeitumständen wesentlichen Missbräuche angemessen zu erfassen. Namentlich die obere Grenze der Strafrahmen ist derart niedrig, dass die Strafen nicht selten ihren Zweck nicht zu erreichen vermögen.

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Umstrittene Zuständigkeit

Bei der Bewältigung der Hormonaffäre des Jahres 1980 zeigte es sich, dass die doppelspurige Vollzugsorganisation in den Kantonen und die Aufteilung der Zuständigkeit zwischen den Bundesämtern für Gesundheitswesen und für Veterinärwesen ein zielgerichtetes Vorgehen erschwerte. Aufgrund der Forderung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, wonach die Gesamtverantwortung für die Lebensmittelkontrolle im Aussenverhältnis einer einzigen Bundesstelle zu übertragen sei, wurde mit dem Bundesratsbeschluss vom 9. Juni 1987 n ) die Zuständigkeit dieser zwei Bundesbehörden entsprechend geändert.

Heute obliegen dem Bundesamt für Gesundheitswesen die Vorbereitung und der Vollzug der Erlasse über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebraüchsgegenständen, wobei die Gewinnung und Zerlegung von Fleisch sowie die Kontrolle der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen ausgenommen sind. Anderseits ist das Bundesamt für Veterinärwesen für die Vorbereitung und den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung zuständig, soweit diese die Gewinnung (Mast, Schlachtung, Fleischschau) und Zerlegung von Fleisch betrifft sowie für die Kontrolle der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen. Dazu besorgt das Bundesamt für Veterinärwesen die wissenschaftliche Erarbeitung und technische Bereitstellung der Entscheidungs900

grundlagen für Vorschriften über den Verkehr mit Fleisch und Fleischerzeugnissen; auch für jene, die vom Bundesamt für Gesundheitswesen vorbereitet und vollzogen werden. Damit besteht auf Bundesebene eine klare Zuständigkeitsordnung 18X Das Bundesamt für Gesundheitswesen hat eine Fachstelle für Fleischbelange neu geschaffen. Es ist nun in der Lage, die Gesamtverantwortung im Aussenverhältnis wahrzunehmen. Das neue Gesetz trägt dieser Zuständigkeitsordnung Rechnung.

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Die vorhandene Infrastruktur

Folgende Bundesstellen befassen sich mit der Lebensmittelkontrolle: a. Bundesamt für Gesundheitswesen mit: 22 leitenden Beamten und Sachbearbeitern, 11 Labormitarbeitern, 10 administrativen Mitarbeitern; b. Bundesamt für Veterinärwesen mit: 8 leitenden Beamten und Sachbearbeitern, 10 Labormitarbeitern, 8 vollamtlichen Grenztierärzten, 72 nebenamtlichen Grenztierärzten, 5 administrativen Mitarbeitern; c. Eidgenössische Zollverwaltung mit ihren Mitarbeitern an der Grenze; d. das Bundesamt für Militärveterinärdienst und das Oberkriegskommissariat im Bereich der Armee.

In den Kantonen obliegt der Vollzug einerseits den Kantonschemikern und den ihnen unterstellten Laboratorien, den LebensmittelinspektorenI9> und den Ortsexperten für die lokalen Kontrollen. Anderseits befassen sich die Kantonstierärzte und die ihnen fachlich unterstellten Fleischschauer mit den Fleischhygienekontrollen.

Ein Überblick über die Infrastruktur ergibt folgendes Bild:

901

902

Kantonale Lebensmittelkontrolle Kanton

Mitarbeiter im Kantona-.

len Laboratorium

74 43,5 20

davon: wissenschaftliche Mitarbeiter

22 12 3

19,5 3,5 12,5 16

15 31,5 20,5 8,5 1,5 1,5 29,5 14,5 22 26 23 39

18

Laboranten

31 16 11

6,5

.12

2,5

1 2 2 8 4 2,5

7,5 7,5 6 13 10,5 4

7 2 4 4 3 5,5 2

13 6 10 10 8 16 10 12 12 2,5

26 36,5 4,5

3

506,5

97,5

9,5

administrative Mitarbeiter

218

aridere Mitarbeiter

Lebensmiltelinspektoren

Trinkwasserinspektoren

Giftinspektoren

2

0,5 1 3

2 3,5 2 1 0,5 0,5 4,5 1,5

3 3 5 6,5 2 4 2,5 1

66

0,5

1,5 1 1 0,5 1 2 1

1 0,5 2 2 4 1 0,5 1 1 3

1 1 2

2

2 1 1 7,5

29

0,5 0,5 0,5 1

1 0,5

0,5 1 0,5 1

1 1

1 1

3

3

3 1 2 1 1 1 "0,5

5 3 2 3 5 0,5

55

20

23

Die Urkantone UR, SZ, NW, OW betreiben em gemeinsames Labor in Brunnen.

Die Kantone GL, AR, AI haben keinen Kantonschemiker; das Labor des Kantons St. Gallen untersucht fur diese Kantone.

Ortsexperten, ohne Stellvertreter

204 352 107 20 2 1 11 29 11 - 1 111 145 29 42 7 225 37 252 73 ' 42 64 80

1853

Fleischhygienedienst Kanton

ZH BE LU UR SZ OW

vollamllicher Kantonstierarzt

] 1 1

1 1 1 1 1 ] 1

CH

1 1 1 1

15

11

Tierarzt für Fleischhygiène

1 1 1

Fieischinspektoren

1 1

übrige Mitarbeiter des Kantonstierarztes 1

2

vollamtliche tierärztliche Fleischschauer 7 7

4 1

-

-

1

7 2 3 2 1 0 25 05 4 2 2

GR AG TG TI VD VS NE . .

GÈ JU

administrative Mitarbeiter des Kantonslierarztcs 1 2 4

1 1 1 1 1 1

NW

GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG

nebenamtlicher Kantonstierarzt

2 3 05 2,5 1 41 75

-

1 1

1 1

1

1 -

-

1 1

05

-

-

3 1 1

0,5 1 3

-

-

5

025

60

102 61 5 13 6 4 5 5 18 26

3

5 1 4

0,3

nebenamtliche tierärztliche Fleischschauer

18 7 10 3 51 22 39 34 17 38 8 8

vollamtliche, nichttierärztliche Fleischschauer

10 10 7

2 6 6 4 1

6 1

5 10

11 5

425

39

573

Labor des Kantonstierarzles

Mitarbeiter im Labor

34 120

nein nein

-

21 6 3 5 40

nein nein

-

nein nein

52 24 3 1 35 145 13 4 336 78 20

-

5

30 220

3

'

nein ja

2

nein

-

ja nein

2

nein ja nein

2

ia

4 25

6

17 5

43

13 11 8

nebenamtliche, nichttierärztiiche Fleischschauer

68

1233

13

Vorbereitung der Gesetzesrevision

131

Motion Tschumi

Ausgelöst wurde die Revision des Lebensmittelgesetzes durch die Motion 11716 Tschumi vom 25. Juni 1973 «Lebensrnittel-Importe. Kontrolle.» Der Motionär kritisierte, dass bei der Einfuhr nur die Lebensmittel zurückgewiesen werden können, die «augenscheinlich» verdorben sind. Der Bundesrat wurde deshalb mit der Motion beauftragt, eine neue gesetzliche Grundlage zu erarbeiten, mit welcher die Kontrollorgane in Zukunft Lebensmittel an der Grenze auch auf Verdacht hin, d. h. bereits dann zurückweisen können, wenn diese bloss möglicherweise verdorben sind. Der Bundesrat stellte in seiner Antwort fest, dass nicht nur die durch die Motion ins Auge gefassten Bestimmungen, sondern das Lebensmittelgesetz als Ganzes in verschiedener Hinsicht überholt sei. Die Motion wurde von Nationalrat (11. Dez. 1973) und Ständerat (14. März 1974) erheblich erklärt.

Ende des Jahres 1974 stellte der Verband der Kantonschemiker sein Leitbild der Lebensmittelkontrolle vor, welches als zentrale Anliegen die Forderung nach einer integralen Lebensmittelkontrolle und einem Bundesamt für Lebensmittelkontrolle enthielt.

Im August 1975 lag ein erster verwaltungsinterner Gesetzesentwurf vor. Dieser wurde im Rahmen einer aus der Eidgenössischen Ernährungskommission hervorgegangenen vorberatenden Kommission unter dem Vorsitz von Fürsprecher Marc Hodler in den Jahren 1975 und 1976 weiterberaten. Nach dem damaligen Konzept hätte sich der Geltungsbereich des Gesetzes, neben einem Fleischhygienegesetz, nur auf die übrigen Lebensmittel bezogen.

Es bestanden indessen von Anfang an unterschiedliche Ansichten darüber, ob dies zweckmässig sei.

132

Entwurf für ein Fleischhygienegesetz

Bereits am 12. April 1972 hatte der Bundesrat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, eine Expertenkommission für die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Bundesgesetz über das Schlachten und den Verkehr mit Fleisch und Fleischerzeugnissen einzusetzen. Die am 13. Juli 1972 eingesetzte Studienkommission20) erhielt den Auftrag, den Entwurf für ein solches Gesetz oder allenfalls für eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen auszuarbeiten. Mit dem Schlussbericht vom 9. Januar 197521) legte diese Studienkommission einen ausformulierten Entwurf für ein Fleischhygienegesetz vor.

Dieser Entwurf für ein Bundesgesetz umfasste die Regelung des gesamten Bereichs Schlachtung sowie Inverkehrbringen von Fleisch und Fleischerzeugnissen parallel zum bestehenden Lebensmittelgesetz. Für den Vollzug in den Kantonen war eine wesentliche Verlagerung der Kompetenzen von der Gemeinde auf die kantonale Ebene vorgesehen. Parallel zur Lebensmittelkontrolle für die übrigen Lebensrnittel war ein spezialisierter, integraler Fleischhygienedienst vorgesehen.

904

Dieser Gesetzesentwurf wurde nicht weiterbearbeitet, weil sich in den Gremien, die sich mit der Revision des Lebensmittelgesetzes befassten, die Ansicht durchsetzte, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse im Lebensmittelgesetz zu regeln seien.

133

Erste Expertenkommission

Am I.Juni 1977 ermächtigte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern, eine Expertenkommission für die Weiterbearbeitung des Vorentwurfs für die Revision des Lebensmittelgesetzes beizuziehen. Das Eidgenössische Departement des Innern setzte darauf am 12. Juni 1977 eine aus 28 Mitgliedern bestehende Expertenkommission 2f> unter dem Vorsitz des damaligen Nationalrats Cavelty ein. In der Kommission waren alle wesentlichen an der Lebensmittelgesetzgebung interessierten Kreise vertreten.

Diese Kommission wurde schon nach zwei Sitzungen am 30. Mai 1978 aufgelöst, nachdem sie zum Schluss gekommen war, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse nicht in einem Spezialgesetz, sondern ebenfalls im neuen Lebensmittelgesetz zu erfassen seien, und da ihre Zusammensetzung nicht auf diese erweiterte Aufgabenstellung ausgerichtet war.

134

Zweite Expertenkommission

Am 15. November 1978 ermächtigte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern, eine neue Expertenkommission einzusetzen, die einen Entwurf für ein neues Lebensmittelgesetz einschliesslich Fleisch und Fleischerzeugnisse zu behandeln hatte. Am 22. November 1978 hat das Departement die neue Kommission unter dem Vorsitz von Nationalrat Cavelty mit insgesamt 30 Mitgliedern eingesetzt und ihr den Auftrag erteilt, auf Grund von verwaltungsinternen Unterlagen ein integrales Lebensmittelgesetz zu erarbeiten23).

Die Kommission stellte bis Ende des Jahres 1979 einen Entwurf für ein Lebensmittelkontrollgesetz fertig. Dieser behielt im wesentlichen die bisherigen Vollzugsstrukturen bei.

Als Folge der im Spätherbst 1980 festgestellten illegalen Verwendung von Hormonen in der Tiermast liess das Eidgenössische Departement des Innern durch die Kommission eine Gesetzesvariante ausarbeiten. Diese sollte eine vereinheitlichte Lebensmittelkontrolle unter Einbezug von Fleisch und Fleischerzeugnissen vorsehen. Bei ihrer weiteren Arbeit integrierte die Kommission sodann bisher fehlende grundlegende materielle Bestimmungen über die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln in den Gesetzesentwurf. Diese Expertenkommission schloss ihre Arbeiten Mitte 1981 ab.

Die Gesetzesentwurf-Varianten Oktober 1980 (Lebensmittelfcon^oZ/gesetz mit bisheriger Vollzugsstruktur) und Juli 1981 (Lebensmittelgesetz mit materiellen Vorschriften und neuer Vollzugsstruktur) wurden dann verwaltungsintern zum 905

Gesetzesentwurf weiterbearbeitet, der im November 1982 den Kantonen, den politischen Parteien und den interessierten Kreisen zur Vernehmlassung unterbreitet wurde (vgl. Ziff. 14).

135

Redaktionskommission

Für die Abschlussarbeiten setzte das Eidgenössische Departement des Innern mit Verfügung vom 25. Januar 1988 eine Redaktionskommission unter dem Vorsitz von Prof. Th. Fleiner-Gerster, Freiburg, ein. Diese aus Vertretern der Bundesämter für Justiz, Gesundheitswesen und Veterinärwesen zusammengesetzte Arbeitsgruppe unterzog den aus der Vernehmlassung hervorgegangenen Gesetzesentwurf einer grundlegenden Überprüfung. Sie berücksichtigte in ihrer Arbeit namentlich die seit Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens eingetretene Entwicklung, aufgetretene aktuelle Probleme und die vom Bundesrat am 20. April 1988 getroffenen Vorentscheide24). Das Ergebnis liegt als Gesetzesentwurf dieser Botschaft zugrunde.

14

Vernehmlassungsverfahren

141

Umfang der Vernehmlassung

Aufgrund des Bundesratsbeschlusses vom 10. November 1982 führte das Eidgenössische Departement des Innern vom 12. November 1982 bis 30. Juni 1983 das Vernehmlassungsverfahren25) durch. Unter den 240 Adressaten wurden namentlich die Kantone, die politischen Parteien, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, die Organisationen der Konsumenten, der Lebensmittelfabrikanten und -händler, der Landwirtschaft sowie die Berufs- und Standesorganisationen begrüsst. Insgesamt gingen 170 Stellungnahmen ein. Die Kantone, die grossen Parteien sowie die bedeutenden Wirtschafts- und Konsumentenorganisationen haben sich durchwegs geäussert.

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Grundziige des Vernehmlassungsentwurfs 1982

Der Vernehmlassungsentwurf 1982 regelt das materielle Lebensmittelrecht, die Lebensmittelkontrolle sowie den Rechtsschutz und die Sanktionen. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf Gebrauchsgegenstände und Lebensmittel, einschliesslich Fleisch und Fleischerzeugnisse. Die Lebensmittel unterstehen einer Kontrolle und Regelung, angefangen von der Produktion, vom Anbau und vom Mästen von Tieren bis zur Abgabe von Fleischerzeugnissen und andern Lebensmitteln an die Konsumenten.

Der Entwurf verbietet grundsätzlich, Lebensmittel so in den Verkehr zu bringen, dass sie bei üblichem Gebrauch die Gesundheit gefährden können. Für jedes Lebensmittel wird eine Sachbezeichnung und die Deklaration der Zusammensetzung verlangt. Die Sorgfaltspflicht der Hersteller, Importeure und Verkäufer wird ausdrücklich festgehalten. Die im Schweizerischen Lebensmittelbuch enthaltenen Richtlinien sollen verbindlich erklärt werden.

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Der Bund ist zuständig für die Gesetzgebung, die Lebensmittelkontrolle an der Grenze und die Koordination von Vollzugsmassnahmen in den Kantonen. Die Kantone führen die Lebensmittelkontrolle im Inland durch. Die Organisation der Bundesstellen im Lebensmittelbereich ist Sache des Bundesrats. Die Organisation der Lebensmittelkontrolle im Inland ist Aufgabe der Kantone, wobei die am Vollzug beteiligten Dienste unter einem Chef der Lebensmittelkontrolle zusammengefasst werden. Die Fleischkontrolle bei der Schlachtung wird durch Fleischschauer, die vom Kanton ernannt werden, vorgenommen. Eine Nachfleischschau bisheriger Art gibt es nicht mehr. Verfügungen der Zollorgane oder der kantonalen Lebensmittelkontrolle im Zusammenhang mit der Einfuhr sind rechtlich Entscheide in Anwendung des Bundesrechts. Sie können mit Beschwerde beim Bundesamt für Gesundheitswesen angefochten werden. Bei den neu umschriebenen Straftatbeständen wird insbesondere die Bussenhöhe an das heutige Kostenniveau angepasst.

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Ergebnis der Vernehmlassung

Das Bemühen um eine Totalrevision der Lebensmittelgesetzgebung, namentlich der Erlass grundlegender materieller Bestimmungen über Lebensrnittel, wird allgemein begrüsst. Damit ist der Konsens über den Gesetzesentwurf 1982 indessen bereits erschöpft. Infolge der verschiedenen, zum Teil diametral auseinanderstrebenden Interessen der betroffenen Kreise, findet kaum ein Regelungsbereich überwiegende Zustimmung, aber es gibt auch wenig einhellig abgelehnte Vorschläge.

Zur Ausdehnung des Geltungsbereichs auf die landwirtschaftliche Produktion bringen vor allem Kreise aus der Landwirtschaft Vorbehalte an. Diese betreffen weniger den Grundsatz an sich, als die praktischen Konsequenzen sowie die Art und Intensität von Kontrollen. Die einheimische Produktion dürfe nicht strenger beurteilt werden, als die aus dem Ausland eingeführte. Von Konsumentenseite wird die Ausdehnung des Täuschungsschutzes auf Gebrauchsgegenstände wie Kosmetika gefordert.

Gegen die den Herstellern, Importeuren und Verkäufern auferlegte Sorgfaltspflicht, die unter Umständen Laboruntersuchungen zur Selbstkontrolle nötig macht, wird vor allem vorgebracht, sie belaste das Gewerbe zu stark. Grossverteiler anderseits stellen fest, dass sie bereits heute mit Hilfe eigener Laboratorien eine intensive Selbstkontrolle ausüben.

Die Vorschriften über die Organisation der Bundesstellen und die kantonale Lebensmittelkontrolle werden von den hauptsächlich betroffenen Kantonen abgelehnt. Gefordert wird namentlich, dass eine einzige Bundesstelle gegen aussen die Gesamtverantwortung für die Lebensmittelkontrolle wahrnehmen müsse.

Die vorgesehenen Grenzkontrollen werden zum Teil als ungenügend beurteilt; die Motion Tschumi werde nicht erfüllt. In den Kantonen müssten die Ämter des Kantonschemikers und des Kantonstierarztes beibehalten werden. Die Bundesgesetzgebung müsse dem föderalistischen Aufbau der Schweiz und bewährten Strukturen Rechnung tragen.

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Zum Vorschlag, die Fleischschau inskünftig von den Gemeinden in die Verantwortung der Kantone überzuführen, äussern sich die Kantone unterschiedlich.

Hingegen treten sie mehrheitlich dafür ein, dass weiterhin Nachfleischschaugebühren erhoben werden können. Die Metzgerorganisationen anderseits fordern, dass auf die Erhebung von Fleischschaugebühren verzichtet werde.

Bei den Rechtsschutzbestimmungen wird von verschiedener Seite die Beibehaltung der bisherigen Oberexpertiseiegelung gefordert.

Im weiteren werden zu den Bestimmungen des Gesetzesentwurfs von den verschiedenen Kreisen eine Fülle von kritischen Vorschlägen eingebracht, die sich zum Teil widersprechen oder ausschliessen.

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Parlamentarische Vorstösse

Ende 1987 waren 14 Motionen oder Postulate im Bereich Gesundheitswesen hängig, welche sich auf Nahrungs- und Genussmittel (Tabak und Alkohol) sowie Gebrauchsgegenstände bezogen. Die zehn im folgenden genannten können abgeschrieben werden, weil sie durch das vorgeschlagene Lebensmittelgesetz ganz oder teilweise erfüllt oder gegenstandslos werden. Die verbleibenden vier Vorstösse (Postulate 12138 Renschier «Alkohol- und Tabakmissbrauch», 83.529 Girard «Alkoholproblem. Bericht», 83.521 Longet «Traubenmost. Zuckerung», 84.565 Ammann-St. Gallen «Tabakmissbrauch») beziehen sich auf Tabak- und Alkoholprobleme, welche ausserhalb des Lebensmittelgesetzes oder in einer Verordnung zu regeln sind.

Das Postulat 11190 Ribi vom 29. Februar 1972 «Lebensmittelkontrollen» (N 5. 12. 72) fordert im wesentlichen eine bessere Ausbildung der mit der Lebensmittelkontrolle betrauten Ortsexperten, eine regionale Schwerpunktbildung für bestimmte Aufgaben der kantonalen Laboratorien und die Deklaration der Zusammensetzung der Lebensmittel. Die zur Erfüllung des Postulats nötigen Rechtsgrundlagen sind im Gesetzesentwurf vorgesehen (Art. 19, 20, 40 und 41).

Die Motion 11716 Tschumi vom 25. Juni 1973 «Lebensrnittel-Importe. Kontrolle» (N 11. 12.73, S 19.3.74) fordert die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die vorsorgliche Beschlagnahme von Lebensmittelimporten, wenn ein berechtigter Verdacht vorliegt, dass sie gesundheitsschädlich sein könnten. Die zur Erfüllung der Motion notwendigen Kompetenzen sind im Gesetzesentwurf vorgesehen (Art. 27 und 29).

Das Postulat 79.353 Schär vom 20. März 1979 «Tabakwerbung» (N 27. l L 1979) fordert die Einschränkung der Werbung für Tabakwaren entsprechend der Werbung für gebrannte Wasser. Die Rechtsgrundlage zur Einschränkung der Werbung für Genussmittel im Sinne des Postulats ist im Gesetzesentwurf vorgesehen (Art. 13).

Das Postulat 79.475 Neukomm vom 2I.Juni 1979 «Warendeklaration» (N 27. 11.79) fordert die Vorbereitung von Vorschriften über die Datierung (Haltbarkeit) bei Lebensmitteln und Kosmetika sowie über den Nährwert. Die zur Erfüllung des Postulats notwendigen Rechtsgrundlagen sind betreffend Le-

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bensmittel im Gesetzesentwurf vorgesehen (Art. 20). Die zwingende Datierung von Kosmetika erachtet der Bundesrat nicht als angebracht.

Das Postulat 79.406 Dürr vom S.Juni 1979 «Veterinärmedizin. Medikamentenhandel» (N 25. 9. 80) fordert eine bessere Kontrolle der Heilmittel im Veterinärbereich und namentlich die Schaffung einer bundesrechtlichen Gesetzesgrundlage für eine wirksame Kontrolle des Importes von Medikamenten jeder Art.

Heute ist es so, dass Medikamente ohne spezifische Kontrolle eingeführt werden dürfen; die Kontrolle im Inland liegt in der Kompetenz der Kantone. Medikamente für den tierärztlichen Gebrauch oder als Futtermittelbestandteil können zu Rückständen im Fleisch, in der Milch und in Eiern führen, die unter Umständen die menschliche Gesundheit gefährden. Damit wird der Medikamenteneinsatz auch zu einem lebensmittelrechtlichen Problem. Im Gesetzesentwurf wird der Geltungsbereich so umschrieben, dass auch die Medikamente im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion erfasst und durch die Vollzugsbehörden gemäss Lebensmittelgesetz kontrolliert werden können. Der Gesetzesentwurf enthält die Rechtsgrundlage, um Tierarzneimittel in der landwirtschaftlichen Produktion zu verbieten, soweit sie zu gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln führen können sowie um die Ein- und Ausfuhr zu kontrollieren (Art. 2, 7 und 31).

Die Motion 79.406 Dürr vom S.Juni 1979 «Veterinärmedizin. Medikamentenhandel» (N 25. 9. 80, S 3. 3. 81) fordert wirksame Kontrollen über Art und Ausmass der Einmischung von Medikamenten in landwirtschaftliche Futtermittel und die Änderung der entsprechenden Verordnungen über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Hilfsstoffen. Hiefür wird durch die Änderung des Landwirtschaftsgesetzes im Rahmen der Änderung bisherigen Rechts die gesetzliche Grundlage geschaffen (Art. 60).

Das Postulat 80.920 Christinat vom 17. Dezember 1980 «Hormone. Einfuhrverbot» (N 19. 6. 81) fordert ein Verbot für die Einfuhr von Hormonen, die in der Viehmast, namentlich in der Kälbermast, verwendet werden. Der Gesetzesentwurf sieht die nötigen Rechtsgrundlagen für eine Einfuhrkontrolle und die Beschränkung des Einsatzes in der Tiermast vor (Art. 7 und 31).

Das Postulat 82.322 Tochon vom I.März 1982 «Hygiene der Tierprodukte.

Neues Gesetz» (N 17. 12. 82) fordert die Schaffung eines Gesetzes
über die Hygiene der tierischen Lebensmittel, dessen Kernpunkt die Kontrolle durch Tierärzte sein soll. Unter Berücksichtigung aller massgeblichen Zusammenhänge erweist sich die Schaffung eines separaten Gesetzes nicht als zweckmässig. Für die Hygienekontrollen durch Tierärzte wird im Gesetzesentwurf eine zweckmässige Zuständigkeitsordnung vorgeschlagen (Art. 40).

Das Postulat 87.426 Biel vom 3. Juni 1987 «Nachfleischschau. Aufhebung» (N 9. 10. 87) fordert die Aufhebung der sogenannten Nachfleischschau. Für eine Nachfleischschau im Sinne einer zwingenden Kontrolle von Fleisch und Fleischerzeugnissen bei der Einfuhr in eine Gemeinde ist im Gesetzesentwurf keine Rechtsgrundlage vorgesehen. Die Nachfleischschau und die Nachfleischgebühren fallen somit dahin.

Das Postulat 88.410 Jung vom 17. März 1988 «Neues Lebensmittelgesetz. Änderung von alten Verordnungen» (N 23. 6. 88) fordert einen Fleischhygienedienst 909

unter tierärztlicher Leitung. Der Gesetzesentwurf regelt die Aufgaben der Tierärzte im Rahmen der Lebensmittelkontrolle und sieht vor, dass der Bundesrat die Anforderungen für die verschiedenen Funktionäre festlegt (Art. 40 und 41).

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Anforderungen an ein modernes Lebensmittelrecht

Ein zeitgemässes Lebensmittelgesetz kann nicht geschaffen werden, ohne dass man sich Rechenschaft gibt über die Ernährungssituation, die Essgewohnheiten, die Risiken heutiger Ernährung und die Tendenzen in der Schweiz. Die folgenden Ausführungen basieren im wesentlichen auf dem 1984 veröffentlichten Zweiten Schweizerischen Ernährungsbericht26*.

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Essgewohnheiten

Der Schweizer isst: zu viel: Der optimale tägliche Kalorienverbrauch (rund 2400 für Männer und 2000 für Frauen) wird durchschnittlich um 20-30 Prozent überschritten. Wesentlich spielt dabei der hohe Alkoholkonsum und der verbreitete Bewegungsmangel mit. Die Folgen zeigen sich in Übergewicht, Herzgefässkrankheiten und hohem Blutdruck; zu süss: Sozial- und Präventivmediziner sowie Ernährungsphysiologen stellen fest, dass im Übermass Zucker und Süssigkeiten konsumiert werden. Bei Kindern werden teilweise exzessive Formen festgestellt; " · zu fett: Der hohe, dem herrschenden Wohlstand zugeschriebene Konsum von Fetten begünstigt die Fettsüchtigkeit und Krankheiten der Herzkranzgefässe; zu wenig Ballaststoffe: Es werden zu wenig Lebensmittel mit hohem Fasergehalt gegessen, obwohl beim Brotkonsum in den letzten Jahren eine leichte Steigerung feststellbar war. Dadurch werden Störungen des Verdauungstraktes begünstigt.

Obwohl der Ist-Zustand in bezug auf die Ernährungsgewohnheiten des Schweizers noch nicht befriedigend ist, nimmt doch der Teil der Bevölkerung ständig zu, der sich ein mehr und mehr ernährungsbewusstes Verhalten aneignet. Vermehrte Information und klare Deklarationen auf den Verpackungen der Lebensmittel können diese Entwicklung noch weiter fördern. Sie geben den Konsumenten die Möglichkeit, ihren täglichen Speisezettel selbständig zusammenzustellen. Die Ernährungsgewohnheiten hängen aber auch eng mit sozialen Entwicklungen, der wirtschaftlichen Lage und den Umweltbedingungen zusammen.

Das zunehmende Bewusstsein für die gegenseitige Abhängigkeit von Natur, Umwelt und Nahrung dürfte auch Auswirkungen auf die Ernährungsgewohnheiten haben.

Tendenziell ist zu erwarten, dass: - vermehrt Mahlzeiten ausser Haus in Gemeinschaftsverpflegungsbetrieben und Gaststätten eingenommen werden, - das starre Drei-Mahlzeiten-System einer flexibleren Verhaltensweise weichen wird, 910

Spezialnährmittel und -kostformen an Bedeutung zunehmen werden, die Pro-Kopf-Nachfrage nach Fleisch, Fisch, Eiern, Käse, pflanzlichen Fetten und Ölen, Gemüse (ohne Kartoffeln), Gewürzen und Südfrüchten zunehmen wird, die Pro-Kopf-Nachfrage nach Zucker, Butter, tierischen Fetten, Dauermilchprodukten und Getreidemehl stagnieren wird, die Pro-Kopf-Nachfrage nach Reis, Teigwaren, Kartoffeln. Konsummilch, einheimischem Obst und Salz rückläufig sein wird.

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Ernährungssituation

Generell kann festgestellt werden, dass wir in einer Überflusssituation leben.

Der Konsument hat die Wahl aus einer unübersehbaren Vielfalt von Lebensmitteln aus einheimischer Produktion und aus aller Welt. Das überhandnehmende Angebot standardisierter Produkte durch Grossverteiler bewirkt anderseits in gewissen Marktbereichen eine Verminderung der Vielfalt des Angebots. Die günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz erlauben es der Bevölkerung, auch tatsächlich vom Angebot Gebrauch zu machen.

Die Landwirtschaft, die der Ausgangspunkt jeglicher Lebensmittelproduktion ist, hat in diesem Jahrhundert eine ausserordentliche Wandlung durchgemacht.

Dank Einsatz von Düngemitteln, Hilfsstoffen, züchterischen Anstrengungen sowie Mechanisierung, konnten die Erträge im Pflanzenanbau und in der tierischen Produktion enorm gesteigert werden. Die Kehrseite des Erfolgs zeigt sich heute in Form einer zunehmenden und teilweise bereits gesundheitsgefährdenden Umweltbelastung aus der landwirtschaftlichen Produktion^ Damit einher geht eine entsprechende Belastung der Lebensmittel durch unerwünschte Schadstoffe. Die heutige hochentwickelte Analysetechnik macht es möglich, eine grosse Zahl solcher Stoffe in kleinsten Mengen nachzuweisen.

Nicht minder stürmisch hat sich die Technologie der Lebensmittelherstellung und -Weiterverarbeitung entwickelt. Als Ziel wird die Herstellung von Produkten angestrebt, denen ein Höchstmass an Stabilität inné ist, unter möglichster Erhaltung, des Nähr- und Genusswertes und Vermeidung unerwünschter Fremdstoffe und Mikroorganismen. Die in dieser Weise industriell verarbeiteten und standardisierten Produkte werden im Herstellungsbetrieb verkaufsfertig abgepackt und über Verkaufsketten und Grossverteiler landesweit verteilt und angeboten.

Die wissenschaftliche Forschung konzentriert sich weitgehend auf die Industrie der Lebensmittelproduktion. Die Ernährungsforschung, mit dem Ziel der Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen zur Information und Steuerung des Essverhaltens der Konsumenten, bildet an den Hochschulen keinen systematisch gepflegten Schwerpunkt.

Jeder kann sich heute, wenn er will, sachgemäss informieren und die Nahrungswahl nach seinen individuellen Bedürfnissen und anerkannten ernährungsphysiologischen Grundsätzen treffen. Er wird dabei unterstützt durch die Konsumentenorganisationen und Aufklärungsbemühungen der Behörden. Es fällt indessen auf, dass eine gewisse Verunsicherung herrscht. Meldungen über Schad911

Stoffe in Lebensmitteln mit krebserregender (kanzerogener) oder mit Erbanlagen schädigender (mutagener) Wirkung tragen immer wieder zur Verunsicherung der Bevölkerung bei und beeinflussen das Konsumverhalten.

Die mit der Ernährung zusammenhängenden Risiken beurteilen und gewichten die Ernährungswissenschafter nach ihrer Bedeutung wie folgt: 1. Fehlernährung (Über- oder Unterernährung); 2. krankmachende (pathogène) Mikroorganismen in der Nahrung; 3. natürliche Giftstoffe (vor allem in Pflanzen); 4. Fremdstoffe wie Chemikalienrückstände und Verunreinigungen; 5. Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel.

Auffallend ist, dass jenen Risikofaktoren, denen heute die Hauptaufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gilt (Fremdstoffe und Zusatzstoffe) von den Fachleuten am wenigsten Gewicht beigemessen wird. Anderseits rangiert jener Faktor, auf den jedermann durch eigenes Verhalten Einfluss nehmen kann (Fehlernährung), an der Spitze der Risiken. In dieses Bild passt auch der Umstand, dass nach wie vor ein grosser Teil der Bevölkerung freiwillig die gesundheitlichen Risiken des Rauchens in Kauf nimmt.

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Konsequenzen für den Gesetzgeber

Das Lebensmittelrecht muss die Randbedingungen schaffen, um die insgesamt günstige Ernährungssituation zu erhalten und wo nötig weiter zu verbessern. In jenen Bereichen, wo die freie Entscheidung der Konsumenten ausschlaggebend ist, muss durch Förderung wissenschaftlich fundierter Information versucht werden, dem Konsumenten die Entscheidungskriterien zur sinnvollen Steuerung seines Verhaltens zu bieten. Der Konsument soll anderseits Gewähr haben, dass er in jenen Bereichen, die er mit seinen Mitteln und seinen Sinnen nicht zu durchschauen vermag, durch entsprechende Vorschriften und Kontrollen der Behörden geschützt wird.

Im einzelnen bedeutet dies, dass: - landwirtschaftliche Hilfsstoffe im Hinblick auf die Lebensmittelproduktion zurückhaltend und nach klaren gesetzlichen Schranken eingesetzt werden; - die mit Fremdstoffen einhergehenden Risiken durch wissenschaftlich fundierte und international abgestimmte Grenzwerte nach dem Grundsatz «so wenig wie möglich» ausgeschaltet werden; - der Gesetzgeber den Bereich der Eigenverantwortung des Konsumenten respektieren und nicht unnötig einschränken soll; - dem Schutz der Gesundheit der Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen gebührt, wobei die Regelung insgesamt verhältnismässig sein soll. Damit dies möglich ist, müssen die Lebensmittelhersteller, Importeure und Verteiler in wesentlichem Umfang Selbstverantwortung übernehmen; durch Stichproben der Behörden muss dies sicher gestellt werden; - die Behörden über die nötige Infrastruktur für ihre Kontrollaufgabe verfügen müssen.

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2

Besonderer Teil

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Allgemeines zum Gesetzesentwurf

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Zielsetzung

Der Konzeption des Gesetzesentwurfs wurde folgende Zielsetzung zugrunde gelegt: Die Verfassungsgrundlage ermächtigt den Bundesgesetzgeber, für Nahrungsund Genussmittel Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit sowie zur Verhütung von Täuschung zu erlassen. Bei den Gebrauchsgegenständen hingegen darf er aufgrund von Artikel 69bls BV nur Bestimmungen zum Schutze der Gesundheit erlassen. Für weitergehende Bestimmungen über den Verkehr mit Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen ist er an Artikel 31se*ies B V (Konsumentenschutzartikel) gebunden.

Soweit das neue Lebensmittelgesetz Regelungen enthält, die dem Schutz der Gesundheit und dem Täuschungsschutz dienen, hält es sich an die für Polizeigesetze geltenden Grundsätze. D. h. es greift nur soweit in die Handels- und Gewerbefreiheit der Produzenten und Verkäufer ein, als dies zum Schutz der Gesundheit und für den Täuschungsschutz im Zusammenhang mit Lebensmitteln, Zusatzstoffen und Gebrauchsgegenständen erforderlich ist. In diesem Rahmen soll die Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit des Einzelnen im öffentlichen Interesse einer freiheitlichen Linie folgen. Nur dort soll ordnend und beschränkend eingegriffen werden, wo überwiegende öffentliche Interessen im Spiel sind. Die Eigenverantwortung des Einzelnen (Hersteller und Konsument) soll soweit möglich zum Tragen kommen. Das gesetzgeberische Bemühen soll primär auf die Sicherstellung einwandfreier und nicht gesundheitsgefährdender Lebensmittel ausgerichtet sein.

Neben dem Gesundheitsschutz, der für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände gilt, ist der Bund befugt, die Käufer von Lebensmitteln vor Täuschung über die Echtheit und Reinheit der Ware zu schützen27).

Der Geltungsbereich des Gesetzes soll nicht nur den Handel («commerce» im französischen Text der Bundesverfassung), sondern den gesamten Verkehr das heisst den ganzen «Lebensweg» eines Lebensmittels umfassen, vom Anbau von Pflanzen bzw. von der Mast von Tieren bis zur Abgabe des Endproduktes an die Konsumenten. Das Gesetz soll sich auf sämtliche Lebensmittel, insbesondere auch auf Fleisch und Fleischerzeugnisse, beziehen. Ausgeschlossen sind aber eigentliche Arzneimittel der Humanmedizin wie auch Gebrauchsgegenstände, die mit Lebensmitteln oder mit dem menschlichen Körper normalerweise nicht in Berührung kommen.

Ins Gesetz gehören materielle Bestimmungen
über die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln, welche die grundlegenden Probleme klären.

Diese materiellen Bestimmungen sollen für den Inhalt der nachgeordneten Verordnungen klare Schranken bilden oder Richtungen weisen, so dass keine unbeschränkte Verordnungsbefugnis besteht. Sie sollen gleichzeitig fassbare Kriterien für die Beurteilung von Einzelfällen im Beschwerdefall enthalten. Die Sachverhalte sind grundsätzlich durch allgemeinverbindliche Vorschriften und nicht durch Einzelbewilligungen zu regeln.

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In organisatorischer Hinsicht sollen die Verantwortlichkeiten der Bundesbehörden und der kantonalen Behörden klar auseinandergehalten werden. An der verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen soll grundsätzlich nichts geändert werden. Das heisst der Bund ist für den Erlass der Vorschriften zuständig und vollzieht das Gesetz an der Grenze (Ein-, Durch- und Ausfuhr). Der Vollzug im Landesinnern hingegen obliegt den Kantonen. Dabei muss der Bund bereits durch bundesrechtliche Vorschriften die Voraussetzungen für einen einheitlichen Vollzug schaffen. Angesichts der zunehmenden Konzentration der Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelhandels in der Wirtschaft müssen deshalb dem Bund vermehrt Instrumente für eine einheitliche Regelung des Vollzugs durch die Kantone, namentlich zur Bewältigung von Ausnahmesituationen, zur Verfügung gestellt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für den effizienten und einheitlichen Vollzug ist die klare Organisation und Aufgabenteilung des Vollzugsapparates. Ins Gesetz gehören deshalb Bestimmungen über die Aufgaben und Pflichten bestimmter Vollzugsorgane der Kantone.

Das Gesetz soll eine kohärente, systematische Regelung des Rechtsbereichs beinhalten28). Das System von Aufbau, Regelungsumfang und Regelungstiefe darf nicht durch Lösung von Einzelfällen und Berücksichtigung von Partikularinteressen gestört werden.

Im Zusammenhang mit dem Lebensmittelgesetz soll schliesslich die Gelegenheit zu einer Lösung hängiger Probleme im Grenzbereich zu andern Gesetzen ergriffen werden.

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Systematik

Der Gesetzesentwurf umfasst inhaltlich die drei Bereiche: materielle Vorschriften über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, Ordnung der Lebensmittelkontrolle sowie Straf- und Rechtsschutzbestimmungen.

Das Gesetz ist in die folgenden Kapitel gegliedert: 1. Zweck und Geltungsbereich; 2. Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände; 3. Lebensmittelkontrolle; 4. Vollzug; 5. Finanzierung; 6. Schlachtgewicht; 7. Strafbestimmungen und Rechtsschutz; 8. Schlussbestimmungen.

Das Gesetz erfasst sämtliche unter Artikel 69bis BV fallenden Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände. Alte Gesetze, die Sonderprobleme z. B. Absinth, Kunstwein und Kunstmost ordnen, werden durch das neue Gesetz aufgehoben, da die betreffenden Nahrungs- und Genussmittel fortan im Lebensmittelgesetz geregelt werden sollen. Grundsätzlich enthält das Gesetz auch keine Sonderabschnitte für besondere Nahrungsmittel wie Fleischerzeugnisse. Alle Lebensmittel wer914

den, soweit möglich, auf Grund von gleichen Kriterien und Grundsätzen erfasst und sollen auch nach gleichen Massstäben kontrolliert werden.

Die Vorschriften über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände enthalten unter den Gesichtspunkten Gesundheitsschutz und Schutz vor Täuschung wegleitende Grundsätze und Aufträge, welche durch Verordnungen des Bundesrats und des zuständigen Departements zu detaillierten Vorschriften ausgestaltet werden müssen. Anderseits sind die Vorschriften über die Lebensmittelkontrolle und den Vollzug bereits so präzis gefasst, dass ein einheitliches Vorgehen der Behörden gewährleistet ist. Diesbezügliche Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsebene sind nur noch für Abgrenzungsfragen und administrative Einzelheiten notwendig.

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Neuerungen

Der Geltungsbereich des Gesetzes umfasst ausdrücklich auch die landwirtschaftliche Produktion, soweit sie der Herstellung von Lebensmitteln dient. Bei der Anwendung von landwirtschaftlichen Hilfsstoffen und Tierarzneimitteln sowie bei deren Zulassung sind die Anforderungen des Lebensmittelrechts zu beachten. Der Bundesrat kann nötigenfalls bestimmte Stoffe verbieten.

Das Kapitel 2, welches die Regelungen über das materielle Lebensmittelrecht enthält, legt die allgemeinen Grundsätze für die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen fest. Inhaltlich sind diese Grundsätze aus dem geltenden Verordnungsrecht heraus entwickelt worden.

Als Genussmittel gelten lediglich alkoholische Getränke sowie Tabak- und Raucherwaren. Mit Ausnahme der alkoholischen Getränke müssen alle übrigen essund trinkbaren Waren den Vorschriften über Nahrungsmittel entsprechen.

Der Bundesrat kann aber nötigenfalls bestimmte, wegen ihres Genusses beliebte Nahrungsmittel den Vorschriften über Genussmittel unterstellen, damit sie für Liebhaber weiterhin erhältlich sind. Dieser Fall kann beispielsweise auf Nahrungsmittel zutreffen, bei denen infolge von Rückständen aus der Umwelt die strengen Grenzwerte für Nahrungsmittel nicht mehr eingehalten werden können, die aber infolge besonderer Konsumgewohnheiten keine akuten Gesundheitsgefährdungen mit sich ziehen.

Das Spezialgesetz über die Regelung des Absinthverbots wird aufgehoben. Die von der Sache her nicht unumstrittene Regelung bleibt indessen infolge des in Artikel 32ter BV verankerten Verbots im bisherigen Umfang in Kraft. Aufgehoben wird dagegen das Spezialgesetz über Kunstwein und Kunstmost. Die diesbezüglichen Ausführungsbestimmungen können auf das Lebensmittelgesetz abgestützt werden.

Die Information hat im neuen Gesetz einen hohen Stellenwert. Der Bund erhält eine gesetzliche Grundlage, die ihn dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit über ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse von allgemeinem Interesse sowie bei besonderen Ereignissen zu informieren. Bei gesundheitsgefährdenden Lebens915

mittein, die bereits im Umlauf sind, müssen die Vollzugsbehörden die Bevölkerung informieren und ihr Verhaltensanweisungen geben. Diese Aufgabe obliegt den Bundesbehörden, sofern die Bevölkerung mehrerer Kantone betroffen ist.

Für das Verwaltungsverfahren gilt grundsätzlich das kantonale und eidgenössische Verwaltungsverfahrensrecht. Das Lebensmittelgesetz enthält nur soweit präzisierende oder abweichende Verfahrensbestimmungen, als dies für einen sachgerechten und rechtsgleichen Vollzug sowie für den Rechtsschutz nötig ist.

Eine Verpflichtung zur Zweituntersuchung im Sinne der bisherigen Oberexpertise besteht nicht mehr. Vorschriften über eine gebührenpflichtige Nachfleischschau bisheriger Art gibt es keine. Damit wird nicht zuletzt einer Empfehlung der Schweizerischen Kartellkommission entsprochen29).

Die Abgrenzung der Zuständigkeit von Kantonschemikern und Kantonstierärzten für die Leitung der Lebensmittelkontrolle in den Kantonen ist weitgehend im Lebensmittelgesetz fixiert. Die Kontrollorgane müssen als Wahlvoraussetzung die vom Bundesrat vorgeschriebene Spezialausbildung bestehen.

Der Bund kann den Kantonen Massnahmen zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs vorschreiben und in ausserordentlichen Situationen bestimmte Vollzugsmassnahmen gegenüber den Kantonen anordnen.

Für die Lebensmittelkontrolle in ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, zieht der Bund soweit möglich die zivilen Vollzugsorgane der Kantone als Fachleute bei. Im übrigen sorgt die Armee selbst für die Einhaltung der Lebensmittelgesetzgebung.

Produzenten, Importeure und Händler sind zur Selbstkontrolle verpflichtet.

Dazu gehören unter Umständen auch Laboruntersuchungen.

Der Bundesrat kann einzelne Teile des Lebensmittelbuches verbindlich erklären.

Das Lebensmittelbuch beinhaltet eine Sammlung von Empfehlungen über die Untersuchung und Beurteilung von Lebensmitteln, Zusatzstoffen und Gebrauchsgegenständen.

Der Bundesrat legt die Gebühren für den ganzen Bereich der Lebensmittelkontrolle in der Schweiz fest.

Der Bund kontrolliert inskünftig die Einfuhr von Tierarzeimitteln, um die Produktion von Lebensmitteln zu verhindern, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen.

Die Strafbestimmungen sind neu umschrieben und gewichtet worden. Die Bestimmungen über die Strafverfolgung durch Bundesbehörden sind mit jenen in andern Gesetzen im Grenzbereich zum Lebensmittelgesetz koordiniert.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

1. Kapitel: Zweck und Geltungsbereich Ingress Der Ingress nennt mit dem Artikel 69bis BV die primäre verfassungsrechtliche Grundlage für die im Lebensmittelgesetz enthaltenen Regelungen. Artikel 32ter

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BV beinhaltet das Absinthverbot, auf das sich die Artikel 9 und 47 Absatz l Buchstabe d beziehen.

Artikel l Zweck Der Zweckartikel nennt im Sinne einer programmatischen Richtlinie für die Anwendung des Gesetzes die Ziele, abgestuft nach ihrer Priorität. An erster Stelle steht der Schutz vor tatsächlichen und möglichen Gefährdungen der Gesundheit der Konsumenten durch Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände. In zweiter Linie geht es um den Schutz vor Täuschungen, aber nur im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Die Gewährleistung eines hygienischen Umganges mit Lebensmitteln wird als selbständiges Ziel aufgeführt, weil dies eine Grundvoraussetzung ist für einwandfreie Lebensmittel. Zwar muss ein unsauberer und unordentlicher Umgang mit Lebensmitteln nicht zwingend zu gesundheitsgefährdenden Waren führen, indessen wächst unter solchen Verhältnissen die Wahrscheinlichkeit, dass dies eintrifft, derart stark, dass der Gesetzgeber die Hygiene beim Umgang mit Lebensmitteln zum Schutz der Gesundheit zu einem Grundprinzip erklären muss.

Das Gesetz spricht begrifflich von «gefährden können». Damit soll bereits die Möglichkeit einer Gefährdung erfasst werden. Mit dem Schutz vor «Gesundheitsgefährdung» wird die Zielsetzung erweitert gegenüber dem Schutz vor «Schädigung». Das heisst, dass bereits das Risiko einer Schädigung ausgeschlossen werden soll.

Der Schutz vor Täuschung beinhaltet in erster Linie die Verpflichtung, über Lebensmittel wahrheitsgetreue Angaben zu machen und durch die Aufmachung nicht falsche Erwartungen beim Konsumenten zu wecken (vgl. Art. 17). Diese primär im Interesse der Konsumenten liegenden Schutzbestimmungen kommen auch den reellen Herstellern, Händlern und Verkäufern zu gute; für sie bilden sie einen Schutz vor unlauterem Geschäftsgebaren der Konkurrenz.

Artikel 2 Geltungsbereich Das Gesetz erfasst alle Vorgänge, die Einfluss haben auf Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Abs. 1). Das heisst nicht, dass über alle diese Vorgänge auch tatsächlich bestimmte Vorschriften im Gesetz enthalten sind. Denn das Gesetz greift innerhalb des umfassenden Geltungsbereichs nur dort regelnd ein, wo es durch die besondere Situation geboten ist (vgl. zur Zielsetzung Ziff. 211 der Botschaft). Begrifflich wird durch die in Absatz l erwähnten Tätigkeiten der in Artikel 69bis BV erwähnte «Verkehr» inhaltlich
verdeutlicht.

Mit Herstellen werden alle Fabrikationsprozesse, Herstellungs- und Verarbeitungsvorgänge, das Schlachten sowie die vorgelagerten Produktionsstufen in der Landwirtschaft erfasst. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wird letzteres in Absatz 2 noch ausdrücklich festgehalten.

Als Behandeln werden der Herstellung nachgelagerte Prozesse zur Verfeinerung des Ausgangsprodukts wie Zerkleinern, Mischen, Beifügen von Zusatzstoffen, Erhitzen, Verpacken, Zubereiten von Fertigprodukten, äusserliche Behandlung z. B. zur Verbesserung der Haltbarkeit (Konservierung) erfasst.

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Zum Lagern gehört das Aufbewahren auf allen Stufen.

Das Transportieren erfasst das vorübergehende Lagern in Fahrzeugen und die Anforderungen an die Fahrzeuge.

Zum Abgeben gehört die Weitergabe von Zwischenprodukten, der ganze Bereich des Verkaufs von Endprodukten in Läden und Gaststätten sowie die kostenlose Verteilung von Werbeartikeln.

Die Kennzeichnung erfasst alle Aufschriften auf Packungen (Produktbezeichnung des Herstellers oder Verkäufers, Sachbezeichnung, Deklaration von Zutaten und Zusatzstoffen).

Zum Anpreisen gehört die Anschrift in den Läden, die Aufmachung der Verpakkung, die Werbung und Reklame jeder Art in den Medien und die Direktwerbung.

Mit dem Einführen, Durchführen und Ausführen werden jene Waren erfasst, die in die Schweiz eingeführt oder hier hergestellt und exportiert werden. Erfasst werden auch der landwirtschaftliche Bewirtschaftungsverkehr sowie die Einfuhren im Marktverkehr. Bei der Einfuhr muss sichergestellt werden, dass die Waren den schweizerischen Vorschriften entsprechen. Bei der Ausfuhr geht es einerseits darum, die Produktion von Lebensmitteln nach den von unseren Vorschriften allenfalls abweichenden Normen des Bestimmungslandes zu ermöglichen und anderseits darum zu verhindern, dass gesundheitsgefährdende Lebensmittel, die in der Schweiz nicht mehr abgesetzt werden könnten, in andere Länder abgeschoben werden (vgl. Art. 26 Abs. 4).

Die landwirtschaftliche Produktion (Abs. 2) bildet zum Teil eine Vorstufe der Lebensmittelherstellung, beispielsweise der Getreideanbau für die Brotherstellung oder die Tiermast für das Fleisch. Sie ist aber auch unmittelbar Lebensmittelherstellung, beispielsweise bei der Milchproduktion sowie im Obst- und Gemüseanbau. Unter dem geltenden Gesetz besteht eine gewisse Unsicherheit, wie weit in der landwirtschaftlichen Produktion Lebensmittelrecht anwendbar ist.

Inskünftig werden Pflanzen so angebaut und Tiere so gehalten und gefüttert werden müssen, dass die daraus hervorgehenden Produkte der Lebensmittelgesetzgebung entsprechen30). Eine Grundvoraussetzung bilden gesunde Tiere und Pflanzen. Überdies sind lebensmittelrechtlich vor allem die Rückstände von Belang. Das Lebensmittelrecht wird sich daher vor allem auf die Zulassung und den Einsatz von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, Futtermitteln und Tierarzneimitteln auswirken
(vgl. Art. 5 und 7). Weil gewisse Arzneimittel vor allem bei der Tierhaltung eingesetzt werden, die Milch, Eier und Fleisch hervorbringt, ist auch eine beschränkte Tierarzneimitteleinfuhrkontrolle vom Geltungsbereich erfasst (vgl. Art. 31).

Die Geltung des Lebensmittelrechts wird in Absatz 3 Buchstabe a negativ abgegrenzt gegenüber dem Eigengebrauch, d. h. jenem Bereich, in welchem die Eigenverantwortung des Konsumenten ausschliesslich gelten soll. Die staatlichen Vorschriften werden den Konsumenten bei seiner Eigenproduktion und bei der Einfuhr für seine privaten Zwecke nicht beschränken, aber auch nicht speziell schützen. Wer selbst Lebensmittelim Garten pflanzt, in der Küche herstellt und zubereitet oder im Ausland erwirbt und einführt, darf und soll in eigener Ver918

antwortung die Risiken abschätzen und gegebenenfalls selber beseitigen. Auch Hausschlachtungen sind weiterhin in eigener Verantwortung zulässig. Eine Ausnahme bildet der Absinth, dessen Herstellung und Einfuhr auch für den Eigengebrauch verboten ist (vgl. Art. 9 und 47 Abs. l Buchstabe d).

Produkte, die zum Essen geeignet sind, können durchaus auch Heilwirkung haben. Daher ist die Lebensmittelgesetzgebung von der Heilmittelgesetzgebung abzugrenzen (Abs. 3 Bst. b). Dies ist deshalb wichtig, weil für die Heilmittelgesetzgebung und Kontrolle die Kantone als zuständig betrachtet werden, während die Lebensmittelgesetzgebung Bundessache ist. Für die Heilmittelkontrolle ist die auf einem Konkordat basierende Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) zuständig. Durch diese Abgrenzung werden grundsätzlich die Heilmittel für den Humanbereich vom Geltungsbereich der Lebensmittelgesetzgebung ausgeschlossen. Das heisst, wenn Waren als Heilmittel angepriesen und verkauft werden, erfasst sie die Lebensmittelkontrolle nicht, selbst wenn sie im Grunde, was die übrigen Eigenschaften betrifft, «Lebensmittel» sind und auch entsprechend konsumiert werden.

Die für Tiere bestimmten Heilmittel gehören indessen nur soweit in den ausschliesslichen Zuständigkeitsbereich der Kantone, als sie keinen Einfluss auf die Lebensmittelherstellung haben können (z. B. Medikamente für Hunde und Katzen). Im übrigen sollen Tierarzneimittel bei der Einfuhr kontrolliert werden.

Ihre Verwendung im Stall kann aber, namentlich im Verdachtsfall, auch von den Lebensmittelkontrollorganen überprüft werden. Die kantonalen Zulassungsbehörden für Heilmittel werden aufgrund der Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung Absetzfristen festlegen müssen, welche dem Anwender Gewähr bieten, dass schlussendlich im Endprodukt die Rückstandsgrenzwerte des Lebensmittelrechts nicht überschritten werden.

Artikel 3 Definitionen Lebensmittel (Abs. 1) wird im Gesetz als Oberbegriff für Nahrungs- und Genussmittel verwendet. Zutaten31' sind Lebensmittel.

Nahrungsmittel (Abs. 2) sind, wie es der Name besagt, zur Ernährung bestimmt.

Sie zeichnen sich aus und unterscheiden sich durch ihren Gehalt an Wasser, Eiweiss, Fetten, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Vitaminen und Ballaststoffen.

Alle diese Stoffe sind für den Aufbau und Unterhalt des menschlichen Körpers notwendig32'. Dazu gehören auch Tee, Kaffee und Gewürze. Nicht erfasst werden Nahrungsmittel wie beispielsweise Tee, wenn sie ausdrücklich als Heilmittel angepriesen werden; sie gelten als Heilmittel.

Als Genussmittel (Abs. 3) erfasst das Gesetz alkoholische Getränke, namentlich Bier, Wein und Spirituosen sowie Tabak- und Raucherwaren wie Zigaretten, Zigarren, Schnitt-, Kau-, Rollen- und Schnupftabak sowie entsprechende Surrogate. Kaffee, Tee und Gewürze, die unter dem geltenden Gesetz noch als Genussmittel eingestuft sind, werden künftig durch die Vorschriften über Nahrungsmittel erfasst. Zur Gruppe der Genussmittel gehören damit zwei Warengruppen, die wegen ihrer anregenden Wirkung genossen werden, die aber nach heutigen Erkenntnissen als Nebenwirkung ein hohes Gefährdungspotential für 919

die Gesundheit in sich bergen. Ihr übermässiger Genuss kann zu schweren gesundheitlichen Schäden führen.

Als Zutaten (Abs. 4) werden die Hauptbestandteile eines Lebensmittels erfasst (z. B. Getreidemehl beim Brot, Milch beim Joghurt) sowie Lebensmittel wie Zucker, Kochsalz und Gewürze, die zur Verfeinerung zugesetzt werden.

Als Gebrauchsgegenstände (Abs. 5) erfasst das Gesetz Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände in der Terminologie des Artikels 69bis BV. Die beiden Warenkategorien können unter einem Begriff geregelt werden, weil sich die Vorschriften nicht unterscheiden. Durch das Gesetz werden Gebrauchsgegenstände erfasst, die einen Zusammenhang mit Lebensmitteln und mit dem menschlichen Körper haben. Es ist schwierig, die durch das Gesetz erfassten Gebrauchsgegenstände durch einen umfassenden und verständlichen Begriff von zahlreichen weiteren Gebrauchsgegenständen abzugrenzen. Das Gesetz nennt daher in Absatz 5 Buchstaben a-f Gruppen, welche durch Beispiele verdeutlicht werden. Es sind alles Gegenstände oder zum Verbrauch bestimmte Mittel, welche die menschliche Gesundheit gefährden können. Dies geschieht namentlich durch Einnahme, mechanische und chemische Einwirkungen auf den Körper oder durch die Abgabe von Schadstoffen an Lebensmittel oder die Umgebung.

Zu den Inhaltsstoffen (Abs. 6) gehören alle Stoffe, die natürlicherweise in Pflanzen und Tieren und damit auch in daraus hergestellten Lebensmitteln vorkommen, wie z. B. Stärke, Eiweisse, Vitamine, Mineralstoffe, aber auch pflanzliche Gifte wie Solanin in Kartoffeln.

Als Zusatzstoffe (Abs. 7) werden die zur Erzielung bestimmter Wirkungen absichtlich zugefügten Stoffe bezeichnet. Sie finden vor allem bei verarbeiteten Lebensmitteln Anwendung, beispielsweise zur Konservierung. Dazu gehören auch heute als «Kellerbehandlungsmittel» bezeichnete Stoffe, die im Endprodukt verbleiben.

Als Fremdstoffe (Abs. 8) erfasst das Gesetz unerwünschte Stoffe, die durch die Umwelt oder durch menschliches Zutun ins Lebensmittel gelangen. Dazu gehören namentlich chemische Rückstände aus der Umwelt, aus Fabrikationsprozessen und der landwirtschaftlichen Produktion sowie Verunreinigungen und radioaktive Nuklide (vgl. Art. 8).

Wenn im Gesetz von Waren die Rede ist, so ist dies als Sammelbegriff für verschiedene Stoffe, Gegenstände usf. im jeweiligen Regelungszusammenhang zu verstehen.

2. Kapitel : Lebensrnittel und Gebrauchsgegenstände 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Artikel 4 Grundsatz Die erwähnten Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände (Abs. 1) umfassen alle Warengruppen, für die das Gesetz sicherstellen muss, dass sie die Gesundheit nicht gefährden können. Zusatzstoffe können alleine als Rohstoff, in Zwischenprodukten oder als Endprodukt auftreten. Wenn Lebensmittel, Zu920

satzstoffe und Gebrauchsgegenstände den Vorschriften nicht entsprechen, dürfen sie nicht mehr als solche im Verkehr bleiben. Sofern möglich müssen allfällige Mängel behoben werden. Falls dies nicht möglich ist, weil die Produkte gesundheitsgefährdend sind, müssen sie beseitigt oder anderswie verwendet werden (vgl. Art. 27).

Die Lebensmittelgesetzgebungen der verschiedenen Länder weichen, trotz Harmonisierungsbemühungen, zum Teil erheblich voneinander ab. Wer deshalb in der Schweiz Lebensmittel für den Export herstellt, muss, um den ausländischen Vorschriften zu entsprechen, allenfalls von der schweizerischen Lebensmittelgesetzgebung abweichen. Damit in solchen Fällen der Export nicht verunmöglicht wird, soll den Betrieben erlaubt werden, nach den ausländischen Vorschriften zu produzieren. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Ware tatsächlich ins Ausland geht (vgl. bezüglich Fleisch und Fleischerzeugnisse die Art. 69-75 der Verordnung vom 20. April 1988") über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten und betreffend die übrigen Lebensmittel die Art. 32-37 der Lebensmittelverordnung).

Artikel 5 Ausgangsprodukte Von Tieren stammen Fleisch, Milch, Eier und Honig. Es gibt grundsätzlich keine lebensmittelrechtlich begründete Beschränkung der Tierarten, die zur Fleischgewinnung geschlachtet werden dürfen. Einschränkungen könnten sich allenfalls aus Gründen der Seuchenpolizei oder des Tier- und Artenschutzes ergeben. Nach Absatz l müssen die «Rohprodukte» so ausgewählt, hergestellt und aufbereitet werden, dass die daraus gewonnenen Lebensmittel den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Pflanzen mit giftigen Inhaltsstoffen, beispielsweise Giftpilze, dürfen nicht unbesehen für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden. Die sich aus Absatz l ergebenden Anforderungen müssen von den Behörden beim Erlass von einschlägigen Ausführungsverordnungen im Bereich der Landwirtschaftsgesetzgebung, unter anderem bei der Festlegung von Zuchtzielen und von Anforderungen an Pflanzenzüchtungen sowie bei der Erstellung des landwirtschaftlichen Hilfsstoffbuches beachtet werden (vgl. Art. 60 Ziff. 3).

Das Grunderfordernis an Ausgangsprodukte wirkt sich nach Absatz 2 namentlich aus auf die : - Fütterung; die Anforderungen an das Futter müssen im Futtermittelbuch34) so umschrieben werden,
dass der korrekt fütternde Landwirt Gewissheit hat, dass keine Rückstände zurückbleiben, welche von der Lebensmittelkontrolle beanstandet werden müssen. Im Einzelfall muss der Landwirt bei der Futterzusammenstellung die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung im Auge behalten.

- Pflege; das heisst Tiere und Pflanzen müssen gesund sein und es dürfen nicht irgendwelche Mittel eingesetzt werden, die Rückstände hinterlassen; möglicherweise fallen gewisse Produkte gänzlich ausser Betracht, andere dürfen nur unter entsprechenden Vorsichtsmassnahmen (Beachtung von Wartefristen vor der Schlachtung und vor der Milchabgabe nach Euterbehandlungen) eingesetzt werden.

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- Züchtung; die Verwendung von Pflanzenzüchtungen mit ungünstigen Eigenschaften könnte beschränkt werden. Da Artikel 40 des Landwirtschaftsgesetzes die Pflanzenzucht nicht so direkt regelt wie Artikel 47 die Tierzucht, muss für den allfälligen Erlass entsprechender Beschränkungen eine Rechtsgrundlage im Lebensmittelgesetz vorgesehen werden. Die Rechtsgrundlage Betreffend die Tierzucht wird in Artikel 47 des Landwirtschaftsgesetzes geschaffen (vgl. Art. 60 Ziff. 3).

- Düngung und den Pflanzenschutz; es dürfen nach der landwirtschaftlichen Hilfsstoffverordnung35) nur solche Produkte zugelassen werden, die aufgrund ihrer Eigenschaften oder dank entsprechender Anwendungstechniken schliesslich im Lebensmittel keine unzulässigen Rückstände bewirken. Die übermässige Düngung kann insbesondere einen zu hohen Nitratgehalt in pflanzlichen Lebensmitteln bewirken. Auch der Landwirt muss sich bei der Anwendung von solchen Stoffen auf dem Feld im klaren sein, dass sie Rückstände bewirken.

Die Zulassungskompetenz nach Absatz 3 könnte aktuell werden, falls es in Zukunft gelingen sollte, auch auf synthetischem Wege Lebensmittel herzustellen.

Artikel 6 Zulässige Lebensmittel Die zulässigen Arten von Lebensmitteln sind nach dem Positivprinzip vom Bundesrat heute in der Lebensmittelverordnung und in der Eidgenössischen Fleischschauverordnung umschrieben. An diesem Prinzip wird grundsätzlich festgehalten (Abs. 1). Ein Lebensmittel ist bestimmt durch die entsprechenden Anforderungen und die zugehörige Sachbezeichnung. Die Sachbezeichnung kann sich sowohl auf ein einzelnes, unverwechselbares Lebensmittel beziehen, mit sehr eng umschriebenen Anforderungen (z. B. Milch, Vorzugsbutter) als auch auf eine Warengruppe (z. B. Teigwaren, Obst).

In Zukunft sollen die Sachbezeichnungen in der Lebensmittelverordnung nach folgendem Konzept festgelegt werden : 1. Sachbezeichnungen für Naturprodukte, die üblicherweise weitgehend unverändert abgegeben werden, sollen kurz und bündig und verständlich sein, so dass sie auch tatsächlich als Bezeichnung für das Produkt verwendet werden; die Anforderungen sollen so eng umschrieben werden, dass Täuschungen und Verwechslungen weitgehend ausgeschlossen sind, und sie sollen als Mindestanforderungen eine gewisse Qualität sicherstellen.

2. Sachbezeichnungen für Waren, die aus verschiedenen
Rohstoffen, Zutaten und Zusatzstoffen zusammengesetzt werden, bezeichnen primär eine Warengruppe. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Art Sachbezeichnung in der Regel nicht die Bezeichnung ist, unter der das Produkt vermarktet und angepriesen wird. In diesen Fällen soll sie dem Konsumenten eine Orientierungshilfe bieten, wenn er genauer wissen möchte, um was für eine Art Lebensmittel es sich handelt, und die Verbindung zur Lebensmittelverordnung herstellen. Die Sachbezeichnung bildet dann praktisch den Oberbegriff für die Deklaration der Zusammensetzung (Zutaten und Zusatzstoffe). Beispiele für diese Art von Sachbezeichnung wären etwa Backwaren, Gemüse, Dauerfleischwaren usf.

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3. Das Lebensmittel muss grundsätzlich über die Sachbezeichnung informieren. Auf der Packung muss die Sachbezeichnung in jedem Fall aufgeführt werden, sei es in Verbindung mit der Hauptbezeichnung, unter der das Produkt angepriesen wird, oder getrennt davon, in Verbindung mit der Deklaration (vgl. Art. 19). Ausgenommen sind einzig Lebensmittel, deren Art ohne weiteres erkennbar ist (z. B. Kartoffeln oder Zwiebeln im Netz).

4. Neben der Sachbezeichnung ist für das Marketing eine beliebige Bezeichnung zulässig, die nicht täuschend ist.

Nach Absatz 2 sind neue Lebensmittel, die nicht unter eine vom Bundesrat zugelassene Lebensmittelart eingereiht werden können, der zuständigen Bundesstelle (Bundesamt für Gesundheitswesen) zur Prüfung zu unterbreiten. Diese legt dabei vorläufig, im Rahmen einer Einzelbewilligung, die entsprechenden Anforderungen an das Lebensmittel und die Sachbezeichnung fest. Vorläufig bedeutet, dass die Einzelbewilligungen periodisch im Rahmen einer Änderung der Lebensmittelverordnung durch allgemein verbindliche Vorschriften abgelöst werden müssen.

Damit allzeit Klarheit besteht (für Hersteller, Konsumenten und Kontrollorgane) über die zugelassenen Lebensmittel, werden die Einzelbewilligungen regelmässig in einer Liste zusammengefasst und bekanntgegeben (Abs. 3).

Bei der Wahl der Sachbezeichnung ist im Rahmen des vorstehend dargelegten Konzepts nach den Kriterien des Absatzes 4 vorzugehen. Die Sachbezeichnung soll einmal das Lebensmittel treffend umschreiben (Bst. a). Da sich aus diesem Erfordernis allein allenfalls unpraktikable Wortschöpfungen ergeben, soll die Sachbezeichnung anderseits auch verständlich und unverwechselbar sein sowie den Erwartungen der Konsumenten Rechnung tragen (Bst. b und c). Damit soll erreicht werden, dass die Sachbezeichnung auch ihren Teil zum Täuschungsschutz beiträgt, von den Konsumenten verstanden wird und letztlich einen wesentlichen Teil der Konsumenteninformation über ein Produkt darstellt.

Aufgrund von Absatz 5 kann beispielsweise vorgeschrieben werden, dass die für Diabetiker geeigneten Nahrungsmittel speziell bezeichnet werden oder dass bestimmte Zusatzstoffe präzis deklariert werden müssen.

Artikel 7 Herstellungsverfahren Dieser Artikel hat eine doppelte Stossrichtung. Primär gibt er dem Bundesrat die Kompetenz, die Anwendung der genannten
Stoffe und Verfahren näher zu ordnen oder zu verbieten. In zweiter Linie ist die Bestimmung ein Gebot der Fairness gegenüber den Produzenten, indem sie ihnen Gewähr bietet, dass die vorschriftsgemäss produzierten Produkte nicht in der Lebensmittelkontrolle hängen bleiben.

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Die Mikroorganismen, an welche hier gedacht wird, sind, im Gegensatz zu jenen nach Artikel 8, grundsätzlich erwünscht. Sie sind vor allem für die Herstellung fermentierter Lebensmittel wie Joghurt, Käse, Würste, Wein usw. nötig.

Solche standardisierten Kulturen werden heute in grosser Menge verwendet und garantieren den Erfolg der Produktionstechnologie.

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Voraussetzung für eine Beschränkung oder gar ein Verbot ist die Notwendigkeit, erkannte Gesundheitsgefährdungen (Bst. a) oder vermutete Gesundheitsgefährdungen (Bst. b) präventiv auszuschalten. Auch risikoreiche Stoffe oder Verfahren, für die es vergleichbare Alternativen gibt (Bst. c), die also für die Lebensmittelproduktion nicht notwendig sind (z.B. Bestrahlung von Lebensmitteln, Anwendung von Hormonen in der Mast), können eingeschränkt oder verboten werden. Die Eingriffsmöglichkeiten bestehen beim Erlass von Verordnungsvorschriften, z. B. bei Zulassungen im landwirtschaftlichen Hilfsstoffbuch36* oder bei der Zulassung von Tierarzneimitteln durch die IKS, welche gegebenenfalls neu eine entsprechende «schwarze Liste» berücksichtigen muss.

Die Beschränkung kann auch darin bestehen, dass für die Anwendung bestimmter Stoffe, wie beispielsweise von Vorratschutzmitteln (vgl. Art. 14 Abs. l Bst. e) eine Bewilligung vorgeschrieben wird. Der Bundesrat kann aber auch im Einzelfall eingreifen, wenn die Gesamtumstände dazu drängen.

Artikel 8 Grenz- und Toleranzwerte Dieser Grundsatzartikel ist wegleitend für die Fremd- und Inhaltsstoffverordnung 31\ die Zusatzstoffverordnung38) und die Verordnung über die hygienischmikrobiologischen Anforderungen39'. Weil die moderne Analytik den Nachweis immer geringerer Mengen eines Stoffes ermöglicht, werden auch immer mehr Substanzen gefunden, die in irgend einer Weise gesundheitsgefährdend sein können. Der früher geltende Grundsatz, wonach in Lebensmitteln keine gesundheitsschädlichen Stoffe enthalten sein dürfen (Nulltoleranz) lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Indessen dürfen solche Stoffe nur soweit in Lebensmitteln enthalten sein (Abs. 1) und in den vorgenannten Verordnungen zugelassen werden, als sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Gesundheit nicht gefährden können.

Es gehört zu den Aufgaben des Bundes, zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen Lebensmittel als gesundheitsgefährdend zu betrachten sind. Bei Zusatzstoffen, Inhaltsstoffen, Fremdstoffen und Mikroorganismen lässt sich dies als Grenzwert (Milligramm pro Kilogramm oder Anzahl Keime pro Kilogramm) ausdrücken (Abs. 1). Dafür stehen international anerkannte toxikologische und epidemiologische Berechnungsgrundlagen zur Verfügung, die Sicherheitsfaktoren von 100 bis 1000 für individuell
unterschiedliche Reaktionen auf Gefährdungen und verschiedenartige Verbrauchsgewohnheiten in sich schliessen. Lebensmittel, bei denen der Grenzwert überschritten ist, sind grundsätzlich als ungeniessbar zu beanstanden (Art. 26 Abs. 2).

Absatz 2 Buchstabe a ist Ausdruck des das schweizerische Lebensmittelrecht in weiten Teilen prägenden «Positivlistenprinzip», wonach nur zulässig ist, was ausdrücklich erlaubt ist. Beurteilungsmassstab40) für die Festlegung der Höchstkonzentration nach den Buchstaben a und b ist der ADI-Wert (acceptable daily intake). Die täglich zulässige Aufnahme des betreffenden Fremdstoffs lässt sich aus den toxikologischen Daten und der Annahme einer bestimmten täglichen Aufnahmemenge während der Dauer des Lebens errechnen. Bei Mikroorganismen (Bst. c) werden die Grenzwerte in Zahlen festgelegt, die aus der minimalen infektiösen Dosis eines Erregers, die zu einer Erkrankung führt, abgeleitet sind.

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Wenn Fremdstoffe und Mikroorganismen nachgewiesen werden, weist dies oft auf unnötige Anwendungen solcher Stoffe oder auf mangelhafte Hygiene hin, auch wenn die festgestellten Konzentrationen den Grenzwert noch nicht erreichen. Dann gibt es auch Fremdstoffe und Mikroorganismen, die nur ein geringes Gefährdungspotential haben. Wenn die entsprechenden Grenzwerte mit Konzentrationen im Bereich von Gramm pro Kilogramm ausgeschöpft würden, wäre dies unter dem Aspekt der Verbrauchererwartung als täuschend zu beurteilen. Der Konsument stellt zu Recht die Forderung, dass Grundnahrungsmittel wie Wasser, Getreide, Gemüse, Milch und Fleisch möglichst rein sind. Bei Kumulation von Konzentrationen verschiedener Fremdstoffe knapp unterhalb des Grenzwertes kann zudem eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden.

Deshalb erweist es sich als nötig, neben dem Grenzwert einen darunter liegenden Wert, den Toleranzwert einzuführen (Abs. 3). Dieser soll nach dem Grundsatz «so wenig wie möglich», dem von Konsumentenseite ein hoher Stellenwert beigemessen wird, im Endprodukt nicht höher liegen, als dies bei guter Herstellungspraxis bei der Lebensmittelproduktion experimentell ermittelt wird. Der aufgrund toxikologischer Überlegungen ermittelte ADI-Wert soll also nicht ausgeschöpft werden, wenn es die Technologie, d. h. die Erzeugung des Rohproduktes und die weitere Verarbeitung bis zum Endprodukt nicht erfordert. Wenn sich also z. B. nach den Anwendungsregeln der good agricultural practice (GAP), der good veterinary practice (GVP) oder der good manufactoring practice (GMP) schliesslich Rückstandsmengen im Lebensmittel ergeben, die geringer sind als nach ADI-Werten berechnet, so sollen diese tieferen Werte als Toleranzwerte verbindlich erklärt werden. Für die Anwendung von Lebensmittelzusatzstoffen ist zudem die technische Notwendigkeit abzuschätzen und zu berücksichtigen.

Bei der Festlegung von Toleranzwerten ist gegebenenfalls auch die Umweltschutzgesetzgebung in die Überlegungen einzubeziehen, vor allem in Bereichen, wo mit hohen Konzentrationen von Kontaminationen aus der Umwelt gerechnet werden muss.

Das Verbot eines Stoffes bei fehlender Nachweismethode (Bst. b) ist eine präventive Schutzmassnahme. Überdies sollen Hersteller neuer Stoffe nicht zuletzt veranlasst werden, gleichzeitig die entsprechenden
Nachweisemthoden den Behörden zur Verfügung zu stellen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass deren Möglichkeiten, wie im Bereich des Dopings, ständig hinter der Entwicklung nachhinken. Bevor eine Zulassungsbewilligung erteilt wird, muss die entsprechende Analysemethode für den Nachweis in Lebensmitteln bekannt sein. Ein praktischer Anwendungsfall dieser Verbotskompetenz ist das Hormonverbot in der Tiermast.

Die Leitidee, die dem Absatz 3 zugrunde liegt, findet im Umweltschutzrecht ihre Entsprechung im Vorsorgeprinzip (vgl. Art. l Abs. 2 USG.41)) Die Überschreitung eines Toleranzwertes bedeutet nicht notwendigerweise, dass ein Lebensmittel gesundheitsgefährdend ist (Bst. a). Es kann jedoch im Wert vermindert sein und darf je nach Sachlage nur mit Auflagen (z. B. in kleinen Mengen als Beimischung, bei mikrobieller Kontamination nach Erhitzung, oder 37 Bundesblatt. 141.Jahrgang. Bd.I

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unter Angabe des Beanstandungsgrundes) verwendet werden (vgl. Art. 27 Abs. 4).

Artikel 9 Absinthverbot Als Absinth gilt Branntwein, der aromatische Bestandteile des Wermutkrautes in Verbindung mit andern aromatischen Stoffen, wie sie in Anis, Fenchel und dergleichen enthalten sind, aufweist. Fabrikation, Einfuhr, Transport, Verkauf und Aufbewahrung zum Zwecke des Verkaufs sind nach Artikel 32ter BV verboten. Das Verbot geht auf eine Volksinitiative zurück, die am 5. Juli 190842) angenommen wurde.

Die gesundheitsgefährdende Wirkung des Absinth wird seinem Gehalt an Thujon zugeschrieben, das zusammen mit dem Alkohol bei den Betroffenen zu epilepsieähnlichen Verhaltensveränderungen führen kann43'. Die Toxizität dieser Inhaltsstoffe erklärt, weshalb alkoholische Zubereitungen des Wermutkrautes wie Absihthbranntwein oder - Liköre in vielen europäischen Ländern verboten sind. Indessen wird heute auch die Ansicht vertreten, wonach die Gefährlichkeit des Thujons, nach heutiger toxikologischer Betrachtungsweise, neben jener des Alkohols, nicht derart singulär sei, dass ein Verbot in der Bundesverfassung gerechtfertigt sei.

Nicht verboten sind aber unter gewissen, genau umschriebenen Voraussetzungen, alkoholhaltige Getränke, die mit Anis, Fenchel und dergleichen aromatisiert sind, aber keine aromatischen Bestandteile des Wermutkrautes enthalten 44>.

Weil das Bundesgesetz vom 24. Juni 1910 betreffend das Absinthverbpt lediglich ein spezielles Genussmittel umschreibt und verbietet, wird es aufgrund des neuen Lebensmittelgesetzes, das die Genussmittel ebenfalls erfasst, gegenstandslos und kann aufgehoben werden (vgl. Art. 59). Die Strafbestimmung befindet sich nun in Artikel 47 Absatz l Buchstabe d.

Artikel 10 Information der Öffentlichkeit Im zweiten schweizerischen Ernährungsbericht wird festgestellt, dass die Fehlernährung in Form von Überernährung in der Schweiz das Hauptgesundheitsrisiko im Zusammenhang mit Lebensmitteln bildet (vgl. Ziff. 162 der Botschaft).

Als Konsequenz daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit vor allem über jenen Bereich zu informieren, in welchem der Einzelne durch sein Verhalten selbst Einfluss nehmen kann (Abs. 1). Die Bundesbehörden sollen dieser Aufgabe nachkommen, indem sie über Zusammenhänge und Grundsätzliches betreffend Nahrungszusammensetzung, Energiegehalt,
Zusätze wie Spurenelemente und Vitamine sowie Gefahren mikrobieller Verunreinigungen und Belastungen mit Schadstoffen aus der Umwelt und aus Fabrikationsprozessen informieren. Dazu gehören auch Informationen über die ermittelten tatsächlichen Verhältnisse bezüglich Ernährungsgewohnheiten und die daraus zu ziehenden Schlüsse. Der Einzelne soll dadurch zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung motiviert werden.

Als Mittel der Information fallen in Betracht: Pressemitteilungen und Kurzartikel in Tageszeitungen und Fachzeitschriften oder dem Bulletin des Bundesam926

tes für Gesundheitswesen, Referate sowie zusammenhängende Darstellungen, wie z. B. der Zweite Schweizerische Ernährungsbericht.

Die Bundesbehörden sollen sich sodann namentlich auch bei aktuellen Problemen, welche die Öffentlichkeit beschäftigen, zu den Gesamtzusammenhängen und zu den gesundheitlichen und ernährungsphysiologischen Belangen äussern.

Zu denken ist an Situationen wie die Listerienvorkomrnnisse 1987/88, in welchen eine offene, die Gesamtzusammenhänge berücksichtigende Öffentlichkeitsarbeit Voraussetzung ist, um der Bevölkerung ein der Situation angepasstes, nicht nur von Emotionen geleitetes, Verhalten zu ermöglichen.

Die gezielte, ereignisbezogene Information über die Aktivitäten und Massnahmen der Behörden inbezug auf einzelne Waren bzw. Hersteller, Importeure, Verteiler usf. in Fällen wie dem Hormonskandal 1980, dem Weinskandal 1985, den Listerienvorkommnissen 1987/88 und der Importsperre für Salami 1988, ist schon durch Artikel 8 des Verwaltungsorganisationsgesetzes45^ vorgesehen. Danach muss die Öffentlichkeit über Massnahmen und die Arbeit der Bundesverwaltung orientiert werden, «soweit ein allgemeines Interesse daran besteht und dadurch keine wesentlichen schutzwürdigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt werden». Das heisst, in solchen Situationen gilt es, den Anspruch der Öffentlichkeit auf rückhaltlose Information abzuwägen gegenüber dem Anspruch der betroffenen Privaten auf Geheimhaltung ihrer Namen. Es kann also der Fall eintreten, dass bei bekannten Produkten und Firmen der Anspruch auf Wahrung der Anonymität vor dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit zurückzutreten hat. In diesen Fällen sind die Bundesbehörden von der Schweigepflicht betreffend einzelne getroffene Verfahren und Massnahmen entbunden.

Die Warnung der Öffentlichkeit vor gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln richtet sich nach Artikel 43.

Die Informationspflicht trifft die Bundesbehörden, die mit dem Vollzug bzw.

der Aufsicht über den kantonalen Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung betraut sind (vgl. Art. 35), in erster Linie das Bundesamt für Gesundheitswesen, das die Gesamtverantwortung gegenüber den Konsumenten wahrnimmt. Die Behörden werden dabei unterstützt von der Ernährungskommission (vgl.

Art. 38), welche das Wissen zusammenträgt und die Bundesbehörden berät.

Nach Absatz 2 kann
der Bund für die Öffentlichkeitsarbeit auch geeignete Stellen ausserhalb der Verwaltung beauftragen. Zu denken ist vor allem an Informatioriskampagnen mit thematischen Schwerpunkten iri der Öffentlichkeit und in Schulen. Überdies hat der Bund auch die Möglichkeit, eigentliche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Ernährung anzuregen und zu unterstützen.

2. Abschnitt: Gesundheit Artikel 11 Nahrungs- und Genussmittel Dieser Artikel nennt die zentralen Grundanforderungen an Nahrungs- und Genussmittel (vgl. Art. 3). Die Anforderungen an Genussmittel hinsichtlich ihrer Gesundheitsgefährdung gehen weniger weit. Würden sie nach dem strengen Massstab für Nahrungsmittel beurteilt, müssten Erzeugnisse mit Tabak und Al927

kohol an sich verboten werden. Vorausgesetzt wird in jedem Fall ein «üblicher Gebrauch». Dieser ist dann anzunehmen, wenn das Nahrungs- oder Genussmittel 'entsprechend ernährungsphysiologischen Erkenntnissen nicht im Übermass, einseitig oder mit Rücksicht auf seine Art und Zusammensetzung nicht in zweckentfremdeter Weise eingenommen wird. Das Gesetz nimmt dem Konsumenten nicht jede Eigenverantwortung ab und schützt ihn nicht vor selbstverschuldetem, unvernünftigem Verhalten (vgl. Ziff. 161 der Botschaft).

Nahrungsmittel dürfen nach Absatz l die Gesundheit grundsätzlich «nicht gefährden». Die Anforderungen an das einzelne Nahrungsmittel, die sich aus der Anwendung dieses Grundsatzes ergeben, sind nicht in jedem Falle gleich.

Grundnahrungsmittel, die täglich oder zumindest oft gegessen werden, müssen insbesondere bezüglich der Grenzwerte (vgl. Art. 8) strengeren Anforderungen genügen, als z. B. Delikatessen, die in der Regel in kleineren Mengen, weniger oft und unregelmässig gegessen werden.

Genussmittel (Abs. 2) sind definitionsgemäss Tabak- und Raucherwaren sowie alkoholische Getränke. Es ist heute eine bekannte Tatsache, dass sie gesundheitsgefährdend sein können. Nikotin beispielsweise ist ausserhalb des Lebensmittelrechts in die Giftklasse l eingereiht. Auch die Genussmittel können indessen so beschaffen sein, dass sie direkt und unmittelbar gesundheitsgefährdend wirken oder aber nur auf längere Frist oder bei Genuss im Übermass. Deshalb dürfen Genussmittel die Gesundheit «nicht unmittelbar» oder «in unerwarteter Weise» gefährden. Mit dem zweiten Erfordernis will man insbesondere Fremdund Inhaltsstoffe46' ausschliessen, die der Konsument neben dem Alkohol oder dem Nikotin nicht erwartet. Nicht zu schützen vermag das Gesetz denjenigen, der im Übermass raucht und trinkt. Diese Leute nehmen Gesundheitsschäden bewusst in Kauf.

Verschiedentlich ist schon gefordert worden, die Genussmittel sollten in einem separaten Gesetz geordnet werden. Dies wäre von der Verfassungsgrundlage her möglich. Indessen ist der Vorschlag der Bundesbehörden, ein sogenanntes Präventivgesetz zu schaffen, vor knapp sechs Jahren auf kein Interesse oder Ablehnung gestossen. Damit bleibt es vorläufig dabei, dass Nahrungs- und Genussmittel zusammen im Lebensmittelgesetz geordnet werden. Weil die auf Genussmittel bezüglichen
Vorschriften nicht sehr zahlreich sind, ergibt sich daraus kaum ein Nachteil. Den spezifischen Problemen im Zusammenhang mit Genussmitteln soll indessen vermehrt Rechnung getragen werden. Dies ist möglich, indem die diesbezüglichen Verordnungsvorschriften aus der Lebensmittelverordnung ausgegliedert und in einer neuen Verordnung über Genussmittel zusammengefasst werden.

Die in Absatz 3 ins Auge gefassten Nahrungsmittel werden nicht zu Genussmitteln erklärt. Der Bundesrat hat lediglich die Kompetenz, die Anforderungen an jenen für Genussmittel zu orientieren. Das heisst, solche Nahrungsmittel dürfen die Gesundheit wenigstens nicht unmittelbar oder in unerwarteter Weise gefährden. Diese Vorschrift ist nötig, um Spezialitäten wie Tintenfische und andere Meerestiere mit ihrer erhöhten SchwermêtàHbelastung aus dem Meer, oder exotische Spezialitäten mit von unserem Standard abweichender Herstellungspraxis, weiterhin auf dem Schweizer Markt zulassen zu können. Bei der Festlegung 928

der zulässigen Höchstkonzentrationen für Fremd- und Inhaltsstoffe wird den speziellen Konsumgewohnheiten, der zu erwartenden Häufigkeit der Einnahme usf. Rechnung getragen. Nötigenfalls kann die Zulassung solcher Nahrungsmittel mit erhöhtem Risiko mit einer Publikumsempfehlung oder Warnaufschrift nach Artikel 20 Absatz l gekoppelt werden.

Artikel 12 Gebrauchsgegenstände Für Gebrauchsgegenstände gilt grundsätzlich derselbe Massstab wie für Nahrungsmittel. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Produkte, die im Lebensmittelgesetz als Gebrauchsgegenstände erfasst werden (vgl. Art. 3), ist die Einschränkung des Schutzes auf den «üblichen oder zu erwartenden Gebrauch» bedeutsam. Das heisst beispielsweise, dass Kinderspielzeuge nicht aus giftigem Material hergestellt sein oder scharfe Kanten aufweisen dürfen, weil zu erwarten ist, dass die Kinder die Sachen in den Mund nehmen. Ess- und Trinkgeschirre dürfen Blei nur in begrenzter Menge enthalten, weil es sich herauslösen und in die Lebensmittel übergehen kann. Kosmetika sollen keine Entzündungen oder Juckreize hervorrufen. Anormale Verwendungsarten, die ausserhalb von Regel und Usanz liegen, müssen bei der Beurteilung des Gefährdungspotentials nicht in Betracht gezogen werden.

Artikel 13 Werbebeschränkung Der Werbung für gebrannte Wasser sind heute dank Artikel 42b des Alkoholgesetzes 47> Schranken gesetzt. Sie ist namentlich verboten an Radio und Fernsehen, öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln sowie bei Sport- und Jugendveranstaltungen. Dagegen wird der geltende Artikel 420d der Lebensmittelverordnung über die Beschränkung der Werbung für Tabakerzeugnisse in der Praxis kaum beachtet. Segler, Ski- und Autorennfahrer sind heute bevorzugte Werbeträger der Zigarettenhersteller und werben auf ihren Kleidern und Sportgeräten ungehemmt für ihre Sponsoren. Zielpublikum sind in erster Linie Jugendliche, welche der Suchtgefahr leichter erliegen.

Dieser Artikel gibt grundsätzlich die Möglichkeit, die Werbung für alkoholische Getränke sowie für Tabak- und Raucherwareh einzuschränken. Der Geltungsbereich ist also weiter als die Regelung über gebrannte Wasser in der Alkoholgesetzgebung. Anderseits müssten sich allfällige Beschränkungen in erster Linie am Schutzbedürfnis für Jugendliche orientieren. Die Möglichkeit einer wirksamen Einschränkung geschieht auch
im Sinne verschiedener einschlägiger parlamentarischer Vorstösse (vgl. Ziff. 15). Ausführungsvorschriften aufgrund dieses Artikels müssen mit der Alkoholgesetzgebung koordiniert sein.

3. Abschnitt : Umgang mit Lebensmitteln Artikel 14 Hygiene Im Zweiten Schweizerischen Ernährungsbericht wird festgestellt (vgl. Ziff. 162 der Botschaft), dass pathogène Mikroorganismen in der Nahrung, nach der selbstbewirkten Überernährung, das zweitgrösste Risiko bilden. Mikroorganis929

men sind die Hauptursache für Lebensmittelverderbnis. Im übrigen sind Lebensmittel generell vor Verunreinigungen aller Art zu bewahren.

Absatz l setzt prophylaktische Randbedingungen für den Umgang mit Lebensmitteln, die sicherstellen sollen, dass die Waren bei der Herstellung, Behandlung, Lagerung oder dem Transport nicht von aussen ungünstig beeinflusst werden. Der Sammeltransport verschiedener Waren zur Versorgung von Läden wird durch diese Vorschrift nicht verunmöglicht. Solche Massnahmen sind unerlässlich, da es nicht möglich ist, alleine mit einer intensiven Endproduktekontrolle (vgl. Art. 24) sicherzustellen, dass alle Lebensmittel immer den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Absatz 2 betrifft vor allem Personen, die in der Lebensmittelverarbeitung und im Gastgewerbe tätig sind. Sie müssen sich, je nach Risikolage, besonderen Schutzmassnahmen im Umgang mit Lebensmitteln unterziehen. Insbesondere müssen sie sich ärztlich behandeln lassen und den direkten Kontakt mit ungeschützten Lebensmitteln meiden. Besondere Schutzmassnahmen sind namentlich bei Ausscheidern von Salmonellen, Campylobakter und Staphylokokken (Baktierenarten) notwendig, die in der Praxis immer wieder zu Problemen Anlass geben.

Gestützt auf Absatz 3 wird der Bundesrat insbesondere die Anforderungen an Räume und Einrichtungen festlegen sowie den Umgang mit Nahrungsmitteln, die besondere Hygieneanforderungen stellen (z. B. Kühltemperaturen für Fleisch und Fleischerzeugnisse), näher ordnen.

Artikel 15 Schlachtung Weil die Hygienerisiken bei der Schlachtung durch günstige bauliche und betriebliche Voraussetzungen entscheidend gemildert werden können, ist es gerechtfertigt, Schlachtungen nur unter amtlich geprüften Voraussetzungen zuzulassen (Abs. 1). Denn kein anderes Lebensmittel als Fleisch wird bekanntlich so nahe von Schmutz sowie Magen- und Darminhalt gewonnen. Schlachtanlagen jeder Art müssen daher im Unterschied zu andern Räumen für Lebensmittel, durch die Organe der Lebensmittelkontrolle bewilligt werden, bevor sie in Betrieb genommen werden (vgl. Art. 16). Grössere Anlagen sind komplexe und teure Betriebe, die in Zusammenarbeit mit den Behörden sorgfältig geplant und ausgeführt werden müssen. Aufgrund einer nachträglichen Überprüfung wäre es in der Regel schwierig, noch wesentliche Änderungen durchzusetzen.
Nach Absatz 2 wird der Bundesrat für Wild aus freier Wildbahn und Fische keine Schlachtung in einem bewilligten Raum vorschreiben (Est. a). Als «gelegentliche Schlachtung» können insbesondere Schlachtungen von einzelnen Tieren zur Versorgung abgelegener Gebiete ausgenommen werden. Desgleichen dürfen Kaninchen und Geflügel, solange sie in begrenzter Zahl und in örtlich beschränktem Rahmen verkauft werden, in andern geeigneten Räumen geschlachtet werden. Auch Schlachtungen der Armee im Felde sind in diesem Rahmen zulässig. Die Hausschlachtung als Schlachtung für den Eigengebrauch gehört nicht dazu. Sie wird durch den Geltungsbereich des Gesetzes nicht erfasst und ist ohne behördliche Kontrolle zulässig.

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Krankheitsverdächtige, kranke und verunfallte Tiere (Bst. b) sollen aus hygienischen Gründen, damit eine Beeinträchtigung von andern Tieren und des übrigen Fleisches vermieden wird, in separaten Räumen geschlachtet werden. Diese Räume müssen, als Schlachträume, ebenfalls behördlich bewilligt sein. Hingegen ist es, namentlich aus Gründen des Tierschutzes, nicht immer möglich, Tiere rechtzeitig in eine solche Schlachtanlage zu bringen. In diesen Fällen soll es zulässig sein, die Tiere ani Ort und Stelle, allenfalls auf dem freien Feld, zu schlachten (töten, entbluten, ausweiden), ohne dass das Fleisch zwingend genussuntauglich erklärt werden muss (vgl. Art. 25).

Artikel 16 Schlachtanlagen Grundlegend für die Konzeption einer Schlachtanlage (Abs. 1) ist der Grundsatz der Trennung in einen reinen und einen unreinen Teil. Auf jeder Stufe des Schlachtprozesses muss das Fleisch klar getrennt sein vom unreinen Teil, wo namentlich die verschmutzte Haut, die Fusse, die Eingeweide mit dem Magenund Darminhalt, die nicht genusstauglichen Organe, Schlachtabfälle und das bei der Fleischschau konfiszierte Fleisch hingehören.

Zu einer Schlachtanlage gehören für die verschiedenen Arbeitsschritte von der Anlieferung der Tiere bis zum Abtransport des Fleisches und der nicht als Nahrungsmittel verwendeten Teile der Tierkörper zumindest Schlachtviehstall, Tötebucht, Schlachtlokal, Kühlraum und Zerlegeraum. Für die einstweilige Aufbewahrung von Fleisch, das bei der Fleischschau näher geprüft werden muss, z. B.

durch Laboruntersuchungen, ist ein abgesonderter Kühlraum notwendig.

Die vom Bundesrat festzusetzende Mindestgrösse (Abs. 2) richtet sich nach dem Umfang der geplanten Schlachtungen und den hauptsächlich zur Schlachtung vorgesehenen Tieren.

Grossschlachtanlagen (Abs. 3) sind Betriebe mit komplizierten Verfahrensabläufen, deren Planung und Ausstattung viel einschlägiges Fachwissen und Erfahrung erfordert. Daher ist die Plangenehmigung durch eine Bundesbehörde angebracht. Sie sichert eine auf Erfahrung mit zahlreichen Anlagen basierende Beurteilung und verhindert Marktverzerrungen dank Beurteilung nach einem einheitlichen Massstab.

Die Betriebsbewilligung (Abs. 4) erteilt der Kanton. Vor der Erteilung muss vor allem geprüft werden, ob die Anlage entsprechend den genehmigten Plänen gebaut oder umgebaut worden
ist. Das Erfordernis einer solchen Bewilligung erleichtert den Kontrollorganen die Überwachung des Betriebs. Bei nicht vorschriftsgemässem Betrieb, entgegen den Bedingungen und Auflagen der Betriebsbewilligung, oder groben Mängeln, kann eine Betriebsbewilligung entzogen werden. Dies ist nicht nur wegen Mängeln an der Anlage (vgl. Art. 28), sondern auch wegen Mängeln im Umgang mit dem Fleisch (vgl. Art. 14) möglich.

931

4. Abschnitt: Täuschung bei Lebensmitteln Allgemeines Die Bundeskompetenz zur Regelung des Lebensmittelbereichs und der Gebrauchsgegenstände wurde seinerzeit hauptsächlich geschaffen, um «den Verkauf von gefälschten oder verfälschten und gesundheitsschädlichen Nahrungsund Genussmitteln zu unterdrücken» (vgl. Beispiele in der Botschaft vom S.März 189548)). Täuschung beinhaltete damals eine wesentliche gesundheitsschädigende Komponente. Heute präsentiert sich die Lage insofern anders, als Täuschungen durch sogenannte Lebensmittel-Surrogate mit schädlichen ernährungsphysiologischen oder gesundheitlichen Nebenwirkungen nicht mehr von wesentlicher Bedeutung sind. In der heutigen Zeit bezieht sich Täuschung faktisch vorwiegend auf die Erwartungen der Konsumenten und die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils durch Verwendung billigerer Ware, die ernährungsphysiologisch nicht unbedingt schlechter ist, als aufgrund der Anpreisung oder Aufmachung erwartet werden dürfte. Dass Täuschung heute kaum mehr, wie früher, mit gesundheitlichen Risiken verknüpft ist, ist vor allem auf die geltende Lebensmittelgesetzgebung und -kontrolle sowie andere wirtschaftliche und soziale Verhältnisse zurückzuführen. Die Täuschungsgefahr lässt sich heute weitgehend durch eine verständliche Sachbezeichnung und eine klare Angabe der Zusammensetzung der Lebensmittel vermeiden, denn es darf vom Konsumenten erwartet werden, dass er die entsprechenden Angaben zur Kenntnis nimmt und in der Lage ist, seinen Entscheid danach zu richten.

Im Einklang mit der Verfassungsgrundlage verzichtet das Lebensmittelgesetz darauf, auch die Täuschung bei Gebrauchsgegenständen zu erfassen. In diesem Bereich spielt die subjektive Erwartung der Konsumenten eine derart ausgeprägte Rolle, dass es kaum möglich erscheint, sinnvolle, praktikable und kontrollierbare Beurteilungskriterien gesetzlich festzulegen. Soweit von Konsumentenseite das Bedürfnis besteht, im Bereich der Gebrauchsgegenstände den Täuschungsschutz mit gesetzlichen Mitteln zu verstärken, wäre dies im Rahmen des beantragten Bundesgesetzes über die Förderung der Konsumenteninformation 49) zu verwirklichen.

Artikel 17 Täuschungsverbot Eine Täuschung beinhaltet eine bewusste Irreführung, die auf Vorstellung und Handeln eines andern (des Konsumenten) in einem bestimmten Sinne (des Kaufentscheids)
einwirken soll. Dementsprechend erklärt das Gesetz als Grundsatz die berechtigte Erwartung der Konsumenten zum Massstab (Abs. l).

Allerdings fällt nicht jede subjektive oder ausgefallene Erwartung in Betracht, sondern nur die berechtigte, das heisst jene, die unter Berücksichtigung der in Betracht fallenden Umstände und verständlicher Begründungen, vernünftigerweise angenommen werden darf. Dazu gehören Erwartungen bezüglich der vorschriftsgemässen Beschaffenheit, einer gewissen Qualität, allenfalls bestimmter Wirkungen und vorherrschender Verkehrsauffassung. Anderseits könnten Erwartungen, deren Erfüllung im Bereich Rückstände eine «reine» Umwelt ohne Belastung durch chemische Stoffe voraussetzen würden, in der Regel heute ·nicht mehr als berechtigt anerkannt werden (mit den heutigen Analysemetho932

den lassen sich praktisch in jedem Produkt Spuren von irgendwelchen Rückständen nachweisen). Das Täuschungsverbot gilt sowohl für Täuschungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung, die sich in einer Übervorteilung äussern, als auch für solche mit nachteiligen gesundheitlichen Folgen (vgl. BGE 103 IV 122 ff.).

Beispielsweise darf heute erwartet werden, dass sogenannte «Light»-Produkte signifikant weniger Kalorien beinhalten, als Standardprodukte der gleichen Kategorie. Anderseits darf von einem Natur- oder Bio-Produkt erwartet werden, dass es ohne Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel produziert wird und weitgehend frei von chemischen Rückständen ist.

Absatz 2 hat in erster Linie die finanzielle Übervorteilung durch irreführende Angaben oder Aufmachungen (z. B. Verpackung) im Auge. Betroffen ist indessen nicht jede, die Aufmerksamkeit auf sich lenkende Aufmachung, welche von einem aufmerksamen Konsumenten durchschaut werden kann. Die Diskrepanz zwischen Sein und Schein muss erheblich sein für den Entscheid des Konsumenten (vgl. Art. 15 der Lebensmittelverordnung). Mit dem im Gesetz festgehaltenen Grundsatz betreffend die Täuschung wird keine Praxisänderung bezweckt. Wie bisher (Art. 15 der Lebensmittelverordnung), wird es nötig sein, die Beurteilungskriterien in der Verordnung zu präzisieren.

Absatz 3 verpflichtet zu wahrheitsgemässen Angaben über ein Lebensmittel. Das Gesetz schränkt die zulässigen Angaben grundsätzlich nicht ein; wenn etwas über das Lebensmittel gesagt oder geschrieben wird, muss es jedoch den Tatsachen entsprechen (vgl. betreffend solche Angaben Art. 20).

Artikel 18 Nachahmung und Verwechslung Absatz l bezieht sich auf das Verhältnis verschiedener Lebensmittel zueinander.

Diese Bestimmung findet auch Anwendung auf Lebensmittel, die für sich allein betrachtet vorschriftsgemäss wären. Die Nachahmung ist nicht generell verboten, sondern nur die Nachahmung zur Täuschung. Zu denken ist etwa an billige Lebensmittel, die einem leicht verwechselbaren teureren oder ernährungsphysiologisch hochwertigeren nachempfunden werden. Dazu gehören unter anderem die klassischen Surrogate oder schlichten Fälschungen. Lebensmittel dürfen aber auch nicht so hergestellt, behandelt, abgegeben oder angepriesen werden, dass der Konsument einem Irrtum erliegt, der ihn aufgrund seiner berechtigten Erwartung
zu falschen Schlüssen veranlasst, mithin die Täuschung bewirkt. Nach diesem Massstab wird auch die für die Vermarktung eines Produkts vom Hersteller oder Verkäufer frei gewählte Bezeichnung beurteilt (vgl. Art. 19 Abs. 3). Weitere Hinweise zur Problematik der Täuschung finden sich in der Judikatur über die Warenfälschung nach den Artikeln 153 und 154 des Strafgesetzbuches.

Absatz 2 ordnet das Verhältnis von Lebensmitteln zu andern Waren, die üblicherweise mit Lebensmitteln zusammen gelagert oder angeboten werden. Diese Waren müssen unverwechselbar bezeichnet und allenfalls bei der Lagerung und in Geschäftsauslagen von Lebensmitteln getrennt werden. In Betracht fallen etwa das Futter für Hunde und Katzen oder Formen und Verpackungen im Kosmetikbereich wie Seifen in Form von Früchten, Haarwaschmittel in Getränkeverpackungen usf.

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5. Abschnitt: Angaben über Lebensrnittel Artikel 19 Auskunftspflicht und Bezeichnung Wer Lebensmittel abgibt, sei es als Zwischenprodukt an einen weiteren Lebensmittelverarbeiter, sei es als Verkäufer im Laden an die Konsumenten oder als Wirt an Gäste, muss nach Absatz l den Abnehmer über die Zusammensetzung des betreffenden Lebensmittels informieren. Diese Informationspflicht schliesst die Rezeptur nicht ein; sie beinhaltet lediglich Angaben über die Lebensmittelart (Sachbezeichnung) bzw. bei zusammengesetzten Lebensmitteln die verschiedenen Ausgangsprodukte, die Zutaten und Zusatzstoffe sowie allenfalls weitere vom Bundesrat speziell vorgeschriebene Angaben. Der Bundesrat kann den Umfang der Auskunftspflicht nötigenfalls (z. B. bei verschnittenem Wein) in den Ausführungsvorschriften präzisieren.

Jedes Lebensmittel ist nach Artikel 6 unter einer Sachbezeichnung zugelassen.

Mit der Sachbezeichnung sind auch die Zusammensetzung und weitere Anforderungen definiert. Die Sachbezeichnung muss daher bei der Abgabe des Lebensmittels bekanntgegeben werden; im Offenverkauf kann dies mündlich geschehen. Dies erlaubt es dem Konsumenten, zusammen mit der Angabe der Zutaten und Zusatzstoffe, das betreffende Lebensmittel zu beurteilen und mit andern zu vergleichen.

Auf Packungen (Abs. 2) müssen diese Angaben nach den präzisierenden Vorschriften des Bundesrats (vgl. Art. 20) aufgedruckt werden. Er wird unter anderem Mindestanforderungen aufstellen, damit die Sachbezeichnung nicht verschleiert wird. Die Angabe der Zutaten und Zusatzstoffe erfolgt heute auf der Packung in der Regel in mengenmässig absteigender Reihenfolge50*, entsprechend der im Produkt enthaltenen Menge. Der genaue Gewichts- oder Prqzentanteil muss in der Regel nicht angegeben werden. Die Angabe der Haltbarkeit ist heute bei Fleisch und Fleischwaren vorgeschrieben, wenn sie vorverpackt sind. Bei den übrigen Lebensmitteln ist dies nur ausnahmsweise der Fall, beispielsweise bei der Milch.

Lebensmittel und Zusatzstoffe müssen nach Absatz 3 nicht unter der Sachbezeichnung als Blickfang angepriesen und abgegeben werden. Es ist zulässig, eine beliebige, das Marketing erleichternde Bezeichnung zu verwenden, beispielsweise Marke, Fantasiebezeichnung, Traditionsname, fremdsprachliche Bezeichnung usf. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist, dass die
Bezeichnung nicht täuschend ist (vgl. Art. 18). Mit diesem Grundsatz wird der heutigen bewährten Praxis Rechnung getragen.

Bei Lebensrnitteln, die ohne weiteres erkennbar sind (z. B. Gemüse in durchsichtigen Packungen) muss die Sachbezeichnung nicht zwingend auf den Pakkungen angebracht werden (Abs. 4). .

.

Artikel 20 Besondere Kennzeichnung Neben den allgemein obligatorischen Angaben nach Artikel 19 sind weitere Angaben zulässig und heute vielfach üblich. Sie umschreiben das Produkt näher und erleichtern dem Konsument den Kauf entscheid und die Verwendung in der Küche. Zulässig sind beispielsweise Hinweise auf die Haltbarkeit im Kühl934

schrank, Lagertemperaturen, biologische Produktion, tierschutzgerechte Produktionsart, Rezepte für die Zubereitung, diätetische Zusammensetzung, Gehalt an Kalorien, Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen. Der Bundesrat kann solche Angaben, wenn ein besonderes Bedürfnis besteht, auch vorschreiben (Abs. 1). Diese Bestimmung erlaubt namentlich, bei Genussmitteln Warnaufschriften betreffend die Gesundheitsgefährdung zu verlangen.

Die Haltbarkeit ist im Rahmen der Selbstkontrolle (vgl. Art. 22) durch den Hersteller oder Verkäufer grundsätzlich selbst zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich die Vorschriften über die hygienisch-mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel51). Die Haltbarkeit findet dann ihren Ausdruck in einer entsprechenden Datierung. Das künftige allgemein gültige Datierungssystem muss erst noch bestimmt werden. Es wird nicht in allen Fällen nötig sein, die Datierung vorzuschreiben; nur bei besonders heiklen Waren wird dies der Fall sein. Heute stellt man fest, dass rund 90 Prozent aller vorverpackten Waren bereits freiwillig datiert werden. Die Haltbarkeit wird jedoch beispielsweise bei leicht verderblichen Fleischwaren weiterhin allgemein verbindlich festgelegt werden müssen. Es soll aber der Grundsatz gelten, dass, wer eine Verkaufsfrist angibt, dies nach einem einheitlichen System tun soll. Nach einer Norm des Codex alimentarius könnte dieses darin bestehen, dass die Haltbarkeit (haltbar bis ...) angegeben wird und nicht, wie heute vorgeschrieben, das Endverkaufsdatum.

Nach Absatz 2 wird der Bundesrat namentlich spezielle Angaben bei Lebensmitteln verlangen, die für Allergiker gefährlich werden können, oder bei diätetischen Lebensmitteln Angaben über den Nährwert. Die besondere Kennzeichnung (Bst. b) ist gedacht für Produkte, die besonders leicht zu Täuschung Anlass geben. Beispielsweise diätetische Lebensmittel, die im Haus-zu-Haus-Verkauf angeboten werden. Zu schützende Konsumenten sind in erster Linie sehr junge und alte Leute.

Absatz 3 bezieht sich auf jenen Bereich, der heute teilweise durch die Verfügung des Eidgenössischen Departements des Innern vom 7. März 195752' über Zusatz und Anpreisung von Vitaminen bei Lebensmitteln geordnet wird. Die diesbezüglichen Vorschriften werden allerdings, namentlich was die Selbstkontrolle (vgl. Art. 22) anbelangt,
grundlegend überarbeitet werden müssen. Mengenelemente umfassen namentlich Metalle und Mineralien, die in grösseren Mengen (nicht nur in Spuren) physiologisch notwendig sind.

3. Kapitel: Lebensmittelkontrolle Allgemeines Die Bestimmungen der Artikel 21-30 gelten im ganzen Bereich der Lebensmittelkontrolle im Inland sowie im Zusammenhang mit der Ein-, Durch- und Ausfuhr. Die vorgesehenen Massnahmen können im Rahmen ihrer Zuständigkeit sowohl von den kantonalen Kontrollorganen (vgl. Art. 40) wie von den Kontrollorganen des Bundes (Zollbeamte, Grenztierärzte) angeordnet werden.

935

1. Abschnitt: Kontrollpflichten Artikel 21 Untersuchungsmethoden Derjenige, der untersucht, inwieweit Lebensmittel gesundheitsgefährdend oder zur Täuschung geeignet sind, muss nach einheitlichen Untersuchungsmethoden vorgehen, sonst könnte es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Kantonen geben. Dieser Artikel gibt deshalb dem Bundesrat die Möglichkeit, zu empfehlen oder zu bestimmen, nach welchen Untersuchungsmethoden die verschiedenen Laboratorien vorzugehen haben.

Das Lebensmittelbuch53) enthält schon heute eine Sammlung von Untersuchungsmethoden und Richtlinien für die Beurteilung von Lebensmitteln durch die Kontrollorgane (Abs. 1). Es wird ständig weitergeführt, überarbeitet und an neue Erkenntnisse und Bedürfnisse angepasst. Es ist in erster Linie ein Hilfsmittel für die Laboruntersuchungen.

Obwohl die Normen des Lebensmittelbuchs in der Regel von den Kontrollorganen nicht zwingend zu befolgen sind, ist es dennoch von grosser praktischer Bedeutung für eine zweckmässige, rationelle und einheitliche Lebensmittelkontrolle. Es wird daher offiziell veröffentlicht (Abs. 2). Künftig wird es auch vermehrt von den Lebehsmittelherstellern und Verkäufern im Zusammenhang mit der ihnen auferlegten Selbstkontrolle beachtet werden müssen. Angesichts des Umfanges des Lebensmittelbuches und des beschränkten Adressatenkreises in den Kantonen wird auf eine vollständige Veröffentlichung im Bundesblatt verzichtet; lediglich Titel und Bezugsquelle werden angegeben54'.

Der Bundesrat kann jedoch nach Absatz 3 einzelne Teile des Lebensmittelbuches verbindlich erklären. Er wird dies in erster Linie für jene Bereiche tun, bei denen für die Selbstkontrolle und den einheitlichen Vollzug eine Untersuchung und Beurteilung nach einer bestimmten Methode (Referenzmethode) notwendig ist. Die Verordnung mit den Verweisen auf die verbindlich erklärten Teile des Lebensmittelbuches wird in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht.

Artikel 22 Selbstkontrolle Absatz l stellt klar, dass alle, die mit Lebensmitteln, Zusatzstoffen und Gebrauchsgegenständen umgehen, dafür verantwortlich sind, dass die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände den Vorschriften entsprechen. Da man sich in vielerlei Hinsicht nur mit gezielten Laboruntersuchungen Gewissheit verschaffen kann, dass das betreffende Produkt den
gesetzlichen Anforderungen entspricht, und da finanzielle Überlegungen allenfalls von den nötigen Untersuchungen abhalten könnten, verpflichtet das Gesetz ausdrücklich zur Vornahme der entsprechenden Untersuchungen. Diese Verpflichtung ist neu, aber unerlässlich um einwandfreie Lebensmittel zu gewährleisten, ohne die staatliche Lebensmittelkontrolle beträchtlich auszubauen.

Gute Herstellungspraxis (GHP) bedeutet, dass die branchenüblichen Rezepturen, Verfahren und Qualitätskontrollen vorgenommen werden 55 ). Im übrigen wird nach den tatsächlichen Verhältnissen beim Betroffenen differenziert. Beispielsweise muss ein kleiner Betrieb kein eigenes Labor betreiben; er kann sich auf ein Vertragslabor seiner Wahl stützen.

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Die amtliche Lebensmittelkontrolle ist eine Stichprobenkontrolle (Art. 23). Nur die Kontrolle der Schlachttiere im Rahmen der Fleischschau (Art. 25) ist lükkenlos. Deshalb dürfen Lebensmittel nicht im Vertrauen darauf produziert, verkauft und gekauft werden, dass die Lebensmittelkontrolle in jedem Fall mangelhafte Lebensmittel entdecken und aus dem Verkehr ziehen werde (Abs. 2).

Auch bei der Einfuhr darf sich ein Importeur nicht nur auf die Untersuchungen an der Grenze verlassen.

Bei der Fleischschau lässt sich ohne Laboruntersuchungen in der Regel nicht feststellen, ob ein Tier vor der Schlachtung mit Arzneimitteln behandelt worden ist. Selbst Krankheiten sind; nicht immer ohne weiteres erkennbar. Beide Faktoren haben aber einen entscheidenden Einfluss darauf, ob das Fleisch eines solchen Tieres geniessbar ist. Deshalb müssen der Tierhalter bzw. der Viehhändler oder der Metzger, der das Tier zur Schlachtung bringt, vor der Schlachtung bei der Fleischschau Meldung erstatten (Abs. 3). Diese Meldung ist sehr wichtig, denn sie wird den Fleischinspektor oder -kontrolleur je nach dem veranlassen, das Tier speziell, allenfalls mit Laboruntersuchungen zu überprüfen, bevor er seinen Entscheid trifft. Die Bedeutung, die dieser Meldung beigemessen wird, findet ihren Ausdruck auch in der Strafnorm von Artikel 48 Absatz l Buchstabe i. Damit der Tierhalter diese Meldung machen kann, muss ihm der behandelnde Tierarzt ein entsprechendes Zeugnis zuhanden der Fleischschau übergeben.

2. Abschnitt: Untersuchung Artikel 23 Inspektion und Probenerhebung Dieser Kompetenzartikel von zentraler Bedeutung überantwortet den Kontrollorganen des Bundes und der Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Aufgabe, die nötigen Kontrollen vorzunehmen (Abs. 1). Die Kontrollzuständigkeit umfasst den gesamten Geltungsbereich des Lebensmittelgesetzes.

Von zentraler Bedeutung ist der Grundsatz, dass es sich um eine Stichprobenkontrolle handelt. Damit wird dem Hersteller, Importeur, Verkäufer usf. eine beträchtliche Eigenverantwortung Überbünden. Der Konsument anderseits darf nicht erwarten, dass jedes einzelne Produkt, das er erwirbt, mit Sicherheit in jeder Beziehung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Er muss selbst Eigenverantwortung wahrnehmen, indem er im Rahmen seiner Möglichkeiten z. B. das Aussehen und die Angaben über
Produkte überprüft. Durch zweckmässige Organisation der Stichprobenkontrollen in Verbindung mit den durch die Verordnungen konkretisierten Anforderungen an Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände muss indessen sichergestellt sein, dass Missbräuche grösseren Umfanges ausgeschlossen sind.

Die Kontrollorgane können für eingehendere Untersuchungen Proben56) erheben (Abs. 2). Die Kontrollen und die Probenerhebung erfolgen kostenlos (vgl.

Art. 45); geben sie Anlass zu Beanstandungen, so werden die Kosten allerdings dem Verantwortlichen Überbunden. Das Einsichtsrecht in Geschäftsunterlagen reicht nur soweit, als die darin gesuchten Angaben für die Lebensmittelkontrolle von Bedeutung sind.

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Nach Absatz 3 haben die Kontrollorgane ein Zutrittsrecht zur Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit. Sie sind namentlich auch berechtigt, Ställe zu betreten und von den Tieren Blut- oder Harnproben zu nehmen. Sie brauchen hiefür keine besondere Bewilligung, namentlich keinen Hausdurchsuchungsbefehl. Die Kontrollen erfolgen grundsätzlich unangemeldet, wobei sich die Kontrollorgane an jene Zeiten halten sollen, in denen im betreffenden Betrieb oder Geschäft üblicherweise gearbeitet wird. Die Untersuchungen erfolgen dann in der Regel im Beisein eines Verantwortlichen des Betriebs.

Artikel 24 Rechte und Pflichten der Hersteller und Händler Die Kontrollorgane könnten ihrer Aufgabe nicht nachkommen ohne die Mithilfe der Kontrollierten (Abs. 1). Die Kontrollierten müssen namentlich Einblick in Geschäftsunterlagen gewähren und Auskünfte erteilen, soweit dies nötig ist, um festzustellen, dass die Produkte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Kontrollorgane können auch verlangen, dass man ihnen, z. B. in grossen Lagern, die gewünschten Artikel zur Probenähme hervorsucht oder bei der Einfuhrkontrolle die Ware auspackt.

Die Fleischschau (Art. 25) findet in den Privaträumen des Schlachtbetriebs statt.

Wer Tiere schlachtet, muss daher für die Fleischschau einen Arbeitsplatz einrichten und Räume, namentlich für die Erledigung administrativer Arbeiten sowie für die einstweilige Lagerung beanstandeter Schlachttierkörper zur Verfügung stellen (Abs. 2). Ein Schlachtbetrieb ist verpflichtet, den Arbeitsplatz für die Fleischschau so einzurichten, dass der Fleischinspektor oder -kontrolleur alle vorgeschriebenen Kontrollen ohne Behinderung vollständig, hygienisch und rationell vornehmen kann. Dies liegt im übrigen auch im Interesse des Betriebs, der den Kanton bzw. die Gemeinde, welche die Fleischinspektoren oder -kontrolleure einsetzen, für den Aufwand der Fleischschau entschädigen muss.

Die Mitteilungspflicht nach Absatz 3 liegt im Interesse einer transparenten amtlichen Kontrolle. Sie erlaubt dem Betroffenen, gegebenenfalls seine Rechte wahrzunehmen und die sich aus dem Kontrollergebnis aufdrängenden Schlüsse für den Umgang mit den Lebensmitteln, Zusatzstoffen oder Gebrauchsgegenständen zu ziehen. Für den Tierhalter ist die Meldung über die Feststellung krankhafter Veränderungen innerer Organe bei der
Schlachtung von Bedeutung.

Er kann aufgrund solcher Informationen prophylaktische Massnahmen im Tierbestand treffen.

Da bei gewissen Gütern der Wert von Proben im Verhältnis zum Gesamtwert der untersuchten Ware nicht nur untergeordnete Bedeutung hat, soll der Betroffene eine Vergütung beanspruchen können (Abs. 4). Um unverhältnismässigen administrativen Aufwand zu verhindern, wird der Bundesrat eine untere Limite für die Rückerstattungsberechtigung festlegen. Eine Vergütung wird nicht ausgerichtet, wenn die Probe Anlass zu einer Beanstandung gibt. Dann ist vielmehr der Aufwand der Kontrolle durch den Betroffenen zu vergüten (vgl. Art. 45).

Artikel 25 Fleischschau Aus den fünf in Absatz l genannten Tierarten wird der Hauptteil unserer Versorgung mit Fleisch und Fleischerzeugnissen") bestritten. Die Fleischschau58) 938

ist eine Kontrolle jedes einzelnen Tieres, das zur Schlachtung kommt. Sie umfasst eine Untersuchung des lebenden Tieres vor der Schlachtung und des Tierkörpers nach der Schlachtung. Bei dieser Untersuchung geht es vor allem darum, Krankheiten des Tieres und Veränderungen des Fleisches zu erfassen, die sich gesundheitsgefährdend auf den Konsumenten auswirken könnten.

Überdies ermöglicht die Fleischschau auch noch Rückschlüsse auf die Beachtung der Tierschutzvorschriften bei der Haltung, auf dem Transport und bei der Betäubung sowie auf die Seuchenlage. Die Feststellungen bei der Fleischschau können Massnahmen im Bereiche des Tierschutzes und der Seuchenpolizei auslösen.

Die Fleischschau wird durch Fleischinspektoren oder Fleischkontrolleure durchgeführt (vgl. Art. 40 Abs. 5). Die Fleischinspektoren werden vom Kanton eingesetzt. Die nach Artikel 41 durch den Bundesrat festzulegenden Anforderungen werden eine Tierarztausbildung voraussetzen. Die Fleischkontrolleure müssen nicht unbedingt ausgebildete Tierärzte sein, sie können von den Gemeinden oder von den Kantonen eingesetzt werden (vgl. Art. 40 Abs. 7). Sie arbeiten unter der Aufsicht eines Fleischinspektors und haben nur eine beschränkte Entscheidungsbefugnis. Sie dürfen namentlich nicht über das Fleisch von erkrankten Tieren bestimmen.

Die Fleischschau ist traditionellerweise für die in Absatz l genannten Tierarten vorgeschrieben. Die lückenlose Kontrolle dieser Tiere ist deshalb erforderlich, weil ihr Fleisch in grossen Mengen produziert und verkauft wird. Aber auch aus hygienischen und seuchenpolizeilichen Gründen (z. B. Tuberkulose) ist bei diesen Tierarten eine strengere Kontrolle unerlässlich.

Da Geflügel-, Kaninchen- und Wildfleisch in grösseren Mengen auf den Markt gelangen, wird sich auch eine verstärkte Kontrolle bei diesen Tieren aufdrängen. Aufgrund von Absatz 2 wird der Bundesrat deshalb die Verpflichtung zur Durchführung einer Fleischschau auf Grossbetriebe ausdehnen, die in grösserer Zahl Geflügel und Kaninchen schlachten. Eine Fleischschau wird in Zukunft auch für Wild erforderlich sein, das in Gefangenschaft gezüchtet und in grösserer Menge geschlachtet wird. Hingegen wird bei Wildtieren, die auf der Jagd erlegt wurden, grundsätzlich auf eine Fleischschau aus Gründen der Verhältnismässigkeit verzichtet.

Nach abgeschlossener
Fleischschau wird entschieden, ob sich das Fleisch zur menschlichen Ernährung eignet. Bei der Fleischschau sind drei Entscheide möglich (Abs. 3): - geniessbar; dann darf das Fleisch ohne Einschränkungen abgegeben werden und zur Weiterverarbeitung gelangen; - geniessbar mit Auflagen; dann darf es nur entsprechend den Auflagen der Kontrollorgane (vgl. Art. 27 Abs. l Bst. a) weiterverwendet werden; - ungeniessbar; dann darf es nicht als Lebensmittel weiterverwendet, sondern muss beseitigt werden, soweit es nicht als Tierfutter brauchbar ist.

Artikel 26 Beanstandungen Mit der Beanstandung (Abs. 1) teilen die Kontrollorgane auf Grund einer amtlichen Feststellung des Sachverhaltes schriftlich mit, dass die Lebensmittel, Her939

stellungsverfahren, Räume, Einrichtungen, Tiere und Pflanzen usf. in bestimmter Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Die Beanstandung als solche ändert die Rechtsstellung des Betroffenen noch nicht. Deshalb ist sie keine Verfügung im verwaltungsrechtlichen Sinne und kann daher auch nicht mit einem Rechtsmittel selbständig angefochten werden. Sie bildet hingegen Ausgangspunkt für die Anordnung von Massnahmen in Form einer Verfügung (vgl. die Art. 27 und 28). Im Zusammenhang mit der Anfechtung einer Verfügung über die Auferlegung der Kosten für die Kontrolle und die Beanstandung nach Artikel 45 Absatz l Buchstabe f könnte gegebenenfalls auch die Berechtigung der Beanstandung überprüft werden.

Wenn ein Grenzwert (vgl. Art. 8) überschritten ist, muss grundsätzlich von einer Gesundheitsgefährdung ausgegangen werden.

Wenn ein Toleranzwert überschritten ist (Abs. 2), so entspricht die Ware den gesetzlichen Anforderungen ebenfalls nicht. Sie ist aber in der Regel nicht gesundheitsgefährdend. Der Toleranzwert ist Ausfluss des Prinzips «so wenig wie möglich». Wenn er überschritten ist, deutet dies in der Regel auf eine mangelhafte Herstellungspraxis hin.

Bei der Fleischschau wäre es unverhältnismässig, über jede Beanstandung eine schriftliche Mitteilung zu verfassen (Abs. 3). Eine Beanstandung betrifft dort oft nur einen kleinen Teil eines Tieres oder ein einzelnes Organ, das der Fleischinspektor oder -kontrolleur dann sofort abschneidet und beseitigt.

Bei der Ausfuhr sind nicht dieselben strengen Kontrollen wie bei der Einfuhr angebracht und es kann nicht darum gehen, zu prüfen ob die Ware der schweizerischen Lebensmittelgesetzgebung entspricht (Abs. 4). Es muss jedoch nach Buchstabe a sichergestellt werden, dass nicht gesundheitsgefährdende Ware, die im Inland nicht mehr abgesetzt werden könnte, ins Ausland abgeschoben wird.

Die Bestimmungsländer verlangen in der Regel, dass die Ausfuhren nach ihren eigenen Einfuhrbedingungen vorbereitet werden und dass dies von den schweizerischen Kontrollbehörden amtlich bestätigt wird. Die Kontrollorgane an der Grenze oder im betreffenden Betrieb sollen daher die Kompetenz haben, nicht vorschriftsgemässe Ware zu beanstanden.

Es ist nicht vorgesehen, dass die Durchfuhren systematisch und regelmässig kontrolliert werden (Abs. 5); wenn die Kontrollorgane jedoch auf offenkundig gesundheitsgefährdende Waren stossen, namentlich in Zollagern, so haben sie die Kompetenz, diese zu beanstanden.

3. Abschnitt: Massnahmen Artikel 27 Beanstandete Waren Diese Bestimmung von zentraler Bedeutung für das Verfahren bei der Lebensmittelkontrolle beinhaltet die Rechtsgrundlage für die Anordnungen der Kontrollorgane. Entspricht die Ware den gesetzlichen Anforderungen nicht, das heisst ist sie beanstandet worden (vgl. Art. 26), so muss das Kontrollorgan einen Entscheid treffen (Abs. 1). Dabei ist vor allem das Kriterium der Gesundheitsge940

f ährdung, i aber auch dasjenige der Täuschung, massgebend, und die vorgesehenen Massnahmen müssen verhältnismässig sein. Es gibt drei Möglichkeiten: a. Wenn der Mangel behoben werden kann, ordnet das Kontrollorgan als Auflage die Behebung des Mangels bzw. die sichernden Rahmenbedingungen an. Beispielsweise kann es anordnen, dass Etiketten in Ordnung gestellt, die Täuschung behoben wird, ungeniessbare Waren in einem grösseren Warenlos aussortiert werden, schlechter Wein zu Essig verarbeitet wird, Fleisch mit geringem Ebergeruch mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen Mangel verkauft werden darf.

b. Wenn der Mangel nicht behoben werden kann, darf die Ware nicht mehr als Lebensmittel oder als Gebrauchsgegenstand für den vorgesehenen Zweck weiterverwendet werden. Die Kontrollorgane werden dann dem Warenbesitzer auftragen, diese zu beseitigen, das heisst sie einer anderen Verwertung ausserhalb des Lebensmittelbereichs oder der Kehricht- bzw.

Tierkörperverwertung zuzuführen. Die Beseitigung durch den Betroffenen dürfte in der Praxis der Normalfall sein.

c. Wenn die Ware ein besonderes Risiko bildet oder befürchtet werden muss, dass sich der Warenbesitzer nicht an die Anordnungen der Kontrollorgane halten wird, so zieht die zuständige Behörde die Ware ein, das heisst sie wird enteignet. In diesem Fall sorgen die Kontrollorgane selbst dafür, dass die Ware aus dem Verkehr gezogen und auf unschädliche Weise beseitigt oder verwertet wird. Dieses Vorgehen ist beispielsweise angezeigt, wenn es um Waren geht, die hochgradig mit pathogenen Mikroorganismen belastet sind.

Nach Absatz 2 haben sich die Kontrollorgane nicht nur um die beanstandete Ware zu kümmern, sondern auch darum, dass nach Artikel 28 Absatz l künftige Mängel bei der gleichen Ware behoben werden. Aufgrund der Information können die Kontrollorgane nötigenfalls die für den Herstellungsbetrieb zuständigen Kontrollorgane veranlassen, die Mängelbehebung anzuordnen. Da heute sehr viele Waren in grossen Mengen serienmässig hergestellt werden, können mit solchen prophylaktischen Massnahmen künftige Beanstandungen der Endprodukte, auch im Interesse des Herstellers, ausgeschlossen werden.

Die Überschreitung eines Grenzwertes (vgl. Art. 8) führt grundsätzlich dazu, dass die Ware aufgrund einer Verfügung nach Artikel 27 und gegebenenfalls 29 aus dem Verkehr
gezogen werden muss. Allenfalls sind weitere Massnahmen erforderlich, wie beispielsweise die öffentliche Warnung nach Artikel 43.

Wenn bei einer Ware ein Toleranzwert überschritten ist (Abs. 4), so ist zunächst zu klären, ob die festgestellten Werte in einem Bereich liegen, bei dem eine Gesundheitsgefährdung anzunehmen ist. In diesem Fall ist nach den Grundsätzen zu verfahren, die gelten, wenn ein Grenzwert überschritten ist. Andernfalls müssen die Kontrollorgane im Rahmen ihres Ermessens eine verhältnismässige, auf den konkreten Fall bezogene Anordnung (beispielsweise eine entsprechende Angabe auf Packungen) treffen, um Täuschung und Gesundheitsgefährdung auszuschliessen. Je nach Umständen ist es auch möglich, die Ware ohne Einschränkungen weiterhin im Verkehr zu lassen. Soweit die Überschreitung eines Toleranzwerts ein Indikator dafür ist, dass die Verhältnisse auf der Herstel941

lungs- oder Handelsstufe nicht optimal sind, wird es in der Regel angebracht sein, vom Betroffenen die Ursachen der Mängel abklären zu lassen und eine Information darüber zu verlangen sowie nach Artikel 28 Absatz l die Mängelbehebung zu veranlassen. Der Toleranzwert stellt eindeutig eine gesetzlich verbindliche Schranke dar. Daher muss der Betroffene nach einer Beanstandung Anstrengungen unternehmen, um den Mangel bei der zukünftigen Produktion zu beseitigen. Falls er dies unterlässt, muss er damit rechnen, dass die Kpntrollorgane die Ware bei weiteren Beanstandungen einziehen bzw. deren Beseitigung anordnen werden.

Die Kontrollorgane an der Zoll- und Landesgrenze (Zollbeamte, Grenztierärzte) können die Massnahmen nach den Absätzen 1-4 anordnen sowie die Waren zurückweisen oder für weitere Abklärungen und den endgültigen Entscheid an die kantonale Lebensmittelkontrolle überweisen (Abs. 5). Mit diesen umfassenden Kompetenzen wird die Hauptforderung aus der Motion Tschumi (vgl. Ziff. 15 der Botschaft) erfüllt. Während bisher nur augenscheinlich verdorbene Waren zurückgewiesen werden durften, können nun alle gesundheitsgefährdenden Waren zurückgewiesen werden (jüngste Beispiele bildeten Olivenöl und Muscheln aus Spanien,. Wein aus Österreich).

Die Rückweisung ist angezeigt, wenn die Ware unseren Vorschriften nicht entspricht, der Mangel nicht behoben werden kann und sie nicht offensichtlich gesundheitsgefährdend ist. Es werden also dieselben Massstäbe angewendet wie bei der Ausfuhrkontrolle (vgl. Art. 26 Abs. 4). Die grenztierärztlichen Organe sind aufgrund ihrer Fachkenntnisse in der Regel in der Lage, bei der Abfertigung von Fleisch- und Fleischerzeugnissen selbst zu untersuchen, Untersuchungen zu veranlassen und den Entscheid zu treffen. Die Zollorgane anderseits überweisen die übrigen Lebensmittel in der Regel nach Artikel 31 Absatz 3 ohne eine Beanstandung an die kantonale Lebensmittelkontrolle zur näheren Prüfung und zum Entscheid, sobald für die Beurteilung Laboruntersuchungen oder spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind. Es böte grosse faktische Schwierigkeiten, grössere Warenmengen so lange an der Grenze zurückzuhalten, bis die für einen Entscheid nötigen Abklärungen getroffen sind. Das Verfahren bei Fleisch und Fleischerzeugnissen ist heute in der Verordnung vom 20. April 1988 59)
über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten näher geregelt.

Artikel 28 Andere Beanstandungen Bei Räumen, Einrichtungen und Fahrzeugen, Herstellungsverfahren und landwirtschaftlichen Böden zielen die von den Kontrollorganen anzuordnenden Massnahmen auf die Herstellung des vorschriftsgemässen Zustandes ab (Abs. 1). Die Eingriffsbefugnisse der Organe der Lebensmittelkontrolle beziehen sich auf Mängel, die direkt die Produktion und den Handel betreffen; Wenn beispielsweise der Mangel in einer zu grossen Belastung des Bodens mit Schwermetallen aus dem Verkehr oder einer Kehrichtverbrennungsanlage besteht, so können die Organe der Lebensmittelkontrolle lediglich die Weiterbenützung des Bodens verbieten. Allfällige Massnahmen an der Quelle der Verunreinigung wären Sache der Umweltschutzbehörden.

942

Ein Verbot der weiteren Benützung ist dann angezeigt, wenn vom Zustand eine Gesundheitsgefährdung ausgeht und nur durch grundlegende Sanierung eine Besserung erzielt werden kann (Abs. 2). Je nach Dringlichkeit und Gefährdung kann das Benützungsverbot bzw. Schlachtverbot sofort (vgl. Abs. 3) oder, als Konsequenz für den Fall, dass die angeordneten Massnahmen nicht fristgerecht getroffen werden, erst nach Ablauf einer bestimmten Frist verfügt werden.

Nach Absatz 3 kann auch ein Betrieb als Ganzes geschlossen werden, sofern davon eine unmittelbare und erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit ausgeht. Diese Bestimmung ist auch auf landwirtschaftliche Betriebe anwendbar. Wenn beispielsweise bei der Schlachtung Rückstände von unerlaubten Stoffen, namentlich Arzneimitteln, festgestellt werden, kann dem Betrieb, aus dem die Tiere stammen, die Abgabe weiterer Tiere zur Schlachtung sofort untersagt werden. Die Tiere können auch nach Artikel 29 Absatz 2 beschlagnahmt werden. Da dies ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, wird diese Möglichkeit im Gesetz ausdrücklich vorgesehen und nicht bloss dem Ermessen der Kontrollorgane überlassen.

Artikel 29 Vorsorgliche Massnahmen Ausgangspunkt jeglicher Massnahme seitens der Kontrollorgane ist die Beanstandung nach Artikel 26. Wenn dem Warenbesitzer zum Schutz der Konsumenten vor Gesundheitsgefährdung oder Täuschung das Verfügungsrecht entzogen werden muss, wird die beanstandete Ware beschlagnahmt (Abs. 1). Die Beschlagnahme ist eine vorsorgliche Sofortmassnahme, um die beanstandete Ware unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen. Damit die Anordnung unmittelbar rechtlich verbindlich ist, muss einer allfälligen Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung die aufschiebende Wirkung entzogen werden. Eine Beschlagnahme ist nur anzuordnen, wenn allenfalls noch weitere Abklärungen nötig sind, bis der endgültige Entscheid nach Artikel 27 oder 28 getroffen werden kann. Wenn für die Kontrollorgane das weitere Vorgehen klar ist, können sie ohne vorgängige Beschlagnahme direkt gestützt auf Artikel 27 oder 28 verfügen.

Da es sich bei der Beschlagnahme um eine vorsorgliche Sofortmassnahme handelt, ist es gerechtfertigt, sie auch im Verdachtsfall zuzulassen (Abs. 2). Diese Möglichkeit ist vor allem für Fälle nötig, wo die Abklärungen längere Zeit beanspruchen.

Eine amtliche Verwahrung nach Absatz 3 ist in der Praxis nicht die Regel ; meist wird die Ware beim Besitzer ibelassen. Die Beschlagnahmeverfügung wirkt sich dann wie eine Verfügungsbeschränkung aus. Wer sich nicht an diese hält, würde nach Artikel 289 des Strafgesetzbuches wegen Bruchs amtlicher Beschlagnahme bestraft. Eine amtliche Verwahrung ist angezeigt, wenn die Behörde Anlass hat anzunehmen, dass sich der Betroffene nicht an die Verfügung halten könnte und wenn es einem besonderen Risiko vorzubeugen gilt.

Lebensmittel sind oft leicht verderblich und lassen sich nicht längere Zeit aufbewahren. In diesen Fällen würde eine Beschlagnahme für längere Zeit meist zum Totalverlust der Ware führen. Die Kontrollorgane müssen daher im gegebenen Fall (Abs. 4) eine Verwertung unter amtlicher Aufsicht und entsprechen943

den Auflagen in die Wege leiten oder, wenn dies nicht möglich ist, die sofortige Beseitigung anordnen, um dem Betroffenen unnötige Lagerkosten zu ersparen.

Artikel 30 Anzeige und Verwarnung Ist ein Sachverhalt Gegenstand einer Beanstandung (Art. 26), liegt gleichzeitig in vielen Fällen objektiv eine Widerhandlung gegen das Lebensmittelgesetz vor.

Die Kontrollorgane sollen nun aber nicht jede kleine Beanstandung zum Anlass für eine Verzeigung nehmen. Aufgabe der Kontrollorgane ist es primär, mit den Mitteln des Verwaltungsrechts für die Herstellung des vorschriftsgemässen Zustandes zu sorgen. Damit die Kantone in dieser Hinsicht eine einheitliche Praxis entwickeln können, müssen sie nach Absatz l eine Vollzugsbehörde bestimmen, welche Widerhandlungen der kantonalen Strafverfolgungsbehörde oder der Eidgenössischen Zollverwaltung anzeigt. In Bagatellfällen kann sie auf eine Strafanzeige verzichten (Abs. 2). Die Möglichkeit des Verzichts auf eine Anzeige beschränkt sich auf Widerhandlungen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Mit einer Verwarnung kann dem Betroffenen für den Wiederholungsfall eine Verzeigung angedroht werden. Es ist auch ohne eine Verzeigung und Bestrafung möglich, die Kontroll- und Untersuchungskosten im Zusammenhang mit einer Beanstandung dem Betroffenen aufzuerlegen (vgl. Art. 45 Abs. l Bst. f).

4. Kapitel: Vollzug 1. Abschnitt: Bund Artikel 31 Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr Der Verfassungsgrundlage entsprechend sind die Organe des Bundes für den Vollzug im Zusammenhang mit der Ein-, Durch- und Ausfuhr zuständig (Abs. l). Der Vollzug beinhaltet die Lebensmittelkontrolle an der Zollgrenze sowie, nach geltendem Recht, bei Fleisch und Fleischerzeugnissen die Erteilung von Einfuhrbewilligungen. Die Zollgrenze entspricht der politischen Landesgrenze, einschliesslich der Zollanschlussgebiete Fürstentum Liechtenstein, Enklave Büsingen und Campione, aber ausgenommen das Zollausschlussgebiet Samnaun. Für die Ordnung der Vollzugsorganisation ist der Bundesrat im Rahmen des Verwaltungsorganisationsgesetzes60) zuständig. Wie bisher wird der Vollzug an der Zollgrenze betreffend Fleisch und Fleischerzeugnisse durch den grenztierärztlichen Dienst61* erfolgen und im übrigen durch die Zollverwaltung.

Die Zollverwaltung wird hier ausdrücklich genannt, weil es um eine Vollzugsaufgabe geht,
die ausserhalb des (fiskalischen) Rahmens des Zollgesetzes liegt.

Bei der Lebensmittelkontrolle an der Grenze geht es darum, sicherzustellen, dass die eingeführten Waren der schweizerischen Lebensmittelgesetzgebung entsprechen. Im Zusammenhang mit der Ausfuhr geht es darum, zu verhindern, dass offenkundig gesundheitsgefährdende Lebensmittel ins Ausland abgeschoben werden und dass die Anforderungen des Bestimmungslandes eingehalten werden (vgl. Art. 26 Abs. 4).

Mit dem Auftrag nach Absatz 2 wird eine bestehende Lücke geschlossen. Heute können Arzneimittel ohne spezifische Kontrolle an der Grenze eingeführt wer944

den. Die Kontrolle im Inland ist Sache der Kantone. Sie haben hiefür aufgrund eines Konkordats62' die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) geschaffen. Mit der Einführung einer Grenzkontrolle durch den Bund wird Forderungen aus verschiedenen parlamentarischen Vorstössen (vgl. Ziff. 15 der Botschaft) sowie der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats63' entsprochen. Die Einführung einer solchen Grenzkontrolle ist angezeigt zur Erschwerung des unkontrollierten Einsatzes von Tierarzneimitteln in der Mast. Artikel 69bis BV erlaubt dem Bund, die Tierarzneimittelkontrolle an der Grenze zu regeln und durchzuführen, soweit sie lebensmittelpolizeilich begründet ist. Damit sind inskünftig nur noch die für die Humanmedizin bestimmten Heilmittel an der Grenze ohne Kontrolle. Die immunbiologischen Erzeugnisse werden bereits nach dem Epidemiengesetz64) und dem Tierseuchengesetz65' durch den Bund kontrolliert.

Der Bundesrat erwartet von einer solchen Kontrolle namentlich eine bessere Übersicht über Art und Menge der eingeführten Tierarzneimittel. Dank der Möglichkeit, entsprechende Meldungen an die Kantone weiterzuleiten, sollte es inskünftig leichter sein, den Weg der Tierarzneimittel in der Schweiz bis zum Endverbraucher unter Kontrolle zu haben.

Die Lebensmittelkontrolle ist auch an der Grenze eine Stichprobenkontrolle.

Sie ist bei Fleisch und Fleischerzeugnissen intensiver, als bei den übrigen Lebensmitteln und den Gebrauchsgegenständen, weil jede Sendung - vor allem aus seuchenpolizeilichen Gründen - zur grenztierärztlichen Untersuchung vorgelegt werden muss. Die Kontrollorgane des Bundes (Zollbeamte und Grenztierärzte) können dieselben Massnahmen treffen, wie die kantonalen Kontrollorgane; die Artikel 23, 24 und 26-30 gelten auch für sie. Namentlich die Zollorgane verfügen jedoch nicht über die nötigen Untersuchungsmöglichkeiten, um nähere Abklärungen vorzunehmen. Sofern sie einen Verdacht haben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, überweisen sie daher nach heutiger Praxis die Waren an das zuständige kantonale Kontrollorgan zur näheren Abklärung. Dieses entscheidet dann endgültig darüber, ob das Produkt der Lebensmittelgesetzgebung entspricht und in der Schweiz zugelassen werden kann. Absatz 3 bildet die Rechtsgrundlage, um diese Praxis weiterzuführen. Der Entscheid der kantonalen
Lebensmittelkontrolle ist formell ein kantonaler Entscheid, auch wenn er eingeführte Waren betrifft. Er kann gegebenenfalls nach kantonalem Recht angefochten werden (vgl. die Art. 53 und 54). Bei allfälligen Widerhandlungen führen die Kantone das Strafverfahren durch (vgl. Art. 51).

Artikel 32 Einfuhrverbot Diese Kompetenz soll dem zuständigen Departement ermöglichen, in Ausnahmesituationen rasch und in der Regel vorübergehend, bestimmte Warengruppen aus einzelnen Ländern oder auch Waren bestimmter Hersteller, von denen man weiss, dass sie gesundheitsgefährdend sind, von der Einfuhr generell auszuschliessen. Eine solche Situation bestand beispielsweise im Zusammenhang mit dem vergifteten Olivenöl in Spanien, bei dem mit Glykol versetzten Wein in Österreich oder beim Auftreten von Muscheln mit Saxitoxin.

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Artikel 33 Forschung und Ausbildung Die Bundesbehörden müssen aufgrund eigener Abklärungen und Sichtung einschlägiger wissenschaftlicher Arbeiten in der Lage sein, die Gesetzgebung, namentlich die Verordnungen, sachkundig vorzubereilen M> und die Aufsicht über die Kantone auszuüben (vgl. Art. 35). Die Bundesämter für Gesundheitswesen und für Veterinärwesen betreiben hiefür unter anderem spezialisierte Laboratorien (Bst, a). Das Bundesamt für Landwirtschaft verfügt für die Prüfung und Zulassung landwirtschaftlicher Hilfsstoffe (vgl. Art. 60 Ziff. 3) ebenfalls über spezialisierte Laboratorien.

Um sich einen Überblick über die Verhältnisse im Land zu verschaffen (Bst. b) haben die Bundesstellen die Möglichkeit, selbst Proben zu erheben und zu untersuchen; sie können aber auch die Kantone damit betrauen und auf deren Angaben abstellen. Mit solchen Untersuchungen (Monitoring, Screening) ist es möglich, Probleme frühzeitig zu erkennen und die nötigen Massnahmen in die Wege zu leiten und entsprechende Schwerpunkte in der Lebensmittelkontrolle zu setzen.

.

' ' · Der guten Ausbildung der Kontrollorgane kommt ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Bund wird die Kantone zwar nicht subventionieren, er wird sie aber durch den Einsatz seiner Fachleute unterstützen (Bst. c). Der Bund wird sich nicht damit begnügen, nur die Anforderungen nach Artikel 41 festzulegen.

Artikel 34 Vollzug in der Armee Das Lebensmittelgesetz gilt betreffend Anforderungen an Lebensmittel und Umgang mit Lebensmitteln grundsätzlich vollumfänglich auch im Bereich der Armee. Da heute die Armee in grossem Stil selber Lebensmittel herstellen lässt und lagert sowie die tägliche Verpflegung für rund 13 Millionen Diensttage pro Jahr bereitstellt, erscheint es folgerichtig, dass sich der Geltungsbereich des materiellen Lebensmittelrechts auch auf die Armee erstreckt und auch in der Armee eine Lebensmittelkontrolle durchgeführt wird, die derjenigen im zivilen Bereich entspricht. Es wäre nicht einzusehen, weshalb die Gesundheit des Bürgers in bezug auf die ihm angebotenen Lebensmittel weniger gut geschützt sein sollte, wenn er eine Dienstleistung für die Allgemeinheit erbringt, zumal da er während dieser Dienstleistung kaum Möglichkeiten hat, sich seine Verpflegung selbst auszuwählen.

Da nach Artikel 69bis BV der Vollzug des Lebensmittelgesetzes
im Landesinnern den Kantonen obliegt, untersteht auch die Armee grundsätzlich der Vollzugskontrolle der Kantone. Artikel 20 Absatz l BV (das Heerwesen ist Sache des Bundes) gibt dem Gesetzgeber indessen die Möglichkeit zu besonderen Regelungen. Dabei hat er den von beiden Verfassungsbestimmungen vorgegebenen Grundsatz zu berücksichtigen, dass ein Bundesvollzug nur dort erwünscht ist, wo der kantonale Vollzug unzweckmässig ist67). Die Armee verfügt heute wohl über Veterinäroffiziere und besonders ausgebildete Tierärzte, nicht aber über ausgebildete Lebensmittelchemiker und entsprechende Laboratorien. Daher müsste bei einem Entscheid für einen rein armeeinternen Vollzug ein massgeblicher Ausbau der entsprechenden Organisation erfolgen. Es erscheint daher zweckmässig, für die Kontrolle ortsfester Anlagen, also namentlich der Küchen in den Kasernen, in geschützten Anlagen und in den Gemeinden, die von der 946

Armee benützt werden, sowie der Lebensmittelmagazine, die ausgebildeten Spezialisten und die Labororganisation der Kantone für die Lebensmittelkontrolle beizuziehen.

Da im Bereich der Armee auch Geheimhaltungsbedürfnisse bestehen, wird der Bundesrat den Einsatz und die Zuständigkeit näher regeln. Zu beachten gilt es in diesem Zusammenhang unter anderem das Bundesgesetz vom 23. Juni 1950 über den Schutz militärischer Anlagen68'. Es ist vorgesehen, als Fachleute nur Kantonschemiker und kantonale Lebensmittelinspektoren beizuziehen. Im Felddienst und bei Truppenübungen wäre der Einsatz dieser Kontrollorgane unpraktikabel, weshalb es dort bei der Selbstkontrolle durch die Armee bleibt.

Die Fleischschau bei Schlachtungen durch die Armee wird wie bisher durch die hiefür ausgebildeten Veterinäroffiziere durchgeführt.

Formell üben die von den Kantonen beigezogenen Funktionäre in diesem Zusammenhang ihre Funktion als Bundesorgane aus, so dass Beanstandungen im Bereich der Armee als solche einer Bundesbehörde aufzufassen sind. Allfällige Beanstandungen und Weisungen müssten sich in der Regel an den zuständigen Truppen- oder Waffenplatzkommandanten richten. Der Bundesrat wird das Vorgehen bei Beanstandungen und die Sanktionen so ordnen, dass die Anforderungen des Dienstbetriebes und der Lebensmittelkontrolle miteinander in Einklang gebracht werden können.

Artikel 35 Aufsicht und Koordination Die Lebensmittelgesetzgebung ist ausschliesslich Sache, des Bundes. Die Kantone anderseits sind durch die Bundesverfassung zum Vollzug des Bundesrechts im Inland verpflichtet. Absatz l ist Ausfluss von Artikel 102 Ziffern 2 und 13 BV, nach welchem der Bundesrat darüber zu wachen hat, dass Gesetze und Beschlüsse des Bundes von den seiner Aufsicht unterstellten Kantonen eingehalten und die den kantonalen Verwaltungen übertragenen Aufgaben richtig erfüllt werden. Der Bundesrat kann diese Kompetenz delegieren und die Departemente und Bundesämter mit der Wahrnehmung der Aufsicht betrauen69'.

Adressat der aufsichtsrechtlichen Anordnung ist grundsätzlich der Kanton, vertreten durch die Kantonsregierung. Im delegierten Wirkungsbereich der Kantone, wie vorliegend im Bereich des Lebensmittelrechts, ist es jedoch zulässig, dass die Aufsichtsbehörden des Bundes (insbesondere Bundesämter für Gesundheitswesen und für Veterinärwesen)
sich unmittelbar an die zuständigen kantonalen Instanzen richten (Kantonschemiker, Kantonstierärzte)'0'.

Der Bund kann seine Aufsicht ausüben mittels 71 ': - allgemeiner Instruktionen und Weisungen (Kreisschreiben), - konkreter Beanstandungen von Einzelfällen, - Inspektionen durch Bundesbeamte, - Meldepflichten der kantonalen Vollzugsorgane.

Die Genehmigung der kantonalen Ausführungsbestimmungen, als weiteres Aufsichtsmittel, ist im Lebensmittelgesetz nicht vorgesehen (vgl. Art. 39). Hingegen sind die Kantone zur Mitteilung der entsprechenden Erlasse verpflichtet.

Gegenstand der Aufsicht ist die Vollzugstätigkeit der Kantone und nicht etwa das Verhalten einzelner Bürger als Adressaten des Lebensmittelgesetzes. Absatz 2 setzt den Schwerpunkt für die Aufsichtstätigkeit der Bundesbehörden.

947

Der einheitliche Vollzug ist im Zusammenhang mit der Lebensmittelgesetzgebung besonders wichtig, weil heute die Schweiz bezüglich Lebensmittel und Gebrauchsgegenständen ein einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsraum ist, in welchem zahlreiche Produkte an einem Ort hergestellt und dann in der ganzen Schweiz vertrieben und angeboten werden. Unter diesen Umständen können unterschiedliche Massnahmen im Rahmen des Vollzugsföderalismus nicht hingenommen werden. Eine Hauptanstrengung der Bundesbehörden gilt daher der Sicherstellung eines rechtsgleichen, möglichst einheitlichen Vollzugs. Die Bundesbehörden werden sich dabei insbesondere der Mittel nach Absatz 3 bedienen. Zu den Koordinationsaufgaben gehört namentlich auch die Koordination der Tätigkeit der kantonalen Laboratorien unter Einschluss der Möglichkeit, für bestimmte Untersuchungen Schwerpunkte zu bilden, um so die vorhandene Kapazität optimal zu nutzen und eine einheitliche Beurteilung sicherzustellen.

In den zurückliegenden Jahren hat die Information über besondere Vorkommnisse immer wieder Probleme geboten. Besonders ungünstig wirkten jeweils unterschiedliche Meinungsäusserungen der Behörden auf die Bevölkerung. Inskünftig soll die zuständige Bundesstelle (in der Regel das Bundesamt für Gesundheitswesen) zwar nicht die Information zentralisieren, hingegen hat sie die Aufgabe, eng mit den Kantonen zusammenzuarbeiten und Absprachen darüber zu treffen, wer, wann, worüber informiert. Es sollte nicht vorkommen, dass sich Informationen der Kantone und der Bundesstellen zum gleichen Problem widersprechen. Die kantonale Informationshoheit bleibt im übrigen gewahrt.

Absatz 3 nennt die wichtigsten Kompetenzen der Bundesbehörden für die Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben ausdrücklich, um Zweifel und Diskussionen darüber auszuschalten, ob sie zu den entsprechenden Anordnungen berechtigt seien. Das Wissen darüber, was die Kantone unternehmen (Meldepflicht) ist erste Voraussetzung um sachgerechte Koordinationsmassnahmen in die Wege leiten zu können (Bst. a).

Zu den Massnahmen nach Buchstabe b, welche die Bundesbehörden den Kantonen vorschreiben können, gehören beispielsweise bestimmte Laboruntersuchungen nach einem gesamtschweizerischen Probenerhebungsplan oder der Auftrag, gezielte Kontrollen vorzunehmen. In neu auftretenden Problemsituationen,
vergleichbar jenen im Zusammenhang mit den Hormonen im Fleisch oder den Listerien im Käse, sollen die Bundesbehörden inskünftig Vollzugsmassnahmen wie die Beschlagnahme bestimmter Produkte, vorschreiben können (Bst. c). Das heisst, das Ermessen der kantonalen Behörden (vgl. Art. 27) für die Anordnung von Massnahmen kann in solchen Ausnahmesituationen weitgehend eingeschränkt werden. Diese Einwirkungsmöglichkeit der Bundesbehörden erscheint aufgrund bisheriger Erfahrungen mit der Bewältigung von ausserordentlichen Situationen als unumgänglich. Indessen bleibt auch in diesen Fällen der Vollzug im Sinne der Anordnung von Massnahmen gegenüber Privaten Aufgäbe der Kantone. Das Departement erhält lediglich weitgehende Koordinationsbefugnisse gegenüber den Kantonen.

Ringversuche (Abs. 4) dienen dazu, die Arbeitsgenauigkeit von Laboratorien zu überprüfen. Dies geschieht in der Weise, dass speziell standardisierte Proben von einem zentralen Laboratorium an die übrigen zur Untersuchung gesandt 948

werden, worauf dann die Ergebnisse zentral ausgewertet und verglichen werden. Ergeben sich auffällige Abweichungen, so kann dies an der Methode liegen oder aber an der Arbeitsgenauigkeit des betreffenden Laboratoriums. Die Erkenntnisse aus solchen Versuchen erlauben es, gezielt die Untersuchungsgenauigkeit herzustellen. Diese ist für einen einheitlichen Vollzug äusserst wichtig, insbesondere wenn der Bundesrat bestimmte Untersuchungsmethoden nach Artikel 21 Absatz 3 vorgeschrieben hat, weil die gleiche Ware in der Regel in den verschiedenen kantonalen Laboratorien untersucht werden kann.

Artikel 36 Ausführungsvorschriften des Bundesrates Die Verordnungsbefugnisse des Bundesrates sind im Gesetz bei den einschlägigen Bestimmungen festgehalten. Es handelt sich dabei um gesetzesvertretende Verordnungen, das heisst Rechtserlasse, die das Gesetz ergänzen. Das Gesetz Hesse sich ohne den Erlass der entsprechenden Verordnungen gar nicht anwenden. Der Bundesrat braucht nach allgemeiner Praxis für den Erlass von reinen Vollzugsverordnungen, die z. B. im Rahmen eines allgemeinen Erlasses gewisse unbestimmte Rechtsbegriffe des Gesetzes interpretieren, keine besondere Verordnunskompetenz (Abs. 1); denn er könnte die Gesetzesbegriffe auch über allgemeine Weisungen an die Vollzugsorgane und Richtlinien konkretisieren. Da der Bundesrat verpflichtet ist, eigentliche Vollzugsvorschriften neben den gesetzesvertretenden Vorschriften zu erlassen, wird von einer Aufzählung der einzelnen Verordnungskompetenzen abgesehen.

Der Bundesrat bzw. aufgrund einer Kompetenzdelegation das zuständige Departement wird insbesondere die folgenden Bereiche eingehender regeln: a. die Anforderungen an die einzelnen Nahrungsmittel und den Umgang mit ihnen (Art. 6, 8 und 11), umfassend namentlich: - die Ausgangsprodukte (Art. 5), - die Herstellungsverfahren (Art. 7), - den hygienischen Umgang (Art. 14), - die Räume, Einrichtungen und Fahrzeuge (Art. 14 Abs. l Bst. c und d), - den Täuschungsschutz, die Sachbezeichnung, die Kennzeichnung und die Auskunftspflicht (Art. 6 und 17-20); b. die Anforderungen an die einzelnen Genussmittel (Art. 6, 8 und 11), umfassend namentlich: - die Präzisierung des Absinthverbots (Art. 9), - die Ausgangsprodukte (Art. 5), - die Herstellungsverfahren (Art. 7), - die Werbebeschränkungen (Art. 13), - den hygienischen
Umgang (Art. 14), - die Räume, Einrichtungen und Fahrzeuge (Art. 14 Abs. l Bst. c und d), - den Täuschungsschutz, die Sachbezeichnung, die Kennzeichnung und die Auskunftspflicht (Art. 6 und 17-20); c. das Schlachten und die Fleischschau (Art. 14, 15, 16 und 25), umfassend namentlich: - die Anforderungen an die Tiere (Art. 5), - die Herstellungsverfahren (Art. 7), 949

- den hygienischen Umgang (Art. 14), - die Anforderungen an Räume und Einrichtungen (Art. 14 Abs. l Est. e und d und 16), - das Untersuchungsverfahren (Art. 25), - die Ermittlung des Schlachtgewichtes (Art. 46) ; d. die Anforderungen an die Gebrauchsgegenstände, welche diesem Gesetz unterstellt sind (Art. 3 Ziff. 5 und Art. 12); e. Verfahrensfragen bei der Lebensmittelkontrolle, umfassend namentlich: - die Probenerhebung (Art. 23), - die Pflichten der Hersteller und Händler (Art. 24), - die Informationspflicht der Kantone (Art. 35), - die Koordination der Vollzugsmassnahmen (Art. 35), - die Lebensmittelkontrolle in der Armee (Art. 34), - die Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren (Art. 6 und 16), - den Inhalt des Lebensmittelbuchs (Art. 21), - die Zusammensetzung und die Aufgaben der Eidgenössischen Ernährungskommission (Art. 38); f. die Anforderungen an die Kontrollorgane (Art. 41), g. die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Lebensmitteln und Tierarzneimitteln sowie deren Kontrolle (Art. 4 und 27-32); h. die Gebühren (Art. 45).

Während das geltende Lebensmittelgesetz in Artikel 54 dem Bundesrat eine sehr weitgehende, allgemeine und umfassende Verordnunskompetenz überträgt, hält sich der vorliegende Entwurf an die neuen Richtlinien der Gesetzgebung und nennt die einzelnen Befugnisse des Bundesrates im jeweiligen Zusammenhang. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die bisherigen Verordnungen des Bundesrates einstweilen weiterhin bestehen werden. Das geltende Verordnungsrecht wird bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes somit nicht rechtswidrig. Hingegen wird es notwendig sein, einige neue Verordnungen zu erlassen und bestehende Verordnungen dem neuen Gesetz anzupassen sowie den gesamten Verordnungsbereich systematisch neu zu gliedern, um die Zahl der Verordnungen zu vermindern (vgl. Ziff. 122 der Botschaft).

Heute sind bereits wesentliche Bereiche des Lebensmittelrechts (Zusatzstoffe, Fremd- und Inhaltsstoffe, hygienisch-mikrobiologische Anforderungen) durch Verordnungen des Eidgenössischen Departements des Innern geordnet. Diese Stufenordnung soll beibehalten werden. Eine bedeutsame Neuerung ist darin zu sehen, dass inskünftig nur noch der Bundesrat oder das zuständige Departement Verordnungen erlassen. Absatz 2 enthält die für die Subdelegation von Verordnungskompetenzen unerlässliche gesetzliche
Grundlage.

Artikels? Internationale Zusammenarbeit Die Schweiz bildet keine Insel. Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände werden auf der ganzen Welt hergestellt, und in jedem Land werden Überlegungen über den Schutz der Gesundheit des Menschen angestellt. Da sich überall das gleiche Grundproblem stellt (Schutz des Menschen), wäre grundsätzlich zu erwarten, dass auch etwa dieselben Anforderungen und Massnahmen in Betracht 950

gezogen werden. Dem ist aber nicht so. Es besteht daher im Bereich des Lebensmittelrechts ein weltweites Bedürfnis nach Harmonisierung der Vorschriften, namentlich wegen des internationalen Handels mit den dieser Gesetzgebung unterstehenden Produkten (Abs. 1). Auch die Schweiz soll sich an solchen internationalen Empfehlungen orientieren. Abweichungen sollte es nur dort geben, wo eine eindeutige gesundheitlich motivierte Begründung vorliegt. Die Rücksicht auf die Aussenhandelsbeziehungen gebietet namentlich im Blick auf den einheitlichen Binnenmarkt der EG (1992) eine Angleichung der Vorschriften soweit dies der Gesundheitsschutz der Schweizerbevölkerung zulässt. Der Gesetzesentwurf enthält keine Bestimmungen, die mit dem internationalen Recht unvereinbar wären. Vielmehr lässt er dem Bundesrat im Rahmen seiner Verordnungskompetenzen breiten Raum, dem bestehenden und auch dem in Zukunft, namentlich in der EG, zu erwartenden Recht, Rechnung zu tragen.

Absatz 2 entbindet vom üblichen Vorgehen, bei welchem solche Normen inhaltlich übernommen und als schweizerisches nationales Recht erlassen werden. Da es oft um sehr technische Regelungen geht, kann der Bundesrat in einer Verordnung darauf verweisen. Mit dieser Lösung besteht die Möglichkeit, bestimmte Bereiche auszunehmen oder abweichend zu regeln und die Anwendbarkeit aufzuheben, falls die internationalen Normen in einer Weise geändert werden, die mit unseren Vorstellungen unvereinbar ist. Um den internationalen Handel zu erleichtern, können auch ausländische Prüfstellen für Lebensmitteluntersuchungen und Bestätigungen über Sachverhalte, die für die Einfuhr bedeutsam sind, anerkannt werden. In solchen Fällen kann allenfalls von Untersuchungen in der Schweiz abgesehen werden. , Im ordentlichen Verfahren werden völkerrechtliche Verträge durch den Bundesrat bzw. die von ihm bevollmächtigte Vertretung ausgehandelt und unterzeichnet sowie anschliessend von der Bundesversammlung genehmigt (Art. 85 Ziff. 5 BV). Vorbehalten bleibt das Staatsvertragsreferendum nach Artikel 89 Ziffern 3-5 BV. Absatz 3 ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge im vereinfachten Verfahren 72 ) ohne Genehmigung durch die eidgenössischen Räte abzuschliessen. Diese Möglichkeit ist in langjähriger Praxis anerkannt, soweit es um Gegenstände geht, zu deren innerstaatlicher
Regelung der Bundesrat allein kompetent ist, was hier der Fall ist.

Absatz 4 verpflichtet die Vollzugsbehörden des Bundes, die Zusammenarbeit mit schweizerischen und internationalen Institutionen im Bereiche des Lebensmittelrechts zu suchen. Es betrifft dies unter anderem den Codex Alimentarius, das gemeinsame Nahrungsmittelstandardprogramm von WHO 73 ' und FAO74).

Artikel 38. Ernährungskommission Die heutige, aufgrund der allgemeinen Kompetenz aus Artikel 104 B V durch den Bundesrat gewählte Ernährungskommission ging aus der Eidgenössischen Kriegsernährungskommission hervor. Als Bindeglied zwischen Verwaltung, Konsumenten, Herstellern, Lebensmittelverteilern und der Wissenschaft ist sie auch künftig nötig (Abs. 1). Sie erhält daher eine gesetzlich abgesicherte offizielle Stellung und einen ausdrücklichen Auftrag. Nach den Richtlinien75*, die sich der Bundesrat für die Bestellung von Kommissionen gesetzt hat, wird sie 951

aus höchstens 25 Mitgliedern bestehen, die alle an der Ernährung interessierten Kreise repräsentieren sollten.

Die Kommission soll sich in erster Linie mit allgemeinen Fragen des Ernährungswesens (Abs. 2) und nicht mit der Lebensmittelkontrolle befassen. Von ihr erwartet der Bundesrat grundlegende Informationen, die dann allenfalls in die Lebensmittelgesetzgebung einfliessen werden sowie Informationen über Ernährungsfragen (Abs. 3) im Selbstverantwortungsbereich der Konsumenten (vgl.

Ziff. 161 der Botschaft). Das ist jener Bereich, der durch staatliche Vorschriften nur wenig beeinflussbar ist.

2. Abschnitt: Kantone Artikel 39 Kantonale Vorschriften Lebensmittelrechtliche Bestimmungen materiellen Inhalts werden ausschliesslich durch den Bund erlassen. Die Kantone haben die für den Vollzug notwendigen organisationsrechtlichen Bestimmungen aufzustellen. Dazu gehören insbesondere die Bestimmung der zuständigen Behörden für Betriebsschliessungen (Art. 28 Abs. 3), Vorzeigung oder Verwarnung (Art. 30), Beschwerdeverfahren (Art. 54), öffentliche Warnung (Art. 43) sowie die Aufgabenzuweisung an die Kontrollorgane (Art. 40).

Auf eine Genehmigung der kantonalen Ausführungserlasse durch den Bund wird im Einklang mit dem Konzept verzichtet, nach welchem dieser Bereich im Rahmen der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen76' durch eine Änderung des Verwaltungsorganisationsgesetzes") neu geordnet werden soll. Damit die Bundesbehörden ihre Aufsichtsfunktion dennoch wahrnehmen können und über das geltende kantonale Recht im Bild sind, müssen ihnen die Erlasse mitgeteilt werden.

Artikel 40 Lebensmittelkontrolle Absatz l folgt der durch Artikel 69bis BV vorgegebenen Zuständigkeitsordnung.

Der Vollzug beinhaltet sämtliche Verwaltungstätigkeiten, die durch das Lebensmittelgesetz bedingt sind, darunter namentlich die B e willigungs verfahren und die eigentliche Lebensmittelkontrolle. Die Lebensmittelkontrolle umfasst als Hauptaufgabe im Rahmen des Vollzugs die stichprobenweise Überprüfung der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände daraufhin, ob sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (vgl. die Art. 21-30 und 53-57) sowie die Anordnung von Massnahmen und gegebenenfalls deren Vollstreckung, zur Herstellung des vorschriftsgemässen Zustandes.

Absatz 2 legt in Verbindung mit den Absätzen 4 und 5
die Vollzugsstruktur in den Kantonen weitgehend fest. Die vertiefte Überprüfung, des Problemkreises im Verlaufe der Schlussbearbeitung des Gesetzesentwurfs und der Erarbeitung der Botschaft hat ergeben, dass die ursprüngliche Absicht lf>, den Kantonen weitgehend Organisationsfreiheit zu belassen, sich nicht verwirklichen lässt.

Durch wesentlich voneinander abweichende Organisationen in den Kantonen würden die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Vollzugs und zur Verstärkung der Leitungsfunktion des Bundes faktisch unrealisierbar. Ein einheitlicher 952

Vollzug und eine Koordination der Tätigkeit der Kantone sowie die Bewältigung von Ausnahmesituationen lassen sich am ehesten realisieren, wenn der Vollzug in sämtlichen Kantonen nach demselben Grundmuster organisiert ist.

Daher sieht das Gesetz folgendes Organisationskonzept vor: - auf der obersten Ebene nehmen der Kantonschemiker und der Kantonstierarzt die Leitungsfunktionen wahr, - auf der mittleren Ebene (Stufe Kanton) übernehmen die Inspektoren als verlängerter Arm des Chefs die praktische Lebensmittelkontrolle und die Überwachung der Tätigkeit der Kontrolleure in den Gemeinden; an der Front (Stufe Gemeinde und Einzelbetrieb) führen die Kontrolleure die Lebensmittelkontrolle in den Herstellungsbetrieben, Schlachthöfen, Lagern, Verkaufsstellen usw. durch.

Nach Absatz 3 grenzen die Kantone die Tätigkeit der Kontrollorgane auf zweckmässige Weise so ab, dass Doppelspurigkeiten und Lücken im Vollzug ausgeschaltet sind. Sie sind dabei an die durch Absatz 5 vorgegebene Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Kantonschemiker und Kantonstierarzt gebunden. Neben der allgemeinen Umschreibung des Aufgabebereichs gehört auch die individuelle Umschreibung der Aufgaben des einzelnen Kontrollorgans im Rahmen eines Pflichtenhefts dazu. Die Verordnung vom 29. Januar 1909 betreffend die technischen Befugnisse der kantonalen Lebensmittelinspektoren und der Ortsexperten ") wird aufgrund der neuen Kompetenzen der Kantone aufgehoben werden müssen.

Insbesondere zur Lebensmittelkontrolle im Bereiche der landwirtschaftlichen Produktion kann es zweckmässig sein, weitere bereits vorhandene Vollzugsbehörden einzusetzen. Beispielsweise könnten den primär mit tierseuchenpolizeilichen Aufgaben betrauten amtlichen Tierärzten auch lebensmittelpolizeiliche Aufgaben übertragen werden. Andere spezialisierte Kontrollbereiche bilden die Trinkwasser- und die Pilzkontrolle.

Der Kantonschemiker leitet die Lebensmittelkontrolle (Abs. 4), soweit nicht durch dieses Gesetz und ausdrückliche Anordnung der Kantone nach Absatz 5 der Kantonstierarzt zuständig ist. Damit wird eine lückenlose und klare Zuständigkeitsordnung geschaffen. Der Kantonschemiker ist nicht primär Laborleiter, sondern Chef der kantonalen Lebensmittelkontrolle. Er trägt die Verantwortung für einen zweckmässig koordinierten Einsatz der ihm unterstellten Fachleute im
Aussendienst (Lebensmittelinspektoren) und im Laboratorium. Die Lebensmittelkontrolleure unterstehen ihm auch in jenen Fällen, da sie von den Gemeinden ernannt und besoldet werden.

Der Kantonstierarzt (Abs. 5) ist Leiter der Tierseuchenpolizei ^ und in den meisten Kantonen auch für den Vollzug der Tierschutzgesetzgebung verantwortlich.

Da er sich also bereits in diesem Umfang mit der Tierhaltung auseinandersetzen muss, ist es zweckmässig, ihm (wie bisher) die Leitung der Lebensmittelkontrolle im Bereich der Tierhaltung und der Schlachtung zu übertragen. Es könnte indessen der Fall eintreten, dass Kantone keinen geeigneten Bewerber als Kantonstierarzt finden, der zugleich die Anforderungen der Lebensmittelund der Tierseuchengesetzgebung erfüllt. In diesem Fall sollte dem betreffenden Kanton ermöglicht werden, einen anderen Tierarzt, der die Anforderungen 953

erfüllt, allenfalls zusammen mit weiteren Kantonen^ neben dem für die Tierseuchenbekämpfung und den Tierschutz zuständigen Kantonstierarzt zu ernennen.

Nach der durch das Lebensmittelgesetz vorgegebenen Organisationsstruktur (vgl. Abs. 2) müssen auch in diesem Zuständigkeitsbereich auf der mittleren Ebene kantonale (Fleisch-) Inspektoren eingesetzt werden. Dies bedeutet für die meisten Kantone eine Neuerung. Die Fleischkontrolleure übernehmen die Aufgaben der bisherigen Fleischschauer bei der Schlachtung (vgl. Art. 25). Es können indessen auch die Fleischinspektoren, die über eine Tierarztausbildung verfügen müssen, für die Fleischschau eingesetzt werden. In Grossschlachtbetrieben wird ständig ein Fleischinspektor im Einsatz sein müssen.

Zwischen abgeschlossener Schlachtung und Verkauf besteht ein Kontrollbereich, in welchem die Kantone die Zuständigkeit nach ihren örtlichen und organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten selbst ordnen müssen. Es geht dabei vor allem darum, die Kontrollorgane ohne Doppelspurigkeiten und Lükken zweckmässig für die Kontrolle der im jeweiligen Kanton den Behörden bekannten Fabrikationsbetriebe, Lager und Verkaufsstätten einzusetzen. Unzweckmässig wäre eine Zuständigkeitsordnung, welche sowohl den Kantonschemiker als auch den Kantonstierarzt für Teile eines bestimmten Betriebs zuständig erklären würde. Dementsprechend wird beispielsweise die Kontrolle der Fleischverarbeitung und Lagerung im Rahmen eines Schlachtbetriebs zweckmässigerweise dem Kantonstierarzt übertragen, während anderseits die Kontrolle der Fleischverarbeitung und Verpackung im Zusammenhang mit der Verkaufsstelle eines Grossverteilers dem Kantonschemiker übertragen wird.

Die bestehenden, allenfalls auszubauenden Laboratorien der Kantone (Abs. 6) müssen in der Lage sein, sämtliche im Rahmen der Lebensmittelkontrolle erhobenen Proben zu untersuchen. Da der Zuständigkeitsbereich auch die landwirtschaftliche Produktion umfasst, müssen also auch Untersuchungen aus jenem Gebiet (Blut und Harn von Tieren, landwirtschaftliche Hilfsstoffe, evtl. Bodenproben usw.) möglich sein. Um die in der Schweiz vorhandene Kapazität an Apparaten und Fachpersonal optimal zu nutzen, wird es sich aufdrängen, unter der koordinierenden Mitwirkung des Bundes (vgl. Art. 35) Tätigkeitsschwerpunkte unter den Laboratorien zu
bilden. Für kleine Kantone dürfte es, wie bisher, zweckmässig sein, ein gemeinsames Laboratorium zu betreiben, damit eine Betriebsgrösse erreicht wird, welche es erlaubt, eine ausreichende Zahl von Spezialisten der verschiedenen Fachgebiete einzusetzend Das Lebensmittelgesetz geht davon aus (Abs. 7), dass die Lebensmittel- und die Fleischkontrolleure durch die Gemeinden ernannt werden, ohne dies aber verbindlich vorzuschreiben. Der Kanton kann im Rahmen des ihm verbleibenden Organisationsspielraums entscheiden, ob die Kontrolleure pro Gemeinde, für mehrere Gemeinden zusammen oder bezirksweise eingesetzt werden. ' Damit wäre die Möglichkeit gegeben, vermehrt vollamtliche Kontrolleure einzusetzen, die, je nach Arbeitsanfall, in verschiedenen Betrieben eingesetzt werden könnten. Es ist eine Organisation anzustreben, in deren Rahmen nach Möglichkeit vollamtliche Kontrollorgane tätig sein können, vor allem um dadurch Interessenkollisionen und Ausstandsproblemen zu entgehen, die bei nebenamtlichen Funktionären fast unvermeidlich sind. Bei der Umschreibung der Aufgaben der Kontrolleure müssen deren selbständige Befugnisse festgehalten und die Tätig954

keit zu jener der Inspektoren abgegrenzt werden. Es bleibt dem Kanton aber unbenommen, die Kontrollen durch die Inspektoren vorzunehmen.

Artikel 41 Aus- und Weiterbildung Nach Absatz l wird der Bundesrat die fachlichen Anforderungen, das heisst die Wahlvoraussetzungen für die Kontrollorgane (Art. 40 Abs. 2) festlegen und entsprechende Prüfungen vorschreiben. Für die Funktion des Kantonschemikers kommen nicht nur Fachleute mit einer Grundausbildung als Chemiker in Betracht. Auch weitere Hochschulabschlüsse mit fachlichem Bezug zum Lebensmittelrecht (Biochemiker, Mikrobiologe, Naturwissenschafter, Lebensmittelingenieur, Tierarzt oder Apotheker) berechtigen zur Ausbildung und Ablegung der Fachprüfung. Die geltenden Verordnungen 8 ') werden inhaltlich überprüft, auf die neuen Organisationsstrukturen zugeschnitten und ergänzt werden. Es ist vorgesehen, sie in einer einzigen Ausbildungsverordnung zusammenzufassen.

Diese wird auch die bisher in der Eidgenössischen Fleischschauverordnung geregelten Anforderungen an Kontrollorgane enthalten.

Nach Absatz 2 gehört die Ausbildung und Weiterbildung zu den Vollzugsaufgaben der Kantone. Dies geschieht für die leitenden Organe teils an den Universitäten und im übrigen an Spezialkursen, in den Laboratorien und den Schlachtbetrieben. Die Kantone können dabei auf die Unterstützung durch das Fachpersonal des Bundes zählen (vgl. Art. 33).

3. Abschnitt: Besondere Vollzugsvorschriften Artikel 42 '' Schweigepflicht Diese Bestimmung stellt klar, dass die Schweigepflicht beim Vollzug dieses Gesetzes nicht nur für Beamte oder in einem andern öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis stehende Vollzugsorgane gilt. Sie verpflichtet auch Personen, die Vollzugsfunktionen im Auftragsverhältnis, als Aushilfen oder dergleichen wahrnehmen, namentlich also auch nebenamtliche Kontrollorgane.

Dies spielt auch bei der Erstellung von Gutachten und Laboranalysen durch private Fachleute eine Rolle., Sie alle stehen damit bei Geheimnisverletzungen im Zusammenhang mit der Anwendung des Lebensmittelgesetzes unter der Strafdrohung von Artikel 320 StGB. Damit ist allerdings noch nichts über den materiellen Inhalt der Schweigepflicht gesagt. Deren Ausgestaltung richtet sich für die Bediensteten des Bundes nach Artikel 27 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 192782) über das Dienstverhältnis
der Bundesbeamten, bei den Bediensteten der Kantone und Gemeinden nach dem jeweiligen kantonalen Recht.

Diese Regelungen sind ihrerseits wiederum recht offen und gestatten im Einzelfall ein weites Ermessen darüber, was materiell als Geheimnis zu qualifizieren ist. Die zuständige Behörde wird daher gut daran tun, bei der Vergabe von Aufträgen, bei Einsetzungsverfügungen für Kontrollorgane und dergleichen, den Umfang der Schweigepflicht für den jeweiligen Fall im Rahmen ihrer gesetzlichen Grundlagen in Form von Auftragsbedingungen oder Weisungen zu konkretisieren.

955

Artikel 43 Öffentliche Warnung Über die Wahrnehmungen und Anordnungen (vgl. die Art. 22 und 25-30) im Rahmen ihrer Tätigkeit dürfen die Kontrollorgane wegen der ihnen auferlegten Schweigepflicht (Art. 42) grundsätzlich Aussenstehende, d. h. nicht am Verfahren beteiligte, nicht informieren. Wie die Erfahrung zeigt, können Anordnungen und Massnahmen der Kontrollorgane indessen eine landesweite Tragweite haben, so dass die Information der Bevölkerung nicht mit dem Hinweis auf die amtliche Schweigepflicht unterbleiben kann. In solchen Situationen müssen die Vollzugsbehörden unter Abwägung aller Umstände entscheiden, wann das öffentliche Interesse an umfassender Information das private Interesse der betroffenen Hersteller, Importeure und Verkäufer an der Geheimhaltung ihrer Namen überwiegt (vgl. Art. 10).

Sodann sind Fälle denkbar, in denen die Kontrollorgane erst auf gesundheitsgefährdende Lebensmittel stossen, nachdem diese bereits an viele Konsumenten abgegeben worden sind. In dieser Situation ist die Bevölkerung nach Absatz l zu informieren und vor dem Konsum der betreffenden gesundheitsgefährdenden Ware zu warnen. Die Kontrollorgane dürfen sich nicht damit begnügen, lediglich die in den Lagern und Läden noch vorhandene Ware aus dem Verkehr zu ziehen. Die Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit setzt voraus, dass das Problem nicht mehr durch individuelle Mitteilung, sondern nur noch durch allgemeine Information gelöst werden kann. Vor oder gleichzeitig mit der Warnung der Öffentlichkeit verfügt das zuständige Kontrollorgan im üblichen Verfahren nach den Artikeln 26-29 die nötigen Massnahmen gegenüber den betroffenen Herstellern, Importeuren, Verteilern und Verkäufern. In ausserordentlichen Situationen können die Bundesbehörden nach Artikel 35 Absatz 3 gegenüber den Kantonen nötigenfalls bestimmte Vollzugsmassnahmen anordnen.

Um eine widerspruchsfreie Information und ein einheitliches Vorgehen der Behörden zu gewährleisten, sind die Bundesbehörden für die Information der Bevölkerung zuständig (Abs. 2), sobald es mehr als einen Kanton betrifft. Dies bedingt eine sofortige Information der Bundesbehörden seitens der kantonalen Kontrollorgane, damit gemeinsam abgeschätzt werden kann, welchen Umfang das Problem hat, und damit die Bundesbehörden in die Lage versetzt werden, die Gesamtverantwortung
wahrzunehmen sowie einheitliche Massnahmen anzuordnen (vgl. Art. 35).

Durch die öffentliche Bekanntgabe von Produkte-, Hersteller- und Verteilernamen können unter Umständen schwere wirtschaftliche Einbussen resultieren. Es ist daher unerlässlich, mit den Betroffenen zuvor Kontakt aufzunehmen (Abs. 3), damit diese ihre Rechte wahrnehmen, mit ihrer Erfahrung zur Problemlösung beitragen und sich auf die Situation einstellen können.

5. Kapitel: Finanzierung Artikel 44 Aufgabenteilung Bis Ende 198583> war der Bund aufgrund des ursprünglichen Artikel 69bis BV verpflichtet, die Kantone im Vollzug dieses Gesetzes finanziell zu unterstützen.

956

Aufgrund der neuen Aufgabenteilung entfällt nun diese verfassungsrechtliche Pflicht. Dieser Artikel trägt der neuen Aufgabenteilung Rechnung und verpflichtet Bund und Kantone, im jeweiligen Zuständigkeitsbereich, die Kosten für die ihnen übertragenen Aufgaben zu tragen, soweit sie nicht durch Gebühren (vgl. Art. 45) gedeckt werden können. Dementsprechend vergütet der Bund den Kantonen den Aufwand für die abschliessende Beurteilung eingeführter Waren nach den Artikeln 27 Absatz 5 und 31 Absatz 3.

Artikel 45 Gebühren Die Lebensmittelkontrolle ist eine staatliche Aufgabe im Dienste der Öffentlichkeit, die grundsätzlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wird. Da die Kontrollen stichprobenweise erfolgen und der Einzelne mehr oder weniger oft und intensiv kontrolliert wird, müsste eine direkte Verrechnung des Aufwandes zu stossenden Ungleichbelastungen der Kontrollierten führen. Diesem Grundkonzept entsprechend können Gebühren nur für besondere, vom Pflichtigen veranlasste Leistungen des Staates (Abs. 1) erhoben werden.

Die Fleischschau ist eine spezielle Kontrolle jedes einzelnen Tieres, das zur Fleischgewinnung geschlachtet wird. Sie verursacht erheblichen Aufwand. Die Erhebung von Gebühren bewirkt keine Ungleichbehandlung zwischen Personen, welche Tiere zum Schlachten bringen. Mit Rücksicht auf die Kosten, welche die Fleischschau verursacht, und angesichts der Konzentration des Grossteils der Schlachtungen auf eine beschränkte Zahl von Betrieben, erscheint es gerechtfertigt, den Aufwand für die Fleischschau wie bisher durch Gebühren auf die Verursacher abzuwälzen (Est. a). Andernfalls ergäben sich sehr unterschiedliche Belastungen der Gemeinwesen, abhängig davon, ob sich in ihren Grenzen ein Grossschlachtbetrieb befindet oder nicht. Eine Nachfleischschaugebühr im Sinne des geltenden Rechts kann indessen nicht mehr erhoben werden.

Bewilligungen und Genehmigungen dienen der Verwirklichung individueller, von den Behörden speziell zu prüfender Vorhaben. Der damit verbundene Aufwand soll daher vom Verursacher getragen werden (Bst. b). Zu den gebührenpflichtigen Bewilligungen gemäss geltendem Recht gehören auch die Einfuhrbewilligungen für Fleisch und Fleischerzeugnisse84'.

Die Kontrollen bei der Einfuhr sind nur teilweise Stichprobenkontrollen; bei Einfuhren von Fleisch und Fleischerzeugnissen
beispielsweise muss, von wenigen Ausnahmen abgesehen, jede Sendung zur grenztierärztlichen Untersuchung85' vorgelegt werden. Ausfuhrkontrollen müssen oft auf Begehren des Exporteurs vorgenommen werden, damit er in der Lage ist, die Bedingungen des Bestimmungslandes zu erfüllen. Der besondere Kontrollaufwand 86 ' soll daher auch künftig auf die Verursacher abgewälzt werden (Bst. c), während Stichprobenkontrollen bei der Einfuhr grundsätzlich unentgeltlich bleiben dürften.

Nach den Buchstaben d und e kann ausserordentlicher Aufwand generell dem Verursacher verrechnet werden.

Die Möglichkeit, den Kontrollaufwand im Zusammenhang mit Beanstandungen nach dem Verursacherprinzip abzuwälzen (Bst.f) hängt eng mit der Konzeption der Lebensmittelkontrolle als einer Stichprobenkontrolle und der Verpflichtung 38 Bundesblatt. 141.Jahrgang. Bd.I

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zur Selbstkontrolle nach Artikel 22 zusammen. Es soll kein Anreiz gegeben werden, die Selbstkontrolle im Vertrauen auf die Gratiskontrolle durch die Öffentlichkeit zu unterlassen.

Absatz 2 begründet in Verbindung mit Absatz l den Grundsatz, dass die übliche Lebensmittelkontrolle durch die Öffentlichkeit finanziell getragen wird.

Das Bestreben nach einer möglichst einheitlichen Lebensmittelkontrolle schliesst auch die Gebührenerhebung mit ein. Wenn für gleichartige staatliche Tätigkeiten in den verschiedenen Gebieten der Schweiz unterschiedlich hohe Gebühren erhoben werden, führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen. Inskünftig soll daher ein einziger Gebührentarif gelten (Abs. 3). Da örtliche Unterschiede tatsächlich vorkommen können, müssen diese durch zweckmässig gestaltete Tarifrahmen aufgefangen werden.

6. Kapitel: Schlachtgewicht Artikel 46 Die Schlachtgewichtsbestimmung gehört rechtlich in den Bereich des Kaufvertragsrechts des Schweizerischen Obligationenrechts, das sich auf Artikel 64 BV stützt. Vorschriften darüber stehen aber auch im Zusammenhang mit dem Lebensmittelgesetz, welches unter anderem die Schlachtung regelt. Es besteht ein Bedürfnis nach einer allgemein verbindlichen Regelung der Schlachtgewichtsbestimmung zum Schutz der Lauterkeit des Fleischhandels, weil die Vertragsparteien beim Schlachtviehkauf oft nicht dabei sind, wenn die Schlachttierkörper gewogen werden. Die geltenden Bestimmungen über die Schlachtgewichtsermittlung in der Eidgenössischen Fleischschauverordnung87* stützen sich auf eine fragliche gesetzliche Grundlage. Aufgrund von Artikel 64 BV wird eine eindeutige Kompetenz des Bundesrates geschaffen.

7. Kapitel: Strafbestimmungen und Rechtsschutz 1. Abschnitt: Strafbestimmungen Allgemeines Bei den im Bereich des Lebensmittelrechts in Frage kommenden Straftatbeständen stellt sich die Frage, ob sie als solche des Nebenstrafrechtes ins Lebensmittelgesetz aufgenommen werden sollen oder ob sie ins Strafgesetzbuch gehören.

Das Nebenstrafrecht ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die mit Strafe bedrohte Handlung nicht an sich strafwürdig ist, sondern lediglich im Zusammenhang mit Geboten und Verboten des Verwaltungsrechts, das heisst im vorliegenden Zusammenhang des Lebensmittelgesetzes. Unter diesem Gesichtspunkt müsste die Produktion und Abgabe gesundheitsgefährdender
Nahrungsmittel und unmittelbar gesundheitsgefährdender Genussmittel als allgemeines Delikt gegen die öffentliche Gesundheit ins Strafgesetzbuch eingefügt werden. Dort finden sich unter anderem bereits die Straftatbestände Verunreinigung von Trinkwasser (Art. 234 StGB) und Herstellen und Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichem Futter (Art. 235 und 236 StGB). Anderseits gehö958

ren die Straftatbestände im Bereich der Produktion und Abgabe gesundheitsgefährdender Gebrauchsgegenstände und absinthhaltiger Getränke eher ins Nebenstrafrecht.

Eine Neuaufteilung der Strafbestimmungen auf zwei Gesetze würde dem Rechtsanwender die Arbeit unnötig erschweren. Auf eine entsprechende Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches wird daher verzichtet.

Vollständig dem Strafgesetzbuch überlassen wird dagegen die Ahndung der Täuschungsdelikte: Was in diesem Bereich strafwürdig ist, wird von den Artikeln 153 StGB (Warenfälschung), 154 StGB (Inverkehrbringen gefälschter Waren) und 155 StGB (Einführen und Lagern gefälschter Waren) bereits vollständig erfasst. Eine Spezialnorm im Lebensmittelgesetz erübrigt sich damit.

Artikel 47 Vergehen In Absatz l Buchstabe a wird mit Strafe bedroht, wer Nahrungsmittel so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden. Gefordert ist also nicht eine konkrete Gefährdung einzelner Menschen. Die Umschreibung des Tatbestandes ist auf die Artikel 2 und 11 Absatz l abgestimmt. Für die Erfüllung des Tatbestandes reicht es aus, wenn die fraglichen Nahrungsmittel von ihrer Beschaffenheit her geeignet sind, um bei üblichem Gebrauch die Gesundheit zu gefährden. Es ist dabei berücksichtigt, dass viele Nahrungsmittel bei übermässiger Aufnahme ein Gesundheitsrisiko bewirken können.

Derjenige, der gesundheitsgefährdende Nahrungsmittel (einwandfrei) lagert oder transportiert, ohne dass er über ihre Eigenschaft im Bilde ist oder sein müsste, wird von der Strafdrohung nicht erfasst. Der Tatbestand wird indessen dann erfüllt, wenn durch die Lagerung oder den Transport die gesundheitsgefährdenden Eigenschaften geschaffen oder verstärkt werden.

In Buchstabe b wird entsprechend Buchstabe a der Straftatbestand betreffend Genussmittel umschrieben. Da verschiedene Genussmittel (Alkoholika und Tabakwaren) aufgrund ihrer natürlichen Eigenschaften mittelbar und langfristig die Gesundheit gefährden können, reduziert sich hier das strafbare Verhalten auf die unmittelbare Gefährdung (z. B. durch unerlaubte Inhalts- oder Fremdstoffe). Damit ist der Straftatbestand auch auf Artikel 11 Absatz 2 abgestimmt.

Die Strafbestimmung von Buchstabe c bezieht sich nur auf solche Gebrauchsgegenstände, die vom Gesetz erfasst
werden (vgl. Art. 3 Ziff. 5). Die Gesundheitsgefährdung ist strafrechtlich nur dann von Belang, wenn sie beim üblichen oder zu erwartenden Gebrauch dieser Gegenstände auftritt (vgl. Art. 12). So darf etwa erwartet werden, dass Kosmetika nicht gegessen werden. Anderseits ist davon auszugehen, dass Spielzeuge von Kindern auch in den Mund genommen werden. Entsprechend würde eine Lackierung von Spielzeugen,den Straftatbestand erfüllen, wenn der Lack unter der Einwirkung von Speichel gesundheitsgefährdende Stoffe freisetzt.

Im bisherigen Rahmen geahndet wird in Buchstabe d die Widerhandlung gegen das durch die Bundesverfassung vorgegebene Absinthverbot. Es wird dabei präzisiert, dass auch die Absatzhilfe und der Erwerb zum Zwecke des Verkaufs 959

strafbar sind. Damit wird die im Bundesgesetz vom 24. Juni 191088* betreffend das Absinthverbot enthaltene Strafbestimmung ersetzt.

Mit dem Straftatbestand von Buchstabe e wird derjenige erfasst, der gesundheitsgefährdende Ware zur Ein- oder Ausfuhr bringt. Das könnte beispielsweise bei Waren der Fall sein, die infolge eines Mangels besonders günstig erworben werden konnten (Ausschussware, Restposten).

Art und Mass der angedrohten Strafen (Gefängnis bis drei Jahre oder Busse bis 40 000 Fr.) entsprechen denjenigen vergleichbarer abstrakter Gefährdungsdelikte in andern Rechtsgebieten. Werden Personen konkret gefährdet oder in ihrer Gesundheit geschädigt, kommen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, insbesondere fahrlässige (Art. 117 StGB) und vorsätzliche Tötung (Art. 111 StGB), zur Anwendung.

Bei einer Verwirklichung etwa des Tatbestandes der Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung neben dem hier geschützten Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit steht auch das Rechtsgut der körperlichen Integrität des Einzelnen in Frage. Bei gleichzeitiger Verwirklichung des Tatbestandes von Artikel 47 und der Delikte gegen Leib und Leben nach dem Strafgesetzbuch besteht echte Konkurrenz. Dies dürfte nach Artikel 68 StGB zu einer Strafverschärfung führen.

Das heraufgesetzte Strafmaximum (fünf Jahre Gefängnis) bei Gewerbsmässigkeit oder Gewinnsucht in Absatz 2 entspricht bestehenden Regelungen in anderen Rechtsgebieten. Beim Vorliegen von Gewinnsucht ist der Richter nach Artikel 48 Ziffer l des Strafgesetzbuches nicht an den gesetzlichen Höchstbetrag der Busse (40 000 Fr.) gebunden.

Da die Widerhandlungen im lebensmittelrechtlichen Bereich weitreichende Folgen zeitigen können und ein sehr grosses öffentliches Interesse daran besteht, dass keine gesundheitsgefährdenden Lebensmittel in den Verkehr gelangen, wird in Absatz 3 auch die fahrlässige Begehung der umschriebenen Tatbestände unter Strafe gestellt.

Artikel 48 Übertretungen Die in Absatz l aufgelisteten Übertretungstatbestände bedrohen die Missachtung der wesentlichen gesetzlichen Gebote und Verbote, die in den auf das Gesetz abgestützten Verordnungen näher geregelt werden. Die in den einzelnen Buchstaben aufgeführten Straftatbestände beziehen sich auf folgende Gesetzesartikel: a: Artikel 14; b:
Artikel 7; c: Artikel 31 Absatz l ; d: Artikel 31 Absatz 2; e: Artikel 15; f: Artikel 23 und 24; g: Artikel 4 (Auffangtatbestand); h: Artikel 17 Absatz3, 18 und 19; i: Artikel22 Absatz3; k: Artikel20; 1: Artikel 13; m: Artikel 46.

Nach herrschender Lehre und Praxis sind im Bereiche des Übertretungsstrafrechts sogenannte Blankettstrafdrohungen mit einer relativ offenen Tatbestandsumschreibung oder gar einer entsprechenden Verweisung auf das nachgeordnete Verordnungsrecht zulässig. Absatz l legt abschliessend fest, welchen Bereichen des Verordnungsrechts mit Strafdrohungen Nachachtung verschafft wird. Nicht jede Missachtung einer Verordnungsbestimmung wird demnach als Übertretung bestraft, sondern nur solche, welche im Hinblick auf die Dürchset960

zung des materiellen Lebensmittelrechts von Bedeutung sind. Die Höchstbusse ist auf 20000 Franken festgesetzt. Damit wird der in Artikel 106 StGB normalerweise für Übertretungen geltende Ansatz vervierfacht.

In Absatz 2 werden Versuch und Gehilfenschaft ebenfalls strafbar erklärt. Wie bereits erwähnt, besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, dass keine gesundheitsgefährdenden Lebensmittel in Verkehr gelangen. Im weiteren geht es dabei häufig um Delikte, die von Personenmehrheiten (in Betrieben und im Handel) begangen werden. Da nun Artikel 104 Absatz l StGB bestimmt, dass bei Übertretungen der Versuch und die Gehilfenschaft nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft werden, ist es erforderlich, die Strafbarkeit von Versuch und Gehilfenschaft besonders festzulegen.

Eine flexible Handhabung ermöglicht Absatz 3. Die Praxis hat gezeigt, dass es insbesondere im Bereich der fahrlässigen Begehung oft zur vollständigen Erfüllung des Tatbestandes kommt, der Unrechtsgehalt infolge der materiellen Geringfügigkeit aber klein ist. Die Einleitung eines Strafverfahrens wäre dann unverhältnismässig. Zu denken ist etwa an geringfügige Abweichungen in der vorgeschriebenen Zusammensetzung von Lebensmitteln, ungenügende Etiketten und dergleichen. In solchen Fällen soll es mit der administrativen Erledigung der Angelegenheit sein Bewenden haben (vgl. Art. 30 Abs. 2), ohne dass die Kontrollbehörden eine Strafanzeige erstatten müssen. In gleicher Weise kann hier die Untersuchungsbehörde auf die Strafverfolgung verzichten oder der Richter kann von einer Bestrafung Umgang nehmen.

Artikel 49 Verjährung Im Bereich der anvisierten Übertretungstatbestände sind oft aufwendige Sachverhaltsabklärungen (Laboruntersuchungen und dergleichen) erforderlich. Es ist daher notwendig, die in Artikel 109 StGB vorgesehenen kurzen Verjährungsfristen (ein und zwei Jahre) für die Verfolgung von Übertretungen und für die Vollstreckung der wegen solcher Taten ausgefällten Strafen im Bereiche des Lebensmittelgesetzes zu erhöhen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Strafuntersuchungen oft nicht innert Frist zu Entscheidungsreife abgeklärt werden können und das Verfahren zufolge Verjährung eingestellt werden muss.

Mit der Erhöhung der Verjährungsfristen wird auch eine Anpassung an die Fristen von Artikel 11 des
Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStR) vorgenommen; damit wird verhindert, dass bei der Verfolgung von Straftaten durch die Bundesbehörden nach VStrR andere Verjährungsfristen gelten, als bei Verfolgung durch kantonale Behörden.

Artikel 50 Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, Urkundenfälschung Nach Artikel l des Bundesgesetzes vom 22. März 197489) über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) ist dieses nur direkt anwendbar, wenn die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen durch eine Bundesbehörde erfolgt. Abweichend vom sonst anwendbaren allgemeinen Teil des schweizerischen Strafgesetzbuches kennt das Verwaltungsstrafrecht in den Artikeln 6 und 7 VStrR eine besondere Regelung für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben und durch Beauftragte.

961

In Artikel 6 VStrR wird der Durchgriff auf die Geschäftsleitung erleichtert.

«Der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben, untersteht den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden Täter gelten.» Nach Artikel 7 VStrR besteht eine beschränkte Strafbarkeit juristischer Personen, von Kollektiv- oder Kommanditgesellschaften und Einzelfirmen. «Fällt eine Busse von höchstens 5000 Franken in Betracht und würde die Ermittlung der nach Artikel 6 strafbaren Personen Untersuchungsmassnahmen bedingen, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären, so kann von einer Verfolgung dieser Personen Umgang genommen und an ihrer Stelle die juristische Person, die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder die Einzelfirma zur Bezahlung der Busse verurteilt werden.» Es muss davon ausgegangen werden,, dass ein grosser Teil der hier mit Strafe bedrohten Handlungen bei der Tätigkeit für Geschäftsbetriebe begangen wird.

Es rechtfertigt sich daher, die Möglichkeiten der Artikel 6 und 7 VStrR auch den kantonalen Strafverfolgungsbehörden zu eröffnen.

Artikel 15 des Verwaltungsstrafrechts (Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung) ist ein Spezialtatbestand zur Urkundenfälschung nach Artikel 251 StGB, der speziell Bezug nimmt auf die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes. Er findet grundsätzlich Anwendung soweit die Zollverwaltung für die Verfolgung und Beurteilung einer Widerhandlung zuständig ist. Damit dieselbe Widerhandlung im Bereich des kantonalen Lebensmittelrechts und der kantonalen Zuständigkeit nach derselben Grundlage bestraft werden kann, wird Artikel 15 VStrR ausdrücklich anwendbar erklärt. Die Strafdrohung ist milder als nach Artikel 251 StGB, die Höchststrafe beträgt Gefängnis, aber der Tatbestand ist umfassender, weil er unter anderem auch die Täuschung der Verwaltung erfasst.

Würde Artikel 15 VStrR nicht auch für die kantonalen Strafbehörden anwendbar erklärt, hätte dies zur Folge, dass beispielsweise Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit der Einfuhr einer anderen Strafdrohung unterstünden, je nachdem, wer für die Beurteilung zuständig ist. Denn,
Einfuhrdelikte betreffend Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände werden, soweit sie an der Grenze festgestellt werden, durch die Bundesbehörden nach dem Verwaltungsstrafrecht, soweit sie erst im Inland aufgedeckt werden, von den kantonalen Strafbehörden nach den kantonalen Verfahrensbestimmungen untersucht und beurteilt. Bei Fleisch und Fleischerzeugnissen ist jedoch ausschliesslich die Zollverwaltung zuständig.

ArtikelSl

Strafverfolgung

Absatz l stellt klar, dass entsprechend der verwaltungsrechtlichen Vollzugskompetenzen (vgl. Art. 40 Abs. 1) die Strafverfolgung der im Lebensmittelgesetz und im schweizerischen Strafgesetzbuch umschriebenen Delikte im Grundsatz Sache der Kantone ist. Ausfluss der Aufsicht des Bundes ist die in Absatz l aufgeführte Kompetenz des zuständigen Bundesamtes, nach Artikel 258 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934'°) über die Bundesstrafrechtspflege die kantonalen 962

Behörden zur Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens zu verpflichten. Zuständiges Bundesamt ist das Bundesamt für Gesundheitswesen. Soweit es den Bereich Masttierhaltung, Schlachtung und Fleischschau betrifft, ist das Bundesamt für Veterinärwesen zuständig.

Für den Bereich des Vollzugs durch Bundesorgane wird der Zollverwaltung als einziger Stelle die Strafverfolgung und Beurteilung übertragen (Abs. 2). Sie ist dazu dank ihres dezentralisierten Untersuchungsdienstes und ihrer zentralen Abteilung für Strafsachen in der Lage. Für die Beurteilung von Widerhandlungen betreffend Fleisch und Fleischerzeugnisse war bisher das Bundesamt für Veterinärwesen zuständig. Die Strafuntersuchung war jedoch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bereits Sache der Zollverwaltung. Im Interesse der Verfahrensökonomie und der Betroffenen tritt inskünftig nur noch eine einzige Bundesstelle im Strafverfahren auf, auch in jenen Fällen, wo durch die gleiche Tat Widerhandlungen gegen verschiedene Gesetze erfüllt werden (vgl. Abs. 3).

Dies bedeutet eine Abweichung vom Grundsatz des Verwaltungsstrafrechts, wonach jede beteiligte Verwaltung selbst die Widerhandlung beurteilt und einen eigenständigen Straf entscheid trifft 91 ). Deshalb ist bisher insbesondere beim Fleischschmuggel ein Strafbescheid der Zollverwaltung wegen Widerhandlungen gegen das Zollgesetz und ein Strafbescheid des Bundesamtes für Veterinärwesen wegen Widerhandlungen gegen das Lebensmittelgesetz und das Tierseuchengesetz ergangen. Diese Zweigeleisigkeit fällt künftig dahin. Um dies zu erreichen, werden auch die Strafverfolgungskompetenzen im Tierschutzgesetz und im Tierseuchengesetz entsprechend angepasst (vgl. Art. 60 Ziff. l und 2). Die Strafverfolgungskompetenz im Jagdgesetz ist bereits entsprechend abgefasst92' und jene im Fischereigesetz'3' ist beantragt. Bei der widerrechtlichen Ein-, Durch- und Ausfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen konkurrieren in aller Regel verschiedene Straftatbestände. Die Zollverwaltung zuständig zu erklären ist umso eher gerechtfertigt, als die Untersuchung in der grossen Mehrzahl der Fälle wegen einer gleichzeitig vorliegenden Widerhandlung gegen das Zollgesetz ohnehin durch die Zollverwaltung durchgeführt wird. Die neue Zuständigkeitsordnung bedingt weiterhin eine enge interne Zusammenarbeit der beteiligten
Bundesämter.

Mit der vorliegenden Formulierung wird eine klare allgemein gültige Zuständigkeitsordnung angestrebt. Dabei gilt es Rücksicht zu nehmen auf die unterschiedlichen Einfuhrvoraussetzungen für Lebensmittel. Während für Fleisch und Fleischerzeugnisse nach geltendem Recht eine Einfuhrbewilligung und eine grenztierärztliche Untersuchung vorgeschrieben 54) sind, können die übrigen Lebensmittel und die Gebrauchsgegenstände ohne eine solche Beschränkung eingeführt werden. Weiter ist von Belang, dass Fleisch und Fleischerzeugnisse bei der Einfuhr durch den grenztierärztlichen Dienst immer untersucht werden, während die übrigen Lebensmittel und die Gebrauchsgegenstände lediglich stichprobenweise durch die Zollorgane überprüft werden und die eigentliche Lebensmittelkontrolle erst im Inland durch die kantonalen Organe erfolgt.

Dementsprechend ist die Zollverwaltung für die Untersuchung und Beurteilung aller Widerhandlungen im Zusammenhang mit der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen zuständig, unabhängig davon, ob die Widerhandlung an der Grenze oder später im Inland aufgedeckt wird. Anderseits 963

fallen Widerhandlungen im Zusammenhang mit der Ein-, Durch- und Ausfuhr der übrigen Lebensmittel und der Gebrauchsgegenstände, welche erst bei der Untersuchung im Inland (vgl. Art. 27 Abs. 5 und 31 Abs. 3) aufgedeckt werden, in die Zuständigkeit der Kantone. Die Zollverwaltung untersucht und beurteilt nur jene wenigen Fälle, wo offensichtliche Widerhandlungen an der Grenze festgestellt werden und die Waren durch die Zollorgane nicht zur Einfuhr zugelassen werden.

Absatz 3 befasst sich mit dem Verhältnis der in Betracht fallenden Strafnormen zueinander. Ohne diese Konkurrenznorm müsste grundsätzlich für jede einzelne Widerhandlung eine separate Busse ausgesprochen werden (Kumulationsprinzip des Verwaltungsstrafrechts 95>). Dies ist jedoch unerwünscht. Vielmehr soll die Zollverwaltung, soweit sie für die Beurteilung der konkurrierenden Widerhandlungen zuständig ist, bloss einen Strafbescheid mit nur einer (Gesamt-) Busse erlassen. Diese Lösung ist mit Blick auf das Lebensmittelgesetz bereits im Jagdgesetz so getroffen worden. Damit das Konkurrenzproblem in allen möglichen Fällen gelöst ist, ist für das Tierschutzgesetz, das Tierseuchengesetz und das Fischereigesetz eine sinngemäss gleichlautende Bestimmung nötig (vgl.

Art. 60 Ziff. l und 2).

In Absatz 4 wird festgehalten, dass die Vollzugsbehörden der Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Gesetzes entsprechend dem kantonalen Recht die Rechtsstellung der gerichtlichen Polizei haben. Sie sind damit zur Vornahme aller Untersuchungshandlungen befugt, zu welchen die jeweilige kantonale Verfahrensgesetzgebung die gerichtliche Polizei ermächtigt. Für die Vollzugsorgane des Bundes ergeben sich die entsprechenden Kompetenzen aus Artikel 20 des Verwaltungsstrafrechts.

Artikel 52 Verfahrenskosten Die Regelung folgt dem anerkannten Grundsatz, wonach der Verurteilte die Verfahrenskosten nach der jeweiligen kantonalen Verfahrensordnung bzw. nach den Artikeln 64 und 70 VStrR zu tragen hat. Die Kostenfolge umfasst dabei auch das gesamte Vorverfahren. Der Grundsatz der Kostenlosigkeit der Lebensmittelkontrolle wird damit, wie im Fall der Beanstandung (vgl. Art. 45 Abs. l Bst. f), durchbrochen.

2. Abschnitt: Rechtsschutz Artikel 53 Einspracheverfahren Die Einsprache ist ein Rechtsmittel96', mit dem eine Verfügung bei jener Behörde angefochten
werden kann, welche sie erlassen hat. Diese ist dann verpflichtet, ihren Entscheid nochmals zu überprüfen und eine neue Verfügung zu treffen. Da die Einsprache in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Kantone nicht generell vorgesehen ist, muss sie im Lebensmittelgesetz speziell vorgeschrieben werden.

Im Bereiche des Lebensmittelrechts geht es oft um Feststellungen und Anordnungen von sehr technischem Gehalt, die nur von Spezialisten überprüft werden können. Es liegt daher sowohl im Interesse der Betroffenen, als auch der 964

Verfahrensökonomie, dass die verfügende Fachbehörde nochmals Gelegenheit erhält, ihren Entscheid zu überprüfen, beispielsweise, indem sie weitere Laboruntersuchungen vornimmt. Es ist zu erwarten, dass auf diese Weise viele Unklarheiten beseitigt und Beschwerdeverfahren vermieden werden können. Mit einer Einsprache kann rasch eine Nachprüfung beantragt werden, was besonders dann wichtig ist, wenn es sich um einen Untersuchungsgegenstand handelt, der sich schnell verändert. Die Einsprache macht die Oberexpertisemöglichkeit gemäss geltendem Recht überflüssig. Gegen Verfügungen eines Grenztierarztes kann bereits nach geltendem Recht innert zwei Tagen (inskünftig fünf Tagen) beim Bundesamt für Veterinärwesen eine Einsprache eingereicht werden. Dieses überprüft dann den Formularentscheid des Grenztierarztes und ändert oder bestätigt seinen Entscheid in Form einer begründeten Verfügung.

Die Einsprache steht nur für Verfügungen gegen Massnahmen (Art. 27-29) zur Verfügung. Der Entscheid über eine Einsprache kann mit Beschwerde an die nächsthöhere Instanz weitergezogen werden. Im übrigen sind Verfügungen unmittelbar mit Beschwerde nach Artikel 54 oder 55 anfechtbar.

Artikel 54 Kantonales Beschwerdeverfahren Der Vollzug dieses Gesetzes im Inland ist im wesentlichen den Kantonen übertragen. Das Verfahren richtet sich damit nach kantonalem Verwaltungsrecht, soweit nicht das Lebensmittelgesetz ausdrücklich Abweichungen vorschreibt (vgl.

die Art. 26-30). Folgerichtig richtet sich auch das Einsprache- und Beschwerdeverfahren (Abs. 1) in ihrem Bereich nach kantonalem Recht. Die meisten Kantone verfügen heute über Verwaltungsverfahrensgesetze, die im grossen und ganzen die Verfahrensgrundsätze des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren berücksichtigen. Die Einschränkung «im Rahmen dieses Gesetzes» betrifft in erster Linie die formelle Beanstandung (Art. 26) und die Fristen (Art. 56).

Absatz 2 verpflichtet die Kantone, mindestens eine Beschwerdeinstanz mit voller Kognition einzusetzen. Einer der Gründe dafür liegt darin, dass auf das im igeltenden Gesetz enthaltene Institut der Oberexpertise bei Streitigkeiten über die Sachverhaltsfeststellung verzichtet wird. Das Institut der Beschwerde bringt ,den Vorteil, dass im Rahmen eines bewährten Verfahrens nicht nur Fragen der naturwissenschaftlichen
Sachverhaltsbeurteilung einer Überprüfung unterzogen werden können, sondern die gesamten Kontrollhandlungen und Anordnungen der Behörde. Auf entsprechenden Antrag eines Beschwerdeführers wird die Beschwerdeinstanz eine zweite Untersuchung nur verweigern können, wenn sie begründen kann, dass dies zur Lösung der Auseinandersetzung nichts beizutragen vermag.

Artikel 55 Bundesrechtspflege Soweit der Vollzug des Lebensmittelgesetzes durch die Bundesbehörden geischieht, richtet sich das Verfahren, nach welchem die Entscheide (erstinstanzliche Verfügungen) getroffen werden, nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren97).

965

Der Artikel weist darauf hin, dass sich auch das Beschwerdeverfahren gegen erstinstanzliche Verfügungen von Bundesbehörden nach dem Bundesgesetz über das VerWaltungsverfahren richtet. Das Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren für die Anrufung des Bundesgerichts ist im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege9S) geregelt. Die darin enthaltenen Grundsätze wirken sich auch auf das kantonale Beschwerdeverfahren aus^ Entscheide im Bereiche des Lebensmittelrechts können, da sie auf Bundesrecht gründen, letztinstanzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden. Ein kantonaler letztinstanzlicher Entscheid muss daher den Grundsätzen, die im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege festgehalten sind, Rechnung tragen.

Artikel 56 Fristen Die Einsprache- und Beschwerdefristen im Verwaltungsverfahren sind in den verschiedenen Kantonen unterschiedlich lang. Sie variieren zwischen zehn und 30 Tagen; nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren beträgt sie 30 Tage. Weil es im Bereiche der Lebensmittelkontrolle oft um verderbliche Waren geht, sollten die Verfahren rasch abgewickelt werden können. Mit Rücksicht darauf wird für die ganze Schweiz einheitlich eine Einsprachefrist von fünf Tagen (Abs. 1) und eine Beschwerdefrist von zehn Tagen (Abs. 2) gegenüber Verfügungen der Lebensmittelkontrollorgane festgelegt.

Die Fleischschau ist insofern ein Sonderfall im Rahmen der Lebensmittelkontrolle, als jedes Tier, das zur Schiachtung kommt, untersucht wird. Bei der grossen Zahl der zu treffenden Entscheide und mit Rücksicht auf die Verderblichkeit des Fleisches, ist es unumgänglich, eine kurze Beschwerdefrist festzulegen.

Die schon heute geltende Frist von fünf Tagen sichert einen raschen Entscheid, ohne dass die Rechte des Betroffenen in unzumutbarer Weise eingeschränkt werden.

Artikel 57 Aufschiebende Wirkung, vorsorgliche Massnahmen Diese Regelung (Abs. 1) trägt der Tatsache Rechnung, dass im schweizerischen Recht der Beschwerde gegen eine Verfügung in der Regel aufschiebende Wirkung zukommt. Diese bewirkt, dass eine Anordnung während einer hängigen Beschwerde nicht durchgesetzt werden kann. Im Bereiche des Lebensmittelrechts ist es indessen oft nötig, die in einer Verfügung angeordneten Massnahmen im Interesse des Gesundheitsschutzes sofort
zu vollstrecken. Die Vollzugsbehörden müssen daher die Möglichkeit haben, allfälligen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu entziehen oder, im Rahmen der aufschiebenden Wirkung, zumindest die unumgänglichen Sofprtmassnahmen zur einstweiligen Behebung der unmittelbaren Gefahr zu treffen (Abs. 2). Zu denken ist etwa an Sofortmassnahmen bei der Lebensmittelherstellung oder -Verteilung, wenn es sich um akut gesundheitsgefährdende Produkte handelt. Oder an die Weiterverwendung von verderblichen Lebensmitteln unter bestimmten Auflägen bzw. deren anderweitige Verwertung ausserhalb des Lebensmittelbereichs (vgl. Art. 27). Bei einer vorsorglichen Beschlagnahme nach Artikel 29 wird in der Regel einer allfälligen Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung die aufschiebende 966

Wirkung entzogen werden müssen, da die Beschlagnahme nur einen Sinn hat, wenn sie unverzüglich wirkt.

Artikel 58 Haftung Die Behörden erhalten im Lebensmittelgesetz ein relativ weitgehendes Eingriffsrecht in geschützte Rechtspositionen der Betroffenen. Als Korrelat dazu drängt sich eine klare Haftungsnorm auf, nach welcher die verantwortliche Körperschaft (Gemeinde, Kanton oder Bund) für ein allenfalls willkürliches Vorgehen ihrer Organe einstehen muss. Da das kantonale Recht im Bereich der Staatshaftung uneinheitlich ist und dem Betroffenen recht unterschiedlichen Schutz gewährt, muss als Folge der verschärften bundesrechtlichen Eingriffsmöglichkeit (vgl. Art. 35) auch die adäquate Haftung des Gemeinwesens einheitlich geregelt werden. Entsprechend dem Verantwortlichkeitsgesetz99* des Bundes und der Haftungsregelungen zahleicher Kantone wirkt grundsätzlich jede Rechtsverletzung haftungsbegründend.

Falls einer der in den Buchstaben a-d festgehaltenen Tatbestände vorliegt, kann ein Betroffener seine allfällige Schadenersatzforderung im gesamten Bereich des Lebensmittelgesetzes gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen.

Es ist damit ausgeschlossen, was in einigen Kantonen noch möglich ist, einen Beamten direkt zu belangen. Für die weiteren Fragen, die sich im Rahmen eines Haftpflichtfalls jeweils stellen (insbesondere Zuständigkeit, Fristen, Verjährung, Rückgriff des Gemeinwesens, Verfahren), ist das für das jeweilige Gemeinwesen gültige Haftungsrecht massgebend. Dieses gilt auch für Haftungsfälle, die nicht durch die abschliessende Aufzählung in Artikel 58 erfasst werden.

8. Kapitel: Schlussbestimmungen Artikel 59 Aufhebung bisherigen Rechts Das Bundesgesetz vom 7. März 1912 betreffend das Verbot von Kunstwein und Kuristmost (Bst. a) kann aufgehoben werden, weil es materiell abgelöst wird durch das vorliegende Lebensmittelgesetz. Das Bundesgesetz vom 24. Juni 1910 betreffend das Absinthverbot (Bst. b) wiederholt inhaltlich im wesentlichen Artikel 32ter BV und enthält Strafbestimmungen. Es kann aufgehoben werden, weil die Strafbestimmung und die Grundlage für eine Ausführungsverordnung des Bundesrats im vorliegenden Lebensmittelgesetz enthalten sind (vgl. die Art. 9 und 47 Abs. l Bst. d). Das Bundesgesetz vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen wird durch das vorliegende Lebensmittelgesetz abgelöst.

Artikel 60 Änderung bisherigen Rechts 1. Im Tierschutzgesetz vom 9. März 1978 (Art. 32 Abs. 2 und 2bis) wird die Zuständigkeit zur Strafverfolgung mit der Zuständigkeitsordnung im Lebensmittelgesetz koordiniert (vgl. Art. 51). Neu sind die Bündesbehörden für die Untersuchung und Bestrafung aller Widerhandlungen im Zusammenhang mit der Ein-, Durch- und Ausfuhr zuständig.

967

2. Im Tierseuchengesetz vom I.Juli 1966 (Art. 106, 52 Abs. 2 und 2b's) wird ausdrücklich festgehalten, dass der Verkehr mit Lebensmitteln aus seuchenpolizeilichen Gründen beschränkt werden kann. Es geht vor allem um Fleisch und Fleischerzeugnisse, mit denen Krankheiten, die für den Menschen oder für Tiere gefährlich sind, übertragen werden können.

Die Zuständigkeit für die Strafverfolgung wird ebenfalls mit jener im Lebensmittelgesetz koordiniert (vgl. Art. 51). Dies ist wichtig, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, weil bei der widerrechtlichen Einfuhr von Fleisch und Fleischerzeugnissen in der Regel Bestimmungen beider Gesetze verletzt werden.

3. Im Landwirtschaftsgesetz vom S.Oktober 1951 (Art. 47 Abs. 3, 70 Abs. l, 71 Abs. l und 73) wird der Grundsatz verankert, dass bei der Festlegung der Zuchtziele die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung zu berücksichtigen sind. Dazu werden die Bestimmungen über die Zulassung und Kontrolle landwirtschaftlicher Hilfsstoffe mit jenen des Lebensmittelgesetzes koordiniert.

Extremen Züchtungen, welche zu qualitativ stark minderwertigem Fleisch führen, könnte durch entsprechende Ausführungsbestimmungen Einhalt geboten werden. Ein Beispiel für diese Problemstellung bildet das durch Züchtung entstandene stark wässrige Schweinefleisch. Die entsprechende Rechtsgrundlage zur allfälligen Einflussnahme auf Pflanzenzüchtungen findet sich in Artikel 5 des Lebensmittelgesetzes, weil sich Artikel 40 des Landwirtschaftsgesetzes lediglich auf die Unterstützung der Züchtung bezieht.

Weil mit der Anwendung landwirtschaftlicher Hilfsstoffe potentiell die Gefahr besteht, dass gesundheitsgefährdende Rückstände im Lebensmittel zurückbleiben, müssen bei deren Zulassung auch die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung berücksichtigt werden. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Kontrollierbarkeit ist eine transparente Zulassungspraxis notwendig. Entweder sind die Hilfsstoffe in einer Verordnung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements umschrieben oder dann - vorübergehend, bis zur Aufnahme in die Verordnung - in einer Einzelbewilligung der zuständigen landwirtschaftlichen Forschungsanstalt100'. Die Liste der gültigen Einzelbewilligungen wird periodisch vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement veröffentlicht.

Entsprechend der Motion Dürr wird die
Einschränkung des Geltungsbereiches von Artikel 70 des Landwirtschaftsgesetzes auf das gewerbsmässige Inverkehrbringen aufgehoben, damit auch Lohn- und Selbstmischer von Futtermitteln an die Vorschriften gebunden werden und kontrolliert werden können. Desgleichen erlaubt der geänderte Absatz l auch eine Kontrolle der übrigen Hilfsstoffe, namentlich der Pflanzenschutz- und Düngemittel, beim einzelnen Anwender. Die bestehenden Regelungen über die Zulassung und Anwendung können damit auch bei der Einfuhr zum Eigengebrauch angewendet werden.

968

Artikel 61 Referendum und Inkrafttreten Diese Bestimmung umfasst die übliche Schlussformel. Für die Anwendung des Gesetzes sind zahlreiche Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe notwendig (vgl. Art. 36). Der Bundesrat wird es erst in Kraft setzen können, wenn die bestehenden Verordnungen soweit notwendig angepasst bzw. die neu erforderlichen Ausführungsbestimmungen erlassen sind.

3

Auswirkungen

31

Auf den Bund

Die heute mit der Lebensmittelgesetzgebung befassten Bundesstellen sind gegenwärtig nicht in der Lage, die sich aus der geltenden Gesetzgebung ergebenden Aufgaben umfassend und befriedigend zu erfüllen. Es fehlt die Kapazität, um vorausschauend die Probleme zu erfassen und weitsichtig Lösungen vorzubereiten. Es fehlt namentlich an den Voraussetzungen zur Entwicklung von Analysemethoden und für toxikologisch-epidemiologische Studien. So bleibt schliesslich, wie sich in jüngster Zeit verschiedentlich gezeigt hat, nur die Reaktion auf aufgetretene, zum Teil bereits ausser Kontrolle geratene Ereignisse.

Das neue Lebensmittelgesetz überträgt den Bundesbehörden mehr Verantwortung; es stärkt ihre Führungsrolle und bringt insbesondere im Zusammenhang mit der komplexen Beurteilung von Stoffen, die gesundheitliche Risiken mit Lebensmitteln bewirken können, neue Aufgaben.

Aufgrund des neuen Lebensmittelgesetzes fallen keine bisherigen Bundesaufgaben dahin, die in wesentlichem Mass Personal und Mittel für neue Aufgaben freisetzen würden.

Mehr Aufwand werden im wesentlichen die folgenden Aufgaben verursachen: - Ein- und Ausfuhrkontrollen von Tierarzneimitteln (Art. 31), - Erforschung und Beschaffung der wissenschaftlichen Grundlagen (Art. 33) sowie die toxikologische und epidemiologische Beurteilung von Zusatzstoffen, Inhaltsstoffen und Fremdstoffen (Art. 8); es werden immer mehr chemische Substanzen geschaffen und man muss damit rechnen, dass diese irgendwann in Lebensmitteln auftreten, daher müssen Daten zur Beurteilung solcher Stoffe gesammelt und zum Teil selbst erforscht werden, - Information und Koordination der Information (Art. 10, 35 und 43), - Koordination des Vollzugs durch die Kantone, Übersichtsuntersuchungen und Ringversuche (Art. 35), - Lebensmittelkontrolle in der Armee (Art. 34), - Kontrolle der Futtermittel, ausgedehnt auf Selbstmischer (Art. 60 Ziff. 3), - Überarbeitung und Neustrukturierung des Verordnungsrechts aufgrund des neuen Lebensmittelgesetzes.

Zur Bewältigung dieser zum Teil neuen, zum Teil erweiterten bisherigen Aufgaben benötigen die zuständigen Bundesstellen in erster Linie mehr Personal. Im heutigen Zeitpunkt kann der Mehrbedarf zahlenmässig noch nicht abschliessend festgelegt werden. Immerhin ist damit zu rechnen, dass zur Erfüllung der neuen Aufgaben je sechs bis zehn neue Stellen im Bereich der Lebensmittelkon969

trolle bzw. der Futtermittelkontrolle nach Artikel 70 Absatz l des Landwirtschaftsgesetzes geschaffen werden müssen, was einem finanziellen Aufwand von rund zwei Millionen Franken pro Jahr entspricht. Der Bundesrat wird daher zu gegebener Zeit mit entsprechenden Begehren an die Eidgenössischen Räte herantreten müssen, soweit der Personalmehrbedarf nicht innerhalb der Verwaltung aufgefangen werden kann.

32

Auf die Kantone und Gemeinden

Das neue Lebensmittelgesetz bringt für die Kantone keine grundsätzlich neuen Aufgaben. Sie bestimmen wie bisher über die Dichte und Schwerpunkte der Kontrollen, wobei aber die Bundesbehörden koordinierend eingreifen und Massnahmen vorschreiben können. Die Kantone verfügen bereits über einen Kontrollapparat und gut ausgebaute Laboratorien. Der Ausdehnung des Geltungsbereichs der Lebensmittelgesetzgebung auf die landwirtschaftliche Produktion wird für die entsprechenden Kontrollen einen gewissen Mehraufwand mit sich bringen. Erwartet werden vermehrte analytische Kontrollen des Fleisches an der Verkaufsfront und bei der Fleischschau.

In den Laboratorien werden für neue analytische Aufgaben die entsprechenden Apparaturen und Spezialisten eingesetzt werden müssen. Fleischinspektoren werden als kantonale Kontrollorgane durch den Kanton eingestellt werden müssen. Für die Überwachung der landwirtschaftlichen Produktion, namentlich der Mast, sollten vorhandene personelle Infrastrukturen beigezogen werden können, zu denken ist etwa an die amtlichen Tierärzte nach der Tierseuchengesetzgebung.

Die Lebensmittelkontrolleure und Fleischkontrolleure werden im Rahmen der vom jeweiligen Kanton getroffenen Organisation weiterhin durch die Gemeinden eingestellt und besoldet werden müssen. Dabei ist es möglich, diese Aufgabe bezirksweise oder auf kantonaler Ebene zu organisieren um vermehrt vollamtliche Beamte einzusetzen.

33

Andere Auswirkungen

Die Anwendung der Lebensmittelgesetzgebung im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion bedingt, dass die Bundesbehörden sich bei der Zulassung landwirtschaftlicher Hilfsstoffe auch an den lebensmittelrechtlichen Kriterien orientieren und dass der Landwirt seine Tätigkeit und den Einsatz von Hilfsstoffen am Endprodukt, dem Lebensmittel, orientiert. Damit hat er Gewähr, dass das Endprodukt schliesslich die Hürde der Lebensmittelkontrolle ohne Probleme nimmt. Er muss aber nicht fürchten, dass ihn ständig Kontrolleure auf seinem Betrieb heimsuchen; die Kontrollen werden in erster Linie zur Aufdeckung und Abklärung vermuteter oder entdeckter Missbräuche dienen. Dies liegt im Interesse der ohne Zweifel grossen Mehrzahl von sorgfältig und verantwortungsbewusst wirtschaftenden Landwirten und stärkt das Vertrauen in die Erzeugnisse der Landwirtschaft.

; 970

Die Kreise, welche sich mit Herstellung, Import, Vertrieb und Verkauf von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen befassen, müssen wie bisher in hohem Masse Selbstverantwortung übernehmen (Art. 22). Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, mit einer verhältnismässigen staatlichen Kontrollorganisation im bisherigen Rahmen über Stichprobenkontrollen sicherzustellen, dass die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Anderseits bietet das neue Lebensmittelgesetz vermehrt Gewähr für einen korrekten und einheitlichen Vollzug in den Kantonen. Die verstärkte Führungsrolle der Bundesbehörden sollte sich auch zu ihren Gunsten auswirken, indem damit die Voraussetzung geschaffen wird, um Ereignisse mit gesamtschweizerischen Auswirkungen, die sich negativ auf den Verkauf auswirken, künftig rechtzeitig zu bewältigen. Die materiellen Grundsätze über die Anforderungen an und den Umgang mit Lebensmitteln werden sich in Richtung einer Klärung des künftigen Verordnungsrechts auswirken. Sie bieten den Herstellern, Importeuren, Verteilern und Verkäufern Beurteilungskriterien für die Herstellung und Selbstkontrolle von Lebensmitteln.

Die Konsumenten dürfen vom neuen Lebensmittelgesetz einen optimalen Schutz ihrer Gesundheit nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft erwarten. Verständliche und ernährungsphysiologisch wesentliche Angaben auf Lebensmitteln werden den aufmerksamen Konsumenten ermöglichen, selbstverantwortlich Kaufentscheide zu fällen und die Lebensmittel wissentlich nach ihren Bedürfnissen auszuwählen.

Die Konsumenten dürfen darauf vertrauen, dass dank der verstärkten Koordination der Lebensmittelkontrolle Missbräuche verhindert oder zumindest rechtzeitig aufgedeckt werden.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1987-1991 als Richtliniengeschäft der ersten Legislaturhälfte angekündigt (BB1 1988 I 395, Ziff. 2.32).

5

Verhältnis zum ausländischen Recht

Neben den einzelnen Staaten in ihrem jeweiligen Landesrecht befassen sich im wesentlichen die folgenden Organisationen und Institutionen in unterschiedlichem Umfang mit Lebensmittelrecht: - die Europäischen Gemeinschaften (EG), -· der Europarat, - die gemeinsame Kommission der FAO/WHO101) für den Codex Alimentarius, - das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) vom 30. Oktober 1947, - die Wirtschaftskommission Europa der UNO (CEE/ONU = Commission Economique pour l'Europe de l'Organisation des Nations Unies).

971

51

Vergleich mit den Regelungen anderer Länder

Die typische Lebensmittelgeseizgebung in Mitteleuropa ist durch folgende Grundsätze gekennzeichnet: - Gesundheitsschutz und Täuschungsschutz werden zusammenfassend geregelt, - das Reinheitsgebot betreffend die Rezeptur verpflichtet, so wenig wie möglich Zutaten und Zusatzstoffe zu verwenden, - Verbote und Grenzwerte betreffend Fremdstoffe schliessen grundsätzlich gesundheitsgefährdende Mengen von Fremdstoffen in Lebensmitteln aus, - das einzelne Lebensmittel wird nicht detailliert umschrieben, Ausgangspunkt bildet die gewerbeübliche Zusammensetzung und im Streitfall entscheidet der Richter, - einzelne Verbote schützen als Notbremse vor besonders kritischen Risiken.

Dabei lassen sich typische regionale Unterschiede der Betrachtungsweisen ausmachen: Das Lebensmittelgesetz der Schweiz bezweckt den Schutz der Gesundheit und den Täuschungsschutz. Es greift nur soweit in die Handels- und Gewerbefreiheit ein, als dies zur Erreichung des Zwecks notwendig ist. Für wirtschaftlich motivierte Massnahmen und Regelungen ergibt es keine Grundlage her (vgl.

Ziff. 211).

Konzeptionell wegleitend ist das Positivprinzip, das heisst erlaubt sind nur jene Lebensmittel und Zusatzstoffe, die ausdrücklich zugelassen sind (vgl. Ziff. 22 der Botschaft, Art. 6 und 8). Die Anforderungen an Lebensrnittel werden grundsätzlich nach wissenschaftlichen Kriterien umschrieben (vgl. Ziff. 22 der Botschaft, Art. 8), wobei aber, soweit es produktionstechnisch möglich ist, auch tiefere Grenzwerte festgesetzt werden können, als dies der Schutz der Gesundheit nach rein wissenschaftlichen Kriterien erfordern würde. Die Lebensmittelkontrolle bedient sich sowohl prophylaktischer Massnahmen wie der Endproduktekontrolle.

In der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich gilt wie in der Schweiz streng das Positivprinzip; alles was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten.

In Grossbritannien und den Commonwealth-Staaten gewährt der Gesetzgeber den Produzenten grössere Freiheit. Dort, wo es sich aufdrängt, wird der Schutz durch punktuelle Verbote sichergestellt. Als Mitglied der EG wird Grossbritannien zunehmend die harmonisierten Vorschriften der EG anwenden.

Die USA gehen von einer strikten wissenschaftlichen Toxikologie aus (daher kennen sie z. B. kein Hormonverbot) und sind im übrigen freiheitlich in ihren materiellen
Vorschriften. Anderseits kennen sie strenge Kennzeichnungsvorschriften. Die produktionsbegleitenden Kontrollen durch Übersichtsuntersuchungen sind systematisch nach statistischen Gesichtspunkten organisiert. Die Endproduktekontrolle ist eher large.

52

EG

Im Rahmen der EG bestehen grundsätzlich autonome nationale Rechtsordnungen betreffend Gesundheit und Konsumentenschutz und es wird sie auch in 972

Zukunft geben. Es gibt indessen zunehmend Bereiche, die durch Richtlinien102' des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaften für die Mitgliedstaaten der EG materiell verbindlich harmonisiert sind. Die Integration im Hinblick auf den vollendeten Binnenmarkt nach 1992103' vollzieht sich auf zwei Wegen: Erstens durch fortschreitende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Handels unter dem Gebot der wechselseitigen Anerkennung der Verkehrsfähigkeit der Waren, trotz abweichender Normen des Bestimmungslandes (Ursprungsprinzip), und zweitens durch teilweise oder umfassende Harmonisierung der Normen im materiellen Bereich durch Richtlinien und Verordnungen. Der Integrationsprozess ist in ständiger Entwicklung, weil immer wieder neue Bereiche104) von der Harmonisierung erfasst werden. Die massgebenden Bestimmungen des EWGVertrags geben dem Rat die Befugnis, den gesamten Regelungsbereich des Lebensmittelgesetzes zu erfassen.

Solange die Harmonisierung nicht erfolgt ist, gelten als Grundmaxime für alle Handelshemmnisse die Schranken des Diskriminierungsverbots und das Verhältnismässigkeitsprinzip.

Beispielsweise darf aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes nicht verlangt werden, dass Importware, die den Bestimmungen des Herkunftslandes entspricht, entsprechend den Bestimmungen des Importlandes mit einer neuen Bezeichnung versehen werden muss, sofern eine Etikettierung über die Abweichungen vom nationalen Recht informiert. Auch ein Verbot von Zusatzstoffen bei der Herstellung von Lebensmitteln können Staaten der EG, soweit keine Harmonisierung stattgefunden hat, nur unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes vorsehen. Dabei müssen sie die Gesundheitsgefahren105' spezifizieren und auf der andern Seite dem Verwendungsbedürfnis auf Seiten der Hersteller und der Konsumenten im Herkunftsland Rechnung tragen (Bedürfnisse der Lebensmitteltechnologie, der Ernährung, der Wirtschaft sowie organoleptische und psychologische, betreffend Färb- und Aromastoffe).

Auch bei der Zulassung zur Einfuhr gilt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Danach können Einfuhrbewilligungsverfahren unter Umständen überhaupt ausgeschlossen sein, beispielsweise bei Produkten, die offenbar keine Gesundheitsrisiken mit sich bringen können. Die Zulassungen zur Einfuhr müssen ferner mit allgemeiner Wirkung ausgesprochen
werden, was zur Folge hat, dass das gleiche Produkt von demselben oder einem andern Importeur später ohne weitere Formalitäten eingeführt werden kann. Grenzkontrollen sind nach geltendem und verstärkt nach künftigem EG-Recht auf das absolut Unerlässliche zu beschränken.

Für die Schweiz wird sich vor allem die Frage stellen, wie den zu erwartenden Begehren auf Zulassung von Lebensmitteln, die den EG-Richtlinien entsprechen, in der Schweiz zu begegnen ist. Das Lebensmittelgesetz regelt in Grundsätzen und ist so konzipiert, dass künftige Entwicklungen aufgefangen werden können. Das Problem verlagert sich somit auf die Stufe der Verordnungen. Vor deren Erlass wird daher zu prüfen sein, ob sie inhaltlich und in ihren Auswirkungen insbesondere mit dem EG-Recht vereinbar sind. Vorschriften, welche diesen Erfordernissen nicht zu entsprechen vermögen, müssen auf einer sachlich begründeten Notwendigkeit beruhen. Die heutigen Vorschriften weichen in vielen Einzelbestimmungen, wenn auch selten im Grundsätzlichen, voneinander 973

ab. Das geltende und das vorgeschlagene Lebensmittelgesetz gehen davon aus, dass für eingeführte und inländische Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände grundsätzlich dieselben Bestimmungen gelten.

Schweizer Produzenten, die Lebensmittel in den EG-Raum exportieren wollen, werden sich, wie übrigens schon heute, nach den im Bestimmungsland massgebenden Vorschriften richten müssen.

53

Codex Alimentarius

Der Codex Alimentarius106) beinhaltet Anforderungen an Lebensmittel in Form von Standards (zurzeit 17 Bände) und Regeln für die Herstellung: Er wird herausgegeben durch die von der FAO und der WHO gemeinsam getragene Kommission. Die Arbeit wird in zahlreichen Unterkommissionen vorbereitet, in denen sowohl die verschiedenen Fachrichtungen, als auch die verschiedenen Weltregionen sowie Ländervertreter und Wirtschaftskreise vertreten sind.

Der Codex berücksichtigt den Gesundheits- und den Täuschungsschutz und zielt darauf ab, durch den Abbau technischer Handelshemmnisse den uneingeschränkten Handel zwischen den Ländern zu ermöglichen. Er enthält zahlreiche Qualitätsnormen und solche, die für den Handel von Bedeutung sind.

Die Länder werden regelmässig aufgefordert, mitzuteilen, ob sie die Normen übernehmen, ablehnen oder mit Einschränkungen übernehmen.

Die Bestimmungen der Lebensmittelverordnung entsprechen im Grundsatz jenen des Codex. Bevor eine Vorschrift erlassen oder geändert wird, wird immer zuerst geprüft, wie die Norm des Codex und allfällige Richtlinien der EG lauten. Die Schweiz hat verschiedene Codex-Normen mit Einschränkungen übernommen. Noch nie ist aber eine inhaltlich unverändert als Verordnungsvorschrift erlassen worden, weil bereits bestehende Vorschriften und Strukturen jeweils zu Anpassungen zwangen. In Zukunft wird beim Erlass der Ausführungsbestimmungen in den Verordnungen vermehrt darauf zu achten sein, sachlich nicht zwingende Differenzen zu vermeiden.

Weil es üblich ist, dass die Staaten mit einer gut ausgebauten Lebensmittelkontrolle die Codex-Normen mit mehr oder weniger bedeutsamen Abweichungen übernehmen, vermochte der Codex bis heute das Ziel eines weitgehenden Abbaus von technischen Handelshemmnissen noch nicht zu erreichen. Die Exportländer müssen sich nach wie vor genauestens nach den jeweiligen nationalen Vorschriften erkundigen.

54

Europarat, UNO, GATT, EFTA

Im Rahmen des Europarats bestehen permanente Arbeitsgruppen aus Vertretern der Mitgliedstaaten, die verschiedene Fachgebiete bearbeiten und Empfehlungen herausgeben. Diese Arbeitsgruppen bilden ein wesentliches Bindeglied, indem sie auch Vertretern des Bundes Gelegenheit bieten, auf gleicher fachlicher Ebene mit andern Ländern einen offenen Meinungsaustausch zu pflegen. Die Arbeiten konzentrieren sich auf Themen, die für Europa spezifisch sind und 974

vom Codex Alimentarius nicht abschliessend behandelt worden sind (unter anderem Umweltkontaminantien, Verpackungsmaterialien, Kosmetika).

Die Wirtschaftskommission Europa (CEE/ONU), in der auch osteuropäische Staaten Mitglieder sind, befasst sich ebenfalls mit dem Abbau von Handelsschranken. Sie konzentriert sich vorwiegend auf den Erlass von Normen für leichtverderbliche Rohprodukte, wie beispielsweise Gemüse, Früchte, Geflügel und Eier. Im Rahmen des Accord sur les transports des denrées périssables (ATP), werden beispielsweise einheitliche Transporttemperaturen geregelt. In Teilbereichen arbeitet sie mit dem Codex Alimentarius zusammen.

Das GATT ist ein reiner Handelsvertrag, der zum Ziel hat, den freien Warenverkehr bestmöglich zu gewährleisten. Im vorliegenden Zusammenhang ist insbesondere das Abkommen vom 12. April 1979107' über technische Handelshemmnisse von Bedeutung. Ein wesentlicher Grundsatz besagt, dass bei der Einfuhr nur das Produkt als solches beurteilt werden soll und nicht das Produktionsverfahren im Herkunftsland.

Im Rahmen der EFTA hat jedes Land autonome lebensmittelrechtliche Regelungen. Die entsprechenden Vorschriften müssen notifiziert108) werden. Im Hinblick auf 1992 haben mit der EG-Kommission verschiedene Expertengespräche stattgefunden.

6

Verfassungsmässigkeit

Das Lebensmittelgesetz stützt sich auf Artikel 69bls BV. Diese Bestimmung gibt dem Bund die Befugnis, den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln generell zu regeln und Bestimmungen über Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände zu erlassen, die die Gesundheit gefährden können.

Zum Verkehr gehören nicht nur Vertrieb und Verkauf. Zum Verkehr gehören seit jeher auch die Herstellung sowie die Ein- und Ausfuhr von Lebensmitteln.

Wenn das neue Gesetz nun auch die landwirtschaftliche Produktion ausdrücklich erfassen will, so hält es sich an die bestehende Verfassungskompetenz und Verantwortung des Bundes in deren Rahmen.

Im Bereich der Nahrungs- und Genussmittel kann der Gesetzgeber nicht nur Bestimmungen zum Schutze der Gesundheit aufstellen sondern auch solche zum Schutze vor Täuschung. Das Lebensmittelgesetz war das erste Bundesgesetz, welches die Konsumenten vor minderwertigen Lebensmitteln und unlauterem Wettbewerb zu schützen hatte. Nachdem der Bund auf Grund von Artikel 31sexies ; BV nun im Rahmen des Konsumentenschutzes den Täuschungsschutz generell regeln kann, könnte man sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, diesen Täuschungsschutz bei Lebensmitteln in einem allgemeinen Konsumentenschutzgesetz zu regeln. Dies ist aber aus folgenden Gründen nicht sinnvoll: - Der Täuschungsschutz bei Lebensmitteln steht in engem Zusammenhang zum Gesundheitsschutz. Die Bezeichnungen für Lebensmittel werden unter anderem auch zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung vorgeschrieben. Die 975

Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel dient somit sowohl dem Gesundheits- wie auch dem Täuschungsschutz.

- Der Täuschungsschutz bei Lebensmitteln wurde bisher mit den eingespielten Kontrollorganen der Lebensmittelkontrolle sichergestellt. Es wäre wenig sinnvoll, diese Aufgabe einer neuen und bisher mit der traditionellen Lebensmittelkontrolle nicht vertrauten Vollzugsorganisation zu übertragen.

- Täuschungsschutz ist Vertfauensschutz. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Lebensrnittel lässt sich aber nur dann sicherstellen, wenn auch die Gesundheit der Bevölkerung durch die Lebensmittel nicht gefährdet wird.

- Die schweizerische Gesetzgebung würde in einem wesentlichen Punkt von jener umliegender Länder und von Normen internationaler Organisationen abweichen, welche den Täuschungsschutz und den Gesundheitsschutz im Rahmen lebensmittelrechtlicher Vorschriften behandeln.

Im Gegensatz zu den Lebensmitteln kann der Gesetzgeber;aber auf Grund von Artikel 69bis BV den Täuschungsschutz nicht auf die Gebrauchsgegenstände ausdehnen. Die Gesetzgebung im Bereich der Gebrauchsgegenstände beschränkt sich somit allein auf den Gesundheitsschutz.

Die Verfassung bestimmt nicht, welche Gegenstände zu den Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen zählen. Das Lebensmittelgesetz will aber nur jene Gegenstände erfassen, die in engem Zusammenhang zu den Lebensmitteln stehen, weil sie - mit dem Körper (Textilien, Kosmetika) oder den Schleimhäuten in Berührung kommen (Geschirr) oder kommen können (Spielzeuge), - für die Verpackung von Lebensmitteln verwendet werden oder - im Haushalt verwendet werden, gefährlich sind und das Schutzziel mit keiner anderen Gesetzgebung erreicht werden kann (Streichhölzer, Kerzen usw.).

Absatz 2 von Artikel 69bis BV regelt den Vollzug und bestimmt, dass dieser an der Landesgrenze dem Bund, hingegen im Landesinnern den Kantonen zukommt. An diese Aufgabenteilung ist der Gesetzgeber gebunden. Das Gesetz geht dabei davon aus, dass zum Vollzug all jene Massnahmen und Entscheide gehören, die unmittelbar gegenüber dem Bürger getroffen werden. Ein Bundesorgan wäre somit nicht befugt, im Inland unmittelbar gegenüber dem einzelnen Bürger geltende Vollzugsverfügungen zu erlassen. Dem Bundesrat steht aber auf Grund seines Aufsichtsrechts (Art. 102 Ziff. 2 BV) das Recht zu, die Tätigkeit der Kantone
zu überwachen und durch Vorschriften und Weisungen gegenüber den Kantonen einen koordinierten Vollzug sicherzustellen bzw. dafür zu sorgen, dass in gewissen Fällen die Bestimmungen des Gesetzes durch die kantonalen Vollzugsorgane vollzogen werden. Diese Einflussnahme auf die kantonale Vollzugshoheit betrifft eine Materie, die materiell erschöpfend durch den Bundesgesetzgeber geregelt ist. Die Notwendigkeit ist durch Ereignisse der jüngsten Zeit erwiesen. Die verstärkte Einflussnahme beschränkt sich auf ausserordentliche Situationen. Die erweiterten Bundeskompetenzen erweisen sich damit als verhältnismässig und verfassungsrechtlich zulässig109.

Artikel 69bis BV ist die zentrale Verfassungsgrundlage für das neue Lebensmittelgesetz. In diesem Rahmen beschränkt es sich auf den Schutz der Konsumenten und enthält sich jeder wirtschaftspolitischen Massnahme. Es ist also ein Po976

lizeigesetz im klassischen Sinne. Es liegt aber auf der Hand, dass neben Artikel 69bls BV auch weitere Verfassungsgrundlagen das Gesetz mitbestimmen.

Dies gilt namentlich für das Absinthverbot (Art. 32ter BV), die Änderung des Landwirtschaftsgesetzes (Art. 31bis BV), die Regelung der Schlachtgewichtsermittlung (Art. 64 BV), die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen (Art. 27sexies BV) und die Strafbestimmungen (Art. 64bis BV).

3018

977

Anmerkungen ') 2 3

Vgl. Aebi, Was erwartet der Konsument von der Lebensmittelkontrolle, in: Die Lebensmittelkontrolle in der Schweiz, Chemische Rundschau, Bern 1974, S. 13.

BS 4 459, AS 1979 1758, 1985 Ï992; SR 817.0 Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 8. März 1895 an die Bundesversammlung, betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundheit gefährden können; BEI 1895 I 767.

BB1 1899 I 610 AS 22,337, BS 4 459 Art. 398 Abs. 2 Bst. f des Schweizerischen Strafgesetzbuches; BS 3 203, SR 311.0.

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Vgl. BEI 1978 I 1493, AS 1979 1758 Vgl. BB1 1981 III 737, AS 1985 1992 AS 1985 659

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BS 4 658, SR 817.451 BS 4 682, SR 817.425 Verordnung vom 29. Januar 1909 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (AS 25 108) und Verordnung vom 23. Februar ,1926 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (AS 42 41).

Verordnung vom 29. Januar 1909 über das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren (AS 25 203) und Eidgenössische Fleischschauverordnung vom 26. August 1938 (AS 54 433).

Verordnung vom 26. Mai 1936 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände; SR 817.02.

Eidgenössische Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957; SR 817.191.

«Die Lebensmittelkontrolle am Beispiel der Hormone im Kalbfleisch»; BB1 1981 III 996, 1982 II 106.

Änderung vom 9. Juni 1987 der Verordnung vom 9. Mai 1979 über die Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter, AS 1987 820; vgl. auch Presserohstoff «Neue Zuständigkeiten für die Lebensmittelkontrolle im Bund» vom 9. Juni 1987.

Vgl. Art. 5 Ziff. 10 Bst. b und Art. 13 Ziff. 5 Bst. c und cbis der Verordnung vom 9. Mai 1979 über die Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter; SR 172.010.15.

Die Kantone AR, AI und GL haben keinen Kantonschemiker, sondern selbständige Lebensmittelinspektorate.

Zusammensetzung der Kommission: Prof. Dr. A. Nabholz, Bern, Prof. Dr.

E. Baumgartner, Bern, Dr. R. Ernst, Basel, E. Bankhäuser, Toffen, Dr. H. Fuhrimann, Ölten, Dr. T. Gasche, Grenchen, Dr. H. Gerber, Zürich, N. Gerber, Grosshöchstetten, A. Goetschel, Basel, Prof. Dr. E. Hess, Zürich, R. Kilchenmann, Basel, Dr. R. Könz, Bern, Dr. C. Minger, Bern, O. Mischler, Basel, A. Neukomm, Bern, Dr . R. Raselli, Baisthal, Dr. R. Rüegg, Bern, Dr. Th. Schmidhofer, Tafers, Dr. P.A. Schneider, Lausanne, Fürsprecher A. Stahel, Bern, J. Studiger, Brugg, A. Stump, Lichtensteig, Dr. H. Tschannen, Bern, W. Zahnd, Bern, Dr. H. Zbinden, Bern.

Schlussbericht zu Händen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements.

Zusammensetzung der ersten Expertenkommission: Nationalrat L. Cavelty, Chur, Dr. C. Minger, Bern, F. Schmucki, Bern, Dr. M. Sträub, Bern, Prof. Dr. J. von Ah, ' Bern, Dr. R. Könz, Bern, Dr. U. Frey, Bern, Prof. Dr. E. Matthey, Bern, Dr.

P. Hess, Aarau, E. Merk, Frauenfeld, Dr. H. Strauss, Liestal, Dr. R. Ernst, Basel, B. Cloetta, Zürich, M. Friedli, Sonvilier, G. De Giorgi, Brugg, Dr. D. Stüssi, Bern, Dr. H.-U. Daepp, Zug, F. Jeanrichard, Vevey, Fürsprecher M. Kodier, Bern, D. Ku-

978

ster, Bern, Dr. H. Golden, Bern. F. Rigotti, Zürich, Dr. H. Hadorn, Basel. A. Neukomm, Bern, Mme F. Michel, Genève. Frau M.-T. Wagenhäuser, Zürich. Prof. Dr.

G. Ritzel, Basel, Prof. Dr. B.-H. Blanc. Bern.

23 > Zusammensetzung der zweiten Expertenkommission: Nationalrat L. Cavelty, Chur, Dr. C. Minger, Bern, F. Schmucki, Bern, Fürsprecher H.-R. Kühn, Bern, Prof. Dr.

J. von Ah, Bern, Prof. Dr. H. Keller, Bern, Dr. R. Könz, Bern (ersetzt durch Dr.

S. Häsler, Bern), Dr. U. Frey, Bern, Prof. Dr. E. Matthey, Bern, Dr. H. Strauss, Liestal, E. Merk. Frauenfeld (ersetzt durch F. Zeder, Steinhausen), Dr. P.-A. Schneider, Lausanne, B. Cloetta, Zürich, Dr. A. Achermann, Kriens, M. Friedli, Sonvilier, Dr. R. Ernst. Basel. M. Ehrler, Brugg, A. Stump. Lichtensteig. O. Mischler, Basel, F. Jeanrichard. Vevey, Fürsprecher M. Kodier, Bern, J. Gattiker, Richterswil, Dr. H. Golden. Bern. F. Rigotti. Zürich, Dr. H. Hadorn, Basel. A. Neukomm, Bern, Mme F. Michel, Genève, Frau M.-T. Wagenhäuser, Zürich, Prof. Dr. G. Ritzel, Basel.

24 )- Der Bundesrat beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern, unter Berücksichtigung des Vernehmlassungsergebnisses und der zwischenzeitlichen Entwicklungen und Ereignisse den Gesetzesentwurf vorzubereiten. Dabei soll a) dem Bund die Kompetenz vorbehalten werden, durch koordinierte Vorkehren und Massnahmen den Vollzug zu vereinheitlichen, die Verbreitung gesundheitsgefährdender Lebensmittel zu unterbinden und die Information der Bevölkerung sicherzustellen; b) der Geltungsbereich auch die landwirtschaftliche Produktion erfassen; c) die kantonale Organisationshoheit soweit als möglich belassen werden.

25 > Vgl. die am 12. November 1982 der Presse abgegebenen Unterlagen.

2 ') Zweiter Schweizerischer Ernährungsbericht, wissenschaftliche Subkommission der eidgenössischen Ernährungskommission, 1984, Verlag Huber Bern.

27) Vgl. Burckhardt Kommentar zur Bundesverfassung, Ziff. 3 zu Art. 69bis BV.

28 ) Vgl. Th. Fleiner-Gerster, Wie soll man Gesetze schreiben? Leitfaden für die Redaktion normativer Texte. Bern 1985.

2 ') Vgl. Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, Heft 2/3 1986, Die Iniportkontingentierung beim Schlachtvieh und Fleisch. Ziff. 644. l S. 248 und Ziff. 646 S. 258.

30 ) Vgl. landwirtschaftliche Forschung in der Schweiz, Stand und Ziele, Beiheft 38,
Reihe Wissenschaftspolitik 1988, Thesen S. 83.

31 > Vgl. Art. \3b der Lebensmittelverordnung; SR 817.02.

32 > Vgl. Art. 2 Abs. l Buchstabe a der Lebensmittelverordnung; SR 817.02.

33 > SR 916.443.11 34 ) Vgl. Verordnung vom 4. Februar 1955 über landwirtschaftliche Hilfsstoffe: SR 916.051 und Futtermittelbuch vom 14. Oktober 1975; SR 916.052.

35) Vgl. Verordnung vom 4. Februar 1955 über landwirtschaftliche Hilfsstoffe; SR 916.051 sowie Düngemittelbuch vom 26. Mai 1972 und Pflanzenschutzmittelbuch vom 29. August 1977; SR 916.052.

36 > SR 916.051 37) Verordnung vom 27. Februar 1986 über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensrnitteln; SR 817.022.

38 > Verordnung vom 20. Januar 1982 über die in Lebensmitteln zulässigen Zusatzstoffe; SR 817.521.

39 ' Verordnung vom I.Juli 1987 über die hygienisch-mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände; SR 817.024.

40) Vgl. Toxikologisch-hygienische Beurteilung von Lebensmittelinhalts- und -Zusatzstoffen sowie bedenkliche Verunreinigungen, Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg, 19.

41 > SR 814.01

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Vgl. BEI 1907 I 421 sowie 1910 III 527 über das Bundesgesetz vom 24. Juni 1910 betreffend das Absinthverbot.

Vgl. Kreitmaier H., 1951, Pharmazie 6: 27.

Vgl. Vollziehungsverordnung vom 20. August 1965 zum Bundesgesetz betreffend das Absinthverbot; SR 817.451.1.

Bundesgesetz vom 19. September 1978 über die Organisation und die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundes verwaltung; SR 172.010.

Z. B. wirkt sich der Gehalt an Urethan im Kirsch ab einer bestimmten Menge in diesem Sinne unerwartet gesundheitsgefährdend aus.

Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser; SR 680.

Vgl. insbesondere die Seiten 772-779 der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 8. März 1895, betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundheit gefährden können; BB1 1895 I 767.

Vgl. Botschaft vom 7. Mai 1986 zu einem Bundesgesetz über die Förderung der Konsumenteninformation; BEI 1986 II 354 ff.

l Vgl. Art. 13a der Lebensmittelverordnung; SR 817.02.

Vgl. Verordnung vom 1. Juli 1987 über die hygienisch-mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände; SR 817.024.

SR 817.023 Vgl. Bundesratsbeschluss vom 14. Dezember 1964 betreffend das schweizerische Lebensmittelbuch AS 1964 1177; SR 817.021.1.

Vgl. Art. 14 Abs. 4 des Publikationsgesetzes vom 21. März 1986; SR 170.512.

Vgl. zur guten Herstellungspraxis im Zusammenhang mit den zulässigen Zusatzstoffen die Zusatzstoffverordnung vom 20. Januar 1982; SR 817.521.

Vgl. Verordnung vom 4. Juni 1984 über die Probenerhebung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen; SR 817.94.

1987 wurden insgesamt 4,34 Millionen Tiere bei der Fleischschau untersucht, davon 3,3 Millionen Schweine, 845 000 Tiere der Rindergattung, 177 000 Schafe, 13 000 Ziegen und 4800 Pferde. Diesen Zahlen entspricht eine Fleischmenge von insgesamt 485600t, davon 284300t Schweinefleisch, 186400t Rind- und Kalbfleisch, 9400t Schaf fleisch, 4200t Pferdefleisch und 1100t Ziegenfleisch. Dazu kommen noch nicht durch die Fleischschau erfasste 68 6001 Geflügelfleisch, 45 300 t Fische, 7800 t Krusten- und Weichtiere, 5500 t Wildfleisch, 4500 t Kaninchenfleisch, total 123 3001.

Vgl. Fritschi/Riedi, Kommentar zu Artikel 45 der
Eidgenössischen Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957, Huber & Co. AG, Frauenfeld, 1960.

SR 916.443.11 (EDAV) vgl. Art. 15-24.

Vgl. Art. 61 Abs. l des Bundesgesetzes vom 19. September 1978 über die Organisation und die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung; SR 172.010.

Vgl. Art. 3-9 der Verordnung vom 20. April 1988 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten; SR 916.443.11.

Interkantonale Vereinbarung vom 3. Juni 1971 über die Kontrolle der Heilmittel; SR 812.101.

Vgl. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats vom 13. November 1981 «Die Lebensmittelkontrolle am Beispiel der Hormone im Kalbfleisch», Ziff. 37 (BB1 1981 III 996) und Stellungnahme des Bundesrats vom 21. April 1982 zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission, Ziff. 24 (BB1 1982 II 106) sowie Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats über ihre Inspektionen im Jahre 1986, Ziff. 241.1 ; BB1 1987 II 745.

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Vgl. Art. 30 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen; SR 818.101.

Vgl. Art. 27 des Tierseuchengesetzes vom 1. Juli 1966; SR 916.40.

Vgl. Art. 5 Ziff. 10 Bst. a und Art. 13 Ziff. 5 Est. c und cbis der Verordnung vom 9. Mai 1979 über die Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter; SR 172.010.15.

Vgl. Dietrich Schindler. Die Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen im Heerwesen. Diss. Zürich 1916, S. 51.

SR 510.518; vgl. auch Bundesratsbeschluss vom 28. Dezember 1950 über den Schutz militärischer Anlagen; SR 510.518.1.

Art. 103 Abs. 2 BV, vgl. dazu Ivo Hanggartner, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Zürich 1980, Bandi, Paragraph 11, III. S. 87.

vgl. Y. Hangartner, a.a.O., Paragraph 11, IV, S. 88 und Jean-François Aubert, Traité de Droit Constitutionel Suisse, Neuchâtel 1967, Volume I. chiffre 787, p. 298.

Vgl. U. Häfelin/W. Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Auflage Zürich 1988, Paragraph 13, III, S. 407.

Vgl. Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, VPB, 1987 51 Nr. 58.

Weltgesundheitsorganisation Food and agricultural organisation of thé united nations Richtlinien vom 3. Juli 1974 für die Bestellung, Arbeitsweise und Kontrolle von ausserparlamentarischen Kommissionen; BB1 1974 II 467.

Vgl. Botschaft vom 25. Mai 1988 über ein zweites Paket von Massnahmen zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, Ziff. 123, 3 und Anhang 1; BB1 1988 II 1333.

SR 172.010 Vorentscheid durch Bundesratsbeschluss vom 20. April 1988 SR 817.932; BS 4 701 Vgl. Art. 3 Ziff. l des Tierseuchengesetzes vom 1. Juli 1966 (SR 916.40) und Art. 3 der Tierseuchenverordnung vom 15. Dezember 1967 (SR 916.401).

Reglement des Eidgenössischen Gesundheitsamts vom I.August 1972 über die Ortspilzexperten (SR 817.315); Verordnung vom 27. September 1919 betreffend die Anforderungen an die Lebensmittelchemiker (SR 817.92); Verordnung vom 24. Mai 1966 über die kantonalen und städtischen Lebensmittelinspektoren (SR 817.93); Reglement des Eidgenössischen Departements des Innern vom 25. Mai 1966 über die Gebühren für die Prüfung von Lebensmittelinspektoren und die Entschädigungen für die Prüfungsexperten sowie die Instruktoren der Fortbildungskurse (SR 817.931).

SR 172.221.10 Vgl. Botschaft vom 28. September 1981 über erste Massnahmen zur
Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, Ziffern 4.06. 535 und Anhang 6; BB1 1981 III 737, 1984 III 14 und 1985 I 1548.

Vgl. Art. 19 der Verordnung vom 30. Oktober 1985 über Gebühren des Bundesamtes für Veterinärwesen; SR 916.472.

Vgl. Art. 41 der Verordnung vom 20. April 1988 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten: SR 916.443.11.

Vgl. Art. 15 Bst. b der Verordnung vom 30. Oktober 1985 über Gebühren des Bundesamtes für Veterinärwesen; SR916.472. , Vgl. Art. 53-59a; SR 817.191.

BS 4 658, SR 817.451.

981

8

SR 313.0 SR 312.0 Vgl. die Art. 9 sowie 20 und 21 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 ütier das Verwaltungsstrafrecht; SR 313.0.

92 > Vgl. Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel; SR 922.0.

93 ) Vgl. Botschaft vom 25. Mai 1988 über ein zweites Paket von Massnahmen zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, Ziffer 45 und Anhang 6, Artikel 21 des Entwurfs für das Bundesgesetz über die Fischerei; BB1 1988 II 1333.

94 > Vgl. die Artikel 36, 38 und 41 der Verordnung vom 20. April 1988 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten; SR 916.443.11.

95 > Vgl. Art. 9 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstraf recht ; SR313.0.

'*) Vgl. u. a. Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1979, S. 27; Peter Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Bern 1979, N 19.221 S. 165.

") SR 172.021 »"> SR 173.110 "> SR 170.32, vgl. insbesondere Artikel 3.

100) Vgl. Artikel 4 der Hilfsstoffverordnung vom 4. Februar 1955; SR 916.051.

') »») ")

111) FAO = Food and Agriculture Organisation (Lebensmittel und Landwirtschaftsorganisation der UNO); WHO = World Health Organisation (Weltgesundheitsorga: nisation).

102 ' Zur Zeit werden u. a. folgende Teilbereiche durch Richtlinien erfasst; 1. Allgemeine Lebensmitteletikettierung; 2. Färbende Stoffe; 3. Konservierende Stoffe; 4.

Antioxidantien; 5. Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungs- und Geliermittel; 6.

Bedarfsgegenstände; 7. Diätetische Lebensmittel; 8. Kakao und Schokolade; 9. Zukkerarten; 10. Honig; 11. Fruchtsäfte und gleichartige Erzeugnisse; 12. Konfitüren, Gelees, Marmeladen; 13. Dauermilcherzeugnisse; 14. Kaseine, Kaseinate; 15. Kaffee-Extrakte, Zichorien-Extrakte; 16. Natürliche Mineralwässer; 17. Fleisch und Fleischwaren.

103 > Vgl. Bericht vom 24. August 1988 über die Stellung der Schweiz im europäischen Integrationsprózess; BB1 1988 III 249.

.

io4) Momentan stehen die folgenden vier einschlägigen Richtlinien1 in Beratung: 1.

Fruchtsäfte; 2. Annäherung der nationalen Regeln über die Etikettierung und die Präsentation von Nahrungsmitteln und deren Veröffentlichung; 3. Vorschriften über Sondernahrungsmittel (z. B. für Diabetiker); 4. Fruchtverarbeitungsprodukte (Marmeladen, Konfitüre usf.).

105 > Der sogenannte «Bierfall» (Urteil des europäischen Gerichtshofs, vom, 12. März 1987) nennt hiefür vier Gesichtspunkte: 1. Die Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung; 2. Die Ergebnisse der Arbeiten des wissenschaftlichen Lebensrnittel-Ausschusses der Gemeinschaft; 3. Codex Alimentarius; 4. Die'Ernährungsgewohnheiten im Einfuhrstaat.

io6) Vgl. Introducing Codex Alimentarius, Broschüre des Sekretariats der Kommission, Rom 1987.

'°7> SR 0.632.231.41 108 > Vgl. Botschaft vom 30. März 1988 über die Schaffung eines NotifikationsVerfahrens für Entwürfe von technischen Vorschriften im Rahmen der EFTA Konvention; BB1 1988 II 373.

io9) Vgl.zü den Kriterien bundesrechtlicher Eingriffe in die kantonale Vollzugshoheit.

B. Knapp, Le fédéralisme, ZSR 1984 II S. 347 ff.

3018

982

Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG)

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 32ter und 69bls der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 30. Januar 1989'), beschiiesst:

1. Kapitel: Zweck und Geltungsbereich Art. l Zweck Dieses Gesetz soll: a. die Konsumenten vor Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen schützen, welche die Gesundheit gefährden können; b. den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln sicherstellen; c. die Konsumenten im Zusammenhang mit Lebensmitteln vor Täuschungen schützen.

Art. 2 Geltungsbereich 1 Das Gesetz erfasst: a. das Herstellen, Behandeln, Lagern, Transportieren und Abgeben von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen; b. das Kennzeichnen und Anpreisen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen; c. die Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.

2 Es erfasst auch die landwirtschaftliche Produktion, soweit sie der Herstellung von Lebensmitteln dient.

3 Das Gesetz gilt nicht: a. für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, die für den Eigengebrauch bestimmt sind; vorbehalten bleibt das Absinthverbot; b. für Stoffe und Erzeugnisse, die von der Heilmittelgesetzgebung erfasst werden.

O BEI 1989 I 893

983

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 3

Definitionen

1

Lebensmittel sind Nahrungs- oder Genussmittel.

Nahrungsmittel sind Erzeugnisse, die dem Aufbau oder dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen, und nicht als Heilmittel angepriesen werden.

3 Genussmittel sind alkoholische Getränke sowie Tabak- und Raucherwaren.

4 Zutaten sind Lebensmittel, die anderen Lebensmitteln zugesetzt werden oder aus denen ein Lebensmittel zusammengesetzt ist.

5 Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände (Gebrauchsgegenstände), die von diesem Gesetz erfasst werden, sind: a. Gegenstände, die im Zusammenhang mit der Herstellung, Verwendung oder Verpackung von Lebensmitteln verwendet werden (z. B. Geräte, Geschirr oder Verpackungsmaterial); b. Körperpflegemittel und Kosmetika sowie Gegenstände, die nach ihrer Bestimmung mit den Schleimhäuten des Mundes in Berührung kommen; c. Kleidungsstücke, Textilien und andere Gegenstände (z. B. Uhrenarmbänder, Perücken und Schmuck), die nach ihrer Bestimmung mit dem Körper in Berührung kommen; d. Gegenstände, die für den Gebrauch durch Kinder bestimmt sind (z. B.

Spielzeuge, Lernmaterialien, Malfarben und Zeichengeräte); e. Kerzen, Streichhölzer, Feuerzeuge und Scherzartikel; f. Gegenstände, die zur Ausstattung und Auskleidung von Wohnräumen bestimmt sind.

6 Inhaltsstoffe sind die Stoffe, die in einem bestimmten Lebensmittel natürlicherweise vorkommen.

7 Zusatzstoffe sind Stoffe, die bei der Herstellung von Lebensmitteln zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen verwendet werden.

8 Fremdstoffe sind unerwünschte Stoffe, die natürlicherweise nicht in ein Lebensmittel gehören (wie Rückstände, Verunreinigungen, mikrobielle Stoffwechselprodukte und radioaktive Nuklide).

2

2. Kapitel: Lebensrnittel und Gebrauchsgegenstände 1. Abschnitt : Allgemeine Bestimmungen Art. 4 Grundsatz 1 Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände, die den Anforderungen dieses Gesetzes und seinen Ausführungsbestimmungen nicht entsprechen, insbesondere jene, die Grenz- oder Toleranzwerte überschreiten, dürfen nicht oder nur mit Auflagen verwendet oder an den Konsumenten abgegeben werden.

2 Für Lebensmittel, die ausschliesslich für die Ausfuhr bestimmt sind, gelten die Regelungen des Bestimmungslandes, soweit der Bundesrat nichts anderes vorschreibt.

984

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 5 Ausgangsprodukte 1 Tiere, Pflanzen, Mineralstoffe und Trinkwasser, die zum Herstellen von Lebensmitteln oder als Lebensmittel verwendet werden, müssen so beschaffen sein, dass die entsprechenden Lebensmittel die menschliche Gesundheit nicht gefährden und nicht zu Täuschung Anlass geben.

2 Für die Beurteilung massgeblich sind: a. bei Tieren: Fütterung und Pflege; b. bei Pflanzen: Züchtung, Anbau, Düngung und Pflanzenschutz; c. bei Mineralstoffen: Herstellung und Zusammensetzung; d. bei Trinkwasser: Zusammensetzung und Aufbereitung.

3 Der Bundesrat kann andere Ausgangsprodukte zulassen.

Art. 6 Zulässige Lebensmittel 1 Der Bundesrat legt die zulässigen Arten von Lebensmitteln fest, umschreibt sie, kann die entsprechenden Anforderungen regeln und bestimmt die Sachbezeichnung.

2 Die zuständige Bundesstelle kann Lebensmittel, die der Bundesrat noch nicht zugelassen hat, vorläufig bewilligen und eine Sachbezeichnung bestimmen.

3 Sie veröffentlicht periodisch eine Liste der Lebensmittel, die durch Einzelbewilligung zugelassen wurden.

4 Sachbezeichnungen müssen das Lebensmittel charakterisieren und: a. sich an seiner Beschaffenheit sowie an den für die Herstellung verwendeten Rohstoffen orientieren; b. verständlich und unverwechselbar sein; c. die berechtigte Konsumentenerwartung berücksichtigen.

5 Der Bundesrat regelt die Zulassung von Lebensmitteln, die für Menschen bestimmt sind, welche aus gesundheitlichen Gründen besondere Ernährungsbedürfnisse haben.

Art. 7 Herstellungsverfahren Der Bundesrat kann landwirtschaftliche Hilfsstoffe (Art. 70 und 71 Landwirtschaftsgesetz1'), Tierarzneimittel und bestimmte landwirtschaftliche Produktionsverfahren sowie physikalische, chemische, mikrobiologische oder gentechnologische Herstellungs- oder Behandlungsverfahren von Lebensrnitteln einschränken oder verbieten: a. wenn sie zu gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln führen; b. wenn nicht bekannt ist, ob ihre Anwendung zu gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln führen kann oder

" SR 910.1 985

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

c. wenn diese Stoffe oder Verfahren für die Herstellung nicht erforderlich sind.

Art. 8 Grenz- und Toleranzwerte 1 Lebensmittel dürfen Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe, Fremdstoffe und Mikroorganismen (wie Bakterien, Hefen, Schimmelpilze oder Viren) nur soweit enthalten, als dadurch die Gesundheit nicht gefährdet werden kann.

2 Der Bundesrat bestimmt auf Grund einer toxikologischen oder einef epidemiologischen Beurteilung: a. die zulässigen Zusatzstoffe für die einzelnen Lebensmittel sowie deren Höchstmengen (Grenzwerte); b. die Höchstkonzentrationen (Grenzwerte) für Fremd- und Inhaltsstoffe; c. die Höchstmengen von Mikroorganismen (Grenzwerte).

3 Der Bundesrat kann : a. die Höchstkonzentrationen und Höchstmengen nach Absatz 2 tiefer ansetzen, als dies der Schutz der Gesundheit zwingend erfordern würde, sofern dies technisch möglich ist (Toleranzwerte); b. die Verwendung von Stoffen und Organismen für Lebensrnittel nach Absatz l ganz verbieten, wenn deren Verwendung für die Herstellung, Behandlung oder Lagerung technisch nicht notwendig ist oder eine geeignete Nachweismethode für sie fehlt.

Art. 9 Absinthverbot Der Bundesrat bestimmt, welche Getränke als Absinth oder Absinthnachahmungen gelten.

Art. 10 Information der Öffentlichkeit 1 Der Bund sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit über ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse von allgemeinem Interesse, welche namentlich für die Gesundheitsvorsorge und für den Gesundheitsschutz von Bedeutung sind sowie über besondere Ereignisse hinreichend informiert wird.

2 Er kann die Öffentlichkeitsarbeit und die entsprechende Forschung anderer Institutionen unterstützen.

2. Abschnitt: Gesundheit Art. 11 Nahrungs- und Genussmittel 1 Nahrungsmittel dürfen bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit nicht gefährden.

2 Genussmittel dürfen bei ihrem üblichen Gebrauch und Genuss die Gesundheit nicht unmittelbar oder in unerwarteter Weise gefährden.

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Lebensrnittel und Gebrauchsgegenstände 3

Der Bundesrat kann ausnahmsweise bestimmte, besonders beliebte und in kleinen Mengen gegessene Nahrungsmittel nach den Vorschriften über die Genussmittel (Abs. 2) zulassen, wenn die Anforderung nach Absatz l nicht erfüllt werden kann.

Art. 12 Gebrauchsgegenstände 1 Gebrauchsgegenstände dürfen bei üblichem oder zu erwartendem Gebrauch die Gesundheit nicht gefährden.

2 Der Bundesrat kann Anforderungen an Gebrauchsgegenstände festlegen.

3 Er kann insbesondere die Verwendung bestimmter Stoffe einschränken oder verbieten.

Art. 13 Werbebeschränkung Der Bundesrat kann zum Schutz der Gesundheit insbesondere von Jugendlichen die Werbung für alkoholische Getränke sowie für Tabak- und Raucherwaren einschränken.

3. Abschnitt: Umgang mit Lebensrnitteln Art. 14 Hygiene 1 Wer Lebensmittel herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, muss dafür sorgen, dass diese: a. sauber und geordnet gelagert werden; b. so gelagert, transportiert oder abgegeben werden, dass sie nicht von gesundheitsgefährdenden Stoffen beeinträchtigt werden; c. nur mit sauberen und in gutem Zustand gehaltenen Gefässen, Packmaterialien, Einrichtungen, Werkzeugen und dergleichen in unmittelbare oder mittelbare Berührung kommen; d. nur in Räumen gelagert oder in Fahrzeugen transportiert werden, die sauber, genügend gross und für eine geordnete Lagerung zweckmässig eingerichtet sind; e. soweit möglich nicht durch Schädlinge und Parasiten beeinträchtigt werden.

2 Personen, die Krankheitserreger ausscheiden, welche die Gesundheit der Konsumenten gefährden können, müssen im Umgang mit Lebensmitteln besondere Schutzmassnahmen einhalten.

3 Der Bundesrat erlässt Vorschriften über den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln.

Art. 15 Schlachtung 1 Tiere dürfen nur in bewilligten Schlachtanlagen geschlachtet werden.

987

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

2

Der Bundesrat regelt: a. die Ausnahmen für Wild, Fische und gelegentliche Schlachtungen; b. die Schlachtung kranker, krankheitsverdächtiger und verunfallter Tiere.

Art. 16 Schlachtanlagen 1 Schlachtanlagen müssen zweckmässig angelegt, genügend gross und leicht zu reinigen sein.

2 Der Bundesrat bestimmt die Mindestgrösse sowie die erforderlichen Räume und Einrichtungen.

3 Die Pläne für die Errichtung oder Veränderung von Grossschlachtanlagen müssen vom Bund, die Pläne für die Errichtung oder Veränderung der übrigen Schlachtanlagen vom Kanton genehmigt werden.

4 Wer eine Schlachtanlage betreibt, braucht eine Betriebsbewilligung des Kantons.

4. Abschnitt: Täuschung bei Lebensmitteln Art. 17 Täuschungsverbot 1 Lebensmittel müssen der berechtigten Erwartung der Konsumenten entsprechen.

2 Sie dürfen namentlich nicht den Anschein erwecken, als hätten sie einen Wert, der über ihrer tatsächlichen Beschaffenheit liegt.

3 Die angepriesene Beschaffenheit sowie alle andern Angaben über das Lebensmittel müssen den Tatsachen entsprechen.

Art. 18 Nachahmung und Verwechslung 1 Lebensmittel dürfen nicht zur Täuschung nachgeahmt oder in täuschender Weise hergestellt, behandelt, abgegeben, gekennzeichnet oder angepriesen werden.

2 Waren, die keine Lebensmittel sind, dürfen nicht so gelagert, abgegeben, gekennzeichnet oder angepriesen werden, dass sie mit Lebensmitteln verwechselt werden können.

5. Abschnitt: Angaben über Lebensmittel Art. 19 Auskunftspflicht und Bezeichnung 1 Wer Lebensmittel abgibt, informiert den Abnehmer auf Verlangen über ihre Sachbezeichnung und Zusammensetzung (Zutaten und Zusatzstoffe) sowie über die weiteren nach Artikel 20 vorgeschriebenen Angaben.

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Lebensrnittel und Gebrauchsgegenstände

2

Wer vorverpackte Lebensmittel abgibt, informiert auf der Packung über die Sachbezeichnung und Zusammensetzung.

3 Zusammen mit der Sachbezeichnung können andere Bezeichnungen verwendet werden, sofern diese die Konsumenten nicht täuschen.

4 Auf die Sachbezeichnung kann verzichtet werden, sofern die Lebensmittelart ohne weiteres erkennbar ist.

Art. 20 Besondere Kennzeichnung 1 Der Bundesrat bestimmt, ob dem Konsumenten weitere Angaben, namentlich über Haltbarkeit, Aufbewahrungsart, Herkunft (Ort, Hersteller, Importeur oder Verkäufer), Produktions art, Zubereitungsart, besondere Wirkungen, Warnaufschriften sowie Nährwert zu machen sind. Er kann besondere Vorschriften erlassen über die Kennzeichnung fertig zubereiteter Speisen auf Menükarten.

2 Er kann überdies Vorschriften erlassen über die Kennzeichnung zum Schutz: a. der Gesundheit, vor allem zum Schutz von besonders gesundheitsgefährdeten Menschen; b. vor Täuschung, vor allem für Bereiche, in denen Konsumenten auf Grund der Ware oder der Art des Handels besonders leicht getäuscht werden können.

3 Der Bundesrat regelt die Kennzeichnung von Lebensmitteln, denen Stoffe zugesetzt worden sind, die als lebensnotwendig oder physiologisch nützlich erachtet werden (Vitamine, Spuren- und Mengenelemente).

3. Kapitel: Lebensmittelkontrolle 1. Abschnitt: Kontrollpflichten Art. 21 Untersuchungsmethoden 1 Der Bundesrat empfiehlt, wie Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu untersuchen und zu beurteilen sind.

2 Er sorgt für eine gesonderte Veröffentlichung der Empfehlungen (Lebensmittelbuch).

3 Der Bundesrat kann durch Verordnung einzelne Teile des Lebensmittelbuches für verbindlich erklären.

Art. 22 Selbstkontrolle 1 Wer Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände herstellt, behandelt, abgibt oder ein- und ausführt, muss im Rahmen seiner Tätigkeit dafür sorgen, dass die Waren den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Er muss sie entsprechend der Guten Herstellungspraxis untersuchen oder untersuchen lassen.

39 Bundesblatt. 141.Jahrgang. Bd.I

989

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

2

Die amtliche Kontrolle entbindet ihn nicht von der Pflicht zur Selbstkontrolle.

Tierhalter und Abnehmer von Schlachttieren informieren den Fleischinspektor oder -kontrolleur, wenn beim Tier vor der Schlachtung Gesundheitsstörungen aufgetreten sind oder wenn es vor der Schlachtung mit Arzneimitteln behandelt worden ist.

3

2. Abschnitt: Untersuchung Art. 23 Inspektion und Probenerhebung 1 Die Kontrollorgane überprüfen Lebensmittel, Zusatzstoffe, Gebrauchsgegenstände, Räume, Einrichtungen, Fahrzeuge, Herstellungsverfahren, Tiere, Pflanzen, Mineralstoffe und landwirtschaftlich genutzte Böden sowie die hygienischen Verhältnisse; die Kontrolle erfolgt in der Regel stichprobenweise.

2 Die Kontrollorgane können Proben erheben und nötigenfalls in Lieferscheine, Rezepturen und Kontrollmittel Einblick nehmen.

3 Sie können im Rahmen ihrer Aufgabe während der üblichen Betriebszeit Grundstücke, Betriebe, Räume und Fahrzeuge betreten.

Art. 24 Rechte und Pflichten der Hersteller und Händler 1 Wer Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände herstellt, behandelt, lagert, abgibt oder ein- und ausführt, muss den Kontrollorganen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unentgeltlich behilflich sein und die erforderlichen Auskünfte erteilen.

2 Wer Tiere schlachtet, stellt die für die Fleischschau zweckmässigen Räume, Einrichtungen und Hilfskräfte unentgeltlich zur Verfügung.

3 Der Betroffene hat Anspruch auf eine schriftliche Mitteilung über das Ergebnis der Kontrolle; die Mitteilung erfolgt an ihn oder seinen Vertreter am Ort der Kontrolle.

4 Wird eine Probe nicht beanstandet, kann der Eigentümer die Vergütung ihres Wertes verlangen, sofern die Probe wenigstens einen vom Bundesrat festgelegten Mindestwert erreicht.

Art. 25 Fleischschau 1 Tiere der Pferde-, Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Schweinegattung, deren Fleisch als Nahrungsmittel verwendet werden soll, werden vor und nach der Schlachtung von einem Fleischinspektor oder -kontrolleur untersucht.

2 Der Bundesrat regelt das Untersuchungsverfahren. Er kann die Fleischschau für weitere Tierarten vorschreiben und Ausnahmen für die Jagd vorsehen.

3 Der Fleischinspektor oder -kontrolleur entscheidet, zu welchen Zwecken das Fleisch verwendet werden darf.

990

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 26

Beanstandungen

1

Mit der Beanstandung stellen die Kontrollorgane fest, dass gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt sind. Sie kann sich erstrecken auf: a. Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Gebrauchsgegenstände; b. die Hygieneverhältnisse; c. Räume, Einrichtungen oder Fahrzeuge; d. Herstellungsverfahren; e. Tiere, Pflanzen, Mineralstoffe oder landwirtschaftlich genutzte Böden.

2 Eine Beanstandung erfolgt insbesondere, wenn Grenz- oder Toleranzwerte überschritten sind.

3

Die Kontrollorgane teilen die Beanstandung den Betroffenen schriftlich mit.

Der Bundesrat kann für die Fleischschau Ausnahmen vorsehen.

4

Die Kontrollorgane beanstanden für die Ausfuhr bestimmte Waren, wenn diese: a. offenkundig gesundheitsgefährdend sind; b. soweit erkennbar den Anforderungen des Bestimmungslandes nicht entsprechen.

5

Die Kontrollorgane können Waren, die offensichtlich gesundheitsgefährdend sind, bei der Durchfuhr beanstanden.

3. Abschnitt: Massnahmen Art. 27 Beanstandete Waren 1 Die Kontrollorgane entscheiden, ob die beanstandeten Waren: a. mit oder ohne Auflagen verwertet werden dürfen ; b. durch die Betroffenen beseitigt werden müssen oder c. auf Kosten der Betroffenen eingezogen sowie unschädlich gemacht, unschädlich verwertet oder beseitigt werden.

2

Die Kontrollorgane können die Betroffenen verpflichten, die Ursachen der Mängel abzuklären und die Kontrollorgane darüber zu informieren.

3

Ist ein Grenzwert überschritten, so ordnen die Kontrollorgane die zum Schutz der Gesundheit erforderlichen Massnahmen an.

4

Ist ein Toleranzwert überschritten und liegt keine Gesundheitsgefährdung vor, kann die Ware mit oder ohne Auflagen der Kontrollorgane verwertet werden.

Wenn die Auflagen wiederholt missachtet werden, können die Kontrollorgane auch die Beseitigung oder Einziehung anordnen.

5

Bei der Einfuhr oder Ausfuhr können beanstandete Waren auch zurückgewiesen oder an die zuständige kantonale Lebensmittelkontrolle für weitere Abklärungen überwiesen werden.

991

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 28

Andere Beanstandungen

1

Bei Beanstandungen von Herstellungsverfahren, Räumen, Einrichtungen, Fahrzeugen oder Hygieneverhältnissen, ordnen die Kontrollorgane die Behebung der Mängel an.

2

Sie können Herstellungsverfahren, das Schlachten von Tieren oder die Benützung von Räumen, Einrichtungen, Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Böden dauernd oder für eine bestimmte Zeit verbieten.

3 Gefährden die Verhältnisse in einem Betrieb die öffentliche Gesundheit unmittelbar und in erheblichem Masse, kann die hiefür zuständige Vollzugsbehörde den Betrieb sofort schliessen.

Art. 29 Vorsorgliche Massnahmen 1 Die Kontrollorgane beschlagnahmen beanstandete Waren, wenn dies für den Schutz der Konsumenten erforderlich ist.

2

Sie können die Waren auch im Falle eines begründeten Verdachts beschlagnahmen.

3

Beschlagnahmte Waren können amtlich verwahrt werden.

Beschlagnahmte Waren, die sich nicht aufbewahren lassen, werden unter Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen verwertet oder beseitigt.

4

Art. 30 Anzeige und Verwarnung 1 Die zuständige Vollzugsbehörde zeigt Widerhandlungen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften der Strafverfolgungsbehörde an.

2

In besonders leichten Fällen kann die Vollzugsbehörde auf eine Strafanzeige verzichten und den Verantwortlichen verwarnen. In diesem Fall entfällt jede weitere Strafe.

4. Kapitel: Vollzug 1. Abschnitt: Bund Art. 31

Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr

1

Der Bund vollzieht dieses Gesetz im Zusammenhang mit der Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr und sorgt für die entsprechende Lebensmittelkontrolle. Der Bundesrat kann Vollzugsaufgaben an die Zollverwaltung übertragen.

2

Der Bund kontrolliert die Einfuhr und Ausfuhr von Tierarzneimitteln, um die Produktion von Lebensmitteln zu verhindern, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen.

1

Er kann bestimmte Kontrollen und den abschliessenden Entscheid der kantonalen Lebensmittelkontrolle überlassen.

992

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 32 Einfuhrverbot Das zuständige Departement kann die Einfuhr bestimmter gesundheitsgefährdender Waren verbieten, sofern sich die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung nicht anders abwenden lässt.

Art. 33 Forschung und Ausbildung Der Bund: a. erforscht und beschafft die für die Anwendung dieses Gesetzes erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen; b. kann Erhebungen selber oder in Zusammenarbeit mit den Kantonen durchführen; c. wirkt an der Aus- und Weiterbildung der Kontrollorgane mit.

Art. 34 Vollzug in der Armee In ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, vollzieht der Bund die Lebensmittelkontrolle soweit möglich durch die kantonalen Vollzugsorgane.

Im übrigen sorgt die Armee selbst dafür, dass die Anforderungen dieses Gesetzes eingehalten werden. Der Bundesrat regelt das Verfahren und die Zuständigkeit.

Art. 35 Aufsicht und Koordination 1 Der Bund beaufsichtigt den Vollzug dieses Gesetzes durch die Kantone.

2 Er koordiniert die Vollzugsmassnahmen der Kantone und ihre Informationstätigkeit, soweit ein gesamtschweizerisches Interesse besteht.

3 Zu diesem Zweck kann das zuständige Departement: a. die Kantone verpflichten, den Bund über Vollzugsmassnahmen und Untersuchungsergebnisse zu informieren; b. den Kantonen Massnahmen für einen einheitlichen Vollzug vorschreiben; c. in ausserordentlichen Situationen bestimmte Vollzugsmassnahmen gegenüber den Kantonen anordnen.

4 Die zuständige Bundesstelle führt zur Vereinheitlichung und Abstimmung der Untersuchungsmethoden Ringversuche mit den kantonalen Laboratorien durch.

Art. 36 Ausführungsvorschriften des Bundesrates 1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

2 Der Bundesrat kann die Befugnis zum Erlass von Ausführungsvorschriften auf die Departemente übertragen.

Art. 37 Internationale Zusammenarbeit 1 Der Bundesrat berücksichtigt beim Erlass seiner Vorschriften internationale Empfehlungen und Aussenhandelsbeziehungen.

993

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

2

Er kann im Rahmen dieses Gesetzes Normen über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände für anwendbar erklären, die von internationalen Organisationen empfohlen werden sowie ausländische Prüfstellen und Zeugnisse anerkennen.

3 Der Bundesrat kann im Rahmen der Befugnisse, die ihm dieses Gesetz erteilt, völkerrechtliche Verträge abschliessen.

4 Die Bundesstellen arbeiten mit nationalen und internationalen Fachstellen und Institutionen zusammen.

Art. 38 Ernährungskommission 1 Der Bundesrat bestellt eine Eidgenössische Ernährungskommission und regelt deren Zusammensetzung.

2 Die Kommission berät die Bundesstellen in Fragen des Ernährungswesens.

3 Sie informiert die zuständigen Departemente zuhanden der interessierten Bundesstellen und der Öffentlichkeit über Fragen der Ernährung.

2. Abschnitt: Kantone Art. 39 Kantonale Vorschriften Die Kantone erlassen die Ausführungsbestimmungen für den kantonalen Vollzug und teilen sie den Bundesbehörden mit.

Art. 40 Lebensmittelkontrolle 1 Die Kantone vollziehen dieses Gesetz, soweit nicht der Bund zuständig ist, und sorgen für die Lebensmittelkontrolle im Inland.

2 Sie setzen dazu einen Kantonschemiker, einen Kantonstierarzt sowie die notwendige Anzahl Lebensmittelinspektoren, Fleischinspektoren, Lebensmittelkontrolleure und Fleischkontrolleure ein.

3 Die Kantone regeln die Aufgaben dieser Kontrollorgane im Rahmen dieses Gesetzes; sie können weiteren Vollzugsbehörden besondere Kontrollaüfgaben übertragen.

4 Der Kantonschemiker leitet die Lebensmittelkontrolle in seinem Bereich. Er koordiniert die Tätigkeit der ihm unterstellten Laboratorien, Lebensmittelinspektoren und Lebensmittelkontrolleure.

5 Der Kantonstierarzt oder ein vom Kanton eingesetzter Tierarzt, der die Anforderungen erfüllt, leitet die Kontrolle im Bereich der Tierhaltung und der Schlachtung. Er koordiniert die Tätigkeit der ihm unterstellten Fleischinspektoren und Fleischkontrolleure. Die Kantone können ihn überdies mit der Kontrolle der Verarbeitung des Fleisches beauftragen.

994

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände 6

Zur Untersuchung der Proben betreiben die Kantone hiefür spezialisierte Laboratorien. Die Kantone können sich zur Führung gemeinsamer Laboratorien zusammenschliessen.

7 Die Kantone regeln die Aufgaben der Lebensmittelkontrolleure und Fleischkontrolleure der Gemeinden.

Art. 41 Aus- und Weiterbildung 1 Die Kontrollorgane müssen die vom Bundesrat für die jeweiligen Funktionen festgelegten Anforderungen erfüllen.

2 Die Kantone sorgen für die Aus- und Weiterbildung der Kontrollorgane.

3. Abschnitt : Besondere Vollzugsvorschriften Art. 42 Schweigepflicht Alle mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Personen unterstehen der Schweigepflicht.

Art. 43 Öffentliche Warnung 1 Stellen die Vollzugsbehörden fest, dass gesundheitsgefährdende Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Gebrauchsgegenstände an eine unbestimmte Zahl von Konsumenten abgegeben wurden, so informieren sie die Öffentlichkeit und empfehlen der Bevölkerung, wie sie sich verhalten soll.

2 Ist die Bevölkerung mehrerer Kantone gefährdet, so obliegen Information und Empfehlungen den Bundesbehörden.

3 Nach Möglichkeit hört die Behörde die Hersteller, Importeure, Verteiler oder Verkäufer sowie die Konsumentenorganisationen vorher an.

5. Kapitel : Finanzierung Art. 44 Aufgabenteilung Bund und Kantone tragen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Kosten für den Vollzug dieses Gesetzes.

Art. 45 Gebühren 1 Gebühren können erhoben werden für: a. die Fleischschau einschliesslich der ergänzenden Untersuchungen; b. Bewilligungen und Genehmigungen; c. Kontrollen der Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr; d. besondere Dienstleistungen; 995

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

e. Kontrollen, welche die ordentliche Tätigkeit der Kontrollorgane übersteigen; f. Kontrollen, die zu Beanstandungen führen.

2 Im übrigen ist die Lebensmittelkontrolle gebührenfrei.

3 Der Bundesrat legt die Gebühren fest.

6. Kapitel: Schlachtgewicht

Art. 46 Der Bundesrat regelt die Ermittlung des Schlachtgewichts beim Viehhandel.

7. Kapitel: Strafbestimmungen und Rechtsschutz 1. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 47 Vergehen 1 Mit Gefängnis oder Busse wird bestraft, wer vorsätzlich: a. Nahrungsmittel so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden; b. Genussmittel so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch und Genuss die Gesundheit unmittelbar oder in unerwarteter Weise gefährden; c. Gebrauchsgegenstände so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen oder zu erwartenden Gebrauch die Gesundheit gefährden; d. verbotene absinthhaltige Getränke oder Absinthnachahmungen herstellt, einführt, transportiert, verkauft, absetzen hilft oder zum Zwecke des Verkaufs erwirbt oder lagert; e. gesundheitsgefährdende Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände einoder ausführt.

2 Handelt der Täter gewerbsmässig oder aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Busse.

3 Handelt der Täter fahrlässig, ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse.

Art. 48 Übertretungen 1 Mit Haft oder Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig: a. den Vorschriften über den hygienischen Umgang mit Lebensrnitteln zuwiderhandelt; b. bei der landwirtschaftlichen Produktion und bei der Herstellung von Lebensmitteln verbotene Stoffe oder Verfahren anwendet; 996

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

c. den auf dieses Gesetz gestützten Vorschriften über die Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zuwiderhandelt; d. den auf dieses Gesetz gestützten Vorschriften über die Einfuhr und Ausfuhr von Tierarzneimitteln zuwiderhandelt; e. ohne Berechtigung Tiere ausserhalb von bewilligten Schlachtanlagen schlachtet ; f. Lebensmittel, Zusatzstoffe, Gebrauchsgegenstände, Räume, Einrichtungen, Fahrzeuge und Herstellungsverfahren sowie Tiere, Pflanzen, Mineralstoffe oder Böden, die der Herstellung von Lebensmitteln dienen, der Untersuchung durch die Kontrollorgane entzieht, die Kontrolle verhindert oder erschwert; g. Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Gebrauchsgegenstände so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie den Anforderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen; h. über Lebensmittel falsche oder täuschende Angaben macht; i. die vorgeschriebene Meldung an die Kontrollorgane über Gesundheitsstörungen und Behandlungen von Tieren vor der Schlachtung unterlässt; k. vorgeschriebene Angaben über Lebensrnittel weglässt oder unrichtig wiedergibt; 1. den auf dieses Gesetz gestützten Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke oder Tabak- und Raucherwaren zuwiderhandelt; m. den Vorschriften über die Feststellung des Schlachtgewichts zuwiderhandelt.

2 Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar.

3 In besonders leichten Fällen kann auf Strafverfolgung und Bestrafung verzichtet werden.

Art. 49 Verjährung Eine Übertretung verjährt in zwei Jahren, die Strafe einer Übertretung in fünf Jahren.

Art. 50 Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, Urkundenfälschung Die Artikel 6, 7 und 15 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht1' gelten im Bereich des Lebensmittelrechts auch für die kantonalen Behörden.

Art. 51

Strafverfolgung

1

Die Kantone verfolgen und beurteilen Widerhandlungen. Das für die Wahrnehmung der Aufsicht des Bundes zuständige Bundesamt kann die kantonalen

D SR 313.0 997

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Behörden verpflichten, eine Untersuchung einzuleiten (Artikel 258 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege '>).

2 Die Zollverwaltung untersucht und beurteilt Widerhandlungen gegen die auf dieses Gesetz gestützten Vorschriften über die Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr.

3 Stellt eine Widerhandlung gleichzeitig eine nach Absatz 2 sowie eine durch die Zollverwaltung zu verfolgende Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz vom 9. März 19782', das Zollgesetz3', das Tierseuchengesetz vom I.Juli 19664\ das Bundesgesetz vom 20. Juni 19865) über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel oder das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19736) über die Fischerei dar, so wird die für die schwerste Widerhandlung verwirkte Strafe angewendet; diese kann angemessen erhöht werden.

4 Die Kantone verleihen den Vollzugsorganen der Lebensmittelkontrolle die Eigenschaft von Beamten der gerichtlichen Polizei.

Art. 52 Verfahrenskosten Der Verurteilte trägt die Verfahrenskosten, einschliesslich die Kosten des Verwaltungsverfahrens.

2. Abschnitt: Rechtsschutz Art. 53 Einspracheverfahren Verfügungen über Massnahmen können bei der verfügenden Behörde mit Einsprache angefochten werden.

Art. 54 Kantonales Beschwerdeverfahren 1 Die Kantone regeln das Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach kantonalem Recht im Rahmen dieses Gesetzes.

2 Sie setzen eine Beschwerdeinstanz ein, die Verfügungen, einschliesslieh das Ermessen ihrer Vollzugsorgane, nach diesem Gesetz überprüfen kann.

Art. 55 Bundesrechtspflege Sofern dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält, richtet sich das Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach den Bundesgesetzen über das Verwaltungsverfahren7) und über die Organisation der Bundesrechtspflege8*.

» SR 312.0 > SR 455 3 > SR 631.0 4) SR 916.40 2

998

5

> ') 7 > 8 >

SR SR SR SR

922.0 923.0 172.021 173.110

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 56 Fristen 1 Die Einsprachefrist beträgt fünf Tage.

2 Für Beschwerden gegen Verfügungen von Massnahmen im Rahmen der Lebensmittelkontrolle beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage (Art. 23 und 27-29).

3 Für Beschwerden gegen Verfügungen im Rahmen der Fleischschau (Art. 25, 27 und 29) beträgt die Beschwerdefrist fünf Tage.

Art. 57 Aufschiebende Wirkung, vorsorgliche Massnahmen 1 Die verfügende Behörde und die Beschwerdebehörde können einer Einsprache oder Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen.

2 Wird der Einsprache oder1 Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährt, kann die verfügende Behörde oder die Beschwerdeinstanz vorsorgliche Massnahmen treffen.

Art. 58 Haftung Die Körperschaft haftet für den Schaden, wenn ihre Behörde beim Vollzug dieses Gesetzes widerrechtlich: a. einen Entscheid über die vorsorglichen Massnahmen getroffen hat (Art. 29 und 57); b. eine unangemessene Massnahme getroffen oder einen Entscheid verweigert hat (Art. 27 und 28); c. die aufschiebende Wirkung entzogen hat; d. einem Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht oder verspätet entsprochen hat.

8. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 59 Aufhebung bisherigen Rechts Es werden aufgehoben: a. das Bundesgesetz vom 7. März 1912!) betreffend das Verbot von Kunstwein und Kunstmost; b. das Bundesgesetz vom 24. Juni 19102> betreffend das Absinthverbot; c. das Bundesgesetz vom 8. Dezember 19053) betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.

') BS 4 682 > BS 4 658 > BS 4 459; AS 1979 I75S, 1985 1992

2

3

999

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstande

Art. 60

Anderung bisherigen Rechts

1. Das Tierschutzgesetz vom 9. Marz 1978 1) wird wie folgt geandert: Art. 32 Abs. 2 und 2bis 2

Das Bundesamt fur Veterinarwesen untersucht und beurteilt Widerhandlungen nach Artikel 28 sowie bei der Bin-, Durch- und Ausfuhr. Liegt gleichzeitig eine Widerhandlung gegen das Zollgesetz 2) vor, so fuhrt die Zollverwaltung die Untersuchung durch und trifft den Strafbescheid.

2bls Stellt eine Widerhandlung gleichzeitig eine nach Absatz 2 sowie eine durch die gleiche Verwaltungsbehorde des Bundes zu verfolgende Widerhandlung gegen das Zollgesetz, das Lebensmittelgesetz vom ... 3 ), das Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966 4), das Bundesgesetz vom 20. Juni 19865) tiber die Jagd und den Schutz wildlebender Saugetiere und Vogel oder das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19736) uber die Fischerei dar, so wird die fur die schwerste Widerhandlung verwirkte Strafe angewendet; diese kann angemessen erhoht werden.

2. Das Tierseuchengesetz vom 1. Juli 19664) wird wie folgt geandert: Art. lOb (neu) Beschrankung des Verkehrs mit Lebensmitteln

Der Bundesrat kann den Verkehr mit Lebensmitteln aus tierseuchenpolizeilichen Griinden beschranken. Er kann die Kontrolle den Organen der Lebensmittelkontrolle iibertragen.

Art. 52 Abs. 2 und 2bis 2

Das Bundesamt fiir Veterinarwesen untersucht und beurteilt Widerhandlungen bei der Bin-, Durch- und Ausfuhr. Liegt gleichzeitig eine Widerhandlung gegen das Zollgesetz2) vor, so fiihrt die Zollverwaltung die Untersuchung durch und trifft den Strafbescheid. Bilden Fleisch und Fleischerzeugnisse Gegenstand der Widerhandlung, so ist ausschliesslich die Zollverwaltung zustandig.

2bis Stellt eine Widerhandlung gleichzeitig eine nach Absatz 2 sowie eine durch die gleiche Verwaltungsbehorde des Bundes zu verfolgende Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz vom 9. Marz 1978'>, das Zollgesetz, das Lebensmittelgesetz vom ...3\ das Bundesgesetz vom 20. Juni 19865) uber die Jagd und den Schutz wildlebender Saugetiere und Vogel oder das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1973 6> iiber die Fischerei dar, so wird die fur die

i) SR 455 > SR 631.0 3 > AS ...

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") SR 916.40 ) SR 922.0 «) SR 923.0

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Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

schwerste Widerhandlung verwirkte Strafe angewendet; kann angemessen erhöht werden.

diese

3. Das Landwirtschaftsgesetz J) wird wie folgt geändert:

Art. 47 Abs. 3 (neu) Bei den Zuchtzielen müssen die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung berücksichtigt werden.

3

Art. 70 Abs. l 1 Die landwirtschaftlichen Hilfsstoffe wie Dünge- und Futtermittel, Sämereien, Pflanzenschutz- und Unkrautvertilgungsmittel, ferner die zur Vermehrung oder Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion bestimmten Spezialitäten und Ersatzstoffe werden nach diesem Gesetz kontrolliert.

Art. 71 Abs. l 1 Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gibt nach Anhören der interessierten Kreise ein landwirtschaftliches Hilfsstoffbuch heraus. Es wird periodisch den Bedürfnissen angepasst. Im Hilfsstoffbuch werden die an die verschiedenen Waren zu stellenden Mindestanforderungen hinsichtlich der wertbestimmenden Eigenschaften festgelegt. Dabei werden ebenfalls die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung berücksichtigt.

Art. 73 D. Bewilligung ' Wer einen Hilfsstoff in Verkehr bringen will, der nicht im Hilfsvon HuS'offen stoffbuch umschrieben ist, muss ihn der vom Bundesrat bezeichneten Stelle zur Prüfung unterbreiten. Diese entscheidet im Rahmen einer Einzelbewilligung vorläufig über die Zulassung.

2 Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement veröffentlicht periodisch eine Liste der durch Einzelbewilligung zugelassenen Hilfsstoffe, welche nicht im Hilfsstoffbuch umschrieben sind.

3 Der Bundesrat kann bestimmen, dass einzelne Hilfsstoffe, die zu einer Warengruppe gehören, die im Hilfsstoffbuch umschrieben ist, unter Angabe der Zusammensetzung bei der zuständigen Stelle angemeldet werden müssen.

» SR 910.1

1001

Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände

Art. 61

Referendum und Inkrafttreten

1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

3018

1002

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft zu einem Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) vom 30. Januar 1989

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Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1989

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

89.011

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.03.1989

Date Data Seite

893-1002

Page Pagina Ref. No

10 050 998

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