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Bundesblatt 90. Jahrgang.

Bern, den 27. Juli 1988.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, anzüglich Nachnahme- mia Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli <* de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das schweizerisch-britische Abkommen über Zivilprozessrecht.

(Vom 22. Juli 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die britische Eegierung hat eine vertraglich 3 Regelung gewisser Fragen des Zivilprozessrechts v orgeschlagen Die auf ( dem Korrespondenzwege geführten Verhandlungen haben am 3. Dezember19ì 37 zur Unterzeichnung eines Abkommens geführt, das einRechtsschutzabkommimen ist. Es enthält einen allgemeinen Artikel über Rechtsschutzhutz und 3estimmungen über die Befreiung von der Sicherheitsleistung Prozesskosski sten, über Armenrecht und über den Ausschluss des Schuldverhaftes.befabeft sst sich also, abgesehen vom allgemeiRechtsschutzartikel,kel, nur mit den Mate den, die den Gegenstand der Artikel 17--24 der Haager Übereinkunft vom 17. Juli 1905 über Zivilprozessrecht -- d e r Grossbritannien nicht angehr bild bü< e n . V o n einer folge der Verschiedenheit der beiderseitigen Auffassungen abgesehen.

Die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Zivilurteilen wird nicht in diesem Abkommen behandelt, sondern soll den Gegenstand eines separaten Abkommens bilden. Diese Frage wird nun weiterverfolgt und die Vorbereitung eines Vollstreckungsabkommens soll tunlichst gefördert werden.

Zum vorliegenden Rechtsschutzabkommen bemerken wir folgendes.

Das Abkommen erstreckt sich auf Zivil- und Handelssachen mit Einschluss der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Der Artikel über das Armenrecht gilt auch in Strafsachen.

Was den räumlichen Geltungsbereich anbelangt, ist hervorzuheben, dass das Abkommen einerseits auf die .Schweiz und anderseits auf England und Wales ohne weiteres Anwendung finden soll. Auf andere britische Gebiete Bandesblatt.

90. Jahrg.

Bd. II.

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(nebst Schutz- und Mandatsgebieten) kann es durch eine förmliche Ausdehnungserklärung gemäss Artikel 8 ausgedehnt werden und mit Bezug auf andere Glieder der britischen Commonwealth of Nations kann ein Beitritt gemäss Artikel 9 erfolgen.

Artikel l enthält eine Eeihe von Definitionen, um einige Ausdrücke, die in den folgenden Artikeln verwendet werden, zu präzisieren. Hervorzuheben ist, dass als Angehörige eines Vertragsstaates auch die juristischen Personen gelten; nur der Artikel über das Armenrecht findet auf juristische Personen keine Anwendung. Die Umschreibung der juristischen Personen in Artikel l Absatz (b) (3) soll klarstellen, dass alle Eechtggebilde, die nach dem Eeehte eines Vertragsstaates das Kecht der Persönlichkeit haben, unter die juristischen Personen im Sinne des Abkommens fallen.

Artikel 2 stellt mit Bezug auf den rechtlichen Schutz der Person und des Eigentums und den Zutritt zu den Gerichten den Grundsatz auf, dass die Angehörigen des andern Vertragsstaates gleich zu behandeln sind wie die eigenen Staatsangehörigen.

Artikel 3 des Abkommens geht in der Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozesskosten insofern weniger weit als Artikel ] 7 der Haager Übereinkunft, als nur die im Prozesslande wohnhaften Angehörigen des andern Vertragsstaates als Kläger von der Kautionspflicht befreit werden. Die nicht im Prozesslande wohnhaften Angehörigen des andern Vertragsstaates sind von der Kautionspflicht nur dann befreit, wenn sie im Prozesslande genügend festgelegtes Vermögen besitzen, das zur Deckung der Prozesskosten ausreicht. Als solche Vermögenswerte fallen nur unbewegliches Eigentum und ferner solches andere Eigentum in Betracht, das nicht leicht und rasch übertragen werden kann.

Das Gericht, das über die Kautionspflicht entscheidet, bestimmt selber darüber, was in diesem Sinne als festgelegtes Vermögen gelten soll.

Artikel 4 stimmt mit Artikel 20 der Haager Übereinkunft überein, indem er für das Armenrecht den Grundsatz der Gleichstellung mit den eigenen Staatsangehörigen aufstellt. Dass Artikel 4 auch in Strafsachen gilt und dass er aber auf juristische Personen keine Anwendung findet, wurde bereits oben erwähnt.

Artikel 5 über den Scbuldverhaft lehnt sich an Artikel 24 der Haager Übereinkunft an. England kennt nur bei schuldhafter Nichterfüllung einer durch Urteil
festgestellten Leistungspflicht eine Art Schuldverhaft; praktisch handelt es sich hauptsächlich um den Fall der böswilligen Nichterfüllung einer Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau oder den Kindern. In einem derartigen Fall kann in der Schweiz eine Bestrafung wegen böswilliger Nichterfüllung einer Unterhaltspflicht in Frage kommen; eine solche Bestrafung fällt nach schweizerischer Auffassung nicht unter den Schuldverhaft, der ja durch Artikel 39 Absatz 3 der Bundesverfassung abgeschafft ist.

Die Artikel 6--9 enthalten die Schlussbestimmungen.

275 Wir beantragen Dänen, das Abkommen durch Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfs zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 22. Juli 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Für den Bundespräsidenten: Meyer.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

das schweizerisch-britische Abkommen über Zivilprozessrecht.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 22. Juli 1988, beschliesst: Art. 1.

Das schweizerisch-britische Abkommen vom 3. Dezember 1937 über Zivilprozessrecht wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

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276 Übersetzung.

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Schweizerisch-britisches Abkommen über Zivilprozessrecht.

Der Schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der König von Grossbritannien, Irland und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien, Vom Wunsche geleitet, ihren beiderseitigen Angehörigen gewisse Eechte im gerichtlichen Verfahren zu sichern, Haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Abkommen zu schliessen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Schweizerische Bundesrat:

Herrn Karl E. Paravicini, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in London; und Seine Majestät der König von Grossbritannien, Irland und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien: Für Grossbritannien und Nord-Irland:

Den Et. Hon. Herrn Anthony Eden, M. G., M. P., Seiner Majestät ersten Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten; Die, nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, folgendes vereinbart haben: Artikel 1.

Definitionen.

(a) Soweit nicht das Gegenteil ausdrücklich vereinbart ist, findet dieses Abkommen nur auf Zivil- und Handelssachen einschliesslich nichtstreitiger Sachen Anwendung.

(b) In diesem Abkommen sollen die Worte: (1) «Gebiet eines (oder des andern) Hohen Vertragschliessenden Teils» dahin verstanden werden, dass sie bedeuten (i) mit Beziehung auf Seine Majestät den König von Grossbritannien, Mand und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien: England und Wales und alle Gebiete, in denen das Abkommen zufolge einer Ausdehnungserklärung nach Artikel 8 oder eines Beitritts nach Artikel 9 in Kraft ist ; und (ii) mit Beziehung auf den Schweizerischen Bundesrat: die Schweiz; (2) «Personen» die natürlichen und die juristischen Personen bedeuten; (3) «juristische Personen» dahin verstanden werden, dass sie die Personenund Kapitalgesellschaften, sowie alle andern Eechtsgebilde einbegreifen, die das Eecht der Persönlichkeit haben;

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(4) «Angehörige eines Hohen Vertragsohliessenden Teils» die juristischen Personen mit einschliessen, die gemäss den Gesetzen errichtet oder eingetragen sind, welche in einem der Gebiete des betreffenden Hohen Vertragschliessenden Teiles gelten; (5) «Angehörige eines (oder des andern) Hohen Vertragschliessenden Teiles» bedeuten: (i) mit Beziehung auf seine Majestät dem König von Grossbritannien, Irland und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien, alle wo immer wohnhaften Untertanen Seiner Majestät und alle unter Ihren Schutz gestellten Personen; (ii) mit Beziehung auf den Schweizerischen Bundesrat alle Schweizerbürger.

Artikel 2.

Rechtsschutz und Zutritt zu den Gerichten.

Die Angehörigen eines Hohen Vertragschliessenden Teils sollen im Gebiete des andern in Ansehung des rechtlichen Schutzes der Person und des Eigentums die gleichen Eechte gemessen und für die Verfolgung oder Verteidigung ihrer Hechte freien Zutritt zu den Gerichten unter den nämlichen Bedingungen (einschliesslich der zu entrichtenden Taxe und Gebühren) haben wie die Angehörigen dieses andern Hohen Vertragsohliessenden Teils.

Artikel 3.

Sicherheitsleistung für Prozesskosten.

(a) Die Angehörigen eines Hohen Vertragschliessenden Teils, die im Gebiete des andern wohnhaft sind, wo das Gerichtsverfahren durchgeführt wird, sollen nicht verpflichtet sein, Sicherheit für Prozesskosten in den Fällen zu leisten, in denen die Angehörigen dieses andern Hohen Vertragschliessenden Teiles unter ähnlichen Umständen dazu nicht verpflichtet sind.

(b) Die Angehörigen eines Hohen Vertragschliessenden Teiles, die ausserhalb des Gebietes des andern, wo das Gerichtsverfahren durchgeführt wird, wohnhaft sind, sollen zur Sicherheitsleistung für Prozesskosten dann nicht verpflichtet sein, wenn sie in diesem Gebiete unbewegliches oder anderes nicht ohne weiteres übertragbares Eigentum besitzen, das zur Deckung der Prozesskosten hinreicht.

Die Auslegung der Ausdrücke «unbewegliches Eigentum» und «nicht ohne weiteres übertragbares Eigentum» fällt in die ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte der Hohen Vertragschliessenden Teile.

Artikel 4.

Armenrecht.

(1) Die Angehörigen eines Hohen Vertragschliessenden Teiles sollen im Gebiete des andern in gleicher Weise zum Armenrecht zugelassen werden, wie die Angehörigen dieses andern Hohen Vertragschliessenden Teiles, sofern sie

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die Bedingungen des Gesetzes desjenigen Gebietes erfüllen, wo das Armenrecht nachgesucht wird.

(2) Dieser Artikel ist in Strafsachen wie in Zivil- und Handelssachen anwendbar, jedoch ist er auf juristische Personen nicht anwendbar.

Artikel 5.

Schuldverhaft.

Gegen Angehörige eines Hohen Vertragschliessenden Teiles darf im Gebiete des andern der Schuldverhait weder als Zwangsvollstreckungsmittel noch als Sicherungsmassnahme stattfinden, es sei denn in Fällen, in denen ihm auch die Angehörigen dieses andern Hohen Vertragsohli essend en Teiles unterworfen wären.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 6.

Alle Schwierigkeiten, die etwa bei der Anwendung dieses Abkommens entstehen sollten, sind in diplomatischem Wege zu bereinigen.

Artikel 7.

Das gegenwärtige Abkommen, dessen englischer und französischer Wortlaut gleich massgebend sind, soll ratifiziert werden. Die Eatifikationsurkunden sollen in Bern ausgetauscht werden. Das Abkommen soll einen Monat nach dem Zeitpunkt des Austausches in Kraft treten und vom Inkrafttreten an drei Jahre in Kraft bleiben. Falls keiner der Hohen Vertragschliessenden Teile dem andern mindestens sechs Monate vor Ablauf des erwähnten Zeitraumes von drei Jahren auf diplomatischem Wege seine Absicht kundgibt, das Abkommen ausser Kraft treten zu lassen, soll es bis zum Ablauf von sechs Monaten seit dem Tage in Kraft bleiben, an dem einer der Hohen Vertragschliessenden Teile die Kündigung erklärt.

Artikel 8.

(a) Dieses Abkommen soll auf Schottland, Nord-Irland, die Kanal-Inseln und die Insel Man nicht ohne weiteres Anwendung finden, ebensowenig auf Kolonien, überseeische Gebiete oder Schutzgebiete seiner Majestät des Königs von Grossbritannien, Irland und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien, noch auf irgendein Gebiet seiner Oberhoheit oder auf irgendein Mandatsgebiet, über das seine Eegierung im Vereinigten Königreich das Mandat ausübt. Seine Majestät kann jedoch zu jeder Zeit, solange das Abkommen nach Massgabe von Artikel 7 in Kraft ist, durch eine Mitteilung seines Gesandten in Bern die Anwendung des Abkommens auf irgendwelche der oben erwähnten Gebiete ausdehnen.

(b) Jede solche Ausdehnung soll einen Monat nach dem Zeitpunkt der Mitteilung in Kraft treten.

279 (c) Jeder der Hohen Vertragschliessenden Teile kann zu jeder Zeit nach Abiauf von drei Jahren seit Inkrafttreten der Ausdehnung dieses Abkommens auf irgendeines der im Absatz (a) dieses Artikels erwähnten Gebiete die Ausdehnung mit sechsmonatlicher Frist durch Mitteilung im diplomatischen Wege kündigen.

(d) Das Ausserkrafttreten des Abkommens gemäss Artikel 7 soll, sofern nicht die Hohen Vertragschliessenden Teile ausdrücklich etwas anderes vereinbaren, das Abkommen ohne weiteres auch in Ansehung jeglichen Gebietes, auf das es gemäss Absatz (a) dieses Artikels erstreckt worden ist, ausser Kraft setzen.

Artikel 9.

(a) Die Hohen Vertragschliessenden Teile kommen überein, dass Seine Majestät der König von Grossbritannien, Irland und der Britischen überseeischen Dominions, Kaiser von Indien, zu jeder Zeit, 'solange das Abkommen nach Massgabe von Artikel 7 oder auf Grund eines Beitritts gemäss gegenwärtigem Artikel in Kraft ist, durch eine Mitteilung im diplomatischen Wege diesem Abkommen für irgendein anderes Glied der Britischen Commonwealth of Nations beitreten kann, dessen Eegierung den Beitritt wünscht; jedoch kann keine Beitrittserklärung mehr erfolgen, nachdem der Schweizerische Bundesrat die Kündigung des Abkommens für jedes Gebiet Seiner Majestät, auf das das Abkommen Anwendung findet, erklärt hat. Die Wirksamkeit eines Beitritts beginnt einen Monat nach dem Tage, an dem der Beitritt mitgeteilt worden ist.

(b) Nach Ablauf von drei Jahren seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Beitrittserklärung gemäss Absatz (a) dieses Artikels kann jeder der Hohen Vertragsehliessenden Teile die Anwendung des Abkommens auf ein Land, für das der Beitritt erfolgt ist, durcb eine Mitteilung im diplomatischen Wege mit sechsmonatlicher Frist kündigen. Die Kündigung des Abkommens gemäss Artikel 7 soll seine Anwendung auf irgendeines dieser Länder nicht berühren.

(c) Jede Beitrittserklärung gemäss Absatz (a) dieses Artikels kann auf irgendwelches Abhängigkeits- oder Mandatsgebiet erstreckt werden, das von der Eegierung des Landes verwaltet wird, für das der Beitritt erklärt wird; und jede Kündigung für ein solches Land gemässAbsatz (b) findetAnwendung auf jedes Abhängigkeits- oder Mandatsgebiet, auf das sich die Beitrittserklärung für dieses Land erstreckte.

Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten
das gegenwärtige Abkommen, in englischer und französischer Sprache, gezeichnet und hierunter ihr Siegel gesetzt.

Geschehen zu London am 3. Dezember 1937 in doppelter Ausfertigung.

(L. S.) (gez.) C. R. Paravicini.

(L. S.) (gez.) Anthony Eden.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das schweizerischbritische Abkommen über Zivilprozessrecht. (Vom 22. Juli 1938.)

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27.07.1938

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