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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Erwerb der ehemaligen Verwaltungsgebäude des Völkerbundes in Genf.

(Vom 6.Mai 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesrat hat am 20. Januar 1937 gemeinsam mit dem Staatsrat des Kantons Genf die ehemalige Besitzung des Völkerbundes in Genf übernommen. Wir haben die Ehre, Sie darüber wie folgt zu unterrichten.

A. Die Verpflichtung des Bandes gegenüber dem Völkerbund vom 12. März 1926.

I. Zur Zeit der ersten Versammlung besass der Völkerbund in Genf das Hotel National, die Besitzung Armleder und das Internationale Arbeitsamt.

Er hat das Hotel National nebst der Besitzung Armleder im Jahre 1920 für 5 Millionen Franken erworben. Um ihm die dauernde Niederlassung in Genf zu erleichtern, hatten ihm im Jahre 1923 die Eidgenossenschaft, der Kanton und die Stadt Genf gemeinsam die für eine Erweiterung nötigen Grundstücke geschenkt. In der Folge haben die technischen Berater des Völkerbundes der ursprünglich beabsichtigten Erstellung eines Saalbaues die Errichtung eines gleichzeitig den Versammlungs- wie den Bureaubedürfnissen dienenden Völkerbundsgebäudes aus Gründen der Vereinfachung des Dienstbetriebes vorgezogen.

Die mit der Prüfung der Baufragen beauftragte Völkerbundskommission glaubte die Errichtung des neuen Baues nur empfehlen zu dürfen, wenn der Verlust aus dem Verkauf des Hotels National nicht mehr als l % Millionen Franken betragen würde. Die Völkerbundsversammlung schloss sich dieser Auffassung in der ausserordentlichen Sitzung vom 8. bis 17. März 1926 an und stimmte den neuen Bauplänen unter dem Vorbehalte zu, dass dem Völkerbund ein Mindesterlös aus dem Verkauf des bisherigen Sekretariatsgebäudes von 4 Millionen Franken zugesichert würde.

II. In der die Angelegenheit bearbeitenden Völkerbundskommission herrschte die Auffassung vor, die schweizerischen Behörden sollten durch Übernahme dieser Garantie beweisen, dass die Schweiz gegebenenfalls selbst

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unter finanziellen Opfern bereit sei, Genf als Völkerbundsstadt zu erhalten.

Die schweizerische Delegation an der genannten ausserordentlichen Sitzung des Völkerbundes orientierte den Bundesrat über die Sachlage und beantragte, «der Bund solle sich gemeinsam mit dem Kanton Genf verpflichten, im Falle, dass der Erlös weniger als 4 Millionen Franken betragen würde, den Unterschied zwischen diesem Betrage und dem Verkaufspreise hälftig zu übernehmen».

Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 12. März 1926 den Chef der schweizerischen Delegation «ermächtigt, sich mit der Genfer Eegierung ins Einvernehmen zu setzen und der zuständigen Stelle des Völkerbundes eine dahingehende Erklärung abzugeben». Gleichen Tages hat der Genfer Staatsrat beschlossen: «de demander au Grand Conseil l'autorisation de garantir à la Société des Nations que le prix qui sera réalisé par elle du fait de la vente de l'ancien Hôtel National, terrain Armleder compris, lorsque le nouveau Secrétariat aura été construit, atteindra quatre millions de francs au minimum, les risques provenant de cette garantie devant être supportés par parts égales par la Confédération et par l'Etat de Genève.» Gestützt hierauf hat die schweizerische Delegation an der Völkerbundsversammlung sich im Namen des Bundesrates verpflichtet, unter Vorbehalt der Genehmigung durch die gesetzgebenden Behörden, den Völkerbund beim Verkaufe des Hotels National, der sogleich nach der Übersiedlung in die neuen Gebäude stattfinden wird, für jenen Betrag zu decken, um den der vom Käufer bezahlte Preis gegebenenfalls unter 4 Millionen» Franken zu stehen kommen sollte.

III. Der Bundesrat hat die Bundesversammlung im Bericht vom 16. April 1926 über die ausserordentliche Völkerbundsversammlung, die vom 8. bis 17. März 1926 in Genf getagt hat *), ausführlich über die Fragen der Völkerbundsgebäude unterrichtet und Ihnen die am 12. März 1926 in der Völkerbundsversammlung übernommene Verpflichtung im Wortlaut bekanntgegeben. Die Benachrichtigung Ihrer Behörde durch unsern Bericht vom 16. April 1926 erfolgte zum Zwecke, «grundsätzlich für den ins Auge gefassten Fall einem Kredite zuzustimmen, dessen Höhe erst später genau festgesetzt werden kann». Wir stellten in Aussicht, Sie zu gegebener Zeit um Bewilligung des nötigen Kredites zu ersuchen.

Ihre Behörde hat den Bericht
antragsgemäss am 18. April (Ständerat) bzw. am 24. Juni 1926 (Nationalrat) zur Kenntnis genommen.

B. Die ehemalige Völkerbundsbesitzung.

Die ehemalige Völkerbundsbesitzung befindet sich in einem bevorzugten Genfer Quartier (Pâquis), unmittelbar am See. Diese örtliche Lage ist insofern von besonderer Bedeutung, als dadurch der Boden an sich schon einen erheblichen Eigenwert hat. Die Liegenschaft ist in der Nähe des Bahnhofes und der *) Bundesbl. 1926, I, 543.

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internationalen Ämter gelegen und ist mit verschiedenen Verkehrsmitteln leicht erreichbar.

Der Flächeninhalt der Besitzung beträgt 16 000 m2, welche sich auf zwei Parzellen verteilen. Auf der grösseren Parzelle steht das Hauptgebäude der Liegenschaft, das ehemalige Hotel National. Die andere Parzelle im Halte von S386 m2 darf als besonders vorteilhaft gelten, da sie das letzte am Quai Wilson noch überbaubare Grundstück darstellt. Auf ihr befindet sich die ehemalige Villa Armleder mit 15 Zimmern.

Das Hauptgebäude beansprucht bei einem Eauminhalt von 58 000 m3 ·eine Grundfläche von 2367 m2. Es setzt sich zusammen aus dem Erdgeschoss, 3 Stockwerken, dem ausgebauten Dachstock und einem weiteren Dachstock im Mittelbau. Die verschiedenen Stockwerke sind miteinander verbunden durch eine doppelte Haupttreppe, einen Personen- und einen Warenaufzug, sowie durch eine Treppe für den Dienstgebrauch. Die seeseits orientierte, 87 m lange Fassade ist reichlich mit Veranden, Baikonen und Loggien versehen. Die 364 Käume, welche das ganze Haus aufweist, setzen sich zusammen aus 9 Sälen, 223 Zimmern, 68 nichteingerichteten Badzimmern, 20 Toiletten und 44 Vorratskammern.

In ihrem gegenwärtigen Zustand werden die Gebäulichkeiten, die ehemalige Villa Armleder inbegriffen, auf 4,5 Millionen Franken geschätzt. Der Versicherungswert beläuft sich auf 4 Millionen Franken.

C. Die Übernahme der ehemaligen Völkerbundsbesitzung durch den Bund.

I. Das mit einem Kostenaufwand von etwa 30 Millionen Franken errichtete neue Verwaltungsgebäude des Völkerbundes im Ariana-Park ist im Laufe des Sommers 1936 bezogen worden; die Übersiedlung der Verwaltung war Ende September 1936 abgeschlossen.

Der Generalsekretär-Adjunkt des Völkerbundes hat das eidgenössische Politische Departement am 26. Juni und am 5. September 1935 über seine Bemühungen um den Verkauf der bisherigen Besitzung unterrichtet. Sowohl das Völkerbundssekretariat wie auch das eidgenössische Politische Departement haben nichts unversucht gelassen, um das Hotel National abzustossen. Die Mitgliedstaaten des Völkerbundes sind durch diesen selbst und durch unsere politischen Vertreter im Ausland eingeladen worden, in ihren Ländern auf die Kaufgelegenheit aufmerksam zu machen. Überdies wurden einer grossen Zahl von halbamtlichen Institutionen und einer Eeihe von Privaten
Verkaufsangebote unterbreitet. Trotz grösster Anstrengungen ist es nicht gelungen, die Besitzung zu verkaufen. Bei Berücksichtigung der gegenwärtigen Wirtschaftslage und besonders der Verhältnisse auf dem Liegenschaftsmarkt ist nicht damit zu rechnen, dass die Besitzung in absehbarer Zeit zu einem annehmbaren Preis verkauft werden kann. Die sofortige Abstossung an den Meistbietenden hätte vermutlich nur einen Bruchteil der Garantiesumme eingebracht, wenn überhaupt sich ein Liebhaber gezeigt hätte.

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II. Die Verpflichtung des Bundes gegenüber dem Völkerbund ist Ende Oktober 1936 fällig geworden. Ihre Einlösung hat unter den obwaltenden Umständen nur in der Übernahme der ehemaligen Völkerbundsgebäude durch den Bund gegen Bezahlung von 4 Millionen Franken bestehen können. Der Eintritt des Garanten als Selbstkäufer zum gewährleisteten Mindestverkaufserlös hat die verhältnismässig wirtschaftlichste Lösung dargestellt.

III. Der Bundesrat hat den Staatsrat des Kantons Genf am 24. November 1936 ermächtigt, den Kaufvertrag mit dem Völkerbund abzuschliessen. Da.

sich die Verhandlungen mit dem Kanton Genf über die Bezahlung seines Anteils am Kaufpreis verzögerten, kam der Vertrag jedoch erst am 20. Januar 1937 zustande. Der Bund hat dem Sekretariat des Völkerbundes den Kaufpreis von 4 Millionen Franken am 14. Januar 1937 bezahlt. Der Kanton Genf hat dem Bund seinen Anteil von 2 Millionen Franken am 6. September 193T überwiesen. Die dazu nötigen Mittel sind ihm von der schweizerischen Nationalbank in Form eines Eeskriptionenkredites zur Verfügung gestellt worden.

Der dem Bund verbleibende Anteil von 2 Millionen Franken erscheint in der Staatsrechnung der Eidgenossenschaft für das Jahr 1937 als Vorschuss.

der Kapitalrechnung1). Wir verbinden mit diesem Bericht den Antrag, der Übernahme der Völkerbundsbesitzung zu gemeinsamem Eigentum von Bund und Kanton Genf zuzustimmen und die dafür erforderlichen Mittel von 2 Millionen Franken zu bewilligen. Die Zustimmung der Bundesversammlung bedingt die Bewilligung eines Nachtragskredites. Der Vorschuss der Kapitalrechnung wird durch den Nachtragskredit gedeckt.

D. Die Weiterverwendung der ehemaligen Völkerbundsbesitzung.

I. Die Erwerbung der Völkerbundsbesitzung ist die Folge der Verpflichtungen der Eidgenossenschaft und des Kantons Genf vom 12. März 1926..

Eidgenossenschaft und Kanton Genf sind gleicherweise finanziell interessiert.

Dieser gleichen Verteilung der Interessen entspricht die Übernahme der Völkerbundsbesitzung zu gemeinschaftlichem Eigentum.

Für diese Lösung haben auch Zweekmässigkeitsgründe gesprochen. Die Verwendung des Hotels National als Verwaltungssitz einer grossen Zahl von unter sich unabhängigen und selbständigen Verbänden, Sekretariaten usw., wobei in der Eegel mit den einzelnen Mietern individuelle Verträge abzuschliessen sind,
erheischt eine besondere Liegenschaftsverwaltung an Ort und Stelle.

Der Bund hat in Genf keine Organe, die mit dieser Aufgabe betraut werden könnten. Dagegen war der Staatsrat des Kantons Genf bereit, die Verwaltung zu übernehmen.

Zurzeit sind die meisten Bureauräume an internationale, halbamtliche Organisationen 2) in der Eegel zu Fr. 300 je Einzelraum und Jahr vermietet, !) In der Position 35 (Verschiedenes), Staatsreehnung 1937, Seite 221, eingeschlossen.

*) Rotes Kreuz, Radiodiffusion, Emigrantenhilfe, Arbeitsamt usw.

709' Der Bohertrag aus der Miete wird gesamthaft auf jährlich Fr. 70 000 geschätzt. Dieser Betrag muss hinreichen, um die Verwaltungskosten (Abwart, Heizung, Beleuchtung und Unterhalt der Bäume) zu decken. Ein allfälliger Überschuss oder Verlust soll zu gleichen Teilen vom Bund und vom Kanton.

Genf getragen werden. Die Mietverträge sind in der Begel für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen.

II. Im Hinblick auf die zweckgerichtete Konstruktion des Baues wie auch, auf seine besonders schöne Lage mochte zunächst dessen Verwendung als Hotel gegeben erscheinen. Diese Lösung hätte jedoch eine kostspielige Wiederinstandsetzung der Gebäulichkeiten, die Anschaffung eines grösseren Mobiliarbestandes sowie erhebliche Einrichtungskosten zur Voraussetzung gehabt..

Deshalb wurde sie wieder fallen gelassen, nachdem sie von privaten Interessenten eingehend geprüft worden war.

Gestützt auf diese Ausführungen beantragen wir Ihnen, den beigelegten Beschlussesentwurf zu genehmigen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den G.Mai 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Baumann.

Der Bundeskanzler: . G. Bovet.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

den Erwerb der ehemaligen Verwaltungsgebäude des Völkerbundes in Genf durch den Bund und den Kanton Genf.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Mai 1988, beschliesst :

Art. 1.

Für die Erwerbung der ehemaligen Verwaltungsgebäude' des Völkerbundes (Hotel National und Villa Armleder) in Genf zu gemeinschaftlichem Eigentum von Bund und Kanton Genf wird ein Kredit von 2 Millionen Franken bewilligt.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit dessen Vollzug beauftragt.

S6B

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Erwerb der ehemaligen Verwaltungsgebäude des Völkerbundes in Genf. (Vom 6.Mai 1938.)

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11.05.1938

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705-710

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