19.076 Botschaft zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Aufhebung der Industriezölle) vom 27. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Zolltarifgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-2137

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Übersicht Mit der Änderung des Zolltarifgesetzes sollen die Zölle auf Industrieprodukten per 1. Januar 2022 aufgehoben und die Zolltarifstruktur vereinfacht werden. Die angestrebte Erleichterung der Einfuhr von Industrieprodukten ermöglicht den Unternehmen Zugang zu günstigeren Vorleistungen sowie administrative Entlastungen. Zudem führt sie zu tieferen Preisen für importierte Konsumgüter.

Ausgangslage Die Preise für Güter und Dienstleistungen sind in der Schweiz im Durchschnitt deutlich höher als in den Nachbarländern. Verschiedene Faktoren tragen zur «Hochpreisinsel Schweiz» bei: Einerseits führt das hohe Lohn- und Kostenniveau in der Schweiz zu höheren Preisen. Anderseits führt eine Reihe von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen dazu, dass Unternehmen den Schweizer Markt abschotten und in der Schweiz höhere Preise als im Ausland verlangen können. Der Bundesrat hat am 20. Dezember 2017 das Massnahmenpaket «Importerleichterungen» verabschiedet, um diese Handelshemmnisse zu reduzieren. Die Aufhebung der Industriezölle ist Bestandteil dieses Massnahmenpakets.

Die Zölle auf Industrieprodukten sind heute mit durchschnittlich 1,8 Prozent gemessen am Produktwert bereits generell tief. Für einige Produkte, beispielsweise Textilien und Bekleidung, sind die Zölle jedoch deutlich höher. Während die Zölle auf Industrieprodukten früher die einheimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz schützen sollten, verteuern sie heute die Beschaffung von Vormaterialien aus dem Ausland und belasten die Konsumentinnen und Konsumenten.

Das gegenwärtig angespannte internationale handelspolitische Umfeld gefährdet die liberale Weltwirtschaftsordnung. Als offene Volkswirtschaft mit einem vergleichsweise kleinen Binnenmarkt und starken Verflechtungen in die globalen Wertschöpfungsketten ist die Schweiz besonders auf einen störungsfreien Welthandel angewiesen. Bestmögliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen helfen, den negativen Auswirkungen der protektionistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Dazu zählt auch die unilaterale Aufhebung der Industriezölle: Sie senkt die Preise für Vorleistungen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage sieht vor, die Zölle für sämtliche Industrieprodukte im Generaltarif in Anhang 1 des
Zolltarifgesetzes per 1. Januar 2022 auf null zu setzen. Der Begriff der Industrieprodukte erfasst für diese Vorlage alle Güter mit Ausnahme der Agrarprodukte (inkl. Futtermittel) und der Fischereierzeugnisse. Neben der Aufhebung der Zölle soll mit der Vorlage auch die Zolltarifstruktur für Industrieprodukte vereinfacht werden.

Durch die Aufhebung der Industriezölle sparen Importeure in der Schweiz Zollabgaben und Steuern. 2018 entrichteten sie Zölle auf Industrieprodukten in der Höhe

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von 541 Millionen Franken und bedingt durch die Zollabgaben Mehrwert- und Automobilsteuern in der Höhe von 21,5 Millionen Franken. Hinzu kommen administrative Erleichterungen für die Unternehmen (2016: 100 Mio. Fr.), welche rund 20 Prozent des gesamten gemessenen administrativen Verzollungsaufwands ausmachen. Schliesslich erleichtert die Vereinfachung der Zolltarifstruktur die Verzollung und verringert somit den administrativen Aufwand der Unternehmen weiter. Diese Entlastungen stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft und haben positive volkswirtschaftliche Auswirkungen zur Folge.

Importierende Unternehmen können aufgrund der Aufhebung der Industriezölle Vormaterialien kostengünstiger beschaffen und somit ihre Produktionskosten senken. Die Massnahme stärkt somit auch die Schweizer Exportwirtschaft. Die Handelsbeziehungen werden insgesamt effizienter und der Wettbewerb wird gestärkt. In Branchen mit funktionierendem Wettbewerb werden die Preisvorteile an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben.

Mit der umfassenden Aufhebung der Industriezölle werden auch historisch bedingte Unregelmässigkeiten im Zolltarif, insbesondere die oft kritisierten ungleichen Zollansätze für Frauen- und Männerkleider, beseitigt.

Diesen Vorteilen stehen Ausfälle für die Bundeseinnahmen in der Höhe der wegfallenden Zollabgaben und Steuern gegenüber. Allerdings dürfen Bund und Kantone aufgrund der erhöhten Wirtschaftsaktivität auch mit erhöhten Steuereinnahmen rechnen, die einen Teil des Einnahmeausfalls der Bundeskasse wieder kompensieren können.

Durch die unilaterale Aufhebung der Industriezölle verliert die Schweiz an Verhandlungsmasse bei der Verhandlung neuer Freihandelsabkommen. Allerdings haben die Industriezölle in den Verhandlungen bereits stark an Gewicht eingebüsst und viele der prospektiven Verhandlungspartner profitieren im Rahmen der Zollpräferenzen für Entwicklungsländer bereits heute von weitgehend zollfreiem Marktzugang für Industrieprodukte. Da die positiven volkswirtschaftlichen Effekte der Massnahme eindeutig überwiegen, ist der geringe Verlust an Verhandlungsmasse verkraftbar.

Angesichts dieser Vorteile für die Unternehmen und die Konsumentinnen und Konsumenten wurde die Aufhebung der Industriezölle in der Vernehmlassung denn auch von einer Mehrheit der Teilnehmer unterstützt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

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2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vorstösse seitens Parlament und Verbänden 2.2 Prüfaufträge 2.3 Vernehmlassungsverfahren

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3

Rechtsvergleich

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4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Aufhebung der Industriezölle 4.1.2 Vereinfachung der Zolltarifstruktur

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5

Erläuterungen zur Änderung von Anhang 1 des Zolltarifgesetzes

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Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Finanzielle Auswirkungen 6.1.2 Personelle Auswirkungen 6.1.3 Auswirkungen auf die Verhandlung künftiger Handelsabkommen 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.3.1 Einsparungen aufgrund wegfallender Zölle 6.3.2 Administrative Entlastung 6.3.3 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen 6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft

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Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Gültigkeit für das Fürstentum Liechtenstein 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

8510 8510 8510 8511 8511

7

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8497 8500 8500 8500 8503 8507 8509

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Glossar

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Literaturverzeichnis

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Zolltarifgesetz (ZTG) (Entwurf)

8515

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das durchschnittliche Preisniveau der konsumierten Güter und Dienstleistungen lag 2017 in der Schweiz insgesamt 54 Prozent höher als in der EU151. Die Preise für Konsum- und Investitionsgüter liegen 29 Prozent bzw. 30 Prozent über jenen der EU15. Der Bundesrat hat in Erfüllung des Postulats der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 24. Februar 2014 (14.3014 «Erleichterung der Zollabfertigung und Förderung von Parallelimporten dank Anerkennung weiterer Dokumente zur Erbringung des Ursprungsnachweises») die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und ihren Nachbarländern auf ihre Ursachen hin untersucht. Verschiedene Faktoren tragen zu den höheren Preisen bei. Deren Bedeutung variiert jedoch für jedes Produkt. Einerseits wird das Preisniveau stark vom hiesigen Lohn- und Kostenniveau getrieben; andererseits führt eine Vielzahl von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen dazu, dass Unternehmen den Schweizer Markt abschotten und damit höhere Preise verlangen können. Wenn hohe Preise für Güter und Dienstleistungen aufgrund von Marktabschottung resultieren, mindern sie die Kaufkraft von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten und belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Zu den erwähnten Handelshemmnissen gehören auch Zölle, die zum einen direkt die Kosten für importierte Güter erhöhen und zum anderen ­ beispielsweise im Falle der Nutzung eines Freihandelsabkommens (FHA) für den zollbefreiten Import ­ administrative Kosten bei den Unternehmen zur Folge haben. Weitere Kosten entstehen, wenn Zölle Marktabschottungen und Preisdiskriminierungen ermöglichen und den Wettbewerb schwächen.

Der Bundesrat hat daher im Dezember 2017 ein Massnahmenpaket «Importerleichterungen» beschlossen, wovon eine Massnahme die Aufhebung der Industriezölle ist.2 Nach eingehender Prüfung dieser Massnahme hat der Bundesrat die Erarbeitung einer entsprechenden Gesetzesvorlage in Auftrag gegeben. Die vorliegende Botschaft sieht vor, die Einfuhrzölle auf sämtlichen Industrieprodukten unilateral aufzuheben. Zudem wird vorgeschlagen, die Struktur des Zolltarifs für Industrieprodukte zu vereinfachen, um den administrativen Aufwand für die Wirtschaft wie auch den Bund zusätzlich zu verringern. Daraus sollen Kosteneinsparungen für Unternehmen sowie für Konsumentinnen und Konsumenten resultieren. Gleichzeitig soll die Erleichterung von Importen auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft stärken.

1

2

Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich.

www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Der Bundesrat, 20.12.2017 > «Bundesrat beschliesst Massnahmen gegen Hochpreisinsel».

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Die gegenwärtige Eskalation von protektionistischen Handelsmassnahmen gefährdet die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierte liberale Weltwirtschaftsordnung und den davon profitierenden globalen Handel. Die schweizerische Wirtschaft ist angesichts des vergleichsweise kleinen Binnenmarktes und der intensiven internationalen Verflechtung stärker als grössere Volkswirtschaften vom internationalen Handel abhängig. Entsprechend ist die Schweiz von den protektionistischen Massnahmen betroffen, obwohl sie nicht im Fokus der Eskalation liegt. Neben der grossen Bedeutung des regelbasierten multilateralen Handelssystems, den bilateralen Verträgen mit der EU und den FHA mit Drittländern kann die Schweiz den negativen Auswirkungen der protektionistischen Tendenzen auch entgegenwirken, indem sie bestmögliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen für ihre Unternehmen schafft. Dazu gehört die unilaterale Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten.

Dadurch sinken die Preise für Vorleistungen, und die Wettbewerbsfähigkeit der im globalen Wettbewerb stehenden Schweizer Unternehmen wird gestärkt.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Das Preisniveau in der Schweiz kann nicht durch eine einzelne Massnahme erheblich gesenkt werden. Nur ein Paket verschiedener Massnahmen erlaubt es, die künstliche Abschottung des Schweizer Markts substanziell zu reduzieren. Deshalb ist die Aufhebung der Industriezölle Teil des Massnahmenpakets «Importerleichterungen», das der Bundesrat am 20. Dezember 2017 beschlossen hat. Es beinhaltet sechs Massnahmen in den Bereichen Abbau von Zöllen, Stärkung des Cassis-de-DijonPrinzips, Vereinfachung von Produktdeklarationen sowie Modernisierung der Fusionskontrolle.

Für die Massnahme «autonome Abschaffung der Einfuhrzölle für Industrieprodukte» wurden alternative Umsetzungsvarianten geprüft. Eine definitive Aufhebung von Zöllen nur für einzelne Produkte oder Produktkategorien hält der Bundesrat für nicht angebracht, da einzelne Branchen gegenüber anderen bevorzugt würden. Ein gradueller Zollabbau über eine längere Zeit wurde ebenfalls verworfen, da die administrativen Entlastungen aufgrund der Massnahme erst mit einer vollständigen Aufhebung der Zölle realisiert werden können.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 20163 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 20164 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

3 4

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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Die Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten ist Teil des am 20. Dezember 2017 verabschiedeten Massnahmenpakets Importerleichterungen, mit dem der Bundesrat beabsichtigt, die hohen Preise in der Schweiz zu senken.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vorstösse seitens Parlament und Verbänden

Die Aufhebung aller Industriezölle oder der Zölle für spezifische Produkte waren Gegenstand verschiedener Vorstösse aus dem Parlament und von Verbänden. Die Motion Sauter (17.3564 «Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes dank der Abschaffung von Industriezöllen») fordert die Abschaffung sämtlicher Industriezölle. Die Motion Reimann (16.3894 «Vermeidung von Bürokratie und unverhältnismässigem Verwaltungsaufwand beim Grenzübertritt von Personenwagen») zielt auf eine Aufhebung der Zölle auf Personenwagen. Die Textilbranche verlangt seit mehreren Jahren, dass die Zölle für textile Vormaterialien aufgehoben werden. Auf Antrag des Textilverbands Schweiz (Swiss Textiles) hat der Bundesrat am 1. Mai 2019 gestützt auf Artikel 4 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 19865 (ZTG) eine bis zum 31. Dezember 2023 befristete Aussetzung der Zölle auf textile Vor- und Zwischenmaterialien beschlossen.6 Bereits 2015 hatte der Bundesrat die Zölle für bestimmte Vor- und Zwischenmaterialien der Textilindustrie vorübergehend ausgesetzt.7 Mit der vorliegenden Botschaft wird auch die in regelmässigen Abständen, u. a. in parlamentarischen Vorstössen8, thematisierte Problematik der ungleichen Zollansätze für Frauen- und Männerkleider angegangen. Historisch bedingt betragen heute die Zölle für Frauenkleider durchschnittlich ca. 5 Prozent und für Männerkleider durchschnittlich ca. 3 Prozent des Warenwerts.

2.2

Prüfaufträge

Der Bundesrat hat vorab eine Reihe von externen Prüfaufträgen zu den wichtigsten Aspekten des Massnahmenpakets Importerleichterungen erteilt.9 Für die Aufhebung der Industriezölle wurden dabei die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Massnahme modelliert,10 die administrative Entlastung der Unternehmen aufgrund des Zollabbaus geschätzt,11 der Verlust an Verhandlungsmasse aufgrund des unilateralen Verzichts beurteilt12 sowie anhand der Beispiele von Kanada, Neuseeland und 5 6 7 8

9 10 11 12

SR 632.10 AS 2019 1611; SR 632.102.1 AS 2015 4935 Anfrage Feri Yvonne (15.1000 «Zollpreise für Frauenartikel»), Anfrage Fehr Jacqueline (00.1038 «Höhere Zölle für Frauenkleider»), Motion von Felten (99.3285 «Harmonisierung der Einfuhrzölle für Kleider»).

Alle Studien sind abrufbar unter www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Aussenwirtschaft > Freihandel.

Müller u. a. (2017).

Meier / Frey (2017).

Berden u. a. (2017).

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Norwegen geprüft, ob die Aufhebung von Industriezöllen den erfolgreichen Abschluss von FHA durch diese Länder erschwert hat.13

2.3

Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung dauerte vom 7. Dezember 2018 bis am 21. März 2019. In der Vernehmlassung wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft sowie die relevanten Branchen- und Konsumentenverbände begrüsst.

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens Es gingen 67 Stellungnahmen ein. Die Aufhebung der Industriezölle wird von 55 Stellungnahmen begrüsst. 12 Stellungnahmen lehnen die Vorlage ab. Die Vereinfachung der Zolltarifstruktur wird von 40 Stellungnahmen befürwortet, während 2 Stellungnahmen dieses Element der Vorlage kritisch sehen. Die restlichen Teilnehmer äusserten sich nicht zur Vereinfachung der Zolltarifstruktur. Die detaillierten Resultate der Vernehmlassung sind im Internet publiziert.14 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens Die Wirtschaftsverbände, die Handelskammern und die Kantone sprechen sich für eine Aufhebung der Industriezölle aus. Die CVP, die FDP und die GLP unterstützen die Vorlage ebenfalls. Die Befürworter der Vorlage heben die wegfallenden Zollabgaben und administrative Entlastungen für die Wirtschaft als Hauptvorteil hervor.

Aufgrund der starken Integration der Schweiz in die globalen Wertschöpfungsketten sei ein möglichst einfacher Zugang zu ausländischen Vormaterialien essenziell. Die Vorlage wird zudem als speziell wirksam für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelobt. Auch die zu erwartende Senkung der Preise bei Produkten, die heute mit hohen Zöllen belastet sind, wird positiv hervorgehoben. Die Befürworter unterstreichen, dass die Massnahme breit abgestützt sei und allen Branchen, aber auch den Konsumentinnen und Konsumenten, zugutekomme. Viele Stellungnahmen begrüssen die Aufhebung der Industriezölle, verweisen aber darauf, dass weitere Massnahmen in anderen Bereichen, z. B. bei nicht-tarifären Handelshemmnissen oder beim Kartellrecht, notwendig seien, um die Hochpreisinsel Schweiz effektiv zu bekämpfen.

Gegen die Vorlage äusserten sich insbesondere Landwirtschaftsverbände, die SVP, die SP sowie die Gewerkschaften. Die Gegner der Vorlage beklagen, dass die Schweiz mit der unilateralen Aufhebung der Industriezölle ein Verhandlungspfand für die Verhandlung von FHA aus der Hand
gebe. Landwirtschaftsnahe Kreise befürchten zudem, dass aufgrund der Massnahme der Druck auf die Agrarzölle in künftigen Verhandlungen noch steigen dürfte. Ein weiteres häufig erwähntes Argument ist der Einnahmeausfall für den Bund von rund einer halben Milliarde Franken.

13 14

Mahlstein u. a. (2017).

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > WBF.

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Da unklar sei, ob die Unternehmen die Einsparungen an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben würden, sei zu befürchten, dass die Aufhebung der Industriezölle nur den Unternehmen zugutekomme und keine positiven Effekte für die Konsumentinnen und Konsumenten resultieren würden.

Das zweite Element der Vorlage, die Vereinfachung der Zolltarifstruktur, ist breit abgestützt und wird allgemein unabhängig von der Aufhebung der Industriezölle als sinnvolle Massnahme zur Senkung des administrativen Aufwands für Unternehmen angesehen.

Aufgrund der insgesamt positiven Rückmeldungen in der Vernehmlassung bestand kein Bedarf, die Vorlage anzupassen.

3

Rechtsvergleich

Eine autonome Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten ist im internationalen Vergleich kein Novum. Mit Hong Kong und Singapur erheben bereits zwei mittelgrosse, offene Volkswirtschaften seit längerer Zeit keine Zölle auf Industrieprodukten. Auch Island, Kanada, Neuseeland und Norwegen haben bereits unilateral die Zölle auf Industrieprodukten entweder ganz oder teilweise aufgehoben. Alle diese Länder schliessen auch nach der unilateralen Aufhebung ihrer Industriezölle noch erfolgreich neue FHA ab. In allen Fällen wurde die Massnahme bis heute auch nicht rückgängig gemacht, was darauf hindeutet, dass die positiven Effekte der Massnahme überwiegen und Zolleinnahmen für entwickelte Volkswirtschaften eine vernachlässigbare Rolle spielen.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die Vorlage besteht aus zwei Teilen: Kern der Vorlage ist die Aufhebung sämtlicher Zölle auf Industrieprodukten. Gleichzeitig soll die Zolltarifstruktur für Industrieprodukte vereinfacht werden.

4.1.1

Aufhebung der Industriezölle

Die Vorlage sieht vor, sämtliche Einfuhrzölle auf Industrieprodukten aufzuheben.

Dies bedeutet, dass die Schweiz den angewandten Zollansatz für alle Industrieprodukte mittels einer Anpassung der massgeblichen Zollansätze des Generaltarifs in Anhang 1 ZTG auf einen Stichtag hin auf null senkt. Die existierenden internationalen Verträge (WTO, FHA) bleiben unverändert. Obschon die Wiedereinführung der Zölle durch das Parlament im Rahmen der in den WTO-Verträgen gebundenen Maximalzollansätze theoretisch jederzeit wieder möglich wäre, beabsichtigt der Bundesrat mit dieser Vorlage, die Industriezölle definitiv abzuschaffen. Die heutige Bemessungsgrundlage der Zölle nach dem Gewicht der Ware (bzw. in einzelnen 8488

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Fällen nach anderen spezifischen Kriterien wie Stückzahl, Länge oder Volumen) wird durch die Aufhebung der Industriezölle nicht geändert. Ebenfalls unverändert bleiben die Zölle auf Agrarprodukten. Die Verpflichtung nach Artikel 7 des Zollgesetzes vom 18. März 200515, wonach Waren, die ins Zollgebiet verbracht werden, zollpflichtig sind und nach dem Zollgesetz und dem Zolltarifgesetz veranlagt werden müssen, bleibt weiterhin bestehen. Hingegen kommt es aufgrund der Aufhebung der Industriezölle zu einer administrativen Entlastung für Unternehmen, da für die zollfreie Einfuhr künftig in vielen Fällen kein präferenzieller Ursprungsnachweis mehr notwendig ist (vgl. Ziff. 6.3.2).

Als Industrieprodukte gelten in der Schweiz alle Güter mit Ausnahme der Agrarprodukte (inkl. Futtermittel) und der Fischereierzeugnisse. Zu den Industrieprodukten gehören sowohl Vorleistungen für Produktionsprozesse von Unternehmen (Investitionsgüter, Rohstoffe, Halbfabrikate) als auch Konsumgüter wie Fahrräder, Autos, Haushaltsgeräte, Kleider oder Schuhe. Die Aufhebung der Industriezölle umfasst somit alle Waren der Kapitel 25­97 des Zolltarifs, mit Ausnahme einiger Produkte, die als Agrarprodukte klassifiziert sind. Dies sind im Kapitel 35 Kaseine (Tarifnummern 3501.1010, 3501.1090, 3501.9011, 3501.9019, 3501.9091, 3501.9099), Albumine (Tarifnummern 3502.1110, 3502.1190, 3502.1910, 3502.1990), Dextrine (Tarifnummern 3505.1010, 3505.1090, 3505.2010) und Klebstoffe (3506.9910). Im Kapitel 38 sind Stärke und Stärkederivate (Tarifnummer 3809.1010), technische einbasische Fettsäuren, saure Öle aus der Raffination und technische Fettalkohole (Tarifnummern 3823.1110, 3823.1210, 3823.1910) und Bindemittel sowie gewisse chemische Erzeugnisse und Zubereitungen (3824.1010, 3824.9991, 3825.9010) in der Schweiz als Agrarprodukte definiert.

Industriezölle waren historisch gesehen ein Instrument der Fiskalpolitik, übernahmen jedoch später die primäre Funktion, die einheimische Industrie gegenüber ausländischer Konkurrenz zu schützen (vgl. den nachfolgenden Exkurs «Textilindustrie ­ Wenn der Zollschutz zur Behinderung wird»). Der protektionistische Aspekt spielt heute im Industriebereich keine Rolle mehr. Für viele Produkte, z. B.

pharmazeutische Produkte und Güter der Informationstechnologie, sind die Zölle aufgrund von sektoriellen
Vereinbarungen im Rahmen der WTO ohnehin bereits aufgehoben. Branchen, für deren Produkte noch Importzölle erhoben werden, lehnen diese heute ab, da sie den Import von Vorleistungen unnötig verteuern und die meist hochspezialisierten und international wettbewerbsfähigen Industrien auf dem Inlandmarkt keinen Grenzschutz mehr benötigen.

15

SR 631.0

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Exkurs: Textilindustrie ­ Wenn der Zollschutz zur Behinderung wird Die heute vergleichsweise hohen Zölle auf Textilien und Bekleidung sind ein Relikt aus einer Zeit, in der die Schweiz ihre Textil- und Bekleidungsindustrie gegenüber ausländischen Importen schützte. Damals produzierten die Schweizer Unternehmen vor allem einfache Stoffe aus Baumwolle, Leinen, Wolle und Seide, die in direkter Konkurrenz zur Produktion anderer europäischer Staaten standen. Die Einführung flexibler Wechselkurse Anfang der 1970er-Jahre und die dadurch ausgelöste Frankenaufwertung führten zu einer Abwanderung der Produktion von Massenware in Niedriglohnländer. Nach 1990 akzentuierte sich der Strukturwandel durch die deutlich niedrigeren Produktionskosten in den aufstrebenden asiatischen Ländern zusätzlich. Diese beiden Phasen des Strukturwandels zwangen die Unternehmen in der Schweiz dazu, innovativ zu werden und sich auf Nischen zu konzentrieren. Heute produzieren Schweizer Textil- und Bekleidungsunternehmen Spezialitäten im hochtechnischen und modischen Bereich. Die Produkte sind international konkurrenzfähig, werden mehrheitlich exportiert und benötigen auf dem Inlandmarkt keinen Grenzschutz mehr. Die Importzölle sind in der Zwischenzeit für die Industrie sogar zu einem Hindernis geworden, da sie die Beschaffungs- und damit auch die Produktionskosten entweder direkt oder indirekt, durch den administrativen Aufwand der Nutzung von FHA, unnötig verteuern.

Neben den Zolleinsparungen (2018: 541 Mio. Fr.) führt die Aufhebung der Industriezölle zu einer Reduktion des administrativen Aufwands bei Unternehmen, dies insbesondere durch den wegfallenden Aufwand (z. B. Beibringung von Ursprungsnachweisen), der sich heute aus der Nutzung von FHA oder Spezialverfahren wie Veredelungsverkehr und Zollbegünstigungen ergibt. Mit der Vereinfachung der Zolltarifstruktur ergeben sich auch Erleichterungen bei der Tarifeinreihung. Gemäss einer Schätzung basierend auf Unternehmensbefragungen fallen damit 20 Prozent des Aufwands im Zusammenhang mit der Zollabwicklung weg.

Die Zolleinnahmen auf Industrieprodukten betrugen in den vergangenen Jahren 487,1 Millionen Franken (2016), 507,9 Millionen Franken (2017) bzw. 541 Millionen Franken (2018). Durch die Aufhebung der Industriezölle resultieren für den Bund Mindereinnahmen in dieser
Grössenordnung. Damit sinken die gesamten Zolleinnahmen des Bundes (2016: 1189 Mio. Fr.; 2017: 1217 Mio. Fr.; 2018: 1203 Mio. Fr.) um ca. 40­45 Prozent, da künftig nur noch auf Agrarprodukten Zölle erhoben werden. Die wegfallenden Zolleinnahmen auf Industrieprodukten machen rund 0,7 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen aus.

Hinzu kommen Mindereinnahmen für den Bund durch wegfallende Mehrwertsteuerund Automobilsteuereinnahmen in der Höhe von 21,5 Millionen Franken (Zahlen für 2018).

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Die Entlastung der Unternehmen führt jedoch zu zusätzlich generierter Wirtschaftsaktivität, aus der wiederum erhöhte Steuereinnahmen resultieren. Die Schätzung für den aggregierten Staatshaushalt zeigt, dass mittelfristig etwa 30 Prozent der wegfallenden Zolleinnahmen kompensiert werden.16

4.1.2

Vereinfachung der Zolltarifstruktur

Der Zolltarif der Schweiz beinhaltet in den Kapiteln 25­97 (Industrieprodukte) insgesamt 6172 individuelle, achtstellige Tarifnummern (Tariflinien). Dabei sind die ersten sechs Stellen basierend auf dem Harmonisierten System (HS) der Weltzollorganisation (WZO) international einheitlich. Die letzten beiden Stellen legt die Schweiz selbst fest. Somit kann der Zolltarif nationalen Bedürfnissen entsprechend ausgestaltet werden.

Die heutige Zolltarifstruktur ist historisch gewachsen und enthält viele Unterteilungen auf nationaler, achtstelliger Stufe. Die achtstelligen Unterteilungen ermöglichen es, je nach spezifischer Eigenschaft des Produkts, angepasste Zölle zu erheben. So werden in einigen Fällen unterschiedliche Zollansätze je nach Stückgewicht des Produkts erhoben. Ebenso gibt es Unterteilungen auf achtstelliger Stufe z. B. je nach Verwendungszweck, Dimension, Bearbeitung oder Veredelung. Mit der Aufhebung aller Industriezölle verlieren diese unterschiedlichen, achtstelligen Tarifnummern in den meisten Fällen ihren ursprünglichen Bestimmungszweck. Entsprechend werden mit dieser Vorlage die meisten achtstelligen Tarifnummern aufgehoben.

Praxisbeispiel: Vereinfachung der Zolltarifnummern für Sägemaschinen Zur Erhebung unterschiedlicher Zollansätze existieren heute für Sägemaschinen für Holz drei verschiedene Zolltarifnummern. Unter der Zolltarifnummer 8465.9140 müssen Maschinen mit einem Stückgewicht von mehr als 10 000 kg verzollt werden. Für Maschinen mit einem Stückgewicht zwischen 1000 und 10 000 kg muss die Zolltarifnummer 8465.9150 verwendet werden. Für Maschinen, die weniger als 1000 kg wiegen, kommt hingegen die Zolltarifnummer 8465.9160 zur Anwendung. Für alle drei Zolltarifnummern existieren heute unterschiedliche Zollansätze. Mit der Aufhebung der Industriezölle wird diese Aufteilung des Zolltarifs nach Gewicht der Maschinen hinfällig. Mit der vorgeschlagenen Vereinfachung der Zolltarifstruktur wird für Sägemaschinen eine neue Zolltarifnummer (8465.9100) geschaffen, und die drei alten, nach Gewicht aufgeteilten Tarifnummern werden abgeschafft. Für Unternehmen vereinfacht sich dadurch die Ermittlung der korrekten Zolltarifnummer.

Das Ermitteln der korrekten Tarifnummer ist aufgrund der Komplexität der Tarifeinreihung von Produkten für die Importeure in der Praxis aufwendig. Gerade für
KMU, die über wenig Zollfachwissen verfügen, ist die Tarifeinreihung teilweise sehr anspruchsvoll, was dazu führen kann, dass die Zollgeschäfte an Externe ausgelagert werden müssen. Mit der Aufhebung der Industriezölle und der dafür notwen16

Müller u. a. (2017).

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digen Anpassung des Generaltarifs in Anhang 1 ZTG wird es möglich, die Zolltarifstruktur zu vereinfachen.

Die vorgesehene Vereinfachung der Zolltarifstruktur senkt die Anzahl der Tarifnummern im Industriebereich von heute 6172 auf 4592. Die Vereinfachung der Zolltarifstruktur betrifft nur Industrieprodukte. Die Zolltarifstruktur im Agrarbereich bleibt unverändert.

Die Vereinfachung der Zolltarifstruktur wird mit einer Anpassung des Generaltarifs in Anhang 1 ZTG umgesetzt. Alle fünf Jahre wird das HS international durch die WZO angepasst. Die nächste Anpassung des HS wird auf den 1. Januar 2022 vorgenommen. Jede Anpassung des Zolltarifs aufgrund einer solchen HS-Revision ist für die eidgenössische Zollverwaltung (EZV) und die Wirtschaftsbeteiligten mit einem Umstellungsaufwand verbunden. Durch eine zeitliche Koordination der Vereinfachung der Zolltarifstruktur und der HS-Revision entstehen für die EZV und die Wirtschaftsbeteiligten Synergien, und der Umstellungsaufwand kann so verringert werden.

Die EZV ist zurzeit daran, im Rahmen des Transformationsprogramms DaziT die Zollprozesse neu zu konzipieren und zu digitalisieren. Durch diese Arbeiten wird es für die Unternehmen auch zu einem Umstellungsaufwand kommen. Das DaziTTeilprojekt «Stammdaten» soll wie die Vereinfachung der Zolltarifstruktur auf den 1. Januar 2022 zum Abschluss gebracht werden. Durch diese zeitliche Abstimmung entstehen für die EZV und die Wirtschaftsbeteiligten ebenfalls Synergien.

Da für die bisherigen Tariflinien in den meisten Fällen unterschiedliche Zollansätze gelten, wäre eine Vereinfachung der Zolltarifstruktur ohne eine gleichzeitige Aufhebung der Industriezölle äusserst aufwendig. Die Zölle für die zusammengeführten Tariflinien müssten jeweils neu festgelegt und allenfalls in der WTO verhandelt werden. Eine Loslösung der Vereinfachung der Zolltarifstruktur von der Aufhebung der Industriezölle ist deshalb schwer umsetzbar.

5

Erläuterungen zur Änderung von Anhang 1 des Zolltarifgesetzes

Im Generaltarif (Anhänge 1 und 2 ZTG) wird Anhang 1 (Schweizerischer Zolltarif) geändert. Anhang 1 ZTG umfasst heute den Teil 1a (Einfuhrtarif), den Teil 1b (Anhänge zum Abkommen über den Handel mit pharmazeutischen Produkte, für die Zollfreiheit gilt) sowie den Teil 2 (Ausfuhrtarif).

Anhang 1 Teil 1 Gemäss Artikel 1 Absatz 1 ZTG müssen alle Waren, die ins Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet verbracht werden, nach dem Generaltarif in den Anhängen 1 und 2 veranlagt, also verzollt werden. Grundsätzlich ist demnach Anhang 1 ZTG für die Veranlagung anzuwenden. Die Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten wird mittels einer Anpassung von Anhang 1 Teil 1a ZTG (neu: Anhang 1 Teil 1 ZTG) vorgenommen: Die Zollansätze für Industrieprodukte werden dort im Generaltarif auf null gesetzt.

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Das ZTG sieht vor, dass sich Abweichungen von den Zollansätzen in Anhang 1 aus Staatsverträgen (FHA), aus besonderen Bestimmungen von Gesetzen sowie aus gestützt auf das ZTG erlassenen Verordnungen ergeben können. Solche Abweichungen werden von der EZV in einer anwenderfreundlichen Zusammenstellung, die zur unmittelbaren Anwendung bei der Zollveranlagung bestimmt ist, abgebildet: dem sogenannten Tares17; die Zollansätze einschliesslich der Abweichungen bilden den sogenannten Gebrauchstarif. Die Herabsetzung eines Zollansatzes im Generaltarif mit dieser Vorlage bedeutet daher nur dort eine Reduktion der effektiven Einfuhrbelastung, wo der Zollansatz im Gebrauchstarif nicht bereits auf null gesetzt ist.

Daher erfolgt etwa bei textilen Vor- und Zwischenmaterialien keine Senkung der Belastung, weil der Bundesrat in diesem Bereich verschiedene Zölle bereits vorübergehend auf null gesenkt hat (vgl. Ziff. 2.1).18 In diesem Fall bewirkt die Aufhebung der Industriezölle, dass die bisherigen Zollansätze nach Ablauf der vorübergehenden Änderung nicht wieder die bisherige Höhe erlangen werden. Auch im Bereich der Treibstoffzölle bewirkt die Senkung der Zollansätze im Generaltarif keine Minderbelastung der Einfuhren. Im Zusammenhang mit der Einführung des Mineralölsteuergesetzes vom 21. Juni 199619 wurden die Treibstoffzölle im Gebrauchstarif bereits auf null gesetzt.

Die Vereinfachung der Zolltarifstruktur wird ebenfalls mit der Änderung des Generaltarifs in Anhang 1 Teil 1a (neu: Anhang 1 Teil 1) umgesetzt. Die Vereinfachung sieht vor, achtstellige nationale Tarifnummern auf die international harmonisierten sechs Stellen zu reduzieren und die letzten beiden Stellen durch zwei Nullen zu ersetzen. Die von der Vereinfachung betroffenen Tariflinien werden aus dem Generaltarif entfernt. Nicht entfernt werden diejenigen achtstelligen Tarifnummern, welche aufgrund von Gesetzen oder Verordnungen weiterhin benötigt werden. Dies betrifft u. a. Tarifnummern, welche für die Erhebung der Mineralöl- oder Automobilsteuer sowie zu Zwecken der Kontrolle von Kriegsmaterialexporten und der Durchführung von Sanktionen notwendig sind. Künftig könnten internationale Abkommen oder neue Bundesgesetze neue Unterscheidungen notwendig machen.

Einmal aufgehobene schweizerische Tarifnummern werden nicht als statistische Sonderausscheidungen
(statistische Schlüssel) weitergeführt.

Zur Nachverfolgbarkeit der Änderungen werden die von der Vereinfachung des Zolltarifs betroffenen Zolltariflinien auf der Website des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) in einer Excel-Tabelle publiziert.20 Daraus werden auf den 1. Januar 2022 aufgehobene und aufgrund der Vereinfachung neu geschaffene, vereinfachte Tarifnummern ersichtlich sein. Dabei wird basierend auf der heutigen Zolltarifstruktur (Stichtag: 1. Jan. 2019) aufgezeigt, welche Tarifnummern aufgehoben und welche zusammengefasst werden.

Anhang 1 Teil 1b ZTG, welcher die «Anhänge zum Abkommen über den Handel mit pharmazeutischen Produkte, für die Zollfreiheit gilt» enthält, wird aufgehoben.

Dieser Teil verliert mit der Aufhebung der Industriezölle seine Bedeutung, da die 17 18 19 20

www.tares.ch SR 632.102.1 SR 641.61, vgl. Botschaft vom 5. April 1995, BBl 1995 III 137.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft > Internationaler Warenverkehr > Tarifpolitik > Aufhebung Industriezölle > Weitere Informationen > Vereinfachung des Zolltarifs.

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Zollfreiheit für die entsprechenden Produkte aus dem neuen Anhang 1 Teil 1 hervorgeht.

Anhang 1 Teil 2 Der Ausfuhrtarif in Anhang 1 Teil 2 ZTG wird angepasst, um die Vereinfachung der Zolltarifstruktur in diesem abzubilden. Dieser Anhang soll weiterbestehen, obwohl zurzeit die Ausfuhrzollansätze auf null festgelegt sind.

Anhang 2 ZTG wird mit dieser Vorlage nicht materiell geändert. Die vorgesehene Änderung ist rein formeller Natur und betrifft lediglich die Verankerung des zweiten Anhangs im Gesetz.

Inkrafttreten Das Inkrafttreten der vorliegenden Änderung des ZTG soll durch den Bundesrat beschlossen werden, weil die Änderung mit verschiedenen Umsetzungsarbeiten koordiniert werden muss. Angestrebt wird eine Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2022. Dabei handelt es sich aufgrund der notwendigen verwaltungsinternen und parlamentarischen Prozesse um den frühestmöglichen Zeitpunkt. Zudem sollen durch die zeitliche Koordination mit anderen notwendigen Revisionen die Umstellungskosten minimiert werden. Die Aufhebung der Industriezölle sowie die Vereinfachung der Zolltarifstruktur sollen mit der Revision des HS und der Anwendung der neuen DaziT-Stammdaten in Kraft treten. Würde die vorliegende Änderung des ZTG später und nicht zeitgleich mit einer Revision des HS erfolgen, wäre der Umstellungsaufwand für Unternehmen höher, da keine Synergien genutzt werden könnten. Für die Implementierung der Änderung des ZTG wird eine Vorlaufzeit von mindestens einem Jahr benötigt (Verschmelzung mit der HS-Revision, Verordnungsänderungen, Implementierung in Datenbanken, Bereitstellen von Informationen zu Änderungen, Vorbereitungsarbeiten in Unternehmen).

Die vorgeschlagenen Änderungen von Anhang 1 ZTG zur Aufhebung der Industriezölle und die Vereinfachung der Zolltarifstruktur schaffen keinen Anpassungsbedarf bei anderen Gesetzen.

Publikation der Anhänge mittels Verweis Die Publikation der Anhänge 1 und 2 ZTG wird wie bisher gehandhabt. Die Anhänge werden gestützt auf die Artikel 5 Absatz 1 und 13 Absatz 3 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 200421 im Bundesblatt sowie in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts (AS) mittels Verweis, d. h. nur mit Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle, publiziert. Der Inhalt der Anhänge kann in der jeweils in Kraft stehenden Version auf der Webseite der EZV22 eingesehen werden.

21 22

SR 170.512 www.ezv.admin.ch > Dokumentation > Rechtsgrundlagen > Abgabenerhebung > Rechtliche Grundlagen zum Zolltarif.

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Analog wird gestützt auf die selben Artikel des Publikationsgesetzes auch die vorgeschlagene Änderung von Anhang 1 ZTG im Rahmen der vorliegenden Botschaft nicht im Bundesblatt publiziert. Die Änderungen sind auf der Webseite des SECO abrufbar.23 Die bereits erwähnte Revision des HS, welche ebenfalls auf den 1. Januar 2022 in Kraft tritt, wird vom Bundesrat voraussichtlich im Sommer 2021 verabschiedet. Die HS-Revision wird technische Anpassungen von Anhang 1 ZTG zum Inhalt haben (neue, aufgehobene oder geänderte sechsstellige Tarifnummern). Die EZV wird eine mit der Revision des HS abgestimmte, konsolidierte Fassung des Generaltarifs vorbereiten und den Wirtschaftsbeteiligten spätestens im Sommer 2021 zusammen mit anderen Hilfsdokumenten (z. B. Konkordanzlisten alt-neu) zur Verfügung stellen.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Durch die Aufhebung der Industriezölle resultieren Mindereinnahmen in der Grössenordnung von 541 Millionen Franken (basierend auf den Zolleinnahmen 2018).

Die wegfallenden Zolleinnahmen auf Industrieprodukten machen rund 0,7 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen aus.

Für die Mehrwert- und die Automobilsteuer werden neben dem Warenwert auch Nebenkosten, darunter bezahlte Zölle, zur Ermittlung des Marktpreises einer Ware hinzugezogen. Entsprechend kommen zu den wegfallenden Zolleinnahmen weitere wegfallende Steuern dazu. Im Falle der Mehrwertsteuer kommt es aber nur bei Gütern, die in der Schweiz verbleiben, zu Ausfällen. Bei importierten Vorleistungen, die in der Schweiz verarbeitet und danach wieder exportiert werden, resultiert kein Einnahmeausfall für den Bund, da der Warenexport von der Mehrwertsteuer befreit ist und die allenfalls auf den Vorleistungen lastende Einfuhrsteuer vom mehrwertsteuerpflichtigen Erbringer der Exportleistung als Vorsteuer wieder in Abzug gebracht werden kann. Da nur bei Gütern, die in der Schweiz konsumiert werden beziehungsweise hier verbleiben, aufgrund der Aufhebung der Industriezölle eine Minderung der Mehrwertsteuereinnahmen resultiert, ist eine Schätzung der hierdurch verursachten Einnahmeausfälle schwierig. Basierend auf dem Mehrwertsteuersatz von 7,7 Prozent, wegfallenden Zolleinnahmen von ca. 541 Millionen Franken (2018) und der Annahme, dass ungefähr die Hälfte der Einfuhren die Schweiz in verarbeiteter Form wieder verlässt24, kann von einem jährlichen Einnahmeausfall 23

24

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft > Internationaler Warenverkehr > Tarifpolitik > Aufhebung Industriezölle > Weitere Informationen > vorgeschlagene Änderung Anhang 1 ZTG.

Der Anteil der Importe, welche die Schweiz in verarbeiteter Form wieder verlässt, wird statistisch nicht erfasst. Die Annahme eines Reexportanteils von 50 % basiert auf der starken Verflechtung der stark spezialisierten Schweizer Industrie in internationale Wertschöpfungsketten und des dadurch bedingt hohen Anteils an Drittlandmaterialien in Schweizer Exportprodukten.

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bei der Mehrwertsteuer von ca. 21 Millionen Franken ausgegangen werden. Bei der Automobilsteuer werden die Einnahmeausfälle aufgrund der tieferen Bemessungsgrundlage auf ca. 0,5 Millionen Franken geschätzt. Durch die Aufhebung der Industriezölle ist deshalb auf der Basis des Jahres 2018 gesamthaft (Zolleinnahmen, Mehrwert- und Automobilsteuer) von Einnahmeausfällen in der Grössenordnung von 563 Millionen Franken auszugehen. In den in Ziffer 6.3.3 erwähnten Modellschätzungen bzw. volkswirtschaftlichen Auswirkungen wurden die Änderungen der Mehrwert- und Automobilsteuer nicht berücksichtigt.

Für den Bundeshaushalt sind die Zolleinnahmen auf Industrieprodukten mit einem Anteil von ca. 0,7 Prozent eher gering, aber nicht vernachlässigbar. Allerdings ist im Rahmen der Verabschiedung neuer FHA der Verzicht auf Industriezölle und auf die damit verbundenen Zolleinnahmen politisch jeweils unbestritten. Es ist stete Praxis, dass sich die Schweiz in ihren FHA im Gegenzug zu einem vollständigen oder mindestens weitgehenden Zollabbau seitens des Vertragspartners verpflichtet, alle Einfuhrzölle für Industrieprodukte mit Ursprung im jeweiligen Partnerland auf null zu setzen. Die FHA ermöglichen es, Industrieprodukte zollfrei zu importieren. Um die FHA nutzen zu können, müssen die Importeure nachweisen, dass ihre Produkte präferenziellen Ursprung haben (vgl. Ziff. 6.3.2). Unternehmen entscheiden sich aufgrund des mit der präferenziellen Einfuhr verbundenen administrativen Aufwands in gewissen Fällen dazu, auf die Präferenzbehandlung zu verzichten und die Zölle bei der Einfuhr zu bezahlen. Diese Tatsache spiegelt sich auch in der Aussenhandelsstatistik wider: 2018 machten Zolleinnahmen auf Einfuhren von Industrieprodukten aus Ländern, mit denen die Schweiz bereits ein FHA abgeschlossen hat, 401 Millionen Franken aus. Dies entspricht knapp 75 Prozent aller Zolleinnahmen auf Industrieprodukten. Die Hälfte davon kommt aus der EU. Der Rest stammt zu einem Grossteil aus China. Bei diesen Importen können entweder die präferenziellen Ursprungsregeln nicht erfüllt werden, oder die Kosten der zur Nutzung des FHA notwendigen Ursprungsnachweise sind höher als die erwarteten Einsparungen für die Unternehmen.

Branchen, für deren Produkte noch Importzölle erhoben werden, lehnen diese heute ab, da sie den Import von Vorleistungen
unnötig verteuern. Eine Modellsimulation einer unilateralen Aufhebung der Industriezölle zeigt, dass die zusätzlich generierte Wirtschaftsaktivität zu höheren Steuereinnahmen führt.25 Die Schätzung für den aggregierten Staatshaushalt zeigt, dass so mittelfristig etwa 30 Prozent der wegfallenden Zolleinnahmen kompensiert werden. Eine Unterscheidung der verschiedenen Staatsebenen wurde in der Modellierung nicht gemacht. Eine grobe Schätzung zeigt aber, dass etwas mehr als die Hälfte der Mehreinnahmen auf den Bund entfallen dürfte und etwas weniger als die Hälfte auf die Kantone und Gemeinden.

Die EZV kann durch die Massnahme ihren Aufwand bei Präferenzabfertigungen und den Spezialverfahren senken, da die Importeure vermehrt auf die Normalverzollung ausweichen und somit der Aufwand für Auskunftserteilung, Bewilligungen, Kontrollen und Nachprüfungsverfahren im Zusammenhang mit Ursprungsnachweisen abnimmt. Das Einsparungspotenzial lässt sich zurzeit nicht genau beziffern. Die EZV wird dieses Einsparungspotenzial im Rahmen des Transformationsprogramms 25

Müller u. a. (2017).

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DaziT gesamtheitlich prüfen und ausweisen. Die gesamthaft erzielten Einsparungen sollen ­ wie dies auch in der Botschaft vom 15. Februar 201726 zur Finanzierung der Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung (Programm DaziT) festgehalten wird ­ grundsätzlich zur Aufrechterhaltung und Verstärkung der Sicherheit an der Grenze eingesetzt werden. Der Rest der freigewordenen Ressourcen soll ab 2023 abgebaut werden. Durch die Vereinfachung der Zolltarifstruktur wird für die EZV ein einmaliger Mehraufwand fällig, um die Anpassungen an der Zolltarifstruktur in den internen Systemen umzusetzen. Wenn die Vereinfachung der Zolltarifstruktur wie vorgeschlagen gemeinsam mit einer aufgrund einer Revision des HS ohnehin notwendigen Anpassung des Zolltarifs durchgeführt wird, reduziert sich dieser Mehraufwand stark. Die WTO-Verpflichtungsliste der Schweiz (Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein) muss wegen der Vereinfachung nicht angepasst werden. Die Detaillierung der Aussenhandelsstatistik wird durch die Vereinfachung abnehmen, da die Daten auf der Basis der vereinfachten Tarifstruktur etwas weniger aussagekräftig sind.

6.1.2

Personelle Auswirkungen

Beide Elemente der Vorlage, sowohl die Aufhebung der Industriezölle als auch die Vereinfachung der Zolltarifstruktur, können mit den bestehenden personellen Kapazitäten umgesetzt werden. Inwiefern die unter Ziffer 6.1.1 erwähnten finanziellen Einsparungen der EZV auch personelle Auswirkungen haben, wird wie erwähnt im Rahmen des Transformationsprogramms DaziT gesamtheitlich geprüft und ausgewiesen. Es kann mit geringfügigen Stelleneinsparungen gerechnet werden.

6.1.3

Auswirkungen auf die Verhandlung künftiger Handelsabkommen

Industriezölle stellen einen Teil der Verhandlungsmasse bei der Verhandlung von FHA dar. Ihr Gewicht innerhalb des Portfolios an möglichen Konzessionen hat im Laufe der Zeit insgesamt kontinuierlich abgenommen. Die jüngsten Verhandlungen der Schweiz zeigen, dass Industriezölle heute bei den meisten Ländern keine entscheidende Verhandlungsmasse mehr darstellen. Vielmehr sind im Fall neuer FHA andere Faktoren, z.B. Agrarzölle, Dienstleistungen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse, geistiges Eigentum oder Investitionen für zukünftige Verhandlungspartner von Interesse. Da die Schweiz sich bei der Verhandlung ihrer FHA bisher stets dazu verpflichtet hat, die Einführzölle für alle Industrieprodukte ohne Übergangsfristen präferenziell auf null zu setzen, betrifft der Wegfall der Verhandlungsmasse ausschliesslich die Verhandlung neuer FHA, nicht aber die Modernisierung bestehender Abkommen.

26

BBI 2017 1719

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Die Schweiz gewährt im Rahmen des Allgemeinen Präferenzensystems zugunsten von Entwicklungsländern (APS) bereits heute ­ mit Ausnahme des Textilbereichs ­ für sämtliche Industrieprodukte mit Ursprung in den Entwicklungsländern zollfreien Marktzugang. Viele der aktuellen oder prospektiven Verhandlungspartner profitieren heute bereits von den APS-Konzessionen, was den Wert der Industriezölle als mögliche Verhandlungsmasse nochmals schmälert. Was die derzeit laufenden FHAVerhandlungen betrifft, so gewährt die Schweiz Indien, Malaysia und Vietnam bereits heute unilaterale Zollpräferenzen auf Industrieprodukten im Rahmen des APS. Auch den Mercosur-Staaten wurden vor den bilateralen Verhandlungen diese unilateralen Zollpräferenzen gewährt.

Die vorgeschlagene Aufhebung der Industriezölle ist eine unilaterale Zollsenkung.

Die Schweiz passt damit ihre bei der WTO gebundenen Höchstzölle für die betroffenen Produkte nicht an. Die Schweiz könnte Zölle auf Industrieprodukten für Nicht-Freihandelspartner bis zu den aufgrund der WTO-Verpflichtungen möglichen Höchstzöllen rechtmässig wiedereinführen, was der Bindung der Industriezölle in Verhandlungen für neue FHA weiterhin eine gewisse Relevanz als Verhandlungsmasse garantiert. Es gibt aber dennoch Verhandlungspartner ­ insbesondere solche mit hohen Zöllen auf Industrieprodukten ­ welche argumentieren, dass die bereits sehr tiefen Industriezölle der Schweiz dazu führen, dass die Vorteile eines FHA für die Schweiz grösser sind, als für das andere Land. Fallen die Zölle ganz weg, kann sich dieser Eindruck bei prospektiven Verhandlungspartnern im Falle von Verhandlungen neuer FHA noch verstärken und vermehrt Druck auf andere Verhandlungsbereiche entstehen. Allerdings schätzt eine Studie des World Trade Institute, dass die Industriezölle beim Grossteil der wichtigen, prospektiven Verhandlungspartnern nicht mehr im Zentrum des Interesses liegen (2018 erfolgten 89 % der Importe von Industrieprodukten aus Ländern, mit denen die Schweiz ein FHA abgeschlossen hat).27 Gemäss der Studie würde die grösste Herausforderung bei denjenigen aktuellen oder zukünftigen Verhandlungspartnern entstehen, deren Priorität in erster Linie auf Textilprodukten liegt. Für den erfolgreichen Abschluss neuer FHA dürften vor allem die Bereitschaft der Schweiz, ihren Grenzschutz im Agrarbereich
zu lockern, entscheidend sein. Die Forderungen von Verhandlungspartnern im Agrarbereich sind dabei primär von ihren effektiven offensiven Interessen abhängig. Damit sind sie unabhängig von der Aufhebung der Industriezölle. Insgesamt beurteilt der Bundesrat den Verlust an Verhandlungsmasse aufgrund der autonomen Aufhebung der Industriezölle als von geringer Bedeutung und unter Anbetracht der positiven volkswirtschaftlichen Effekte der Massnahme als verkraftbar.

Wie unter Ziffer 3 erwähnt, zeigen die Beispiele anderer Länder wie Hong Kong, Kanada Neuseeland, Norwegen oder Singapur, dass sich auch nach einer unilateralen Aufhebung von Industriezöllen erfolgreich neue FHA abschliessen lassen.

27

Berden u. a. (2017).

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Exkurs: Industriezölle waren für FHA mit Indonesien nicht entscheidend Das Beispiel der Verhandlungen des im Dezember 2018 unterzeichneten FHA zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien zeigt, dass Industriezölle in den Verhandlungen mit Indonesien keine entscheidende Rolle mehr spielten. Indonesien kommt als Entwicklungsland im Rahmen des APS bereits heute in den Genuss eines zollfreien Marktzugangs für sämtliche Industrieprodukte mit der Ausnahme einiger Textilprodukte, für welche die Zölle im APS nicht vollständig eliminiert, sondern nur reduziert werden. Für Indonesien standen deshalb in den Verhandlungen nicht die Industriezölle im Vordergrund, sondern eine Reduktion der Agrarzölle in ausgewählten Bereichen (v.a. beim Palmöl), eine Positionierung des Landes als attraktiven Standort für Investitionen aus den EFTA-Staaten und die Stärkung seiner personellen und institutionellen Fähigkeiten dank Massnahmen zur Zusammenarbeit und zum Kapazitätsaufbau. Entscheidend für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen war letztlich die Tatsache, dass die Schweiz bereit war für Palmöl ­ das wichtigste Exportprodukt Indonesiens ­ präferenziellen Marktzugang im Rahmen von bilateralen Zollkontingenten zu gewähren.

Die Aufhebung der Industriezölle führt für Freihandelspartner und APS-Länder (welche aktuell aus entwicklungspolitischen Überlegungen von einem präferenziellen Marktzugang profitieren), zu einer Präferenzerosion gegenüber Drittstaaten, welche bisher keinen zollfreien Marktzugang für Industrieprodukte hatten. Allerdings resultiert die Massnahme auch bei Freihandelspartnern und APS-Begünstigten in einer administrativen Entlastung der exportierenden Unternehmen, weil weniger Ursprungsnachweise für die Ausfuhren in die Schweiz ausgestellt werden müssen und sich die administrativen Prozesse entsprechend vereinfachen (vgl. Ziff. 6.3.2).

Für Länder, die heute unter dem APS für gewisse Textilien nur von einer Zollreduktion anstelle von einem Nullzoll profitieren, verbessert die Aufhebung der Industriezölle ihren Marktzugang.

Im aktuellen, angespannten handelspolitischen Umfeld setzt die Aufhebung der Industriezölle ein Zeichen für eine liberale Welthandelsordnung. Die Aufhebung der Industriezölle schränkt die Schweiz aber nicht darin ein, in Zukunft bei Bedarf handelspolitische Schutzmassnahmen zu
ergreifen. Diese wären ­ im Rahmen der einschlägigen Bestimmungen des WTO-Rechts und der FHA ­ basierend auf Artikel 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198228 über aussenwirtschaftliche Massnahmen auch künftig möglich.

28

SR 946.201

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Erhebung von Zöllen ist Aufgabe des Bundes, die Kantone sind nicht in den Vollzug involviert. Die Vorlage hat somit keine direkten Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen oder Berggebiete. Durch die positiven Auswirkungen für die Wirtschaft ist allerdings davon auszugehen, dass Kantone und Gemeinden aufgrund einer höheren Wirtschaftsleistung ihrer Unternehmen von höheren Steuereinnahmen profitieren werden.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.3.1

Einsparungen aufgrund wegfallender Zölle

Die Aufhebung der Industriezölle resultiert in Zolleinsparungen für Unternehmen und Privatpersonen. Basierend auf den Zolleinnahmen von 2018 ist von Zolleinsparungen in der Höhe von rund 541 Millionen Franken auszugehen (vgl. Ziff. 6.1.1).

Die Zolleinsparungen verteilen sich nicht linear auf die gesamte Wirtschaft. Produkte, auf welche heute hohe Zölle erhoben werden, profitieren naturgemäss stärker von der Massnahme als Produkte, welche heute schon zu sehr tiefen Zöllen oder gar zollfrei importiert werden können.

Besonders stark von der Aufhebung der Industriezölle betroffen sind die Importeure von Bekleidung und Schuhen sowie die Textilindustrie, die heute beim Import ihrer Vormaterialien mit teilweise hohen Importzöllen belastet ist. Gerade für die vielen KMU in der Textilbranche stellen die wegfallenden Zollabgaben je nach produzierten Gütern teils beträchtliche Einsparungen dar. Basierend auf den Zolleinnahmen von 2018 (vgl. Tabelle 1) entfallen mehr als die Hälfte der wegfallenden Zölle auf Bekleidung, Schuhe und Textilien (294 Mio. Fr.).

Daneben werden 54 Millionen Franken Zollabgaben für Importe von Fahrzeugen (u.a. Personenwagen, Motorräder, Fahrräder) eingespart. 47 Millionen Franken an Zollabgaben werden bei Importen von Maschinen und elektronischen Geräten inklusive deren Teilen wegfallen. Rund 32 Millionen Franken Zollabgaben können auf Metallen und Waren daraus, also z.B. Stahlprodukten, eingespart werden. Auf Lederwaren und Kunststoffen werden 31 Millionen Franken und auf chemischen Produkten werden rund 26 Millionen Franken Zollabgaben entfallen.

Neben den wegfallenden Zollabgaben werden die Unternehmen bzw. Privathaushalte zusätzlich um die unter Ziffer 6.1.1 erwähnten Steuerabgaben der Mehrwert- und Automobilsteuer in der Höhe von 21,5 Millionen Franken entlastet.

Tabelle 1 zeigt die Zolleinnahmen aufgeschlüsselt nach verschiedenen Produktegruppen.

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Tabelle 1 Zolleinnahmen 2018, nach Warenart Warenart

Einfuhren 2018 (CHF)

Zollbetrag 2018 (CHF)

Alle Waren 273 389 368 727 1 202 969 673 nur Industrieprodukte 258 566 403 426 539 748 981 ­ Textilien, Bekleidung, Schuhe 11 662 023 778 294 018 630 ­ Fahrzeuge 19 299 255 400 53 515 715 ­ Maschinen, Apparate, Elektronik 32 079 280 687 47 104 725 ­ Metalle 15 906 460 993 32 668 221 ­ Leder, Kautschuk, Kunststoffe 7 240 448 523 31 097 547 ­ Verschiedene Waren, wie Musikinstrumente, 5 889 338 149 29 065 808 Wohnungseinrichtungen, Spielzeug, Sportgeräte usw.

­ Produkte der Chemisch-Pharmazeutischen 50 158 944 004 26 465 536 Industrie ­ Papier, Papierwaren und grafische Erzeugnisse 3 893 575 268 10 052 100 ­ Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie 28 400 382 863 8 644 948 ­ Steine und Erden 3 023 467 731 6 728 491 ­ Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine 68 916 119 494 347 662 ­ Energieträger 9 472 863 677 33 527 ­ Kunstgegenstände und Antiquitäten 2 624 242 859 6 071 Tabelle 2 zeigt ausgewählte Produktbeispiele mit den aktuellen Zollansätzen, welche durch die Aufhebung der Industriezölle wegfallen. Es handelt sich dabei um eine Auswahl an fertigen Konsumgütern, Zwischenprodukten und Investitionsgütern für den Industrie- oder Agrarbereich. Die Übersicht zeigt auf, dass eine breite Palette von Produkten und Sektoren von der Aufhebung der Industriezölle profitieren wird.

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Tabelle 2 Ausgewählte Beispiele für wegfallende Zollansätze je Produkt, in Gewichtszöllen Produkt

Klassifizierung

Zolltarifnummer

aktueller Zollansatz in CHF je 100 kg

Shampoo Lederschuhe Fahrrad Auto (Diesel) Teile für Pumpen Monofile aus Kunststoff rohes Aluminium Baumwollgewebe29 Schweissgeräte Webmaschine Maschinen zum Herstellen von Konfiseriewaren, Kakao oder Schokolade Selbstlade- und Selbstentladeanhänger, einschliesslich ­ sattelanhänger, für die Landwirtschaft

Konsumgüter Konsumgüter Konsumgüter Konsumgüter Zwischenprodukte Zwischenprodukte Zwischenprodukte Zwischenprodukte Investitionsgüter Investitionsgüter Investitionsgüter

3305.1000 6403.9993 8712.0000 8703.3260 8413.9130 3916.9000 7601.1000 5208.2300 8515.8041 8446.3000 8438.2020

65,00 206,00 12,00 (je Stück) 15,00 26,00 23,00 9,70 105,00 14,00 9,50 17,00

Investitionsgüter

8716.2000

12,00

Da die Schweiz Zölle basierend auf dem Gewicht der Ware erhebt, erlauben es die aufgeführten Zollsätze nicht, die effektive Höhe der Zölle proportional zum Warenwert zu bestimmen. Dafür müssen die bezahlten Zollabgaben je Tariflinie als Anteil der Einfuhren dieser Tariflinie in sogenannte ad-valorem Äquivalente umgerechnet werden. Dadurch lässt sich ungefähr sagen, wie hoch die Zollabgaben je Tariflinie in Prozent des Warenwerts sind. Tabelle 3 zeigt einige ausgewählte Beispiele von Produkten mit hohen ad-valorem Äquivalenten.

29

Für diese Tarifnummer sind die Zölle zurzeit aufgrund der Verordnung vom 1. Mai 2019 über die vorübergehende Aussetzung von Zollansätzen für textile Vor- und Zwischenmaterialien (SR 632.102.1) ausgesetzt.

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Tabelle 3 Ausgewählte Beispiele für Produkte mit hohen ad-valorem Äquivalenten Produkt

Zolltarifnummer

Zollansatz als advalorem Äquivalent, basierend auf den Einfuhren 2018

4810.3210

10,4 %

6204.2390

13,6 %

6304.1190 7202.9920 8706.0010 9405.9912

57,0 % 37,2 % 13,5 % 13,4 %

Papier, Kraftpapiere und -pappen, gebleicht, gestrichen, in Rollen Frauenkleider, Ensembles, bestickt oder in Verbindung mit Spitzen Bettüberwürfe, gewirkt oder gestrickt Ferroaluminium Chassis für Traktoren, mit Motor, ohne Karosserie Lampenschirme aus Spinnstoffen

6.3.2

Administrative Entlastung

Aufhebung der Industriezölle Neben den Zolleinsparungen führt die Aufhebung der Industriezölle zur Reduktion des administrativen Aufwands von Unternehmen. Schätzungen auf Basis von Unternehmensbefragungen zeigen, dass aufgrund der Massnahme etwa 20 Prozent des gesamten Aufwands in Zusammenhang mit der Zollabwicklung von Industrieprodukten wegfallen.30 Die Einfuhrveranlagung eines Produkts bedingt eine Reihe administrativer Prozesse, beispielsweise die Zollanmeldung, die Auswahl des geeigneten Zollverfahrens, das Einfuhrverfahren selbst, die Zahlung der Zollschuld sowie die Archivierung aller benötigten Papiere. Die Zollprozesse und die damit verbundenen administrativen Aufgaben bleiben auch mit der Aufhebung der Industriezölle grundsätzlich bestehen.

Die erwähnte Schätzung hat aber gezeigt, dass der administrative Aufwand zur Einfuhr deutlich höher ist, wenn Ursprungsnachweise notwendig sind bzw. wenn die Präferenzverzollung gemäss FHA oder APS genutzt wird.31 Um bei der Einfuhr die Präferenzzölle im Rahmen eines FHA oder des APS nutzen zu können, muss das Unternehmen nachweisen, dass das importierte Produkt wirklich im entsprechenden Partnerland hergestellt wurde. Die Regeln zur Bestimmung des sogenannten präferenziellen Ursprungs sind in jedem einzelnen FHA bzw. in der Verordnung über die Ursprungsregeln für Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer festgelegt.

Diese Ursprungsregeln definieren, welche Kriterien eine Ware erfüllen muss, damit sie präferenziellen Ursprung hat und somit von den festgelegten Zollpräferenz Gebrauch machen kann.

Die Ursprungsregeln sollen verhindern, dass Güter aus Drittstaaten über einen FHAPartner bzw. ein APS-berechtigtes Entwicklungsland importiert werden, ohne dass 30 31

Meier Harald; Frey Miriam (2017).

Meier Harald; Frey Miriam (2017).

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im Partnerland eine substantielle Verarbeitung oder Wertsteigerung stattgefunden hat, da sonst nicht der Freihandelspartner, sondern auch Drittländer begünstigt würden. Ausschlaggebendes Kriterium für den «Ursprung» ist üblicherweise die Verarbeitungstiefe eines Produkts im Herkunftsland. Die notwendige Verarbeitungstiefe eines Produkts wird anhand eines geforderten Wertschöpfungsanteils oder anhand spezifischer Be- oder Verarbeitungsschritte bestimmt, welche im Herkunftsland stattfinden müssen. Der präferenzielle Ursprung wird schliesslich anhand eines Ursprungsnachweises dokumentiert. Um von den Zollpräferenzen zu profitieren, muss dieser Nachweis durch den Lieferanten erstellt und beim Import in die Schweiz vorgelegt werden. Der Ursprungsnachweis muss fünf Jahre archiviert werden und auf Verlangen der EZV jederzeit vorgewiesen werden können.

Für alle Produkte, bei denen zum Zeitpunkt der Einfuhr sicher feststeht, dass sie in der Schweiz verbleiben bzw. konsumiert oder in der Schweiz ausreichend verarbeitet werden, sind Ursprungsnachweise nach Aufhebung der Industriezölle unbedeutend. Nach der Aufhebung der Industriezölle können diese Produkte zollfrei importiert werden, ohne ein FHA oder das APS zu nutzen. Damit werden die Ursprungsnachweise zur zollfreien Einfuhr von Industrieprodukten sowie die damit verbundenen administrativen Aufwände wie die Beschaffung der Nachweise, deren Kontrolle, allfällige Nachprüfungsverfahren durch die Zollverwaltung, die Archivierung der Dokumente sowie die Zahlung der Zollschuld in vielen Fällen wegfallen.

Ursprungsnachweise sind künftig nur dann noch notwendig, wenn das Produkt unter Nutzung einer Ursprungskumulation re-exportiert wird (siehe Erklärung zu Kumulation im Glossar). Die Kumulation ermöglicht es unter gewissen Voraussetzungen, Vormaterialien mit Ursprung in verschiedenen Freihandelsparteien zu verwenden.

Bei Verwendung von Vormaterialien unter Nutzung der Kumulationsbestimmungen muss bei präferenzieller Einfuhr der präferenzielle Ursprung dieser Vormaterialien mittels Ursprungsnachweis dokumentiert werden. Deshalb wird in diesem Fall beim Import von Vormaterialien auch nach Aufhebung der Industriezölle ein Ursprungsnachweis notwendig sein. Ebenfalls notwendig bleiben Ursprungsnachweise für den häufig vorkommenden sog. «Durchhandel» (unveränderte
Wiederausfuhr, z.B. Einfuhr aus der EU als Ursprungsware und Verkauf in die EU).

Neben dem präferenziellen Import unter FHA oder dem APS gibt es heute weitere Spezialverfahren, welche einen zollfreien Import von Waren erlauben, aber mit zusätzlichen Handlungspflichten verbunden sind. Darunter fallen namentlich die provisorische Veranlagung wegen fehlender oder ungültiger Ursprungsnachweise, der aktive und passive Veredelungsverkehr, Zollbegünstigungen sowie das Spezialverfahren zur vorübergehenden Verwendung und Zollerleichterungen je nach Verwendungszweck. Diese Spezialverfahren setzen teilweise zusätzliche Bewilligungen, Fristenkontrollen und Dokumentationspflichten voraus und sind nicht digital, sondern nur auf Papier möglich. Die Nutzung dieser administrativ aufwendigen Verfahren zur zollfreien Einfuhr wird mit der Aufhebung der Industriezölle stark abnehmen. Zudem stellt künftig bei der Ausfuhr das in vielen FHA verankerte restriktive Drawbackverbot kein Problem mehr dar, was die Einhaltung der für die zollfreie Einfuhr z.B. in die EU notwendigen Ursprungsregeln vereinfacht. (Das Drawbackverbot verbietet es, beim Export für eine Ware eine Zollpräferenz zu beantragen, wenn das verwendete Vormaterial bereits bei der Einfuhr von einer 8504

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Zollherabsetzung profitiert hat, z.B. im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs).

Somit fallen für die betroffenen Unternehmen Zollabgaben an Freihandelspartnerstaaten weg, da nun die entsprechenden FHA genutzt werden können.

Praxisbeispiel: vereinfachte Parallelimporte von Personenwagen Der Zoll auf einem typischen Personenwagen mit einem Gewicht von 1500 kg liegt heute zwischen 180 und 225 Franken. Personenwagen mit Ursprung in der EU können unter dem FHA zwischen der Schweiz und der EU zollfrei importiert werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass ein Ursprungsnachweis vorgelegt werden kann, der garantiert, dass der importierte Personenwagen in der EU produziert wurde und die Ursprungsregeln des FHA erfüllt. Ein Ursprungsnachweis für einen Personenwagen kann nur vom Hersteller (oder aber vom Händler, wenn der Hersteller per Lieferantenerklärung den Ursprung bestätigt) ausgestellt werden, da nur er garantieren kann, dass die Ursprungsregeln des FHA erfüllt wurden. In der Praxis ist es für unabhängige Autoimporteure häufig schwierig an die Ursprungsnachweise der Autohersteller heranzukommen, was dazu führt, dass sie gezwungen sind, ohne Ursprungsnachweise zu importieren und beim Import Zölle zu bezahlen. Die Generalimporteure der Autohersteller in der Schweiz zahlen hingegen keine Zölle, da sie die Ursprungsnachweise von den Herstellern erhalten. Diese Benachteiligung wird mit der Aufhebung der Industriezölle wegfallen, da Personenwagen künftig auch ohne Ursprungsnachweis zollfrei importiert werden können. Mit der wegfallenden Benachteiligung zwischen Grosshändlern und Parallelimporteuren wird der Wettbewerb belebt.

Andere Abgaben (z.B. die Mehrwertsteuer oder Lenkungsabgaben und Steuern wie die Automobil- und Mineralölsteuer) sowie Bewilligungspflichten und andere nicht zollrechtliche Vorschriften bleiben weiterhin bestehen. Nicht-tarifäre Aspekte des Warenimports und die damit verbundenen sicherheits-, gesundheits- oder umweltpolitischen Ziele sind von der Massnahme nicht betroffen.

Im Zuge der unter Ziffer 2.1 erwähnten Prüfaufträge liess der Bundesrat die Bedeutung der wegfallenden Handlungspflichten mittels Gesprächen mit Unternehmen und Zollexperten untersuchen.32 In Verbindung mit dem teilweisen Wegfall der Ursprungsnachweise und der Spezialverfahren wird mit einer administrativen
Entlastung für importierende Unternehmen in der Schweiz gerechnet. Eine Studie hat die administrative Entlastung für das Jahr 2016 auf 100 Millionen Franken geschätzt, was 20 Prozent des gesamten gemessenen administrativen Aufwands bei der Verzollung entspricht. Da weitere Aspekte, wie beispielsweise der Abklärungsaufwand für die Wahl des geeigneten Verfahrens, das Fehlerrisiko, die Bussen, Schulungen für Mitarbeitende sowie die geringere Flexibilität beim Einkauf von Waren in der Schätzung nicht berücksichtigt sind, sind diese 100 Millionen Franken die untere Grenze der zu erwartenden administrativen Entlastung durch die Aufhebung der Industriezölle.

32

Meier Harald; Frey Miriam (2017).

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Praxisbeispiel: Einsparungen für KMU aufgrund der wegfallenden Industriezölle Ein KMU aus der Textil- und Bekleidungsbranche produziert in der Schweiz Gewebe. Diese Gewebe lässt es bei einem anderen Unternehmen in der Schweiz färben und liefert sie anschliessend zum Konfektionieren von Bekleidungsstücken in die EU. Nach der Konfektionierung werden die Bekleidungsstücke wieder in die Schweiz verbracht und an die Endkunden geliefert.

Da das Gewebe einen Anteil an drittländischen Vormaterialien aufweist, der über den Toleranzen liegt, erfüllt es die strengen Ursprungsregeln des FHA Schweiz-EU nicht. Das heisst, die Ausfuhr des Gewebes in die EU darf nicht mit einem Ursprungsnachweis erfolgen. Deshalb kann in der EU nicht kumuliert werden, d.h. der Schweizer Anteil an der Verarbeitung kann nicht angerechnet werden. Da die bei der Veredelung in der EU durchgeführten Schritte «Zuschneiden und Nähen» allein nicht als «ausreichende Bearbeitung» im Sinne des FHA angesehen werden, erlangen auch die fertigen Bekleidungsstücke den Ursprung im Sinne des FHA nicht. Bei der Wiedereinfuhr in die Schweiz kann das FHA daher ebenfalls nicht angewandt werden.

Damit das Unternehmen bei der Wiedereinfuhr in die Schweiz nicht für «teilweise inländische» Waren die Zollabgaben bezahlt, muss es bei der Aus- und Einfuhr zwingend das bewilligungspflichtige Zollverfahren der passiven Veredelung anwenden. In diesem Fall bezahlt es «nur» die Zollabgaben für das im Ausland durch die Veredelung entstandene Mehrgewicht (bspw. Knöpfe, Reissverschluss, Nähfaden, Verpackungsmaterial etc.). Dieses Verfahren ist allerdings sehr aufwendig in der Abwicklung und an Auflagen und Fristen geknüpft. Durch die Aufhebung der Industriezölle kann das Unternehmen in jedem Fall die Vormaterialien zur Herstellung des Gewebes sowie die in der EU konfektionierte Bekleidung generell zollfrei und ohne administrativen Mehraufwand in die Schweiz einführen.

Vereinfachung der Zolltarifstruktur Mit einer schlankeren Zolltarifstruktur ist die korrekte Tarifeinreihung der Produkte für Unternehmen künftig einfacher, was den administrativen Aufwand der Produkteklassifizierung, Katalogführung und der Zollveranlagung senkt. Besonders für KMU stellt die korrekte Tarifeinreihung ihrer Produkte heute häufig eine Herausforderung dar. Durch die Vereinfachung der
Zolltarifstruktur wird es für KMU künftig einfacher sein, ihre Zollanmeldungen ohne die Hilfe von Zolldienstleistern auszufüllen. Eine vereinfachte Tarifeinreihung senkt auch das Risiko, dass Unternehmen ihre Importe falsch veranlagen und aufgrund falscher Angaben die Zollanmeldung korrigieren oder Bussen bezahlen müssen.

Durch die Vereinfachung der Zolltarifstruktur entsteht der Wirtschaft ein einmaliger Umstellungsaufwand, weil die geänderten Stammdaten der EZV in den firmeneigenen Produktelisten übernommen werden müssen. Da die Vereinfachung der Zolltarifstruktur aber zeitgleich mit der HS-Revision 2022 sowie der Einführung der DaziT-Stammdaten vorgenommen werden soll, ist mit einem vertretbaren Mehrauf8506

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wand zu rechnen. Da die Detaillierung der Aussenhandelsstatistik durch die Vereinfachung abnehmen wird, können den Unternehmen allenfalls zusätzliche Kosten entstehen, beispielsweise für die Erhebung dieser fehlenden Informationen zwecks Marktforschung.

Wenngleich eine Vereinfachung der Zolltarifstruktur für die Unternehmen kurzfristig einen Mehraufwand bedeutet, dürfte dieser durch die längerfristigen Einsparungen durch die verminderte Komplexität bei der Tarifeinreihung kompensiert werden.

6.3.3

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Eine Modellsimulation ermöglichte die quantitative Einschätzung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Insgesamt resultieren ein leicht höheres Bruttoinlandprodukt (BIP) (gemäss Schätzungen +0,1 %) sowie höhere Einkommen.

Nachfolgend werden die zugrundeliegenden Wirkungskanäle erläutert.33 Die Modellsimulation wurde basierend auf den Zolleinnahmen des Jahres 2016 durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass sich an der Grössenordnung der Effekte auch basierend auf Zahlen des Jahres 2018 nichts ändert (vgl. Exkurs zu der Studie der volkswirtschaftlichen Auswirkungen).

Die Einsparungen von Zöllen und administrativem Aufwand führen zu tieferen Handels- bzw. Produktionskosten. Die Zolleinsparungen werden den Unternehmen und ­ bei funktionierendem Wettbewerb ­ den Privatpersonen zugutekommen, anstatt als Zolleinnahmen dem Staat zuzufliessen (Rentenverschiebung). Die administrativen Entlastungen generieren zusätzliche, indirekte Wohlfahrtseffekte durch Effizienzsteigerungen. Neben der administrativen Entlastung der importierenden Unternehmen in der Schweiz entsteht eine zusätzliche Entlastung bei den exportierenden Unternehmen im Ausland aufgrund des wegfallenden Aufwands hinsichtlich der Ursprungsnachweise. Hinzu kommt, dass die strategische Wahl von Lieferanten bzw. Lieferländern zur Vermeidung von Importzöllen an Bedeutung verliert. Insgesamt werden die Handelsbeziehungen effizienter, was sich positiv auf die Produktivität (gemäss Schätzungen BIP pro Kopf ~+0,1 %) und die Innovationsfähigkeit auswirkt.

Die Aufhebung der Industriezölle reduziert die Abschottung des Schweizer Marktes.

Daher ist mit einer Zunahme der Importe zu rechnen (gemäss Schätzungen +0,5 %), was wiederum den Wettbewerb auf dem Schweizer Markt intensiviert. Als treibende Kraft für Innovation ­ Wettbewerb setzt Anreize für eine Optimierung der Ressourcenallokation ­ führt dies zu Effizienzsteigerungen. Insgesamt wird durch die Effizienzsteigerungen und den verstärkten Wettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gestärkt. Für die Schweiz ist dieser Effekt besonders wichtig, da die schweizerische Volkswirtschaft stark in die globalen Wertschöpfungsketten integriert ist. Die Schweiz ist in vielen Bereichen auf wertschöpfungsintensive Produktionsschritte gegen Ende der Wertschöpfungskette spezialisiert. Die Unternehmen sind daher auf importierte Rohstoffe oder Halbfabrikate angewiesen. Die Aufhebung der Industriezölle wirkt sich somit, über die Stärkung der Wettbewerbs33

Die quantitativen Schätzungen beziehen sich auf Müller u. a. (2017).

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fähigkeit, auch als Förderung der Exporte aus. Gemäss Schätzungen nehmen die Exporte um 0,4 Prozent zu.

Exkurs: Studie zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen Im Rahmen der unter Ziffer 2.1 erwähnten Prüfaufträge hat das Institut Ecoplan basierend auf Zahlen und Schätzungen aus dem Jahr 2016 eine Modellsimulation zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Aufhebung der Industriezölle durchgeführt.34 In der Modellsimulation nicht berücksichtigt wurden Auswirkungen auf Mehrwert- und Automobilsteuer (vgl. Ziff. 6.1.1). Die Schätzungen ergaben Einsparungen aufgrund wegfallender Zölle von 490 Millionen Franken und eine administrative Entlastung von 100 Millionen Franken (rund ein Fünftel des mit der Verzollung verbundenen gesamten administrativen Aufwands von Unternehmen). Aufgrund ebenfalls anfallenden Einsparungen bei den exportierenden Unternehmen im Ausland steigt die Effizienz der Handelsbeziehungen insgesamt. Zudem führt die Zollaufhebung zu einer Steigerung der Produktivität, welche letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen stärkt.

Die positiven Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft gehen also über die erwähnten direkten Einsparungen hinaus. Aufgrund zusätzlicher indirekter Effekte (z.B. Produktivitätssteigerungen) übertreffen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen die direkten Einsparungen um 270 Millionen Franken. Insgesamt resultieren somit positive Effekte für die Volkswirtschaft in der Höhe von 860 Millionen Franken. (vgl. schematische Darstellung in Abbildung 1). Basierend auf den in der Botschaft verwendeten Zolleinnahmen von 2018 (541 Mio.

Fr.) sind Aussagen zum Ausmass administrativer Entlastung und anderer Effekte in absoluten Zahlen nicht möglich. Die Grössenordnung der einzelnen Effekte dürfte jedoch gleichbleiben wie bei den Schätzungen betreffend 2016.

Die wegfallenden Zölle führen direkt zu tieferen Einstandspreisen beim Import.

Auch die administrative Entlastung sowie der intensivere Wettbewerb wirken auf tiefere Einstandspreise hin. Die Preiseffekte werden schliesslich dort an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben, wo von funktionierendem Wettbewerb ausgegangen werden kann. Dabei lässt sich in der Tendenz Folgendes feststellen: Je stärker der Wettbewerb, desto eher werden tiefere Handels- und Produktionskosten an die Konsumentinnen
und Konsumenten weitergegeben. Das verwendete Simulationsmodell berücksichtigt unterschiedliche Wettbewerbsintensitäten in unterschiedlichen Bereichen. Die Schätzungen ergeben einen Rückgang der allgemeinen Konsumentenpreise für Güter von -0,1 Prozent bis -2,6 Prozent je nach Produktgruppe. Für das aggregierte Konsumentenpreisniveau wird von einem Rückgang von -0,1 Prozent ausgegangen, wobei dies gemäss Modell einer leichten Zunahme der Preise für Dienstleistungen sowie für Agrarprodukte und Lebensmittel zuzuschreiben ist, da die Produktivität sowie die Gesamtnachfrage steigen. Hochgerechnet anhand der nominellen Konsumausgaben der privaten Haushalte 2016 würde dieser Preisrückgang zu Einsparungen für Konsumentinnen und Konsumenten von

34

Müller André u. a. (2017).

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350 Millionen Franken führen.35 Um sicherzustellen, dass die Einsparungen den Konsumenten weitergegeben werden, wird ein Monitoring implementiert.

Die Erfahrungen von Kanada, Norwegen und Neuseeland, welche ebenfalls Zölle aufgehoben oder stark reduziert haben, bestätigen die geschätzten Auswirkungen auf die Exporte und die Produktivität. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung in diesen Ländern konnte nicht quantifiziert werden, obwohl die Analyse auf positive Effekte für den Arbeitsmarkt hinweist. Schliesslich ist auch von einer höheren Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz auszugehen. Tiefere Regulierungsund Handelskosten, integrierte Märkte und Rechtssicherheit zählen heute zu den wichtigen Standortfaktoren. Effekte dieser Faktoren können jedoch nicht quantifiziert werden.

Abbildung 1 Schätzungen der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Aufhebung der Industriezölle durch Ecoplan (2017), eigene Darstellung

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Wie unter Ziffer 6.3.3 erwähnt, erwartet der Bundesrat, dass Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund sinkender Preise ebenfalls von der Aufhebung der Industriezölle profitieren.

35

Müller André et al. (2017).

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Aufhebung der Industriezölle ist mit der Bundesverfassung (BV)36 vereinbar.

Die Erhebung von Zöllen ist gemäss Artikel 133 BV Sache des Bundes. Die Interessen der Schweizer Wirtschaft im Ausland (Art. 101 BV) werden mit der Aufhebung der Industriezölle, die einen zollfreien Bezug von Vormaterialien für die Exportindustrie und die Wirtschaft im Allgemeinen ermöglicht, ebenfalls gewahrt. Die Massnahme trägt zur Steigerung der Wohlfahrt bei (Art. 54 BV).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

WTO Die Aufhebung der Industriezölle ist eine unilaterale Massnahme der Schweiz. Die Verpflichtungen der Schweiz in der WTO ändern sich dadurch nicht. Die neue Zolltarifstruktur und die angepassten Ansätze werden wie bisher jährlich bei der WTO notifiziert.

EU Die autonome Aufhebung von Zöllen auf Industrieprodukten sowie die Vereinfachung der nationalen Zolltarifstruktur sind mit den bilateralen Abkommen der Schweiz mit der EU vereinbar. Industrieprodukte mit EU-Ursprung können aufgrund des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bilateralen FHA von 197237, in dem sich die Schweiz und die EU gegenseitig zollfreien Marktzugang für Industrieprodukte gewähren, bereits heute zollfrei importiert werden.

Freihandelsabkommen Die unilaterale Aufhebung von Zöllen auf Industrieprodukten ist mit den FHA der Schweiz vereinbar. Die Freihandelspartner geniessen bereits heute zollfreien Marktzugang für Industrieprodukte.

Zollabkommen Sowohl die Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten als auch die Vereinfachung der nationalen Zolltarifstruktur sind mit den internationalen Zollabkommen, insbesondere dem internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren 38, vereinbar.

36 37 38

SR 101 SR 0.632.401 SR 0.632.11

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7.3

Gültigkeit für das Fürstentum Liechtenstein

Aufgrund des Vertrags vom 29. März 192339 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (Zollvertrag) bildet das Fürstentum Liechtenstein einen Bestandteil des schweizerischen Zollgebiets. Die Aufhebung der Zölle auf Industrieprodukten und die Vereinfachung der Zolltarifstruktur betreffen somit auch das Fürstentum Liechtenstein.

Artikel 35 des Zollvertrags legt fest, dass die Schweiz dem Fürstentum Liechtenstein einen Anteil der Einnahmen der EZV, d.h. also auch der Zolleinnahmen, vergütet.

Dieser Anteil wird basierend auf der Wohnbevölkerung berechnet und beträgt aktuell 4,5 . Basierend auf den insgesamt wegfallenden Zolleinnahmen auf Industrieprodukten von 541 Millionen Franken (2018) wird sich der Betrag der Zolleinnahmen, der dem Fürstentum Liechtenstein vergütet wird, künftig um 2,4 Millionen Franken reduzieren.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

39

SR 0.631.112.514

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Glossar APS

Allgemeines Präferenzensystem der Schweiz. Die Schweiz gewährt für Waren aus Entwicklungsländern im Rahmen des APS bei der Einfuhr Zollpräferenzen in der Form von zollfreiem Marktzugang oder reduzierten Zollansätzen.

DaziT

Transformationsprogramm zur Modernisierung und Digitalisierung der EZV. «Dazi» ist das rätoromanische Wort für Zoll, «T» steht für «Transformation».

HS

Harmonisiertes System der Weltzollorganisation (WZO). Das HS ist eine internationale Nomenklatur zur einheitlichen und logischen Klassifizierung von Produkten auf Basis von sechsstelligen Tarifnummern. Mitgliedsstaaten steht es frei, über diese international vereinheitlichten Tarifnummern hinaus nationale Tarifnummern mit beispielsweise zwei zusätzlichen nationalen Stellen festzulegen.

Kumulation

Die Kumulation ermöglicht es, unter gewissen Bedingungen Vormaterialien mit Ursprung in verschiedenen Freihandelsparteien zu verwenden. Bei Verwendung von Vormaterialien unter Nutzung der Kumulationsbestimmungen muss bei der präferenziellen Einfuhr der Ursprung dieser Vormaterialien mit einem Ursprungsnachweis dokumentiert werden. Beim Import von solchen Vormaterialien wird daher auch nach der Aufhebung der Industriezölle ein Ursprungsnachweis notwendig sein.

Ursprungsnachweis Ursprungsnachweise dienen dazu, die Erfüllung der Ursprungsregeln zu dokumentieren, die zur Nutzung von Zollpräferenzen im Rahmen von Freihandelsabkommen oder im Rahmen des APS berechtigen. Ein Ursprungsnachweis kann entweder in der Form einer Ursprungserklärung oder mittels Ursprungszeugnis erbracht werden.

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Literaturverzeichnis Berden, Koen / Shingal, Anirudh / Wüthrich, Simon / Elsig, Manfred / SieberGasser, Charlotte / Rahmetov Anvarjon (2017): Significance of autonomous tariff dismantling for future negotiations of free trade, World Trade Institute, Studie im Auftrag des SECO.

Mahlstein, Kornel / McDaniel, Christine / Sachse, Tatjana / Schropp, Simon / Andersen, Scott D. (2017): Empirical analysis of the potentials and economic impact of the unilateral easing of import restrictions, Sidley Austin, Studie im Auftrag des SECO.

Meier, Harald / Frey, Miriam (2017); Administrative Entlastung bei einem unilateralen Zollabbau für Industriegüter, B,S,S., Studie im Auftrag des SECO.

Müller, André / Schoch, Tobias / Steinmann, Sarina / Böhringer, Christoph / Balistreri, Edward (2017): Volkswirtschaftliche Auswirkungen unilateraler Importerleichterungen der Schweiz, Ecoplan, Studie im Auftrag des SECO.

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