Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 19. Oktober 2018

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Bericht 1

Einleitung

Wirtschaftssanktionen sind hoheitliche Zwangsmassnahmen, die zur Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, ergriffen werden.

Das Embargogesetz (EmbG)1 bildet seit 2003 deren rechtliche Grundlage für die Schweiz. Die Sanktionen können die Einschränkung oder, Verhinderung des Waren-, Dienstleistungs-, Zahlungs-, Kapital- und Personenverkehr umfassen.2 Adressat einer Wirtschaftssanktion ist in der Regel ein Staat.3 Mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen (UNO) im Jahr 2002 verpflichtete sich die Schweiz zur Durchsetzung von UNO-Sanktionen. Sanktionen der Europäischen Union (EU) sind hingegen nicht bindend für die Schweiz. Der Bundesrat entscheidet nach einer Abwägung verschiedener politischer und wirtschaftlicher Interessen, ob sich die Schweiz an EU-Sanktionen beteiligt oder nicht.4 Beschliesst der Bundesrat eine Beteiligung an den Sanktionen, so erlässt er eine entsprechende Verordnung,5 welche die konkreten Sanktionen definiert. Während der Vorbereitung der Sanktionsentscheide und beim Vollzug der Verordnung kommt der Bundesverwaltung eine tragende Rolle zu.6 In Bezug auf die Beteiligung der Schweiz an Wirtschaftssanktionen gibt es immer wieder kritische Stimmen. So wird die Kohärenz der Schweizer Beteiligung an EUSanktionen beanstandet. Auch wird moniert, die Schweiz zeige sich bei Wirtschaftssanktionen zu wenig solidarisch und profitiere wirtschaftlich davon, wenn sie sich nicht vollständig an Sanktionsmassnahmen der EU beteilige. Weitere Stimmen stehen Wirtschaftssanktionen grundsätzlich kritisch gegenüber. Vor diesem Hintergrund beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 28. Januar 2016 mit einer Evaluation zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Das Geschäft wurde der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates zugewiesen (GPK-S).

Die zuständige Subkommission EFD/WBF der GPK-S beschloss an ihrer Sitzung vom 22. August 2016, dass die Evaluation der PVK die folgenden vier Fragestellungen beantworten soll: ­

1 2 3 4 5 6

Welche Strategie verfolgt der Bund bei der Beteiligung an Sanktionen? Ist die Strategie angesichts der aussenpolitischen- und aussenwirtschaftspolitischen Ziele der Schweiz angemessen?

Bundesgesetz vom 22. März 2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG; SR 946.231).

Art. 1 Abs. 3 EmbG Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen, Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017 zuhanden der GPK-S (nachfolgend Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017), Ziff. 2.3.

Art. 1 Abs. 1 EmbG Art. 2 EmbG Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 1.1

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­

Ist die Vorbereitung der Sanktionsentscheide durch die Bundesverwaltung angemessen?

­

Ist der Vollzug der Sanktionsentscheide durch den Bund angemessen?

­

Wie wirksam sind die Sanktionsmassnahmen bzw. die Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung von Sanktionen?

Die PVK führte ihre Evaluation im Zeitraum zwischen Januar 2016 und November 2017 durch. Sie stützte sich dabei auf die Analyse von verwaltungsinternen Dokumenten und führte Fallstudien zu ausgewählten Sanktionsverordnungen. Zusätzlich wurden 35 Personen aus der Bundesverwaltung und der Wirtschaft befragt. Ausserdem analysierte die PVK anhand von Zolldaten die Handelsflüsse zwischen der Schweiz und sanktionierten Ländern. Für die Untersuchung der Handelsströme im Zusammenhang mit der Verordnung zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (nachfolgend Ukraine-Verordnung)7 beauftragte die PVK das Schweizerische Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität St. Gallen (SIAW) mit einer Handelsanalyse.

Die PVK schloss ihre Evaluation mit Bericht vom 9. November 2017 ab. Dieser wurde anschliessend von der Subkommission EFD/WBF der GPK-S behandelt. Auf der Grundlage der Evaluation der PVK beschloss die Subkommission einen Bericht zuhanden der GPK-S auszuarbeiten. An der Sitzung vom 19. Oktober 2018 wurde der Berichtsentwurf mit den darin enthaltenen Empfehlungen von der GPK-S beraten und zuhanden des Bundesrates verabschiedet.

Die GPK-S beurteilt im Folgenden die wichtigsten Feststellungen der PVK und formuliert darauf gestützt verschiedene Empfehlungen an den Bundesrat. Der vorliegende Bericht ist somit komplementär zum Bericht der PVK und führt die Evaluationsergebnisse nur soweit auf, wie es zum Verständnis der Schlussfolgerungen und Empfehlungen der GPK-S notwendig ist.

2

Feststellungen und Empfehlungen

2.1

Klare Strategie in der Sanktionspolitik

Die GPK-S nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die schweizerische Strategie in der Sanktionspolitik klar ist und sich nach den aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätzen der Schweiz ausrichtet.8 Im Falle von EU-Sanktionen verfügt der Bundesrat bei der Entscheidung einer allfälligen Beteiligung über einen Ermessensspielraum. 9 Dabei wägt der Bundesrat im Einzelfall verschiedene aussenpolitische, aussenwirtschaftspolitische und rechtliche Aspekte gegeneinander ab. Zuweilen gibt es Zielkonflikte zwischen aussen7

8 9

Verordnung vom 27. Aug. 2014 über Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72).

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 3 Art. 1 Abs. 1 EmbG

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politischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätzen. Während Sanktionen aus aussenpolitischer Sicht ein mögliches Instrument zur Durchsetzung aussenpolitischer Interessen und Werte darstellen, widersprechen Sanktionen vom Grundsatz her einer liberalen Wirtschaftsordnung.10 Traditionellerweise nimmt die Schweiz eine zurückhaltende Position gegenüber Wirtschaftssanktionen ein.11 Um die Umgehung von EU-Sanktionen über das Gebiet der Schweiz zu verhindern, werden jedoch in den letzten Jahren EU-Sanktionen vermehrt von der Schweiz mitgetragen. Damit soll verhindert werden, dass der Schweiz Reputationsrisiken gegenüber ihrem wichtigsten Handelspartner (der EU) erwachsen.12 Die GPK-S hält fest, dass die Güterabwägung des Bundesrates bei der Frage der Beteiligung an EU-Sanktionen im Rahmen des gesetzlichen Ermessensspielraums erfolgt. Die GPK-S teilt die Auffassung der PVK, dass die Strategie des Bundesrates in der Sanktionspolitik kohärent ist. Zudem begrüsst die Kommission die Schaffung von konkreten Kriterien zur Güterabwägung im Jahr 2014. Auch wenn seither erst wenige Fälle für die Anwendung der Kriterien vorlagen und die Transparenz bei der Anwendung der Kriterien gemäss den Feststellungen der PVK noch zu verbessern ist, dürften diese Kriterien zur Systematik der Abwägung positiv beitragen. Die Abwägung im konkreten Einzelfall stellt letztlich aber ­ zu Recht ­ eine politische Entscheidung dar (vgl. Kap. 2.2.2).

Den verschiedenen Unsicherheiten, die ­ wie von der PVK festgestellt ­ aus der Güterabwägung im Einzelfall für die betroffenen Akteure entstehen können,13 ist im Rahmen des Möglichen bei der Vorbereitung, beim Erlass und bei der Umsetzung von Sanktionen Rechnung zu tragen. Aus Sicht der GPK-S ergibt sich daraus jedoch kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Da die Schweiz gestützt auf das EmbG von Fall zu Fall über die Übernahme von EU-Sanktionen entscheidet, ist die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit unvermeidbar und muss wohl durch die betroffenen Akteure grundsätzlich in Kauf genommen werden.

2.2

Angemessene Vorbereitung der Sanktionsverordnungen

2.2.1

Klare Zuständigkeiten und Verfahren bei der Vorbereitung

Die Evaluation der PVK kommt zum Schluss, dass die Zuständigkeiten und Verfahren bei der Vorbereitung der Sanktionsverordnungen klar sind.14 Bei der Vorbereitung von Sanktionsentscheiden hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Federführung.15 Dabei werden die formalen Vorgaben gemäss Bericht der PVK 10 11 12 13 14 15

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 3.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 7.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 7.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 3.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 2.2.2

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eingehalten.16 Die Ämter erhalten die Möglichkeit, im Rahmen einer Ämterkonsultation zu einer Verordnung Stellung zu nehmen. Wenn auch die Fristen dafür jeweils sehr kurz sind (zwischen 4,5 Stunden bis 9 Tage), werden diese dennoch akzeptiert, um die Verordnungen mit möglichst kurzer Verzögerung in Kraft zu setzen. 17 Rückmeldungen und Anträge aus der Ämterkonsultation werden zur mehrheitlichen Zufriedenheit der konsultierten Verwaltungsstellen berücksichtigt. Bei allfälligen Differenzen versucht das SECO, diese mit den betroffenen Verwaltungsstellen zu bereinigen.18 Die Abklärungen der PVK haben jedoch auch gezeigt, dass bei der Vorbereitung von Verordnungen oftmals die gleichen Umsetzungsfragen aufkommen, welche dann jeweils für den Einzelfall beantwortet, aber nicht übergreifend geklärt werden (vgl. Kap. 2.4).19 Weiter stellte die PVK fest, dass der Einbezug der betroffenen Verwaltungsstellen in den Erlassprozess grösstenteils koordiniert verläuft.20 Allerdings hat es das SECO im Fall der Ukraine-Verordnung versäumt, die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) in die Ämterkonsultation einzubeziehen. Dies erachtet die GPK-S als umso problematischer, als dass gerade beim Vollzug dieser Verordnung Mängel auftreten (vgl. Kap. 2.3).

Die GPK-S nimmt angesichts der Evaluationsresultate mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen insgesamt effizient ist.

2.2.2

Informationsgrundlage des Bundesrates

Die PVK stellt im Rahmen ihrer Evaluation fest, dass die Informationen zuhanden des Bundesrates grösstenteils ausgewogen sind. Dieses Resultat wird von der GPK-S positiv gewürdigt.

Das EmbG gibt allerdings keine Kriterien vor, auf die sich der Bundesrat bei seiner Entscheidungsfindung namentlich über eine allfällige Beteiligung der Schweiz an EU-Sanktionen stützen kann. Umso wichtiger ist es, dass er über fundierte und ausgewogene Informationen verfügt, die es ihm erlauben eine angemessene Güterabwägung vorzunehmen. Bei Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates stellt sich die Frage nach den Kriterien hingegen nicht, da die Schweiz sich so oder so verpflichtet hat, diese Sanktionen mitzutragen (siehe Kap. 1).

Da es seit der Einführung der Kriterien im Jahr 2014 im Untersuchungszeitraum erst zwei Anwendungsfälle gab21, kann ihre Anwendungspraxis noch nicht abschliessend beurteilt werden. Im Falle der Ukraine-Verordnung hat das SECO die Kriterien in einem Aussprachepapier zuhanden des Bundesrates dargestellt. Die PVK-Evaluation

16 17 18 19 20 21

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Ukraine/Russland und Burundi.

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zeigte jedoch, dass nur ausgewählte Kriterien angewendet wurden.22 Wenn auch das WBF dieses Vorgehen damit begründete, dass eine systematische Anwendung nie das Ziel war, weil sich die Kriterien teilweise überschneiden und nicht für jeden Anwendungsfall gleich relevant seien, legte das WBF nicht transparent dar, weshalb gewisse Kriterien angewendet wurden und andere nicht.23 Die GPK-S ist der Ansicht, dass die erwähnten Kriterien eine gute Entscheidungsgrundlage für den Bundesrat darstellen und eine angemessene Güterabwägung ermöglichen.

Empfehlung 1

Transparente Anwendung der Kriterien für Güterabwägung

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, damit die Relevanz der einzelnen Kriterien zur Abwägung der Übernahme bzw.

Nichtübernahme von EU-Sanktionen künftig im konkreten Anwendungsfall systematisch geprüft und der Bundesrat über das Resultat informiert wird.

2.3

Vollzugsmängel

Der Vollzug der Sanktionspolitik lässt sich in vier zentrale Aspekte unterteilen: Informationstätigkeit der involvierten Bundesstellen innerhalb der Verwaltung und gegenüber der Öffentlichkeit, Kontrollen in der Praxis, übergeordnete Überwachung des Vollzugs und Änderung von Verordnungen.

Für die Information über den Erlass einer Sanktionsverordnung ist der Bundesrat, respektive das WBF/SECO zuständig. Die GPK-S nimmt positiv zur Kenntnis, dass die Informationstätigkeit des SECO adressatengerecht ist und rasch erfolgt. 24 Als Teil der Aussenwirtschaftspolitik, liegt die Sanktionspolitik im Zuständigkeitsbereich des SECO.25 In den einzelnen Verordnungen wird jeweils das SECO mit der Überwachung über die Umsetzung der Mehrheit der Artikel betraut.26 Auch wenn nicht alle mit Vollzugsaufgaben betrauten Stellen in den Verordnungen explizit genannt werden, haben die Untersuchungen der PVK gezeigt, dass die Zuständigkeiten und die Verfahren in der Praxis grundsätzlich klar sind.27 Die für die Kontrolle

22 23 24 25 26

27

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.2 WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017 zum Berichtsentwurf der PVK.

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.2 Art. 5 Abs. 1 der Organisationsverordnung vom 14. Juni 1999 für das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (OV-WBF, SR 172.216.1).

Z.B. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6), Art. 6 der Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR 946.231.157.5) oder Art. 5 der Verordnung vom 13. Mai 2009 über Massnahmen gegenüber Somalia (SR 946.231.169.4).

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1

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und Vollzug verantwortlichen Verwaltungsstellen werden durch die einzelnen Verordnungen vorgegeben.28 Die PVK hat aber insbesondere Mängel bei den Vollzugsinstrumenten und bei der ganzheitlichen Überwachung festgestellt.29 Die folgenden Abschnitte sind diesen Feststellungen und den entsprechenden Empfehlungen gewidmet.

2.3.1

Mangelhafte Kontrollen in der Praxis

Das EmbG gibt für den Vollzug keine Instrumente vor, sie werden in den jeweiligen Sanktionsverordnungen bestimmt. Auch die einzelnen Kontrollorgane werden in den Verordnungen genannt.30 Die Befugnisse dieser Organe sind in Artikel 4 EmbG geregelt.

Für die Umsetzung der Sanktionsmassnahmen im Warenverkehr an der Grenze ist die EZV zuständig.31 Die PVK stellt in ihrem Bericht Schwächen bei deren Vollzugtätigkeit dar. Teilweise sind diese jedoch systembedingt und liegen daher nur beschränkt in der Verantwortung der EZV.

Das erste Problem stellt sich bei der geringen Zeit, die bei der Exportkontrolle zur Verfügung steht. Die EZV kann aufgrund der kurzen Interventionszeit nicht garantieren, dass keine sanktionierten Güter ins Ausland gelangen. Eine nachgelagerte Kontrolle ist nur noch formell und nicht physisch möglich. 32 Vor diesem Hintergrund begrüsst es die GPK-S, dass im Fall von Nordkorea bereits ein System für eine Voranmeldung der Lieferungen geschaffen wurde,33 welches eine wichtige Grundlage für die Kontrolle der Exporte bildet.

Weiter bieten die Leistungsaufträge der Zollstellen wenig Anreiz nach sanktionierten Waren zu suchen, da erfolglose Kontrollen nicht als Leistung angesehen werden.

Die Leistungen der Zollstellen werden daher nur an erfolgreichen Kontrollen gemessen.34 Die GPK-S ist der Ansicht, dass hier ein Systemmangel vorliegt und nach Wegen gesucht werden sollte, diesen über den Leistungsauftrag zu beheben.

28

29 30

31

32 33 34

Z.B. Art. 16 Abs. 1 (SECO), Abs. 1bis (BAZL), Abs. 1ter (SSA), Abs. 2 (SEM) und Abs. 3 (EZV) der Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6) und Art. 18 Abs. 2 (BZL), Abs. 3 (SEM) und Abs. 4 (BAK) der Verordnung vom 8. Juni 2012 über Massnahmen gegenüber Syrien (SR 946.231.172.7).

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1, 5.3 und 5.4 Z.B. Art. 16 der Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6), Art. 7 der Verordnung vom 30.

März 2011 über Massnahmen gegenüber Libyen (SR 946.231.149.82) oder Art. 5 der Verordnung vom 12. August 2015 über Massnahmen gegenüber der Republik Südsudan (SR 946.231.169.9).

Z.B. Art. 16 Abs. 3 der Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6) oder Art. 7 Abs. 3 der Verordnung vom 28. März 2018 über Massnahmen gegenüber Venezuela (SR 946.231.178.5).

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3

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Im Falle der Verordnung zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen gegen die Ukraine und Russland, hat die EZV entgegen ihrer gängigen Praxis kein Zirkular erstellt, in dem sie die Zollstellen über eine Verordnung informiert. 35 Das SECO wiederum war nicht über diese Umstände orientiert. Aus Sicht der GPK-S wirft der PVK-Bericht daher zurecht Fragen zur übergeordneten Steuerung der Sanktionspolitik auf (vgl. Kap. 2.4).

Die GPK-S ist der Ansicht, dass die Kontrollinstrumente des SECO ungenügend zur Anwendung kommen. Gemäss Bericht der PVK findet eine Kontrolle durch das SECO nur dann statt, wenn es von der EZV, dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) oder anderen Quellen explizit auf mögliche Verstösse hingewiesen wird.

Seine Kontrolltätigkeit führt das SECO praktisch nur auf dem Schriftweg aus, indem es bei den betroffenen Unternehmen Auskünfte einholt. Die wenigen Vor-OrtKontrollen hatte das SECO jeweils angemeldet, unangekündigte Kontrollen gemäss Artikel 4 des EmbG wurden noch nie durchgeführt.36 Die GPK-S ist der Ansicht, dass das bestehende Kontrollsystem ­ auch in den Bereichen der Luxusgüter, Finanzsanktionen und Reisebeschränkungen ­ Lücken enthält,37 und fordert den Bundesrat dazu auf, die Kontrollinstrumente an sich sowie deren Anwendung im Hinblick auf eine Optimierung zu überprüfen.

Empfehlung 2

Zweckmässige Kontrollinstrumente und angemessene Anwendung

Die GPK-S fordert den Bundesrat dazu auf, die bestehenden Kontrollinstrumente auf ihre Zweckmässigkeit hin zu überprüfen und, wo nötig, durch angemessene Instrumente zu ersetzen. Weiter soll er dafür sorgen, dass die Leistungsaufträge der Zollstellen zwecks besserer Anreizschaffung für Kontrollen im Bereich der Sanktionen überarbeitet werden. Ausserdem fordert die GPK-S den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Kontrollinstrumente zweckdienlich angewendet werden.

2.3.2

Mängel bei der übergeordneten Überwachung des Vollzugs

Für die Überwachung der Sanktionspolitik stehen dem SECO verschiedene Informationen aus dem Vollzug zur Verfügung. So kann beispielweise der Warenverkehr anhand von Zolldaten nach sanktionierten und nicht-sanktionierten Waren analysiert werden. Die Evaluation der PVK zeigt jedoch auf, dass diese Statistiken nur punktuell ausgewertet werden.38

35 36 37 38

Dazu hat möglicherweise die Tatsache beigetragen, dass es sich dabei nicht um eine explizite Sanktionsverordnung handelt.

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3 und 5.4 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.4

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Für die GPK-S ist es nicht nachvollziehbar, weshalb das SECO übergreifende Statistiken nicht systematischer auswertet. Die Kommission ist der Ansicht, dass die vorhandenen Informationen im Sinne einer systematischen Überwachung gezielt analysiert werden sollten.

Weiter besteht die Möglichkeit, Informationen aus den Melde- und Bewilligungssystemen über den Waren-, Dienstleistungs- und Finanzverkehr auszuwerten. Jedoch haben die Abklärungen der PVK gezeigt, dass z.B. im Bereich der Finanzsanktionen das Instrument der Meldepflicht nicht für seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Überwachung der Transaktionen, verwendet wird.39 Zudem werden bei Bewilligungen, die schriftlich erteilt werden, die Angaben der Unternehmen zwar überprüft, aber nicht systematisch statistisch erfasst. Auch diesbezüglich ist es für die GPK-S schwer nachvollziehbar, dass das SECO lediglich Meldungen bearbeitet oder Bewilligungen erteilt, ohne die darin enthaltenen Informationen für die Überwachung der Sanktionspolitik zu verwenden. Sie ist der Ansicht, dass das SECO damit seiner Funktion in den Bereichen der Überwachung und übergeordneten Steuerung nicht nachkommt.

Wie die vom SIAW im Auftrag der PVK durchgeführte Handelsanalyse im Falle der Ukraine-Verordnung zeigt, lassen die analysierten Zolldaten grundsätzlich nicht auf eine Umgehung der Krimsanktionen durch Schweizer Händler schliessen.40 Allerdings ist dieses Ergebnis aufgrund diverser Qualitätsmängel der Daten mit Vorsicht zu geniessen. So ist die Überprüfung von regionalen resp. substaatlichen Handelssanktionen bei fehlenden Ortsangaben faktisch gar nicht möglich, weil nur das Herkunfts- bzw. Bestimmungsland zwingend deklariert werden muss. 41 Gütersanktionen gegenüber der Krim können somit von der EZV nur bei vorhandenen Ortsangaben kontrolliert werden. Auch verfügt die EZV nicht über die Möglichkeit zu überprüfen, ob eine Ware via eine Transitdestination aus der Krim importiert respektive in die Krim exportiert wird.42 Die PVK stellte zudem viele Fehler in den Zolldaten fest, beispielsweise bei den Postleitzahlen, Ortsnamen, Ländercodes oder verschiedenen Schreibweisen von Firmennamen.43 Punktuell hat die PVK mögliche Indizien für eine Umgehung der Krimsanktionen gefunden: In zwei Fällen wurden nach Inkrafttreten der Massnahmen bei sanktionierten Gütern der Empfängerort
(innerhalb der Ukraine) oder das Empfängerland (Russland) geändert.44 Weiter stellte die PVK bei den Importen aus der Ukraine nach Inkrafttreten der Sanktionen eine Verdoppelung der Anzahl der Sendungen ohne spezifische Angabe des Herkunftsorts fest. 45 Ob es sich dabei tatsächlich um Umgehungsgeschäfte handelt, ist offen.

39 40

41 42 43 44 45

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.3 Evenett, Simon, Föllmi, Reto, Hodler, Roland, Lukaszuk, Piotr, Widmer Philine, Bericht im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK): Ein- und Ausfuhren und die Frage nach Umgehungsgeschäften im Fall Russland/Ukraine, St. Gallen, 3. April 2017.

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.3 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.2 11 627 importierte Sendungen vor und 20 544 importierte Sendungen nach Inkrafttreten der Sanktionen. Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.2.

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Die Analyse der Zolldaten der PVK zeigt, dass es möglich ist, aus den vorhandenen Daten Informationen zu gewinnen, die auf eine Umgehung der Sanktionen hindeuten könnten.46 Vor diesem Hintergrund begrüsst es die GPK-S, dass das SECO im Mai 2016 ein Kontrollkonzept erarbeitet und selbst Vollzugsdefizite identifiziert hat.

Zum Zeitpunkt der Berichtsredaktion durch die PVK lagen noch keine Informationen zum weiteren Vorgehen vor.47 Auf eine Optimierung in diesem Bereich aufgrund fehlender personeller Ressourcen48 zu verzichten, ist aus Sicht der GPK-S keine Option. Die Kommission ist der Ansicht, dass eine Überwachung anhand der genannten Daten stattfinden sollte.

Empfehlung 3

Schaffung einer angemessenen Datengrundlage

Die GPK-S lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, wie die Qualität der Datengrundlage im Bereich der Zolldeklaration für den Vollzug des Sanktionsregimes verbessert werden kann.

Empfehlung 4

Systematische Verwertung der Informationen aus dem Vollzug

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Informationen aus den Zolldaten und den Melde- und Bewilligungssystemen zwecks einer übergeordneten Überwachung systematisch ausgewertet werden.

2.4

Fehlende übergeordnete Steuerung

Die Untersuchungen der PVK haben gezeigt, dass in Bezug auf verschiedene Aspekte eine übergeordnete Steuerung der Sanktionspolitik fehlt und die Koordination zwischen den verschiedenen Verwaltungsstellen teilweise mangelhaft ist. Beispielsweise werden bei der Vorbereitung der Sanktionsverordnungen trotz wiederkehrender und bekannter Probleme betreffend gewisser Umsetzungsfragen, keine Massnahmen auf allgemeiner Ebene ergriffen und die Fragen jeweils nur für den Einzelfall, respektive für die entsprechende Sanktionsverordnung, beantwortet.49 Wie die PVK weiter feststellte, sind die verschiedenen Informationssysteme in der Bundesverwaltung ungenügend miteinander verbunden. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass die EZV nicht über die Möglichkeit verfügt, zu prüfen, ob vor der Sendung eine Meldung beim SECO erfolgt ist.50 Überdies bestanden in Bezug auf die Zuständigkeiten und Verfahren in der EZV zumindest in einem Fall Unklarheiten. So hatte die EZV die Zollstellen nicht über

46 47 48 49 50

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 6.2 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.4 Argument des WBF, vgl. Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.4.

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 4.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.4

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die Ukraine-Verordnung informiert. Das SECO wiederum war nicht über diesen Missstand im Bilde.51 Für die GPK-S vermag die im Rahmen der PVK vorgebrachte Argumentation des SECO, es sei mangels Weisungsbefugnis nicht dazu in der Lage, die Koordination zwischen den Verwaltungsstellen zu gewährleisten, nicht zu überzeugen.52 Die GPK-S geht mit der PVK einig, dass die Sanktionspolitik im Zuständigkeitsbereich des WBF, respektive des SECO53 liegt und letzterem deshalb die Federführung zuzuordnen ist.54 Dies ist auch aus seiner Überwachungsfunktion abzuleiten, welche sich aus den einzelnen Verordnungen ergibt, wenngleich dort auch andere zuständige Stellen genannt sind.55 Die Ad-hoc Arbeitsgruppe unter der Führung des SECO, die sich neben dem SECO aus Vertretungen aus dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (Politische Direktion, Direktion für Völkerrecht und in Fällen von EUSanktionen die Direktion für europäische Angelegenheiten), dem Eidgenössischen Finanzdepartement (Staatssekretariat für internationale Finanzfragen) dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (Bundesamt für Justiz) und dem NDB zusammensetzt, stellt für die involvierten Akteure ein wichtiges Austauschgremium dar.56 Allerdings kommt die Arbeitsgruppe nur selten zusammen. So fand zwischen November 2015 und 1. Dezember 2017 kein Treffen statt. Seitdem fand eine weitere Sitzung statt, und zwar am 10. August 2018. Die GPK-S erachtet es als wichtig, dass in der Bundesverwaltung bezüglich der Sanktionspolitik ein Gremium existiert, das im Sinne eines Steuerungsausschusses die Koordination zwischen den Verwaltungsstellen und die Überwachung der Sanktionspolitik sicherstellt. Eine effiziente Steuerung setzt jedoch einen regelmässigen Austausch innerhalb des Gremiums voraus.

Empfehlung 5

Stärkung der Überwachung und Koordination durch das SECO

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, die Steuerung der Sanktionspolitik durch das SECO zu stärken und die Koordination zwischen den Verwaltungsstellen durch das SECO zu gewährleisten, indem er ein entsprechendes Steuerungsorgan schafft. Zudem lädt sie den Bundesrat dazu ein, die Verknüpfung der Informationssysteme der EZV und des SECO zu prüfen.

51 52 53 54 55

56

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1 Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1 Art. 5 Abs. 1 OV-WBF Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1 Z.B. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6), Art. 6 der Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR 946.231.157.5) oder Art. 5 der Verordnung vom 13. Mai 2009 über Massnahmen gegenüber Somalia (SR 946.231.169.4).

Bericht der PVK vom 9. Nov. 2017, Ziff. 5.1

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3

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Gestützt auf die PVK-Evaluation hat die GPK-S zwar verschiedene Verbesserungspotentiale im Vollzug identifiziert. Die Evaluation liefert jedoch keine Hinweise, dass diese Mängel auf die Vorgaben des Embargogesetzes zurückzuführen sind und dieses deshalb zu revidieren wäre.

Die zu Beginn der Evaluation aufgeworfene Frage nach der Wirksamkeit der Sanktionsmassnahmen, respektive der Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung von Sanktionen (vgl. Kap. 1), kann aufgrund der PVK-Evaluation nicht abschliessend beantwortet werden. Allerdings lässt sich gestützt auf die Evaluation feststellen, dass keine Hinweise bestehen, welche eine systematische Nichteinhaltung der Sanktionsmassnahmen nahelegen würden. Auch im Falle der Ukraine-Verordnung brachten die Abklärungen keine Hinweise auf eine systematische Umgehung der EU-Sanktionen über die Schweiz.

Die GPK-S ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 18. Januar 2019 zu den obigen Ausführungen und Empfehlungen der GPK-S sowie zu den ihnen zugrundeliegenden Feststellungen der PVK Stellung zu nehmen und darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

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Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Die Präsidentin: Anne Seydoux-Christe Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EFD/WBF: Joachim Eder

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BAK BAZL BV NDB EFD EU EZV EmbG GPK GPK-S OV-WBF ParlG PVK SECO SEM SIAW SR SSA UNO WBF

Absatz Artikel Bundesamt für Kultur Bundesamt für Zivilluftfahrt Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Bundesverfassung; SR 101) Nachrichtendienst des Bundes Eidgenössisches Finanzdepartement Europäische Union Eidgenössische Zollverwaltung Bundesgesetz vom 22. März 2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz; SR 946.231) Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Organisationsverordnung vom 14. Juni 1999 für das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (SR 172.216.1) Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Parlamentarische Verwaltungskontrolle Staatssekretariat für Wirtschaft Staatssekretariat für Migration Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität St. Gallen Systematische Rechtssammlung Schweizerisches Seeschifffahrtsamt Vereinte Nationen Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

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