Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 28. November 2008 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee Stellungnahme des Bundesrates vom 22. April 2009

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 28. November 2008 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee nehmen wir nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. April 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-0978

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 8. Juni 2007 wurde Brigadier Roland Nef vom Bundesrat unter gleichzeitiger Beförderung zum Korpskommandanten zum Chef der Armee gewählt. Das Amt hat er am 1. Januar 2008 angetreten. Nach einer in der Öffentlichkeit intensiv geführten Debatte über die Umstände dieser Ernennung wurde Korpskommandant Nef am 21. Juli 2008 durch den damaligen Vorsteher des VBS, Bundesrat Samuel Schmid, von seiner Funktion entbunden.

In der Folge beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), eine Untersuchung über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Armeechef einzuleiten. Der entsprechende Bericht wurde am 28. November 2008 veröffentlicht, wobei die GPK-N den Bundesrat ersuchte, bis Ende April 2009 dazu Stellung zu nehmen. Gleichzeitig lud die GPK-N den Bundesrat ein, sie über die Massnahmen in Kenntnis zu setzen, die er auf der Grundlage dieses Berichtes zu treffen gedenkt und ihr anzugeben, bis wann er diese Massnahmen umsetzen will.

Der Bundesrat nimmt hiermit Stellung zum Bericht «Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee» der GPK-N.

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Stellungnahme des Bundesrates Empfehlung 1

Auswahlverfahren bei Funktionen mit höchster Verantwortung

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, sie in Kenntnis zu setzen über die Massnahmen, die er auf Grund dieses Berichts zu treffen gedenkt, um das Verfahren zur Auswahl der höchsten Führungskräfte der Bundesverwaltung zu verbessern und neben hoher Fach- und Führungsqualifikation gleichwertig die Klärung der in hohem Mass erforderlichen persönlichen und charakterlichen Eignung im Verfahren zu sichern. Die Kommission erwartet vom Bundesrat, dass den Massnahmenvorschlägen eine grundsätzliche Überlegung über seine Rolle bei der Ernennung von höchsten Führungskräften der Verwaltung vorausgeht.

Gemäss Artikel 2 Absatz 1 der Bundespersonalverordnung (BPV; SR 172.220.111.3) ist der Bundesrat zuständig für die Begründung, Änderung und Beendigung der Arbeitsverträge von Staatssekretärinnen und Staatssekretären, von Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren, deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter, von höheren Stabsoffizieren, Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der Departemente sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter, Vizekanzlerinnen und Vizekanzler der Bundeskanzlei, Missionschefinnen und Missionschefs, der Bundesanwältin oder des Bundesanwalts, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie weiterer hoher Kaderangehöriger der Bundesverwaltung. Auf dieser Basis werden vom Bundesrat jährlich mehrere Dutzend Arbeitsverhältnisse begründet.

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Auch wenn im vorliegend von der GPK-N untersuchten Fall ein Fehlentscheid getroffen wurde und dieser eine besonders verantwortungsvolle und exponierte Funktion betrifft, ist festzuhalten, dass bei der ganz überwiegenden Zahl von Ernennungen durch den Bundesrat keine gravierenden Mängel festzustellen sind. Die gängige Praxis für die Selektion von höchsten Kadern der Bundesverwaltung hat sich denn auch nach Überzeugung des Bundesrates grundsätzlich bewährt.

Der Selektionsprozess für höchste Führungskräfte muss auch in Zukunft situationsgerecht und auf den Einzelfall zugeschnitten abgewickelt werden können. Das bedeutet, dass ein gewisser Ermessensspielraum vorhanden sein muss. Zudem liegt es im Interesse des Bundes, zum Schutz der Kandidatinnen und Kandidaten auch in Zukunft ein Höchstmass an Vertraulichkeit zu gewährleisten.

Dennoch erkennt der Bundesrat gestützt auf die Abklärungen und den Bericht der GPK-N für die Selektion höchster Führungskräfte folgende Optimierungsmöglichkeiten: Gestaltung des Verfahrensablaufs Im Bericht der GPK-N wird unter anderem deutlich, dass im untersuchten Fall mehrere Gremien und Instanzen am Gewinnungs- und Auswahlprozess beteiligt waren. Sie waren in ihrer Aufgabe zuwenig systematisch aufeinander abgestimmt und untereinander vernetzt, mit zum Teil unerwünschten Auswirkungen auf den Informationsfluss.

Der Bundesrat ergreift folgende Massnahme: Zur Sicherstellung einer hohen Qualität im Selektionsprozess höchster Führungskräfte wird sichergestellt, dass das rekrutierende Departement eine ergebnisverantwortliche Person bestimmt, welche das Geschäft im Auftrag der Departementsvorsteherin bzw. des Departementsvorstehers koordiniert und führt sowie die Nachvollziehbarkeit des Wahlgeschäfts bezüglich Vorgehen, Auswahlverfahren und Entscheid jederzeit gewährleistet. An Stelle einer ergebnisverantwortlichen Person kann auch eine Kommission diese Funktion übernehmen, wie dies beispielsweise im EDA für die Selektion der Missionschefinnen und Missionschefs der Fall ist. Wichtig für den Bundesrat ist jedoch, dass eine einzige Stelle das Verfahren führt.

Einsatz von Evaluationsinstrumenten Wie der Bericht der GPK-N zeigt, kamen in dem von ihr untersuchten Fall verschiedene Evaluationsinstrumente bzw. -verfahren zur Anwendung (Referenzabklärungen, strukturierte Interviews,
zeitlich zurückliegende Potentialanalyse). Sie wurden allerdings suboptimal eingesetzt beziehungsweise zuwenig aufeinander abgestimmt.

Der Bundesrat ergreift folgende Massnahme: Für jeden Personalentscheid, welcher vom Bundesrat zu treffen ist, sollen der zuständigen Departementsvorsteherin bzw.

dem zuständigen Departementsvorsteher künftig Grundlagen zur Verfügung stehen, namentlich in Bezug auf die Eignung in fachlicher, führungsmässiger, persönlicher und charakterlicher Hinsicht. Grundlagen für den Evaluationsprozess bilden ein aktualisierter Stellenbeschrieb und ein darauf abgestütztes Anforderungsprofil. Zur Ermittlung der führungsmässigen sowie der persönlichen und charakterlichen Eignung werden für den engsten Kreis der Kandidatinnen und Kandidaten geeignete Verfahren angewendet (z.B. Assessments). Die Ergebnisse der Eignungsprüfung werden von der ergebnisverantwortlichen Person gewürdigt und schriftlich festgehalten.

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Information des Bundesrates zum Wahlgeschäft Wie der Bericht der GPK-N zeigt, ist der Ablauf von Wahlgeschäften abgesehen von der Zuordnung der Wahlkompetenz gemäss Artikel 2 Absatz 1 BPV rechtlich nicht festgelegt. Grundsätzlich hat sich die bisherige Praxis bewährt, wonach die Vorbereitung des Wahlgeschäfts in der Verantwortung des antragstellenden Departements liegt. Dem Bundesrat wird ein schriftlicher Bundesratsantrag unterbreitet. Zum Schutz von Persönlichkeit und beruflicher Stellung der Kandidatinnen und Kandidaten ist im Wahlverfahren absolute Vertraulichkeit zu gewährleisten, so dass in aller Regel in den schriftlichen Unterlagen keine Informationen über unterlegene Bewerberinnen und Bewerber abgegeben werden.

Der Bundesrat ergreift folgende Massnahme: Zur Verbesserung der Informationslage zum Wahlgeschäft wird der schrifliche Wahlantrag des Departements in Zukunft um eine anonymisierte Kurzinformation zum Auswahlverfahren und dessen Ergebnisse ergänzt. Der Antrag kann zudem auf Initiative des antragstellenden Departements oder auf Wunsch eines anderen BR-Mitgliedes durch mündliche Informationen anlässlich der Bundesratssitzung ergänzt werden.

Der Bundesrat hat das EFD mit der Umsetzung dieser Massnahmen bis Ende 2009 beauftragt.

Empfehlung 2

Einsicht in eingestellte und abgeschlossene Strafverfahren

Der Bundesrat sorgt dafür, dass im Rahmen der laufenden BWIS-Revision die nötigen Vorkehren getroffen werden, dass die Fachstelle bei Personensicherheitsprüfungen der höchsten Stufe auch in abgeschlossene oder eingestellte Strafverfahren Einsicht in die Akten nehmen kann.

Die Personensicherheitsprüfungen (PSP) bilden einen Teil des staatlichen Risikomanagements. Eine der grössten Bedrohungen für den Staat entsteht dann, wenn an wichtigen Schlüsselpositionen eingesetzte Personen Verrat üben, gegen den Staat selber arbeiten oder seine Institutionen auf rechtswidrige Art verändern wollen. Die PSP sollen insbesondere dazu dienen, den Staat vor solchen Schädigungen zu bewahren.

Mit der Schaffung des BWIS wurde im Jahr 1999 die Gesetzesgrundlage für die PSP geschaffen. In Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe c BWIS wurde die PSP verankert und in den Artikel 19­21 näher ausgeführt. Für die Durchführung der PSP wurde der Bundesrat beauftragt, eine Fachstelle zu bezeichnen.

Gemäss Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d BWIS können im Rahmen der PSP bei den Strafverfolgungsorganen Auskünfte über laufende Strafverfahren eingeholt werden.

Der Bundesrat teilt die Beurteilung der GPK-N, wonach bei Prüfungen der höchsten Stufe in Zukunft auch die Einsicht in Akten von abgeschlossenen oder eingestellten Strafverfahren möglich sein muss.

Der Bundesrat ist daher mit Empfehlung 2 einverstanden, denn sie ist geeignet, die Qualität der Personensicherheitsüberprüfungen wesentlich zu verbessern. Diese Massnahme wird im Rahmen der laufenden BWIS-Revision umgesetzt. Dabei wird am bisher geltenden Grundsatz festgehalten, wonach eine Personensicherheitsprüfung mit entsprechender Akteneinsicht nur dann durchgeführt werden kann, wenn die Zustimmung der zu prüfenden Person vorliegt. Noch offen ist für den 3484

Bundesrat, ob er sich bei der Gewährung von Einsicht in abgeschlossene oder eingestellte Strafverfahren wie von der GPK-N vorgeschlagen auf Personensicherheitsüberprüfungen der höchsten Stufe beschränken wird oder ob dieses Einsichtsrecht auch für gewisse zusätzliche Stufen gewährt werden soll.

Empfehlung 3

Unterstellung der Fachstelle PSP

Der Bundesrat sorgt dafür, dass die Fachstelle PSP aus dem VBS ausgegliedert wird und prüft die Angliederung bei der Bundeskanzlei oder bei einem Departement, das nur eine geringe Anzahl von Funktionen aufweist, die einer Personensicherheitsprüfung unterliegen.

Bis zur Inkraftsetzung des BWIS und der Verordnung über die Personensicherheitsprüfungen (PSPV) waren für die PSP einerseits das Eidgenössische Personalamt (für BK, EDI, EJPD und EFD) und anderseits die restlichen Departemente zuständig (insgesamt 5 Prüfstellen).

Der Bundesrat hatte denn auch in einem ersten Entwurf zum BWIS vorgesehen, innerhalb der Bundesverwaltung mehrere Stellen mit der Durchführung der PSP zu betrauen. Das Parlament hat jedoch entschieden, es sei lediglich eine Stelle im Bund damit zu beauftragen, und zwar sowohl für die zivilen Bereiche als auch für die Armee.

Nachdem das Parlament eine einheitliche Stelle verlangt hatte, wurde geprüft, wo die neu zu schaffende Stelle angesiedelt werden sollte. Nach einer ersten Evaluation sind die Bundeskanzlei, das Eidgenössische Personalamt (EFD) sowie das VBS verblieben. Schliesslich wurde entschieden, die Fachstelle im VBS, in der neu geschaffenen Abteilung Informations- und Objektsicherheit (AIOS) anzusiedeln.

Der Hauptgrund für diese Unterstellung lag darin, dass 90 % aller PSP für das VBS durchgeführt werden (Zivilangestellte, Armeeangehörige und Dritte im Rahmen der Industriesicherheit). Um im Rahmen der Sicherheitsprüfungen Personenrisiken im Bereich der Armee beurteilen zu können, sind sehr gute Kenntnisse der Armee notwendig. Eine Neuunterstellung der PSP ausserhalb des VBS hätte daher erhebliche Effizienzverluste zur Folge.

Die nationalen und internationalen Erfahrungen der letzten Jahre haben die Richtigkeit dieses Entscheides bestätigt. Zwischen den verschiedenen Sicherheitsbereichen bestehen ein permanenter Dialog und grosse gegenseitige Abhängigkeiten. Für den Bereich der Industriesicherheit (Durchführung von sogenannten Geheimschutzverfahren) stellt die PSP einen integralen Bestandteil dar. Im Rahmen der Sicherheitsabkommen mit der EU (Grundlage für den Austausch von klassifizierten Informationen u.a. im Zusammenhang mit Schengen) ist die Fachstelle PSP einer umfassenden Überprüfung durch die Sicherheitskommission der EU unterzogen worden (EU-Assessement). Die Fachstelle hat diese Überprüfung durch die EU auf Anhieb erfüllt und die Prüfprozesse sowie das Know-how sind dabei als sehr gut beurteilt worden.

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Zwar könnte mit einer Neuunterstellung in der BK erreicht werden, dass die Fachstelle nicht mehr ihre Vorgesetzten im VBS überprüfen muss. Doch auch mit diesem Modell wäre die Fachstelle in eine übergeordnete Verwaltungseinheit integriert, deren Chefs und damit Vorgesetzte der Fachstelle ebenfalls PSP unterzogen werden.

Der Bundesrat kommt deshalb zum Schluss, dass die Fachstelle PSP im VBS belassen werden soll, womit der integrale Sicherheitsansatz weiterverfolgt wird. Mit der geplanten Revision des BWIS und der PSPV kann eine möglichst grosse Unabhängigkeit der Fachstelle verankert werden. Eine obligatorische Sicherheitsprüfung vor der Wahl (zumindest für Funktionen mit höchster Verantwortung) und die Gewährleistung des direkten Zugangs der Fachstelle zum Departementschef bei Schlüsselfunktionen sind nach Überzeugung des Bundesrates die geeigneteren Massnahmen als eine Neuunterstellung der Fachstelle PSP.

Empfehlung 4

Richtlinien über den Status der Fachstelle PSP und die Informationsübermittlung

Der Bundesrat sorgt dafür, dass Richtlinien geschaffen werden, in denen die Unabhängigkeit der Fachstelle PSP klar festgelegt und der Informationsfluss entsprechend geregelt wird.

Der Bundesrat ist mit dieser Empfehlung einverstanden. Er hat das VBS beauftragt, bis Ende 2009 die Verordnung über die Personensicherheitsprüfungen (PSPV) entsprechend zu revidieren.

Empfehlung 5

Zeitpunkt der Personensicherheitsprüfung

Die GPK-N ersucht den Bundesrat zu prüfen, ob es zweckmässig sei, bei gewissen Funktionen mit höchster Verantwortung die Personensicherheitsprüfung vor der Ernennung durchzuführen. Weiter sorgt der Bundesrat dafür, dass im Rahmen der laufenden BWIS-Revision die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, dass der Wortlaut von Artikel 19 Absatz 3 BWIS in allen drei Amtssprachen inhaltlich gleich lautet.

Der Bundesrat ist mit dieser Empfehlung einverstanden und wird das BWIS bei nächster Gelegenheit (voraussichtlich im Rahmen der Beratung der Revision gemäss der Botschaft vom 15.06.2007, BBl 2007 5037) so anpassen, dass die Sicherheitsüberprüfung zumindest bei Funktionen mit höchster Verantwortung vor der Ernennung durchgeführt wird. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass der Wortlaut des entsprechenden Artikels in allen drei Amtssprachen gleich lautet.

Empfehlung 6

Abgangsentschädigungen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, die Rechtslage in Bezug auf Abgangsentschädigungen bei einvernehmlichen Beendigungen von Arbeitsverhältnissen verbindlich zu regeln.

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Der Bundesrat ist mit dieser Empfehlung einverstanden. Im Rahmen der anstehenden Revision der Bundespersonalverordnung, die noch im laufenden Jahr an die Hand genommen wird, wird die Frage der Abgangsentschädigungen bei einvernehmlicher Auflösung geprüft und einer geeigneten Regelung zugeführt werden.

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