09.022 Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes (Bilanzreserve zur Finanzierung von Begleitmassnahmen im Zusammenhang mit internationalen Abkommen im Bereich der Landwirtschaft) vom 25. Februar 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit Botschaft und Entwurf zu einer Änderung des Landwirtschaftsgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. Februar 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-2910

1335

Übersicht Am 14. März 2008 hat der Bundesrat beschlossen, mit der EU Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich (FHAL) und im Bereich der öffentlichen Gesundheit aufzunehmen. Im Hinblick auf ein solches Abkommen und eines möglichen Abschlusses der Doha-Runde der WTO soll möglichst frühzeitig eine Bilanzreserve zur Finanzierung von Begleitmassnahmen (Spezialfinanzierung) geschaffen werden. Am 4. November 2008 wurden die Verhandlungen für ein FHAL in Brüssel offiziell eröffnet.

Mit der vorliegenden Botschaft wird die Einführung eines neuen Artikels 19a im Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 19981 (LwG) vorgeschlagen. Er sieht vor, im Rahmen einer Spezialfinanzierung gemäss Artikel 53 des Finanzhaushaltsgesetzes vom 7. Oktober 20052 (FHG) die Zolleinnahmen von importierten Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln (Kap. 1­24 des Zolltarifs) für die Finanzierung von Begleitmassnahmen zu reservieren. Diese Zweckbindung soll bereits ab 2009 bis zur Umsetzung eines FHAL und/oder eines WTO-Abkommens vorgenommen werden. Da jedoch keine unbefristete Massnahme geschaffen werden soll und der Endpunkt noch nicht festgelegt werden kann, wird die Zweckbindung vorerst auf 8 Jahre bis 2016 beschränkt.

Die mit der Spezialfinanzierung verbundene frühzeitige Reservierung von später benötigten Mitteln ist ein vertrauensbildendes Signal, die Finanzierung der Begleitmassnahmen sicherstellen zu wollen. Die erwähnte Mittelreservierung regelt die schuldenbremsenkonforme Finanzierung von Begleitmassnahmen noch nicht. Dazu wird der Bundesrat im Rahmen einer Botschaft zur Umsetzung mindestens eines der beiden Abkommen ein entsprechendes Konzept vorlegen.

1 2

SR 910.1 SR 611.0

1336

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Freihandelsabkommen mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich (FHAL)

Am 14. März 2008 stimmte der Bundesrat einem Mandat für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich (FHAL) sowie einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu.

Am 4. November 2008 wurden die Verhandlungen für ein FHAL in Brüssel eröffnet.

Mit einem FHAL wird eine umfassende bilaterale Liberalisierung des Handels mit Agrargütern und Lebensmitteln angestrebt. Es würde sowohl tarifäre Handelshemmnisse (wie Zölle und Kontingente) als auch nichttarifäre Hürden (wie unterschiedliche Produktionsvorschriften und Zulassungsbestimmungen) abbauen. Das FHAL würde nicht nur landwirtschaftliche Rohstoffe (Milch, Schlachtvieh usw.) umfassen, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche. Mit anderen Worten, es wären auch die für die landwirtschaftliche Produktion notwendigen Produktionsmittel (Saatgut, Dünger, Futtermittel usw.) und die Verarbeitungsprodukte (Würste, Joghurt, Teigwaren usw.) eingeschlossen.

Das FHAL fügt sich somit in die bisher vorgenommenen Reformen der Agrarpolitik ein. Es bezweckt eine bessere Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft auf internationaler Ebene und ist ein fester Bestandteil der Wachstumspolitik, die der Bundesrat im April 2008 beschlossen hat. Mit einer Öffnung gegenüber der EU würden die Produktionskosten für den gesamten Nahrungsmittelsektor in der Schweiz zurückgehen, und es könnten neue Absatzmärkte in der EU erschlossen werden. Für die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten hätte dies tiefere Lebensmittelpreise zur Folge. Die Auswirkungen für die Wirtschaft wären weitgehend positiv und würden sich in einer dauerhaften Erhöhung des Bruttoinlandprodukts (BIP) um rund 0,5 Prozent niederschlagen, was gemäss Schätzungen des Jahres 2007 mindestens 2 Milliarden Franken entspricht. Das Projekt beinhaltet aber weder eine Übernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU noch einen Beitritt zur EU-Zollunion. Die EU stellt einen Markt von 490 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten dar, die zum grossen Teil ähnliche Präferenzen und Werte haben wie diejenigen in der Schweiz (Multifunktionalität der Landwirtschaft, Umweltschutz). Dank dem Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse, wie sie das FHAL anstrebt, hätten die Schweizer Exporteure die Möglichkeit, sich Anteile am Markt
unseres wichtigsten Handelspartners zu sichern.

Alle diese Auswirkungen sowie der mögliche Inhalt eines Abkommens werden im Bericht in Erfüllung des Postulats 06.3401 Frick «Auswirkungen eines allfälligen Freihandelsabkommens im Agrar- und Lebensmittelbereich auf die Landwirtschaft und auf die vor- und nachgelagerten Bereiche», der vom Bundesrat am 14. März 2008 gutgeheissen wurde, im Detail dargelegt3: 3

http://www.blw.admin.ch/themen/00005/00298/index.html?lang=de

1337

4

­

Infolge eines FHAL würden auf Bundesebene (bezogen auf den bilateralen Handelsverkehr Schweiz-EU mit Agrargütern) als unmittelbarer Effekt sowohl die Einnahmen aus den Einfuhrzöllen als auch die Ausgaben für Ausfuhrbeiträge wegfallen. Nach Abzug der wegfallenden Ausfuhrbeiträge dürfte der Einnahmenausfall des Bundes noch rund 425 Millionen Franken pro Jahr betragen. Das Ausmass des effektiven Einnahmenverzichts zum Zeitpunkt der Umsetzung des FHAL hinge jedoch davon ab, ob und inwieweit die betreffenden Einfuhrzölle nicht bereits vorgängig ­ entweder im Rahmen der WTO-Doha-Runde oder autonom ­ abgebaut worden wären, insbesondere infolge einer weltweiten Erhöhung der Lebensmittelpreise.

­

Ferner wären Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer (MwSt) zu erwarten, da die Senkung der Nahrungsmittelpreise zu Verschiebungen in der Struktur und im Niveau des Endkonsums der Schweizer Bevölkerung führen würde.

Per Saldo dürften die kumulierten Preis- und Einkommenseffekte eines FHAL zu Mehreinnahmen bei der MwSt von über 110 Millionen Franken pro Jahr führen ­ dies unter der Annahme, dass die beim Kauf von Lebensmitteln (die zu einem reduzierten Satz besteuert werden) erzielten Ersparnisse vor allem für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen eingesetzt werden, die zum Normalsatz besteuert werden.

­

Wie oben erwähnt, führt die Umsetzung eines FHAL gemäss Simulationen mit einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell zu einer dauerhaften Steigerung des BIP um mindestens 0,5 Prozent. Dies stellt eine eher vorsichtige Schätzung unter den vorherrschenden Bedingungen im Jahr 2007 dar. Ein höheres BIP führt schliesslich zu höheren Steuereinnahmen, und zwar sowohl auf Ebene des Bundes als auch auf Ebene der Kantone und Gemeinden. Dieser Wachstumseffekt würde sich nach Erreichen der neuen Gleichgewichtssituation vollständig einstellen und hinge von der Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus ab. Geht man von einem Zeithorizont für die Anpassung an das neue Gleichgewicht von 10 Jahren nach Inkrafttreten des FHAL aus, so beliefen sich die zusätzlichen Einnahmen des Bundes aufgrund dieses Wachstumseffekts auf rund 450 Millionen Franken pro Jahr.

Diese Schätzung basiert auf den dem Finanzplan 2007­20114 zugrunde liegenden Annahmen über die zu erwartende Wirtschaftsentwicklung und auf der durch langjährige Erfahrung gestützten Faustregel, wonach jeder Anstieg des BIP einen proportionalen Anstieg der Bundeseinnahmen zur Folge hat.

Es ist zu erwarten, dass der Wachstumseffekt in geringerem Ausmass aber bereits vorher spürbar wäre.

­

Ein FHAL würde den Bundeshaushalt also in der Umsetzungsphase vorübergehend belasten, wobei sich längerfristig eine dauerhafte Erhöhung der Bundeseinnahmen einstellen würde.

­

Die Öffnung der Märkte stellt für die Landwirtschaft jedoch eine erhebliche Herausforderung dar. Damit die Betriebe sich auf die neuen Märkte ausrichten und sich restrukturieren können, ist nur eine schrittweise Einführung eines FHAL flankiert mit Begleitmassnahmen möglich.

Im Finanzplan werden die Einnahmen des Bundes im Jahr 2011 auf 65 Mia. Fr. veranschlagt. Die Extrapolation der Einnahmenentwicklung bis ins Jahr 2021 basiert auf der Annahme eines mittelfristigen nominalen BIP-Wachstums von 3 % pro Jahr (reales Trendwachstum 1,5 %, Teuerung 1,5 %).

1338

Gleichzeitig mit dem Entscheid für die Aufnahme von Verhandlungen mit der EU hat der Bundesrat am 14. März 2008 beschlossen, eine Botschaft betreffend die Finanzierung von Begleitmassnahmen zu erarbeiten.

1.1.2

WTO-Verhandlungen der Doha-Runde

Die Teilnahme der Schweiz am multilateralen Handelssystem ist entscheidend für ihre Volkswirtschaft, die einen von zwei Franken am Export verdient. Die aktuelle WTO-Verhandlungsrunde steht zudem unter dem Zeichen der Entwicklung. Schwellenländer verfügen über einen besonders wettbewerbsfähigen Agrarsektor und streben daher eine weitgehende Liberalisierung des Agrarhandels an.

Auch wenn die Chancen, dass es im Rahmen der WTO-Verhandlungen in naher Zukunft zu einer Einigung kommt, ungewiss sind, dürfen die Auswirkungen, die ein solches Abkommen auf die Landwirtschaft in der Schweiz haben könnte, nicht unterschätzt werden. Da der Grenzschutz in der Schweiz sehr hoch ist, würde der beim derzeitigen Verhandlungsstand geplante Zollabbau die Schweizer Landwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen stellen. Um einen aus ökonomischer und sozialer Sicht tragbaren Übergang sicherzustellen, wären Begleitmassnahmen nötig, da sich ein Zollabbau in ähnlicher Weise auf das Einkommen der Landwirtschaft auswirken dürfte wie das FHAL (vgl. Ziff. 1.3). Zu den kurzfristig schwierigen Auswirkungen eines WTO-Abschlusses für die Landwirtschaft hat der Bundesrat zudem in seinen Antworten auf die Interpellationen Walter (07.3400) und Joder (08.3132) die Prüfung von befristeten Begleitmassnahmen und geeigneten Finanzierungsoptionen in Aussicht gestellt.

Deshalb sollen die bei einer Umsetzung eines WTO-Abkommens notwendigen Begleitmassnahmen mit demselben Instrument finanziert werden können. Dieser Notwendigkeit ist bei der Ausarbeitung der neuen Rechtsgrundlage Rechnung zu tragen.

1.2

Notwendigkeit von Begleitmassnahmen

Es ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbar, welches der beiden Abkommen zuerst in Kraft treten wird. Die Auswirkungen der beiden Abkommen auf die Erträge der Landwirtschaft sind nicht kumulativ. Sollte das Inkrafttreten der WTOAbkommen der Umsetzung des FHAL vorangehen, hätte das FHAL nur geringfügige weiterreichende Auswirkungen und würde grundsätzlich keine zusätzlichen Begleitmassnahmen erfordern. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass das FHAL vor dem WTO-Abkommen in Kraft tritt. In beiden Fällen hätte die Marktöffnung wegen der Angleichung der Inland- an die Importpreise einen Einkommensausfall in der Landwirtschaft zur Folge. Verglichen mit einer Weiterentwicklung des Agrarsektors ohne aussenpolitische Öffnung (bisheriger Rhythmus: konstanter Rückgang des landwirtschaftlichen Sektoreinkommens um 2,5 % pro Jahr) würde während einer mehrjährigen Anpassungsperiode eine kumulierte zusätzliche Einkommensreduktion der Landwirtschaft in der Grössenordnung von mehreren Milliarden Franken entstehen. Wie gross diese Einkommenslücke effektiv ausfiele, hinge davon ab, wie gut die Landwirtschaft die zusätzlichen wirtschaftlichen Chancen nutzen kann (Kostensenkungs- und Exportpotenziale, Produktivitätssteigerungen, Spezialisierung in 1339

Bereichen mit hoher Wertschöpfung), wie das Abkommen ausgestaltet ist und wie gross die Preisunterschiede zum Zeitpunkt des Inkrafttretens sind. Um die Betriebe beim Übergang in die neue Marktsituation zu unterstützen und die nötigen Umstellungen sozialverträglich zu gestalten, wären neben auszuhandelnden Übergangsfristen angemessene autonome Begleitmassnahmen notwendig.

1.2.1

Arbeitsgruppe Begleitmassnahmen

Als der Bundesrat das Verhandlungsmandat für ein FHAL guthiess, anerkannte er die Notwendigkeit von Begleitmassnahmen. Zu diesem Zweck beauftragte er das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD), in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement und unter Zuzug von Fachleuten ausserhalb der Bundesverwaltung sowie von Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Kreise konkrete Vorschläge für Begleitmassnahmen auszuarbeiten.

Das EVD setzte am 8. April 2008 eine Arbeitsgruppe ein, die konkrete Massnahmen zur Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte und eventuell auch anderer vom FHAL betroffener Unternehmen beim Übergang zu einer neuen Marktordnung ausarbeiten soll. Die Arbeitsgruppe besteht aus Delegierten 15 repräsentativer Organisationen der gesamten Agrar- und Lebensmittelbranche sowie aus zwei Kantonen.

Gemäss EVD-Mandat sind die Begleitmassnahmen auf zweierlei Ziele auszurichten: Einerseits soll den weiterhin aktiven Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelbranche ermöglicht werden, den sozialverträglichen Übergang in eine offene Marktsituation zu meistern und dort ihre Vorzüge geltend zu machen. Die betroffenen Akteure sollen schnell die neuen Marktpotenziale ausnutzen und möglichst optimale Strukturen bilden können. Andererseits sollen die Begleitmassnahmen den Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern, die sich ausserhalb des Agrarsektors neu orientieren werden, die Neuausrichtung erleichtern und Anfangsinvestitionen ermöglichen.

Die Arbeitsgruppe äussert sich zu Form, Dauer, Zeitpunkt der Umsetzung und allfälligen Differenzierungen der Massnahmen je nach Akteur. Zudem ist zu überprüfen, ob die bestehenden Instrumente der Agrarpolitik und anderer politischer Bereiche angepasst werden müssen, und wenn ja, in welcher Form. Die Höhe der einzusetzenden Mittel soll jedoch erst bei Inkrafttreten des Abkommens festgelegt werden. Die Arbeitsgruppe erarbeitet bis Mitte 2009 einen Bericht zuhanden des EVD.

1.2.2

Parlamentarische Vorstösse

Im Rahmen der Beantwortung mehrerer parlamentarischer Vorstösse hat sich der Bundesrat zur Notwendigkeit von Begleitmassnahmen bei Abschluss eines FHAL und der Doha-Runde geäussert: 06.3121 ­ Interpellation Müller Walter ­ Agrarfreihandel mit der EU. Konsequenzen für die Landwirtschaft?

06.3401 ­ Postulat Frick ­ EU-Agrarfreihandel. Klarheit schaffen vor der Aufnahme von Verhandlungen: Der Bundesrat hat den Bericht in Erfüllung des Postulats Frick am 14. März 2008 gutgeheissen.

1340

07.3400 ­ Interpellation Walter Hansjörg ­ WTO-Verhandlungen. Auswirkungen auf die Landwirtschaft 07.3527 ­ Motion Fehr Mario ­ Abkommen über Freihandel im Agrar- und Lebensmittelbereich 07.3474 ­ Interpellation Schibli ­ Ruinöse Zukunftsperspektiven für die Schweizer Landwirtschaft 07.3824 ­ Interpellation Müller Walter ­ Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die schweizerische Gemüsewirtschaft 08.3089 ­ Interpellation Häberli-Koller Brigitte ­ Agrarfreihandel. Zukunft des Schweizer Gemüseanbaus sichern 08.3098 ­ Interpellation Kunz Josef ­ Agrarfreihandel mit der EU 08.3132 ­ Interpellation Joder ­ WTO-Verhandlungen und Landwirtschaft 08.3857 ­ Interpellation SVP-Fraktion ­ Freihandelsabkommen im Agrarbereich

1.3

Schätzung des Finanzbedarfs für Begleitmassnahmen

Der Umfang der für die Begleitmassnahmen in der Landwirtschaft benötigten Mittel soll sich nach dem Rückgang des landwirtschaftlichen Sektoreinkommens richten.

Konkret ist der Anteil der Einkommensreduktion von Bedeutung, der nicht durch Produktivitätsfortschritt und einen sozialverträglichen Strukturwandel aufgefangen werden kann. Das resultierende Sektoreinkommen ist sowohl von der Entwicklung der Preise und Kosten wie auch vom Verhandlungsergebnis abhängig und kann daher nur kurz vor dem Inkrafttreten zuverlässig berechnet werden. Um die Grössenordnung des Rückgangs des Sektoreinkommens weit im Voraus abschätzen zu können, hat die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz Tänikon (ART) Berechnungen mit dem dynamischen Angebotsmodell SILAS vorgenommen5. Als Basis für die Prognosen dienten die Jahre 2002­2004. Auf dieser Grundlage wurden vier Szenarien berechnet: ­

Referenzszenario AP 2011

­

WTO ohne FHAL

­

FHAL ohne WTO

­

FHAL und WTO parallel

Das Referenzszenario bildet das Sektoreinkommen nach Umsetzung der Agrarpolitik 2011 ab. Im Zeitraum von 2004­2011 geht dabei das Sektoreinkommen von rund 3 auf 2,5 Milliarden Franken zurück. Dies entspricht einer jährlichen Reduktion von 2,2 Prozent.

Für die drei aussenhandelspolitischen Szenarien hat das BLW die Preisentwicklung bei einer Umsetzung der jeweiligen Abkommen bis 2015 geschätzt. Es zeigt sich, dass das auf dieser Basis geschätzte Sektoreinkommen der Landwirtschaft bei einem WTO-Abschluss und einem FHAL unmittelbar nach dem vollständigen Zollabbau 5

Bezüglich Methodik des Modells vgl. Mack G. und Flury C. (2006): Auswirkungen der Agrarpolitik 2011, Tänikon.

1341

etwa auf das gleiche Niveau zu liegen kommt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein FHAL gegenüber dem Szenario WTO der Schweizer Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie den ungehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt eröffnet. Dadurch erhielten die wettbewerbsfähigen Teile der Land- und Ernährungswirtschaft die Chance, die mit dem erhöhten Importdruck verbundenen Preissenkungen und Marktanteilsverluste im Inland zumindest teilweise mit einer Ausdehnung ihres Absatzes im Ausland auszugleichen. Ein WTO-Abkommen wäre nur bedingt mit besseren Marktzutrittsmöglichkeiten im Ausland verbunden und würde folglich langfristig nicht die gleichen Perspektiven bieten wie ein FHAL.

Werden beide Abkommen gleichzeitig umgesetzt, sinkt das Einkommen leicht stärker, weil die Preise im EU-Raum durch den WTO-Abschluss ebenfalls sinken würden. Das jährliche Sektoreinkommen geht von 2011­2015 je nach Szenario zwischen 750 und 900 Millionen Franken zurück. Die Ergebnisse für das Zieljahr variieren nur geringfügig, wenn die Umsetzung auf einen längeren oder kürzeren Zeitraum verteilt wird. Diese Werte sind als mittlere Schätzungen zu betrachten. Sie hängen stark von den getroffenen Annahmen über die künftige Entwicklung der Preise und Kosten ab. Prognosen über die Entwicklung der Weltmarkt- und EU-Preise für Agrargüter, der Wechselkurse oder der Energie- und übrigen Betriebsmittelpreise sind mit grossen Unsicherheiten behaftet. Im Rahmen von früheren Berechnungen wurde eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Eine Variierung bei den Produktpreisen um +/­10 Prozent führte zu einer Veränderung des jährlichen Sektoreinkommens von +/­300 Mio. Franken. Bei dieser Sensitivitätsanalyse wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass Variationen von Preisen und Kosten meistens parallel verlaufen und sich so teilweise neutralisieren.

Um den Finanzbedarf für die Begleitmassnahmen abschätzen zu können, wird davon ausgegangen, dass auch bei weiteren internen Reformen nach Umsetzung der Agrarpolitik 2011 und ohne Abschluss der beiden internationalen Abkommen die Landwirtschaft eine Reduktion des Sektoreinkommens in der Grössenordnung von 2,5 Prozent pro Jahr ohne Begleitmassnahmen bewältigen kann. Mit diesem Rhythmus wäre weiterhin eine sozialverträgliche Anpassung der Strukturen möglich.

1342

Abbildung 1 Schematische Berechnung der Einkommenslücke als Folge eines internationalen Abkommens

Entwi cklungspfad des Agrarsektors ohne aussenpoli ti sche Öffnung (APPfad: -2,5% ) Entwi cklung mit i nternati onalen Abkommen, ohne Beglei tmassnahmen Einkommenslücke

Dieser als mittelfristig sozialverträglich erachtete Entwicklungspfad des Sektoreinkommens (AP-Pfad) dient als Referenz. Die aussenhandelspolitischen Szenarien werden gemäss den SILAS-Schätzungen das landwirtschaftliche Sektoreinkommen jährlich um mehr als 2,5 Prozent reduzieren. Die Einkommenslücke berechnet sich aus den summierten jährlichen Differenzen zwischen dem AP-Pfad und der prognostizierten Einkommensentwicklung der aussenpolitischen Szenarien ohne Berücksichtigung zusätzlicher Begleitmassnahmen.

Bezüglich der zeitlichen Abfolge der Grenzöffnungen wurden zwei Szenarien auf Basis der SILAS-Ergebnisse analysiert. Sie gehen beide von einer fünfjährigen Anpassungsperiode aus. Im ersten Szenario beginnt die Umsetzung eines WTOAbkommens im Jahr 2011 und ein Jahr später folgt der schrittweise Abbau des Grenzschutzes gegenüber der EU. Beim zweiten Szenario werden das FHAL ab 2013 (allfällige Verzögerung zum Beispiel in Folge längerer Verhandlungen oder eines Referendums) und ein WTO-Abkommen ab 2014 umgesetzt.

Tabelle 1 Szenarien für die Umsetzung internationaler Abkommen Umsetzung

Beginn

Ende

WTO

FHAL

WTO

FHAL

Szenario 1

2011

2012

2016

2017

Szenario 2

2014

2013

2019

2018

1343

Da als Referenzszenario eine kontinuierliche Verminderung des Sektoreinkommens gemäss dem AP-Pfad dient, verringert sich die Einkommenslücke, je später mit der Umsetzung der Abkommen begonnen wird. Im ersten Szenario beginnt der Abbau der Agrarstützung auf einem höheren Niveau und wirkt sich deshalb bis zum Ende der Übergangsperiode stärker auf das Sektoreinkommen aus. Ab 2019 unterscheidet sich die Einkommensdifferenz zum AP-Pfad zwischen den beiden Szenarien nicht mehr.

Abbildung 2 Berechnete Einkommenslücke der beiden zeitlichen Szenarien 700 T otal Szenario 1: rund 5 Mrd. Fr.

600

T otal Szenario 2: rund 3,6 Mrd. Fr.

Mio. Fr.

500 400 300 200 100 0 2011

2013

2015

2017

2019

2021

2023

2025

2027

Die Bandbreite möglicher Einkommenslücken hängt nicht nur vom zeitlichen Ablauf, sondern auch von anderen Faktoren ab. Bei einer optimistischen Variante wird angenommen, das Sektoreinkommen liege aufgrund einer über Erwarten günstigen Entwicklung bei Preisen, Kosten und anderen Faktoren nach Umsetzung der beiden Abkommen (Zieljahr) um 100 Millionen Franken höher. In einem pessimistischen Szenario käme hingegen das Sektoreinkommen um 100 Millionen Franken tiefer zu stehen. Die Auswirkungen auf die beiden Szenarien sind in Tabelle 2 aufgeführt.

Tabelle 2 Veränderung der Einkommenslücke je nach Sektoreinkommen im Zieljahr Variation des Sektoreinkommens im Zieljahr

+ 100 Mio. Fr.

­ 100 Mio. Fr.

Einkommenslücke Szenario 1

3,6 Mrd. Fr.

6,7 Mrd. Fr.

Einkommenslücke Szenario 2

2,4 Mrd. Fr.

5,1 Mrd. Fr.

Über die Höhe der finanziellen Mittel, die für Begleitmassnahmen aufzuwenden sind, kann nicht vor Abschluss der Abkommen entschieden werden, da der Betrag 1344

abhängig ist von den Abkommen selbst (z.B. Übergangsfristen, definitive Modalitäten eines Abbaus des Grenzschutzes im Falle der WTO), dem Preisniveau zum Zeitpunkt der Umsetzung der Abkommen sowie der Art der gewählten Begleitmassnahmen. In diesem Zusammenhang stehen verschiedene Konzepte zur Diskussion, die ein unterschiedliches Gleichgewicht vorsehen zwischen der Hilfe für Anpassungen der bestehenden Struktur und der Unterstützung für eine Neuorientierung ausserhalb des Agrarsektors. Je nach Hauptfokus der Massnahmen sind auch alternative Ansätze zur Bestimmung der notwendigen Finanzmittel denkbar. Der Bundesrat kündigte in Zusammenhang mit seinem Beschluss vom 14. März 2008 eine Spanne von 3­6 Milliarden Franken für Begleitmassnahmen an. Die vorliegende Botschaft dient primär dazu, die gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit ein Teil der Mittel für die Finanzierung dieser Massnahmen reserviert werden kann. Zum jetzigen Zeitpunkt kann über die Höhe der Mittel, die in Begleitmassnahmen zu investieren sind, und die Wahl der Instrumente noch keine genauere Aussage gemacht werden.

1.4

Rahmenbedingungen und Finanzierungsoptionen

Die sozialverträgliche Umsetzung eines FHAL oder eines neuen WTO-Abkommens und die Schaffung günstiger Startbedingungen im neuen Umfeld erfordern Begleitmassnahmen zugunsten der betroffenen Betriebe. Die Finanzierung der Massnahmen müsste voraussichtlich aus finanzpolitischen Gründen über einen mehrjährigen Zeitraum verteilt werden. Neben den finanzpolitischen Rahmenbedingungen werden im Folgenden verschiedene Finanzierungsoptionen aufgezeigt und bewertet.

1.4.1

Finanzpolitische Ziele des Bundes

Die Überlegungen zur Finanzierung der Begleitmassnahmen in Milliardenhöhe orientieren sich an der finanzpolitischen Strategie des Bundesrates sowie an allgemeinen finanzpolitischen Grundsätzen. Der Bundesrat verfolgt mit seiner Finanzpolitik das primäre Ziel des nachhaltigen Haushaltsausgleichs. Die Voranschläge des Bundes sind mittelfristig, das heisst über einen Konjunkturzyklus betrachtet, auszugleichen, und strukturelle Defizite sind zu vermeiden. Weitere zentrale Ziele stellen die Stabilisierung der nominellen Verschuldung des Bundes sowie die Stabilisierung der Staatsquote dar.

Die Schuldenbremse ist das zentrale Instrument zur Steuerung des Bundeshaushaltes. Sie limitiert die ordentlichen Ausgaben über einen Konjunkturzyklus hinweg auf die Höhe der ordentlichen Einnahmen und sichert damit einen ausgeglichenen Haushalt. Die Stabilisierung der nominellen Verschuldung, das erklärte Ziel der Schuldenbremse, erforderte in den vergangenen Jahren nicht nur die Einhaltung der Schuldenbremse, sondern auch das Erzielen von jährlichen strukturellen Überschüssen. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die hohen ausserordentlichen Ausgaben, die insbesondere 2008 angefallen sind, nicht zu einer Schuldenzunahme beim Bund geführt haben.

Mit der Botschaft vom 19. September 20086 über die Ergänzungsregel zur Schuldenbremse soll das Ziel der Schuldenstabilisierung unter Einbezug des ausserordent6

BBl 2008 8491

1345

lichen Haushaltes auch institutionell verankert werden. Defizite des ausserordentlichen Haushaltes sollen durch Überschüsse im ordentlichen Haushalt über eine mehrjährige Zeitperiode (6 Jahre) kompensiert werden. Als Steuerungsgrösse dient ein Amortisationskonto. Darin werden ausschliesslich die ausserordentlichen Einnahmen und Ausgaben erfasst. Überschreiten die Ausgaben die Einnahmen, so ist dieser Fehlbetrag spätestens während der sechs folgenden Rechnungsjahre durch Überschüsse im ordentlichen Haushalt abzutragen. Die Schuldenbremse soll durch die neue Regel nicht ersetzt oder verändert, sondern lediglich ergänzt werden.

Die Staatsquote beschreibt das Verhältnis der Bundesausgaben zum nominellen Bruttoinlandprodukt (BIP). Das Ziel der Stabilisierung der Staatsquote soll durch die Begrenzung des Ausgabenwachstums auf der Höhe des mittelfristig zu erwartenden BIP-Wachstums sichergestellt werden. Die hierfür nötigen Verzichtmassnahmen und strukturellen Reformen sind im Rahmen der vom Bundesrat beschlossenen Aufgabenüberprüfung umzusetzen.

1.4.2

Finanzierungsoptionen für Begleitmassnahmen

1.4.2.1

Ordentlicher Bundeshaushalt

Vor dem Hintergrund der finanzpolitischen Ziele des Bundesrates hat die Finanzierung von Begleitmassnahmen grundsätzlich über den ordentlichen Haushalt im Rahmen der Vorgaben der Schuldenbremse zu erfolgen. Eine ausserordentliche Finanzierung mit einer Anhebung des Höchstbetrags für die Ausgaben gemäss Schuldenbremse (Art. 15 Abs. 1 FHG) ist auf Fälle von aussergewöhnlichen und vom Bund nicht steuerbaren Entwicklungen, Anpassungen am Rechnungsmodell und auf verbuchungsbedingte Zahlungsspitzen beschränkt. Dieser Finanzierungsart sind also vom Gesetz her Grenzen gesetzt. Die notwendige Bedingung der Ausserordentlichkeit und Nichtsteuerbarkeit dürfte im Fall der Begleitmassnahmen nicht erfüllt sein. Die Höhe sowie die konkrete Ausgestaltung und der Zeitrahmen für die Auszahlung der Begleitmassnahmen lassen sich sowohl beim FHAL als auch bei einem WTO-Abkommen von der Politik im Detail steuern. Vor diesem Hintergrund erachtet der Bundesrat die aus rechtlicher Sicht notwendigen Voraussetzungen der ausserordentlichen Finanzierung als nicht gegeben.

Aus agrarpolitischen Gründen wäre eine zügige Auszahlung der Begleitmassnahmen direkt nach Inkrafttreten des FHAL zwar mit gewissen Vorteilen verbunden. Eine rasche Ausrichtung der Begleitmassnahmen wäre aus finanzpolitischer Sicht hingegen problematisch. Angesichts der Vorgaben der Schuldenbremse lässt sich ein innerhalb eines kurzen Zeitraums anfallender Finanzierungsbedarf in Milliardenhöhe nicht zeitgleich decken. Um die zukünftigen Budget- und Finanzplanbereinigungen und die Aufgabenerfüllung des Bundes nicht über Gebühr zu erschweren, müssten die Ausgaben des Bundes für die Begleitmassnahmen über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt werden.

Die Aufwendungen der Begleitmassnahmen lassen sich im Bundeshaushalt, falls dieser den sonst erforderlichen Überschuss nicht aufweist, grundsätzlich auf zwei Arten finanzieren. Einerseits können die Mehrkosten ausgabenseitig durch entsprechende Kompensationen in den verschiedenen Aufgabengebieten des Bundes freigespielt werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, den Bundeshaushalt mit zusätzlichen Mitteln über Mehreinnahmen zu alimentieren. Der Ausgabenplafond des 1346

Bundes gemäss Schuldenbremse würde sich dadurch erhöhen, und dem Bundeshaushalt stünden entsprechend höhere Einnahmen zur Auszahlung der Begleitmassnahmen zur Verfügung.

Der Bundesrat erachtet es im vorliegenden Fall aus finanz- und wirtschaftspolitischen Gründen als sachgerecht, eine Kombination von Minderausgaben und Mehreinnahmen anzuvisieren. Dabei muss die konkrete Ausgestaltung der Massnahmen zum jetzigen Zeitpunkt offen bleiben. Ein konkretes Finanzierungskonzept wird der Bundesrat den eidgenössischen Räten erst im Rahmen der Botschaft zur Umsetzung der internationalen Abkommen (FHAL und/oder WTO) unterbreiten. Zudem ist es auch angesichts der zu erwartenden erheblichen wirtschaftlichen Verschlechterungen in den nächsten Jahren verfrüht, bereits jetzt erste Eckwerte eines Finanzierungskonzeptes zu skizzieren.

1.4.2.2

Errichtung eines Fonds für Begleitmassnahmen

Neben der ausserordentlichen Finanzierung, für welche die Voraussetzungen gemäss Ziffer 1.4.2.1 nicht erfüllt sind, wurde auch die Möglichkeit der Schaffung eines Spezialfonds nach Artikel 52 FHG sowie eine entsprechende Finanzierung der Begleitmassnahmen über einen solchen Fonds geprüft. Mit der Errichtung eines Spezialfonds wäre eine Vorfinanzierung der Ausgaben möglich. Dem Spezialfonds könnte beispielsweise bereits vor Inkrafttreten des FHAL oder eines WTOAbkommens ein jährlicher Beitrag aus allgemeinen Bundesmitteln im Umfang der Agrarzolleinnahmen überwiesen werden. Dem allgemeinen Bundeshaushalt würden in den Jahren der Fondsäufnung entsprechend weniger Mittel zur Verfügung stehen.

Um die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten zu können, hätten entsprechende Kompensationen in den verschiedenen Aufgabengebieten des Bundes zu erfolgen.

Damit würden von anderen Aufgabengebieten zu einem Zeitpunkt «Sparopfer» abverlangt, da das Zustandekommen eines FHAL/WTO noch nicht gesichert ist. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise und der sich rapide verschlechternden Wirtschaftslage, die verschiedene Stabilisierungsmassnahmen erfordert, erachtet es der Bundesrat nicht zuletzt auch aus konjunkturpolitischer Sicht als nicht angebracht, dem Bundeshaushalt zur Äufnung eines Fonds Mittel in bedeutendem Umfang zu entziehen. Zudem spricht sich der Bundesrat gegen die Schaffung eines solchen Spezialfonds aus, da die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass derartige Fonds den finanzpolitischen Handlungsspielraum des Bundes zu stark einschränken.

Da die Mittelverwendung über Spezialfonds nicht mehr der Kreditbewilligung durch die eidgenössischen Räte untersteht, schaffen solche Regelungen erfahrungsgemäss einen Anreiz zu übermässigem Mittelverbrauch. Es besteht auch das nicht zu unterschätzende Risiko, dass der Spezialfonds nach Ablauf seiner ursprünglichen Zweckbestimmung nicht aufgehoben, sondern umgenutzt und für andere Aufgaben weiterverwendet würde. Eine solche Perpetuierung von Sonderfinanzierungen ausserhalb des Bundeshaushalts gilt es nicht zuletzt im Hinblick auf die Budgethoheit der eidgenössischen Räte zu vermeiden. Im Weiteren beeinträchtigen Fonds die Transparenz und Steuerbarkeit der Bundesfinanzen. Aus den genannten Gründen lehnt der Bundesrat die Konstituierung eines Spezialfonds zur Finanzierung der Begleitmassnahmen ab.

1347

1.4.2.3

Bilanzreserve mittels Spezialfinanzierung

Als weitere Option steht die Schaffung einer Spezialfinanzierung offen. Gemäss Artikel 53 FHG liegt eine solche vor, «wenn Einnahmen zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zweckgebunden werden.» Die Bildung einer Spezialfinanzierung bedarf dabei gemäss FHG einer gesetzlichen Grundlage. Mit diesem Instrument könnte die Zweckbindung von Agrarzolleinnahmen zugunsten späterer Begleitmassnahmen bereits vor Inkrafttreten des FHAL oder eines neuen WTO-Abkommens ermöglicht werden.

Die innerhalb des Bundeshaushalts der Spezialfinanzierung zugewiesenen Mittel stehen allerdings nicht unmittelbar zur Finanzierung der Begleitmassnahmen zur Verfügung. Denn bei einer Spezialfinanzierung handelt es sich nicht um einen Spezialfonds ausserhalb des Bundeshaushaltes, mit dem finanzielle Mittel gewissermassen «vorgespart» werden könnten. Einen solchen lehnt der Bundesrat aus den in Ziffer 1.4.2.2 aufgeführten Gründen ab. Eine Spezialfinanzierung gemäss FHG entspricht vielmehr einer Mittelreservierung von Bundeseinnahmen zugunsten eines klar spezifizierten Zwecks. Werden, wie im Fall der Begleitmassnahmen, Agrarzolleinnahmen zweckgebunden, so hat dies zur Folge, dass sich die reservierten Beträge in der Bilanz des Bundes über die Jahre hinweg in einem sogenannten zweckgebundenen Fonds im Eigen- oder Fremdkapital aufsummieren. Die Höhe der Zweckbindung reduziert sich dann ab dem Zeitpunkt, in dem mit der finanzierungswirksamen Ausrichtung der Zahlungen für die Begleitmassnahmen begonnen wird.

In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass durch die Bildung einer Zweckbindung die Mittel lediglich «angeschrieben» werden. Die Frage der entsprechenden jährlichen Finanzierung der Begleitmassnahmen ist somit nicht automatisch gelöst.

Die Finanzierung muss in jedem Fall im Rahmen der jährlichen Budget- und Finanzplanbereinigung unter Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse sichergestellt werden.

Nach den Rechnungslegungsgrundsätzen des Bundes werden Spezialfinanzierungen je nach Höhe des Handlungsspielraumes als zweckgebundene Fonds im Eigenkapital oder im Fremdkapital unter den Passiven der Bundesbilanz aufgeführt.

Die zweckgebundenen Mittel sind im Eigenkapital zu bilanzieren, wenn zu gegebener Zeit in der entsprechenden Gesetzesgrundlage betreffend Art, Umfang und Zeitpunkt der Ausrichtung der Begleitmassnahmen
ein gewisser Spielraum gewährt wird. Spezialfinanzierungen im Eigenkapital haben den Charakter von zweckgebundenen Reserven. Die Bildung und auch die jährliche Veränderung der Bestände dieser sogenannten zweckgebundenen Fonds werden nicht über die Erfolgsrechnung gebucht, sondern im Eigenkapitalnachweis in der Staatsrechnung offen gelegt. Für die Bildung der Spezialfinanzierung wären somit im Rahmen der jährlichen Budgetierung keine Kredite in der Erfolgsrechnung zu beschliessen.

Beabsichtigt der Gesetzgeber hingegen eine detaillierte Regelung zur Ausrichtung der Begleitmassnahmen und besteht für die Art und den Zeitpunkt der Verwendung kein ausdrücklicher Handlungsspielraum, so wären die entsprechenden zweckgebundenen Mittel ins Fremdkapital des Bundes aufzunehmen. Im Gegensatz zur Einlage ins Eigenkapital hätte die Bilanzierung im Fremdkapital eine Belastung der Erfolgsrechnung mit einem nicht finanzierungswirksamen Aufwand zur Folge. Zum Zeitpunkt der Auszahlung der Begleitmassnahmen würde der Erfolgsrechnung im Gegenzug ein entsprechender nicht finanzierungswirksamer Ertrag gutgeschrieben,

1348

womit die Höhe der Verbindlichkeiten des Bundes im selben Umfang abnehmen würde.

Zur Bildung der Spezialfinanzierung sind folglich ausschliesslich Bilanzbuchungen (Eigenkapital) oder nicht finanzierungswirksame Kreditbeschlüsse (Fremdkapital) notwendig. Da im Gegensatz zu einer klassischen Fondslösung keine eigene Kasse mit Mitteln geäufnet wird, werden die Finanzierungsrechnung des Bundes und somit auch die Auswirkungen der Schuldenbremse von der Schaffung der Spezialfinanzierung nicht betroffen sein.

Sollte nach Abschluss eines Unterstützungsprogramms für die Landwirtschaft ein Restbetrag in der Spezialfinanzierung verbleiben oder würden die Mittel wegen Nichtzustandekommens des Abkommens nicht benötigt, könnte der Bundesrat die restlichen zweckgebundenen Mittel in der Bundesbilanz auflösen und wieder für die allgemeinen Bundesaufgaben freigeben. Die Bilanzierung im Eigenkapital könnte mit einer Bilanzbuchung aufgehoben werden. Im Falle einer Verbuchung im Fremdkapital wäre in Analogie zur Bildung der Position im Fremdkapital eine nicht finanzierungswirksame Verbuchung über die Erfolgsrechnung notwendig.

Gegenwärtig lassen sich zum Umfang und zur Ausgestaltung von Begleitmassnahmen sowie zum Zeitpunkt der Ausrichtung keine präzisen Aussagen machen. Folglich ist für die erste Phase der Reservierung der Mittel vor Ratifikation der Abkommen und entsprechenden Beschlüssen über die Begleitmassnahmen die Bilanzierung im Eigenkapital vorzunehmen. Somit würde in Analogie zur bestehenden Spezialfinanzierung «Strassenverkehr» eine Spezialfinanzierung «Begleitmassnahmen» im Eigenkapital des Bundes gebildet. Bei der Spezialfinanzierung «Strassenverkehr» werden Bundeseinnahmen (ein Teil des Mineralölsteuerertrages, Einnahmen der Autobahnvignette) über den ordentlichen Haushalt vereinnahmt und einem zweckgebundenen Fonds im Eigenkapital zugewiesen.

1.4.3

Fazit

Um den übergeordneten finanzpolitischen Zielen des ausgeglichenen Bundeshaushaltes und auch der Stabilisierung der Verschuldung gerecht zu werden, soll die Finanzierung von Begleitmassnahmen, auch wenn sie in Milliardenhöhe liegt, über den ordentlichen Haushalt erfolgen. Dabei sind die Belastungen des Haushalts zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse zeitlich über eine mehrjährige Periode zu verteilen. Aus rechtlichen Gründen können die Kosten der Begleitmassnahmen nicht als ausserordentliche Ausgaben betrachtet werden.

Da mit einer Spezialfinanzierung nach Artikel 53 FHG bereits zu Beginn der Verhandlungen über ein FHAL bzw. vor Implementierung eines neuen WTOAbkommens ein deutliches politisches Signal ausgesendet werden kann, spricht sich der Bundesrat für die Schaffung einer Bilanzreserve als Vorbereitung auf eine Finanzierung von Begleitmassnahmen aus.

Der Bundesrat wird dem Parlament im Rahmen einer zweiten Botschaft zu den Begleitmassnahmen ein mit den Vorgaben der Schuldenbremse kompatibles Finanzierungskonzept unterbreiten. Dabei wird zu prüfen sein, welche ausgaben- und einnahmenseitigen Massnahmen notwendig werden, um die in der Bundesbilanz reservierten zweckgebundenen Mittel verwenden und über die Finanzierungsrechnung des Bundes ausrichten zu können.

1349

1.5

Reservierung der Einnahmen aus den Einfuhrzöllen auf Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln

1.5.1

Zweckbindung der Zolleinnahmen

Mit dem weitgehenden Abbau des Grenzschutzes für Agrarprodukte im Zusammenhang mit dem FHAL und/oder einem neuen WTO-Abkommen werden die Agrarzolleinnahmen deutlich zurückgehen. Der Bundeshaushalt hat sich daher mittelfristig auf ein entsprechend tieferes Ausgabenniveau einzustellen. Je besser es gelingt, diese Entwicklung zu antizipieren, desto grösser wird der Spielraum für die Finanzierung der Begleitmassnahmen. Hierzu sollen Mittel in der Höhe der Einnahmen aus den Einfuhrzöllen auf Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln in den Jahren 2009­2016 zweckgebunden reserviert werden. Diese Bilanzreserve erhöht sich somit jährlich um den Betrag der entsprechenden Zolleinnahmen. Eine weitere Äufnung nach 2016 würde eine Anpassung des Gesetzes erfordern.

Die reservierten Beträge werden, wie oben ausgeführt wurde, in der Bilanz des Bundes separat ausgewiesen. Wie unter Ziffer 1.4 erwähnt, finden die Vorgaben der Schuldenbremse auf eine Spezialfinanzierung keine Anwendung. Die Mittelreservierung ist davon nicht betroffen. Allerdings müssen die Aufwendungen kompensiert werden, wenn die konkrete Auszahlung der Begleitmassnahmen erfolgt.

1.5.2

Auswirkungen des FHAL und des WTO-Abkommens auf die Zolleinnahmen

Tabelle 3 zeigt eine Übersicht über die Agrarzolleinnahmen im Durchschnitt der Jahre 2006 und 2007. Es handelt sich um Nettoeinnahmen, bei denen die Rückerstattungen an die Unternehmen im Rahmen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 19747 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten sowie des aktiven Veredelungsverkehrs nach Artikel 12 des Zollgesetzes vom 18. März 20058 (ZG) berücksichtigt sind.

7 8

SR 632.111.72 SR 631.0

1350

Tabelle 3 Netto-Agrarzolleinnahmen im Durchschnitt der Jahre 2006 und 2007 und geschätzte Reduktion durch ein WTO-Abkommen9 (CHF/Jahr) Netto-Zolleinnahmen nach Rückerstattung für Veredelungsverkehr und Revers

Mindereinnahmen bei WTOAbkommen (aktuelle Verhandlungsbasis)

22 374 801 17 851 082 2 871 978 643 979 45 529 580 48 602 9 637 561

­ 14 102 705 ­ 6 930 232 ­ 1 244 022 ­ 371 923 ­ 23 503 775 ­ 18 059 ­ 5 319 934

98 957 581

­ 51 490 649

121 388 749 67 439 059 26 773 738 21 014 389 188 684 107 189 635 88 732 601

­ 76 268 942 ­ 36 096 065 ­ 11 089 565 ­ 13 209 793 ­ 96 903 626 ­ 79 460 ­ 49 157 861

Summe EU

514 222 277

­ 282 805 312

Total

613 179 858

­ 334 295 961

Herkunft importierte Produkte EU/ ausserhalb EU

Bereich

Ausserhalb EU

Ackerkulturen Fleisch und Eier Verarbeitete Agrarerzeugnisse Milch und Milchprodukte Spezialkulturen und Weinwirtschaft Tierzucht übrige Produkte (nicht zugeteilt)

Summe ausserhalb EU EU

Ackerkulturen Fleisch und Eier Verarbeitete Agrarerzeugnisse Milch und Milchprodukte Spezialkulturen und Weinwirtschaft Tierzucht übrige Produkte (nicht zugeteilt)

Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und Eidg. Zollverwaltung (EZV)

Die Agrarzolleinnahmen sind nach den einzelnen Produktionssektoren aufgeschlüsselt. Sie werden auf den Einfuhren aus der Europäischen Union und aus Ländern ausserhalb der EU erhoben. In der Kolonne «Zolleinnahmen vor Abbau» sind die jährlichen Zolleinnahmen aufgeführt, die sich nach einem Durchschnittswert der Jahre 2006 und 2007 berechnen. Sie betragen bei den Erzeugnissen aus der EU 514 Millionen Franken und bei den Produkten aus Nicht-EU-Ländern 99 Millionen Franken, womit sich eine Gesamtsumme von 613 Millionen Franken ergibt.

In der Kolonne «Mindereinnahmen bei WTO-Abkommen» sind die Verluste an Zolleinnahmen aufgeführt, die aufgrund der in der WTO laufenden Gespräche (Modalitätenentwurf des Botschafters Crawford Falconer vom 19. Juli 2008) berechnet wurden. Dabei wurde die gegenwärtig zur Verhandlung stehende Zollabbauformel auf die «Zolleinnahmen vor Abbau» angewandt. Die Zolleinbussen auf 9

Definition der Agrarprodukte gemäss WTO: Zollpositionen der Kapitel 1­24 ohne 03 (Fische), 0509 (Meerschwämme), 1504 (Fette und Öle von Fischen und Meeressäugetieren), 1603­1605 (Fischzubereitungen) 2301.20 (Mehl. Pulver und Agglomerate von Fischen); aus den Kapiteln 25­97 folgende Nummern: 2905.43/44 (Mannit, Sorbit), 3301 (Etherische Öle), 3501­3505 (Kaseine, Albumine, Gelatine, Peptone, Dextrine), 3809.10 (Div. Zubereitungen auf der Grundlage von Stärke), 3823.70 (Techn. Fettalkohole), 4101­4103 (Rohe Häute und Felle), 4301 (Rohe Pelzfelle), 5001­5003 (Grègeseide, Seidenabfälle, Kokons), 5101­5103 (Wolle, Tierhaare weder kardiert noch gekämmt, Abfälle), 5201­5203 (Baumwolle höchstens kardiert oder gekämmt, Abfälle), 5301 (Flachs) und 5302 (Hanf).

1351

den Waren aus Ländern ausserhalb der EU liegen bei 51 Millionen Franken und auf Erzeugnissen aus der EU bei 283 Millionen Franken. Insgesamt belaufen sich die Mindereinnahmen auf 334 Millionen Franken, was rund 54 Prozent der gegenwärtig erhobenen Zölle ausmacht.

In dieser Berechnung nicht berücksichtigt ist die bei den WTO-Verhandlungen von Exportländern gestellte Forderung, die Zölle innerhalb der WTO-Zollkontingente vollständig abzuschaffen. Dieser Punkt ist beim derzeitigen Verhandlungsstand noch offen. Sollte das Schlussabkommen eine solche Verpflichtung enthalten, wäre mit zusätzlichen Einbussen in der Höhe von ungefähr 100 Millionen Franken zu rechnen, womit sich ein Gesamtverlust von 441 Millionen Franken bzw. 72 Prozent der gegenwärtigen Zölle ergäbe.

Tabelle 4 zeigt, wie sich die im Rahmen der Agrarpolitik 2011 getroffenen Entscheidungen und die Umsetzung des Agrarabkommens CH­EU vom 21. Juni 1999 auf die Zolleinnahmen auswirken. Der für die Jahre 2008 und 2009 erwartete Einnahmenrückgang ist durch die Senkung der Zölle auf Getreide- und Futtermitteleinfuhren sowie durch die letzte Liberalisierungsetappe des Käsehandels mit der EU bedingt.

Tabelle 4 Rückgang der Zolleinnahmen infolge Umsetzung der AP 2011 und des Agrarabkommens CH-EU Jahr

Mittel 06­07 (Mio.)

2008 (Mio.)

2009 (Mio.)

2010 (Mio.)

2011 (Mio.)

EU-Herkunft Nicht-EU-Herkunft

514 99

492 95

465 90

465 90

465 90

Total

613

587

555

555

555

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich die zeitliche Abfolge des FHAL und eines Abschlusses der WTO-Verhandlungen noch nicht bestimmen. Aus diesem Grund wurden zwei Beispielszenarien gewählt (vgl. Ziff. 1.3): Beim ersten Szenario wird ein WTO-Abkommen ab dem Jahr 2011 und das FHAL ab 2012 umgesetzt, wobei in beiden Fällen eine fünfjährige Übergangsphase gilt.

Beim zweiten Szenario beginnt das FHAL im Jahr 2013, und die Umsetzung eines WTO-Abkommens erfolgt ab 2014; auch hier dauert die Übergangsphase fünf Jahre.

Im Vergleich zum Szenario 1 räumt das Szenario 2 den Abkommen eine umgekehrte Priorität ein. Es ergibt sich im Weiteren eine zeitliche Verschiebung bei den Auswirkungen der Abkommen, da deren Beginn auf einen späteren Zeitpunkt angesetzt ist.

Bei beiden Szenarien belaufen sich die Agrarzolleinnahmen vor der Umsetzung des FHAL und eines neuen WTO-Abkommens auf 555 Millionen Franken (vgl.

Tabelle 4). Während einer fünfjährigen Übergangsphase wurde eine lineare Senkung der Zölle bei gleich bleibenden Einfuhrmengen vorgenommen. Der untere Grenzwert wird am 1. Januar des sechsten Jahres erreicht. Die Zölle auf Produkten aus der EU werden schrittweise auf Null gesetzt. Die Zölle auf Erzeugnissen aus Ländern ausserhalb der EU werden schrittweise nach den Vorgaben der WTO abgebaut.

Wenn die volle Wirkung des FHAL und des WTO-Abkommens eintritt, werden die Zölle auf den Agrargütern und Lebensmitteln nur noch bei 42 Millionen Franken 1352

liegen bzw. 8 Prozent der vor der Implementierung der beiden Abkommen erhobenen Zölle ausmachen.

Die Endbeträge sind in Szenario 2 dieselben wie in Szenario 1 mit dem einzigen Unterschied, dass die Untergrenze zwei Jahre später erreicht wird. In Abbildung 3 ist der erwartete Rückgang der Zolleinnahmen nach Szenario 1 dargestellt. Abbildung 4 zeigt die erwarteten Zollmindereinnahmen nach Szenario 2.

Abbildung 3 Abnahme der Netto-Agrarzolleinnahmen nach Szenario 1 600

500

400 Millionen CHF/Jahr

Ausserhalb EU

300

EU

200

100

0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

NB: Die Einfuhrzölle auf Erzeugnissen aus der EU erfahren mit Inkrafttreten des WTOAbkommens bereits 2011 eine Reduktion.

1353

Abbildung 4 Abnahme der Netto-Agrarzolleinnahmen nach Szenario 2 600

500

400 Millionen CHF/Jahr

Ausserhalb EU

300

EU

200

100

0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

1.5.3

Höhe der Zolleinnahmen für die Bilanzreserve

Die Tabellen 5 und 6 geben eine Übersicht über die Zolleinnahmen, die für die Finanzierung von Begleitmassnahmen reserviert werden könnten. In Tabelle 5 wurde das Szenario 1 übernommen, nach dem das WTO-Abkommen 2011 und das FHAL 2012 in Kraft tritt. In beiden Fällen beträgt die Übergangsphase fünf Jahre.

Tabelle 5 Zolleinnahmen nach Szenario 1 (WTO 2011­2016, FHAL 2012­2017) (Mio. CHF) Jahr

2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

1354

Einnahmen EU

Einnahmen ausserhalb EU

Total Einnahmen

Kumulierte Zolleinnahmen, die reserviert werden können

465 465 422 379 309 231 153 75 0 0 0

90 90 82 74 66 58 50 42 42 42 42

555 555 504 453 375 289 203 117 42 42 42

555 1 110 1 614 2 067 2 442 2 731 2 934 3 051 keine Zweckbindung mehr

Wie aus der Kolonne «Kumulierte Zolleinnahmen, die reserviert werden können» ersichtlich ist, klettern die verfügbaren Mittel zunächst schnell in die Höhe, bevor sie infolge der Umsetzung des WTO-Abkommens und des FHAL sowie der damit einhergehenden Verringerung der jährlichen Zolleinnahmen nur noch geringfügig zunehmen. Mit der im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Befristung betragen die Mittel, die sich bis 2016 aufsummieren, etwas mehr als 3 Milliarden Franken.

Tabelle 6 bezieht sich auf das Szenario 2, nach dem das FHAL 2013 und das WTOAbkommen 2014 in Kraft tritt. In beiden Fällen gilt eine fünfjährige Übergangsperiode. Im Vergleich zum Szenario 1 beginnt der Abbau im Szenario 2 später, was sich in den kumulierten Agrarzolleinnahmen niederschlägt. Von 2009 bis 2016 belaufen sich die für die Finanzierung der Begleitmassnahmen verfügbaren Mittel in diesem Fall auf rund 3,6 Milliarden Franken.

Tabelle 6 Zolleinnahmen nach Szenario 2 (FHAL 2013­2018, WTO 2014­2019) (Mio. CHF) Jahr

2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Einnahmen EU

Einnahmen ausserhalb EU

Total Einnahmen

Kumulierte Zolleinnahmen, die reserviert werden können

465 465 465 465 387 309 231 153 75 0 0

90 90 90 90 90 82 74 66 58 50 42

555 555 555 555 477 391 305 219 133 50 42

555 1 110 1 665 2 220 2 697 3 088 3 393 3 612 keine Zweckbindung mehr

Wie aus diesen Berechnungen hervorgeht, können dank der Reservierung der Einnahmen aus den Einfuhrzöllen auf Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln der Finanzierung von Begleitmassnahmen bedeutende und unter Umständen auch ausreichende Mittel zugeführt werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Agrarzolleinnahmen ab dem Jahr 2009 reserviert werden, da diese nach Umsetzung der Abkommen einen raschen Rückgang erfahren.

1.6

Vorverfahren

1.6.1

Beratende Kommission Landwirtschaft

Ende November 2008 hat sich die Beratende Kommission Landwirtschaft mit der Vernehmlassungsvorlage auseinandergesetzt. Im Anschluss an die Vernehmlassung hat sie vom Ergebnisbericht über die Vernehmlassung Kenntnis genommen. Unter Vorbehalt verschiedener Bedenken bezüglich Zielen und Auswirkungen eines FHAL auf den Landwirtschaftssektor ist sie der Meinung, dass die Schaffung einer Bilanzreserve die grösste Konformität mit den Vorgaben des FHG schaffe. Ein gegenüber der Bilanzreserve weitergehender Spezialfonds nach Artikel 52 FHG hätte eine grössere vertrauensbildende Wirkung, wäre aber wegen den aktuellen gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen und der schlechter gewordenen Progno1355

sen für die Bundesfinanzen kaum mehrheitsfähig. Deshalb unterstützt die Mehrheit der Beratenden Kommission die Vorlage des Bundesrates und beurteilt sie als pragmatischen Vorschlag.

1.6.2

Vernehmlassung

Vom 10. September bis zum 21. November 2008 hat das EVD eine Vernehmlassung zur Schaffung einer Bilanzreserve zur Finanzierung von Begleitmassnahmen zugunsten der Landwirtschaft durchgeführt.

Insgesamt haben 77 Vernehmlassungsteilnehmende eine Stellungnahme abgegeben.

Der Bericht über die Vernehmlassung ist auf der Internetseite der Bundeskanzlei zu finden10.

Die grosse Mehrheit der Kantone begrüsst die Vorlage. Den Kantonen VD und JU ist die vorgeschlagene Lösung zu wenig verbindlich. Sie fordern konkretere und verlässlichere Zusicherungen zur Finanzierung der Begleitmassnahmen.

Von den politischen Parteien stehen die SPS, die CVP, die FDP und die CSP dem Vorschlag einer Spezialfinanzierung nach Artikel 53 FHG positiv gegenüber. Die CSP verlangt, dass die Landwirtschaft ihre ökologische Verantwortung wahrnimmt und die Erreichung der im Bericht des BAFU und BLW umschriebenen Umweltziele als zwingende Voraussetzung für die finanzielle Sicherung der Begleitmassnahmen bezeichnet wird.

Die SVP bezeichnet die Vorlage als eine Alibiübung, sie sei nur eine Sterbeprämie für einen Grossteil der Landwirtschaft. Die GPS stimmt nicht zu, weil keine Strategie zur Erhaltung der Wertschöpfung in der Landwirtschaft ohne Einkommensverlust und keine Nachhaltigkeitsbeurteilung vorliegen.

Die Mehrheit der bäuerlichen Organisationen begrüsst die Vorbereitung der Finanzierung von Begleitmassnahmen, ist aber der Meinung, dass der Vorschlag zu unverbindlich ist. Die konsultierten Konsumentenorganisationen sind geteilter Meinung. Während das Konsumentenforum zustimmt, lehnt die Stiftung für Konsumentenschutz die Vorlage ab, weil die Begleitmassnahmen bisher keine Strategie zur erfolgreichen Bewältigung eines FHAL einschliessen. Economiesuisse und die Arbeitgeber sind gegen die Vorlage, weil die Problemlösung in die Zukunft verschoben wird und die Mindesthöhe der Begleitmassnahmen zementiert wird. Falls aus politischen Gründen an der Schaffung einer Bilanzreserve festgehalten wird, seien zwei grundsätzliche Änderungen vorzunehmen: Die Höhe der Reserve sollte stark reduziert und die Mittel explizit auch für Begleitmassnahmen für die erste Verarbeitungsstufe der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt werden. Der Gewerbeverband, der Gewerkschaftsbund, die Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (IGAS) und Organisationen
der nachgelagerten Stufen des Nahrungsmittelsektors äusserten sich zustimmend zur Vorlage.

Eine Minderheit der Kantone (UR, OW, NW, FR, SH und GR) fordert einen Spezialfonds nach Artikel 52 FHG. Von den Parteien unterstützt die SPS diese Haltung, während die FDP klar gegen eine solche Lösung ist. Die bäuerlichen Kreise, die Organisationen der vor- und nachgelagerten Stufen sowie der Gewerbeverband 10

http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2008.html

1356

sprechen sich klar für die Schaffung eines Spezialfonds aus. Die Migros bezeichnet diesen Vorschlag als gangbaren Weg, der Fleischfachverband, das Centre patronal, Coop und das Konsumentenforum lehnen ihn dagegen ab.

Drei Kantone (NW, GR, AI) fordern, dass die zweckgebundenen Mittel ausschliesslich für Begleitmassnahmen zugunsten der Landwirtschaft eingesetzt werden. Die übrigen Kantone äussern sich nicht zu diesem Thema. Von den Parteien bezieht dazu nur die SPS Stellung. Auch sie will, dass die Mittel nur für die Landwirtschaft verwendet werden. Die bäuerlichen Kreise sind in dieser Frage geteilter Meinung.

Der Schweizerische Bauernverband und der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband möchten die Spezialfinanzierung auf die Landwirtschaft beschränken.

Produzenten- und Branchenorganisationen, economiesuisse und der Gewerbeverband wünschen einen Einbezug der ersten Vermarktungs- und Verarbeitungsstufe.

IP-Suisse und Vertretungen der Lebensmittelindustrie sprechen sich für eine Ausdehnung auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Sie beziehen sich auf die Unterstützung in der EU und verlangen gleich lange Spiesse bei einer Marktöffnung.

2

Erläuterungen zu der neuen Gesetzesbestimmung

Die Errichtung einer Spezialfinanzierung bedarf einer Grundlage im Gesetz. Da die Schaffung der Bilanzreserve die Zweckbindung der Einfuhrzölle auf Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln vorsieht, wird die entsprechende gesetzliche Grundlage im Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 199811 (LwG) statuiert. Weil der Entwurf zur neuen Bestimmung die Zweckbindung von Einfuhrzöllen regelt, wird die Bestimmung als Artikel 19a in den 3. Abschnitt Einfuhr des LwG aufgenommen.

Abs. 1 Bei der Zweckbindung der Einfuhrzölle handelt es sich um eine Spezialfinanzierung nach Artikel 53 Absatz 1 FHG. Die Höhe soll den summierten Einnahmen aus den Einfuhrzöllen auf Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln in den Jahren 2009­2016 entsprechen. Diese Einnahmen fliessen aber weiterhin in die allgemeine Bundeskasse und nicht in einen Spezialfonds. Da keine zeitlich unbefristete Zweckbindung statuiert werden soll, wird eine Befristung auf acht Jahre vorgeschlagen. Sie ist gezielt auf die heute bestimmbaren, konkreten Abkommen ausgerichtet.

Als Landwirtschaftsprodukte und Lebensmittel gelten grundsätzlich die Produkte der Kapitel 1­24 des Zolltarifs. Auf eine detaillierte Abgrenzung wie bei der Definition der Agrarprodukte in der WTO (siehe Ziff. 1.5) soll verzichtet werden. Sie wäre administrativ aufwendig und es würden sich nur geringfügige Änderungen beim Gesamtbetrag ergeben, da die betreffenden Positionen meist nur geringe Zollansätze aufweisen und die Ausnahmen sich teilweise kompensieren. Von den Bruttozolleinnahmen werden jedoch die Garantiefondsbeiträge zur Finanzierung der Pflichtlagerhaltung und die zurückerstatteten Zolleinnahmen (Veredlungsverkehr, Revers) in Abzug gebracht.

11

SR 910.1

1357

Abs. 2 Die reservierten und zweckgebundenen Mittel sollen nur für Begleitmassnahmen eingesetzt werden. Aus heutiger Sicht lässt sich noch nicht abschätzen, welches der beiden genannten Abkommen zuerst in Kraft treten wird. Aus diesem Grund werden beide Varianten der Umsetzung genannt. Wie bereits weiter oben dargelegt, würden diese beiden Abkommen keine kumulativen, sondern eher ergänzende Auswirkungen auf das landwirtschaftliche Sektoreinkommen haben. Die Bestimmung legt nur den Zweck der Finanzierung fest. Die Begleitmassnahmen benötigen jeweils eine eigene gesetzliche Grundlage. Der Bundesrat wird dem Parlament mit der Umsetzung der erwähnten Abkommen zu gegebener Zeit konkrete Vorschläge unterbreiten.

Abs. 3 Über die eher technischen Aspekte der Spezialfinanzierung soll der Bundesrat entscheiden können. Sollten die Abkommen nicht zustande kommen oder abgelehnt werden, hätte der Bundesrat die Kompetenz, die Bilanzreserve über eine entsprechende Verbuchung in der Bundesbilanz aufzulösen. Dasselbe Vorgehen trifft auch auf einen allfälligen Restbetrag zu, wenn sich die für die Begleitmassnahmen benötigten Mittel als geringer als die dafür bereitgestellten Gelder erweisen sollten. Eine allfällige weitere Äufnung der Bilanzreserve ab 2017 müsste wiederum auf Gesetzesstufe geregelt werden. Falls die beiden Abkommen erst nach 2016 umgesetzt werden, kann der Bundesrat die Bilanzreserve grundsätzlich auch nach diesem Zeitpunkt für entsprechende Begleitmassnahmen unter Einhaltung der übrigen finanzpolitischen Vorgaben einsetzen.

Abs. 4 Der anfallende Finanzierungsbedarf und das Datum der Mittelvergabe können erst dann mit Sicherheit bestimmt werden, wenn die Umsetzung der Abkommen erfolgt.

Kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die Spezialfinanzierung zu hoch dotiert ist, könnte er die Zweckbindung der Mittel entsprechend reduzieren.

Ziffer II: Inkrafttreten Die Reservierung von Eigenkapital in der Bundesbilanz erfolgt ohne Auswirkungen auf die Erfolgsrechnung des Bundes. Die Zolleinnahmen 2009 werden lediglich zur Bestimmung der Bilanzreserve herangezogen. Deshalb ist keine rückwirkende Inkraftsetzung per 1. Januar 2009 erforderlich.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Spezialfinanzierung wird über einen Buchungsvorgang in der Bilanz des Bundes gebildet. Sie führt weder zu einem administrativen noch zu einem personellen Mehraufwand.

Mit der Bildung dieser Spezialfinanzierung ergeben sich kurzfristig keine direkten Folgen für das finanzielle Gleichgewicht des Bundes. Die Auswirkungen auf die 1358

Finanzierungsrechnung treten erst ein, wenn die Übergangszahlungen in Form von Begleitmassnahmen nach Inkrafttreten der Abkommen ausgerichtet werden. Langfristig werden dem Bundesbudget aufgrund des Wachstumseffekts dauerhaft zusätzliche Mittel zufliessen, welche die Ausgaben für die Begleitmassnahmen sicher kompensieren werden.

Das vorrangige Ziel der angestrebten Liberalisierungen im Agrarsektor ist der verbesserte Zugang zu den Exportmärkten und die Förderung der Strukturanpassung sowie der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe. Die Begleitmassnahmen werden diesen Übergang massgeblich unterstützen. Im Lichte der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Landwirtschaft wird das bestehende Direktzahlungssystem weiter zu überprüfen sein.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die Begleitmassnahmen und deren Ausstattung mit den notwendigen Bundesmitteln haben unter anderem zum Ziel, die Liberalisierung des Agrarhandels auch während der Übergangsphase sozialverträglich zu gestalten. Es soll die Gefahr verringert werden, dass sich die sozialen Bedingungen in der Landwirtschaft verschlechtern und dadurch die Sozialhilfe, für die in erster Linie die Kantone und die Gemeinden zuständig sind, stärker beansprucht wird. Die Schaffung einer Spezialfinanzierung soll für die Kantone ein konkretes Signal sein, dass Begleitmassnahmen eingesetzt werden und deren Finanzierung gesichert sein wird.

Die Kantone und Gemeinden, deren Haushalt von der Umsetzung eines möglichen FHAL nicht belastet würde, könnten ihrerseits von den positiven Auswirkungen des Wachstumseffekts umfassend profitieren. Es würden Mehreinnahmen in der Höhe von rund 800 Millionen Franken generiert (ca. 500 Millionen zu Gunsten der Kantone und 300 Millionen zu Gunsten der Gemeinden). Je nach Szenario wäre der Wachstumseffekt mehr oder weniger rasch spürbar.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Mit der Schaffung einer Bilanzreserve soll rechtzeitig ein vertrauensbildendes Signal an die von einem weiteren Abbau der Grenzabgaben für Landwirtschaftsprodukte betroffenen Kreise gesendet werden. Über die konkrete Verwendung der Mittel werden keine abschliessenden Entscheide gefällt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass das Landesrecht mit der Umsetzung internationaler Abkommen angepasst werden muss.

Die Vorlage hat kurzfristig auf die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen keine direkten wirtschaftlichen Auswirkungen. Mittelfristig, bei Abschluss eines der beiden internationalen Abkommen, können die betroffenen Gruppen (Landwirtschaft, Nahrungsmittelsektor) im Rahmen der politischen Diskussionen über die Ausgestaltung der Begleitmassnahmen Bezug nehmen auf die Spezialfinanzierung nach Artikel 19a LwG.

Alternative Regelungen zur Vorbereitung der Finanzierung von Begleitmassnahmen werden in Ziffer 1.4.2 dargelegt.

1359

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Verhandlung eines Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union im Agrar- und Lebensmittelbereich ist Gegenstand des Bundesbeschlusses vom 18. September 200812 über die Legislaturplanung 2007­2011.

Sie ist unter dem Ziel 14 betreffend die Konsolidierung der Beziehungen zur EU aufgeführt. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft vom 23. Januar 200813 festhält, würde sich die vollständige Grenzöffnung auf die Einkommen der Bauernfamilien und der Beschäftigten im Agrar- und Ernährungssektor auswirken. Demzufolge wäre eine sozialverträgliche Weiterentwicklung nur über die Bereitstellung von Begleitmassnahmen gewährleistet, deren Finanzierung sichergestellt ist. Zu diesem Zweck schlägt der Bundesrat vor, eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen, welche die Bildung einer Spezialfinanzierung ermöglicht.

Nach der Botschaft über die Legislaturplanung14 ist ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde eine weitere Zielsetzung. Es sind ebenfalls Begleitmassnahmen vorgesehen, damit die landwirtschaftlichen Betriebe die neuen Herausforderungen, die sich angesichts einer grösseren Marktöffnung stellen, ohne soziale Brüche bewältigen können.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit

Die Bildung einer Spezialfinanzierung, wie sie mit der Zweckbindung der Zolleinnahmen vorgesehen ist, hat nach Artikel 53 FHG auf Gesetzesstufe zu erfolgen. Die vorgeschlagene Änderung des Landwirtschaftsgesetzes statuiert eine entsprechende Spezialfinanzierung. Die zweckgebundenen Mittel werden erst nach dem Abschluss der vorgesehenen Abkommen benötigt werden. Entsprechend ist die Ausgestaltung der Begleitmassnahmen zum heutigen Zeitpunkt noch offen.

Grundsätzlich bilden Artikel 104 BV und das Landwirtschaftsgesetz die entsprechende Verfassungs- bzw. Gesetzesgrundlage. Die Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit ist bei der konkreten Ausgestaltung von Begleitmassnahmen im Einzelnen zu prüfen.

5.2

Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Mit dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich wird ein grosser Schritt auf dem Weg zur Liberalisierung der Agrarmärkte vollzogen und die von der WTO und der OECD gewünschte Richtung eingehalten. Ein FHAL entspricht auch der Absicht in der Evolutivklausel des Agrarabkommens zwischen der Schweiz und der EU von 1999. Es wird über den Abbau des Grenzschutzes zu einer Reduktion der gesamten Agrarstützung führen, 12 13 14

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wie dies auch bei einem neuen WTO-Abkommen der Fall sein wird. Da die Begleitmassnahmen zeitlich befristet sind und die Erleichterung des Anpassungsprozesses zum Ziel haben, dürften sie den Anforderungen der Green Box der WTO genügen.

5.3

Ausgabenbremse

Durch die Schaffung einer Gesetzesgrundlage für eine Spezialfinanzierung werden keine direkten neuen Subventionsbestimmungen geschaffen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen. Aus diesem Grund ist der vom Bundesrat unterbreitete neue Artikel 19a LwG nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

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