20.089 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Reform BVG 21) vom 25. November 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2010

M

10.3795

«Administrative Entschlackung des BVG» (S 2.12.10 Graber, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR 25.3.11, N 12.9.11)

2015

P

13.3462

«Sicherstellung der finanziellen Stabilität und Planbarkeit in der obligatorischen zweiten Säule» (N 5.3.15, FDP-Liberale Fraktion)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. November 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-2602

9809

Übersicht Die berufliche Vorsorge (2. Säule) steht vor der doppelten Herausforderung der steigenden Lebenserwartung und ungenügender Anlagerenditen. Eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist trotz der Ablehnung entsprechender Vorlagen in den Jahren 2010 und 2017 notwendig. Diese Vorlage soll die Finanzierung der beruflichen Vorsorge sichern und gleichzeitig das Leistungsniveau erhalten und für Personen mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte verbessern.

Ausgangslage Seit 2005 die 1. BVG-Revision in Kraft getreten ist, sind die Parameter im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) nicht mehr angepasst worden. 2010 wurde eine Vorlage, die sich auf die Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes beschränkte, mit grossem Mehr in der Volksabstimmung abgelehnt. Auch das letzte Projekt, die Reform der Altersvorsorge 2020, welche die AHV (1. Säule) und die berufliche Vorsorge gemeinsam reformieren sollte, ist im September 2017 von Volk und Ständen abgelehnt worden. Begründet wurde die Ablehnung unter anderem damit, dass die Reform von AHV und beruflicher Vorsorge in einer einzigen Vorlage zu komplex war. Der Bundesrat trägt diesem Einwand Rechnung und schlägt vor, die notwendigen Massnahmen für die erste und die zweite Säule nicht mehr mit einer gemeinsamen Reformvorlage weiterzuverfolgen. Stattdessen soll den demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, welche beide Säulen der Altersvorsorge betreffen, mit zwei separaten Vorlagen begegnet werden.

Die nationalen Dachverbände der Sozialpartner (Travail.Suisse, Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB, Schweizerischer Gewerbeverband SGV und Schweizerischer Arbeitgeberverband SAV) sind auf eigenen Wunsch im Dezember 2017 eingeladen worden, einen Lösungsvorschlag zur Anpassung des BVG an die veränderten demografischen Rahmenbedingungen und die Finanzmärkte vorzuschlagen. SAV, SGB und Travail.Suisse haben sich nach Prüfung diverser Modelle auf einen Lösungsansatz zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes, kombiniert mit Massnahmen zur Sicherung des Leistungsniveaus, sowie zur besseren Versicherung von Teilzeitbeschäftigten und Erwerbstätigen mit tieferen Einkommen geeinigt. Diese Vorlage übernimmt die Massnahmenvorschläge dieser Sozialpartner.
Inhalt der Vorlage Angesichts der Dringlichkeit, die berufliche Vorsorge zu reformieren, beschränkt sich die Vorlage im Wesentlichen auf die folgenden Elemente: Senkung des Mindestumwandlungssatzes, Erhalt des Rentenniveaus und Verbesserung der Vorsorge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit tieferen Einkommen. Letztere Massnahme soll insbesondere teilzeitbeschäftigten Frauen zugutekommen.

9810

Die wichtigsten Neuerungen: Senkung des Mindestumwandlungssatzes Die beiden entscheidenden Grössen für die Festsetzung des Umwandlungssatzes*1 sind die Lebenserwartung und der technische Zinssatz*. Der technische Zinssatz orientiert sich an der zu erwartenden durchschnittlichen Rendite der Vorsorgeeinrichtungen für die kommenden Jahre. Der heutige Mindestumwandlungssatz setzt eine Rendite von rund 5 Prozent voraus. In Anbetracht der gegenwärtigen Finanzmarktsituation kann eine solche Rendite langfristig nicht erzielt werden. Eine Anpassung des Mindestumwandlungssatzes ist daher unumgänglich.

Gemäss Vorlage soll der Mindestumwandlungssatz für das ordentliche Rentenalter mit Inkrafttreten der Reform auf 6,0 Prozent gesenkt werden.

Ausgleichsmassnahmen Um das Niveau der obligatorischen Leistungen gemäss BVG zu erhalten, braucht es Ausgleichsmassnahmen. Andernfalls würde die Senkung des Mindestumwandlungssatzes bei neuen Renten zu einem erheblichen Rückgang des Leistungsniveaus führen. Eine solche Einbusse wäre nicht vertretbar; die Erhaltung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand gehört daher zu den Hauptzielen der Reform.

Um das Leistungsniveau zu erhalten, sind einerseits eine Verstärkung des Alterssparens durch eine Senkung des Koordinationsabzugs* und durch eine Anpassung der Sätze für die Altersgutschriften* und andererseits ein solidarisch finanzierter Rentenzuschlag für künftige Rentnerinnen und Rentner vorgesehen. Durch die Kombination dieser Massnahmen kann das Leistungsniveau insgesamt gehalten und für Personen mit tieferen Einkommen, Teilzeitbeschäftigte und Mehrfachbeschäftigte sogar verbessert werden. Von diesen Massnahmen werden vor allem Frauen profitieren.

Halbierung des Koordinationsabzugs Der Koordinationsabzug soll halbiert werden. Aktuell entspricht er 7/8 der maximalen AHV-Altersrente (2020: 24 885 Fr.). Durch die Halbierung (12 443 Fr.) wird der in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versicherte Lohn erhöht, wodurch das Vorsorgeniveau der Versicherten mit tiefen und mittleren Einkommen verbessert wird. Die Halbierung des Koordinationsabzugs auf 12 443 Franken hat bei tieferen Jahreslöhnen eine verhältnismässig stärkere Wirkung als bei höheren Jahreslöhnen.

Mit dieser Massnahme kann auch den neuen Realitäten in Bezug auf das Erwerbsverhalten Rechnung getragen werden
(Teilzeitarbeit, Mehrfachbeschäftigung). Auch von dieser Änderung werden insbesondere Frauen profitieren.

Anpassung der Altersgutschriftensätze Die Sätze für die Altersgutschriften sollen ebenfalls angepasst werden. Die heutige altersabhängige Staffelung soll vereinfacht werden. Für die Altersgruppe bis 44 Jahre ist ein Satz von 9 Prozent vorgesehen, für Erwerbstätige ab 45 Jahren 1

Die mit einem * bezeichneten Begriffe werden im Glossar erklärt.

9811

ein Satz von 14 Prozent. Mit der neuen Staffelung entfallen die Mehrkosten für über 54-jährige Personen gegenüber den 45- bis 54-jährigen Versicherten in der beruflichen Vorsorge. Dadurch soll ein Altersnachteil beseitigt werden.

Rentenzuschlag Um die Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen und eine tiefere Altersrente der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu vermeiden, soll zusätzlich zur Verstärkung des Alterssparens ein Rentenzuschlag geschaffen werden. Dieser Zuschlag soll allen Personen ausbezahlt werden, deren Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente der beruflichen Vorsorge nach Inkrafttreten dieser Reform entsteht. Der Zuschlag zur Altersrente soll 200 Franken pro Monat betragen für Personen, die in den ersten fünf Jahren ab Inkrafttreten der Reform pensioniert werden, 150 Franken pro Monat für die nachfolgenden fünf Jahrgänge und 100 Franken pro Monat für die fünf nach diesen folgenden Jahrgänge. Für jüngere Jahrgänge soll die Höhe des Rentenzuschlags nach Massgabe der verfügbaren Mittel jeweils pro Kalenderjahr vom Bundesrat festgelegt werden. Der Rentenzuschlag trägt massgeblich zur Akzeptanz einer sofortigen Senkung des Mindestumwandlungssatzes bei. Finanziert werden soll der Rentenzuschlag durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge von 0,5 Prozent auf dem AHV-pflichtigen Erwerbseinkommen.

Die Höhe des Rentenzuschlags soll unabhängig von der Höhe der ausbezahlten Rente festgesetzt werden. Dies wird speziell Personen mit tiefen und mittleren Einkommen sowie Teilzeitbeschäftigten zugutekommen, insbesondere Frauen.

9812

BBl 2020

Inhaltsverzeichnis Übersicht

9810

1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Handlungsbedarf 1.1.2 Ziele 1.2 Methode 1.3 Wirtschaftliche Entwicklung 1.4 Finanzielle Perspektiven 1.5 Lebenserwartung 1.6 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 1.7.1 Motion «Administrative Entschlackung des BVG» 1.7.2 Massnahmen und Schlussfolgerungen aus dem Bericht über die Zukunft der 2. Säule 1.7.3 Weitere vom Bundesrat geprüfte und vorgeschlagene Schritte 1.7.3.1 Weitere für die Motion relevante Forschungsprojekte 1.7.3.2 Gesetzes-und Verordnungsänderungen 1.7.4 Fazit und Antrag 1.7.5 Postulat «Sicherstellung der finanziellen Stabilität und Planbarkeit in der obligatorischen zweiten Säule»

9816 9816 9816 9818 9819 9819 9820 9823

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vorverfahren 2.1.1 Nach der Abstimmung über die Reform der Altersvorsorge 2020 ­ Ergebnisse der Gespräche mit den interessierten Kreisen 2.1.2 Gewählte Option der Reform des BVG 2.1.3 Kompromissvorschlag der Sozialpartner 2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 2.2.1 Mindestumwandlungssatz 2.2.2 2.2.2 Rentenzuschlag 2.2.3 Koordinationsabzug 2.2.4 Altersgutschriften 2.2.5 Weitere Themen

9831 9831

2

9824 9825 9825 9826 9827 9827 9828 9829 9830

9831 9831 9832 9834 9834 9835 9835 9835 9835

9813

BBl 2020

2.3

2.4

Geprüfte Alternativen 2.3.1 Alternativvorschlag (nach der Vernehmlassung eingebracht) 2.3.2 Modell des Baumeisterverbandes, der Swiss Retail Federation und des Verbands Arbeitgeber Banken (eingebracht im Rahmen der Vernehmlassung) 2.3.3 Modell des SGV vom 2. Juli 2019 2.3.4 Modell des ASIP vom 2. Oktober 2019 Empfehlungen der Eidgenössischen BVG-Kommission

9836 9836 9843 9846 9850 9854

3

Gewählte Lösung

9854

4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

9857

5

Grundzüge der Vorlage 5.1 Senkung des Mindestumwandlungssatzes 5.2 Ausgleichsmassnahmen 5.2.1 Notwendigkeit der Ausgleichsmassnahmen 5.2.2 Rentenzuschlag 5.2.3 Senkung des Koordinationsabzugs und Anpassung der Altersgutschriftensätze 5.2.4 Finanzielle Auswirkungen der Ausgleichsmassnahmen 5.3 Koordination mit anderen Sozialversicherungen

9857 9857 9858 9858 9859

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 6.1 Verhältnis zur Reform AHV 21 6.2 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG) 6.3 Freizügigkeitsgesetz (FZG) 6.4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

9865 9865

Auswirkungen 7.1 Finanzielle Auswirkungen auf Sozialversicherungen 7.1.1 Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge 7.1.2 Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungen 7.2 Auswirkungen auf den Bund 7.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 7.4 Wirtschaftliche Auswirkungen 7.5 Auswirkungen auf die versicherten Personen

9882 9882 9882 9883 9883

Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungsmässigkeit 8.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 8.2.1 Instrumente der Vereinten Nationen 8.2.2 Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation 8.2.3 Instrumente des Europarates

9892 9892 9892 9892 9893 9893

6

7

8

9814

9860 9862 9865

9866 9881 9881

9884 9884 9889

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8.2.4 8.2.5 8.3 8.4 8.5

Instrumente des Europäischen Union Vereinbarkeit der einzelnen Massnahmen mit dem internationalen Recht Erlassform Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

9893 9894 9896 9896 9896

Glossar

9897

Literaturverzeichnis

9902

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG) (Reform BVG 21) (Entwurf)

9903

9815

BBl 2020

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Handlungsbedarf

Die berufliche Vorsorge in der Schweiz muss in den nächsten Jahrzehnten die folgenden demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen: ­

Die Leistungen müssen infolge der höheren Lebenserwartung für einen längeren Zeitraum finanziert werden.

­

Das tiefe Zinsniveau verringert die Erträge auf den Altersguthaben*2 und erzeugt ein langfristiges Ungleichgewicht zwischen den Leistungsversprechen und der Finanzierung der Leistungen.

Diese Herausforderungen bedingen eine Anpassung des Mindestumwandlungssatzes. Der Umwandlungssatz* dient der Berechnung der Renten der beruflichen Vorsorge. Er findet allgemein Verwendung bei Vorsorgeplänen* im Beitragsprimat*, die auf dem Aufbau von Altersguthaben basieren, und somit auch in der obligatorischen Versicherung nach dem Bundesgesetz vom 25. Juni 19823 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Der Umwandlungssatz bestimmt die Höhe der jährlichen Rente und gibt vor, wie das Altersguthaben in jährliche Rentenleistungen umgewandelt wird. Beispiel: Eine versicherte Person verfügt bei der Pensionierung über ein Altersguthaben von 500 000 Franken. Liegt der Umwandlungssatz bei 6,8 Prozent, so erhält die Person eine jährliche Rente von 34 000 Franken (500 000 Fr. × 6,8: 100).

Für die obligatorische berufliche Vorsorge definiert das Gesetz den Mindestumwandlungssatz. Seit 2014 beträgt er sowohl für Männer (im Alter von 65 Jahren) als auch für Frauen (im Alter von 64 Jahren) 6,8 Prozent. Dieser Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent setzt eine Bruttorendite von rund 5 Prozent voraus. In Anbetracht der seit Längerem bestehenden Finanzmarktsituation (vgl. Ziff. 1.3) kann eine solche Rendite langfristig nicht erzielt werden. Folglich besteht ein Ungleichgewicht zwischen der auszurichtenden Leistung und ihrer Finanzierung, da das vorhandene Altersguthaben nicht ausreicht, um die garantierte Rente während der gesamten Laufzeit zu finanzieren. Eine der Folgen dieses Ungleichgewichts sind unerwünschte Solidaritäten. Die aktiven Versicherten müssen eine Zusatzfinanzierung in Form einer tieferen Verzinsung ihrer Altersguthaben oder von Sanierungsbeiträgen leisten, damit die Leistungen für die Rentenbezügerinnen und -bezüger garantiert werden können. Bei Vorsorgeeinrichtungen mit einer ungünstigen Altersstruktur, das heisst einem im Verhältnis zu den aktiven Versicherten relativ hohen Anteil Rentnerinnen 2 3

Die mit einem * bezeichneten Begriffe werden im Glossar erklärt.

SR 831.40

9816

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und Rentner, ist diese Querfinanzierung für die aktiven Versicherten besonders ausgeprägt. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) schätzt die gesamte Umverteilung in der obligatorischen und der überobligatorischen Versicherung auf durchschnittlich rund 6 Milliarden Franken pro Jahr.4 Die Umverteilung aufgrund des zu hohen Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen Versicherung dürfte allerdings deutlich tiefer sein.

In der überobligatorischen Vorsorge liegt die Kompetenz zur Festsetzung des Umwandlungssatzes beim obersten (paritätischen) Organ der Vorsorgeeinrichtung.

Vorsorgeeinrichtungen, die auch das Überobligatorium* versichern, können den Umwandlungssatz somit auf der Basis der von ihnen verwendeten versicherungstechnischen Grundlagen* festsetzen. Konkret kann der Umwandlungssatz in solchen umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen* also tiefer als 6,8 Prozent sein, da lediglich für das Obligatorium* mit dem Mindestumwandlungssatz gerechnet werden muss.

Diese Vorsorgeeinrichtungen müssen den Mindestumwandlungssatz nur in der sogenannten Schattenrechnung* berücksichtigen. Diese wird für jede versicherte Person geführt, um nachzuweisen, dass die Vorsorgeeinrichtung mindestens die vom BVG vorgeschriebenen Minimalleistungen erbringt. Durch die Festsetzung eines tieferen Umwandlungssatzes können Vorsorgeeinrichtungen mit überobligatorischen Leistungen eine Umverteilung von aktiven Versicherten zu den Rentnerinnen und Rentnern verringern oder gänzlich vermeiden.

Der durchschnittliche Umwandlungssatz umhüllender Vorsorgeeinrichtungen sinkt kontinuierlich. So haben 83 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen in den letzten Jahren den Umwandlungssatz gesenkt. Lag 2014 der durchschnittliche Umwandlungssatz im Alter 65 bei 6,29 Prozent, so betrug er 2019 noch 5,71 Prozent.5 Man kann also feststellen, dass die umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen in einem schwierigen Umfeld die nötigen Massnahmen treffen, jedoch zum Preis in Form von tieferen Neurenten oder höheren Sparbeiträgen.

In Vorsorgeeinrichtungen die ausschliesslich die obligatorische Mindestvorsorge durchführen, kommt der Mindestumwandlungssatz jedoch direkt zur Anwendung.

Dieser muss folglich vom Gesetzgeber so festgelegt werden, dass er auch von Vorsorgeeinrichtungen, die nur die obligatorische Vorsorge durchführen, finanziert werden
kann. Rund 12 Prozent der Versicherten sind für die Altersleistungen nur nach den Mindestbestimmungen der obligatorischen Vorsorge versichert. Weitere rund 20 Prozent sind stark vom Mindestumwandlungssatz betroffen, da der überobligatorische Anteil an ihrem Altersguthaben gering ist.

4 5

OAK BV, Bericht «Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2019», gerundeter Durchschnitt der Jahre 2018/2019.

OAK BV, Bericht «Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2019».

9817

BBl 2020

1.1.2

Ziele

­

Finanzierung der beruflichen Vorsorge durch Senkung des Umwandlungssatzes sichern

­

Niveau der Altersleistungen erhalten und für Personen mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte verbessern

Das Drei-Säulen-Konzept der Altersvorsorge hat sich grundsätzlich bewährt. Es sieht sich jedoch mit den Herausforderungen der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung konfrontiert. Wenn nicht rechtzeitig Massnahmen ergriffen werden, um dieser Entwicklung zu begegnen, sind die Finanzierung der Altersvorsorge und der Erhalt eines angemessenen Leistungsniveaus im Ruhestand gefährdet. Das betrifft sowohl die umlagefinanzierte AHV wie auch die im Kapitaldeckungsverfahren* finanzierte berufliche Vorsorge.

Finanzierung der beruflichen Vorsorge durch Senkung des Mindestumwandlungssatzes sichern Die Herausforderung der im Kapitaldeckungsverfahren finanzierten obligatorischen beruflichen Vorsorge besteht vor allem darin, dass die Rente wegen der steigenden Lebenserwartung länger bezogen wird und die Zinsen tief sind. Der aktuelle Mindestumwandlungssatz trägt beiden Faktoren nicht Rechnung. Damit das finanzielle Gleichgewicht in der beruflichen Vorsorge weiterhin gewährleistet werden kann, ist eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes unumgänglich.

Niveau der Altersleistungen erhalten und für Personen mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte verbessern Mit den vorgeschlagenen Massnahmen soll das Niveau der Altersrenten der obligatorischen beruflichen Vorsorge erhalten werden. Eine Einbusse des Leistungsniveaus wäre nicht vertretbar. Die Bundesverfassung6 (BV) verpflichtet den Bund, Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zu treffen. Im Rahmen des schweizerischen Dreisäulensystems kommt der 2. Säule die Aufgabe zu, zusammen mit der 1. Säule die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise sicherzustellen.7 Damit die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes nicht zu einem Rückgang des Leistungsniveaus führt, sind Ausgleichmassnahmen erforderlich.

Die folgenden Massnahmen sollen die Auswirkungen auf die Renten aller Versicherten ausgleichen, die von der Anpassung betroffen sind: Durch eine Halbierung des Koordinationsabzugs* und Anpassungen der Altersgutschriften* wird das Alterssparen verstärkt und so das Altersguthaben erhöht. Hinzu kommt ein Rentenzuschlag, der durch Beiträge der Erwerbstätigen und Arbeitgeber finanziert wird.

Infolge der gesellschaftlichen Entwicklung nehmen neue Arbeitsformen wie Teilzeitarbeit oder Mehrfachbeschäftigung zu. Für Personen in diesen Arbeitsverhältnis6 7

SR 101 Art. 113 Abs. 2 Bst. a BV.

9818

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sen ist es nach den geltenden Regelungen ­ insbesondere aufgrund des einheitlichen Koordinationsabzugs ­ schwierig, eine angemessene Vorsorge aufzubauen. Die Zunahme dieser Arbeitsformen erfordert deshalb für kleinere Einkommen nicht nur einen Leistungserhalt, sondern einen besseren Schutz in der beruflichen Vorsorge.

Der Rentenzuschlag und die Halbierung des Koordinationsabzugs bewirken eine solche Verbesserung der Vorsorge von tiefen und mittleren Einkommen. Zu diesen Einkommensgruppen gehören besonders viele Teilzeitarbeitende und insbesondere Frauen.

1.2 ­

Methode Die AHV und die berufliche Vorsorge werden separat reformiert.

In der Reform der Altersvorsorge 2020 wurde vorgeschlagen, die 1. Säule und die 2. Säule gleichzeitig in einer einzigen umfassenden Vorlage zu reformieren. Dieses Vorgehen führte jedoch zu einer erhöhten Komplexität der Vorlage, die sogar zu einem der Gründe für die Ablehnung der Vorlage wurde (vgl. VOTO-Studie8).

Deshalb will der Bundesrat die AHV und die berufliche Vorsorge nun separat reformieren. Die Arbeiten wurden parallel lanciert, folgen aber unterschiedlichen Zeitplänen.

Der Bundesrat hat die Botschaft zur Reform AHV 21 am 28. August 2019 verabschiedet.9 Darin sollen in beiden Säulen das Rentenalter (künftig: Referenzalter) von Frau und Mann vereinheitlicht und die Flexibilität des Bezugs der Altersrente stark erhöht werden (Teilbezug, Vorbezug bzw. Aufschub der Rente).

1.3

Wirtschaftliche Entwicklung

Für die finanzielle Stabilität der beruflichen Vorsorge ist hauptsächlich die Entwicklung der Finanzmärkte entscheidend. Diese war in den vergangenen Jahren von extrem tiefen Zinsen geprägt. Während die Rendite 10-jähriger Schweizer Bundesobligationen in den 1990er-Jahren noch durchschnittlich 4,8 Prozent betrug, sank sie nach der Finanzkrise ab 2008 auf rekordtiefe Niveaus. Seit 2015 liegt sie sogar mehrheitlich im negativen Bereich. Es zeigt sich, dass die zunächst als kurz- bis mittelfristiges Phänomen betrachtete Tiefzinsphase wesentlich stärker ausfällt und länger anhält, als anfänglich erwartet.

8

9

Milic T., Reiss T. und Kübler D.: VOTO-Studie zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 24. September 2017, Aarau, Lausanne und Luzern, 2017; die Studie ist abrufbar unter: www.voto.swiss > Publikationen und Daten. Für die Studie wurden 1511 Stimmberechtigte befragt.

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9819

BBl 2020

Grafik 1­1 Rendite 10-jähriger Schweizer Bundesobligationen 1990­2019, in Prozent 8

7 6 5

4 3 2 1

0 -1 -2 1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Quelle: Datenportal der Schweizerischen Nationalbank

Wegen des anhaltend tiefen Zinsniveaus mussten die Vorsorgeeinrichtungen ihre Bewertungszinssätze senken, was einerseits ihren Kapitalbedarf zur Deckung der Rentenverpflichtungen erhöht und sie andererseits gezwungen hat, in der überobligatorischen und der umhüllenden Vorsorge die Umwandlungssätze für neue Renten zu senken oder in der überobligatorischen Vorsorge nur noch den Kapitalbezug anzubieten. Gleichzeitig gingen die sinkenden und tiefen Zinsen mit Bewertungsgewinnen auf Aktien und Obligationen sowie steigenden Immobilienpreisen einher.

Zusammen mit den erwähnten leistungsseitigen Massnahmen in der überobligatorischen Vorsorge (Senkung der Umwandlungssätze und Einschränkung der Rentenoption) ermöglichte dies den Vorsorgeeinrichtungen, ihre finanzielle Lage nach dem Einbruch von 2008 wieder zu stabilisieren. Das extrem tiefe Zinsniveau drückt aber die Renditeerwartungen für die kommenden Jahre nach unten. Die Coronakrise erhöht ausserdem die Volatilität und die Unsicherheit auf den Finanzmärkten.

1.4

Finanzielle Perspektiven

Die finanzielle Situation der im Kapitaldeckungsverfahren finanzierten beruflichen Vorsorge hängt im Wesentlichen davon ab, inwiefern die an den Finanzmärkten erzielte Rendite der notwendigen Rendite entspricht. Die notwendige Rendite ergibt sich insbesondere aus dem Mindestzinssatz*, der den aktiven Versicherten gutgeschrieben werden muss, und aus der Verzinsung des Rentendeckungskapitals. Zudem muss die Rendite auch die Finanzierung von Rückstellungen* und Wert9820

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schwankungsreserven* ermöglichen. Der Mindestzinssatz wird in der Regel jährlich aufgrund der Situation an den Finanzmärkten festgelegt. Hingegen ist die Höhe der laufenden Renten garantiert, weshalb auch die erforderliche Rendite für deren Finanzierung gegeben ist. Der Höhe des Mindestumwandlungssatzes, der die Rentenhöhe und damit die erforderliche Rendite bestimmt, kommt daher eine entscheidende Rolle zu. Allerdings hängt die erforderliche Rendite nicht nur von der Höhe des Mindestumwandlungssatzes ab, sondern auch von der Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner (und ihren Hinterlassenen): Je höher die Lebenserwartung, desto mehr Rendite ist erforderlich, damit das angesparte Altersguthaben ausreicht, um die Rente bis zum Lebensende zu finanzieren. Die steigende Lebenserwartung (vgl.

Ziff. 1.5) hat in den letzten Jahren deshalb zu höheren Renditeanforderungen geführt. Beim zurzeit geltenden Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent und der aktuellen Lebenserwartung wird eine Rendite von rund 5 Prozent benötigt.

Die Entwicklung der auf den Anlagevermögen der 2. Säule erzielten Erträge zeigt ein komplett anderes Bild. Der Pictet-Index BVG-25 ist ein weitverbreiteter und anerkannter Indikator zur Berechnung der möglichen Kapitalerträge in der beruflichen Vorsorge. In der folgenden Grafik sind die Entwicklung des Indexes seit 1990 und die entsprechende Tendenz ersichtlich.

Grafik 1­2 Entwicklung der Renditen der Vorsorgeeinrichtungen 1990 ­ Juni 2020 20 15

Rendite in %

10 5 0 -5 -10 -15

Notwendige Rendite für Umwandlungssatz 6.8% im Jahr 2020 Kapitalanlage mit 25% Aktien (Pictet BVG 25 Index) Linear (Pictet BVG 25 Index)

Die Grafik zeigt, dass die Renditen seit der Jahrtausendwende im Durchschnitt deutlich unter den 5 Prozent liegen, die beim geltenden Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent erforderlich wären. Die Auswirkungen auf die finanzielle Gesamtsituation der beruflichen Vorsorge illustriert die folgende Grafik. Sie zeigt die Entwicklung eines Kapitals, das mit dem Mindestzinssatz (für aktive Versicherte) sowie 9821

BBl 2020

mit einer notwendigen Rendite (globales Mittel zwischen dem Mindestzinssatz und der erforderlichen Rendite zur Finanzierung der Renten) verzinst wurde. Diese Entwicklung wird mit den effektiv im gleichen Zeitraum erzielten Renditen verglichen.10 Ebenfalls dargestellt ist die Entwicklung des durchschnittlichen Deckungsgrads* der Vorsorgeeinrichtungen, der seinerseits auf die finanzielle Gesamtsituation schliessen lässt.11 Grafik 1­3 Vergleich von notwendiger und erzielter Rendite (Indexierung: Ende 1999 = 100) und der Entwicklung des durchschnittlichen Deckungsgrads in Prozent, 2000 ­ Juni 2020

200

Erzielte Rendite Mindestzins Notwendige Rendite Deckungsgrad

180 160 140 120 100

6.2020

12.2019

12.2018

12.2017

12.2016

12.2015

12.2014

12.2013

12.2012

12.2011

12.2010

12.2009

12.2008

12.2007

12.2006

12.2005

12.2004

12.2003

12.2002

12.2001

12.2000

12.1999

80

Wie sich zeigt, waren die erzielten Renditen tendenziell ungenügend. Dies hat zur Folge, dass sich die finanzielle Gesamtsituation seit Ende 1999 verschlechtert hat.

Der durchschnittliche Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen sank von knapp 125 Prozent Ende 1999 auf rund 103 Prozent im Juni 2020. Zudem ist ersichtlich, dass die Anpassungen des Mindestzinssatzes der Entwicklung der erzielten Erträge ziemlich gut Rechnung getragen haben. Das Problem liegt eindeutig bei der zu hohen erforderlichen Rendite zur Rentenfinanzierung. Dies zeigt wiederum, dass der Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent zu hoch angesetzt ist.

Das Ungleichgewicht zwischen erzielter und benötigter Rendite hat nicht nur negative Folgen für die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen, sondern führt auch zu einer unerwünschten Umverteilung von den aktiven Versicherten zu den 10 11

Quelle: Credit Suisse PK-Index.

Quelle: Complementa bis 2004 Ab 2004 Schätzungen BSV.

9822

BBl 2020

Rentnerinnen und Rentnern. Damit die garantierten Renten auch in Phasen zu tiefer Kapitalerträge ausgerichtet werden können, müssen die Sparguthaben der aktiven Versicherten tiefer verzinst oder zusätzliche Beiträge erhoben werden. Die OAK BV beziffert den Umfang dieser Massnahmen, wie bereits oben erwähnt, auf mehr als 6 Milliarden Franken pro Jahr. Beide Massnahmen gehen zulasten der aktiven Versicherten, während die Leistungen der Rentnerinnen und Rentner geschützt sind. Da der Mindestumwandlungssatz nur im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge gilt, entsteht eine weitere Form der Umverteilung, wenn zur Deckung des Finanzierungsbedarfs im Obligatorium die Sparguthaben im überobligatorischen Bereich tiefer verzinst werden. Die Umverteilung findet somit auch vom Überobligatorium zum Obligatorium statt und nicht nur von den aktiven Versicherten zu den Rentnerinnen und Rentnern. Beide Formen der Umverteilung sind systemfremd und für die Destinatäre schwer verständlich. Diese Intransparenz schwächt die Glaubwürdigkeit der beruflichen Vorsorge.

1.5

Lebenserwartung

Die korrekte Höhe des Mindestumwandlungssatzes ist für die finanzielle Stabilität der 2. Säule von zentraler Bedeutung. Die beiden Bestimmungsgrössen für den Mindestumwandlungssatz sind die Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner sowie die voraussichtliche Kapitalrendite. Für keinen dieser beiden Parameter sind exakte Entwicklungsprognosen möglich. Für die Lebenserwartung können jedoch anhand der von den Vorsorgeeinrichtungen häufig verwendeten technischen Grundlagen12 Hochrechnungen erstellt werden.

Im Einklang mit dem weltweiten Trend geht die demografische Entwicklung auch in der Schweiz in Richtung alternder Bevölkerung. Dadurch verändert sich die Alterspyramide, da der Anteil älterer Menschen im Verhältnis zur jüngeren Bevölkerung zunimmt. Für die berufliche Vorsorge ist allerdings hauptsächlich die steigende Lebenserwartung im Alter 65 von Bedeutung.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die angenommene Entwicklung der Lebenserwartung, wie sie in den üblichen technischen Grundlagen und in den Bevölkerungsszenarien des BFS Eingang findet.

12

Die technischen Grundlagen BVG 2015 können über die Adresse www.bvg-grundlagen.ch bestellt werden; die technischen Grundlagen VZ 2015 können über die Adresse www.pkzh.ch > Publikationen > Technische Grundlagen VZ bestellt werden; die Daten des BFS sind unter www.bfs.admin.ch abrufbar.

9823

BBl 2020

Tabelle 1­1 Entwicklung der Lebenserwartung im Alter 65 gemäss den Grundlagen BVG 2015 und VZ 2015 sowie gemäss dem BFS-Bevölkerungsszenario A-00-2020 für die Jahre 2020, 2025 und 2030 Sterbe-tafeln

BVG 2015 VZ 2015 BFS

2020

2025

2030

Männer

Frauen

Männer

Frauen

Männer

Frauen

20,82 21,27 20,28

22,85 23,32 22,83

21,56 21,85 21,20

23,47 23,78 23,43

22,26 22,43 21,99

24,07 24,24 24,01

Wie sich in allen drei Sterbetafeln zeigt, wird die Lebenserwartung im Alter 65 in den folgenden Jahren zunehmen: Innerhalb von zehn Jahren wird sie bei beiden Geschlechtern um mehr als ein Jahr steigen.

Aufgrund des Kapitaldeckungsverfahrens, bei dem jede Person ihr eigenes Alterskapital bildet, reagiert die 2. Säule zwar weniger stark auf Veränderungen des Verhältnisses zwischen Erwerbstätigen und Rentenbeziehenden als die umlagefinanzierte AHV. Langfristig wird sich das stärkere Gewicht der Rentenbeziehenden aber auch in der beruflichen Vorsorge bemerkbar machen. Die Rentenzahlungen werden stärker wachsen als die Beitragseinnahmen, was die Vorsorgeeinrichtungen zu einer Anpassung der Anlagestrategie zwingen wird. Tendenziell können die Vorsorgeeinrichtungen bei negativem Cashflow weniger Anlagerisiken eingehen, was wiederum das Renditepotenzial schmälert und damit den sogenannten dritten Beitragszahler weiter schwächt. Unmittelbar und stärker ist jedoch der Einfluss der weiterhin steigenden Lebenserwartung. Die längere Rentenbezugsdauer macht eine Anpassung des Mindestumwandlungssatzes notwendig.

Auch wenn sich die finanziellen Perspektiven der beruflichen Vorsorge nicht mit Sicherheit berechnen lassen, so ist doch von den beiden folgenden Haupttrends auszugehen: Zum einen wird die Lebenserwartung weiter ansteigen. Zum anderen werden die erwarteten Kapitalrenditen im Durchschnitt tiefer sein als bisher. Aus diesen Gründen ist eine Anpassung des Mindestumwandlungssatzes unumgänglich, um die finanzielle Stabilität der 2. Säule zu erhalten und zu stärken.

1.6

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage setzt die in der Botschaft vom 29. Januar 202013 zur Legislaturplanung 2019­2023 vom Bundesrat vorgeschlagenen erforderlichen Massnahmen zur Erreichung von Ziel 9 um: «Zur Sicherung der finanziellen Stabilität der obligatorischen [beruflichen] Vorsorge muss der Mindestumwandlungssatz gesenkt werden. Mit

13

BBl 2020 1777, hier 1849

9824

BBl 2020

Ausgleichsmassnahmen muss dafür gesorgt werden, dass das Rentenniveau nicht sinkt.» Gemäss Bundesbeschluss vom 21. September 202014 über die Legislaturperiode 2019­2023 soll das Ziel 9 («Die Schweiz reformiert ihre Sozialwerke und finanziert sie nachhaltig.») im Bereich der beruflichen Vorsorge durch eine Reform des BVG erreicht werden.

Bereits im Rahmen der Legislaturplanung 2011­2015 wurde im Bereich der Sozialpolitik die Verabschiedung von Vorlagen in der 1. Säule und der obligatorischen beruflichen Vorsorge15 zur finanziellen Konsolidierung der Sozialversicherungen im Hinblick auf die demografische Entwicklung als Priorität festgelegt. Der Bundesrat hatte die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 bereits am 19. November 201416 verabschiedet, weshalb sie in den Zielen der Legislaturplanung 2015­201917 nicht mehr erschien. Da die Reform der Altersvorsorge 2020 in der Volksabstimmung vom 24. September 2017 abgelehnt wurde, beschloss der Bundesrat, unverzüglich die Arbeiten für eine neue Vorlage einzuleiten, um die dringenden Anpassungen im BVG durchzuführen und so die berufliche Altersvorsorge zu sichern.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird vorgeschlagen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben.

1.7.1

Motion «Administrative Entschlackung des BVG»

Die Motion 10.3795 Konrad Graber «Administrative Entschlackung des BVG» vom 30. September 2010 verlangt wegen des Komplexitätsgrads im BVG administrative Vereinfachungen, erhöhte Transparenz für die Versicherten sowie geeignete Massnahmen, um die Verwaltungskosten zu senken. In seiner Stellungnahme vom 24. November 2010 beantragte der Bundesrat die Annahme der Motion in dem Sinne, dass die erforderlichen Gesetzesänderungen beantragt würden, wenn sich aufgrund des Berichts des Bundesrates über die Zukunft der 2. Säule18 (nachfolgend Bericht über die Zukunft der 2. Säule) oder aufgrund der Ergebnisse der beiden

14 15 16 17 18

BBl 2020 8385, hier 8389 BBl 2012 481 7155 BBl 2015 1 BBl 2016 1158 Bericht des Bundesrates zuhanden der Bundesversammlung über die Zukunft der 2. Säule, Entwurf vom 24. Dezember 2011; einsehbar unter www.bsv.admin.ch > Publikationen & Service > Gesetzgebung > Vernehmlassungen > 2011 > Anhörung: Bericht über die Zukunft der 2. Säule.

9825

BBl 2020

Forschungsprojekte zu den Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten19 ein weitergehender Handlungsbedarf ergeben würde.

Der Ständerat hat die Motion am 2. Dezember 2010 ohne Gegenstimme angenommen. In seinem Votum betonte der Motionär, dass eine Entschlackung der Vorschriften erreicht werden soll, ohne dabei die Transparenz für die Versicherten zu reduzieren oder die in der Strukturreform eingeführte Good Governance einzuschränken. Die Rechte der Versicherten, die mit der 1. BVG-Revision gestärkt wurden, sollten ebenfalls nicht tangiert werden. Der Motionär äusserte sich auch dahingehend, dass diese Massnahmen tendenziell natürlich zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen würden oder geführt hätten, dass sie aber nicht bekämpft werden sollten.20 Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vertrat die Ansicht, dass sich zwar kaum konkrete Massnahmen aus dem Motionstext ableiten liessen, das Ziel, die administrative Vereinfachung des Systems der 2. Säule, jedoch unterstützt werden müsse. Die Kommission vertrat zudem die Meinung, dass über konkrete Massnahmen und Gesetzesrevisionen erst nach Erscheinen des angekündigten Berichts über die Zukunft der 2. Säule und der beiden Forschungsprojekte diskutiert werden könne.21 Der Nationalrat hat die Motion am 12. September 2011 angenommen.22.

Zusammenfassend ergibt sich aus der Antwort des Bundesrates und den Voten in den Räten, dass Bundesrat und Parlament das Ziel der administrativen Entschlackung unterstützten. Ebenso befürworteten sie das Vorgehen, wonach konkrete Vorschläge für die Umsetzung erst dann beantragt werden sollen, wenn sich aufgrund des Berichts über die Zukunft der 2. Säule oder aufgrund der Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte ein Handlungsbedarf ergibt. Einig war man sich auch, dass bei einer möglichen administrativen Entschlackung des BVG die Rechte der Versicherten nicht tangiert und die Governance- und Transparenzbestimmungen nicht eingeschränkt werden sollen.

1.7.2

Massnahmen und Schlussfolgerungen aus dem Bericht über die Zukunft der 2. Säule

Der Bericht des Bundesrates über die Zukunft der 2. Säule erschien am 24. Dezember 2011. Er enthält eine umfassende Problemanalyse und Lösungsansätze zu verschiedenen Reformpunkten, insbesondere zum Mindestumwandlungssatz und 19

20 21 22

Mettler Ueli / Schwendener Alvin im Auftrag des BSV, Vermögensverwaltungskosten in der 2. Säule, Forschungsbericht 3/11, Bern 2011.

Daniel Hornung, Thomas Röthlisberger, HORNUNG Wirtschafts- und Sozialstudien, Krisztina Beer-Toth, Thomas Bernhard IC Infraconsult AG, Bern, Lucien Gardiol, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS, Bern im Auftrag von Bundesamt für Sozialversicherungen und Staatssekretariat für Wirtschaft, Verwaltungskosten der zweiten Säule in Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, Forschungsbericht 4/11, Bern 2011.

10.3795 Ständerat 2.12.10 Amtliches Bulletin Ständerat (Wintersession 2010).

10.3795 Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 25. März 2011.

10.3795 Nationalrat 12.09.11 Amtliches Bulletin Nationalrat (Herbstsession 2011).

9826

BBl 2020

zu den Verwaltungskosten. Die behandelten Themen wurden gemeinsam mit der BVG-Kommission bestimmt. Die Resultate der beiden Forschungsprojekte zu den administrativen Verwaltungskosten und den Vermögensverwaltungskosten sind in den Bericht über die Zukunft der 2. Säule eingeflossen. Gestützt darauf hat der Bundesrat Lösungsvorschläge für die Vereinfachung der 2. Säule, für die Senkung der Verwaltungskosten und auch solche für die Verbesserung der Transparenz der BVG-Kommission unterbreitet. Diese hat die vorgeschlagenen Massnahmen mehrheitlich abgelehnt. Auch in der im Winter 2011/2012 durchgeführten Anhörung stiessen die Vorschläge mehrheitlich auf Ablehnung. Im August 2012 teilte der Bundesrat mit, dass die Ergebnisse der Anhörung in eine Reformagenda des Bundesrates einfliessen sollten, welche dem Parlament vorgelegt werde23 (Reform der Altersvorsorge 2020, siehe dazu Ziff. 1.7.3.2).

Nach der Publikation des Berichts über die Zukunft der 2. Säule und dessen Anhörung gab es mehrere Forschungsprojekte und Gesetzesreformen, welche die Ziele der Motion (administrative Vereinfachungen, Kostensenkung und Transparenz) aufgegriffen und untersucht haben. Sie werden nachfolgend dargelegt.

1.7.3

Weitere vom Bundesrat geprüfte und vorgeschlagene Schritte

1.7.3.1

Weitere für die Motion relevante Forschungsprojekte

Reduktion von Regulierungskosten Im Bericht über die Regulierungskosten vom 13. Dezember 201324 wurden die Kosten untersucht, welche für die Unternehmen aufgrund der geltenden Regulierungen entstehen. Der Bericht präsentierte zwei Verbesserungsvorschläge im Bereich der beruflichen Vorsorge, die Kosteneinsparungen bei den Unternehmen ermöglichen sollten. Zum einen sollte in Zukunft auf die Durchführung der Teilliquidation bei Bagatellfällen verzichtet werden können, wenn lediglich geringe freie Mittel oder eine geringe Unterdeckung* vorhanden sind. Zum andern sollten die unterjährigen Lohnmutationsmeldungen reduziert werden. Beide Massnahmen wurden in die Reform der Altersvorsorge 2020 eingefügt (vgl. Ziff. 1.7.3.2). In seiner Antwort auf die Motion de Courten Thomas 15.3123 «Abbau von Regulierungskosten. Abschaffung der unterjährigen Lohnmutationsmeldungen» stellte der Bundesrat jedoch fest, dass die Massnahme zur unterjährigen Lohnmutationsmeldung nur zu geringfügigen potenziellen Einsparungen führen würde. Er machte auch darauf aufmerksam, dass es bereits Möglichkeiten gebe, auf unterjährige Lohnmutationsmeldungen zu verzichten: So kann die Vorsorgeeinrichtung z. B. gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung vom 18. April 198425 über die berufliche Alters-, Hinterlas23

24 25

Einsehbar unter www.bsv.admin.ch > Publikationen & Service > Gesetzgebung > Vernehmlassungen > 2011 > Anhörung: Bericht über die Zukunft der 2. Säule > Bericht zur Zukunft der 2. Säule: Ergebnisse der Anhörung.

Einsehbar unter www.sbfi.admin.ch > Aktuell > Medienmitteilungen > Archiv Medienmitteilungen SBFI > 13.12.2013.

SR 831.441.1

9827

BBl 2020

senen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) auf den Vorjahreslohn abstellen und Änderungen während des Jahres nicht beachten. Auch ohne Verordnungsänderung gibt es somit Möglichkeiten, die den Arbeitgebern eine administrative Erleichterung bringen.

Update des Forschungsprojekts zu den Vermögensverwaltungskosten in der 2. Säule Das Forschungsprojekt zu den Vermögensverwaltungskosten aus dem Jahr 2011 (siehe Ziff. 1.7.1) wurde im Auftrag der OAK BV im Jahr 2019 aktualisiert.26 Die neue Studie sollte die Entwicklung der Vermögensverwaltungskosten sowie die Auswirkungen der Weisungen «W-02/2013» der OAK BV (Ausweis der Vermögensverwaltungskosten) beurteilen. Sie kam unter anderem zum Schluss, dass die in dieser Studie ausgewerteten Ergebnisse keinen (weiteren) Handlungsbedarf auf Gesetzesstufe implizierten. Bezüglich der Kostentransparenz habe die Weisung «W-02/2013» den gewünschten Transparenzschub gebracht.

1.7.3.2

Gesetzes-und Verordnungsänderungen

Nebst der Strukturreform27, welche die Transparenz bei den Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten sowie die Information der Vorsorgewerke und der Versicherten verbessert hat, sind die folgenden Reformen für die Motion relevant.

Reform der Altersvorsorge 2020 Aus dem Bericht über die Regulierungskosten wurden die erwähnten Massnahmen (vgl. Ziff. 1.7.3.1) in die Botschaft vom 19. November 2014 zur Reform der Altersvorsorge 202028 bzw. in den Verordnungsentwurf zur Umsetzung der Reform 2020 aufgenommen. Weiter wurden Verbesserungen vorgeschlagen, um Rentenumwandlungsverluste und die Überschussbeteiligung transparenter zu machen. Die Reform der Altersvorsorge 2020 wurde am 24. September 2017 vom Volk abgelehnt.

EL-Reform In seiner Botschaft vom 16. September 2016 zur Änderung des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200629 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (EL-Reform30) hat der Bundesrat zwei Massnahmen vorgeschlagen, um die Kapitalbezüge in der obligatorischen beruflichen Vorsorge einzuschränken; beide wurden vom Parlament abgelehnt. Die Massnahmen zur Ein26

27 28 29 30

Dr. Ueli Mettler, Partner c-alm AG, Dr. Alvin Schwendener, Partner c-alm AG, Dr. Benita von Lindeiner, Senior Consultant c-alm AG im Auftrag der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV, Vermögensverwaltungskosten in der 2. Säule, 25. November 2019; einsehbar unter www.oak-bv.admin.ch > Themen > Berichte und Studien > 25.11.2019 > Vermögensverwaltungskosten in der 2. Säule.

Siehe Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Strukturreform), BBl 2007 5669.

BBl 2015 1 SR 831.30 BBl 2016 7465

9828

BBl 2020

schränkung des Vorbezugs für den Erwerb von Wohneigentum waren bereits in der Vernehmlassung gescheitert.

Zusammenfassung Nach der Anhörung zum Bericht über die Zukunft der 2. Säule hat der Bundesrat mehrere Massnahmen zur Umsetzung der Motion vorgeschlagen. Die Massnahmen aus dem Bericht zur Reduktion von Regulierungskosten wurden in die Vorlage zur Reform der Altersvorsorge 2020 aufgenommen. Diese Reform hat das Volk abgelehnt. Weiter hat der Bundesrat in die Vorlage zur EL-Reform Vorschläge für die Einschränkung von Kapitalbezügen in der obligatorischen beruflichen Vorsorge eingefügt, welche jedoch vom Parlament abgelehnt worden sind. Die neuen Regelungen der Strukturreform führten zwar nicht zu einer Entschlackung des BVG, jedoch zu einer Verbesserung der Transparenz. Das Update der Studie zu den Vermögensverwaltungskosten zeigte zudem, dass die Weisung der OAK BV bei den Vermögensverwaltungskosten einen weiteren Transparenzschub gebracht hat.

1.7.4

Fazit und Antrag

Der Bundesrat hat die Ergebnisse der Forschungsprojekte zu den Vermögens- und Verwaltungskosten in den Bericht über die Zukunft der 2. Säule aufgenommen und danach mehrmals Massnahmen vorgeschlagen, um den Anliegen der Motion Rechnung zu tragen. Die meisten dieser Vorschläge sind jedoch vom Parlament oder vom Volk abgelehnt worden.

Grundsätzlich ist es schwierig, auf gesetzgeberischem Weg Kostensenkungen und Vereinfachungen in der beruflichen Vorsorge zu erreichen. Die wichtigsten Gründe dafür liegen im System der beruflichen Vorsorge, welches dezentral organisiert und zudem sehr heterogen und komplex ist. Eine markante Reduktion des Verwaltungsaufwandes wäre nur mit einschneidenden Vereinfachungen im System der beruflichen Vorsorge zu bewerkstelligen (z. B. einheitliche Reglemente, Einheitskasse).

Dies würde jedoch massive Eingriffe in die für die berufliche Vorsorge zentralen Grundsätze der Selbstorganisation, der Selbstverantwortung und der paritätischen Führung bedeuten. Diese hätten auch zur Folge, dass massgeschneiderte, kassenspezifische Vorsorgelösungen nicht mehr oder nur noch in reduziertem Ausmass möglich wären. Die heutige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Systems ­ wichtige Charakteristiken der beruflichen Vorsorge ­ würden ebenfalls darunter leiden.

Diverse Vereinfachungen und Kostensenkungen können ohne Gesetzes- oder Verordnungsänderungen durch die Vorsorgeeinrichtungen erreicht werden, da diese eine grosse Autonomie bezüglich Finanzierung und Organisation haben. Die gewollte Stärkung der Rechte der Versicherten und die Verbesserungen bei der Governance der Vorsorgeeinrichtungen haben zudem tendenziell zu einem höheren Komplexitätsgrad und zu Mehrkosten geführt. Umgesetzt wurden verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Transparenz, was den Versicherten und den Arbeitgebern zugutegekommen ist. Auch bei den Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten ist die Transparenz in der Zwischenzeit erhöht worden.

9829

BBl 2020

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das Ziel der Motion mit den dem Parlament und dem Volk unterbreiteten Massnahmen erfüllt ist. Er schlägt deshalb mit der vorliegenden Botschaft vor, die Motion 10.3795 «Administrative Entschlackung des BVG» abzuschreiben.

1.7.5

Postulat «Sicherstellung der finanziellen Stabilität und Planbarkeit in der obligatorischen zweiten Säule»

Das Postulat der FDP-Fraktion vom 18. Juni 2013 «Sicherstellung der finanziellen Stabilität und Planbarkeit in der obligatorischen zweiten Säule» (13.3462) wurde bereits im Rahmen der Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 behandelt.31 Es betrifft dies die Frage der Festlegung des Mindestumwandlungssatzes durch eine unabhängige Instanz, die Frage der Festlegung des Mindestumwandlungssatzes durch den Bundesrat oder ein System variabler Renten. Mit der damaligen und der vorliegenden Botschaft will der Bundesrat wie verlangt die Umverteilung reduzieren und die Planbarkeit weiterhin gewährleisten.

Festlegung der Parameter durch die Vorsorgeeinrichtungen, eine unabhängige Instanz oder den Bundesrat Würde die Festlegung der technischen Parameter wie Mindestzinssatz oder Mindestumwandlungssatz dem Ermessen der rund 1400 in der Schweiz tätigen Vorsorgeeinrichtungen überlassen, so würde dies zu einer Fragmentierung der beruflichen Vorsorge führen. Das Ziel, den bisherigen Lebensstandard in angemessenem Umfang aufrechtzuerhalten, könnte das Vorsorgesystem den Versicherten nicht mehr garantieren. Dies würde ein grosses Problem darstellen, zumal es sich um ein Ziel von verfassungsrechtlichem Rang handelt, welches der Gesetzgeber nicht ignorieren darf. Zweifellos würde es auch zu einem Vertrauensverlust der Versicherten in die berufliche Vorsorge führen. Zudem blieben auch die technischen Grundlagen der Festlegung umstritten, und zwar sowohl für die erwartete Rendite als auch für die Bestimmung der adäquaten Alterserwartung.

Mit Ausnahme der Fragmentierung bestünde dieselbe Problematik auch bei der Festlegung des Mindestumwandlungssatzes durch eine Expertengruppe. Zusätzlich würde der hochpolitische Charakter dieser Aufgabe das Gremium selber zunehmend politisieren.

Dem Bundesrat die Kompetenz zur Festlegung des Mindestumwandlungssatzes zu übertragen, wäre ein Schritt zurück in die Zeit vor der 1. BVG-Revision, als der Bundesrat diese Aufgabe im Rahmen der Verordnungskompetenz wahrgenommen hat. Die Überführung ins Gesetz wurde damals damit begründet, dass der Mindestumwandlungssatz ein zentraler Parameter für die Berechnung der Mindestleistungen in der beruflichen Vorsorge ist. Durch die Festlegung des Satzes im Gesetz wird er auf derselben legislativen Stufe festgelegt, auf der auch allfällige Kompensationsmassnahmen ergriffen werden müssen.

31

BBl 2015 1, hier 81

9830

BBl 2020

Variables Rentensystem oder jahrgangsabhängige Festlegung des Mindestumwandlungssatzes Ein variables Rentensystem könnte die für eine Sozialversicherung notwendige Leistungsgarantie nicht erbringen und somit den Erhalt der Leistungen nicht sichern.

Rentnerinnen und Rentner müssen sich auf feste und voraussehbare Leistungen verlassen können. Zudem sind gerade im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge die Leistungen nicht so grosszügig, dass die Personen Schwankungen ohne Weiteres absorbieren können. Dies gilt auch für eine jahrgangsabhängige Festlegung des Mindestumwandlungssatzes. Bei einem solchen Vorgehen würden zudem gewisse Jahrgänge bevorzugt, während andere benachteiligt würden. Das Einkommen der Versicherten im obligatorischen Bereich dürfte es diesen Personen zudem selten erlauben, diese Schwankungen mit der Bildung von den dazu notwendigen Ersparnissen zu kompensieren.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vorverfahren

2.1.1

Nach der Abstimmung über die Reform der Altersvorsorge 2020 ­ Ergebnisse der Gespräche mit den interessierten Kreisen

Nachdem die Reform der Altersvorsorge 2020 am 24. September 2017 in der Volksabstimmung gescheitert war, wurden Ende Oktober 2017 Gespräche mit allen in der Bundesversammlung vertretenen Parteien, mit den Sozialpartnern und den interessierten Organisationen geführt. In diesen Gesprächen hat sich gezeigt, dass weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass angesichts der demografischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Probleme rasch eine neue Reform vorgelegt werden muss.

Die Ziele der Reform der Altersvorsorge 2020, das heisst der Erhalt des Leistungsniveaus der Altersvorsorge und die Sicherung der Finanzierung, wurden dabei bestätigt. Die meisten der an den Gesprächen beteiligten Akteure halten eine Reform sowohl der 1. Säule als auch der 2. Säule für notwendig. Allerdings sind sie der Ansicht, dass die beiden Versicherungen separat und nach unterschiedlichen Zeitplänen zu reformieren seien.

2.1.2

Gewählte Option der Reform des BVG

Auf Vorschlag der Sozialpartner entschied sich der Bundesrat am 20. Dezember 2017, die nationalen Dachverbände der Sozialpartner (Travail.Suisse, Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB, Schweizerischer Gewerbeverband SGV und Schweizerischer Arbeitgeberverband SAV) in die Arbeiten an der Reform der beruflichen Vorsorge einzubeziehen, wie das bereits mit der Revision des Unfallversicherungsgesetzes erfolgt war. Dadurch sollte der besonderen Funktion, die die Sozialpartner in der 2. Säule haben, Rechnung getragen werden. Am 2. März 2018

9831

BBl 2020

erklärten sie sich bereit, konkrete Vorschläge zu präsentieren. Im April 2018 wurden mit den Sozialpartnern die Modalitäten der Zusammenarbeit festgelegt. Danach führten die Sozialpartner umfassende Diskussionen über die Kernelemente einer BVG-Reform. Nach intensiven Arbeiten haben der SAV, Travail.Suisse und der SGB am 2. Juli 2019 einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge vorgestellt (nachfolgend Kompromissvorschlag der Sozialpartner). Der SGV schloss sich dem Vorschlag dieser Organisationen nicht an und hat ein eigenes Modell für die BVG-Reform vorgestellt. Nach der Präsentation wurden technische Gespräche mit den drei am Kompromissvorschlag der Sozialpartner beteiligten Sozialpartnern durchgeführt. Der Bundesrat hat am 13. Dezember 2019 das Verhandlungsergebnis dieser Sozialpartner in die Vernehmlassung geschickt. Die Vernehmlassungsfrist ist am 29. Mai 2020 abgelaufen.

2.1.3

Kompromissvorschlag der Sozialpartner

SAV, SGB und Travail.Suisse haben sich auf einen Lösungsansatz geeinigt, der eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes vorsieht, kombiniert mit Massnahmen zur Sicherung des Leistungsniveaus sowie zur besseren Versicherung von Teilzeitbeschäftigten und Personen mit tieferen Einkommen.

Der «Kompromissvorschlag der Sozialpartner» umfasst folgende Massnahmen: ­

Der zur Berechnung der Rente verwendete Mindestumwandlungssatz wird im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision in einem Schritt von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt.

­

Künftigen Bezügerinnen und Bezügern von Alters- oder Invalidenrenten der beruflichen Vorsorge wird ein solidarisch finanzierter Rentenzuschlag pro Kopf ausbezahlt. Finanziert wird der Rentenzuschlag durch einen Beitrag von 0,5 Prozent auf dem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen bis 853 200 Franken (Stand 2020, per 1.1.2021: 860 400 Fr.).

­

Der Koordinationsabzug, der den in der beruflichen Vorsorge versicherten Lohn bestimmt, wird halbiert auf 12 443 Franken (Stand 2020, per 1.1.2021: 12 584 Fr.). Diese Halbierung führt unmittelbar zu einem höheren in der 2. Säule versicherten Verdienst. Dadurch werden namentlich Teilzeitbeschäftigte in der beruflichen Vorsorge besser abgesichert.

­

Die Altersgutschriften für die 2. Säule werden angepasst. Neu gilt für Versicherte zwischen 25 und 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9 Prozent auf dem BVG-pflichtigen Lohn; bei Versicherten ab 45 Jahren beträgt die Altersgutschrift 14 Prozent. Damit werden die Altersgutschriftensätze gerade der älteren Arbeitskräfte spürbar gesenkt, während sie für die jüngste Altersgruppe erhöht werden.

­

Die Zuschüsse für Vorsorgeeinrichtungen mit ungünstigen Altersstrukturen werden aufgehoben. Sie sind aufgrund der deutlichen Korrektur der Altersgutschriften für Versicherte ab 45 Jahren nicht mehr nötig.

9832

BBl 2020

Durch die Kombination dieser Massnahmen kann das Leistungsniveau insgesamt gehalten und für Personen mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte sogar umgehend verbessert werden, wovon insbesondere Frauen profitieren werden.

Überblick Geltende Ordnung

Kompromissvorschlag der Sozialpartner

Eintrittsschwelle*

21 330 Franken (2020)

21 330 Franken

Koordinationsabzug

24 885 Franken (2020)

12 443 Franken

Mindestumwandlungssatz

6,8 %

6,0 %

21 ­ 24

­

­

25 ­ 34

7%

9%

35 ­ 44

10 %

9%

45 ­ 54

15 %

14 %

55 ­ ordentliches Rentenalter

18 %

14 %

Altersgutschriftensätze:

Rentenzuschlag für Personen, die in den folgenden Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung das ordentliche Rentenalter erreichen:

1.­5. Jahr

­

200 Franken / Monat

6.­10. Jahr

­

150 Franken / Monat

11.15. Jahr

­

100 Franken / Monat

ab 16. Jahr

­

Fixierung der Höhe pro Kalenderjahr durch den Bundesrat

Finanzierung

­

0,5 % auf den AHV-pflichtigen Einkommen

Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur

Ja

Nein

Prämie zur Finanzierung des Leistungserhalts

Nein

Ja

Kosten*

in Franken

2,7 Mrd. Fr.

in Lohnprozenten

0,9 %

*Schätzung für das Jahr 2019

9833

BBl 2020

2.2

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Am 13. Dezember 2019 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung, die aufgrund der Corona-Epidemie länger als üblich, nämlich bis zum 29. Mai 2020 dauerte.32 Die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft sowie Organisationen wurden eingeladen, sich zum Gesetzesentwurf und zum erläuternden Bericht zu äussern.

Insgesamt sind 168 Stellungnahmen eingegangen.

Die Vernehmlassungsvorlage enthielt folgende Schwerpunkte: ­

Mindestumwandlungssatz (Senkung in einem Schritt von 6,8 auf 6,0 Prozent);

­

Rentenzuschlag (künftige Rentenbeziehende erhalten einen lebenslangen monatlichen Rentenzuschlag);

­

Koordinationsabzug (Senkung von heute 24 885 auf 12 443 Fr.);

­

Altersgutschriften (Anpassung und weniger starke Staffelung: von 25 bis 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9 Prozent auf dem BVG-pflichtigen Lohn, ab 45 Jahren eine Altersgutschrift von 14 Prozent).

Die drei Sozialpartner SAV, SGB und Travail.Suisse haben in ihren Vernehmlassungen nach wie vor an ihrem Kompromissvorschlag festgehalten. Vernehmlassungsteilnehmende, die eher dem politischen Spektrum links der Mitte zugeordnet werden können, sowie der Gemeinde- und der Städteverband haben das Paket vollumfänglich unterstützt. Andere Vernehmlassungsteilnehmende, darunter die Kantone, Parteien und die übrigen Dachverbände der Wirtschaft, haben jeweils nur einzelne Punkte des Kompromisses unterstützt (insbesondere die Senkung des Umwandlungssatzes oder eine Anpassung der Altersgutschriften). Für einen grossen Teil der Vernehmlassungsteilnehmer ist der Rentenzuschlag sehr umstritten gewesen. Verschiedene Teilnehmende haben zudem den Wunsch geäussert, dass sich der Bundesrat auch noch mit anderen Modellen als dem Kompromissvorschlag der Sozialpartner vertieft auseinandersetzen soll. Einige Vernehmlassungsteilnehmende haben eigene Modelle unterbreitet, andere haben wiederum auf diese verwiesen.

Die Vernehmlassungsergebnisse zu den Kernelementen des Reformvorschlags ergeben zusammengefasst das folgende Bild.

2.2.1

Mindestumwandlungssatz

Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt die vorgeschlagene Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Einige fordern jedoch eine sogenannte Entpolitisierung. Andere sind mit der Senkung nur unter der Bedingung einverstanden, dass die vorgeschlagenen Ausgleichsmassnahmen nicht aufgeweicht 32

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EDI.

9834

BBl 2020

werden. Auch der Vorschlag, den Mindestumwandlungssatz in nur einem Schritt zu senken, findet mehrheitlich Zustimmung.

2.2.2

Rentenzuschlag

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden lehnt den Rentenzuschlag ab, mehrere wünschen ihn nur als befristete Abfederungsmassnahme. Einige können ihn als Kompromiss akzeptieren, um die Reform nicht zu gefährden. Wenige schlagen anstelle der durch Lohnprozente finanzierten Umverteilungen eine Einmaleinlage zugunsten der Übergangsgeneration vor. Diese soll zeitlich beschränkt entweder dezentral (durch die einzelne Vorsorgeeinrichtung) oder zentral (z. B. Ausgleich durch den Sicherheitsfonds*) finanziert werden, wobei die überobligatorische Versicherung in die Finanzierung einbezogen werden soll.

2.2.3

Koordinationsabzug

Die Vernehmlassungsteilnehmenden befürworten mehrheitlich eine Senkung des Koordinationsabzugs. Einige schlagen eine von der Vernehmlassungsvorlage abweichende Senkung vor, z. B. auf 21 330 Franken oder auf 40 oder 60 Prozent des für die AHV massgebenden Lohnes (AHV-Lohn), jedoch maximal 21 330 Franken.

Andere würden die gänzliche Abschaffung bevorzugen. Einige Stellungnahmen enthalten auch Vorschläge zur Eintrittsschwelle; diese reichen von der unveränderten Beibehaltung bis zur Abschaffung.

2.2.4

Altersgutschriften

Die Vernehmlassungsteilnehmenden begrüssen mehrheitlich eine Anpassung der Altersgutschriften; mehrere schlagen aber eine andere Ausgestaltung oder auch einen früheren Beginn des Sparprozesses vor.

Die Vorschläge reichen vom Einheitssatz über linear verlaufende Beitragssätze und maximal 14 Prozent für die Übergangsgeneration bis zu anderen Staffelungen als der von den Sozialpartnern vorgeschlagenen. Manche befürworten einen Sparprozess ab dem 20. Altersjahr.

2.2.5

Weitere Themen

Einige Vernehmlassungsteilnehmende sprechen sich für eine obligatorische BVG-Versicherung für Mehrfachbeschäftigte aus. Andere sprechen die Transparenz der Verwaltungskosten, eine Senkung der Mindestquote oder ein Verbot von Vermittlungsgebühren an. Einzelne Stellungnahmen beinhalten neue Modelle, die den Kompromissvorschlag der Sozialpartner insgesamt ersetzen sollen (vgl. Ziff. 2.3).

9835

BBl 2020

2.3

Geprüfte Alternativen

Verschiedene Kreise haben alternative Modelle vorgeschlagen. Das gemeinsame Modell des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV), der Swiss Retail Federation und des Verbands Arbeitgeber Banken ist im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens vorgeschlagen worden. Der SGV hatte bereits am 2. Juli 2019, der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP) am 2. Oktober 2019 ein Reformmodell vorgestellt.

Im Anschluss an das Vernehmlassungsverfahren und gestützt auf verschiedene Modelle, die in diesem Verfahren vorgeschlagen worden waren, haben einige Teilnehmer (insbesondere ASIP, SGV und Schweizerischer Versicherungsverband) auf die von ihnen vorgeschlagenen Modelle verzichtet und sich einem einheitlichen Alternativvorschlag angeschlossen.

Dieser Alternativvorschlag wird im Folgenden eingehend analysiert. Weitere Reformvorschläge werden summarisch dargelegt, da sie durch den Alternativvorschlag obsolet geworden sind.

Alle Modelle sehen eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes in einem einzigen Schritt vor. Ausserdem sehen alle Modelle Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration vor, um die Renteneinbussen infolge der Senkung des Mindestumwandlungssatzes abzufedern.

2.3.1

Alternativvorschlag (nach der Vernehmlassung eingebracht)

Der Alternativvorschlag enthält folgende Eckwerte: ­

sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent;

­

leichte Senkung des Koordinationsabzugs (60 % des AHV-Lohns, höchstens Fr. 21 330);

­

Beginn des Sparprozesses ab Alter 20;

­

Anpassung der Altersgutschriftensätze;

­

Massnahme für die Übergangsgeneration (zehn Jahrgänge), wobei der genaue Mechanismus sowie die Finanzierung der Massnahme («zentral» über den Sicherheitsfonds oder «dezentral» durch die einzelne Vorsorgeeinrichtung) noch nicht festgelegt ist.

Im Einzelnen sollen die Massnahmen folgendermassen gestaltet sein: Sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz soll sofort und in einem Schritt von 6,8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden. Die Senkung um 0,8 Prozentpunkte entspricht einer Reduktion des Mindestumwandlungssatzes von knapp 12 Prozent.

9836

BBl 2020

Generelle Massnahmen zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes soll das Altersguthaben, das bis zum Erreichen des Rentenalters aufgebaut wird, erhöht werden. Dies soll geschehen, indem ein grösserer Teil des Jahreslohnes versichert wird, zudem durch eine Vorverlegung des Beginns des Sparprozesses sowie eine Anpassung der Altersgutschriftensätze.

Der versicherte Teil des Lohnes soll durch eine leichte Senkung des Koordinationsabzugs erhöht werden. Dieser soll 60 Prozent des AHV-Lohnes, maximal aber 21 330 Franken betragen (geltende Regelung: fixer Koordinationsabzug von Fr. 24 885 und ein mindestversicherter Lohn von Fr. 3555 für alle Löhne bis Fr. 28 440). Damit entsteht ein duales System, in dem für AHV-Löhne von 21 330 Franken (= Eintrittsschwelle) bis 35 500 Franken ein zum AHV-Lohn proportionaler Koordinationsabzug von 60 Prozent angewandt wird (60 % von Fr. 35 500 = Fr. 21 330). Bei AHV-Löhnen über 35 500 Franken soll der Koordinationsabzug fix sein und 21 330 Franken betragen. Dadurch wird der sogenannte koordinierte Lohn* bei Versicherten mit Löhnen über 35 500 Franken gegenüber der aktuellen Regelung um 3 555 Franken erhöht.

Der Sparprozess soll fünf Jahre früher als gemäss der geltenden Regelung beginnen, nämlich im Alter von 20 Jahren, und das Rentenalter der Frauen soll ­ wie in der Reform AHV 21 vorgesehen ­ auf 65 Jahre erhöht werden. Damit resultiert gemäss diesem Modell für alle Versicherten eine volle Dauer des Sparprozesses von 45 Jahren (aktuell 40 Jahre).

Die Altersgutschriftensätze sollen folgendermassen gestaffelt werden: Alternativvorschlag

geltende Regelung

Alter

Prozentsatz

Alter

Prozentsatz

20 ­ 24 25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55

9% 9% 12 % 16 % 16 %

25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55

7% 10 % 15 % 18 %

Total

575 %

Total

500 %

Damit würde vom Alter 45 bis zum Alter 65 ein einheitlicher Satz von 16 Prozent angewendet. Diese neuen Altersgutschriften berechnen sich auf dem neuen koordinierten Lohn mit leicht gesenktem Koordinationsabzug (s. oben).

Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration Für eine Übergangsgeneration von zehn Jahrgängen soll in der obligatorischen Vorsorge eine Ausgleichsmassnahme vorgesehen werden. Der genaue Mechanismus ist allerdings noch nicht festgelegt. Überobligatorische Leistungen sollen angerechnet werden, was bedeutet: Geht die reglementarische Rente unter Einbezug des Überobligatoriums über die gesetzlich garantierte Mindesthöhe hinaus, soll kein 9837

BBl 2020

Ausgleich gewährt werden. Überobligatorisches Guthaben entsteht zum Beispiel, wenn ein höheres Guthaben als gemäss den gesetzlichen Minimalbestimmungen angespart wird oder wenn die versicherte Person in der Vergangenheit entstandene Vorsorgelücken mit freiwilligen Einkäufen* schliesst.

Ob die Massnahme für die Übergangsgeneration «dezentral» durch die jeweiligen Vorsorgeeinrichtungen finanziert werden soll oder «zentral» über den Sicherheitsfonds, ist noch nicht festgelegt. Bei der «zentralen» Finanzierung zahlen alle registrierten Vorsorgeeinrichtungen einen Beitrag an den Sicherheitsfonds, damit dieser den betroffenen Vorsorgeeinrichtungen einen Zuschuss zur Finanzierung der Besitzstandsgarantie ausrichten kann. Dieser «zentrale» Finanzierungsmechanismus wurde in der Reform der Altersvorsorge 2020 vorgeschlagen. Bei einer «dezentralen» Finanzierung ist hingegen kein Ausgleichsmechanismus zwischen den Vorsorgeeinrichtungen vorgesehen. Die Ausgleichsmassnahme muss also vollständig durch die Versicherten und Arbeitgeber der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung finanziert werden. Die Vorsorgeeinrichtungen können für die Finanzierung dieser Massnahme Rückstellungen verwenden, die für die Finanzierung der Verrentung mit dem aktuell geltenden Umwandlungssatz gebildet wurden. Falls in einer Vorsorgeeinrichtung nicht genügend Rückstellungen vorhanden sind, um diese Massnahme zu finanzieren, muss die Finanzierung auf andere Weise, also durch höhere Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten, sichergestellt werden.

Geschätzte jährliche Kosten Die Neuregelung der Altersgutschriften führt nach einer Schätzung für die Jahre 2023­2030 zu durchschnittlichen jährlichen Kosten von 1,7 Milliarden Franken (in Preisen von 2020).

Die Massnahme für die Übergangsgeneration ist im Alternativvorschlag noch nicht festgelegt, weshalb die Kosten dafür nicht abschätzbar sind.

Auswirkungen auf das Rentenniveau in der obligatorischen Vorsorge Die folgenden typisierten Modellrechnungen sollen die Auswirkungen des Modells auf die Leistungen der obligatorischen Mindestvorsorge veranschaulichen.

9838

BBl 2020

Tabelle 2­1 Rentendifferenz in der obligatorischen Vorsorge, nach Lohnniveau und Alter im Jahr des Inkrafttretens der Reform Lohnniveau 2021 25 000

40 000

55 000

70 000

86 040

Geltendes Recht: Rente pro Monat Alternativvorschlag: Rentendifferenz gegenüber geltendem Recht pro Monat, nach Alter im Jahr des Inkrafttretens 20 Jahre

103

430

863

1295

1758

188

109

114

118

123

25 Jahre 30 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 45 Jahre 50 Jahre 55 Jahre 60 Jahre 65 Jahre

166 149 133 112 91 65 38 14 0

67 52 36 18 0 ­18 ­36 0 0

38 15 ­8 ­33 ­59 ­81 ­103 0 0

9 ­21 ­52 ­85 ­118 ­144 ­169 0 0

­22 ­61 ­99 ­140 ­182 ­211 ­241 0 0

Die Tabelle beruht auf der Annahme, dass die Massnahme für die Übergangsgeneration (zehn Jahre) einen Besitzstand für die Leistungen nach dem geltenden Recht garantiert.

Bis zu einem Lohnniveau von rund 40 000 Franken wird das Rentenniveau verbessert, bei höheren Löhnen kommt es zu Renteneinbussen. Deren Ausmass hängt vom Lohn und Jahrgang ab und kann mehr als 13 Prozent betragen.

Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber Wie im Vorschlag des Bundesrates wirkt sich die Anpassung der Altersgutschriften hauptsächlich auf die Versicherten in Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeplänen aus, die nur obligatorische oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen. Denn im Gegensatz zu stärker umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeplänen ist in solchen Fällen kein oder nur wenig überobligatorisches Vorsorgekapital vorhanden, mit dem diese Änderung der gesetzlichen Mindestanforderungen abgefedert werden kann. Diese Anpassung führt daher zu einer Erhöhung der Sparbeiträge und somit zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten zulasten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden.

Durch die Anpassung des Koordinationsabzugs würden die Altersgutschriften bei tieferen Einkommen überproportional steigen. Dementsprechend wären Angestellte im Niedriglohnbereich stärker von der Reform betroffen. In solchen Vorsorgeein9839

BBl 2020

richtungen sind insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Branchen Gastronomie, Bau und sonstige Dienstleistungen versichert. Diese Anpassungen führen allerdings auch zu einer Verbesserung der Vorsorgeleistungen für die betroffenen Personen.

Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen Wie im Vorschlag des Bundesrates werden einerseits durch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgepläne entlastet, die nur obligatorische oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen, weil dadurch die Pensionierungsverluste, die sich aus dem zu hohen Mindestumwandlungssatz ergeben, reduziert werden. Dadurch kann die Quersubventionierung zulasten der aktiven Versicherten reduziert werden. Auf Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgepläne mit einem höheren Anteil an überobligatorischen Leistungen (umhüllende Vorsorgeeinrichtungen bzw. -pläne) haben diese Massnahmen geringe bis keine Auswirkungen.

Würde in diesem Modell für die Finanzierung der Ausgleichsmassnahme für die Übergangsgeneration die «dezentrale» Variante gewählt, so würde dies ausgerechnet jene Vorsorgeeinrichtungen stark belasten, die keine oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen und die am stärksten vom zu hohen Mindestumwandlungssatz betroffen sind. Diese Vorsorgeeinrichtungen können für die Finanzierung dieser Massnahme zwar Rückstellungen verwenden, die sie für die Finanzierung der Verrentung mit dem aktuell geltenden Umwandlungssatz gebildet haben. Falls in einer Vorsorgeeinrichtung aber nicht genügend Rückstellungen frei werden, um damit die Ausgleichsmassnahme für die Übergangsgeneration vollständig finanzieren zu können, muss die Finanzierung auf andere Weise, also durch höhere Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten, sichergestellt werden. Je nach Altersstruktur der Versicherten in der Vorsorgeeinrichtung sind dieser Finanzierungsart allerdings enge Grenzen gesetzt Auch die betroffenen Arbeitgeber verfügen nicht durchwegs über die notwendigen finanziellen Mittel, um entsprechende Zuwendungen zu leisten, insbesondere nicht in Tieflohnbranchen. Eine lang andauernde zusätzliche Belastung dieser Versicherten und Arbeitgeber wäre nicht zu verantworten. Wenn eine solche Quersubventionierung nicht möglich ist, geht die Finanzierung schliesslich zulasten der Reserven bzw. des
Deckungsgrades und somit zulasten der finanziellen Stabilität der betroffenen Vorsorgeeinrichtungen. Eine «zentrale», solidarische Finanzierung der Ausgleichsmassnahme durch alle Vorsorgeeinrichtungen würde diese Vorsorgeeinrichtungen hingegen entlasten.

Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen Ein Koordinationsabzug, der proportional zum AHV-Lohn berechnet wird, bewirkt eine Verbesserung der Vorsorge bei kleineren Einkommen, wie sie insbesondere bei Teilzeitarbeit entstehen. Damit verbessert dieses Modell auch die Vorsorge für Personen, die mehrere Teilzeitstellen kumulieren. Beim tiefsten obligatorisch versicherten Lohn von 21 330 Franken beträgt der Koordinationsabzug nach diesem Modell 12 798 Franken (= 60 % von Fr. 21 330), wodurch ein mindestversicherter Lohn von 8532 Franken resultiert (mindestversicherter Lohn gemäss geltender Regelung: Fr. 3555). Allerdings gilt bereits ab AHV-Löhnen von 35 500 Franken 9840

BBl 2020

ein fixer Koordinationsabzug von 21 330 Franken. Bei einer Person, die zum Beispiel bei zwei Arbeitgebern je 36 000 Franken Lohn erzielt, würde auch bei diesem System auf beiden Löhnen ein Koordinationsabzug von je 21 330 Franken vorgenommen. Bei rund 12 Prozent der in der 2. Säule versicherten Arbeitsverhältnisse beträgt der AHV-Jahreslohn weniger als 35 500 Franken und würde somit gemäss diesem System der proportionale Koordinationsabzug angewendet.

Auswirkungen auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Dieses Modell sieht im Vergleich zur geltenden Regelung eine abgeflachte Abstufung der Altersgutschriftensätze vor. Einerseits sparen die jüngsten Versicherten mehr an als in der aktuellen Regelung, andererseits wird der Gutschriftensatz bei den ältesten Versicherten auf 16 Prozent (aktuell 18 %) reduziert, sodass insgesamt noch ein Unterschied von 7 Prozentpunkten resultiert. Nach Alter 45 erfolgt keine weitere Erhöhung des Gutschriftensatzes, sodass die Lohnnebenkosten in Bezug auf die gesetzlichen Altersgutschriften für 55-jährige und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr höher sind als jene der 45- bis 54-jährigen.

Gründe, weshalb dieses Modell nicht weiterverfolgt wurde Für Versicherte mit mittleren und höheren Einkommen, die nicht mehr zur Übergangsgeneration gehören, sinkt das Rentenniveau der obligatorischen Mindestvorsorge. Diese Renteneinbussen können je nach Lohnniveau und Jahrgang mehr als 13 Prozent betragen. Damit wird eines der Hauptziele der Reform verfehlt.

Die Vorsorge für Versicherte mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen wird in diesem Modell durch die Neuregelung des Koordinationsabzugs zwar verbessert, doch bleibt diese Verbesserung weit hinter dem zurück, was der Kompromissvorschlag der Sozialpartner zu sichern vermag.

Zudem müssen auch die effektiven Auswirkungen des früher beginnenden Sparprozesses in die Betrachtung einbezogen werden. Viele 20- bis 25-jährige Personen erzielen nämlich deutlich tiefere Löhne als in späteren Jahren, oder sie sind noch in Ausbildung und haben daher kein oder nur ein geringes Lohneinkommen. So befinden sich aktuell über 45 Prozent der 20-Jährigen noch in Ausbildung33 und erzielen daher in der Regel kein BVG-pflichtiges Erwerbseinkommen oder sind nur für einen geringen Lohnanteil BVG-versichert. Die Massnahme
würde folglich nur bedingt und nur für einen Teil der jungen Versicherten zu einem vorgezogenen Aufbau von Altersguthaben führen. Auch ist sie nur beschränkt geeignet, die anstehende Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen, da sie nur für Personen greifen würde, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform jünger als 25 Jahre alt sind.

Der frühere Beginn des Sparprozesses wirkt sich daher in der Praxis insbesondere bei Personen mit längerer Ausbildung oft weniger auf das Altersguthaben aus, als dies theoretisch aufgrund des Modells angenommen werden könnte. Diese Personen könnten zwar später in ihrer Berufslaufbahn die Lücken, die aufgrund des späteren Eintritts in das Berufsleben entstanden sind, durch Einkäufe ausgleichen. Das dadurch generierte Altersguthaben ist aber gemäss geltendem Gesetz dem Überobligatorium zuzurechnen, für das weder der gesetzliche Mindestzinssatz noch der 33

BFS, Schulbesuchsquoten der 16­26-Jährigen, 2018/19.

9841

BBl 2020

gesetzliche Mindestumwandlungssatz gilt.. Zudem muss die versicherte Person solche Einkäufe alleine finanzieren. Personen mit kürzerer Ausbildung könnten hingegen von einer Vorverlegung des Sparprozesses profitieren, insbesondere, wenn sich ihre Löhne relativ schnell nach Abschluss der Ausbildung dem für ihren Beruf üblichen Lohnniveau annähern.

Dazu kommt, dass Personen unter 25 Jahren relativ häufig die Arbeitsstelle wechseln und die damit verbundenen Ein- und Austritte bei den jeweiligen Vorsorgeeinrichtungen ­ im Vergleich zum Altersguthaben, das in diesen Jahren angespart wird ­ zu erheblichem Verwaltungsaufwand und zu entsprechenden Kosten führen würden. Daher wurde es bisher den Vorsorgeeinrichtungen überlassen, einen früheren Beginn des Sparprozesses vorzusehen. Gemäss den aktuellsten verfügbaren Zahlen34 haben rund 10 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen mindestens einen Vorsorgeplan, der den Beginn des Sparprozesses ab Alter 20 oder früher vorsieht. In diesen Vorsorgeplänen sind schätzungsweise knapp 8 Prozent der Versicherten versichert.

Eine «dezentrale» Finanzierung der Besitzstandsgarantie für die Übergangsgeneration wird nicht ausgeschlossen. Sie würde aber gerade jene Vorsorgeeinrichtungen am stärksten belasten, die aktuell die grössten Schwierigkeiten haben, den geltenden Mindestumwandlungssatz zu finanzieren. Diese Einrichtungen wären nicht alle in der Lage, diese Kosten alleine zu tragen. Je nach Altersstruktur ist auch die Überwälzung der Kosten auf die noch aktiven Versicherten nicht möglich, und auch die Arbeitgeber verfügen oft nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, um entsprechende Zuwendungen zu entrichten. Es ist deshalb nicht sichergestellt, dass die angeschlossenen Arbeitgeber und die Versicherten diese finanzielle Last ohne ernsthafte Schwierigkeiten bewältigen könnten. Diese Zusatzbelastung würde gerade die Niedriglohnbranchen stark treffen. Bei Vorsorgeeinrichtungen, die zusätzlich eine ungünstige Altersstruktur aufweisen, würde sie die Wahrscheinlichkeit von Entlassungen von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhöhen. Eine dezentrale Finanzierung hätte generell zur Folge, dass die Vorsorgeeinrichtungen, die am stärksten vom zu hohen Mindestumwandlungssatz betroffen sind, nicht entlastet würden. Es ist davon auszugehen, dass betroffene Vorsorgeeinrichtungen
vermehrt nur noch umhüllende Vorsorgepläne anbieten würden. Arbeitgeber, welche die höheren Kosten solcher Pläne nicht tragen können, könnten ihre Angestellten nur noch bei der Auffangeinrichtung* anschliessen. Die Auffangeinrichtung, die als einzige Vorsorgeeinrichtung einem Kontrahierungszwang unterliegt, müsste daher mit einem wesentlichen Zufluss an Versicherten rechnen. Dadurch würden ihre Rückstellungen und Reserven verwässert und sinken, wodurch sich ihre bereits bestehenden Schwierigkeiten weiter akzentuieren würden. Dies könnte letztlich dazu führen, dass der Bund die Auffangeinrichtung finanziell stützen müsste.

34

Pensionskassenstatistik 2015, BFS; Auswertung BSV.

9842

BBl 2020

2.3.2

Modell des Baumeisterverbandes, der Swiss Retail Federation und des Verbands Arbeitgeber Banken (eingebracht im Rahmen der Vernehmlassung)

Das Modell SBV/Swiss Retail/Banken enthält folgende Eckwerte: ­

sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent;

­

leichte Senkung des Koordinationsabzugs (60 % des AHV-Lohns, höchstens Fr. 21 330);

­

Beginn des Sparprozesses ab Alter 20;

­

Anpassung der Altersgutschriftensätze;

­

Finanzierung der Besitzstandsgarantie für die Übergangsgeneration ausschliesslich durch die jeweilige Vorsorgeeinrichtung (sog. dezentrale Finanzierung).

In Bezug auf die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes, die Senkung des Koordinationsabzugs, die Altersgutschriften sowie das Alter für den Beginn des Sparprozesses stimmt dieses Modell mit dem zuvor beschriebenen Alternativvorschlag überein. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf die Besonderheiten des Modells.

Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration Wie beim Modell des ASIP (Ziff. 2.3.4) soll während zehn Jahren ab Inkrafttreten der Gesetzesrevision vor dem erstmaligen Bezug der Altersrente das obligatorische Altersguthaben der Versicherten einmalig prozentual erhöht werden. Die konkrete Höhe des Zuschlags wird ­ im Gegensatz zum Modell des ASIP ­ jedoch nicht erwähnt. Geht man davon aus, dass die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der gleichen Art und im gleichen Ausmass wie beim Modell des ASIP ausgeglichen werden soll, beträgt der höchste prozentuale Zuschlag 12 Prozent, denn die Senkung des Mindestumwandlungssatzes, die ausgeglichen werden soll, ist kleiner als im Modell des ASIP: Er wird von 6,8 auf 6 und nicht auf 5,8 Prozent gesenkt. Daher beträgt der Zuschlag auf dem obligatorischen Altersguthaben im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Änderung 12 Prozent und im zehnten Jahr 1,2 Prozent. Ab dem elften Jahr nach Inkrafttreten erfolgt keine Erhöhung des obligatorischen Altersguthabens mehr.

Vorhandenes überobligatorisches Guthaben soll bei dieser Erhöhung angerechnet werden. Bei einer versicherten Person, die zum Beispiel im fünften Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung pensioniert wird und ausschliesslich obligatorisches Altersguthaben hat, wird dieses Guthaben vor der Umrechnung in eine Rente um 7,2 Prozent erhöht. Sind hingegen mindestens 7,2 Prozent des gesamten Guthabens überobligatorisch, so hat die versicherte Person keinen Anspruch auf eine zusätzliche Erhöhung der Gesamtsumme des Guthabens. Überobligatorisches Guthaben entsteht zum Beispiel, wenn gemäss dem Vorsorgeplan mehr Geld als gemäss den gesetzlichen Minimalbestimmungen angespart wird oder wenn die versicherte Person in der Vergangenheit entstandene Vorsorgelücken mit freiwilligen Einkäufen schliesst. Bei Vorsorgeeinrichtungen, die reglementarisch einen tieferen Umwandlungssatz als 6 Prozent vorsehen, hat diese Regelung aber auch Auswirkungen auf 9843

BBl 2020

Personen, die wenig überobligatorisches Guthaben haben: Die Vorsorgeeinrichtung muss nämlich nachweisen können, dass die nach Reglement berechnete Altersrente mindestens gleich hoch ist wie die nach den gesetzlichen Mindestbestimmungen berechnete Rente (= Schattenrechnung). Dabei muss sie bei Personen der Übergangsgeneration den gesetzlichen Mindestumwandlungssatz auf das tatsächlich vorhandene obligatorische Altersguthaben, erhöht entsprechend dieser Regelung (im Beispiel also erhöht um 7,2 Prozent), anwenden. Ergibt diese Schattenrechnung eine höhere Rente als gemäss den reglementarischen Bestimmungen, so muss die Vorsorgeeinrichtung diese höhere Rente auszahlen.

Die Finanzierung der prozentualen Erhöhung des obligatorischen Altersguthabens oder der Rentenerhöhung, die aufgrund der angepassten Schattenrechnung notwendig ist, soll kollektiv durch die jeweilige Vorsorgeeinrichtung erfolgen. Im Modell SBV/Swiss Retail/Banken ist kein Ausgleichsmechanismus zwischen den Vorsorgeeinrichtungen vorgesehen. Die Erhöhung muss also durch die Versicherten und Arbeitgeber der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung finanziert werden. Die Vorsorgeeinrichtungen können für die Finanzierung dieser Massnahme Rückstellungen verwenden, die für die Finanzierung der Verrentung mit dem aktuell geltenden Umwandlungssatz gebildet wurden. Falls in einer Vorsorgeeinrichtung nicht genügend Rückstellungen vorhanden sind, um diese Massnahme zu finanzieren, muss die Finanzierung der Erhöhung auf andere Weise, also beispielsweise durch höhere Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten, sichergestellt werden.

Geschätzte jährliche Kosten Die für die Jahre 2023­2030 geschätzten durchschnittlichen jährlichen Kosten betragen 1,9 Milliarden Franken (in Preisen von 2020). Darin enthalten sind die effektiven Mehrbeiträge infolge der Neuregelung der Altersgutschriften (1,7 Mrd. Fr.) sowie eine Kostenschätzung der Kompensationsmassnahme für die Übergangsgeneration (0,2 Mrd. Fr.). Sowohl die effektiven Mehrbeiträge als auch die Kosten für die Übergangsgeneration sind unter Anrechnung von heute bereits bestehenden überobligatorischen Sparbeiträgen und Altersguthaben berechnet.

Die vorgesehene Massnahme für die Übergangsgeneration wäre nicht kostenneutral, weil die Kosten unabhängig von der Art ihrer Finanzierung anfallen.

Auswirkungen auf
das Rentenniveau in der obligatorischen Vorsorge Die folgenden typisierten Modellrechnungen sollen die Auswirkungen des Modells SBV/Swiss Retail/Banken auf die Leistungen der obligatorischen Mindestvorsorge veranschaulichen.

9844

BBl 2020

Tabelle 2­2 Rentendifferenz in der obligatorischen Vorsorge, nach Lohnniveau und Alter im Jahr des Inkrafttretens der Reform Lohnniveau 2021

Geltendes Recht: Rente pro Monat Modell SBV/Swiss Retail/Banken: Rentendifferenz gegenüber geltendem Recht pro Monat, nach Alter im Jahr des Inkrafttretens 20 Jahre 25 Jahre 30 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 45 Jahre 50 Jahre

25 000

40 000

55 000

70 000

86 040

103

430

863

1295

1758

188 166 149 133 112 91 65

109 67 52 36 18 0 ­18

114 38 15 ­8 ­33 ­59 ­81

118 9 ­21 ­52 ­85 ­118 ­144

123 ­22 ­61 ­99 ­140 ­182 ­211

38 21 1

­36 ­20 ­4

­103 ­57 ­10

­169 ­93 ­16

­241 ­133 ­22

55 Jahre 60 Jahre 65 Jahre

Bis zu einem Lohnniveau von rund 40 000 Franken wird das Rentenniveau verbessert, bei höheren Löhnen kommt es zu Renteneinbussen. Deren Ausmass hängt vom Lohn und Jahrgang ab und kann mehr als 13 Prozent betragen.

Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber Die beim Alternativvorschlag dargestellten Auswirkungen gelten auch für dieses Modell.

Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen Die beim Alternativvorschlag dargestellten Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf die dezentrale Finanzierung der Massnahme für die Übergangsgeneration, gelten auch für dieses Modell.

Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen Da in diesem Modell der gleiche Koordinationsabzug angewandt wird wie im Alternativvorschlag, sind auch die Auswirkungen auf die Vorsorge bei kleinen Löhnen oder Teilzeitanstellungen gleich.

9845

BBl 2020

Auswirkungen auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Da dieses Modell die gleiche Abstufung der Altersgutschriftensätze vorsieht wie der Alternativvorschlag, sind die Auswirkungen auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleich.

Gründe, weshalb dieses Modell nicht weiterverfolgt wurde Gleich wie beim Alternativvorschlag sinkt für Versicherte mit mittleren und höheren Einkommen das Rentenniveau der obligatorischen Mindestvorsorge. Diese Renteneinbussen können je nach Lohnniveau und Jahrgang mehr als 13 Prozent betragen.

Damit wird eines der Hauptziele der Reform verfehlt.

Die Vorsorge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen wird in diesem Modell durch die Neuregelung des Koordinationsabzugs zwar verbessert, doch bleibt diese Verbesserung weit hinter dem zurück, was der Kompromissvorschlag der Sozialpartner zu sichern vermag.

Wie beim Alternativvorschlag ist der frühere Beginn des Sparprozesses nur beschränkt geeignet, die anstehende Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen, da sie nur für Personen greifen würde, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform jünger als 25 Jahre alt sind. Der frühere Beginn des Sparprozesses wirkt sich in der Praxis insbesondere bei Personen mit längerer Ausbildung oft weniger auf das Altersguthaben aus, als dies theoretisch aufgrund des Modells angenommen werden könnte.

Die dezentrale Finanzierung der Massnahme für die Übergangsgeneration würde gerade jene Vorsorgeeinrichtungen am stärksten belasten, die aktuell die grössten Schwierigkeiten haben, den geltenden Mindestumwandlungssatz zu finanzieren. Es ist deshalb nicht sichergestellt, dass die angeschlossenen Arbeitgeber und die Versicherten die finanzielle Last ohne ernsthafte Schwierigkeiten bewältigen könnten.

Die Zusatzbelastung würde gerade die Niedriglohnbranchen stark treffen.

2.3.3

Modell des SGV vom 2. Juli 2019

Das Modell des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) enthält folgende Eckpunkte: ­

sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent;

­

Beibehaltung des geltenden Koordinationsabzugs;

­

kein früherer Beginn des Sparprozesses;

­

Erhöhung der Altersgutschriftensätze;

­

Finanzierung der Besitzstandsgarantie für die Übergangsgeneration durch einen Ausgleichsmechanismus unter allen Vorsorgeeinrichtungen (zentrale Finanzierung).

9846

BBl 2020

Im Einzelnen sollen die Massnahmen folgendermassen gestaltet sein: Sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz soll sofort und in einem Schritt von 6,8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden. Die Senkung um 0,8 Prozentpunkte entspricht eine Reduktion des Mindestumwandlungssatzes von knapp 12 Prozent.

Generelle Massnahmen zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes soll das Altersguthaben, das bis zum Erreichen des Rentenalters für den Bezug der Altersrente aufgebaut wird, gegenüber der heutigen Regelung erhöht werden. Dies soll ausschliesslich durch eine Erhöhung der Altersgutschriftensätze geschehen, denn das Modell sieht weder eine Verbreiterung der Lohnbasis, auf der die Altersgutschriften berechnet werden, noch einen früheren Beginn des Alterssparens vor.

Das Modell stellt hingegen ausdrücklich darauf ab, dass das Rentenalter der Frauen an dasjenige der Männer (65) angeglichen wird, sodass der Sparprozess für beide Geschlechter 40 Jahre dauert.

Die Altersgutschriftensätze sollen folgendermassen gestaffelt werden: SGV-Modell Alter

geltende Regelung Prozentsatz

25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55 Total

9% 14 % 16 % 18 % 570 %

Alter

25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55 Total

Prozentsatz

7% 10 % 15 % 18 % 500 %

Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration Der SGV schlägt für die Übergangsgeneration denselben Mechanismus vor, wie in der Reform der Altersvorsorge 2020 vorgesehen35: Erhält eine Person aus der Übergangsgeneration neu eine Altersrente, so muss ihr die Vorsorgeeinrichtung die Rente in der Höhe garantieren, die das Gesetz für die obligatorische berufliche Vorsorge vor Inkrafttreten der Reform vorsah. Überobligatorische Leistungen werden angerechnet, keine Garantie gibt es bei Kapitalleistungen.

Der SGV schlägt für diese Ausgleichsmassnahme eine Dauer von zehn Jahren vor.

Sollte es sich zeigen, dass zehn Jahre zu kurz sind, um das Rentenniveau zu halten, wäre er mit einer Verlängerung dieser Dauer auf 15 oder allenfalls 20 Jahre einverstanden.

35

Vgl. Botschaft vom 19. November 2014 zur Reform der Altersvorsorge 2020, BBl 2015 1, hier 74­78.

9847

BBl 2020

Im Modell des SGV wird die Ausgleichsmassnahme «zentral» finanziert, das heisst die jeweilige Vorsorgeeinrichtung erhält vom Sicherheitsfonds einen entsprechenden Zuschuss, der mittels Beiträgen von allen Vorsorgeeinrichtungen finanziert wird.

Geschätzte jährliche Kosten Die für die Jahre 2023­2030 geschätzten durchschnittlichen jährlichen Kosten betragen 1,5 Milliarden Franken (in Preisen von 2020). Darin enthalten sind die effektiven Mehrbeiträge infolge der Neuregelung der Altersgutschriften (1,1 Mrd. Fr.) sowie eine Kostenschätzung der Kompensationsmassnahme für die Übergangsgeneration (0,4 Mrd. Fr.). Die effektiven Mehrbeiträge sind unter Anrechnung von heute bereits bestehenden überobligatorischen Sparbeiträgen berechnet.

Auswirkungen auf das Rentenniveau in der obligatorischen Versicherung Die folgenden typisierten Modellrechnungen sollen die Auswirkungen des Modells des SGV auf die Leistungen der obligatorischen Mindestvorsorge veranschaulichen.

Tabelle 2­3 Rentendifferenz in der obligatorischen Vorsorge, nach Lohnniveau und Alter im Jahr des Inkrafttretens der Reform Lohnniveau 2021

Geltendes Recht: Rente pro Monat Modell SGV: Rentendifferenz gegenüber geltendem Recht pro Monat, nach Alter im Jahr des Inkrafttretens 25 Jahre 30 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 45 Jahre 50 Jahre 55 Jahre 60 Jahre 65 Jahre

25 000

40 000

55 000

70 000

86 040

103

430

863

1295

1758

0 ­1 ­3 ­7 ­10 ­11 0 0 0

2 ­6 ­13 ­28 ­43 ­47 0 0 0

3 ­12 ­27 ­57 ­87 ­94 0 0 0

5 ­18 ­40 ­85 ­130 ­141 0 0 0

7 ­24 ­54 ­115 ­176 ­192 0 0 0

* Für die Berechnungen wurde angenommen, dass die Ausgleichsmassnahme für die Übergangsgeneration 15 Jahre dauern wird.

Bei einer vollständigen Beitragszeit mit den Altersgutschriften gemäss der neuen Staffelung wird das bisherige Rentenniveau gesichert. Bei Versicherten, die bei Inkrafttreten der Reform älter als 25 Jahre sind, aber nicht mehr zur Übergangsgeneration gehören, kommt es hingegen zu Renteneinbussen. Deren Ausmass hängt von der Dauer der Übergangsmassnahmen ab. Der SGV legt sich bezüglich dieser Dauer (10, 15 oder 20 Jahre) nicht fest.

9848

BBl 2020

Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber Wie in allen hier vorgestellten Modellen und wie im Vorschlag des Bundesrates wirkt sich die Anpassung der Altersgutschriften hauptsächlich auf die Versicherten in Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeplänen aus, die nur obligatorische oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen. Denn im Gegensatz zu stärker umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeplänen ist in solchen Fällen kein oder nur wenig überobligatorisches Vorsorgekapital vorhanden, mit dem diese Änderung der gesetzlichen Mindestanforderungen abgefedert werden kann. Diese Anpassung führt daher zu einer Erhöhung der Sparbeiträge und somit zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten zulasten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden.

In solchen Vorsorgeeinrichtungen sind insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Branchen Gastronomie, Bau und sonstige Dienstleistungen versichert.

Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen Wie in allen hier vorgestellten Modellen und wie im Vorschlag des Bundesrates werden durch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgepläne, die nur obligatorische oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen, entlastet, weil dadurch die Pensionierungsverluste, die sich aus dem zu hohen Mindestumwandlungssatz ergeben, reduziert werden. Dadurch kann in diesen Vorsorgeeinrichtungen die Quersubventionierung zulasten der aktiven Versicherten reduziert werden. Auf Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgepläne mit einem höheren Anteil an überobligatorischen Leistungen (umhüllende Vorsorgeeinrichtungen bzw. -pläne) haben diese Massnahmen geringe bis keine Auswirkungen.

Die vorgeschlagene «zentrale» Finanzierung der Ausgleichsmassnahme für die Übergangsgeneration würde die Vorsorgeeinrichtungen, die nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen, und ihre Arbeitgeber und Versicherten wenig belasten, da sie nicht allein für diese Ausgleichsmassnahme aufkommen müssten. Die Vorsorgeeinrichtungen mit mehr überobligatorischen Leistungen hingegen müssten diese Ausgleichsmassnahme mitfinanzieren.

Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen Da sowohl die aktuelle Eintrittsschwelle (Fr. 21 330) als auch der aktuelle Koordinationsabzug (Fr. 24 885) beibehalten
werden, ergibt sich keine Änderung für die Vorsorge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen.

Der SGV schlägt in der Medienmitteilung zur Darstellung seines Modells vor, dass Arbeitnehmende mit mehreren Arbeitgebern besser über die bereits bestehende Möglichkeit der freiwilligen Vorsorge nach Artikel 46 BVG informiert werden sollen. Diese Regelung sieht nämlich vor, dass sich solche Arbeitnehmende freiwillig versichern lassen können, wenn die Löhne bei den verschiedenen Arbeitgebern gesamthaft die Eintrittsschwelle von 21 330 Franken übersteigen. Der Koordinationsabzug wird dann nur einmal auf der Summe der Löhne angewandt. Selbstverständlich wird in diesem Fall auch der obere Grenzbetrag (Fr. 85 320) auf die Ge9849

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samtsumme der Löhne angewandt, damit für diese Personen nicht etwa ein höherer obligatorisch versicherter Lohn resultiert, als wenn sie nur ein Arbeitsverhältnis hätten. Falls nur einer der beiden Löhne unterhalb der Eintrittsschwelle liegt, können die betroffenen Personen ebenfalls verlangen, dass die Regelungen zur Berechnung des koordinierten Lohns auf die Gesamtsumme der Löhne angewandt werden.

Auswirkungen auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Die vorgeschlagene Abstufung der Altersgutschriftensätze bringt insgesamt eine leichte Abflachung, indem jüngere Versicherte mehr ansparen, während der Gutschriftensatz für die ältesten Versicherten gleich bleibt. Dadurch beträgt der Unterschied zwischen den tiefsten und den höchsten Gutschriftensätzen gemäss diesem Modell noch 9 Prozentpunkte (aktuell 11 Prozentpunkte), und der Unterschied der Lohnnebenkosten von jüngeren und älteren Arbeitnehmenden in Bezug auf die gesetzlichen Altersgutschriften wird verringert. Insbesondere für die 35- bis 44-Jährigen ist die Erhöhung mit 4 Prozentpunkten markant. Sie bewirkt, dass der Unterschied der Gutschriftensätze zwischen einer 44-jährigen und einer 55-jährigen Person nur noch 4 Prozentpunkte beträgt, während dieser Unterschied heute doppelt so gross ist. Auch die letzte Erhöhung des Gutschriftensatzes, die wie in der geltenden Regelung bei Alter 55 erfolgt, wird reduziert und beträgt noch 2 Prozentpunkte statt aktuell 3 Prozentpunkte.

Gründe, weshalb dieses Modell nicht weiterverfolgt wurde Für die Versicherten, die nicht der Übergangsgeneration angehören, betrügen die Renteneinbussen in der obligatorischen Vorsorge selbst bei einer Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen noch bis zu 11 Prozent. Davon wären Versicherte aus allen Einkommensklassen betroffen. Somit könnten mit dem Modell des SGV zwei zentrale Ziele der Reform nicht erreicht werden, nämlich der Erhalt des Leistungsniveaus und die Verbesserung der beruflichen Vorsorge von Personen mit tieferen Einkommen sowie von Teilzeitbeschäftigten.

2.3.4

Modell des ASIP vom 2. Oktober 2019

Das Modell des Schweizerischen Pensionskassenverbands (ASIP) enthält folgende Eckpunkte: ­

sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 5,8 Prozent;

­

leichte Senkung des Koordinationsabzugs (60 % des AHV-Lohns, höchstens Fr. 21 330);

­

Beginn des Sparprozesses ab Alter 20;

­

Anpassung der Altersgutschriftensätze;

­

Finanzierung der Besitzstandsgarantie für die Übergangsgeneration ausschliesslich durch die jeweilige Vorsorgeeinrichtung (sog. dezentrale Finanzierung).

9850

BBl 2020

Im Einzelnen sollen die Massnahmen folgendermassen gestaltet sein: Sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 5,8 Prozent Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz soll sofort und in einem Schritt von 6,8 Prozent auf 5,8 Prozent gesenkt werden. Diese Senkung um einen ganzen Prozentpunkt entspricht einer Reduktion des Mindestumwandlungssatzes um fast 15 Prozent.

Generelle Massnahmen zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes soll das Altersguthaben, das bis zum Erreichen des Rentenalters aufgebaut wird, erhöht werden.

Der Koordinationsabzug und der Beginn des Sparprozesses sind gleich wir beim Alternativvorschlag.

Die Altersgutschriftensätze sollen folgendermassen gestaffelt werden: ASIP-Modell Alter

20 ­ 24 25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55 Total

geltende Regelung Prozentsatz

9% 9% 12 % 16 % 18 % 595 %

Alter

25 ­ 34 35 ­ 44 45 ­ 54 Ab 55 Total

Prozentsatz

7% 10 % 15 % 18 % 500 %

Gleichzeitig mit den Gutschriftensätzen soll auch der Koordinationsabzug angepasst werden. Die neuen Altersgutschriften berechnen sich also auf dem neuen versicherten Lohn mit leicht gesenktem Koordinationsabzug.

Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration Während zehn Jahren ab Inkrafttreten der Gesetzesrevision soll das obligatorische Altersguthaben der Versicherten bei der Pensionierung einmal um einen bestimmten Prozentsatz erhöht werden. Die Erhöhung beträgt im ersten Jahr nach Inkrafttreten 15 Prozent und fällt danach linear bis auf 1,5 Prozent im zehnten Jahr. Ab dem elften Jahr nach Inkrafttreten erfolgt keine Erhöhung des Altersguthabens mehr.

Vorhandenes überobligatorisches Altersguthaben wird bei dieser Erhöhung angerechnet (vgl. Erklärung zum Alternativvorschlag).

Die Massnahme wird gleich wie beim Modell SBV/Swiss Retail/Banken «dezentral» finanziert.

Geschätzte jährliche Kosten Die für die Jahre 2023­2030 geschätzten durchschnittlichen jährlichen Kosten betragen 2,3 Milliarden Franken (in Preisen von 2020). Darin enthalten sind die effektiven Mehrbeiträge infolge der Neuregelung der Altersgutschriften 9851

BBl 2020

(2,0 Mrd. Fr.) sowie eine Kostenschätzung der Kompensationsmassnahme für die Übergangsgeneration (0,3 Mrd. Fr.). Sowohl die effektiven Mehrbeiträge als auch die Kosten für die Übergangsgeneration sind unter Anrechnung von heute bereits bestehenden überobligatorischen Sparbeiträgen und Altersguthaben berechnet.

Auswirkungen auf das Rentenniveau in der obligatorischen Vorsorge Die folgenden typisierten Modellrechnungen sollen die Auswirkungen des Modells des ASIP auf die Leistungen der obligatorischen Mindestvorsorge veranschaulichen.

Tabelle 2­4 Rentendifferenz in der obligatorischen Vorsorge, nach Lohnniveau und Alter im Jahr des Inkrafttretens der Reform Lohnniveau 2021

Geltendes Recht: Rente pro Monat Modell ASIP: Rentendifferenz gegenüber geltendem Recht pro Monat, nach Alter im Jahr des Inkrafttretens 20 Jahre 25 Jahre 30 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 45 Jahre 50 Jahre 55 Jahre 60 Jahre 65 Jahre

25 000

40 000

55 000

70 000

86 040

103

430

863

1295

1758

189 167 151 135 115 95 69 43 24 1

110 70 55 40 22 4 ­13 ­30 ­17 ­6

115 42 20 ­2 ­27 ­52 ­73 ­94 ­53 ­15

120 15 ­15 ­44 ­76 ­108 ­133 ­158 ­89 ­23

126 ­14 ­52 ­89 ­129 ­169 ­197 ­226 ­128 ­32

Bis zu einem Lohnniveau von rund 40 000 Franken wird das Rentenniveau verbessert, bei höheren Löhnen kommt es hingegen zu Renteneinbussen. Das Ausmass dieser Renteneinbussen hängt vom Lohn und Jahrgang der versicherten Person ab und kann mehr als 12 Prozent betragen.

Auswirkungen auf die Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber Die beim Alternativvorschlag dargestellten Auswirkungen gelten auch für dieses Modell.

Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen Die beim Alternativvorschlag dargestellten Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf die dezentrale Finanzierung der Massnahme für die Übergangsgeneration, gelten auch für dieses Modell.

9852

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Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen Da in diesem Modell der gleiche Koordinationsabzug angewandt wird wie im Alternativvorschlag, sind auch die Auswirkungen auf die Vorsorge bei kleinen Löhnen und Teilzeitarbeit gleich.

Auswirkungen auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Das Modell sieht im Vergleich zur geltenden Regelung eine etwas flachere Abstufung der Altersgutschriftensätze vor, indem die jüngsten Versicherten im Vergleich zur geltenden Regelung mehr ansparen, während bei den ältesten Versicherten der aktuelle Gutschriftensatz beibehalten wird. Bis zum Alter 44 werden um zwei Prozentpunkte höhere, danach bis zum Alter 54 um einen Prozentpunkt höhere Altersgutschriften angespart. Dadurch beträgt der Unterschied zwischen den tiefsten und den höchsten Gutschriftensätzen gemäss diesem Modell noch 9 Prozentpunkte (aktuell 11 Prozentpunkte), und der Unterschied der Lohnnebenkosten von jüngeren und älteren Arbeitnehmenden in Bezug auf die gesetzlichen Altersgutschriften wird verringert. Auch der letzte Schritt der Abstufung, der wie in der geltenden Regelung bei Alter 55 erfolgt, wird reduziert und beträgt noch 2 Prozentpunkte statt aktuell 3 Prozentpunkte.

Gründe, weshalb dieses Modell nicht weiterverfolgt wurde Für Versicherte mit Löhnen über 40 000 Franken, die nicht zur Übergangsgeneration gehören, käme es in der obligatorischen Vorsorge modellmässig zu Renteneinbussen, die je nach Lohn und Jahrgang der versicherten Person mehr als 12 Prozent betragen könnten. Damit kann eines der Hauptziele der Reform, der Erhalt des Leistungsniveaus, nicht erreicht werden.

Wie beim Alternativvorschlag ist der frühere Beginn des Sparprozesses nur beschränkt geeignet, die anstehende Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen, da er nur für Personen greifen würde, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform jünger als 25 Jahre alt sind. Der frühere Beginn des Sparprozesses wirkt sich in der Praxis insbesondere bei Personen mit längerer Ausbildung oft weniger auf das Altersguthaben aus, als dies theoretisch aufgrund des Modells angenommen werden könnte.

Die Vorsorge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Löhnen oder in Teilzeitanstellungen wird in diesem Modell durch die Neuregelung des Koordinationsabzugs zwar verbessert,
doch bleibt diese Verbesserung hinter dem Kompromissvorschlag der Sozialpartner zurück.

Wie beim Alternativvorschlag dargelegt, würde die «dezentrale» Finanzierung der Massnahme für die Übergangsgeneration gerade jene Vorsorgeeinrichtungen am stärksten belasten, die aktuell die grössten Schwierigkeiten haben, den geltenden Mindestumwandlungssatz zu finanzieren. Es ist deshalb nicht sichergestellt, dass die angeschlossenen Arbeitgeber und die Versicherten die finanzielle Last ohne ernsthafte Schwierigkeiten bewältigen könnten. Die Zusatzbelastung würde gerade die Niedriglohnbranchen stark betreffen.

9853

BBl 2020

Ausserdem kann sich eine Abstufung der gesetzlichen Altersgutschriften ungünstig auf die Lohnnebenkosten der ältesten Arbeitnehmenden und damit auch auf ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Auch in diesem Punkt bietet der Kompromissvorschlag der Sozialpartner eine bessere Lösung.

2.4

Empfehlungen der Eidgenössischen BVG-Kommission

An ihrer Sitzung vom 12. Oktober 2020 diskutierte die BVG-Kommission über den Gesetzesentwurf und die Botschaft. Die Kommission ist sich einig, dass die Reform dringend ist. Sie begrüsst die vorgeschlagene Anpassung des Mindestumwandlungssatzes und ist der Auffassung, dass die Leistungen erhalten bleiben müssen. Kontrovers diskutiert wurde der Rentenzuschlag, wobei die Äusserungen weitgehend den Eingaben entsprechen, die von den in der Kommission vertretenen Akteuren im Rahmen der Vernehmlassung vorgebracht wurden. Die Kommission weist darauf hin, dass jeder Kompromiss Stärken und Schwächen aufweise, und ist sich bewusst, dass die Diskussion zum Rentenzuschlag in der parlamentarischen Beratung sicher aufgegriffen werden wird. Sie ist aber der Auffassung, dass die Gesetzesvorlage dem Parlament unterbreitet werden soll.

Einzelne Mitglieder der Kommission ergriffen die Gelegenheit, Fragen zum Gesetzesentwurf und zur Botschaft zu stellen, und regten gewisse formelle Anpassungen an. Diese wurden geprüft und teilweise übernommen.

3

Gewählte Lösung

Die Vernehmlassungsvorlage sah vor, trotz unumgänglicher Senkung des Mindestumwandlungssatzes das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu sichern und die berufliche Vorsorge für Versicherte mit tieferen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte zu verbessern. Diese Hauptziele der Reform behält der Bundesrat in der vorliegenden Botschaft bei.

Der Kompromissvorschlag der Sozialpartner kombiniert die Senkung des Mindestumwandlungssatzes mit Massnahmen zur Sicherung des Leistungsniveaus. So enthält er eine Senkung des Koordinationsabzugs, eine Anpassung der Altersgutschriftensätze und einen solidarisch finanzierten Rentenzuschlag für künftige Rentnerinnen und Rentner. Auch nach der vertieften Auseinandersetzung mit anderen Reformvorschlägen (vgl. Ziff. 2.3) und der Auswertung der Vernehmlassungsergebnisse erachtet der Bundesrat dieses Massnahmenpaket als ausgewogen und zielführend. Das Leistungsniveau kann mit dem Kompromissvorschlag der Sozialpartner für die meisten Versicherten gehalten werden (vgl. Ziff. 7.5). Für tiefere Einkommen, Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte werden die Leistungen verbessert, was vor allem Frauen zugutekommen wird. Dank dem Rentenzuschlag erfolgt ein Teil dieser Verbesserungen sogar umgehend. Keines der anderen vertieft geprüften Modelle vermag diese Reformziele in gleichem Ausmass zu erreichen.

9854

BBl 2020

Der Reformvorschlag, der dieser Vorlage zugrunde liegt, ist das Ergebnis von eingehenden Verhandlungen zwischen tragenden Akteuren der beruflichen Vorsorge, nämlich den Spitzenverbänden der Arbeitnehmenden auf der einen Seite und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband auf der anderen Seite. Im Gegensatz dazu hat der Alternativvorschlag auf Seiten der involvierten Arbeitnehmerverbände und Versichertenorganisationen bisher keine Unterstützung erhalten.

Die Analyse der Vernehmlassungsergebnisse zeigt zwar, dass eines der Kernelemente der Vorlage ­ der Rentenzuschlag ­ umstritten ist und auch auf Seite der Arbeitgeber zum Teil auf Ablehnung stösst. Der Kompromiss der Sozialpartner stellt aber andererseits das einzige Reformmodell dar, welches sowohl seitens der Arbeitnehmenden wie auch der Arbeitgeber Unterstützung findet. Punktuelle Änderungen an diesem Gesamtpaket ­ insbesondere die Streichung oder Anpassung des Rentenzuschlags ­ würden diese Unterstützung gefährden. Eine Reformvorlage, die einzig die dringend notwendige Senkung des Mindestumwandlungssatzes beinhaltet und sich auf Kompensationsmassnahmen für die direkt davon Betroffenen beschränkt, wird nach der Beurteilung des Bundesrates keine Mehrheit finden. Der Bundesrat erachtet eine Reform nur dann als mehrheitsfähig, wenn sie auch eine Anpassung der beruflichen Vorsorge an die Entwicklung im Erwerbsverhalten vollzieht. Die Akzeptanz einer Reformvorlage in der beruflichen Vorsorge steigt aus Sicht des Bundesrats zudem, wenn eine solidarisch von allen Versicherten und Arbeitgebern finanzierte Ausgleichsmassnahme auch jenen Versicherten zugutekommt, die in den letzten Jahren durch die Quersubventionierung von laufenden Altersrenten Einbussen bei ihren eigenen zu erwartenden Leistungen hinnehmen mussten, sei es in Form von tieferer Verzinsung ihrer Altersguthaben oder sei es aufgrund reglementarischer Anpassungen der Umwandlungssätze umhüllender Vorsorgeeinrichtungen. Der Bundesrat hält deshalb in dieser Botschaft am Kompromiss der Sozialpartner fest.

Diese Reformvorlage ist ausgewogen und sie ist zielführend im Hinblick auf eine Stabilisierung der 2. Säule im Umfeld sinkender Kapitalerträge und höherer Lebenserwartung.

Einer der Hauptkritikpunkte am vorgeschlagenen Rentenzuschlag besteht darin, dass ein solcher, solidarisch finanzierter
Ausgleichsmechanismus dem System der beruflichen Vorsorge fremd sei. Die Umlagefinanzierung ist für die 2. Säule jedoch nicht wirklich fremd. De facto findet sie seit mehreren Jahren Anwendung, vor allem bei den Vorsorgeeinrichtungen, die hauptsächlich die obligatorische Vorsorge durchführen und nur wenig überobligatorische Leistungen versichern (sog. BVG-nahe Einrichtungen). Diese Einrichtungen müssen einen zu hohen Umwandlungssatz anwenden und Neurenten sind ungenügend finanziert. Daher braucht es eine Zusatzfinanzierung. Diese erfolgt in der Form einer Umlagefinanzierung von den aktiven Versicherten (tiefere Verzinsung der Guthaben, zusätzliche Beiträge) und/oder des Arbeitgebers (zusätzliche Beiträge). Ein umlagefinanzierter Rentenzuschlag, wie im Kompromissvorschlag der Sozialpartner vorgesehen, ist also kein neues Phänomen.

Heute ist diese Querfinanzierung für die Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich obligatorische oder nur geringe überobligatorische Leistungen erbringen, jedoch kaum tragbar. Der Rentenzuschlag entlastet sie. Das BVG hat auch bei seiner Einführung eine Umlagefinanzierung vorgesehen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes 1985 musste nämlich zur Zahlung der ersten Renten auf diese Finanzierungsart zurückgegriffen werden. Auch die Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur, welche die 9855

BBl 2020

Sozialpartner in ihrem Kompromissvorschlag zur Aufhebung empfehlen, basieren auf dem Gedanken der Solidarität.

Mit dem Rentenzuschlag werden nicht nur die künftigen Renten im Bereich der obligatorischen Versicherung geschützt, sondern in geringerem Umfang auch die Renten von Personen, die einen überobligatorischen Versicherungsteil aufweisen.

Auch diese Versicherten mussten in den letzten Jahren aufgrund der stark sinkenden Umwandlungssätze bei umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen massive Renteneinbussen hinnehmen. Gemäss dem Bericht «finanzielle Lage» der OAK BV ist der durchschnittliche geplante Umwandlungssatz der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie von 6,41 Prozent im Jahr 201236 auf 5,34 Prozent im Jahr 201937 gesunken.

Dies entspricht ohne Kompensationsmassnahmen einer Senkung der Rente um 16,7 Prozent. Viele Vorsorgeeinrichtungen dürften zwar diese Renteneinbusse teilweise abgefedert haben, doch vor allem bei einer ungünstigen Altersstruktur oder einer ungünstigen finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtung wurde in vielen Fällen darauf verzichtet.38 Während die Minimalrenten weiterhin garantiert waren, wurden in den letzten Jahren in umhüllenden und überobligatorischen Vorsorgeeinrichtungen die Umwandlungssätze und damit die Neurenten in der beruflichen Vorsorge oft deutlich gesenkt. Gerade Personen ab 50 Jahren, welche über ein relativ hohes Alterskapital verfügen, haben in den letzten Jahren einen wesentlichen Teil der Umverteilung zugunsten von Rückstellungen und Renten tragen müssen. Deshalb erscheint es als gerechtfertigt, wenn der vorgeschlagene Rentenzuschlag zu einem gewissen Ausgleich auch für diese Versicherten mit überobligatorischen Leistungen führt. Dies dürfte auch die Akzeptanz der Vorlage erhöhen.

In einigen Stellungnahmen zur Vernehmlassungsvorlage wird gefordert, der Rentenzuschlag sei zeitlich zu begrenzen, sodass er nur den Jahrgängen der Übergangsgeneration zugutekommt. Die Berechnungen zeigen, dass bei einer Befristung des Rentenzuschlags auf die ersten 15 Jahrgänge der 16. Jahrgang und auch die nachfolgenden Jahrgänge ohne Rentenzuschlag zum Teil empfindliche Renteneinbussen zu erleiden hätten (vgl. Tabelle 7­5). Dieses Schwellenproblem, das Modellen mit fixen Übergangsfristen anhaftet, kann mit der Lösung des Kompromissvorschlags der Sozialpartner vermieden
werden. Die vorgesehene Pflicht zur regelmässigen Berichterstattung lässt zudem Anpassungen zu und dient damit der Flexibilität der Lösung.

Im Hinblick auf die Durchführung lässt sich sagen, dass die Umsetzung des Rentenzuschlags für die Vorsorgeeinrichtungen nicht allzu schwierig ist. Sie leisten bereits heute Beiträge an den Sicherheitsfonds.

36 37 38

OAK BV, Bericht finanzielle Lage 2014, S. 12.

OAK BV, Bericht finanzielle Lage 2019, S. 11.

Ein Indiz dafür ist die durchschnittliche Altersrente gemäss Pensionskassenstatistik: Betrug sie 2009 noch 30 630 Franken, so sank dieser Wert kontinuierlich auf 28 947 Franken im Jahr 2018.

9856

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4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

In den meisten westeuropäischen Ländern wird die Grundversicherung durch betriebliche Rentensysteme ergänzt. Diese Rentensysteme sind jedoch nicht mit der beruflichen Vorsorge in der Schweiz vergleichbar. Sie sind meist freiwillig und vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängig. Andere Systeme sind für Arbeitnehmende bestimmter Wirtschaftssektoren zwar obligatorisch, die Versicherungspflicht beruht aber auf Gesamtarbeitsverträgen und nicht auf einem mit dem BVG vergleichbaren Gesetz.

In einigen nordeuropäischen Ländern (z. B. Dänemark, Finnland oder Schweden) bestehen die öffentlichen Vorsorgesysteme aus zwei Teilen: Ein Teil ist direkt an eine Erwerbstätigkeit gebunden und wird mit einer Mischung aus Kapitaldeckungsund Umlageverfahren finanziert, der zweite Teil ist universell und richtet «garantierte» oder «nationale» Renten aus, die bedarfsabhängig sind. Man kann den an eine Erwerbstätigkeit gebundenen ersten Teil als Grundversicherung dieser Länder betrachten. Die garantierten oder nationalen Renten des zweiten Teils sind mit den Schweizer Ergänzungsleistungen zur AHV/IV vergleichbar.

Auf die Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz wird unter Ziffer 8.2 eingegangen.

5

Grundzüge der Vorlage

5.1

Senkung des Mindestumwandlungssatzes

­

Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge in einem Schritt von 6,8 auf 6,0 Prozent, um den Satz an die höhere Lebenserwartung und die tieferen Finanzmarktrenditen anzupassen.

Für die Senkung des Mindestumwandlungssatzes wird angenommen, dass die Vorsorgeeinrichtungen auf ihren Anlagen im langfristigen Durchschnitt eine Rendite von 3,5 bis 4 Prozent erwirtschaften können. Der Mindestumwandlungssatz für das ordentliche Rentenalter soll unter Berücksichtigung der pensionskassenbezogenen technischen Grundlagen VZ 2015 und BVG 2015 sowie einer Marge für die Bildung von technischen Rückstellungen und die Finanzierung der administrativen Kosten für die Rentenauszahlung auf 6,0 Prozent festgelegt werden. Er wird sowohl für Frauen wie für Männer in einem Schritt von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt. Ein Satz von 6,8 Prozent würde einen Bruttoertrag von rund 5 Prozent erfordern.

Für den Bezug von Altersleistungen vor oder nach dem ordentlichen Rentenalter erhält der Bundesrat die Kompetenz, die entsprechenden Mindestumwandlungssätze auf Verordnungsstufe festzulegen. Da es sich um Leistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge handelt, müssen für alle Versicherten die gleichen Regeln gelten; diese Sätze sollen also nicht mehr von den Vorsorgeeinrichtungen nach eigenem Ermessen und unterschiedlich festgelegt werden können.

9857

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Da der Mindestumwandlungssatz insbesondere hinsichtlich der künftigen Zinsentwicklung mit Unsicherheiten verbunden ist, soll der Bundesrat unter Einbezug der Sozialpartner periodisch über die Grundlagen des Mindestumwandlungssatzes Bericht erstatten. Gemäss den geltenden Bestimmungen des BVG unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung alle zehn Jahre einen Bericht über die Festsetzung des Mindestumwandlungssatzes für die nachfolgenden Jahre. Dieses Intervall soll auf fünf Jahre verkürzt werden.

Als zusätzliche Sicherheit sollen Beiträge zur Finanzierung eines allfälligen Rückstellungsbedarfs für Rentenumwandlungsverluste von den Sparbeiträgen, die in die Berechnung der Austrittsleistung einfliessen, abgezogen werden können. Diese Rentenumwandlungsverluste ergeben sich aus den obligatorischen oder den reglementarischen überobligatorischen Leistungsgarantien. Der Satz dieser Beiträge muss aber im Reglement festgelegt sein; der Bedarf muss ausgewiesen werden oder die Erhebung muss vom Experten für berufliche Vorsorge empfohlen werden. Damit soll die Transparenz bei der Finanzierung der Prozesse erhöht werden. Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungsunternehmen können weiterhin mit Rentenumwandlungsverlusten konfrontiert sein. Gegenwärtig verwenden sie deshalb in der Regel einen Teil der Margen der Risikotarife für die Finanzierung des Sparprozesses oder des garantierten Rentenumwandlungssatzes. Mit der Einführung der neuen Prämie soll die Transparenz wiederhergestellt werden.

5.2

Ausgleichsmassnahmen

­

Einführung eines solidarisch finanzierten Rentenzuschlags.

­

Halbierung des Koordinationsabzugs und weniger starke Abstufung der Altersgutschriftensätze.

­

Durch die Kombination dieser Massnahmen kann das Leistungsniveau insgesamt gehalten und für Personen mit tieferen Einkommen, Teilzeitund Mehrfachbeschäftigte sogar umgehend verbessert werden.

­

Von diesen Ausgleichsmassnahmen profitieren vor allem die Frauen.

5.2.1

Notwendigkeit der Ausgleichsmassnahmen

Um das Leistungsniveau der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu erhalten, braucht es Ausgleichsmassnahmen. Andernfalls führt die Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 Prozent zu rund 12 Prozent tieferen Neurenten. Eine solche Einbusse wäre nicht akzeptabel, zumal der Erhalt der zukünftigen Rentenleistungen auf dem heutigen Stand zu den Hauptzielen der Reform gehört.

Um das Leistungsniveau zu erhalten, sind einerseits eine Senkung des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriftensätze, andererseits ein solidarisch finanzierter Rentenzuschlag für künftige Rentnerinnen und Rentner vorgesehen. Durch die Kombination dieser Massnahmen kann das Leistungsniveau 9858

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insgesamt gehalten und für Personen mit tieferen Einkommen, Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte sogar umgehend verbessert werden. Dazu sind die unter den folgenden Ziffern beschriebenen Massnahmen geplant.

5.2.2

Rentenzuschlag

­

Erhalt des Leistungsniveaus, namentlich bei der Übergangsgeneration.

­

Bessere Leistung für Arbeitnehmende mit tieferen Einkommen einschliesslich Teilzeitangestellter.

Neben den Massnahmen, die zu einer Erhöhung des Altersguthabens führen (vgl.

Ziff. 5.2.3), soll neu ein solidarisch finanzierter Rentenzuschlag eingeführt werden, der lebenslang und für die ersten 15 Jahrgänge, die nach Inkrafttreten der Reform das ordentliche Rentenalter erreichen, als Fixbetrag pro Kopf ausbezahlt werden soll. Diese dauerhafte, zweckgebundene Umlagekomponente soll es einerseits ermöglichen, das Rentenniveau namentlich der Übergangsgeneration zu halten, andererseits sollen damit auch bessere Leistungen für tiefere und mittlere Einkommen erreicht werden. In diesen Einkommensgruppen finden sich viele Teilzeitangestellte, insbesondere Frauen.

Der Rentenzuschlag soll grundsätzlich an alle künftigen Bezügerinnen und Bezüger einer Rente der beruflichen Vorsorge ausbezahlt werden, die ab Inkrafttreten der Reform die nachfolgenden zwei Voraussetzungen erfüllen: Erstens müssen sie mindestens 15 Jahre in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versichert gewesen sein, also mit dem Lohn die Eintrittsschwelle (2020: 21 330 Fr., 2021: 21 510 Fr.)

überschritten haben. Zweitens müssen sie die letzten zehn Jahre vor dem erstmaligen Bezug des Rentenzuschlags ununterbrochen in der AHV versichert gewesen sein.

Wird die Leistung überwiegend in Kapitalform bezogen, so entsteht kein Anspruch auf den Rentenzuschlag.

Der Rentenzuschlag soll mittels eines Lohnbeitrags in Höhe von 0,5 Prozent auf den AHV-pflichtigen Einkommen der in der beruflichen Vorsorge Versicherten bis zum maximalen in der beruflichen Vorsorge versicherbaren Einkommen (zurzeit 853 200 Fr.; d. h. das Zehnfache des oberen Grenzbetrags nach Art. 8 Abs. 1 BVG) finanziert werden. Er soll explizit auf diesem AHV-Lohn erhoben werden, also nicht nur auf dem nach den Reglementen der Vorsorgeeinrichtungen versicherten Lohn.

Um das Rentenniveau zu halten, sollen ab Inkrafttreten der Reform für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen betragsmässig fixe lebenslange Rentenzuschläge garantiert werden (erste fünf Jahrgänge: 200 Fr., zweite fünf Jahrgänge: 150 Fr., dritte fünf Jahrgänge: 100 Fr.). Danach werden Leistungseinbussen, die auf die Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent zurückzuführen sind, zurückgehen, weil die nachfolgenden Jahrgänge durch die Senkung des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriftensätze
ein höheres Altersguthaben ansparen können als die Übergangsgeneration. Somit entfällt ab dem 16. Jahr nach Inkrafttreten der Reform für alle weiteren Neurentnerjahrgänge die Notwendigkeit einer garantierten Höhe des Rentenzuschlags. Der Rentenzuschlag wird dann 9859

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bei kleineren Löhnen hauptsächlich leistungsverbessernd und bei höheren Löhnen immer noch leistungsstabilisierend wirken. Für die Personen, die ab dem 16. Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung das ordentliche Rentenalter erreichen, wird der Bundesrat die Höhe des Rentenzuschlags nach Massgabe der verfügbaren Mittel jährlich und pro Kalenderjahr festlegen.

5.2.3

Senkung des Koordinationsabzugs und Anpassung der Altersgutschriftensätze

Eine Ausgleichsmassnahme für die Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist die Halbierung des Koordinationsabzugs.

Aktuell entspricht der Koordinationsabzug in der obligatorischen beruflichen Vorsorge 7/8 der maximalen AHV-Altersrente (2020: 24 885 Fr.). Durch die Halbierung dieses Betrags (2020: 12 443 Fr.) wird das Vorsorgeniveau vor allem der Versicherten mit tiefen und mittleren Einkommen und/oder Teilzeitanstellung verbessert, denn die Halbierung hat bei tieferen Jahreslöhnen eine verhältnismässig stärkere Wirkung als bei höheren Jahreslöhnen. Erzielt eine Person beispielsweise einen Jahreslohn von 40 000 Franken, so beträgt ihr koordinierter Lohn ­ das heisst der in der 2. Säule versicherte Lohnanteil ­ nach geltendem Recht 15 115 Franken (40 000 Fr. minus 24 885 Fr.). Mit einem auf 12 443 Franken gesenkten Koordinationsabzug beträgt der koordinierte Lohn 27 557 Franken, was gegenüber der gegenwärtigen Situation eine Verbesserung darstellt.

Mit dieser Massnahme wird den neuen Realitäten Rechnung getragen (Teilzeitanstellungen, Mehrfachbeschäftigungen). Von der Systemänderung werden insbesondere Frauen profitieren.

Auch nach Halbierung des Koordinationsabzugs bleibt aufgrund der Eintrittsschwelle eine gewisse Koordination zwischen den Leistungen der 1. und der 2. Säule bestehen.

Als zweite langfristige Ausgleichsmassnahme werden die Sätze der Altersgutschriften, die während einer vollständigen Erwerbskarriere geäufnet werden, so weit angepasst, wie dies unter Berücksichtigung der Halbierung des Koordinationsabzugs für die Erhaltung des Leistungsniveaus notwendig ist. Parallel dazu wird die altersmässige Abstufung der Gutschriften vereinfacht. Mit der neuen Staffelung entfallen die Mehrkosten der über 54-jährigen Personen gegenüber denjenigen der Altersgruppe zwischen 45 und 54 Jahren in der beruflichen Vorsorge. Damit soll ein Altersnachteil beseitigt werden. Auf der anderen Seite hat die Anpassung der Altersgutschriften für die über 54-jährigen Personen zur Folge, dass das Leistungsniveau für diese Altersgruppe nicht ohne Weiteres erhalten werden kann. Dieser Effekt wird jedoch durch den Rentenzuschlag ausgeglichen. Der Rentenzuschlag (vgl. Ziff. 5.2.2) dient daher ­ neben dem Ausgleich des tieferen Mindestumwandlungssatzes ­ auch zur Reduzierung des Altersnachteils. Die neue Staffelung der Altersgutschriften, die auf dem neuen koordinierten Lohn (Halbierung des Koordinationsabzugs) berechnet werden, sieht folgendermassen aus:

9860

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Tabelle 5­1 Altersgutschriften in Prozenten Alter

Gegenwärtiger Gutschriftensatz in % des koordinierten Lohnes

Neuer Gutschriftensatz in % des koordinierten Lohnes

25­34 35­44 45­54 Ab 55

7,0 10,0 15,0 18,0

9,0 9,0 14,0 14,0

Total

500,0

460,0

Die neuen Gutschriftensätze sind tiefer als die bisherigen, berechnen sich aber auf einem versicherten Lohn, der dank halbiertem Koordinationsabzug höher ist.

Vereinzelt wird eine noch flachere Abstufung der Gutschriftensätze gefordert.

Hierzu wurden zahlreiche parlamentarische Vorstösse eingereicht; die jüngste war eine Motion im Nationalrat im 201939. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme dazu festhält, wäre der Übergang zu einer flacheren Abstufung der Gutschriftensätze mit sehr hohen Kosten verbunden. Die neue Regelung würde für jüngere Versicherte sofort gelten, gleichzeitig müsste für ältere Versicherte weiterhin die alte Regelung angewandt werden, um ihre Vorsorge nicht zu schmälern. Bei einer kompletten Nivellierung könnten die effektiven Mehrkosten mit bis zu einer Milliarde Franken pro Jahr während 20 Jahren veranschlagt werden.

Die hier vorgeschlagene Lösung ist deshalb vorzuziehen. Mit der neuen Staffelung entfallen die Mehrkosten für die über 54-jährigen Personen in der beruflichen Vorsorge, und es werden erhebliche Mehrkosten vermieden, die durch eine stärkere Abflachung oder eine Nivellierung der Gutschriftensätze entstehen würden.

Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, wird mit den langfristigen Ausgleichsmassnahmen bei einer vollständigen Versicherungsdauer von 40 Jahren trotz Senkung des Mindestumwandlungssatzes bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters dasselbe Niveau der Altersrente der beruflichen Vorsorge erreicht wie heute.

39

Motion 19.3883 Grin Jean-Pierre «Beiträge an die berufliche Vorsorge. Solidarität zwischen den Altersgruppen wiederherstellen».

9861

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Tabelle 5­2 Vergleich: Altersrente ohne Reform / Altersrente mit Reform

Maximaler koordinierter Lohn Total Altersgutschriften in Prozent des koordinierten Lohns Altersguthaben insgesamt Mindestumwandlungssatz Altersrente

Altersrente mit 65 Jahren ohne Reform (in Franken)

Altersrente mit 65 Jahren mit Reform (in Franken)

60 435 500

72 877 460

302 175 6,8 %

335 234 6,0 %

20 548

20 114

Die verbleibende Differenz wird durch den Rentenzuschlag gedeckt (vgl.

Ziff. 5.2.2).

Bei der Berechnung wird davon ausgegangen, dass die versicherte Person während der ganzen Ansparphase mit dem maximalen koordinierten Lohn versichert ist. Nach geltendem Recht wird eine Altersrente von 20 548 Franken (maximaler koordinierter Lohn im Jahr 2020 von 60 435 Franken × 500 % × 6,8 %, ohne Berücksichtigung von Zinsen, gerundet auf ganze Franken) erreicht. Mit einem Mindestumwandlungssatz von 6 Prozent resultiert unter Berücksichtigung der Senkung des Koordinationsabzugs und der Anpassung der Gutschriftensätze eine Altersrente von 20 114 Franken (maximaler koordinierter Lohn von 72 877 Franken × 460 % × 6 %, ohne Berücksichtigung von Zinsen, gerundet auf ganze Franken).

5.2.4

Finanzielle Auswirkungen der Ausgleichsmassnahmen

Mit der Anpassung der Altersgutschriftensätze und der Halbierung des Koordinationsabzugs wird die Berechnung der Altersgutschriften gemäss BVG neu geregelt.

Viele Vorsorgeeinrichtungen erheben aber bereits heute deutlich höhere Sparbeiträge als die Altersgutschriften, die das BVG vorschreibt. Sie bestimmen beispielsweise den versicherten Lohn anders oder passen den Koordinationsabzug an den Beschäftigungsgrad an oder wenden höhere Beitragssätze an. Für diese Vorsorgeeinrichtungen fallen die durch die Neuregelung der Altersgutschriften verursachten Zusatzkosten in einem kleineren Umfang als in der obligatorischen Vorsorge oder überhaupt nicht an. Diese um die überobligatorische Vorsorge bereinigten Zusatzkosten werden als «effektive Mehrbeiträge» ausgewiesen. Die geschätzten effektiven Mehrbeiträge aufgrund der Neuregelung der Altersgutschriften (Anpassung der Gutschriftensätze und des Koordinationsabzugs) betragen 41 Prozent der Mehrbeiträge in der obligatorischen Vorsorge.

9862

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Tabelle 5­3 Geschätzte Auswirkungen der Ausgleichsmassnahmen auf die Beitragssumme der beruflichen Vorsorge Beträge in Millionen Franken, zu Preisen von 2020 Jahr

2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

Anpassung der Gutschriftensätze und des Koordinationsabzugs Effektive Mehrbeiträge

Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags

Wegfallende Beiträge zur Finanzierung der Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur

Total

1350 1350 1350 1350 1350 1400 1400 1400

1650 1700 1700 1750 1750 1750 1800 1800

­200 ­200 ­200 ­200 ­200 ­200 ­200 ­200

2800 2850 2850 2900 2900 2950 3000 3000

Der Beitragssatz zur Finanzierung des Rentenzuschlags beträgt konstant 0,5 Prozent.

Dass die entsprechenden Beiträge in Franken im Zeitverlauf trotzdem zunehmen, ist mit dem prognostizierten realen Wachstum der Lohnsumme erklärbar. Dieses Wachstum ist hauptsächlich auf die in den langfristigen Projektionen unterstellte Reallohnentwicklung von 0,8 Prozent pro Jahr40 und auf die erwartete Zunahme der Zahl der Versicherten zurückzuführen. Dabei stützt sich die modellierte Entwicklung der Zahl der aktiven Versicherten auf das Referenzszenario zur Entwicklung der Erwerbsbevölkerung41 ab.

Die wegfallenden Beiträge zur Finanzierung der Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur sind mit dem zurzeit gültigen Beitragssatz von 0,12 Prozent berechnet.

Beitragsbasis ist die Summe der koordinierten Löhne der Versicherten ab Alter 25.

Durch die Ausgleichsmassnahmen werden sich die reglementarischen Beiträge an die berufliche Vorsorge um rund 6 Prozent erhöhen. Gemessen an der AHVLohnsumme aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die der obligatorischen Versicherung unterstehen, betragen die Mehrkosten rund 0,8 Prozent.

Geschätzte Entwicklung des Kapitals zur Finanzierung des Rentenzuschlags Insbesondere in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Reform werden deutlich mehr Beiträge eingenommen als Rentenzuschläge ausbezahlt werden. Der Sicherheitsfonds wird diese Mittel verwalten und anlegen. Die folgende Tabelle zeigt die geschätzte Entwicklung des zur Finanzierung der Rentenzuschläge verfügbaren Kapitals und des Barwerts der garantierten Rentenzuschläge. Weil die Rentenzuschläge im Umlageverfahren finanziert werden, muss das dem Barwert entsprechende Kapital jedoch nicht gestellt werden.

40 41

BSV: Volkswirtschaftliche und demografische Eckwerte für die Finanzperspektiven der AHV, IV und EO, Juli 2020.

BFS: Szenarien zur Entwicklung der Erwerbsbevölkerung, 2020.

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Tabelle 5­4 Geschätzte Entwicklung des Kapitals zur Finanzierung des Rentenzuschlags Beträge in Milliarden Franken, zu Preisen von 2020 Jahr

2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037 2038 2039 2040 2041 2042 2043 2044 2045

Beiträge pro Jahr

Rentenzuschläge pro Jahr

Verfügbares Kapital per Ende Jahr

Barwert der Rentenzuschläge per Ende Jahr

1,7 1,7 1,7 1,7 1,7 1,8 1,8 1,8 1,8 1,9 1,9 1,9 1,9 2,0 2,0 2,0 2,0 2,1 2,1 2,1 2,2 2,2 2,2

0,1 0,2 0,4 0,6 0,8 0,9 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,6 1,6 1,6 1,6 1,6 1,5 1,5 1,4 1,4 1,3 1,2

1,6 3,0 4,4 5,5 6,6 7,5 8,2 8,9 9,5 10,0 10,4 10,8 11,2 11,6 12,0 12,5 13,1 13,7 14,4 15,2 16,1 17,1 18,2

2,9 6,1 9,4 12,6 15,5 18,0 20,3 22,4 24,1 25,3 26,0 26,6 26,8 26,5 25,7 24,2 22,6 21,1 19,5 18,0 16,5 15,1 13,7

Für die Schätzung der Ausgaben für die Rentenzuschläge wurde angenommen, dass 29 Prozent der neuen Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten vor dem Rentenalter42 und alle neuen Bezügerinnen und Bezüger von Altersrenten den Rentenzuschlag erhalten werden. In diesem Sinne handelt es sich bei den geschätzten Ausgaben für die Rentenzuschläge um eine obere Grenze. Andererseits sind nur die garantierten Rentenzuschläge für die Übergangsgeneration berücksichtigt. Es wurde mit einem konstanten Beitragssatz von 0,5 Prozent und mit einer Kapitalrendite von 1,5 Prozent pro Jahr43 gerechnet.

42 43

Gemäss der Pensionskassenstudie 2019 von Swisscanto sind 29 Prozent der Destinatäre für die Risikoleistungen im Beitragsprimat versichert.

Der Sicherheitsfonds empfiehlt, mit einer erwarteten durchschnittlichen Kapitalrendite von 1,5 Prozent pro Jahr zu rechnen.

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5.3

Koordination mit anderen Sozialversicherungen

Rentenzuschlag und Ergänzungsleistungen Personen, die einen Rentenzuschlag erhalten, haben auch Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen und folglich bei der Prüfung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen wird der Rentenzuschlag als Einnahme angerechnet.

Rentenzuschlag und Arbeitslosenentschädigung Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hängt von den Voraussetzungen gemäss Artikel 8 Absatz 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 198244 (AVIG) ab. Die versicherte Person muss unter anderem einen Arbeitsausfall erlitten haben (Bst. b), darf das Rentenalter der AHV nicht erreicht haben (Bst. d), muss vermittlungsfähig sein (Bst. f) und die Kontrollvorschriften erfüllen (Bst. g).

Der Vorbezug einer AHV-Rente beeinflusst den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Dies ist in der beruflichen Vorsorge nicht der Fall. Altersleistungen der beruflichen Vorsorge und Arbeitslosenentschädigung können gleichzeitig bezogen werden. Die Einführung des Rentenzuschlags, der die Leistungseinbussen infolge des tieferen Umwandlungssatzes ausgleichen soll, ändert nichts daran. Allerdings wird der Rentenzuschlag analog zu den Altersrenten der beruflichen Vorsorge bei der Ermittlung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung angerechnet und von dieser abgezogen (Art. 18c Abs. 2 AVIG).

Rentenzuschlag und obligatorische Unfallversicherung Da der Rentenzuschlag zusätzlich zur Rente der beruflichen Vorsorge ausgerichtet wird, beeinflusst die Reform den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung nicht.

6

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

6.1

Verhältnis zur Reform AHV 21

Die Reform der beruflichen Vorsorge aufgrund dieser Vorlage muss mit den Änderungen in der 1. Säule gemäss der Reform AHV 21 koordiniert werden. Aus gesetzestechnischen Gründen dürfen sich die Bestimmungen dieser Vorlage jedoch noch nicht auf jene in der Vorlage AHV 21 beziehen, sondern müssen im Verhältnis zum aktuell geltenden Recht formuliert werden. Dies betrifft insbesondere das Rentenalter der Frauen und die Bedingungen für den Vorbezug der Altersrente (Dauer und Kürzungssatz). Im Folgenden wird in den Erläuterungen auf die wichtigsten Zusammenhänge mit der Reform AHV 21 hingewiesen. Generell soll nach Inkrafttreten beider Reformen das «Referenzalter» massgebend sein. Die Koordination der Gesetzesbestimmungen der beiden Reformen wird durch die Aufnahme entspre-

44

SR 837.0

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chender Koordinationsbestimmungen im Rahmen der parlamentarischen Beratung der Vorlagen erfolgen müssen.

6.2

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)

Art. 8 Abs. 1 und 2 Abs. 1: Der Koordinationsabzug (2020: 24 885 Fr., 2021: 25 095 Fr.) wird halbiert.

Damit verbessert sich das Vorsorgeniveau der Versicherten, namentlich der Personen mit mittleren und tiefen Einkommen und/oder Teilzeitbeschäftigung. Zusätzlich wird der maximale koordinierte Lohn ­ d. h. der in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versicherte Jahreslohn ­ von gut 60 000 Franken auf nahezu 73 000 Franken deutlich erhöht.

Auch nach der Halbierung des Koordinationsabzugs bleibt eine gewisse Koordination zwischen den Leistungen der 1. und der 2. Säule bestehen. Die in Artikel 2 Absatz 1 BVG vorgesehene Eintrittsschwelle (2020: 21 330 Fr.; 2021: 21 510 Fr.), die verhindert, dass Personen, die schon in der 1. Säule ausreichend versichert sind, in die obligatorische 2. Säule aufgenommen werden, bleibt unverändert.

Auf Deutsch wird die Formulierung angepasst, indem «bis und mit» durch «bis» ersetzt wird. Es handelt sich nicht um eine materielle Änderung, denn in Gesetzesbestimmungen schliesst «bis» stets den Grenzwert mit ein, während «bis und mit» eine ungebräuchliche Formulierung ist.

Abs. 2: Durch die Halbierung des Koordinationsabzugs wird die Regelung in Bezug auf den minimalen «koordinierten» Lohn hinfällig. Dieser ergibt sich neu durch die Eintrittsschwelle (vgl. Art. 2 Abs. 1 BVG) und beträgt 8887 Franken (21 330 minus 12 443 Fr.).

Art. 10 Abs. 2 Bst. a Im geltenden Recht verweist Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a auf Artikel 13 als Ganzes. Artikel 13 regelt den Anspruch auf Altersleistungen; sein Absatz 1 legt den Anspruch auf Altersleistungen für Männer und Frauen bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194645 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) fest. Absatz 2 ermöglicht es den Vorsorgeeinrichtungen, in Abweichung von Absatz 1 den Anspruch auf Altersleistungen bei Beendigung der Erwerbstätigkeit entstehen zu lassen, mit entsprechender Anpassung des Umwandlungssatzes.

Der Verweis in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a, der sich mit dem Ende der Versicherungspflicht bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters befasst, auf den vollständigen Artikel 13 ist also nicht gerechtfertigt. Ein Verweis nur auf Absatz 1 bringt Klarheit.

45

SR 831.10

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Art. 14 Abs. 2, 2bis und 3 Abs. 2: Der Mindestumwandlungssatz im ordentlichen Rentenalter wird sowohl für Frauen wie für Männer in einem Schritt von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt.

Abs. 2bis: Der Bundesrat erhält die Kompetenz, versicherungstechnisch angepasste Sätze für den Bezug von Altersleistungen vor und nach dem ordentlichen Rentenalter festzulegen. Derzeit liegt diese Kompetenz bei den Vorsorgeeinrichtungen. Es ist sinnvoll, die Praxis zu vereinheitlichen, damit alle Vorsorgeeinrichtungen in der obligatorischen beruflichen Vorsorge in den gleichen Situationen die gleichen Sätze anwenden. Der Bundesrat wird Einheitssätze auf der Grundlage von breit anerkannten versicherungstechnischen und finanziellen Kriterien und unter Berücksichtigung realistischer Renditeerwartungen und aktueller Lebenserwartungsprognosen festlegen.

Abs. 3: Da der Mindestumwandlungssatz mit Unsicherheiten, namentlich hinsichtlich der Zinsentwicklung, verbunden ist, soll der Bundesrat dessen Höhe häufiger als bisher überprüfen. Gemäss geltendem Recht unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung mindestens alle zehn Jahre einen Bericht über die Festlegung des Mindestumwandlungssatzes für die nachfolgenden Jahre. Dieses Intervall soll auf fünf Jahre verkürzt werden. Eine raschere Anpassung des Mindestumwandlungssatzes an die Entwicklung biometrischer Faktoren und die Finanzmarktstruktur soll die Stabilität der Vorsorgeeinrichtungen verbessern. Die nationalen Dachverbände der Sozialpartner werden in die Erstellung des Berichts einbezogen.

Mit dem Bericht soll die aktuelle Entwicklung der technischen Grundlagen, auf die sich die Überprüfung des Mindestumwandlungssatzes stützt, aufgezeigt werden. Es handelt sich dabei um biometrische Daten (Entwicklung der Lebenserwartung usw.)

und um Zahlen zum Kapitalmarkt (Ertragsaussichten). Bei Abweichungen zeigt der Bericht mögliche Massnahmen auf.

Gleichzeitig mit dem Bericht nach diesem Artikel soll auch die Berichterstattung nach Artikel 47i zum Rentenzuschlag erfolgen (vgl. Erläuterungen zu Art. 47i).

Art. 16

Altersgutschriften

Artikel 16 regelt die Sätze für die Altersgutschriften. Als Ausgleichsmassnahme für die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes und zur Beibehaltung des bisherigen Leistungsniveaus in der obligatorischen Vorsorge wird vorgeschlagen, die Sätze für die Altersgutschriften anzupassen.

Die gegenwärtigen Sätze für die Altersgutschriften betragen 7 Prozent für 25- bis 34-Jährige, 10 Prozent für 35- bis 44-Jährige, 15 Prozent für 45- bis 54-Jährige und 18 Prozent für 55-Jährige und Ältere. Die Sätze werden auf dem koordinierten Lohn berechnet (vgl. Erläuterungen zu Art. 8 Abs. 1 und 2). In Zukunft gelten für die Altersgutschriften nur noch zwei Sätze: 9 Prozent von 25 bis 44 Jahren und 14 Prozent von 45 Jahren bis zum ordentlichen Rentenalter.

Mit den Massnahmen kann im Bereich der Altersgutschriften insofern ein Altersnachteil aufgehoben werden, als diese ab dem 45. Altersjahr nicht mehr erhöht werden. Deshalb können die Zuschüsse an Vorsorgeeinrichtungen mit ungünstiger

9867

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Altersstruktur (vgl. Erläuterungen zu Art. 58) aufgehoben werden, was die Verwaltungskosten der Vorsorgeeinrichtungen senkt.

Die gesetzliche Verpflichtung zur Äufnung von Altersgutschriften endet mit dem ordentlichen Rentenalter. Im Rahmen der weitergehenden Vorsorge können die Vorsorgeeinrichtungen weiterhin reglementarisch Altersgutschriften für Personen vorsehen, die nach dem ordentlichen Rentenalter erwerbstätig bleiben (Art. 33b).

2a. Teil: Zuschlag zur Alters- und zur Invalidenrente Art. 47b46

Grundsatz

Abs. 1: Der Rentenzuschlag soll, unter den in den Artikeln 47c und 47d festgelegten Voraussetzungen, den neuen Bezügerinnen und Bezügern von Alters- oder Invalidenrenten zustehen.

Abs. 2: Der Rentenzuschlag hat den Zweck, für alle zukünftigen Alters- und Invalidenrentnerinnen und -rentner die Senkung des Mindestumwandlungssatzes aufzufangen und für Personen mit tieferen Einkommen, darunter besonders viele Teilzeitbeschäftigte und Frauen, zu besseren Leistungen im Alter oder bei Invalidität zu führen. Der Rentenzuschlag wird «pro Kopf», das heisst unabhängig von der Höhe der Rente, ausgerichtet.

Abs. 3: Der Rentenzuschlag wird durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert. Die Vorsorgeeinrichtungen erheben die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge sowie die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und leiten sie an den Sicherheitsfonds weiter (vgl. Erläuterungen zu Art. 47f).

Art. 47c

Anspruch auf den Zuschlag zur Altersrente

Abs. 1: In dieser Bestimmung werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Bezügerinnen und Bezüger von Altersrenten Anspruch auf einen Rentenzuschlag haben. Mit dem Rentenzuschlag sollen Leistungseinbussen infolge des tieferen Umwandlungssatzes aufgefangen werden. Einen Rentenzuschlag sollen nur Personen erhalten, die vom tieferen Umwandlungssatz betroffen sind, also nur Neurentner und Neurentnerinnen, die mindestens während einer gewissen Zeit in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versichert waren.

Bst. a: Anspruch auf einen Rentenzuschlag haben nur Personen, die im Zeitpunkt, in dem sie zum ersten Mal eine Rente beziehen, in einer Vorsorgeeinrichtung versichert sind. Ist dies nicht der Fall, so erhalten sie keine Rente der beruflichen Vorsorge und sind daher auch nicht vom tieferen Umwandlungssatz betroffen. Hierzu gehören insbesondere Personen ohne Erwerbseinkommen (ausser jenen Personen, die sich nach Artikel 47a, der am 1. 1. 2021 in Kraft treten wird, weiterversichern) oder solche mit einem Lohn unter der Eintrittsschwelle, die ihre Vorsorge bei einer Freizügigkeitseinrichtung* beibehalten.

46

Ein Artikel 47a BVG wird bereits durch die EL-Reform (Änderung vom 22. März 2019, AS 2020 585) eingefügt und am 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt.

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Bst. b: Vorsorgeeinrichtungen haben von Gesetzes wegen (Art. 1. Abs. 3 BVG, konkretisiert in Art. 1i BVV 2) die Möglichkeit, in ihren Reglementen einen Altersrücktritt ab dem vollendeten 58. Altersjahr vorzusehen. Der Rentenzuschlag soll aber nicht schon ab diesem Alter bezogen werden können. Buchstabe b legt daher ein Mindestalter für den Bezug des Rentenzuschlags fest, das demjenigen in der AHV entspricht. Das Mindestalter liegt heute bei 62 Jahren für Frauen und bei 63 Jahren für Männer. In der Vorlage Reform AHV 21 schlägt der Bundesrat ein geschlechtsunabhängiges Mindestalter von 62 Jahren vor. Personen, die sich ab dem vollendeten 58. Altersjahr pensionieren lassen, müssen folglich warten, bis sie das gesetzlich definierte Mindestalter erreicht haben, um den Rentenzuschlag zu erhalten.

Bst. c: Gemäss dieser Bestimmung muss die Rentenbezügerin oder der Rentenbezüger mindestens 15 Jahre in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versichert gewesen sein, um Anspruch auf den Rentenzuschlag zu haben. Darunter fallen Arbeitnehmende zwischen 25 Jahren und dem ordentlichen Rentenalter, deren Jahreslohn über der Eintrittsschwelle liegt (2020: 21 330 Fr., 2021: 21 510 Fr.). Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Personen über ihren Arbeitgeber bei einer Vorsorgeeinrichtung versichert waren oder sich freiwillig der beruflichen Vorsorge gemäss BVG angeschlossen haben, weil ihr Arbeitgeber z. B. nicht beitragspflichtig ist.

Auch Selbstständigerwerbende sowie Mehrfachbeschäftigte, die mit ihrem Jahreslohn die Eintrittsschwelle überschreiten und sich freiwillig bei der beruflichen Vorsorge gemäss BVG versichern lassen, fallen darunter. Nicht zu diesen 15 Jahren zählen hingegen Versicherungsjahre, während denen Personen nicht obligatorisch, sondern ausschliesslich nach dem Reglement einer Vorsorgeeinrichtung versichert sind, oder Jahre, während denen Selbstständigerwerbende nur in einer weiter gehenden Vorsorge nach Artikel 4 Absatz 3 BVG versichert sind.

Personen, die nur wenige Jahre Beiträge in eine Vorsorgeeinrichtung eingezahlt haben, trifft der tiefere Umwandlungssatz weniger stark, da das von ihnen angesparte obligatorische Altersguthaben niedriger ausfällt. Dadurch fällt auch ihre Renteneinbusse in Franken weniger hoch aus.

Ferner haben diese Personen zur Finanzierung des Rentenzuschlags weniger
Beiträge eingezahlt, da sie weniger lang in der beruflichen Vorsorge versichert waren.

Somit rechtfertigt es sich, die Auszahlung des Rentenzuschlags von einer bestimmten Anzahl Beitragsjahre in der obligatorischen beruflichen Versorge abhängig zu machen.

Bst. d: Dieser Absatz macht den Anspruch auf den Rentenzuschlag davon abhängig, dass die Rentenbezügerin oder der Rentenbezüger unmittelbar vor dem Beginn des Rentenbezugs während mindestens zehn aufeinanderfolgenden Jahren in der AHV versichert war.

Obligatorisch in der AHV versichert sind Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben oder ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Versicherungspflichtig sind zudem Schweizer Staatsangehörige, die im Ausland im Dienste der Eidgenossenschaft oder bestimmter Organisationen tätig sind (Art. 1a Abs. 1 Bst. c AHVG). Schweizer Staatsangehörige oder Bürgerinnen und Bürger eines EU/EFTAMitgliedstaats mit Wohnsitz ausserhalb der EU oder der EFTA können sich unter

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gewissen Bedingungen freiwillig in der AHV versichern (Voraussetzung sind: Versicherung in der schweizerischen AHV unmittelbar vor dem Auslandaufenthalt während mindestens fünf Jahren und Einreichung der Beitrittserklärung spätestens zwölf Monate nach dem Ausscheiden aus der obligatorischen AHV). Weitere Personenkategorien, namentlich Entsandte, haben ebenfalls die Möglichkeit, in der obligatorischen Versicherung zu bleiben.

Bst. e: Die Senkung des Umwandlungssatzes führt bei Personen, die einen grossen Teil ihres Altersguthabens als Rente beziehen, zu Leistungseinbussen. Personen, die sich ihre Altersleistung ausschliesslich in Kapitalform auszahlen lassen, sind nicht von dieser Senkung betroffen. Es ist daher gerechtfertigt, den Anspruch auf den Rentenzuschlag davon abhängig zu machen, dass ein grosser Teil der Altersleistung als Rente bezogen wird. Nur wer für mindestens 50 Prozent der gesamten Altersleistung die Rentenform wählt, soll Anrecht auf einen Rentenzuschlag haben.

Abs. 2: Gemäss dieser Bestimmung erlischt das Recht auf den Rentenzuschlag mit dem Tod der bezugsberechtigten Person. Auf Hinterlassenenrenten wird kein Rentenzuschlag gewährt.

Abs. 3: Einen Rentenzuschlag erhalten nur Personen, die 15 Jahre in der obligatorischen beruflichen Vorsorge und unmittelbar vor dem Bezug des Rentenzuschlages 10 Jahre in der AHV versichert waren. Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen, wann ein volles BVG-Versicherungsjahr vorliegt, das an die erforderlichen 15 Jahre angerechnet werden kann. Für die AHV ist auf Artikel 50 der Verordnung vom 31. Oktober 194747 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) abzustellen; dieser sieht vor, dass ein volles Beitragsjahr vorliegt, wenn eine Person insgesamt länger als elf Monate im Sinne von Artikel 1a oder Artikel 2 AHVG versichert war und während dieser Zeit den Mindestbeitrag bezahlt hat oder Beitragszeiten im Sinne von Artikel 29ter Absatz 2 Buchstabe b oder c AHVG aufweist.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Versicherungszeiten in der AHV und in der beruflichen Vorsorge nachgewiesen werden können. Der Bundesrat wird beauftragt, zu bestimmen, welche Unterlagen die Versicherten einreichen müssen, um den Nachweis gegenüber der Vorsorgeeinrichtung zu erbringen. Aussagekräftig ist beispielsweise ein Auszug aus den individuellen
AHV-Konten. Damit können Versicherungszeiten in der AHV ausgewiesen werden. Zudem kann auf die Annahme abgestellt werden, dass auch die 15 Jahre in der beruflichen Vorsorge erfüllt sind, wenn die im individuellen AHV-Konto eingetragenen Löhne über der Eintrittsschwelle liegen. Bei zahlreichen Versicherten verfügt die Vorsorgeeinrichtung selbst über die notwendigen Informationen, die belegen, dass der Anspruch auf den Rentenzuschlag besteht. Dies ist sicher der Fall, wenn eine Person mindestens die letzten 15 Jahre vor der Pensionierung ununterbrochen in der gleichen Vorsorgeeinrichtung nach BVG versichert war. In diesen Fällen sind keine weiteren Nachweise notwendig.

Abs. 4: In der beruflichen Vorsorge kann eine Person bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen versichert sein, beispielsweise, wenn ihr Arbeitgeber zwei Vorsorgepläne bei zwei verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen hat oder die Person zwei Arbeitgeber 47

SR 831.101

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und damit mehrere Versicherungsbeziehungen hat. In einem solchen Fall ist es schwieriger, zu überprüfen, ob diese Person mehr als 50 Prozent ihrer Altersleistung in Rentenform bezieht und damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf den Rentenzuschlag erfüllt. Der Bundesrat wird daher beauftragt, Modalitäten festzulegen, die es erlauben, die Erfüllung dieser Voraussetzung zu überprüfen. Von den Versicherten könnte bei dieser Überprüfung eine Mitwirkung verlangt werden.

Abs. 5: Vorsorgereglemente können für überobligatorische Leistungen vorsehen, dass ein Teil oder die gesamte Leistung als Kapital bezogen werden muss. In einem solchen Fall ist es der versicherten Person unter Umständen gar nicht möglich, 50 Prozent der Altersleistung als Rente zu beziehen. Für diese besonderen Fälle bedarf es einer Regelung, damit diesen Personen auch ein Rentenzuschlag gewährt werden kann.

Art. 47d

Anspruch auf den Zuschlag zur Invalidenrente

Abs. 1: In dieser Bestimmung werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten Anspruch auf einen Rentenzuschlag haben.

Bst. a: Personen, deren Anspruch auf eine Invalidenrente nach Inkrafttreten der Bestimmungen zum Rentenzuschlag entsteht, haben Anspruch auf den Rentenzuschlag. Zur Bestimmung der Invalidenleistungen nach BVG wird das Altersguthaben berechnet, das die versicherte Person ohne Invalidität bis zum ordentlichen Rentenalter aufgrund der gesetzlichen Altersgutschriften angespart hätte. Auf das so berechnete Altersguthaben wird der für das ordentliche Rentenalter gültige Mindestumwandlungssatz angewandt. Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes wirkt sich daher auch auf die Invalidenrente aus. Es ist deshalb gerechtfertigt, für diese Personen ebenfalls einen Anspruch auf den Rentenzuschlag vorzusehen. Der Anspruch auf den Rentenzuschlag von Personen, die eine Teilinvalidenrente beziehen, ist in Absatz 3 geregelt.

Bst. b: Personen, deren Anspruch auf eine Invalidenrente nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen entsteht, erfüllen nicht in jedem Fall sämtliche Anspruchsvoraussetzungen, die für Altersrentnerinnen und -rentner gemäss Artikel 47c Absatz 1 gelten.

Damit ihnen aus der Invalidität kein zusätzlicher Nachteil entsteht, erhalten sie den Zuschlag, wenn sie ohne den Eintritt der Invalidität bei Weiterarbeit bis zum Rentenalter die Möglichkeit gehabt hätten, mindestens 15 Jahre obligatorisch in einer Vorsorgeeinrichtung versichert zu sein und sie in den zehn Jahren unmittelbar vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters hätten bei der AHV versichert sein können.

Beispiel: Eine Arbeitnehmerin ist seit ihrem 30. Altersjahr obligatorisch in einer Vorsorgeeinrichtung versichert. Mit 40 Jahren wird sie invalid. Die IV-Stelle spricht ihr eine volle Invalidenrente zu und die Vorsorgeeinrichtung, bei der sie beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert war, entrichtet ihr eine Invalidenrente. Zwischen ihrem 30. und 40. Altersjahr war sie zehn Jahre nach BVG versichert. Ohne Invalidität hätte diese Person die Möglichkeit gehabt, bis zum Erreichen des Rentenalters die 15 Jahre Mindestversicherungszeit in der obligatorischen beruflichen Vorsorge und die zehn Jahre AHV-Versiche-

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rung zu erfüllen. Folglich hätte sie die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des Rentenzuschlags erfüllt.

Abs. 2: Einige Vorsorgeeinrichtungen wenden für Invalidenrenten das Leistungsprimat* an. In einem solchen Fall werden die Invalidenrenten im Verhältnis zum versicherten Lohn berechnet, den die Person vor der Invalidität bezogen hat. Der tiefere Umwandlungssatz wirkt sich somit nicht auf die Höhe der gemäss diesem System berechneten Invalidenrente aus. Viele Vorsorgeeinrichtungen, die Invalidenrenten nach dem Leistungsprimat anbieten, wandeln diese bei Erreichen des Rentenalters in eine ­ meist tiefere ­ neue Rente um, die in den Reglementen häufig «Altersrente» genannt wird (während nach Gesetz die Invalidenrente bis zum Tod oder einem allfälligen Wegfall der Invalidität vor dem Rentenalter bestehen bleibt und nicht durch eine Altersrente abgelöst wird). Der Anspruch auf den Rentenzuschlag entsteht bei solchen Regelungen erst dann, wenn die Invalidenrente durch eine tiefere reglementarische Rente abgelöst wird.

Abs. 3: Bezügerinnen und Bezüger von Teilinvalidenrenten bilden eine Sonderkategorie. Sie sind noch teilweise erwerbsfähig und können weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehen und dabei aktiv in einer Vorsorgeeinrichtung versichert sein, wenn sie den Mindestlohn in Anwendung der Artikel 2, 7, 8 und 46 BVG sowie von Artikel 4 BVV 2 erreichen. Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes hat auch Auswirkungen auf als teilinvalid anerkannte Personen. Da sie jedoch aufgrund ihrer Restarbeitsfähigkeit nur eine Teilrente von ihrer Vorsorgeeinrichtung erhalten, sind sie nicht vollumfänglich von der Senkung betroffen. Ein Anspruch auf einen halben Rentenzuschlag ist also gerechtfertigt. Für zu mindestens 60 Prozent invalide Personen sind die Auswirkungen der Senkung des Mindestumwandlungssatzes von grösserer Bedeutung. Es ist daher gerechtfertigt, ihnen einen ganzen Rentenzuschlag zu gewähren. Eine solche Lösung ist auch sinnvoll, da sie für die Vorsorgeeinrichtungen relativ leicht umsetzbar ist.

Abs. 4: Gemäss dieser Bestimmung erlischt das Recht auf den Rentenzuschlag mit dem Wegfall der Invalidität. In diesem Fall wird die Invalidenrente eingestellt und mit ihr auch der ergänzend entrichtete Rentenzuschlag. Das Recht auf Rentenzuschlag erlischt zudem mit dem Tod der berechtigten Person. Auf Hinterlassenenrenten wird kein Rentenzuschlag gewährt.

Art. 47e

Höhe des Rentenzuschlags

Abs. 1: Während den ersten 15 Jahren nach Inkrafttreten der Reform erhält die Übergangsgeneration fixe Rentenzuschläge zu den Altersrenten, die lebenslang in gleicher Höhe ausgerichtet werden (vgl. Übergangsbestimmungen Bst. b). Dies gilt auch für Personen, die nach Inkrafttreten der Reform eine Invalidenrente erhalten und die während diesen 15 Jahren das ordentliche Rentenalter (bzw. bei Inkrafttreten der Reform AHV 21 das «Referenzalter») erreichen. Für Personen, die nach Ablauf der Übergangsfrist das ordentliche Rentenalter erreichen, bestimmt nach Artikel 47e der Bundesrat die Höhe der Rentenzuschläge, die jeweils in einem bestimmten Kalenderjahr an die anspruchsberechtigten Personen ausgezahlt werden. Er konsultiert dazu vorgängig die Sozialpartner. Das Gesetz setzt ihm aber ausdrücklich eine obere Begrenzung: Er darf die Höhe des Rentenzuschlags nicht so festsetzen, dass

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die Summe der zu erwartenden Rentenzuschläge im betreffenden Kalenderjahr die zu erwartenden Beitragseinnahmen dieses Jahres und die allfällig noch vorhandenen Mittel aus Vorjahren überschreiten würde. Der Sicherheitsfonds liefert die notwendigen Angaben, sodass der Bundesrat insbesondere über Mittel, die noch von den Vorjahren vorhanden sind, informiert ist.

Für die Übergangsgeneration gelten die fixen Rentenzuschläge, (vgl. Übergangsbestimmungen Bst. b und die entsprechenden Erläuterungen), weil bei dieser Gruppe von Versicherten die sofortige Senkung des Mindestumwandlungssatzes nicht oder nicht vollumfänglich durch die Senkung des Koordinationsabzugs und die Neuregelung der Altersgutschriften (vgl. Art. 8 und 16) aufgefangen werden kann. Daher hat der Rentenzuschlag bei diesen Versicherten vor allem den Zweck, das Leistungsniveau zu sichern.

Abs. 2: Dieser Absatz regelt die Höhe des Rentenzuschlags beim Vorbezug der Altersrente, der gegenwärtig für Frauen ab Alter 62 und für Männer ab Alter 63 möglich ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 47c Abs. 1 Bst. b). Die Rentenzuschläge zu diesen Altersrenten werden gekürzt, da Personen, die ihre Altersrente vorbeziehen, den Rentenzuschlag länger beziehen, als dies ohne Vorbezug der Fall wäre, und diese Personen daher ohne Kürzung des Zuschlags bevorzugt würden. Der Kürzungssatz wird bei der erstmaligen Ausrichtung des Rentenzuschlags nach den versicherungstechnischen Grundsätzen bestimmt, die der Regelung nach Artikel 40 Absatz 3 AHVG in Verbindung mit Artikel 56 AHVV zugrunde liegen, und gilt lebenslang.

Bezieht zum Beispiel ein Mann seine Altersrente ab dem vollendeten 64. Altersjahr, so beträgt der Kürzungssatz 6,848 Prozent, und alle Rentenzuschläge, die der Bundesrat zukünftig festlegen wird, werden für diesen Rentenbezüger um 6,8 Prozent gekürzt.

Gemäss der Regelung in der Reform AHV 21 soll das Referenzalter von Frauen und Männern beim vollendeten 65. Altersjahr liegen, und ein Vorbezug der Altersrente soll für alle ab dem vollendeten 62. Altersjahr möglich sein. Der aktualisierte versicherungstechnische Kürzungssatz soll für ein Jahr Vorbezug 4,0 Prozent betragen.

Art. 47f

Finanzierung des Rentenzuschlags

Abs. 1: Finanziert wird der Rentenzuschlag durch einen Beitrag von 0,5 Prozent auf den AHV-pflichtigen Erwerbseinkommen gemäss Artikel 5 AHVG bei unselbstständiger Erwerbstätigkeit bzw. Artikel 9 AHVG bei selbstständiger Erwerbstätigkeit bis zu einer Höchstgrenze von 853 200 Franken pro Jahr (2021: 860 400 Fr.).

Die im Register für die berufliche Vorsorge* eingetragene Vorsorgeeinrichtung erhebt diesen Betrag auf dem AHV-Lohn oder dem AHV-Erwerbseinkommen von folgenden Personen: Bst. a: Beitragspflichtig sind alle obligatorisch versicherten Arbeitnehmenden sowie deren Arbeitgeber. Im Dienste mehrerer Arbeitgeber stehende Arbeitnehmende, deren Jahreslohn die Eintrittsschwelle (2020: 21 330 Fr., 2021: 21 510 Fr.) übersteigt und die sich freiwillig versichern (vgl. Art. 46), sowie deren Arbeitgeber 48

Vgl. Art. 56 Abs. 3 AHVV.

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bezahlen ebenfalls Beiträge. Keine Beiträge zahlen hingegen Arbeitnehmende mit einem Jahreslohn unter der Eintrittsschwelle, auch wenn sie gemäss Reglement in der Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers versichert sind. Entsprechend werden die Versicherungsjahre, in denen eine Person Einkommen unter der Eintrittsschwelle erzielt, aber gemäss Reglement der Vorsorgeeinrichtung versichert ist, nicht an die 15 Versicherungsjahre angerechnet, die für den Anspruch auf den Rentenzuschlag gemäss Artikel 47c Absatz 1 Buchstabe c vorausgesetzt sind.

Arbeitnehmende, die ihr Pensum nach dem 58. Altersjahr reduzieren und eine gemäss Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorgesehene Möglichkeit nutzen, die Vorsorge für den bisherigen versicherten Verdienst weiterzuführen (Art. 33a BVG), zahlen Beiträge auf dem tatsächlich erzielten AHV-Lohn und nicht auf dem höheren versicherten Verdienst.

Bst. b: Der Beitragspflicht unterstehen auch Selbstständigerwerbende, die sich gemäss Artikel 4 Absätze 1 und 2 BVG freiwillig versichern lassen und für welche die Bestimmungen der obligatorischen Versicherung sinngemäss gelten. Der Beitragspflicht unterstehen ebenfalls Arbeitnehmende, die aufgrund besonderer Ausnahmebestimmungen nicht obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert sind und sich freiwillig gemäss Artikel 4 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 1j Absatz 3 BVV 2 versichern. Diese Möglichkeit haben Arbeitnehmende, deren Arbeitgeber in der AHV nicht beitragspflichtig sind (vgl. Art. 1j Abs. 1 Bst. a BVV 2), und bestimmte Familienmitglieder der betriebsleitenden Person eines landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. Art. 1j Abs. 1 Bst. e BVV 2).

Abs. 2: Die Beitragspflicht beginnt am 1. Januar nach Vollendung des 24. Altersjahres, also im Zeitpunkt, in dem eine Person nach dem Gesetz für das Alter versichert wird. Sie endet mit Erreichen des ordentlichen Rentenalters.

Abs. 3: Der Arbeitgeber muss sich mindestens zur Hälfte an den Beiträgen auf dem massgebenden Lohn seiner Arbeitnehmenden für den Rentenzuschlag beteiligen.

Der Rentenzuschlag und seine Finanzierung unterscheiden sich von den übrigen Leistungen der beruflichen Vorsorge: Beim gesetzlich geregelten Rentenzuschlag haben die Vorsorgeeinrichtungen keinen Gestaltungsspielraum. Sie müssen den Rentenzuschlag in der vorgegebenen Höhe auszahlen. Zudem sieht
das Gesetz für die Finanzierung des Rentenzuschlags einen vom Alter unabhängigen einheitlichen Beitragssatz von 0,5 Prozent vor, während die Finanzierung aller anderen Leistungen in der Verantwortung der Vorsorgeeinrichtung liegt. Der Arbeitgeber muss bei jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin mindestens die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Beitrags bezahlen, der auf dem massgebenden Lohn dieser Person berechnet wird. Mit dem Einverständnis des Arbeitgebers kann vorgesehen werden, dass er für alle oder für objektiv umschriebene Gruppen mehr als die Hälfte bezahlt, jedoch nicht weniger. Der Arbeitgeber zieht den Anteil der Arbeitnehmenden vom Lohn ab und überweist ihn zusammen mit seinen eigenen Beiträgen an die Vorsorgeeinrichtung. Da der Beitrag für den Rentenzuschlag auf dem ganzen AHV-Lohn bis zum Zehnfachen des oberen Grenzbetrags berechnet werden muss, ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, der Vorsorgeeinrichtung die Höhe der AHV-Löhne zu melden.

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Falls der Arbeitgeber bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen angeschlossen und dabei der Lohn eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin in mehreren Einrichtungen versichert ist, wird der Beitrag auf dem ganzen AHV-Lohn von der Vorsorgeeinrichtung erhoben, die die obligatorische berufliche Vorsorge durchführt (vgl. Art. 48).

Dieses System ist klarer und einfacher, als wenn zum Beispiel für den gleichen AHV-Lohn mehrere Vorsorgeeinrichtungen Beiträge mit dem Sicherheitsfonds abrechnen müssten. Diese Lösung macht auch eine Sonderregelung überflüssig, die bestimmen würde, welche von mehreren Vorsorgeeinrichtungen Beiträge für Anteile des AHV-Lohns abrechnen müsste, die nach den verschiedenen Reglementen in keiner der beteiligten Vorsorgeeinrichtung versichert sind. Ausserdem beschränkt diese Lösung die Anzahl Vorsorgeeinrichtungen, die diese Beiträge erheben. Da die Rentenzuschläge von den Vorsorgeeinrichtungen, welche die obligatorische berufliche Vorsorge durchführen, ausgezahlt werden, erleichtert diese Regelung auch die Verrechnung der zwischen dem Sicherheitsfonds und den Vorsorgeeinrichtungen geschuldeten Summen (vgl. unten Abs. 4 und Art. 47h Abs. 1). Dies trägt dazu bei, unnötigen Aufwand zu vermeiden.

Abs. 4: Der Arbeitgeber haftet gegenüber der Vorsorgeeinrichtung für die gesamten Beiträge.

Abs. 5: Bei Arbeitnehmenden mit mehreren Arbeitgebern, die sich nach der entsprechenden Sonderregelung versichern lassen, ist Artikel 46 Absatz 3 anwendbar; die Arbeitnehmenden bezahlen die Beiträge jeweils direkt an die Vorsorgeeinrichtung und haben gegenüber ihren Arbeitgebern dann Anspruch auf Rückerstattung des Arbeitgeberanteils, also der Hälfte der Beiträge, die den Löhnen bei den verschiedenen Arbeitgebern entsprechen. Nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 versicherte Personen sind selbst Schuldnerinnen der gesamten Beiträge, die sie an ihre Vorsorgeeinrichtung bezahlen.

Abs. 6: Die Beiträge für den Rentenzuschlag müssen von der Vorsorgeeinrichtung an den Sicherheitsfonds überwiesen werden, soweit sie nicht mit Leistungen des Sicherheitsfonds an die Vorsorgeeinrichtung verrechnet werden. Um unnötigen Aufwand bestmöglich zu vermeiden, kann der Sicherheitsfonds nämlich die von einer Vorsorgeeinrichtung geschuldeten Beiträge und die Vergütung der ausgezahlten Rentenzuschläge miteinander verrechnen,
vergleichbar mit der aktuellen Regelung für das System der Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur. Der genaue Ablauf soll wie schon die geltende Regelung in der Verordnung vom 22. Juni 199849 über den Sicherheitsfonds BVG (SFV) definiert werden (vgl. Art. 47h Abs. 1).

Art. 47g

Auszahlung des Rentenzuschlags

Abs. 1: Der Rentenzuschlag wird an Rentenbezüger und -bezügerinnen ausbezahlt, welche die Voraussetzungen nach Artikel 47c oder 47d erfüllen. Die Vorsorgeeinrichtung richtet den Rentenzuschlag zusätzlich zur Alters- oder Invalidenrente aus.

Da es sich beim Rentenzuschlag nicht um eine Rentenleistung der Vorsorgeeinrichtung handelt, ist das Anrechnungsprinzip nicht anwendbar.

49

SR 831.432.1

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Abs. 2: Pro Person wird nur ein Rentenzuschlag ausbezahlt. Viele Personen erhalten nur aus einer Vorsorgeeinrichtung eine Alters- oder Invalidenrente, sodass für sie keine besondere Koordination notwendig ist. Selbst wenn ein Lohn in mehreren Vorsorgeeinrichtungen versichert ist, zum Beispiel aufgeteilt in Basis- und Kadervorsorge, ist dabei in der Regel nur in einer Vorsorgeeinrichtung Altersguthaben nach Artikel 15 Absatz 1 vorhanden, und nur diese Vorsorgeeinrichtung kommt für die Zahlung des Rentenzuschlags in Frage. Da Artikel 89a Absatz 6 des Zivilgesetzbuchs50 und Artikel 5 Absatz 2 BVG im Rahmen dieser Reformvorlage nicht geändert werden, sind Vorsorgeeinrichtungen, die nur im überobligatorischen Bereich tätig sind, von der Zahlung des Rentenzuschlags nicht betroffen. Nur nach Artikel 48 BVG eingetragene Vorsorgeeinrichtungen werden Rentenzuschläge auszahlen. Damit ist in den allermeisten Fällen bereits klar geregelt, welche von mehreren Vorsorgeeinrichtungen für die Auszahlung des Rentenzuschlags an eine Person zuständig ist. Für die verbleibenden Einzelfälle, in denen Personen von mehreren registrierten Vorsorgeeinrichtungen eine Alters- oder Invalidenrente erhalten, muss bestimmt werden, welche Vorsorgeeinrichtung den Rentenzuschlag ausbezahlt. Der Bundesrat wird beauftragt, zu regeln, welche Vorsorgeeinrichtung den Rentenzuschlag in diesen besonderen Fällen ausbezahlen und welche Modalitäten sie dabei einhalten muss.

Art. 47h

Aufgaben des Sicherheitsfonds und Mitwirkung der Vorsorgeeinrichtungen

Abs. 1: Der Sicherheitsfonds verwaltet die Einnahmen und Ausgaben und vergütet den Vorsorgeeinrichtungen die von ihnen ausbezahlten Rentenzuschläge. Er hat das Recht, die Vergütung für die ausgezahlten Rentenzuschläge, die er einer Vorsorgeeinrichtung schuldet, mit den Beiträgen zu verrechnen, die diese Vorsorgeeinrichtung dem Sicherheitsfonds schuldet. Die Einzelheiten werden in der SFV geregelt.

Abs. 2: Damit sichergestellt werden kann, dass entsprechend dem Grundsatz von Artikel 47b pro Rentner und Rentnerin nur ein Rentenzuschlag ausbezahlt wird, führt der Sicherheitsfonds ein Register über alle Bezügerinnen und Bezüger, die einen Rentenzuschlag erhalten. Die von den Vorsorgeeinrichtungen zu meldenden Angaben erlauben es, die Person sicher zu bestimmen.

Abs. 3: Der Sicherheitsfonds stellt sicher, dass jeder Rentenbezüger und jede Rentenbezügerin nur einen Zuschlag erhält. Eine Vorsorgeeinrichtung, die einen Rentenzuschlag ausbezahlt, meldet die nötigen Angaben zur anspruchsberechtigten Person und zum Rentenzuschlag dem Sicherheitsfonds (vgl. Art. 47g Abs. 2). Stellt der Sicherheitsfonds fest, dass diese Person bereits einen Rentenzuschlag bezieht, so informiert er die Vorsorgeeinrichtung darüber. In diesem Fall vergütet er den ungerechtfertigten Rentenzuschlag nicht. In der Praxis dürfte es sinnvoll sein, dass die Vorsorgeeinrichtungen vor der Auszahlung des ersten Rentenzuschlags von der versicherten Person eine unterzeichnete Bestätigung verlangen, dass sie von keiner anderen Vorsorgeeinrichtung einen Rentenzuschlag bezieht. Gibt die versicherte Person eine falsche Erklärung ab, so kann sie sich später nicht darauf berufen, gutgläubig mehrere Rentenzuschläge entgegengenommen zu haben. Dies erleichtert es 50

SR 210

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den Vorsorgeeinrichtungen, zu viel ausgezahlte Rentenzuschläge mit den zukünftigen Rentenzahlungen zu verrechnen.

Art. 47i

Bericht zum Rentenzuschlag

Nach dem Inkrafttreten der Reform soll der Rentenzuschlag in erster Linie die Auswirkung der sofortigen Senkung des Mindestumwandlungssatzes für jene Versicherten ausgleichen, bei denen die beitragsseitigen Massnahmen (neue Regelung des koordinierten Lohns und der Gutschriftensätze) nicht zu einem vollständigen Ausgleich führen. Dies ist insbesondere bei den Versicherten der Fall, die im Zeitpunkt der Senkung des Umwandlungssatzes 15 und weniger Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter stehen. Auch für diese Jahrgänge soll nämlich das Niveau der Altersund Invalidenrenten möglichst erhalten werden. Es ist wichtig, dass nach der Einführung des Rentenzuschlags periodisch überprüft wird, ob und wieweit dieses Ziel erreicht werden konnte, sowohl für die Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen als auch für die Zeit ab dem 16. Jahr nach dem Inkrafttreten der Reform. Diese Überprüfung soll der Bundesrat im Rahmen einer periodischen Berichterstattung vornehmen. Der Rentenzuschlag bezweckt auch eine Verbesserung der Vorsorge bei tiefen und mittleren Einkommen. Artikel 47i hält fest, dass diese Auswirkung im Bericht ebenfalls aufgezeigt werden muss. Daneben enthält der Bericht zum Rentenzuschlag immer auch Informationen zu dessen Finanzierung. Konkret sind dies die Einnahmen durch die Beiträge, die ausgezahlten Rentenzuschläge und die aus Vorjahren vorhandenen Mittel sowie die Entwicklung dieser Grössen.

Dieser Bericht soll gleichzeitig mit jenem zum Mindestumwandlungssatz erstellt werden. Zwar ist die Perspektive des Berichts nach Artikel 14 Absatz 3 auf die Zukunft gerichtet, denn er betrifft «die Grundlagen für die Festlegung des Mindestumwandlungssatzes in den folgenden Jahren», während der Bericht zum Rentenzuschlag insbesondere die bis zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Auswirkungen auf das Niveau der Alters- und Invalidenrenten zum Inhalt hat. Zusätzlich muss der Bericht aber auch aufzeigen, ob und in welchem Umfang der Rentenzuschlag weiterhin erforderlich ist, um das Niveau der Alters- und Invalidenrenten zu halten.

Eine gleichzeitige Berichterstattung erlaubt deshalb eine bessere Gesamtbetrachtung, als wenn die beiden Berichte zeitlich verschoben erstellt würden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Bericht nach Artikel 14 Absatz 3 und derjenige zum Rentenzuschlag in einem Gesamtbericht vereint
werden. Dabei muss der Bundesrat aber darauf achten, dass durch eine solche Zusammenfassung in einem Gesamtbericht die Transparenz in Bezug auf die Auswirkungen des Rentenzuschlags nicht vermindert wird.

Art. 56 Abs. 1 Bst. a Der geltende Buchstabe a regelt die Aufgabe des Sicherheitsfonds, Zuschüsse an jene Vorsorgeeinrichtungen auszurichten, die eine ungünstige Altersstruktur aufweisen. Diese Zuschüsse werden nicht mehr notwendig sein (vgl. Erläuterungen zu Art. 58). Neu werden in Buchstabe a deshalb durch einen Verweis auf Artikel 47h die neuen Aufgaben des Sicherheitsfonds im Zusammenhang mit dem Rentenzuschlag aufgenommen (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 47h).

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Art. 58

Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur

Nach geltendem Recht hat eine Vorsorgeeinrichtung Anspruch auf Zuschüsse wegen ungünstiger Altersstruktur, wenn die Summe der Altersgutschriften ihrer Versicherten mehr als 14 Prozent der koordinierten Löhne beträgt. Da die Gutschriftenskala angepasst wird (vgl. Art. 16), können diese Zuschüsse aufgehoben werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 56 Abs. 1 Bst. a). Eine Vorsorgeeinrichtung mit vielen älteren aktiven Versicherten wird nicht mehr deutlich höhere Beitragskosten aufgrund einer ungünstigen Altersstruktur haben. Neu soll nämlich der Beitragssatz ab Alter 45 bis zur Pensionierung gleichbleiben. Dieser Mechanismus ist folglich nicht mehr gerechtfertigt.

Art. 89d

Leistungsberechnung

Das gestützt auf Anhang II des Abkommens vom 21. Juni 199951 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) und auf Artikel 89a BVG anwendbare EU-Koordinierungsrecht sieht vor, dass bei der Berechnung von Altersleistungen grundsätzlich eine Vergleichsrechnung erfolgt und der höhere Betrag zu bezahlen ist. Dabei wird die sogenannte autonome Leistung (berechnet nach nationalem Recht und ausschliesslich gestützt auf die im entsprechenden Staat zurückgelegten Versicherungszeiten) einer anteiligen Leistung gegenübergestellt, die nach dem Totalisierungs- und Proratisierungsverfahren unter Berücksichtigung der in allen EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt wird (Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, in der für die Schweiz gemäss Anhang II des Freizügigkeitsabkommens verbindlichen Fassung).

Für die Altersrenten der beruflichen Vorsorge muss dieses Verfahren nicht angewandt werden (vgl. Art. 52 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 i. V. m. dem schweizerischen Eintrag in Anhang VIII Teil 1 dieser Verordnung52). Letzteres wurde in Artikel 89d BVG für Leistungsansprüche aus dem BVG kodifiziert.

Für die neue Leistungsart des Rentenzuschlags findet aber die Totalisierung und Proratisierung gemäss Artikel 52 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Anwendung, falls ausländische Zeiten zur Erfüllung der Mindestversicherungszeiten berücksichtigt werden müssen (vgl. Ziff. 8.2.5). Da der Rentenzuschlag im Unterschied zu den Altersrenten der beruflichen Vorsorge nicht autonom berechnet werden kann, wird der Artikel mit einem entsprechenden Vorbehalt für den Rentenzuschlag ergänzt.

Übergangsbestimmungen zur Änderung vom ...

a. Laufende Renten Abs. 1: Absatz 1 entspricht formal Buchstabe a Absatz 1 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003 (1. BVG-Revision) und stellt sicher, dass der neue Mindestumwandlungssatz bei der Umwandlung des Altersguthabens in

51 52

SR 0.142.112.681 SR 0.831.109.268.1

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eine Rente seine Wirkung entfaltet und folglich keinen Einfluss auf Renten hat, die bei Inkrafttreten dieser Änderung bereits laufen.

Da BVG-Invalidenrenten bei Erreichen des Rentenalters gemäss Gesetz weiterlaufen und nicht etwa von einer BVG-Altersrente abgelöst werden (vgl. Art. 26 Abs. 3), wird der Mindestanspruch nach BVG bei einer solchen Rente auch dann weiterhin mit dem bisherigen Mindestumwandlungssatz berechnet, wenn nach Inkrafttreten dieser Änderung gemäss dem Reglement einer Vorsorgeeinrichtung eine Invalidenrente durch eine reglementarische Altersrente abgelöst wird (zu diesen Vorsorgeplänen vgl. Erläuterung zu Art. 47d Abs. 2).

Abs. 2: Der Rentenzuschlag ist eine Ausgleichsmassnahme zur Abfederung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent. Versicherte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung bereits eine Rente beziehen, hatten bei der Umwandlung in eine Rente die Garantie des gesetzlichen Mindestumwandungssatzes von 6,8 Prozent auf ihrem Guthaben der obligatorischen beruflichen Vorsorge. Wie in Absatz 1 geklärt wird, gilt diese Garantie auch weiterhin. Deshalb haben Bezügerinnen und Bezüger bereits laufender Renten keinen Anspruch auf einen Rentenzuschlag.

b. Höhe des Rentenzuschlags für die Übergangsgeneration Abs. 1: Von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes am stärksten betroffen sind Personen, die kurz vor der Pensionierung stehen. Für sie legt die Übergangsbestimmung die Höhe des Rentenzuschlags fest. Sie erhalten fixe Rentenzuschläge, die lebenslang ausgerichtet und im Unterschied zum Rentenzuschlag nach Artikel 47e nicht angepasst werden.

Die Personen der Übergangsgeneration können ihre Renteneinbusse, die infolge der Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent entsteht, trotz der Verstärkung des Alterssparens durch die Neuregelung der Altersgutschriften und des koordinierten Lohns nicht mehr wettmachen. Ohne Rentenzuschlag hätte eine 64-jährige Person mit einem Jahreseinkommen von 85 320 Franken eine Renteneinbusse von rund 200 Franken pro Monat zu verkraften. Zur Sicherung des heutigen Leistungsniveaus der älteren Versicherten greift deshalb für die Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen nach Inkrafttreten der Revision der leistungsseitig wirkende Rentenzuschlag in garantierter Höhe. Mit dem lebenslangen Rentenzuschlag
von 200 Franken pro Monat wird die entstehende Lücke im erwähnten Beispiel geschlossen. Gleichzeitig bewirkt der Rentenzuschlag, dass bereits ab Inkrafttreten der Revision Versicherte mit tieferen Einkommen, darunter besonders viele Teilzeitbeschäftigte und Frauen, eine spürbare Leistungsverbesserung erfahren.

Da die Neuregelung der Altersgutschriften und des koordinierten Lohns die Senkung des Mindestumwandlungssatzes mit den Jahren sukzessive besser ausgleichen, ist der lebenslange fixe Betrag des Rentenzuschlags nicht für alle 15 Jahrgänge der Übergangsgeneration gleich hoch, sondern wird abgestuft (200, 150 und 100 Fr.).

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Tritt die Gesetzesänderung zum Beispiel auf Anfang 2023 in Kraft, so erhalten Versicherte mit folgenden Jahrgängen lebenslange Rentenzuschläge in diesen Höhen: Höhe des Rentenzuschlags

Jahrgang Männer

Jahrgang Frauen (ohne AHV 21)

200 Franken pro Monat

1958 ­ 1962

1959 ­ 1963

150 Franken pro Monat

1963 ­ 1967

1964 ­ 1968

100 Franken pro Monat

1968 ­ 1972

1969 ­ 1973

Die Reform AHV 21 soll für Frauen und Männer ein gemeinsames Referenzalter 65 einführen: Die Angaben zu den Jahrgängen der Männer in dieser Tabelle würden dann auch für die Frauen gelten.

Abs. 2: Beim Vorbezug sollen auch die Rentenzuschläge der Übergangsgeneration mit den gleichen Kürzungssätzen, wie sie im AHVG vorgesehen sind, gekürzt werden (vgl. auch die Erläuterung zu Art. 47e Abs. 2).

c. Höhe des Zuschlags zur Invalidenrente für Versicherte, die nicht zur Übergangsgeneration gehören In den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten ist es nicht notwendig, dass der Bundesrat für jedes Kalenderjahr die Höhe des Rentenzuschlags festlegt, denn für die Personen, die in diesen Jahren das Rentenalter nach Artikel 13 Absatz 1 erreichen, sind diese Beträge bereits gesetzlich in der Übergangsbestimmung Buchstabe b festgelegt. Bei einem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung auf den 1. Januar 2023 dauert diese Phase bis Ende 2035, denn ab dem 1. Januar 2036 können erstmals Personen, die nicht zu den Übergangsjahrgängen gehören, den Rentenzuschlag zu einer Altersrente vorbeziehen. Für dieses Jahr und alle folgenden Jahre wird der Bundesrat also jeweils den Betrag des Rentenzuschlags festlegen müssen. Bei Inkrafttreten Anfang 2023 gehören nämlich Männer mit Jahrgang 1973 (Frauen mit Jahrgang 1974) und jünger nicht mehr zur Übergangsgeneration (vgl. Tabelle oben) und werden daher variable Rentenzuschläge zu ihren Altersrenten beziehen. Ein Mann mit Jahrgang 1973 erreicht im Jahr 2038 das ordentliche Rentenalter 65 (eine Frau mit Jahrgang 1974 erreicht im Jahr 2038 das ordentliche Rentenalter 64). Da eine versicherte Person den Rentenzuschlag ­ analog zur AHV-Rente ­ bis zu zwei Jahre vorbeziehen kann, wird frühestens im Jahr 2036 ein variabler Rentenzuschlag (gekürzt aufgrund des Vorbezugs) ausgezahlt werden.

Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten, die zu jung sind, um zur Übergangsgeneration zu gehören, und deren Invalidenrente in dieser Übergangszeit zu laufen beginnt, erhalten bei einem Inkrafttreten auf den 1. Januar 2023 bis Ende 2035 (= Jahr des Inkrafttretens + 12) einen Rentenzuschlag von 100 Franken pro Monat. Danach, also bei einem Inkrafttreten auf den 1. Januar 2023 ab Anfang 2036, gilt für die Rentenzuschläge dieser Personen der vom Bundesrat für dieses Kalenderjahr festgelegte Betrag.
Die Reform AHV 21 sieht vor, dass die AHV-Altersrente bis zu drei Jahre vorbezogen werden kann. Entsprechend müsste der Bundesrat ein Jahr früher, also bei einem 9880

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Inkrafttreten auf Anfang 2023 bereits für 2035, einen Betrag für den Rentenzuschlag festlegen. Die Übergangsbestimmung wäre dann nur bis Ende 2034 wirksam.

6.3

Freizügigkeitsgesetz (FZG)

Art. 17 Abs. 2 Einleitungssatz (Betrifft nur den französischen Text) und Bst. g Absatz 2 zählt abschliessend sechs Beiträge zur Finanzierung von Leistungen und zur Deckung von Kosten auf, die von den Beiträgen der versicherten Person, die ihr beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung rückerstattet werden müssen, abgezogen werden können, sofern die entsprechenden Sätze im Reglement festgelegt sind und deren Bedarf ausgewiesen wird oder der Experte für berufliche Vorsorge die Erhebung empfiehlt. Mit Buchstabe g wird neu eine Abzugsmöglichkeit für Beiträge zur Finanzierung des Ausgleichs von Rentenumwandlungsverlusten eingeführt. Ziel dieses zusätzlichen Beitrags ist es, einen allfälligen Rückstellungsbedarf für Rentenumwandlungsverluste aufgrund der obligatorischen Leistungsgarantie oder von reglementarischen überobligatorischen Leistungsgarantien künftig transparent zu tarifieren. Die Umsetzung in entsprechende Beiträge oder Prämien schafft mehr Transparenz bei der Beitragserhebung von Vorsorgeeinrichtungen und verhindert Quersubventionierungen zwischen dem Risiko- und dem Sparprozess (vgl. Erläuterungen zu Art. 37 Abs. 2 Bst. b VAG).

6.4

Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

Art. 37 Abs. 2 Bst. b Zwecks Einführung einer neuen Prämie zur Finanzierung der Rentenumwandlungsgarantie (Rentenumwandlung mit garantiertem, allenfalls aber nicht vollständig ausfinanziertem Umwandlungssatz) muss Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe b entsprechend ergänzt werden. Damit soll die Transparenz bei der Finanzierung der Prozesse, namentlich des Sparprozesses, erhöht werden. Denn die Versicherungsunternehmen, die Leistungen der beruflichen Vorsorge erbringen, sind mit den gleichen Rentenumwandlungsverlusten konfrontiert wie die autonomen Vorsorgeeinrichtungen. Gegenwärtig verwenden sie deshalb einen Teil der Margen der Risikotarife für die Finanzierung des Sparprozesses bzw. des garantierten Rentenumwandlungssatzes. Mit der Einführung der neuen Prämie soll die Transparenz wiederhergestellt werden. Dabei soll für die neue Prämie für die Rentenumwandlungsgarantie kein neuer Prozess geschaffen werden; vielmehr soll sie in den Sparprozess integriert werden. Die Prämie für die Rentenumwandlungsgarantie unterliegt wie die übrigen Prämien der präventiven Tarifkontrolle durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) und muss entsprechend ausgewiesen und versicherungstechnisch begründet sein.

Da die gleiche Problematik (Verwendung von Erträgen aus den Risikobeiträgen zur Finanzierung des Ausgleichs von Rentenumwandlungsverlusten) auch bei den autonomen Vorsorgeeinrichtungen besteht, soll in Artikel 17 FZG die Möglichkeit geschaffen werden, Beiträge zur Finanzierung der Rentenumwandlungsverluste zu 9881

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erheben. Diese Neuerungen werden es sowohl den Versicherungsunternehmen als auch den Vorsorgeeinrichtungen ermöglichen, solche Prämien zu erheben und damit die Finanzierung des Sparprozesses bzw. der Umwandlung des Altersguthabens in eine entsprechende Rente transparenter zu gestalten. Ziel dieser zusätzlichen Beiträge ist es, einen allfälligen Rückstellungsbedarf für Rentenumwandlungsverluste aufgrund der obligatorischen Leistungsgarantie oder von reglementarischen überobligatorischen Leistungsgarantien künftig transparent zu tarifieren. Es geht also nicht um eine Erhöhung der Gesamtprämienbelastung der Versicherten, sondern um eine korrekte Zuweisung der Prämien.

7

Auswirkungen

7.1

Finanzielle Auswirkungen auf Sozialversicherungen

7.1.1

Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge

Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent entlastet die Vorsorgeeinrichtungen und stärkt die finanzielle Stabilität der beruflichen Vorsorge.

Die Ausgleichsmassnahmen zur Stabilisierung des Leistungsniveaus führen zu höheren Beiträgen an die berufliche Vorsorge. Die folgende Tabelle weist die geschätzten Beitragserhöhungen für das Jahr 2030 aus.

Tabelle 7­1 Geschätzte Auswirkungen auf die Beitragssumme der beruflichen Vorsorge im Jahr 2030 In Millionen Franken, zu Preisen von 2020 Massnahme

Mehrbeiträge

Neuregelung der Altersgutschriften (Halbierung des Koordinationsabzugs und Anpassung der Altersgutschriftensätze)

1400

Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags

1800

Wegfallende Beiträge zur Finanzierung der Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur

­200

Total

3000

Bei den Auswirkungen der Neuregelung der Altersgutschriften handelt es sich um die «effektiven Mehrkosten», bei denen heute bereits bestehende überobligatorische Beiträge angerechnet werden.

9882

BBl 2020

7.1.2

Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungen

Die Halbierung des Koordinationsabzugs und die einkommensunabhängigen Rentenzuschläge bewirken bei tiefen Einkommen eine Rentenverbesserung, was zu Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen führen wird. Bei neuen EL-Fällen ergeben sich Einsparungen von schätzungsweise 3 bis 4 Millionen Franken pro Jahr.

Im Jahr 2030 werden die Ergänzungsleistungen somit um rund 30 Millionen Franken entlastet, falls diese Reform 2023 in Kraft tritt.

7.2

Auswirkungen auf den Bund

Der Bund als Arbeitgeber ist von den Ausgleichsmassnahmen ebenfalls betroffen.

Die Halbierung des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriftensätze dürften jedoch keine oder nur sehr geringe Mehrkosten verursachen, weil das Vorsorgereglement vom 15. Juni 200753 für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Bundes in diesen Punkten bereits heute über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum hinausgeht. Hingegen werden die Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags zu Mehrbelastungen für den Bund führen. Gemäss Finanzstatistik54 der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) belief sich die Lohnsumme des Bundes (gemäss GFS-Modell) im Jahr 2019 auf 6,6 Milliarden Franken. Übernimmt der Bund als Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags, so erhöhen sich seine Beiträge an die Pensionskasse um knapp 17 Millionen Franken pro Jahr.

Die Ausgleichsmassnahmen werden sich auch auf die direkte Bundessteuer auswirken. So führen die zusätzlichen Arbeitnehmerbeiträge zu einer Verminderung des steuerbaren Einkommens der Versicherten. Unter Berücksichtigung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer reduzieren sich dadurch die Steuereinnahmen des Bundes um schätzungsweise rund 40 Millionen Franken pro Jahr. Hinzu kommen geringere Einnahmen aus den Gewinnsteuern der Unternehmen von schätzungsweise knapp 40 Millionen Franken und der Einkommenssteuer auf den ausgeschütteten Gewinnen von rund 10 Millionen Franken aufgrund der zusätzlichen Arbeitgeberbeiträge. Insgesamt betragen die geschätzten Mindereinnahmen für den Bund rund 90 Millionen Franken pro Jahr.

Im Gegenzug stabilisieren die Ausgleichsmassnahmen und die Senkung des Mindestumwandlungssatzes das Rentenniveau und die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen. Dadurch dürfte das Risiko sinken, dass Sanierungsmassnahmen erforderlich sind, die von den Versicherten und den Arbeitgebern bezahlt werden müssten. Ausserdem werden viele der neuen Rentenbezügerinnen und -bezüger unter anderem dank des Rentenzuschlags ein höheres Einkommen haben. Somit haben die Reformmassnahmen auch einen positiven Einfluss auf die Steuereinnahmen des Bundes.

53 54

SR 172.220.141.1 Einsehbar unter www.efv.admin.ch > Themen > Finanzstatistik > Daten > GFS-Jahresdaten.

9883

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7.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Kantone und Gemeinden sind als Arbeitgeber ebenfalls von den Ausgleichsmassnahmen betroffen. Die Halbierung des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriftensätze dürften jedoch keine oder nur sehr geringe Mehrkosten verursachen, weil die reglementarischen Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen der Kantone und Gemeinden in diesen Punkten bereits heute über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum hinausgehen. Hingegen werden die Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags zu Mehrbelastungen für die Kantone und Gemeinden führen.

Gemäss Finanzstatistik55 der EFV belief sich die Lohnsumme der Kantone im Jahr 2019 auf 24,1 Milliarden Franken und die Lohnsumme der Gemeinden auf 12,4 Milliarden Franken. Übernehmen die Kantone und Gemeinden als Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Finanzierung des Rentenzuschlags, so erhöhen sich die Beiträge der Kantone an die Pensionskasse um 60 Millionen Franken pro Jahr und die Beiträge der Gemeinden um 31 Millionen Franken pro Jahr.

Die Massnahmen dieser Vorlage werden sich auch auf die Steuereinnahmen der Kantone und Gemeinden auswirken. Die Wirkungsmechanismen sind dabei die gleichen wie für die Steuereinnahmen des Bundes. Die Einkommenssteuern der Kantone und Gemeinden reduzieren sich wegen der zusätzlichen Arbeitnehmerbeiträge um schätzungsweise rund 300 Millionen Franken pro Jahr. Hinzu kommen geringere Einnahmen aus den Gewinnsteuern der Unternehmen von schätzungsweise knapp 50 Millionen Franken und der Einkommenssteuer auf den ausgeschütteten Gewinnen von rund 30 Millionen Franken aufgrund der zusätzlichen Arbeitgeberbeiträge. Insgesamt betragen die geschätzten Mindereinnahmen für die Kantone und Gemeinden rund 380 Millionen Franken pro Jahr.

Andererseits gelten die beschriebenen positiven Wirkungen der Reformmassnahmen auf die Steuereinnahmen des Bundes ebenfalls für die Steuereinnahmen der Kantone und Gemeinden.

7.4

Wirtschaftliche Auswirkungen

Drei Massnahmen der BVG-Reformvorlage haben einen direkten Einfluss auf die Arbeitskosten in der Schweiz: die Halbierung des Koordinationsabzugs, die Anpassung der Altersgutschriftensätze nach Altersgruppen sowie die Einführung eines Beitrags zur Finanzierung des Rentenzuschlags.

Die Vorbereitungsarbeiten zur BVG-Reform haben die Notwendigkeit einer Aktualisierung der wissenschaftlichen Grundlagen, die im Rahmen der Altersvorsorge 2020 erarbeitet wurden56, aufgezeigt. Mit diesen kann eine ex-ante Evaluation der vermutlichen Effekte der oben erwähnten Massnahmen durchgeführt werden. Die 55 56

Einsehbar unter www.efv.admin.ch > Themen > Finanzstatistik > Daten > GFS-Jahresdaten.

Vgl. Müller und andere (2014).

9884

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wirtschaftlichen Auswirkungen sowie die allfällige Minderung der unerwünschten Umverteilungen (siehe Ziff. 1.1) wurden im Auftrag des BSV im Rahmen eines Forschungsprojekts des Forschungsinstituts Ecoplan57 vertieft untersucht. Die nachfolgend präsentierten Ergebnisse beziehen sich, wo keine andere Quelle genannt wird, auf dieses Forschungsprojekt. In der erwähnten Publikation finden sich die detaillierten Ergebnisse sowie alle notwendigen Informationen zur Modellierung, die Arbeitshypothesen und die Ergebnisse der verschiedenen Sensitivitätsanalysen. Die in dieser Botschaft vorgestellten Ergebnisse wurden mit einem Mikrosimulationsmodell gewonnen, das die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt misst. Es gilt zu beachten, dass das BVG nur Minimalvorgaben enthält. Viele umhüllende Vorsorgeeinrichtungen wenden bereits einen tieferen Koordinationsabzug oder höhere Sparbeiträge an, als das BVG vorschreibt. Die Forschungsarbeiten berücksichtigten folglich nur die Anpassungen, die sich aus den neuen gesetzlichen Minimalvorgaben im Vergleich zu den derzeitigen reglementarischen Bestimmungen ergeben.

Um den tatsächlichen Einfluss der Reform zu beurteilen, hat das BSV eine detaillierte Analyse der Pensionskassenstatistiken durchgeführt. Mit dieser Analyse konnten die zusätzlichen Lohnbeiträge, wie sie effektiv durch die Reform entstehen, für verschiedene Einkommensgruppen relativ präzise bestimmt werden. Diese Ergebnisse wurden in das Mikrosimulationsmodell integriert.

Aufgrund der hohen methodischen Komplexität wurde im Rahmen des Forschungsprojekts keine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Die Resultate beziehen sich also nur auf die Kosten. Nichtsdestotrotz sollte bei einer abschliessenden Abwägung der generelle Nutzen der Vorlage nicht ausser Acht gelassen werden. Dieser liegt im Wesentlichen darin, dass die finanzielle Stabilität der Vorsorgeeinrichtungen gestärkt und das Leistungsniveau für tiefe Einkommen und für Frauen erhalten und teilweise verbessert wird. Ebenso würde ein Aufschieben der Reform wirtschaftliche und sozialen Folgekosten verstärken, beispielsweise, wenn Sanierungsmassnahmen unumgänglich werden und dringlich umgesetzt werden müssten.

Lohnkosten Die Reformvorlage dürfte gemäss Mikrosimulationsmodell eine Erhöhung der Lohnkosten von rund 2,8 Milliarden Franken verursachen,
was 1 Prozent der Bruttolohnsumme der 25- bis 65-jährigen Angestellten entspricht. Dieser Betrag unterscheidet sich leicht von den Kosten in Ziffer 7.1.1 (Summe der Ausgleichsmassnahmen, einschliesslich Rentenzuschlag), die sich auf die Auswirkungen der Reform im Jahr 2030 beziehen.

Obwohl die Beiträge gemäss BVG paritätisch finanziert werden, hätten die Arbeitgeber gemäss dem Modell nach Inkrafttreten der Reform 0,67 Milliarden Franken bzw. nur 24 Prozent der Lohnkostenerhöhung zu tragen. Dies ist im Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt begründet. Die Arbeitgeber können auf dem Arbeitsmarkt generell flexibler agieren als die Angestellten und ihre Arbeitsnachfrage so anpassen. Die Überwälzung der Kosten wird dadurch begünstigt, dass die Angestellten die Beiträge an die 2. Säule als Lohnbestandteil wahrnehmen, der ihnen später bei der Pensio57

Vgl. Müller und andere (2020).

9885

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nierung als Rente oder Kapital wieder ausbezahlt wird. Sie sind deswegen eher bereit, Lohnzugeständnisse zu machen und beispielsweise bei der Anstellung einen leicht tieferen Bruttolohn zu akzeptieren, als den, den sie ohne die Vorlage erzielt hätten.

Insgesamt dürften die Lohnkosten, die die Arbeitgeber gemäss Vorlage zusätzlich tragen müssten, bei rund 0,2 Prozent der Lohnsumme liegen (gegenüber einer Senkung der Nettolöhne um 0,8 Prozent für die Arbeitnehmenden).

Die nachfolgende Tabelle zeigt die zusätzlichen Lohnkosten zulasten der Arbeitgeber im Detail, aufgeschlüsselt nach Lohnklassen und Altersgruppen.

Tabelle 7­2 Anteil der zusätzlichen Lohnkosten zulasten der Arbeitgeber, in Prozent, nach Einkommens- und Altersklassen Bruttolohn Alter

25­34 35­44 45­54 55­64 Total

20 52058 bis 30 000

30 000 bis 40 000

40 000 bis 50 000

50 000 bis 60 000

60 000 bis 70 000

1,2 % 1,0 % 1,3 % 1,1 % 1,1 %

1,0 % 0,7 % 0,9 % 0,8 % 0,9 %

0,8 % 0,6 % 0,6 % 0,5 % 0,6 %

0,5 % 0,4 % 0,4 % 0,3 % 0,4 %

0,4 % 0,3 % 0,3 % 0,2 % 0,3 %

70 000 82 080 bis 82 080 bis 100 000

0,3 % 0,2 % 0,2 % 0,2 % 0,2 %

0,3 % 0,2 % 0,2 % 0,1 % 0,2 %

über 100 000

0,2 % 0,1 % 0,1 % 0,1 % 0,1 %

Quelle: Ecoplan

Arbeitsmarkt Die in der obigen Tabelle ersichtlichen höheren Lohnkosten haben geringfügige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und dämpfen die Arbeitsnachfrage voraussichtlich nur leicht: Erwartet wird ein Rückgang von rund 0,12 Prozent des Arbeitsvolumens, was knapp 3300 Vollzeitäquivalenten entspricht.

Frauen sind von dem geschätzten Rückgang mit 51 Prozent leicht stärker betroffen als Männer (49 Prozent). Auf die Beschäftigung nach Altersklassen wirkt sich die Vorlage unterschiedlich aus: Rund ein Drittel des Beschäftigungsrückgangs entfällt auf die Altersklasse 25­34. Dies ist teilweise in der Erhöhung der Altersgutschriftensätze für diese Altersgruppe begründet. Relativ gesehen ist der Rückgang bei den Altersklassen 35­44 oder 55­64 am geringsten. Rund drei Viertel des Beschäftigungsrückgangs entfallen auf Vollzeitstellen.

Die Studie zeigt zudem einen überdurchschnittlichen Stellenrückgang bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die der obligatorischen Versicherung unterstehen, in der Lohnklasse direkt über der Eintrittsschwelle von 21 330 Franken. Diese Arbeitnehmenden arbeiten häufig Teilzeit, zudem sind Frauen in dieser Kategorie übervertreten. Arbeitnehmende mit einem Jahreseinkommen unter 21 330 Franken

58

Höhe der Eintrittsschwelle im Zeitpunkt der Untersuchung von Ecoplan.

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sind im Allgemeinen nicht in der beruflichen Vorsorge versichert und daher von der geplanten Reform nicht betroffen.

Tabelle 7­3 Auswirkungen der Massnahmen der BVG-Reform auf die Beschäftigung In Arbeitsvolumen In Vollzeitäquivalenten

Total Geschlecht Mann Frau

Verteilung in %

­0,12

­3257

100

­0,09 ­0,15

­1590 ­1667

49 51

Alter 25­34 Jahre 35­44 Jahre 45­54 Jahre 55­64 Jahre

­0,14 ­0,10 ­0,11 ­0,11

­1108 ­721 ­927 ­501

37 22 32 9

Beschäftigungsgrad Unter 20 % 20­49 % 50­69 % 70­89 % 90­100 %

­0,02 ­0,09 ­0,17 ­0,14 ­0,11

­2 ­123 ­422 ­417 ­2294

0 4 13 13 70

Grundgesamtheit = 25- bis 64/65-jährige Arbeitnehmer/innen, ohne Selbstständigerwerbende und im eigenen Betrieb Arbeitende. Quelle: Ecoplan AG

Etwas weniger als die Hälfte des Rückgangs des Arbeitsvolumens im Zusammenhang mit der BVG-Reform wird in der Gastronomie und Hotellerie erwartet (­0,41 % Arbeitsstellen gegenüber der heutigen Situation), im Baugewerbe (­0,23 %) sowie im Sektor andere Dienstleistungen (­0,17 %). Für den Rückgang in diesen drei Wirtschaftssektoren gibt es mehrere Gründe. Der erste ist die eher breite Unterstellung der Arbeitnehmenden dieser Branchen unter Gesamtarbeitsverträge (GAV). Aufgrund der im Rahmen der GAV ausgehandelten Lohnvereinbarungen werden die Arbeitgeber eher einen relativ hohen Anteil der neuen Lohnbeiträge tragen müssen. Zweitens bewegt sich der versicherte Lohn in diesen Branchen grösstenteils nahe am gesetzlichen Minimum. Es gibt relativ wenig freiwillige Beiträge, die die Änderung der gesetzlichen Mindestanforderungen finanziell abfedern könnten. Die Reform führt folglich in diesen drei Branchen zu einer grösseren Anpassung der effektiven Lohnbeiträge als in anderen Wirtschaftszweigen. Doch die Arbeitnehmergruppen, die vom reformbedingten Anstieg der Lohnbeiträge stärker betroffen sind, gehören auch zu den Lohnkategorien, die aufgrund des höheren Altersleistungsniveaus am meisten von der Reform profitieren werden. Die öffentliche Verwaltung sowie die Finanz- und Versicherungsbranche sind im Vergleich dazu von der Reform kaum betroffen.

9887

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Die gemessenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt können in gewissen Fällen auch auf ein gesunkenes Arbeitsangebot zurückgehen. Dies ist der Fall, wenn der angebotene Nettolohn für Erwerbstätige oder Arbeitsuchende trotz der im Gegenzug verbesserten beruflichen Vorsorge nicht mehr attraktiv genug ist. Dieser Effekt verschwindet in der Regel bei einer Annäherung an das Rücktrittsalter.

Die anhand des Mikrosimulationsmodells für den Arbeitsmarkt ermittelten Ergebnisse deuten für die ersten Jahre nach Inkrafttreten der Reform auf eine leicht tiefere Konsumquote und ein entsprechend leicht tieferes Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) hin. Längerfristig werden die dank dem zusätzlichen Sparen höheren Renten das Konsumwachstum leicht ankurbeln und das BIP dementsprechend sehr moderat erhöhen.

Umverteilungen Isoliert betrachtet üben die drei Hauptfaktoren der Reform (Senkung des Mindestumwandlungssatzes, Anpassung des Koordinationsabzugs und der Altersgutschriftensätze, Rentenzuschlag) verschiedene Effekte auf die künftigen Umverteilungen aus. Der Rentenzuschlag und dessen Finanzierung durch einen Beitrag von 0,5 Prozent des AHV-Lohns wirkt sich am stärksten auf die Umverteilung aus. Die Umverteilung zugunsten der Übergangsgeneration (Jahrgänge 1958­1972) und zulasten der jüngeren Generationen (ab 1973) bewegt sich gemäss dem Szenario zur künftigen Zinsentwicklung zwischen 24 und 32 Milliarden Franken. Die Umverteilung zulasten der jüngeren Generationen wird durch die umgekehrte Umverteilungswirkung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent teilweise wettgemacht (in der Höhe von 5­8 Mrd. Fr.). Die Anpassung der Altersgutschriftensätze und die Halbierung des Koordinationsabzugs haben keine wesentlichen Auswirkungen auf die Umverteilung zwischen den Generationen.

Diese Umverteilungseffekte der BVG-Reform sind im aktuellen Kontext zu sehen.

Die tendenzielle Senkung der reglementarischen Umwandlungssätze aufgrund des tiefen Zinsniveaus trifft die Übergangsgeneration stark. Die Belastung der Übergangsgeneration wird von der BVG-Reform zu rund 25­50 Prozent ausgeglichen.

Neben den drei erwähnten Hauptfaktoren wird ein weiterer Parameter, der sich ganz unabhängig von der BVG-Reform entwickelt, die Umverteilung zwischen den Generationen beeinflussen: die Zinssätze. Das Ecoplan-Modell
zeigt, dass sich die Umverteilung stark zugunsten der Übergangsgeneration und zulasten der jüngeren Generationen (Jahrgänge ab 1973) auswirken wird, sollte das tiefe Zinsniveau andauern. Erholen sich jedoch die tiefen Zinsen innerhalb von zehn Jahren, so wird die Umverteilung stark zugunsten der jüngeren Generation und zulasten der Übergangsgeneration ausfallen. Die BVG-Reform würde in diesem Szenario die Umverteilung zulasten der Übergangsgeneration zwar reduzieren, aber nicht beseitigen.

Durchführungskosten Die Hauptmassnahmen der BVG-Reform (Anpassung der Altersgutschriftensätze und Halbierung des Koordinationsabzugs, zusätzlicher Beitragssatz zur Finanzierung des Rentenzuschlags, Senkung des Umwandlungssatzes) sollten nicht zu einer wesentlichen Erhöhung der Durchführungskosten für die Unternehmen und Vorsorgeeinrichtungen führen.

9888

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Ein Grossteil der Durchführungskosten in der beruflichen Vorsorge ist mit den Fixkosten der Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen vergleichbar (Finanzbuchhaltung, Informatiksystem, Erstellung des Jahresberichts usw.). Diese werden durch die Einführung der neuen Massnahmen nicht ansteigen. Die einzigen zu berücksichtigenden Durchführungskosten sind einmalige Kosten zur Anpassung der Informatik im Zusammenhang mit den Altersgutschriften, dem neuen Koordinationsabzug und der Erhebung des zusätzlichen Beitrags zur Finanzierung des Rentenzuschlags.

Bilanz Die Auswirkungen der BVG-Reform auf die Wirtschaft wurden genau untersucht.

Die Ergebnisse zeigen eine äusserst moderate Wirkung auf das Wirtschaftswachstum und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Das langfristige Wachstumspotenzial der Wirtschaft wird nicht beeinträchtigt. Auf dem Arbeitsmarkt dürfte das Arbeitsvolumen nur geringfügig zurückgehen. Der moderate Beschäftigungsrückgang wird proportional mehr Teilzeitstellen im tieferen Lohnsegment betreffen, die häufig von Frauen besetzt sind. Der Grund dafür liegt darin, dass die Lohnbeiträge mit der Vorlage für Geringverdienende, die oft gemäss den BVG-Mindeststandards versichert sind, überproportional erhöht werden, um deren berufliche Vorsorge zu verbessern. Die Einführung des Beitragssatzes zur Finanzierung des Rentenzuschlags, die effektiv alle Versicherten betrifft, erklärt rund 50 Prozent der Auswirkungen der Reform auf die Beschäftigung.

7.5

Auswirkungen auf die versicherten Personen

Das Leistungsniveau der obligatorischen Mindestvorsorge zu erhalten, ist ein zentrales Ziel dieser Vorlage. Damit dies trotz Anpassung des Mindestumwandlungssatzes erreicht wird, müssen die Lohnbeiträge erhöht werden. Den daraus resultierenden Nettolohneinbussen für die aktiven Versicherten steht also die langfristige Erhaltung der Rentenleistung gegenüber. Zusätzlich bewirken die Massnahmen der Vorlage, dass die berufliche Vorsorge für Personen mit tieferen Einkommen verbessert wird.

Davon profitieren insbesondere Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmende mit mehreren kleinen Arbeitsverhältnissen, also mehrheitlich Frauen.

Erhöhung der Lohnbeiträge zulasten der Arbeitnehmenden Gemäss Berechnungen des Forschungsinstituts Ecoplan59 werden die Arbeitnehmenden rund drei Viertel der durch die vorliegende Reform bedingten zusätzlichen Lohnbeiträge tragen, wodurch ihr Einkommen im Schnitt um 0,8 Prozent zurückgehen wird. Jedoch wirken sich die Massnahmen unterschiedlich auf die einzelnen Gruppen von Beschäftigten aus. In der folgenden Tabelle sind die zusätzlichen Lohnbeiträge für verschiedene Einkommens- und Altersklassen aufgeführt. Diese Zahlen stammen ebenfalls aus dem Mikrosimulationsmodell des Forschungsinstituts Ecoplan Das Modell berücksichtigt, dass zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen bereits heute über die obligatorische berufliche Vorsorge hinausgehen. Es integriert individuelle Präferenzen bezüglich des Arbeitsangebots und der Arbeitsnachfrage sowie 59

Müller und andere (2020).

9889

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gewisse Lohnrigiditäten (beschränkte Anpassungsmöglichkeit der Löhne nach unten).

Tabelle 7­4 Zusätzliche Lohnbeiträge zulasten der Arbeitnehmenden, in Prozent des Bruttolohnes, nach Lohn- und Altersklasse Alter

Bruttolohn (Referenzjahr 2016) Unter 20 520

20 520 bis 30 000

30 000 bis 40 000

40 000 bis 50 000

50 000 bis 60 000

60 000 bis 70 000

0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

1,2 1,2 1,7 1,8 1,5

1,3 1,1 1,6 1,4 1,3

1,4 0,9 1,3 0,9 1,2

1,5 0,8 1,3 0,7 1,2

1,6 0,7 1,1 0,5 1,1

25­34 35­44 45­54 55­64 Total

70 000 82 080 Über bis bis 100 000 82 080 100 000

1,6 0,7 1,1 0,2 1,0

1,4 0,6 0,8 0,1 0,8

0,9 0,5 0,6 0,2 0,5

Total

1,3 0,6 0,8 0,3 0,8

Quelle: Ecoplan

Alle Arbeitnehmenden, auch jene mit relativ hohen Einkommen, werden zusätzliche Lohnbeiträge in Kauf nehmen müssen. Der Prozentsatz des neuen Lohnbeitrags zur Finanzierung des Rentenzuschlags ist für sämtliche Lohn- und Altersgruppen gleich gross. Die Variation in den durch die Reform entstehenden zusätzlichen Lohnbeiträgen stammt daher hauptsächlich von den veränderten Altersgutschriften. Die relativ grössten zusätzlichen Belastungen sind in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen zu erwarten, die geringste Mehrbelastung besteht für 55- bis 64-Jährige. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Gutschriftensatz für die jüngste Altersgruppe von 7 auf 9 Prozent erhöht und für die älteste Altersgruppe von 18 auf 14 Prozent gesenkt wird. Für Versicherte mit einem Einkommen knapp über der Eintrittsschwelle von 21 330 Franken steigen die Lohnbeiträge relativ am stärksten.

Die beschriebenen Auswirkungen auf die Lohnbeiträge werden jeweils rund zur Hälfte von den veränderten Sparbeiträgen und vom zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung des Rentenzuschlags verursacht. Personen mit geringem Einkommen sind tendenziell stärker durch die veränderten Sparbeiträge belastet, bei höheren Einkommen erhält der zusätzliche Beitrag zur Finanzierung des Rentenzuschlags mehr Gewicht.

Auswirkungen auf die Rente der obligatorischen Vorsorge Die folgenden typisierten Modellrechnungen sollen die Auswirkungen der Reform auf die Leistungen der obligatorischen Mindestvorsorge veranschaulichen. Sie vermitteln jedoch nur ein generelles Bild und können keine individuellen Situationen abbilden. Die Modellrechnungen beruhen auf den folgenden standardisierten Annahmen: ­

Es ist nur die obligatorische Mindestvorsorge abgebildet.

­

Löhne, Preise und Verzinsung der Altersguthaben entwickeln sich gleich (sog. «goldene Regel»); es ist insbesondere kein Zinsbonus eingerechnet.

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­

Die Erwerbskarrieren sind vollständig, mit konstantem Lohnniveau und ohne Erwerbsunterbrüche.

­

Die Berechnungen beziehen sich auf die Werte im Jahr 2021 (Lohnniveau, Koordinationsabzug etc.).

Je nach Alter der Versicherten im Jahr des Inkrafttretens der Reform wirkt diese sich unterschiedlich auf die Renten aus. Dies hat einerseits damit zu tun, dass die Massnahmen zur Verstärkung des Sparprozesses, also die Halbierung des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriftensätze, umso stärker wirken, je jünger die Person beim Inkrafttreten der Reform ist. Andererseits ist der Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration nach dem Alter abgestuft.

Tabelle 7­5 Rentendifferenz in der obligatorischen Vorsorge, nach Lohnniveau und Alter im Jahr des Inkrafttretens der Reform Lohnniveau 2021

Geltendes Recht: Rente pro Monat Mit Reform: Rentendifferenz gegenüber geltendem Recht pro Monat, nach Alter im Jahr des Inkrafttretens 25 Jahre 30 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 45 Jahre 50 Jahre 55 Jahre* 60 Jahre* 65 Jahre*

25 000

40 000

55 000

70 000

86 040

103

430

863

1295

1758

187 166 144 125 106 76 145 168 191

211 175 140 115 91 51 110 131 152

129 86 42 22 1 ­36 28 64 100

46 ­4 ­55 ­72 ­89 ­122 ­54 ­3 48

­42 ­101 ­159 ­172 ­185 ­214 ­143 ­76 ­9

* Inklusive Rentenzuschlag von 100 Franken (55 Jahre), 150 Franken (60 Jahre) bzw.

200 Franken (65 Jahre).

Wie die Zahlen zeigen, werden die obligatorischen Leistungen für Versicherte mit tiefen Einkommen am stärksten verbessert. Dies ist hauptsächlich mit der Halbierung des Koordinationsabzugs erklärbar. Davon profitieren insbesondere Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmende mit mehreren kleinen Arbeitsverhältnissen, also mehrheitlich Frauen. Der Rentenzuschlag ist nur für Versicherte miteingerechnet, die im Jahr des Inkrafttretens der Reform 51 Jahre alt oder älter sind, die also zur Übergangsgeneration gehören. Die Renten für jüngere Versicherte sind ohne Rentenzuschlag dargestellt, weil dieser jährlich neu anhand der vorhandenen Mittel festgelegt wird und heute noch nicht bekannt ist. Entsprechend wird die tatsächliche monatliche Leistung für die 50-jährigen und jüngeren Versicherten mit der Reform höher ausfallen, als in Tabelle 7­5 ausgewiesen ist.

9891

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Wie erwähnt, bildet die Tabelle die Auswirkungen im Bereich der obligatorischen Vorsorge ab. Viele Versicherte gehören aber einer Vorsorgeeinrichtung an, die über das gesetzliche Minimum hinausgeht, also auch überobligatorische Leistungen versichert. Diese Vorsorgeeinrichtungen haben Massnahmen, die mit dieser Reform umgesetzt werden sollen, in ihren Reglementen bereits ganz oder teilweise vorweggenommen. Ihre Versicherten sind von den dargestellten Auswirkungen im Bereich der obligatorischen Vorsorge daher gar nicht oder nur teilweise betroffen. Rund 12 Prozent der Versicherten sind nur nach dem gesetzlichen Minimum versichert.

Weitere rund 20 Prozent sind ebenfalls von der Reform der obligatorischen Vorsorge betroffen, da ihre berufliche Vorsorge nur wenig über das gesetzliche Minimum hinausgeht.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 113 BV für die Regelungen im BVG und im FZG sowie auf Artikel 122 BV für das VAG. Die vorgeschlagene Regelung ist verfassungskonform ausgestaltet.

8.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

8.2.1

Instrumente der Vereinten Nationen

Der Internationale Pakt vom 16. Dezember 196660 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) ist für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft getreten. In Artikel 9 sieht er das Recht eines jeden auf soziale Sicherheit vor; diese schliesst die Sozialversicherung ein. Überdies verpflichten sich die Vertragsstaaten, zu gewährleisten, dass die im Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung, insbesondere hinsichtlich des Geschlechts, ausgeübt werden (Art. 2 Abs. 2 und Art. 3).

Das Übereinkommen vom 18. Dezember 197961 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) ist für die Schweiz am 26. April 1997 in Kraft getreten. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Massnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau im Berufsleben, um ihr auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau gleiche Rechte zu gewährleisten, insbesondere das Recht auf soziale Sicherheit (Art. 11 Abs. 1 Bst. e).

60 61

SR 0.103.1 SR 0.108

9892

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8.2.2

Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation

Das Übereinkommen Nr. 128 vom 29. Juni 196762 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene wurde von der Schweiz am 13. September 1977 ratifiziert. Teil III betrifft die Leistungen bei Alter. Er definiert den gedeckten Fall, legt den prozentualen Anteil der zu schützenden Personen, die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe und die Dauer der Leistungen fest.

8.2.3

Instrumente des Europarates

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 196463 wurde von der Schweiz am 16. September 1977 ratifiziert. Die Schweiz hat insbesondere Teil V über die Leistungen im Alter angenommen. Dieser Teil definiert den gedeckten Versicherungsfall, legt den prozentualen Anteil der zu schützenden Personen, die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe und Dauer der Leistungen fest. Bezüglich Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit hält die Ordnung fest, dass die Aufwendungen für die Leistungen und die Verwaltungskosten durch Beiträge oder Steuern oder durch beide zusammen so zu bestreiten sind, dass Minderbemittelte nicht über Gebühr belastet werden und die wirtschaftliche Lage der Vertragspartei und der geschützten Personengruppen berücksichtigt wird (Art. 70 Abs. 1).

8.2.4

Instrumente des Europäischen Union

Artikel 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union64 erlaubt der Union, Massnahmen zu verabschieden im Hinblick auf die Errichtung eines Koordinierungssystems der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zur Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Selbstständigen und ihrer Familienangehörigen. Diese Koordinierung wird durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 200465 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 200966 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 geregelt.

Diese beiden Verordnungen bezwecken einzig die Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit und stützen sich auf die entsprechenden internationalen Koordinierungsgrundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen, die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Auszahlung von Leistungen im ganzen europäischen Raum. Das EU-Recht sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Konzeption, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten 62 63 64 65 66

SR 0.831.105 SR 0.831.104 ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47.

ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1.

ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1.

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und die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unter Beachtung der europarechtlichen Koordinationsgrundsätze selber festlegen. Seit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens am 1. Juni 2002 nimmt die Schweiz an diesem Koordinierungssystem teil und wendet heute in diesem Rahmen die beiden erwähnten Verordnungen an (in ihrer für die Schweiz verbindlichen Fassung nach Anhang II zum Freizügigkeitsabkommen, Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit67). Die erwähnten Koordinierungsverordnungen werden aufgrund des Übereinkommens vom 4. Januar 196068 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auch im Verhältnis zu den EFTA-Staaten angewandt.

8.2.5

Vereinbarkeit der einzelnen Massnahmen mit dem internationalen Recht

Die Vorlage ist mit den von der Schweiz ratifizierten Übereinkommen der UNO vereinbar. Die vorgeschlagene Halbierung des Koordinationsabzugs verbessert die berufliche Vorsorge von Teilzeiterwerbstätigen. Da es sich dabei mehrheitlich um Frauen handelt, verbessert die Vorlage die Altersvorsorge der Frauen und trägt somit zu einer besseren Gleichstellung der Geschlechter im Rentenalter bei. Im Hinblick auf die oben erwähnten Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation und des Europarates berücksichtigt die Schweiz bei deren Umsetzung nur den Schutz, den die 1. Säule bietet.

Im Hinblick auf die Koordinierungsverordnungen der EU ist insbesondere der geplante Rentenzuschlag einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Dieser Zuschlag gehört als Bestandteil der Altersleistung in der obligatorischen beruflichen Vorsorge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Schweiz und fällt deshalb in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (Art. 3 Abs. 1 Bst. d). Die Bestimmungen dieser Verordnung sind auf die Leistungen im Geltungsbereich des BVG anwendbar (Art. 89a BVG).

Aufgrund dieser Verordnung dürfen Personen, die das Freizügigkeitsrecht ausüben und ihren Arbeitsort aus einem EU- oder EFTA-Mitgliedstaat in die Schweiz verlegen, in Bezug auf diesen Rentenzuschlag nicht schlechter behandelt werden als Personen, die nur in der Schweiz gearbeitet haben.

Für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 47c Absatz 1 Buchstaben c und d bedeutet das Folgendes: Aufgrund der Regeln von Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Zusammenrechnung der Zeiten sind Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung von EU- oder EFTA-Staaten bei der Prüfung, ob die Voraussetzung nach Buchstabe d erfüllt ist, zu berücksichtigen.

Für die Erfüllung der Voraussetzung nach Buchstabe c sind hingegen nur Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung von EU- oder EFTA-Staaten aufgrund einer Beschäftigung zu berücksichtigen. Die europäischen Zusammenrechnungsregelungen lassen eine solche Differenzierung zwischen Zeiten aufgrund 67 68

Unverbindliche, konsolidierte Fassungen dieser Verordnungen sind veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1 und SR 0.831.109.268.11.

SR 0.632.31

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einer Erwerbstätigkeit und anderen gleichgestellten Zeiten (z. B. Erziehungszeiten, Studium) zu. Mindestversicherungszeiten in einer Versicherung für Erwerbstätige sollen nicht durch Anrechnung von ausländischen Zeiten, die nicht auf einer Erwerbstätigkeit beruhen, erfüllt werden können. Da praktisch kein EU- oder EFTAMitgliedstaat eine analoge gesetzliche betriebliche Vorsorge kennt, die in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fällt (vgl. Ziff. 4), werden die schweizerische AHV und die obligatorische berufliche Vorsorge mit der gesetzlichen Rentenversicherung der EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten koordiniert. Bei der Berücksichtigung von ausländischen Zeiten kann daher nicht weiter differenziert werden. So können die anzurechnenden Zeiten aus den EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten nicht auf solche beschränkt werden, die in einem System der obligatorischen betrieblichen Vorsorge eines EU- oder EFTA-Mitgliedstaats zurückgelegt wurden.

Aufgrund von Artikel 52 i. V. m. Artikel 57 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 haben Personen, die mindestens ein Versicherungsjahr in der Schweiz zurückgelegt haben und die die 15-jährige Mindestversicherungszeit nur aufgrund der Anrechnung von Versicherungszeiten aus EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten erfüllen, lediglich Anspruch auf einen proportionalen Teil des Rentenzuschlags entsprechend den in der schweizerischen beruflichen Vorsorge zurückgelegten Versicherungszeiten.

Liegen beispielsweise fünf Versicherungsjahre in der beruflichen Vorsorge vor, so müssen zehn ausländische Versicherungsjahre angerechnet werden und die betroffene Person hat Anspruch auf einen Drittel des Rentenzuschlags. Diese anteilige Berechnung des Rentenzuschlags ist gerechtfertigt, da Personen, welche die Mindestversicherungszeit in der obligatorischen beruflichen Vorsorge nur aufgrund der Anrechnung von ausländischen Zeiten erfüllen können, von der Senkung des Umwandlungssatzes nicht in vollem Umfang betroffen sind.

Im Unterschied zu Altersrenten der beruflichen Vorsorge oder der AHV ist der Zuschlag nicht gemäss Artikel 52 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 autonom nach schweizerischem Recht zu berechnen. Es handelt sich nämlich beim Rentenzuschlag um eine neue Leistung, deren Höhe unabhängig ist von den gezahlten Beiträgen.

Im Ergebnis erhalten Personen, welche die
Mindestvoraussetzungen allein nach den schweizerischen Rechtsvorschriften erfüllen, den nach nationalem Recht vorgesehenen Fixbetrag zur vollen Kompensation der Senkung des Umwandlungssatzes, während Personen, welche die Mindestvoraussetzungen unter Anrechnung von Versicherungszeiten in EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten erfüllen, einen Teilbetrag zur entsprechend proportionalen Kompensation der Senkung des Umwandlungssatzes erhalten.

Im Übrigen bieten die in der Reformvorlage vorgesehenen Massnahmen keine Probleme hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht.

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8.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Die vorliegenden Änderungen des BVG, des FZG und des VAG erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

8.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Reformvorlage sieht vor, dem Bundesrat die Kompetenz zu übertragen: ­

die Mindestumwandlungssätze beim Vorbezug und beim Aufschub der Altersleistung zu bestimmen (Art. 14 Abs. 2bis);

­

die Einzelheiten für die Anrechnung von Versicherungsjahren und die Modalitäten für deren Nachweis zu bestimmen (Art. 47c Abs. 3);

­

festzulegen, wie geprüft werden soll, dass eine Person die Leistung zu mindestens 50 Prozent in Rentenform bezieht (Art. 47c Abs. 4);

­

die besonderen Fälle zu bestimmen, in welchen eine Person Anspruch auf Rentenzuschlag hat, auch wenn sie die Bedingung nicht erfüllt, dass 50 Prozent der Leistung als Rente bezogen werden müssen (Art. 47c Abs. 5);

­

nach einer Übergangsperiode von 13 Jahren die Höhe des Rentenzuschlags aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel zu bestimmen (Art. 47e Abs. 1, vgl. auch Erläuterungen zur Übergangsbestimmung c);

­

den Kürzungssatz für den Rentenzuschlag festzulegen, wenn die Rente vorbezogen wird (Art. 47e Abs. 2 und Übergangsbestimmung b Abs. 2);

­

die Modalitäten der Auszahlung des Rentenzuschlags für Personen zu regeln, die eine Rente von mehreren Vorsorgeeinrichtungen beziehen (Art. 47g Abs. 2).

Die Reformvorlage sieht die Aufhebung von Artikel 58 (Zuschüsse bei ungünstiger Altersstruktur) und damit auch die Aufhebung der in dessen Absatz 2 geregelten Kompetenzdelegation an den Bundesrat vor.

8.5

Datenschutz

Die vorgeschlagenen Massnahmen stellen datenschutzrechtlich kein Problem dar.

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Glossar Altersguthaben

Guthaben einer versicherten Person, welches der Finanzierung ihrer Vorsorgeleistung dient. Das Altersguthaben besteht aus der Summe der ­ eingebrachten Freizügigkeitsleistungen samt Zinsen, ­ Altersgutschriften samt Zinsen, ­ freiwilligen Einkäufe samt Zinsen.

Altersgutschrift

Betrag, der jährlich dem Altersguthaben einer versicherten Person gutgeschrieben wird. Die Sätze werden in Prozent des koordinierten Jahreslohnes festgesetzt und hängen vom Alter der versicherten Person ab.

Auffangeinrichtung

Arbeitgeber müssen sich einer Vorsorgeeinrichtung anschliessen. Tun sie dies nicht, so werden sie zwangsweise der Auffangeinrichtung angeschlossen. So kann das Obligatorium in der beruflichen Vorsorge durchgesetzt werden. Darüber hinaus versichert die Auffangeinrichtung Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende, die nicht vom Obligatorium erfasst werden, sich aber freiwillig versichern möchten. Der Auffangeinrichtung müssen auch die Austrittsleistungen von Personen überwiesen werden, die aus einer Vorsorgeeinrichtung austreten und dieser nicht mitteilen, an welche neue Vorsorgeeinrichtung oder Freizügigkeitseinrichtung die Austrittsleistung überwiesen werden muss.

Beitragsprimat

Die Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen werden auf der Grundlage des Altersguthabens festgesetzt. Sie hängen somit von den bezahlten Beiträgen, den eingebrachten Freizügigkeitsleistungen und den Einkäufen ab, jeweils inklusive Verzinsung. Weitaus die meisten Vorsorgeeinrichtungen werden im Beitragsprimat geführt (vgl. dazu Leistungsprimat).

Deckungsgrad

Der Deckungsgrad einer Vorsorgeeinrichtung entspricht dem Verhältnis ihrer Verpflichtungen zum Vorsorgevermögen.

Sind die Verpflichtungen einer Vorsorgeeinrichtung höher als ihr Vermögen, so befindet sich die Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung und muss saniert werden.

Einkauf

Versicherte haben die Möglichkeit, durch zusätzliche Beiträge Lücken in der beruflichen Vorsorge zu schliessen. Auf diese Weise haben sie Anspruch auf entsprechend höhere Leistungen gemäss Reglement der Vorsorgeeinrichtung. Der maximal mögliche Einkauf bestimmt sich ebenfalls nach dem Reglement der Pensionskasse und bemisst sich nach den reglementarisch höchstmöglichen Leistungen.

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Eintrittsschwelle

Damit eine Person obligatorisch beruflich versichert ist, muss sie bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mindestens 21 330 Franken (2021: 21 510 Fr.) erzielen. Man bezeichnet diesen Mindestlohn als Eintrittsschwelle. Personen, die diesen Lohn nicht erreichen, sind nicht obligatorisch in der 2. Säule versichert. Personen, die ihn bei mehreren Arbeitgebern erreichen, können sich freiwillig (in der Regel bei der Auffangeinrichtung) versichern.

Freizügigkeitseinrichtung

Freizügigkeitseinrichtungen dienen der Erhaltung des Vorsorgeschutzes. Wenn eine versicherte Person eine Vorsorgeeinrichtung verlässt und nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintritt, muss die Austrittsleistung gemäss FZG an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen werden.

Kapitaldeckungsverfahren

Im Kapitaldeckungsverfahren wird während der Erwerbskarriere planmässig ein Altersguthaben aufgebaut, mit welchem die geschuldeten Versicherungsleistungen finanziert werden. Altersleistungen nach BVG werden im Kapitaldeckungsverfahren vorfinanziert. Die Kapitalien werden am Kapitalmarkt angelegt. Im Gegensatz zum Kapitaldeckungsverfahren werden beim Umlageverfahren ­ wie z. B.

in der AHV ­ die eingezahlten Gelder laufend für andere Versicherte verwendet.

Koordinationsabzug Um den koordinierten Lohn zu bestimmen, wird vom massgebenden Lohn ein sogenannter Koordinationsabzug vorgenommen. Der Abzug beträgt derzeit 7/8 der maximalen AHV-Rente, das entspricht 24 885 Franken (2021: 25 095 Fr.). Mit der Reform soll er halbiert werden.

koordinierter Lohn

Als koordinierter Lohn bezeichnet wird der Teil des Jahreslohnes, der obligatorisch versichert ist, wenn die Eintrittsschwelle erreicht wird. Er entspricht dem massgebenden Lohn abzüglich des Koordinationsabzugs und beträgt mindestens 3555 Franken (2021: 3585 Fr.). Lohnanteile über dem oberen Grenzbetrag von 85 320 Franken (2021: 86 040 Fr.) gehören nicht zum koordinierten Lohn.

Leistungsprimat

Im Leistungsprimat werden die Versicherungsleistungen als Prozentsatz des versicherten Lohns umschrieben. Die Beiträge werden so festgesetzt, dass sie zusammen mit der Verzinsung ausreichen, um das für die Leistungen erforderliche Vorsorgekapital zu bilden. Nur noch eine kleine Minderheit von Vorsorgeeinrichtungen wird im Leistungsprimat geführt. Die meisten wenden das Beitragsprimat an.

In einigen Vorsorgeeinrichtungen wird das Leistungsprimat nur für die Invalidenleistungen angewandt.

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Mindestzinssatz

Zinssatz, mit dem die Altersguthaben im Obligatorium mindestens verzinst werden müssen. Der Mindestzinssatz wird vom Bundesrat festgelegt. Dieser berücksichtigt dabei die Renditeentwicklung verschiedener Wertanlagen wie Bundesobligationen, Anleihen, Aktien und Liegenschaften.

Für 2021 beträgt der Mindestzinssatz 1 Prozent. Die Verzinsung der Altersguthaben, die dem Überobligatorium zuzurechnen sind, wird nicht vom Bundesrat, sondern vom obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung beschlossen.

Obligatorium

Das BVG definiert, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen sein müssen und welche Leistungen die Vorsorgeeinrichtungen mindestens erbringen müssen. Obligatorisch versichert sind die Löhne zwischen der Eintrittsschwelle und dem oberen Grenzbetrag, also zwischen 21 330 und 85 320 Franken (2021: 21 510 und 86 040). Es gibt Einrichtungen, die über das Obligatorium hinaus Leistungen ausrichten ( Überobligatorium).

Register für die Alle Vorsorgeeinrichtungen, die die obligatorische berufliberufliche Vorsorge che Vorsorge durchführen, müssen sich in das Register für die berufliche Vorsorge eintragen lassen. Sie werden «registrierte Vorsorgeeinrichtungen» genannt, um sie von den Vorsorgeeinrichtungen zu unterscheiden, die ausschliesslich überobligatorische Leistungen versichern und nicht im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen sind.

Rückstellungen

Vorsorgeeinrichtungen müssen für die versicherungstechnischen Risiken, die sie selber tragen, versicherungstechnische Rückstellungen bilden. Am wichtigsten sind die Rückstellungen für die steigende Lebenserwartung, für die Pensionierungsverluste und für die Risiken Tod und Invalidität.

Schattenrechnung

Das BVG verpflichtet alle registrierten Vorsorgeeinrichtungen, individuelle Alterskonten nach den BVG-Normen zu führen. In dieser sogenannten Schattenrechnung ist ersichtlich, wie hoch die Mindestleistungen nach BVG sind, welche die Vorsorgeeinrichtung mindestens zu garantieren hat.

Sicherheitsfonds

Der Sicherheitsfonds ist eine Stiftung, die von sämtlichen Vorsorgeeinrichtungen finanziert wird, die dem FZG unterstellt sind. Er stellt bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen bis zum anderthalbfachen oberen Grenzbetrag ( Koordinationsabzug) sicher und leistet Ausgleichszahlungen an Vorsorgeeinrichtungen mit ungünstiger Altersstruktur.

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technischer Zinssatz Der technische Zinssatz wird für die Diskontierung der künftigen Leistungen (und der Beiträge im Leistungsprimat) angewendet. Je tiefer der technische Zins ist, desto höher muss das Vorsorgekapital einer Vorsorgeeinrichtung sein. Der technische Zinssatz muss so gewählt werden, dass er durch den Vermögensertrag finanziert werden kann.

Der technische Zinssatz unterscheidet sich vom Zinssatz, zu dem die Altersguthaben verzinst werden.

Überobligatorium

Es gibt Einrichtungen, die über das Obligatorium hinaus Leistungen ausrichten. In diesem Fall spricht man von der überobligatorischen Vorsorge.

umhüllende Vorsorgeeinrichtungen

Umhüllende Vorsorgeeinrichtungen sind Einrichtungen, die Leistungen sowohl des Obligatoriums als auch des
Überobligatoriums erbringen.

Umwandlungssatz

Mit diesem Prozentsatz wird aus dem Altersguthaben die jährliche Altersrente berechnet. Der Mindestumwandlungssatz schreibt vor, wie das Altersguthaben im Zeitpunkt des ordentlichen Rentenalters (aktuell 65 für Männer und 64 für Frauen) in der obligatorischen beruflichen Vorsorge ( Obligatorium) in eine Rente umzurechnen ist. Aktuell beträgt er 6,8 Prozent. Mit der Reform soll er auf 6 Prozent gesenkt werden.

Unterdeckung

Deckungsgrad

versicherungstechnische Grundlagen

Vorsorgeeinrichtungen berechnen die für ihre Leistungen notwendige Finanzierung nach Massgabe versicherungstechnischer Grundlagen. Diese Grundlagen weisen verschiedene Wahrscheinlichkeiten aus, die auf der Basis von Angaben grosser Pensionskassen berechnet werden, namentlich die Lebenserwartung, das Invaliditäts- und Todesfallrisiko oder die Wahrscheinlichkeit, dass eine verwitwete Person wieder heiratet. Vorsorgeeinrichtungen arbeiten mit Grundlagen, die entweder auf den Daten grosser privatrechtlicher Vorsorgeeinrichtungen oder verschiedener öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen basieren. Versicherungsgesellschaften haben eigene versicherungstechnische Grundlagen.

Vorsorgeplan

Als Vorsorgeplan bezeichnet man die im Reglement einer Vorsorgeeinrichtung festgelegten Leistungen und deren Finanzierung. Vorsorgeeinrichtungen bieten zum Teil unterschiedliche Vorsorgepläne an (z. B. verschiedene Sätze für die Altersgutschriften).

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Wertschwankungsreserven

Zum Ausgleich der Schwankungen auf den Kapitalmärkten muss jede Vorsorgeeinrichtung, die ihr Vermögen selber anlegt, eine Wertschwankungsreserve bilden. Diese beträgt je nach Anlagestrategie zwischen 10 und 20 Prozent des Vorsorgevermögens.

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Literaturverzeichnis Müller, André; Schoch, Tobias; Bachmann, Thomas; Egli, Florian; Marti, Michael; Walker, Philipp; Böhringer, Christoph. Reform der Altersvorsorge 2020: Auswirkungen auf Beschäftigung, Löhne und Arbeitskosten. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 9/14. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen BSV.

Zitiert als: Müller und andere (2014).

Müller, André; Marti, Michael; Elbel, Roman; Strahm, Svenja; Schoch, Tobias (2020). Reform der beruflichen Vorsorge (BVG-Reform). Auswirkungen auf Beschäftigung, Löhne, Arbeitskosten und Umverteilung. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 13/20. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen BSV.

Zitiert als: Müller und andere (2020).

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