Erfüllung angenommener Motionen und Postulate Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 7. Mai 2019

2019-3654

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Herausgegriffen

2233 Motionen und Postulate wurden von den eidgenössischen Räten in den letzten 15 Jahren angenommen.

72 % der in diesem Zeitraum eingereichten Motionen und Postulate wurden nicht angenommen.

1218 Tage, also rund 3 Jahre und 4 Monate, verstreichen durchschnittlich zwischen der Annahme und der Abschreibung eines Vorstosses.

p Urheberinnen und Urheber

Von den 2233 angenommenen Motionen und Postulaten wurden über zwei Drittel von einzelnen Ratsmitgliedern und knapp ein Viertel von parlamentarischen Kommissionen eingereicht. Die restlichen 7 % wurden von den Fraktionen eingereicht.

Annahme

In der überwiegenden Mehrheit der Fälle nimmt das Parlament den Antrag des Bundesrates, eine Motion oder ein Postulat abzuschreiben, an.

Nachverfolgung

Der jährliche Bericht über Motionen und Postulate ist das einzige Instrument, das dem Parlament zur Verfügung steht, um die Erfüllung seiner Aufträge nachzuverfolgen.

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Das Wichtigste in Kürze Generell gesehen setzt der Bundesrat die Motionen und Postulate, die ihm das Parlament überweist, angemessen um. Die Vorstösse sind allerdings sehr unterschiedlich und ihre Erfüllungsdauer schwankt sehr stark. Die Prozesse und Instrumente, um die Erfüllung der Vorstösse zu überprüfen, sind nur bedingt geeignet.

Im Januar 2018 beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) damit, die Erfüllung angenommener Motionen und Postulate zu evaluieren. Die zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK des Ständerates entschied an ihrer Sitzung vom 7. Mai 2018, dass die PVK im Rahmen der Evaluation die zeit- und sachgerechte Erfüllung der Vorstösse sowie deren Nachverfolgung analysieren solle. Die Subkommission sprach sich zudem dafür aus, die Sichtweise der Urheberinnen und Urheber der Vorstösse zu berücksichtigen.

Der vorliegende Bericht beruht insbesondere auf einer statistischen Analyse, die das Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern im Auftrag der PVK durchgeführt hat. Die Analyse stützt sich auf bereits vorliegende Daten sowie auf von der PVK und der Parlamentsbibliothek neu erhobene Daten. Um die angemessene Erfüllung der parlamentarischen Vorstösse und das Verfahren zur Nachverfolgung zu überprüfen, hat die PVK ausserdem Dokumentenanalysen und Interviews mit rund 40 Personen durchgeführt. Zudem hat sie acht Fälle detailliert untersucht, um zu bewerten, inwieweit die mit dem Vorstoss verknüpften Erwartungen der Urheberin oder des Urhebers der tatsächlichen Umsetzung des Vorstosses entsprechen.

Bei der Erfüllung der Motionen und Postulate besteht Handlungsspielraum Dass Motionen und Postulaten Aufträge an den Bundesrat darstellen, ist unumstritten, die Tragweite dieser Aufträge wird jedoch unterschiedlich ausgelegt. So vertreten die beteiligten Akteure erstens unterschiedliche Auffassungen darüber, inwiefern Anliegen, die nur im der Begründungstext zu einem Vorstoss formuliert sind, verbindlich sind. Zweitens kann der Bundesrat die Abschreibung eines Vorstosses beantragen, wenn entweder dessen Ziele seiner Ansicht nach erreicht sind oder wenn der Vorstoss nicht länger aufrechterhalten werden soll. Die Grenze zwischen diesen beiden Beurteilungen ist unklar und die Auffassung des Bundesrates,
wann die Anliegen erfüllt sind, entspricht nicht immer jener der Urheberinnen und Urheber des Vorstosses. Drittens kommt hinzu, dass in den Vorstössen sehr unterschiedliche und gleichzeitig mehrere Aufträge formuliert werden und manche Aufträge einer Daueraufgabe entsprechen. Deshalb ist zuweilen schwierig zu bestimmen, wann ein Vorstoss als erfüllt gilt.

Bundesrat kommt seiner Erfüllungspflicht grundsätzlich nach Obwohl es auf Bundesebene keine gesetzliche Frist für die Erfüllung von Motionen oder Postulaten gibt, interpretiert die Mehrheit der Befragten die Frist von zwei Jahren, nach denen der Bundesrat über den Stand der Umsetzung Bericht erstatten muss, als Erfüllungsfrist. Wenn die zwei Jahre als Kriterium herangezogen werden,

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stellt die Untersuchung der PVK fest, dass die Hälfte aller Vorstösse innert dieser Frist umgesetzt wird. Die Art der Aufträge in den Motions- und Postulatstexten wird im Allgemeinen bei der Umsetzung beachtet, d. h. wenn eine Motion die Vorlage eines Erlassentwurfs verlangt, wird tatsächlich ein entsprechender Entwurf vorgelegt. Die Art und Weise, wie die Anliegen umgesetzt werden, ist hingegen nicht immer gänzlich angemessen und erfüllt die Erwartungen der Urheberinnen und Urheber der Vorstösse oft nur teilweise. Die geringe Anzahl von Fällen, in denen das Parlament die Abschreibung eines Vorstosses ablehnt, bezeugt allerdings, dass der Bundesrat grundsätzlich etwas unternimmt, doch bedeutet dies nicht zwingend, dass das Parlament mit der Umsetzung restlos zufrieden ist.

Erfüllungsdauer ist weitgehend durch faktische Gründe erklärbar Durchschnittlich vergehen zwischen der Annahme einer Motion oder eines Postulats und der Abschreibung durch das Parlament drei Jahre und vier Monate. Zwischen Motionen und Postulaten zeigt die Analyse diesbezüglich keinen signifikanten Unterschied. Allerdings variiert die Dauer stark von Vorstoss zu Vorstoss, was vor allem faktische Gründe hat. So wird die Umsetzung erheblich verlangsamt durch die Arbeitsbelastung der zuständigen Bundesämter: Bei den sieben Verwaltungseinheiten, die allein für knapp die Hälfte der angenommenen Vorstösse zuständig sind, dauert die Erfüllung im Schnitt dreieinhalb Monate länger als bei den anderen Bundesämtern. Dagegen führen politische Aspekte wie z. B. die Urheberschaft (Kommission, Fraktion oder einzelnes Ratsmitglied), der Einreichungsrat (Nationaloder Ständerat), oder das Ausmass der parlamentarischen Unterstützung bei der Annahme eines Vorstosses weder zu einer längeren noch zu einer kürzeren Erfüllungsdauer.

Kompliziertes und ineffizientes Berichterstattungsverfahren An der Nachverfolgung der Motionen und Postulate sind zahlreiche Akteure auf verschiedenen Ebenen beteiligt: die Parlamentsdienste, die Bundeskanzlei (BK), die Generalsekretariate, Bundesämter und Übersetzungsdienste. Der Datenaustausch unter diesen Akteuren erfolgt derzeit noch nicht automatisch. Da nicht alle zu den gleichen Datenbanken Zugang haben, müssen die übermittelten Informationen in den verschiedenen Systemen oft manuell und doppelt erfasst werden,
was ineffizient ist und zu Fehlern führen kann. Im Übrigen existiert ein gewisses Spannungsfeld zwischen der Verantwortung für die Texte, die im jährlichen Bericht des Bundesrates erscheinen und die bei den Departementen liegt, und der Verantwortung für diesen Bericht als Gesamtprodukt, die bei der BK liegt. Dadurch entsteht eine Unsicherheit darüber, wer letztlich für den Bericht sowie dessen Inhalte hauptverantwortlich ist.

Geringe Nachverfolgung durch das Parlament anhand eines nur mässig geeigneten Instruments Der jährliche Bericht des Bundesrates über Motionen und Postulate ist das einzige Instrument des Parlaments, um die Erfüllung der Aufträge durch die Regierung zu kontrollieren. Die Analysen der PVK haben jedoch gezeigt, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier ein geringes politisches Interesse an der Nachverfolgung

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haben und sie die Motionen und Postulate meistens abschreiben ­ trotz einer nur mittleren Zufriedenheit mit der Erfüllung der Anliegen. Weiter eignet sich die heutige Berichtsform nicht für eine kontinuierliche Nachverfolgung, da die Informationen über die Umsetzung eines Vorstosses auf Berichte mehrerer Jahre verstreut und in der Geschäftsdatenbank des Parlaments nicht ersichtlich sind, was der Transparenz abträglich ist. Es ist fraglich, wieweit der jährliche Bericht in seiner heutigen Form für die Nachverfolgung der Erfüllung der Motionen und Postulate durch das Parlament von Nutzen ist.

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Inhaltsverzeichnis Herausgegriffen

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Das Wichtigste in Kürze

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1

Einleitung 1.1 Anlass und Fragestellungen der Evaluation 1.2 Vorgehen 1.2.1 Datenerhebung und -analyse 1.2.2 Grenzen der Evaluation 1.3 Aufbau des Berichts

432 432 433 433 435 436

2

Erfüllung angenommener Motionen und Postulate 2.1 Verfahren zur Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate 2.1.1 Auftrag an den Bundesrat 2.1.2 Konkrete Umsetzung durch den Bundesrat 2.1.3 Abschreibungsantrag des Bundesrates 2.1.4 Prüfung des Abschreibungsantrags durch die Kommissionen 2.1.5 Abschreibungsbeschluss des Parlaments 2.2 Jährlicher Bericht über Motionen und Postulate

436

Zeitgerechte Erfüllung 3.1 Fehlinterpretation der zweijährigen gesetzlichen Berichterstattungspflicht 3.2 Gleichlange Erfüllungsdauer bei Motionen und Postulaten 3.3 Erfüllungsdauer abhängig von der Zahl der behandelten Vorstösse 3.4 Keine schnellere Behandlung von Kommissionsvorstössen

444

3

4

5

430

439 441 441 442 442 443 443

445 445 447 449

Sachgerechte Erfüllung 4.1 Unklare parlamentarische Aufträge 4.2 Oft begrenzter Einfluss der Motionen und Postulate auf die Umsetzungsmassnahmen 4.3 Anliegen in formaler Hinsicht oft umgesetzt 4.4 Ziele teilweise erfüllt

450 450

Angemessenheit der Instrumente zur Kontrolle der Erfüllung 5.1 Ineffizientes und fehleranfälliges Verfahren zur Nachverfolgung der Motionen und Postulate 5.2 Gute Koordination trotz unklarer Kompetenzverteilung zwischen BK und Departementen 5.3 Potenziell nützliche Informationen in ungeeigneter Form 5.4 Abschreibung vom Parlament nur selten abgelehnt

457

452 453 455

458 460 461 463

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6

Schlussfolgerungen 6.1 Bundesrat verfügt über Handlungsspielraum bei der Erfüllung von Motionen und Postulaten 6.2 Bundesrat kommt seiner Erfüllungspflicht grundsätzlich nach 6.3 Erfüllungsdauer ist weitgehend durch faktische Gründe erklärbar 6.4 Kompliziertes und ineffizientes Berichterstattungsverfahren 6.5 Geringe Nachverfolgung durch das Parlament anhand eines nur mässig geeigneten Instruments

464 464 465 466 467 468

Abkürzungsverzeichnis

469

Literatur und Dokumentenverzeichnis

471

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

472

Angang 1: Vorgehensweise der Evaluation

474

Anhang 2: Auswahl der Fallstudien

475

Impressum

477

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Anlass und Fragestellungen der Evaluation

Motion und Postulat gehören zu den verbindlichsten parlamentarischen Vorstössen, die den eidgenössischen Räten gegenüber dem Bundesrat zur Verfügung stehen.

Wird eine Motion von beiden Räten angenommen, dann muss der Bundesrat handeln und einen Erlassentwurf vorlegen oder eine Massnahme ergreifen. Ein von einem Rat angenommenes Postulat beauftragt den Bundesrat, einen Bericht zu verfassen. Nach Ablauf einer Frist von zwei Jahren hat der Bundesrat jährlich darüber zu orientieren, was er zur Erfüllung des Auftrags unternommen hat und wie er diesen zu erfüllen beabsichtigt. Diese Berichterstattung erfolgt mittels eines von der Bundeskanzlei (BK) koordinierten jährlichen Berichts über Motionen und Postulate.

Wenn der Bundesrat der Ansicht ist, dass die Anliegen erfüllt sind oder die Motion bzw. das Postulat nicht aufrechterhalten werden soll, kann er dem Parlament beantragen, den Vorstoss1 abzuschreiben, d. h. den Auftrag als erfüllt zu betrachten.

Motionen und Postulate sind also ein zentrales Instrument in den Beziehungen zwischen Parlament und Bundesrat. Verschiedene Studien haben sich insbesondere mit den Kosten befasst, welche für die noch vor der Behandlung im Parlament zu erteilenden Antworten des Bundesrates auf parlamentarische Vorstösse anfallen (siehe Kap. 2). Dabei wurde allerdings nie untersucht, wie der Bundesrat und die Bundesverwaltung die angenommenen Vorstösse erfüllen. Es fehlte eine Gesamtübersicht über die Umsetzung aller angenommenen Motionen und Postulate. Die Datenbank der Parlamentsdienste enthält Informationen zu den Parlamentsgeschäften, jedoch keine Daten zum Realisierungsstand der angenommenen Motionen und Postulate, und die Abschreibung eines parlamentarischen Vorstosses war darin erst seit 2013 systematisch erfasst. Im Übrigen geht aus der Geschäftsdatenbank nicht hervor, ob eine Motion oder ein Postulat abgeschrieben wurde, weil der Bundesrat den Auftrag für erfüllt erachtete, oder ob für die Abschreibung andere Gründe vorlagen.

Vor diesem Hintergrund beschlossen die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) an ihrer Sitzung vom 30. Januar 2018, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) damit zu beauftragen, die Erfüllung angenommener Motionen und Postulate zu evaluieren. Der Auftrag wurde der Subkommission EJPD/BK der Geschäftsprüfungskommission
des Ständerates (GPK-S) zugewiesen. Diese beschloss an ihrer Sitzung vom 7. Mai 2018 gestützt auf die von der PVK vorgelegte Projektskizze, dass die Evaluation die folgenden Fragestellungen behandeln sollte:

1

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Der Begriff «Vorstösse» oder «parlamentarische Vorstösse» wird im Folgenden synonym zu «Motionen und Postulate» verwendet.

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1.

Erfolgt die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate zeitgerecht?

­ Sind allfällige Unterschiede zwischen den Departementen oder den Bundesämtern bezüglich Art und Dauer der Erfüllung begründet?

2.

Ist die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate insgesamt sachgerecht?

­ Haben die angenommenen Motionen und Postulate die von den Urheberinnen und Urhebern ursprünglich angestrebte Wirkung?

3.

Gewährleisten die bestehenden Instrumente, dass das Parlament die Erfüllung seiner Aufträge angemessen überwachen kann?

1.2

Vorgehen

Zur Beantwortung der Evaluationsfragen hat die PVK die Erfüllung und Nachverfolgung der angenommenen Motionen und Postulate anhand der in Kapitel 1.2.1 beschriebenen Methoden zur Datenerhebung und -analyse geprüft. Die Grenzen der Untersuchung werden in Kapitel 1.2.2 beschrieben. Eine schematische Darstellung des Evaluationsverfahren findet sich in Anhang 1 des Berichts.

1.2.1

Datenerhebung und -analyse

Die Methoden zur Datenerhebung und -analyse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1

Zeitgerechte Erfüllung Unterschiede zwischen den Departementen und Bundesämtern Sachgerechte Erfüllung Beabsichtigte versus erzielte Wirkung Nachverfolgung der Erfüllung

2 3

Fallstudien

1

Interviews

Problemstellung

Dokumentenanalyse

Frage

Statistische Analyse (externes Mandat)

Methodenübersicht




() -

() -

() -

() -









-

Legende: sekundärer Beiträge zur Analyse sind in Klammern gesetzt

433

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Für die statistische Analyse erhoben die PVK und die Parlamentsbibliothek in einem ersten Schritt die in der Geschäftsdatenbank der Parlamentsdienste (CURIA) verfügbaren Informationen über die Verfahren zur Annahme und Abschreibung von parlamentarischen Vorstössen. Diese Daten betreffen die 977 Motionen und 1256 Postulate (insgesamt 2233 Vorstösse), die zwischen dem 1. Dezember 2003 und dem 16. März 2018 eingereicht und angenommen wurden2. Die Informationen über die Abschreibung der Motionen und Postulate wurden systematisch ergänzt, da sie erst seit 2013 in der Datenbank erfasst wurden. Zudem erhob die PVK für eine repräsentative Stichprobe von 300 Motionen und 300 Postulaten zusätzliche Daten zu den in den Vorstössen geforderten Massnahmen und zu den im Abschreibungsantrag des Bundesrates beschriebenen Umsetzungsmassnahmen3. In einem zweiten Schritt führte das nach einem Ausschreibungsverfahren von der PVK beauftragte Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern eine Analyse dieser Daten durch4.

Die übrigen Datenanalysen wurden von der PVK selbst vorgenommen. Für die Dokumentenanalyse prüfte die PVK insbesondere die Rechtsgrundlagen, die internen Weisungen zur Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate sowie die Protokolle der Kommissionssitzungen, an denen der jährliche Bericht behandelt wurde.

Zwischen Juli und Oktober 2018 führte die PVK zudem rund 20 Interviews mit Mitarbeitenden der BK und der Generalsekretariate der sieben Departemente sowie mit Mitarbeitenden der Parlamentsdienste (siehe Liste der befragten Personen am Ende des Berichts).

Zwischen Oktober und Dezember 2018 erarbeitete die PVK Fallstudien zu acht von Ratsmitgliedern eingereichten Vorstössen, um deren Umsetzung sowie die Erfüllung der an die Vorstösse geknüpften Erwartungen der Urheberin oder des Urhebers im Detail zu analysieren. Die in Tabelle 2 aufgelisteten vier Motionen und vier Postulate wurden nach mehreren Kriterien ausgewählt, um die verschiedenen Möglichkeiten zu veranschaulichen: Motionen und Postulate, Parteizugehörigkeit der Urheberinnen und Urheber der Vorstösse, im Nationalrat und im Ständerat eingereichte Vorstösse usw. (siehe Anhang 2). Für die Analyse führte die PVK rund 15 Interviews mit den Personen, welche die Motion oder das Postulat eingereicht hatten, sowie mit denjenigen,
welche in der Bundesverwaltung für die Umsetzung zuständig sind. Daneben wurden verschiedene Dokumente zu den Vorstössen analysiert (Text und Begründung des Vorstosses, Parlamentsdebatten, verwaltungsinterne Dokumente usw.).

2

3

4

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Der Anfang des Analysezeitraums entspricht dem Inkrafttreten des Parlamentsgesetzes (ParlG, SR 171.10), welches das Verfahren zur Behandlung der Motionen und Postulate stark verändert hat. Das Ende des Zeitraums fällt auf den letzten Tag der parlamentarischen Frühjahrssession 2018, sodass bei der Analyse möglichst aktuelle Daten integriert werden konnten.

Die PVK analysierte nur die in Kapitel I des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate beschriebenen Abschreibungsanträge. Die in besonderen Berichten oder in den Botschaften des Bundesrates über einen Erlassentwurf der Bundesversammlung enthaltenen Abschreibungsanträge wurden nicht berücksichtigt.

Stadelmann-Steffen, Isabelle / Oehrli, Dominique / Vatter, Adrian (2019): Erfüllung angenommener Motionen und Postulate: Statistische Datenanalyse. Bericht zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK). Bern: Institut für Politikwissenschaft.

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Tabelle 2 Für die Fallstudien ausgewählte Motionen und Postulate Geschäftsnr.

Eingereicht von

Titel

Po. 12.3454

Jean-Pierre Grin (SVP, Imkerei. Finanzielle Unterstützung der Erneuerung dezimierter VD), Nationalrat Bienenbestände

Po. 12.3641

Raphaël Comte (FDP, NE), Ständerat

Rahmenbedingungen für die Praktiken von Inkassounternehmen

Mo. 12.3789 Joachim Eder (FDP, ZG), Ständerat

Bürokratieabbau bei genehmigungspflichtigen und meldepflichtigen Änderungen von Arzneimitteln

Mo. 12.4139 Pirmin Bischof (CVP, SO), Ständerat

Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs

Po. 13.3658

Verletzungen des Wirtschafts- und Steuerrechts ausländischer Rechtsstaaten durch Mitarbeitende und Kader schweizerischer Banken und anderer Finanzintermediäre. Prüfung von Strafbestimmungen

Roberto Zanetti (SP, SO), Ständerat

Mo. 14.3045 Edith Graf-Litscher (SP, Publikation der Basisinformationen aller Beschaffungen des TG), Nationalrat Bundes ab 50 000 Franken Po. 14.3514

Hansjörg Knecht (SVP, Agrarpolitik 2018­2021. Massnahmenplan zum Abbau der überAG), Nationalrat bordenden Bürokratie und zur Personalreduktion in der Verwaltung

Mo. 14.3872 Fabio Regazzi (CVP, TI), Nationalrat

Für eine korrekte Nutzung der Amtssprachen in den öffentlichen Ausschreibungen von bundesnahen Betrieben

Die PVK diskutierte die wichtigsten Evaluationsergebnisse mit der BK, bevor sie den Berichtsentwurf im Februar/März 2019 den Departementen, der BK und den Parlamentsdiensten zur Stellungnahme unterbreitete.

1.2.2

Grenzen der Evaluation

Die Grenzen der Evaluation ergeben sich hauptsächlich aus den verfügbaren statistischen Daten. Zahlreiche Angaben in den Datenbanken der Parlamentsdienste liegen nicht in strukturierter Form vor und bestimmte Informationen werden erst seit einigen Jahren erfasst. Die PVK musste zusammen mit der Parlamentsbibliothek umfassende Arbeiten zur Datenbereinigung und -strukturierung durchführen. In dieser Etappe wurden gewisse Fehler in der Datenbank entdeckt und korrigiert. Im Übrigen zeigte sich, dass nur wenige Angaben betreffend die sachgerechte Erfüllung vorliegen, weshalb dieser Aspekt der Erfüllung nicht so vertieft untersucht werden konnte wie geplant.

Die sachgerechte Erfüllung wurde hauptsächlich mittels Analysen der Stichprobe von 300 Motionen und 300 Postulaten sowie durch die Gegenüberstellung der Erwartungen der Urheberin oder des Urhebers des Vorstosses und der erzielten Wirkung vorgenommen. Es ist allerdings festzuhalten, dass die angenommenen 435

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Motionen und Postulate Aufträge des oder der zuständigen Räte darstellen und nicht an ein bestimmtes Ratsmitglied gebunden sind. Die Urheberin oder der Urheber spielt aber eine entscheidende Rolle bei der Formulierung und Lancierung des parlamentarischen Auftrags, weshalb ihre bzw. seine Perspektive relevant ist, um das Motions- oder Postulatsanliegen zu verstehen.

Eine letzte Grenze ergibt sich aus der Besonderheit der parlamentarischen Vorstösse.

Da diese von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sind, fällt es schwer, allgemeine und auf alle Motionen und Postulate anwendbare Schlussfolgerungen zu ziehen.

1.3

Aufbau des Berichts

In Kapitel 2 wird die Erfüllung von Motionen und Postulaten und das entsprechende Verfahren erläutert. Ausserdem werden die einschlägigen Rechtsgrundlagen präsentiert. In Kapitel 3 wird die Angemessenheit der für die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate aufgewendeten Dauer (zeitgerechte Erfüllung) evaluiert und somit die erste Hauptfrage der Evaluation behandelt. In Kapitel 4 wird geprüft, ob die Anliegen der Vorstösse bei deren Umsetzung angemessen berücksichtigt werden (sachgerechte Erfüllung) und somit die zweite Hauptfrage behandelt. Gegenstand von Kapitel 5 ist die dritte Frage der Evaluation: die Angemessenheit der Instrumente, über die das Parlament zur Nachverfolgung der Motionen und Postulate verfügt. Kapitel 6 schliesslich enthält die Schlussfolgerungen.

2

Erfüllung angenommener Motionen und Postulate

Artikel 171 der Bundesverfassung (BV)5 sieht vor, dass die Bundesversammlung dem Bundesrat Aufträge erteilen kann und dass das Gesetz die entsprechenden Einzelheiten regelt. Laut dem Parlamentsgesetz (ParlG)6 ist eine Motion ein parlamentarischer Vorstoss, welcher den Bundesrat beauftragt, einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen (Art. 120 ParlG). Ein Postulat beauftragt den Bundesrat zu prüfen, ob ein Entwurf zu einem Erlass vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei, oder verlangt von ihm, einen Bericht über einen anderen Gegenstand zu verfassen (Art. 123 ParlG).

Das Verfahren zur Annahme und Ablehnung der parlamentarischen Vorstösse sowie die mit der Stellungnahme des Bundesrates verbundenen Kosten waren bereits Gegenstand früherer Untersuchungen7. Nur wenige Studien haben sich hingegen 5 6 7

436

Bundesverfassung (BV; SR 101).

Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10).

Siehe dazu insbesondere: Parlamentarische Vorstösse: Verfahren, Statistiken, Kosten, das Vorstosswesen betreffende Änderungsvorschläge sowie Überblick zum Vorstosswesen in anderen europäischen Parlamenten, Arbeitsbericht der PVK zuhanden der GPK vom 25. Febr. 1999, oder Sciarini, Pascal (2006): Le processus législatif. In: Klöti, Ulrich et al. (Hrsg.): Handbuch der Schweizer Politik. Zürich: NZZ Libro, 491­525, oder die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation Spuhler «Kosten der Regulierungsdichte» vom 22. März 2007 (07.3176).

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damit befasst, was nach der Annahme eines Vorstosses durch die Räte passiert, wie der Bundesrat und die Bundesverwaltung mit Vorstössen umgehen oder welche Auswirkungen diese haben8.

Die vorliegende Evaluation betrifft definitiv angenommene und zur Umsetzung an den Bundesrat überwiesene Motionen und Postulate. Diese Definition impliziert, dass die abgelehnten Motionen und Postulate (Art. 121 Abs. 2 erster Satz, Abs. 3 Bst. a, Abs. 4 und Art. 124 Abs. 2 ParlG) sowie die eingereichten und dann zurückgezogenen (Art. 73 Abs. 1 ParlG) oder ohne Ratsbeschluss abgeschriebenen Vorstösse (Art. 119 Abs. 5 ParlG) nicht Teil dieser Analyse sind. Im Evaluationszeitraum wurden nur 28 Prozent der eingereichten Vorstösse angenommen. Wie die nachfolgenden Abbildungen zeigen, unterscheidet sich dieser Anteil zwischen Motionen und Postulaten. Nur ein kleiner Teil der eingereichten Motionen wird letztlich von beiden eidgenössischen Räten angenommen (zwischen 8 und 30 %, siehe Abbildung 1).

8

Beispiel: Brüschweiler, Jonas / Vatter, Adrian (2018): Viele Vorstösse, wenig Wirkung?

Nutzung und Erfolg parlamentarischer Instrumente in der Bundesversammlung.

In: Vatter, Adrian (Hrsg.): Das Parlament in der Schweiz. Macht und Ohnmacht der Volksvertretung. Zürich: NZZ Libro, 67­99.

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Abbildung 1 Anzahl der pro Jahr behandelten Motionen (2004­2017)

Legende: Die Gesamtzahl umfasst die angenommenen, abgelehnten, von der Urheberin oder dem Urheber zurückgezogenen und ohne Ratsbeschluss abgeschriebenen Motionen. Der Anfang des Analysezeitraums entspricht dem Inkrafttreten des ParlG. Nur die nach diesem Datum eingereichten Vorstösse sind berücksichtigt.

Quelle: CURIA

Bei den Postulaten wird ein grösserer Anteil vom zuständigen Rat angenommen, nämlich zwischen 30 und 90 Prozent (siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2 Anzahl der pro Jahr behandelten Postulate (2004­2017)

Legende: Die Gesamtzahl umfasst die angenommenen, abgelehnten, von der Urheberin oder dem Urheber zurückgezogenen und ohne Ratsbeschluss abgeschriebenen Postulate. Der Anfang des Analysezeitraums entspricht dem Inkrafttreten des ParlG. Nur die nach diesem Datum eingereichten Vorstösse sind berücksichtigt.

Quelle: CURIA

Die verschiedenen Etappen bei der Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate sowie die relevanten Rechtsgrundlagen sind in Kapitel 2.1 beschrieben.

Kapitel 2.2 enthält eine Kurzdarstellung des jährlichen Berichts des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte9.

2.1

Verfahren zur Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate

Das Verfahren zur Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate ist unten schematisch dargestellt (Abbildung 3). Anschliessend werden die einzelnen Etappen kurz beschrieben.

9

Im Folgenden: jährlicher Bericht über Motionen und Postulate.

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Abbildung 3 Verfahren zur Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate

440

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2.1.1

Auftrag an den Bundesrat

Nachdem eine Motion oder ein Postulat eingereicht wurde, stellt der Bundesrat Antrag auf Annahme oder Ablehnung des Vorstosses (Art. 121 Abs. 1 und Art. 124 Abs. 1 ParlG). Die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Geschäfts obliegt dann dem zuständigen Rat bzw. den zuständigen Räten. Eine Motion muss von beiden Räten angenommen werden (Art. 121 Abs. 2 bis Abs. 4 ParlG), während ein Postulat nur der Zustimmung des Rates bedarf, in dem es eingereicht wurde (Art. 124 Abs. 2 ParlG). Wenn der Zweitrat über eine Motion befindet, kann er den vom Erstrat (d. h. dem Rat, in dem die Motion eingereicht wurde) angenommenen Text ändern. In diesem Fall geht der Vorstoss wieder an den Erstrat, der die abgeänderte Fassung annehmen oder die Motion definitiv ablehnen kann (Art. 121 Abs. 4 ParlG). Nach der definitiven Annahme des Vorstosses wird der Auftrag zur Erfüllung an den Bundesrat überwiesen.

2.1.2

Konkrete Umsetzung durch den Bundesrat

Der Bundesrat und die Verwaltung können verschiedene Umsetzungsmassnahmen ergreifen: Konsultation verwaltungsinterner und -externer Akteure, Erteilung eines Auftrags zur Durchführung einer Studie, Ausarbeitung von Berichten oder Gesetzesentwürfen, Festlegung und Umsetzung von strategischen Leitlinien usw. Ist das Geschäft nach zwei Jahren noch hängig, d. h. vom Parlament noch nicht abgeschrieben, so hat der Bundesrat den zuständigen Kommissionen darüber zu berichten, was er zur Erfüllung des parlamentarischen Auftrags bisher unternommen hat und wie er diesen zu erfüllen beabsichtigt (Art. 122 Abs. 1 und Art. 124 Abs. 4 ParlG). In der Praxis setzt der Bundesrat diese Vorgabe mittels des von der BK koordinierten jährlichen Berichts über Motionen und Postulate um (siehe Kap. 2.2). In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass die von Ratsmitgliedern oder Fraktionen eingereichten Vorstösse von den Kommissionen vor der Behandlung im Erstrat nicht vorberaten werden, ausser wenn die zuständige Kommission oder der betroffene Rat dies beschliesst (Art. 21 Abs. 2 Geschäftsreglement des Nationalrates [GRN]10, Art. 17 Abs. 3 Geschäftsreglement des Ständerates [GRS]11). Folglich werden die Vorstösse oft erst einer parlamentarischen Kommission zugewiesen, wenn diese vom jährlichen Bericht Kenntnis nehmen muss. Die Zuweisung wird von den Präsidentinnen oder Präsidenten der Räte vorgenommen12. Die Kommissionen behandeln die sie betreffenden Berichtsteile und können bei dieser Gelegenheit bei der Bundesverwaltung ergänzende Informationen einholen.

10 11 12

Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3. Okt. 2003 (GRN; SR 171.13).

Geschäftsreglement des Ständerates vom 20. Juni 2003 (GRS; SR 171.14).

CommGuide [Interne Informationsblätter der Parlamentsdienste]: Kapitel 20.2 «Vorstösse: Kontrolle der Erfüllung, Abschreibung».

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2.1.3

Abschreibungsantrag des Bundesrates

Wenn der Auftrag einer Motion in den Augen des Bundesrates erfüllt ist, kann dieser den beiden Räten die Abschreibung beantragen (Art. 122 Abs. 2 ParlG). In der Praxis wird die Abschreibung im jährlichen Bericht über Motionen und Postulate (siehe Kap. 2.2) oder in der Botschaft über einen Erlassentwurf unterbreitet. Der Bundesrat kann die Abschreibung einer Motion auch beantragen, wenn deren Auftrag nicht erfüllt ist, der Vorstoss seiner Auffassung nach aber nicht mehr aufrechterhalten werden soll. In diesem Fall muss er seinen Standpunkt nicht im jährlichen Bericht, sondern in einem besonderen Bericht zu der abzuschreibenden Motion oder in der Botschaft zu einem sachlich mit der Motion zusammenhängenden Erlassentwurf begründen (Art. 122 Abs. 3 ParlG).

Der Auftrag eines Postulats gilt als erfüllt, wenn der Bundesrat das, was ihm damit aufgetragen wurde, geprüft hat sowie darüber in einem separaten Bericht zur Beantwortung des Postulats, in der Botschaft zu einem Erlassentwurf oder im Geschäftsbericht des Bundesrates Bericht erstattet hat (Art. 124 Abs. 3 ParlG). Der Bundesrat kann dann die Abschreibung beantragen13. Auch wenn das Gesetz den Geschäftsbericht des Bundesrates nennt, so finden sich die Anträge in der Praxis im jährlichen Bericht über Motionen und Postulate14. Anders als bei den Motionen unterliegt der Antrag auf Abschreibung eines Postulats, dessen Auftrag nicht erfüllt wurde, keinen besonderen Anforderungen (Art. 124 Abs. 5 ParlG).

2.1.4

Prüfung des Abschreibungsantrags durch die Kommissionen

Die verschiedenen Abschreibungsanträge werden von den zuständigen parlamentarischen Kommissionen geprüft (Art. 21 GRN, Art. 17 GRS). Die Kommissionen nehmen Stellung zur Begründung des Bundesrates und beantragen dem Rat, das Geschäft abzuschreiben oder ­ wenn sie mit der Antwort des Bundesrates nicht zufrieden sind und weitere Massnahmen für erforderlich erachten ­ den Vorstoss aufrechtzuerhalten. Bei dieser Prüfung können sie die Bundesverwaltung um zusätzliche Informationen ersuchen.

13

14

442

Wenn der Bundesrat die Abschreibung eines Postulats beantragt, für welches er einen separaten Bericht vorgelegt hat, sind die Verfahren zur Behandlung des Berichts und des Abschreibungsantrags durch die zuständige Kommission voneinander unabhängig.

Graf, Martin (2014): 6. Kapitel: Verfahren bei Vorstössen. In: Theler, Cornelia / Graf, Martin / von Wyss, Moritz (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung: Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002. Basel: Helbing & Lichtenhahn, 801­861, hier 853.

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2.1.5

Abschreibungsbeschluss des Parlaments

Der definitive Beschluss, die Motion oder das Postulat abzuschreiben oder aufrechtzuerhalten, obliegt den eidgenössischen Räten. Bei einer Motion müssen beide Räte über die Abschreibung befinden (Art. 122 Abs. 2 ParlG), bei einem Postulat der Rat, in dem es eingereicht wurde (Art. 124 Abs. 5 ParlG). Wird die Abschreibung des Vorstosses vom Rat oder von den Räten abgelehnt, so muss der Bundesrat dessen Auftrag erfüllen. Für die Abschreibung von Motionen gelten einige Sonderregeln.

Stimmen die Beschlüsse der beiden Räte über den Abschreibungsantrag nicht überein, geht der Antrag zurück in den Erstrat. Spricht sich ein Rat zum zweiten Mal für die Abschreibung der Motion aus, ist diese endgültig abgeschrieben (Art. 122 Abs. 4 i. V. m. Art. 95 Bst. j ParlG). Wird der Abschreibungsantrag von beiden Räten abgelehnt, so muss der Bundesrat den Auftrag der Motion innert einem Jahr oder innert einer von den Räten gesetzten Frist erfüllen (Art. 122 Abs. 5 ParlG). Hält der Bundesrat diese Frist nicht ein, so wird in der nächsten ordentlichen Session in beiden Räten die Frist verlängert oder die Motion abgeschrieben (Art. 122 Abs. 6 ParlG). Wird die Abschreibung eines Postulats abgelehnt, so wird das Verfahren auf der Stufe der jährlichen Berichterstattung wieder fortgesetzt.

2.2

Jährlicher Bericht über Motionen und Postulate

Der Bundesrat verabschiedet jedes Jahr einen Bericht über Motionen und Postulate, in dem er über den Realisierungsstand der seit über zwei Jahren hängigen Vorstösse berichtet und in dem er auch die Abschreibung der Vorstösse beantragen kann. Die Erstellung dieses Berichts wird von der Sektion Bundesratsgeschäfte (SBRG) der BK koordiniert. Dieses in der Regel im März veröffentlichte Dokument erstattet Bericht über die im Vorjahr behandelten Motionen und Postulate. Es besteht aus zwei Kapiteln und zwei Anhängen:

15

­

Kapitel I: Anträge auf Abschreibung von Motionen und Postulaten. In diesem Kapitel kann der Bundesrat die Abschreibung der Motionen und Postulate beantragen, deren Auftrag er für erfüllt hält, sowie auch jener Postulate, die nach seiner Auffassung nicht aufrechterhalten werden sollen. Dabei begründet er seinen Standpunkt15 (Art. 122 Abs. 2 und Art. 124 Abs. 5 ParlG).

­

Kapitel II: Bericht über den Realisierungsstand der Motionen und Postulate, die zwei Jahre nach der Überweisung noch nicht erfüllt sind. Dieses Kapitel vermittelt eine Übersicht über die vom Bundesrat bereits getroffenen oder noch geplanten Massnahmen zur Erfüllung des Auftrags der seit über zwei Jahren hängigen ­ d. h. nicht abgeschriebenen ­ Vorstösse (Art. 122 Abs. 1 und Art. 124 Abs. 4 ParlG).

Zu den Anträgen, die in den Augen des Bundesrates nicht aufrechterhalten werden sollen, siehe Kapitel 2.1.3.

443

BBl 2020

­

Anhang I: Übersicht über alle im Berichtsjahr 20XX abgeschriebenen Motionen und Postulate. In diesem Berichtsteil sind alle im Berichtsjahr abgeschriebenen Motionen und Postulate aufgelistet16.

­

Anhang II: Übersicht über alle von den Räten überwiesenen und Ende 20XX noch hängigen Motionen und Postulate. Dieser Anhang enthält eine Liste der von den Räten angenommenen und am Ende des Berichtsjahres noch hängigen Vorstösse. Dazu gehören einerseits die seit mindestens zwei Jahren hängigen Vorstösse (die auch in Kapitel II aufgeführt werden) und andererseits diejenigen, für die diese Frist noch nicht verstrichen ist.

Kapitel I ist Gegenstand einer amtlichen Veröffentlichung im Bundesblatt (BBl).

Der jährliche Bericht wird dem Parlament vom Bundesrat als Ganzes übermittelt und ist im PDF-Format auch elektronisch verfügbar17.

3

Zeitgerechte Erfüllung

Zusammenfassung: Allgemein ist die Erfüllungsdauer angemessen, auch wenn je nach Fall deutliche Unterschiede auftreten. Anders als von vielen Akteuren angenommen, schreibt das Gesetz für die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate keine Frist von zwei Jahren vor; diese Frist gilt nur für die Berichterstattung. Bei der Erfüllungsdauer gibt es insgesamt keine grossen Unterschiede zwischen Motionen und Postulaten: Durchschnittlich verstreichen drei Jahre und vier Monate zwischen der Annahme und der Abschreibung eines Vorstosses. Diese Dauer wird als angemessen beurteilt, da sie im Wesentlichen mit faktischen Gründen zu erklären ist. Als Hauptfaktor ist die Erfüllungsdauer stark davon abhängig, für wie viele Motionen und Postulate ein Bundesamt oder ein Departement zuständig ist. Politische Aspekte (Urheberin oder Urheber, Parteizugehörigkeit, Rat, in welchem der Vorstoss eingereicht wurde) wirken sich nicht signifikant auf die Erfüllungsdauer aus.

Im vorliegenden Kapitel wird die Frage behandelt, ob die Motionen und Postulate zeitgerecht erfüllt werden und ob es allfällige Unterschiede zwischen den verschiedenen Departementen und Bundesämtern gibt (Hauptfrage 1). Zunächst wird untersucht, wie die verschiedenen Akteure die Pflicht auffassen, nach zwei Jahren über die Erfüllung der Motionen und Postulate Bericht zu erstatten (3.1). Anschliessend wird geprüft, wie viel Zeit zwischen der Annahme und der Abschreibung eines Vorstosses vergeht (3.2) und welche Faktoren für diese Dauer verantwortlich sind (3.3 und 3.4).

16

17

444

Dieser Anhang enthielt zwei Teile: Der erste führte die abgeschriebenen Vorstösse im Rahmen des jährlichen Berichts auf und der zweite die abgeschriebenen Vorstösse im Rahmen von Botschaften oder Berichten. Zur Vereinfachung des Berichts hat die BK beschlossen, ab dem Berichtsjahr 2018 den ersten Teil des Anhangs zu streichen.

Um den Papierverbrauch zu verringern, wird der Bericht über Motionen und Postulate ab 2020 nicht mehr in gedruckter Form, sondern nur noch elektronisch übermittelt.

Die Veröffentlichung des Kapitels I im BBl bleibt gewährleistet (Schreiben der BK an die Parlamentsdienste vom 12. Dez. 2018).

BBl 2020

3.1

Fehlinterpretation der zweijährigen gesetzlichen Berichterstattungspflicht

Das Parlamentsgesetz schreibt keine formelle Frist für die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate vor. Sehr viele der im Rahmen der Evaluation befragten Akteure betrachten jedoch die in Artikel 122 Absatz 1 und Artikel 124 Absatz 4 ParlG genannten zwei Jahre als die Frist, in welcher der Auftrag des parlamentarischen Vorstosses erfüllt werden muss. Diese Ansicht wird sowohl in den Generalsekretariaten der Departemente als auch im Parlament vertreten. Gemäss den einschlägigen Rechtsbestimmungen muss der Bundesrat nach zwei Jahren nur jährlich darüber berichten, was er zur Erfüllung des Auftrages bisher unternommen hat und wie er den Auftrag zu erfüllen beabsichtigt, wenn eine Motion oder ein Postulat nach dieser Frist noch hängig ist.

Die Unklarheiten bezüglich der Erfüllungsdauer erschweren die Bewertung ihrer Angemessenheit, da sich das Beurteilungskriterium je nach Akteur unterscheidet.

Interessanterweise existieren in einigen Fällen genauere Richtlinien zum Zeitrahmen der Erfüllung. So hat z. B. der Gesetzgeber des Kantons Zürich hat nämlich keinerlei Auslegungsspielraum gelassen und im Zürcher Kantonsratsgesetz (KRG-ZH)18 ausdrücklich festgehalten, dass der Regierungsrat dem Kantonsrat innert zwei Jahren die mit der überwiesenen Motion verlangte Vorlage zusammen mit dem [Abschreibungs-]Antrag unterbreiten muss (Art. 16 Abs. 1 KRG-ZH). Die Frist für die Umsetzung der Postulate ist in einer ähnlichen Bestimmung geregelt (Art. 24 Abs. 1 KRG-ZH).

3.2

Gleichlange Erfüllungsdauer bei Motionen und Postulaten

In der statistischen Analyse wurde ermittelt, wie viele Tage zwischen dem Datum der Annahme einer Motion oder eines Postulats und dem Datum der Abschreibung vergehen. Die durchschnittliche Erfüllungsdauer bei Motionen und Postulaten ist nahezu gleich: drei Jahre und fünf Monate bei Motionen und rund drei Jahre und vier Monate bei Postulaten (siehe Tabelle 3). Es gibt also keinen eindeutigen Unterschied zwischen diesen beiden Arten parlamentarischer Vorstösse, obwohl sie unterschiedliche Möglichkeiten bieten (Motion: Erlassentwurf vorlegen oder Massnahme treffen, Postulat: Bericht verfassen). Zudem ist die Erfüllungsdauer seit 2004 stabil geblieben19.

18 19

Kantonsratsgesetz des Kantons Zürich vom 5. März 1981 (KRG-ZH; LS 171.1).

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 29.

445

BBl 2020

Tabelle 3 Erfüllungsdauer für angenommene Motionen und Postulate (in Tagen)

Durchschnitt Standardabweichung Minimum Maximum

Motionen und Postulate (N=1564)

Motionen (N=692)

Postulate (N=872)

1218 (ca. 3 Jahre und 4 Monate) 639,8 (ca. 1 Jahr und 10 Monate) 92 (ca. 3 Monate) 4015 (ca. 11 Jahre)

1226,3 (ca. 3 Jahre und 5 Monate) 669,9 (ca. 1 Jahr und 10 Monate) 92 (ca. 3 Monate) 4015 (ca. 11 Jahre)

1211,5 (ca. 3 Jahre und 4 Monate) 615,2 (ca. 1 Jahr und 10 Monate) 249 (ca. 8 Monate) 4011 (ca. 11 Jahre)

Legende: Die Analyse umfasst nur die abgeschriebenen Motionen und Postulate (Stand 16.3.2018).

Quelle: Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), S. 15

Die zweite Zeile der Tabelle (Standardabweichung) zeigt allerdings, dass die Erfüllungsdauer von Motion zu Motion bzw. von Postulat zu Postulat stark variiert (um durchschnittlich 1 Jahr und 10 Monate). Die kürzeste Erfüllungsdauer beträgt knapp drei Monate (92 Tage), die längste fast elf Jahre. Diese Feststellung wurde durch die Interviews mit den verschiedenen Akteuren der Parlamentsdienste und der Bundesverwaltung bestätigt. Als Gründe nannten diese die Vielfalt der in den Motionen und Postulaten geforderten Umsetzungsmassnahmen und den entsprechend unterschiedlichen Arbeitsaufwand. Die verlangten Massnahmen können sich von einer geringfügigen Anpassung einer Verordnung bis zur notwendigen Revision ganzer Gesetzgebungsbereiche in Koordination mit den Kantonen oder vom Verfassen eines Berichts zu einem begrenzten Projekt bis zu einem Bericht über einen gesamten Politikbereich erstrecken.

Da die befragten Akteure der Zweijahresfrist grosse Bedeutung beimassen, war es ­ obwohl diese Frist nicht bindend ist ­ sinnvoll zu untersuchen, ob die Erfüllung der parlamentarischen Vorstösse innerhalb dieses Zeitraums erfolgte oder nicht. Um den Umstand zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Erfüllungsdauer kürzer ist als die Abschreibungsfrist (der Abschreibungsantrag des Bundesrates muss vom Parlament behandelt werden, bevor ein Beschluss gefasst wird, was eine gewisse Zeit dauert20), wird in Tabelle 4 die Anzahl der innerhalb von drei Jahren nach der Annahme durch das Parlament abgeschriebenen Motionen und Postulate angegeben. Wie die Analyse zeigt, trifft dies auf die Hälfte der parlamentarischen Vorstösse zu. Der Anteil der in diesem Zeitraum abgeschriebenen Motionen ist etwas geringer. Allerdings kann 20

446

Die Verzögerung hängt insbesondere damit zusammen, dass der jährliche Bericht über Motionen und Postulate erst im März des Jahres nach dem Berichtsjahr veröffentlicht wird und die Räte dementsprechend frühestens in der Sommersession über die Abschreibung dieser Vorstösse befinden können.

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angesichts der stark variierenden Dauer daraus nicht geschlossen werden, dass sie generell langsamer umgesetzt wurden als die Postulate. Trotz der festgestellten Variationen ist die Erfüllungsdauer bei Motionen und Postulaten als angemessen zu beurteilen: Die Hälfte der Vorstösse wurde innerhalb von drei Jahren nicht nur erfüllt, sondern auch vom Parlament abgeschrieben.

Tabelle 4 Überschreitung eines Zeitraums von drei Jahren zwischen Annahme und Abschreibung Über drei Jahre

Unter drei Jahre

Total

Abgeschriebene Motionen

355 (51,3 %)

337 (48,7 %)

692 (100 %)

Abgeschriebene Postulate

416 (47,7%)

456 (52,3%)

872 (100 %)

Total abgeschriebene Vorstösse

771 (49,3%)

793 (50,7%)

1564 (100 %)

Legende: Die Analyse umfasst nur die abgeschriebenen Motionen und Postulate (Stand 16.3.2018).

Quelle: Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), S. 18. Zusätzliche Berechnungen der PVK.

3.3

Erfüllungsdauer abhängig von der Zahl der behandelten Vorstösse

Da die Erfüllungsdauer von Vorstoss zu Vorstoss stark variiert, stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Unterschiede. Die statistischen Analysen haben gezeigt, dass die durchschnittliche Erfüllungsdauer für parlamentarische Vorstösse je nach Departement differiert und zwar von unter drei Jahren beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bis fast vier Jahren beim Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) (Abbildung 4). Es lässt sich feststellen, dass die fünf Departemente, die eine überdurchschnittliche Anzahl Motionen und Postulate umsetzen mussten, auch am längsten für die Erfüllung der Vorstösse benötigten (EDI, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement [EJPD], Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation [UVEK], Eidgenössisches Finanzdepartement [EFD], Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung [WBF]).

447

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Abbildung 4 Durchschnittliche Erfüllungsdauer nach Departement (einschliesslich BK)

Legende: Die Analyse umfasst nur die abgeschriebenen Motionen und Postulate (Stand 16.3.2018). Die Achse rechts in der Grafik steht für die Anzahl Motionen und Postulate. Siehe Abkürzungsverzeichnis am Ende des Berichts.

Quelle: Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), S. 22. Grafik von der PVK nachbearbeitet.

Hinsichtlich der Bundesämter hat die Analyse gezeigt, dass die Arbeitsbelastung einen wichtigen Grund für die längere Erfüllungsdauer darstellt. Sieben Bundesämter waren zusammen für 45,3 Prozent der angenommenen Motionen und Postulate zuständig: das Bundesamt für Gesundheit (BAG, 224 Motionen und Postulate), das Bundesamt für Justiz (BJ, 219 Vorstösse), das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO, 138 Vorstösse), das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV, 121 Vorstösse), das Bundesamt für Energie (BFE, 120 Vorstösse), das Bundesamt für Umwelt (BAFU, 95 Vorstösse) und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW, 94 Vorstösse). Es ist also nachvollziehbar, dass diese Bundesämter durchschnittlich dreieinhalb Monate länger für die Umsetzung von Vorstössen benötigten als die anderen Bundesämter21.

Die Akteure der Verwaltung und des Parlaments nannten in den Interviews verschiedene mögliche Gründe für eine längere Erfüllungsdauer. Neben der hohen Anzahl der zu bearbeitenden Vorstösse waren dies vor allem die Länge des Gesetzgebungsverfahrens22, die Beantwortung mehrerer Vorstösse in einem Bericht, die Verflechtung bestimmter Geschäfte, die Notwendigkeit des Beizugs externer Personen oder auch das Abwarten einer künftigen Gesetzesrevision. Dazu ist zweierlei zu bemerken: Erstens geht aus den statistischen Analysen hervor, dass die Erfüllungsdauer grundsätzlich nicht von der Art des parlamentarischen Auftrags abhängt (Erlassent21 22

448

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 25­26. Zusätzliche Berechnungen der PVK.

Laut einer Studie dauert das Gesetzgebungsverfahren vom Zeitpunkt des gesetzgeberischen Impulses, z. B. mittels einer Motion, bis zur Vorlage des Gesetzesentwurfs zusammen mit einer Botschaft des Bundesrates an das Parlament fast drei Jahre. Siehe Sciarini (2006), 501.

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wurf vorlegen, Bericht verfassen, Massnahme treffen usw.).23 Zweitens haben die Fallstudien der PVK, bei denen die Erfüllungsdauer im Durchschnitt auch drei Jahre und vier Monate betrug, gezeigt, dass der spezifische Terminplan der untersuchten Motionen und Postulate vor allem von anderen Geschäften, z. B. der Revision eines Gesetzeserlasses, dem Beizug externer Akteure oder der anderweitigen Prioritätensetzung der Bundesverwaltung beeinflusst wurde. So verzögerte sich gemäss der zuständigen Person in einem Fall die Erfüllung des Vorstosses, weil dieser von der Bundesverwaltung nicht als Priorität angesehen wurde und der Druck der Ratsmitglieder und Medien nicht sehr stark war.

Ferner konnte festgestellt werden, dass die Motionen und Postulate weniger rasch abgeschrieben wurden, wenn die Vorsteherin oder der Vorsteher des Departements während der Erfüllungsphase wechselte. Dies ist womöglich so zu deuten, dass die neuen Verantwortlichen eine gewisse Zeit brauchten, um sich in die Dossiers einzuarbeiten, und während dieser Zeit ein Entscheidvakuum herrschte24.

3.4

Keine schnellere Behandlung von Kommissionsvorstössen

Viele während der Evaluation befragten Akteure des Parlaments äusserten die Meinung, dass sich das politische Gewicht der eingereichten Motionen und Postulate je nach deren Charakteristik unterscheidet und dies wiederum Auswirkungen auf die Erfüllungsdauer hat. Werde der Vorstoss von einer Kommission eingereicht, so erfolge eine schnellere Umsetzung. Die statistische Analyse widerlegt jedoch diese Behauptung. Die von einzelnen Ratsmitgliedern eingereichten Motionen und Postulate, die 69 Prozent der angenommenen Vorstösse ausmachen, weisen keine längere Erfüllungsdauer auf als diejenigen, die von den Kommissionen (23,6 %) oder von den Fraktionen (7,4 %) stammen25. Dafür dürften zwei Faktoren verantwortlich sein, die sich gegenseitig aufheben: Einerseits werden politisch wichtige Vorstösse so rasch wie möglich umgesetzt, was zu einer kürzeren Erfüllungsdauer führt. Andererseits sind die Umsetzungsbemühungen bei politisch wichtigen Vorstössen grösser, wodurch sich die Erfüllungsdauer verlängert.

Zu den von mehreren während der Evaluation befragten Akteuren des Parlaments angeführten Gründen, welche die längere Erfüllungsdauer wohl nicht erklären, gehört z. B. die Ansicht, dass die Erfüllungsdauer dann länger sei, wenn der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses beantragt habe. Im Gegenteil dazu zeigt die statistische Analyse, dass die Umsetzung länger dauert, wenn der Bundesrat die Annahme der Motion oder des Postulats beantragt hatte. Dies lässt sich womöglich damit erklären, dass der Bundesrat grössere Bemühungen zur Erfüllung derjenigen parlamentarischen Vorstösse unternimmt, die er für relevant hält, als für die anderen26.

Die befragten parlamentarischen Akteure nannten in den Interviews weitere Faktoren, die ihrer Ansicht nach einen Einfluss auf die Erfüllungsdauer haben, doch 23 24 25 26

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 20­21.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 26.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 18­19.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 19.

449

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keiner dieser Faktoren hat gemäss der statistischen Analyse eine signifikante Bedeutung auf die Erfüllungsdauer. Bei diesen Faktoren handelt es sich namentlich um die möglicherweise unterschiedliche Parteizugehörigkeit der Vorsteherin bzw. des Vorstehers des zuständigen Departements und der Urheberin bzw. des Urhebers des Vorstosses, um den Rat, in welchem der Vorstoss eingereicht wurde, oder um die parlamentarische Unterstützung (Anzahl Mitunterzeichnende aus derselben Fraktion oder aus unterschiedlichen Fraktionen, Ergebnis einer allfälligen Abstimmung zum Text)27. Der Einfluss von politischen Aspekten auf die Erfüllungsdauer hat sich also nicht bestätigt.

4

Sachgerechte Erfüllung

Zusammenfassung: Da nur begrenzte statistische Daten zur sachgerechten Erfüllung verfügbar sind, beruhen die Feststellungen zu deren Angemessenheit auf der Stichprobe von Motionen und Postulaten und auf Fallstudien. Wird verglichen, was verlangt und was umgesetzt wird, erscheint die sachgerechte Erfüllung der Motionen und Postulate nicht gänzlich angemessen. Die Motions- und Postulatsanliegen sind bisweilen unklar, was die Arbeit der Verwaltung erschwert. Allgemein werden die Anliegen zwar in formaler Hinsicht erfüllt, doch eine gründliche Analyse zeigt, dass das Ergebnis der Umsetzung gemessen an den Zielsetzungen des Vorstosses nicht immer angemessen ist und dass die Erwartungen der Urheberin oder des Urhebers oft nicht ganz erfüllt sind.

In diesem Kapitel geht es um die Angemessenheit der inhaltlichen Umsetzung der Vorstösse. Es behandelt die Evaluationsfrage, ob die Vorstösse sachgerecht erfüllt werden und ob die von den Urheberinnen und Urhebern angestrebte Wirkung erzielt wird (Hauptfrage 2). Nach der Beschreibung der Aufträge, die dem Bundesrat mittels Motionen und Postulaten überwiesen werden (4.1), wird untersucht, wie diese Aufträge die von der Bundesverwaltung getroffenen Massnahmen konkret beeinflussen (4.2). Anschliessend wird die Zielerreichung behandelt (4.3 und 4.4).

Während CURIA durchaus Informationen zur zeitlichen Umsetzung der Vorstösse enthält, sind der Datenbank nur wenige Informationen zur sachgerechten Umsetzung der Vorstösse zu entnehmen. Die in diesem Kapitel beschriebenen statistischen Analysen beruhen deshalb hauptsächlich auf den zusätzlichen Daten, welche die PVK zu einer repräsentativen Auswahl von 300 Motionen und 300 Postulaten erhoben hat.

4.1

Unklare parlamentarische Aufträge

Für die Beurteilung einer sachgerechten Erfüllung des Vorstosses muss geprüft werden, inwieweit die von der Bundesverwaltung ergriffenen Massnahmen dem vom Parlament erteilten Auftrag entsprechen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass eine Motion den Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung einen Erlassentwurf vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen. Ein Postulat ver27

450

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 23­24, 27­29.

BBl 2020

langt vom Bundesrat, zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob ein Erlassentwurf vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen ist, oder einen Bericht zu einem anderen Gegenstand zu verfassen.

Die PVK hat gestützt auf die Auswahl von 300 Motionen und 300 Postulaten den konkreten Inhalt der Anliegen in den parlamentarischen Vorstössen analysiert, wobei ein einziger Vorstoss dem Bundesrat mehrere Aufträge erteilen kann. Die nachfolgende Abbildung 5 zeigt, dass Motion und Postulat mehrheitlich zweckgemäss verwendet werden (eine Motion also z. B. die Vorlage eines Erlassentwurfs verlangt), es jedoch auch Ausnahmen gibt: So forderten fünf der untersuchten Postulate, dem Parlament einen Erlassentwurf vorzulegen, und 23, dass der Bundesrat eine Massnahme trifft (vertikal schraffierter Bereich in der Grafik). Interessant ist auch, dass ein relativ grosser Anteil der Motionen verlangte, zu prüfen, ob ein Erlassentwurf vorzulegen, eine Massnahme zu treffen oder einen Bericht zu verfassen sei ­ was dem Auftrag eines Postulats entspricht (horizontal schraffierter Bereich)28.

Abbildung 5 Motions- und Postulatsaufträge

Quelle: PVK 2019

Aus der Erhebung der Daten zu den Motionen und Postulaten und den Aussagen von mehreren während der Evaluation befragten Mitarbeitenden der Generalsekretariate ging hervor, dass sich Vorstösse, die Daueraufgaben generieren ­ z. B. den Einbe28

Einige Motionen werden direkt von der Urheberin oder vom Urheber des Vorstosses so formuliert; in anderen Fällen ergibt sich dies aus der Änderung des Motionstextes durch den Zweitrat. Per se ist dies möglich, da das Verfassen eines Berichts als Massnahme des Bundesrates betrachtet werden kann (siehe Graf [2014], 850).

451

BBl 2020

zug einer Expertengruppe in die Überlegungen zu einem Politikbereich, die Angabe bestimmter Aspekte in allen künftigen Abkommen zu einem Bereich oder die Verfassung regelmässiger Berichte ­ schwer umsetzen lassen. Tatsächlich ist unklar, wann der Auftrag als erfüllt gilt und ab wann der Vorstoss folglich abgeschrieben werden kann. Zudem hat die PVK festgestellt, dass ein einziger Vorstoss bis zu drei unterschiedliche Aufträge enthalten kann (siehe Tabelle 5), z. B. Massnahmen zur Beseitigung von administrativen Hindernissen zu treffen, eine Gesetzesänderung vorzulegen und Verordnungen abzuändern.

Zahl der in einer Motion oder einem Postulat enthaltenen Aufträge kein Auftrag

1 Auftrag

2 Aufträge

Tabelle 5

3 Aufträge

Total

Motionen

1 (0,3 %)

243 (81,0 %) 52 (17,3 %)

4 (1,3 %)

300 (100 %)

Postulate

1 (0,3 %)

134 (44,7 %) 146 (48,7 %)

19 (6,3 %)

300 (100 %)

Quelle: PVK 2019

Zusätzlich ist zu bemerken, dass eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, was zu dem an den Bundesrat überwiesenen Auftrag gehört. Einige Anliegen sind nicht im eingereichten Text enthalten, sondern nur in der Begründung. Dies wurde von der PVK in acht Prozent der untersuchten Vorstösse festgestellt. Die Tragweite der Begründung einer Motion oder eines Postulats wird unterschiedlich ausgelegt: Nach Auffassung der parlamentarischen Akteure bilden der eingereichte Text und die Begründung eine Einheit, wohingegen mehrere Akteure aus der Verwaltung die Meinung vertreten, dass nur der eingereichte Text bindend ist. Diese Auslegung wirkt sich auf die Angemessenheit der Umsetzung aus, da die Urheberin oder der Urheber des Vorstosses ­ und mehr noch das Parlament ­ erwarten, dass auch die in der Begründung enthaltenen Anliegen erfüllt werden. Die Interviews der PVK mit den Urheberinnen und Urhebern von Vorstössen haben zudem gezeigt, dass einige Erwartungen der Ratsmitglieder nicht ausdrücklich im Motions- oder Postulatstext erwähnt werden.

4.2

Oft begrenzter Einfluss der Motionen und Postulate auf die Umsetzungsmassnahmen

Die angenommenen Motionen und Postulate sind nicht immer entscheidend für das Handeln der Bundesverwaltung. In den meisten Fallstudien hatte sich das zuständige Bundesamt schon mit der Thematik befasst und waren bereits Massnahmen im Sinne der Motion oder des Postulats eingeleitet worden, was an sich nicht problematisch ist. In einem untersuchten Fall hatte der Vorstoss jedoch praktisch keinen Einfluss auf die Arbeit der Bundesverwaltung, weil das Bundesamt nicht vom in der Postulatsantwort dargelegten Standpunkt des Bundesrates abwich, welcher im Übrigen auch die Ablehnung des Vorstosses beantragt hatte, und auch nach der Annahme des Vorstosses keine vertiefte Analyse vornahm. In anderen Fällen dagegen setzte die Annahme der Motion oder des Postulats die Arbeiten der Bundesverwaltung erst in 452

BBl 2020

Gang. Nach Meinung eines für die Umsetzung verantwortlichen Akteurs ist ein gewisser politischer Druck sogar notwendig, bevor ein bestimmter Kurs eingeschlagen wird.

Die befragten Ratsmitglieder hätten zwar eine aktivere Information über die Umsetzung ihres Vorstosses begrüsst, doch die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung bezeichneten einen engeren Kontakt mit dem Parlament im Hinblick auf die Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als nicht wünschenswert. Die Fallstudien haben gezeigt, dass es bei der Umsetzung der Vorstösse tatsächlich kaum direkte Kontakte zwischen der Bundesverwaltung und den Ratsmitgliedern gibt. Die Bundesverwaltung holte zu ihren Massnahmen kein Feedback bei der Urheberin oder dem Urheber des Vorstosses ein und Letztere fragten ­ von einer Ausnahme abgesehen ­ die Bundesverwaltung nicht nach dem Stand der Umsetzung der Massnahmen.

4.3

Anliegen in formaler Hinsicht oft umgesetzt

Gemessen an den Massnahmen, die der Bundesrat in seinem jährlichen Bericht über Motionen und Postulate zur Begründung seines Abschreibungsantrags präsentiert, wird die Art der geforderten Massnahme in den meisten Fällen tatsächlich ergriffen.

Wie Tabelle 6 verdeutlicht, wurde in 67 Prozent der 90 parlamentarischen Vorstössen, die den Bundesrat gezielt aufforderten, einen Erlassentwurf vorzulegen, dieser Auftrag erfüllt. Bei sechs Prozent dieser Vorstösse begnügte sich der Bundesrat hingegen damit, zu prüfen, ob die Vorlage eines Erlassentwurfs zweckmässig ist.

Demgegenüber legte der Bundesrat in 19 Fällen einen Erlassentwurf vor, obwohl nur verlangt worden war, zu prüfen, ob dies zweckmässig sei. Hier ging der Bundesrat also über den formulierten Auftrag hinaus. Schliesslich unterbreitete der Bundesrat in 51 Fällen (19 %) einen Erlassentwurf bzw. prüfte in drei Prozent, ob dies zweckmässig sei, obwohl der Vorstoss dies gar nicht verlangt hatte.

453

BBl 2020

Tabelle 6 Erfüllung des Auftrags in Bezug auf einen Erlassentwurf Erfüllung des Auftrags in Bezug auf einen Erlassentwurf gemäss dem Bundesrat (jährlicher Bericht)

Total

Entwurf vorge- Prüfung durch- Keine Erwählegt geführt nung

Entwurf vorlegen

Auftrag in Bezug auf Zweckmässigeinen Erlass- keit prüfen entwurf keine Erwähnung

60 (67 %)

5 (6 %)

25 (28 %)

90 (100 %)

19 (33 %)

5 (9 %)

33 (58 %)

57 (100 %)

51 (19 %)

9 (3 %)

211 (78 %)

271 (100 %)

Legende: Der Abschreibungsantrag des Bundesrates enthält folgende Angaben: Der Bundesrat ist dem ihm erteilten Auftrag nachgekommen (helle Bereiche), er ist über den ihm erteilten Auftrag hinausgegangen (mittelhelle Bereiche), er hat den ihm erteilten Auftrag nicht erfüllt (dunkle Bereiche). Die Prozentzahlen in Klammern beziehen sich auf die Zeilen. Diese Analyse beruht auf den Abschreibungsanträgen, die der Bundesrat in seinen jährlichen Berichten über Motionen und Postulate von 2004 bis 2017 unterbreitet hat.

Quelle: Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), S. 41

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Analyse auf den Angaben im jährlichen Bericht des Bundesrates über Motionen und Postulate beruht. In relativ vielen Fällen, in denen der Vorstoss verlangte, einen Erlassentwurf vorzulegen (25 Fälle) oder zu prüfen, ob dies zweckmässig sei (33 Fälle), wurde dieser Auftrag im Abschreibungsantrag im jährlichen Bericht überhaupt nicht erwähnt. Deshalb kann nicht beurteilt werden, ob der Bundesrat diese Aufträge tatsächlich nicht erfüllt hat oder ob er nur vergessen hat, sie im jährlichen Bericht zu erwähnen.

Die gleichen Beobachtungen konnten bei den anderen Arten von Aufträgen gemacht werden. Der Bundesrat ging in 72 Fällen (26 %) über das, was ihm aufgetragen wurde, hinaus und verfasste einen Bericht, obwohl er gar nicht ausdrücklich damit beauftragt worden war. Wurde er beauftragt, einen Bericht zu verfassen, so erfüllte er diesen Auftrag in 88 Prozent der Fälle29. Bei Vorstössen, die eine Massnahme forderten, wurde in 52 Prozent der Fälle eine solche ergriffen. Bei Vorstössen, die lediglich die Prüfung einer Massnahme verlangten, ging der Bundesrat in 12 Prozent der Fälle über den ihm erteilten Auftrag hinaus und ergriff eine Massnahme. Dagegen beschränkte sich der Bundesrat in acht Prozent der Fälle, in denen eine Massnahme verlangt wurde, auf die Prüfung von deren Zweckmässigkeit30. Auch hier beruhen die genannten Werte allein auf den Angaben des Bundesrates in seinen Abschreibungsanträgen.

Der Bundesrat verfügt bei der Erfüllung von Motions- und Postulatsaufträgen, die aufgrund allfälliger Änderungen der Umstände teilweise oder gänzlich hinfällig

29 30

454

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 42, Tabelle 21.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 42, Tabelle 22.

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sind, über einen bestimmten Handlungsspielraum31. Dieser Aspekt wird von den befragten Akteuren des Parlaments anerkannt und akzeptiert: Sie definieren eine angemessene Erfüllung nicht als wortwörtliche Umsetzung des Textes, sondern als Einhaltung des Rahmens und der allgemeinen Ausrichtung des Vorstosses. Das Parlamentsgesetz sieht vor, dass der Bundesrat die Abschreibung eines Vorstosses auch beantragen kann, wenn der Auftrag zwar nicht erfüllt ist, aber seiner Auffassung nach nicht aufrechterhalten werden soll (Art. 122 Abs. 3 und Art. 124 Abs. 5 ParlG). In der Praxis nutzt der Bundesrat diese Möglichkeit sehr selten. Nur 14 der untersuchten 300 Motionen und 300 Postulate wurden im jährlichen Bericht über Motionen und Postulate zur Abschreibung vorgeschlagen, obwohl beim Lesen der Texte klar wird, dass ihr Auftrag nicht erfüllt wurde.32 Allerdings stellt sich die Frage, ob der Bundesrat in transparenter Weise anerkennt, den Auftrag einer Motion oder eines Postulats nicht ganz erfüllt zu haben, und inwieweit diese Fälle erfasst werden können. Seit 2008 hat der Bundesrat die Abschreibung der Motionen, deren Auftrag nicht erfüllt ist, nicht im jährlichen Bericht über Motionen und Postulate zu beantragen, sondern mit einem besonderen Bericht oder mit einer Botschaft zu einem sachlich mit der Motion zusammenhängenden Erlassentwurf zu begründen (Art. 122 Abs. 3 ParlG)33. Allerdings fehlen Instrumente, um die Fälle der Nichterfüllung systematisch zu verzeichnen.

4.4

Ziele teilweise erfüllt

Die Fallstudien der PVK ermöglichten es, die Wirkung, welche die Urheberin oder der Urheber einer Motion oder eines Postulats beim Einreichen der Vorlage erwartete, genau mit der erzielten Wirkung zu vergleichen.34 Generell waren die Urheberinnen und Urheber mit der Umsetzung ihrer Vorstösse nur bedingt zufrieden und vertraten die Auffassung, dass die erwartete Wirkung nur teilweise erzielt wurde (Durchschnittsnote 3,25/5). Die Personen, welche in den Bundesämtern für die Umsetzung der Vorstösse verantwortlich sind, äusserten sich zufriedener und erachteten die Erwartungen als grundsätzlich erfüllt (Durchschnittsnote 4,06/5) (siehe Abbildung 6 unten).

31 32 33 34

Siehe Graf (2014), 846.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 34.

Diese Änderung wurde mit der parlamentarischen Initiative Lustenberger (Pa. Iv. «Verbindliche Wirkung der Motion» vom 24. März 2006 eingeführt [06.413]).

Änderungen der Motion durch den Zweitrat wurden in der Analyse berücksichtigt.

455

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Abbildung 6 Durchschnittliche Erfüllung der Erwartungen an eine Motion oder ein Postulat

Legende: Antwort auf die in den Interviews der PVK gestellte Frage: «Wie bewerten Sie auf einer Skala von 1 bis 5, ob die von der Urheberin/vom Urheber erwarteten Wirkungen der Motion/des Postulats erzielt wurden?» (1 = gar nicht, 5 = ganz).

Es ist aufschlussreich festzustellen, dass die Erreichung der spezifischen Ziele eines Postulats in den untersuchten Fällen mehrmals in zwei Aspekte aufgeteilt wurde: Zum einen die formelle Umsetzung, die infolge eines Berichts, der zur Erfüllung eines Postulats verfasst wird, als zufriedenstellend bewertet werden kann. Mehrere Akteure des Parlaments äusserten die Meinung, dass der Auftrag eines Postulats mit dem Verfassen eines Berichts eigentlich bereits erfüllt ist und dass der Inhalt des Berichts unabhängig davon beurteilt werden muss. Die PVK hat in den Fallstudien festgestellt, dass der Bundesrat mittels besonderer Berichte oder in Erwägungen im Rahmen von allgemeineren Berichten den ihm erteilten Auftrag tatsächlich formell erfüllt hat35. Als zweiter Aspekt ist die materielle Umsetzung ­ d. h. der Inhalt des im Postulat geforderten Berichts ­ zu erwähnen. Der zweite Aspekt wird kritischer beurteilt: Sowohl die Akteure des Parlaments als auch jene der Verwaltung äusserten die Meinung, dass das thematische Anliegen des Vorstosses nicht immer angemessen behandelt wurde. In einem der vier von der PVK untersuchten Fälle wurde in der Postulatsantwort gar nicht auf das Anliegen des Vorstosses eingegangen, sondern wurden andere Massnahmen thematisiert. Die in den verschiedenen untersuchten Postulaten verlangte Prüfung erfolgte demnach nicht in vollständig angemessener Weise.

Ein Motionsauftrag ist erfüllt, wenn die gewünschte Massnahme getroffen oder ein Erlassentwurf vorgelegt worden ist. Wenn in der Botschaft zu einem Erlassentwurf die Abschreibung beantragt wird, stimmt das Parlament nach der Gesamtabstimmung über die Abschreibung ab.36 Eine bei einem Generalsekretariat tätige Person 35 36

456

In einem Fall befinden sich diese Erwägungen im jährlichen Bericht über Motionen und Postulate, was formell richtig ist.

CommGuide [Interne Informationsblätter der Parlamentsdienste]: Kapitel 20.2 «Vorstösse: Kontrolle der Erfüllung, Abschreibung».

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erwähnte den Fall, in dem ein Erlassentwurf nicht angenommen wird: Dies kann dazu führen, dass eine Motion nicht abgeschrieben wird, obwohl der Bundesrat einen Erlassentwurf vorgelegt und damit den Auftrag zumindest in formeller Hinsicht erfüllt hat. Die Analysen der PVK haben gezeigt, dass die kritischere Einschätzung der Umsetzung der Vorstösse seitens der Urheberinnen und Urheber mit deren Eindruck zusammenhängt, dass die Verwaltung zwar den richtigen Kurs einschlägt, zur Erfüllung der Anliegen aber weitergehen sollte, und dass die Umsetzung der Motion deshalb zu wünschen übriglässt. Die für die Umsetzung verantwortlichen Personen rechtfertigten den Umfang der Umsetzungsmassnahmen vor allem mit finanziellen Gründen oder mit der Achtung der Autonomie der Kantone. Die PVK hält fest, dass der parlamentarische Auftrag in zwei der untersuchten Fälle vollständig erfüllt wurde, in den beiden anderen Fällen jedoch nur von einer Teilerfüllung gesprochen werden kann, weil die Zielsetzungen der betreffenden Motion mit den getroffenen Massnahmen nicht zu erreichen sind. In einem untersuchten Fall, in dem eine Gesetzesänderung verlangt worden war, beschloss die Bundesverwaltung im Gesetz, den Vorstoss per Verordnung umzusetzen. Deshalb hat das Parlament den Gesetzesentwurf geändert, damit er dem Auftrag entsprach. Insgesamt erfolgte die Umsetzung der untersuchten Motionen nicht in vollständig angemessener Weise.

5

Angemessenheit der Instrumente zur Kontrolle der Erfüllung

Zusammenfassung: Die Instrumente, über die das Parlament verfügt, ermöglichen diesem nur eine bedingt angemessene Kontrolle der Erfüllung der Motionen und Postulate. Einerseits liegen keine absolut verlässlichen und vollständigen Informationen zur Erfüllung vor. Die Analysen der PVK haben in den jährlichen Berichten über Motionen und Postulate ­ dem einzigen Instrument des Parlaments für die Nachverfolgung ­ einige Fehler aufgedeckt. Andererseits sind die Verantwortlichkeiten der BK und der Departemente bei der Ausarbeitung der jährlichen Berichte bisweilen unklar. Die PVK hat ausserdem festgestellt, dass sich die Informationen in ihrer aktuellen Form nicht für eine kontinuierliche parlamentarische Nachverfolgung eignen und dass dem Bericht nur ein geringes politisches Gewicht beigemessen wird.

Im vorliegenden Kapitel wird die dritte Frage der Evaluation behandelt. Es werden die Instrumente, über die das Parlament zur Nachverfolgung und Kontrolle der Erfüllung angenommener Motionen und Postulate verfügt, sowie deren Angemessenheit untersucht. Zunächst werden die Verfahren zur Nachverfolgung der Motionen und Postulate (5.1) sowie die Koordination unter den beteiligten Akteuren (5.2) betrachtet. Anschliessend wird die Nutzung der Instrumente, insbesondere des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate, beurteilt (5.3). Schliesslich werden die auf dem jährlichen Bericht beruhenden Beschlüsse des Parlaments zur Abschreibung von Motionen und Postulaten geprüft (5.4).

457

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5.1

Ineffizientes und fehleranfälliges Verfahren zur Nachverfolgung der Motionen und Postulate

Die Dokumentenanalyse und die Interviews der PVK zeigen die Kompliziertheit des Verfahrens zur Nachverfolgung der parlamentarischen Vorstösse auf. Dieses Verfahren beinhaltet einerseits die Weiterleitung von Informationen zu den angenommenen Texten von den Parlamentsdiensten an die BK, welche anschliessend als «Verbindungsglied»37 zwischen Bundesversammlung und Departementen dient, und andererseits die Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate, der die Informationen über die Umsetzungsmassnahmen zusammenfasst.

Bei der Datenerhebung zu den angenommenen Motionen und Postulaten zeigten sich Mängel bei der Erfassung der Daten in den Systemen der Parlamentsdienste.

Zahlreiche Informationen werden als Freitext ins Eingabefeld eingegeben und liegen nicht in strukturierter Form vor.38 Da die Parlamentsdienste und die BK nicht zu den gleichen Systemen Zugang haben, werden die Informationen zu den Motionen und Postulaten nicht systematisch weitergeleitet. Die von den Parlamentsdiensten übermittelten Informationen werden von den Mitarbeitenden der BK in eigenen Systemen manuell erfasst und umgekehrt (z. B. Titel des Vorstosses, Geschäftsnummer, Annahme eines Berichts zur Erfüllung einer Motion oder eines Postulats, Abschreibungsbeschluss usw.).

Diese Beobachtungen gelten insbesondere für die Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate. Jeder Bericht beruht auf dem Vorjahresbericht, der entsprechend den neuen angenommenen Motionen und Postulaten, den Beratungen in den Räten zu bestimmten Geschäften oder den von der Verwaltung veröffentlichten Berichten geändert wird. Diese Änderungen erfolgen manuell, vor allem mit der Suche nach bestimmten Ausdrücken im BBl oder mit der Überprüfung der Informationen mittels Curia Vista, der öffentlichen Schnittstelle der Geschäftsdatenbank des Parlaments (CURIA). Die BK führt zudem in den vom Bundesrat angenommenen Botschaften wöchentlich eine Suche nach allfälligen Abschreibungsanträgen durch.

Die daraus resultierenden Dokumente werden in deutscher und französischer Fassung als Worddatei per E-Mail an die Generalsekretariate der Departemente übermittelt, welche sie an die betroffenen Bundesämter weiterleiten, damit diese die Informationen zur Umsetzung der Vorstösse und zur Begründung des Abschreibungsantrags überprüfen und
vervollständigen. Die Texte der Bundesämter werden daraufhin von den Generalsekretariaten gegengelesen und der BK übermittelt, die sie ebenfalls durchliest, eventuell Änderungen verlangt bzw. direkt vornimmt und die Texte dann kopiert und in den Gesamtbericht einfügt (siehe dazu Kap. 5.2). Die verschiedenen Beiträge werden also sowohl von der BK als auch vom zuständigen Departement kontrolliert. Die Übersetzung der Texte, häufig ins Französische und Italienische, findet während des Gegenlesens der Texte in der Originalsprache statt.39 Dieses Verfahren erfordert die Beteiligung vieler verschiedener Stellen (BK, 37 38 39

458

BK: Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner), «Parlamentarische Vorstösse» Bei der Datenerhebung durch die PVK und die Parlamentsbibliothek wurden einige Eingabefehler festgestellt und korrigiert.

BK: Ablauf der Erstellung des Berichts Motionen und Postulate der Eidgenössischen Räte, ohne Datum. BK: Terminplan Bericht Motionen und Postulate 2017, ohne Datum.

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Generalsekretariate, Bundesämter, Übersetzungsdienste der BK und der Departemente) und verursacht einen erheblichen Kommunikationsbedarf zwischen diesen.

Die Analysen der PVK haben gezeigt, dass es im Verfahren zur Erstellung des jährlichen Berichts oft zu Medienbrüchen kommt, die von den befragten Personen auch als Hauptursache für die Fehler im Bericht bezeichnet wurden. Zwar wird die deutliche Mehrheit der Vorstösse in den jährlichen Berichten über Motionen und Postulate richtig erfasst, doch kommt es auch zu einer gewissen Zahl von Fehlern, für die es keine Erklärung gibt. So stimmt teilweise das Datum der Annahme bzw.

Abschreibung der Motion bzw. des Postulats nicht mit dem Jahrgang des jährlichen Berichtes überein, in dem die Publikation eigentlich hätte erfolgen müssen: In einigen Fällen erscheinen die abgeschriebenen Vorstösse erst einige Jahre später in den Berichten, und in anderen sind sie nicht im richtigen Kapitel aufgeführt. Einige Vorstösse werden sogar ganz vergessen und in den jährlichen Berichten überhaupt nicht behandelt.40 Die Vollständigkeit des jährlichen Berichts sollte jedoch sowohl von der BK als auch von den zuständigen Departementen kontrolliert werden. Sie alle haben Excel-Listen eingeführt, um sich einen Überblick über die sie betreffenden Motionen und Postulate zu verschaffen.

Vor diesem Hintergrund bewertet die PVK das Verfahren als ineffizient und ungeeignet für eine umfassende Nachverfolgung der Umsetzung der Motionen und Postulate. Die PVK betont jedoch, dass die oben erwähnten Probleme zum Teil von der BK und den Parlamentsdiensten erkannt worden sind41. Gegenwärtig erstellt eine Arbeitsgruppe mit beiden Akteuren («Arbeitsgruppe Schnittstellen BK/PD») das Inventar der im Rahmen der jeweiligen operativen Abläufe durchgeführten Datenabgleiche, um eine elektronische Schnittstelle zu entwickeln, die einen gesicherten Austausch von ­ strukturierten und unstrukturierten ­ Daten zwischen den verschiedenen Systemen ermöglicht.42 Die Parlamentsdienste sind ausserdem dabei, ihre Datenbank zu modernisieren. Die BK wiederum hat 2018 eine automatisierte Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate ins Auge gefasst und erste Tests durchgeführt. Dabei traten zwar keine technischen Probleme auf, doch müssen für die Automatisierung des Verfahrens alle Daten in strukturierter Form vorliegen, was wiederum eine Anpassung der genutzten Anwendungen notwendig macht.

40 41

42

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 46­51 Die Frage zur Anzeige des Status der parlamentarischen Vorstösse und ihrer Abschreibung in der Datenbank CURIA war bereits 2003 gestellt worden (Frage Genner «Information über die Umsetzung von Vorstössen» vom 19. Juni 2003 [03.1083]).

Das Büro hatte damals das Eintreten abgelehnt, denn «dem Mehraufwand der stetigen Aktualisierung der Curia Datenbank steht ein nur geringer Nutzen für die Ratsmitglieder gegenüber».

Parlamentsdienste: Arbeitsgruppe Schnittstellen BK-PD. Information Stand der Arbeiten Ende 2018, 18. Jan. 2019.

459

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5.2

Gute Koordination trotz unklarer Kompetenzverteilung zwischen BK und Departementen

Die Koordination unter den an der Nachverfolgung der Motionen und Postulate beteiligten Akteuren wird von den befragten Personen grundsätzlich als gut beurteilt, und zwar sowohl die Koordination zwischen der BK und den Generalsekretariaten als auch diejenige zwischen der BK und den Parlamentsdiensten. Mit Hilfe der «Arbeitsgruppe Schnittstellen BK/PD» können die Bedürfnisse der beiden Akteure erkannt und die Probleme thematisiert werden. Mehrere Personen erwähnten jedoch, dass die Erstellung des jährlichen Berichts mit einer hohen Arbeitsbelastung und einer intensiven Kommunikation (per E-Mail oder Telefon) zwischen den Beteiligten einhergeht.

Die Analysen der PVK haben auch gezeigt, dass die Kompetenzen bei der Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate nicht klar zwischen der BK und den Departementen verteilt sind. In keinem der von der PVK untersuchten Dokumente sind die Verantwortlichkeiten der einzelnen Akteure definiert. Die Richtlinien für Bundesratsgeschäfte enthalten Informationen zum Umgang mit parlamentarischen Vorstössen, diese beziehen sich jedoch nicht explizit auf den jährlichen Bericht, sondern vor allem auf die Aufteilung der Aufgaben bei der Stellungnahme des Bundesrates vor dem Beschluss des Parlaments über die Annahme oder Ablehnung.

Diese Richtlinien enthalten nur folgenden Satz: «Die BK führt eine Kontrolle über die Behandlung der Vorstösse in den Räten und erstellt alljährlich den Bericht .»43 Die BK hat ein Merkblatt für die Redaktion des jährlichen Berichts44 verfasst, das sie an die Kontaktpersonen bei den Generalsekretariaten übermittelt. Neben einem Hinweis auf den Standardsatz für die Abschreibung eines Vorstosses ­ den von der BK vorformulierte Teil des jährlichen Berichts ­ enthält dieses Merkblatt hauptsächlich formale redaktionelle Vorgaben z. B. zur Anzahl Zeilen, zur Verwendung der Tempi von Verben oder zum Format der Verweise auf Gesetzeserlasse, Berichte oder anderes ohne aber anzugeben, wann diese Verweise einzufügen sind. Zudem weist es darauf hin, dass die Departemente für «die materielle Richtigkeit der Beiträge [...] selbst verantwortlich» und die «Sachverhalte [...] objektiv und sachgerecht darzustellen» sind. Die verschiedenen Vorgaben sind alles andere als klar, da die Redaktion des
Berichts wie oben erwähnt eigentlich Sache der BK ist. In den Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Generalsekretariate und der BK waren sich diese einig, dass die Departemente für die im Bericht erscheinenden Texte verantwortlich sind.

Die PVK hält fest, dass zwischen der Verantwortung für diese Texte und der Verantwortung für den Bericht als Gesamtprodukt, die bei der BK liegt45, ein Spannungsfeld besteht. Die Bestrebungen der BK zur Harmonisierung von Qualität und Inhalt der Texte scheitern bisweilen am Widerstand der Departemente gegen bestimmte Korrekturen. Nach Auffassung mehrerer Mitarbeitender der verschiedenen Generalsekretariate ist wiederum den Departementen und besonders den für die Textredak43 44 45

460

BK: Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner), «Parlamentarische Vorstösse».

BK: Merkblatt für die Redaktion des Berichts «Motionen und Postulate», 1. Nov. 2013.

BK: Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner), «Parlamentarische Vorstösse».

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tion verantwortlichen Personen bei den Bundesämtern nicht immer klar, welche Erwartungen an den Bericht gestellt werden46. Folglich unterscheidet sich der Inhalt der von den Bundesämtern gelieferten Texte erheblich: Einige enthalten relativ ausführliche Angaben, andere beschränken sich auf wenige Zeilen.

5.3

Potenziell nützliche Informationen in ungeeigneter Form

Der Nutzen des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate wurde von der PVK im Lichte jener Informationen beurteilt, welche die Akteure des Parlaments zur Nachverfolgung der Erfüllung ihrer Vorstösse verwenden. Die Dokumentenanalyse und die Interviews haben gezeigt, dass der jährliche Bericht das einzige Instrument darstellt, das den verschiedenen Akteuren eine Gesamtübersicht über die Umsetzung der von den Räten angenommenen Motionen und Postulate bietet. Dies gilt für die Informationen über den Realisierungsstand der Motionen und Postulate wie auch für deren Abschreibung: Fast 70 Prozent der Motionen und Postulate wurden über den jährlichen Bericht zur Abschreibung vorgeschlagen47. In diesem Sinn ziehen die Befragten nicht in Zweifel, dass es ein Nachverfolgungsinstrument für das Parlament gibt.

Der jährliche Bericht wird in den Kommissionen im Hinblick auf die Sommersession des Parlaments behandelt. Die beiden Kapitel des Berichts werden unterschiedlich behandelt, da mit ihnen nicht das Gleiche bezweckt wird. Kapitel I mit den Abschreibungsanträgen des Bundesrates wird gemäss Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe a ParlG vorberaten, d. h. die Kommissionen des Parlaments beraten dieses Kapitel, bevor es in den jeweiligen Räten behandelt wird. Kapitel II über den Realisierungsstand der seit mehr als zwei Jahren hängigen Vorstösse ist direkt für die Kommissionen bestimmt und wird nicht an die Bundesversammlung weitergeleitet.

Die Motionen und Postulate im Bericht werden von den Ratspräsidien entsprechend ihrem Thema den zuständigen Kommissionen zugewiesen (siehe Kap. 2.1.2).48 Die Erstberatung des Berichts erfolgt üblicherweise im März oder im April. Wenn ein Kommissionsmitglied Zusatzinformationen verlangt oder Einwände gegen die Abschreibung einer Motion oder eines Postulats erhebt, findet grundsätzlich eine zweite Beratung statt.49 Die Interviews mit den Kommissionssekretärinnen und -sekretären sowie die Dokumentenanalyse haben gezeigt, dass dieser Bericht in den Kommissionssitzungen als nebensächliches Geschäft betrachtet wird. Aus der Analyse der Protokolle der Jahre 2016 bis 2018 geht hervor, dass der jährliche Bericht in den seltensten Fällen Ge46 47 48

49

Kein Departement hat interne Weisungen über die Erstellung des jährlichen Berichts verabschiedet.

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 39.

Mit dem Inkrafttreten des ParlG werden diese Informationen nicht mehr den GPK, sondern den zuständigen Sachbereichskommissionen übermittelt. Diese Änderung sollte eine gründlichere und kompetentere Prüfung ermöglichen (siehe Graf [2014], 844).

CommGuide [Interne Informationsblätter der Parlamentsdienste]: Kapitel 20.3 Informationsblatt für die Kommissionsmitglieder über die Behandlung des Berichtes des Bundesrates «über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte» durch die Kommissionen.

461

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genstand einer zweiten Beratung war, sondern meistens in fünf bis zehn Minuten erledigt wurde, während deren regelmässig noch Erklärungen zum Verfahren gegeben wurden. Fand eine zweite Beratung statt, so dauerte diese mit durchschnittlich 20 Minuten etwas länger. Zu dieser lud die Kommission eine oder mehrere Personen der Bundesverwaltung ein, um die Umsetzungsmassnahmen näher zu erläutern.

Diese Informationen wurden meistens im Rahmen der Prüfung der Abschreibungsanträge verlangt (Kapitel I) und betrafen nur selten den Realisierungsstand der angenommenen Motionen und Postulate (Kapitel II).

Hinsichtlich der Anträge auf eine zweite Beratung des Berichts unterscheidet sich die Praxis der Kommissionen erheblich: Die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit hörten im Rahmen der Behandlung der jährlichen Berichte von 2016 bis 2018 14 Mitarbeitende der Bundesverwaltung an, die Kommissionen für Rechtsfragen oder die Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen nur zwei Mitarbeitende. Tendenziell führten eher die nationalrätlichen Kommissionen Anhörungen durch. In knapp zwei Dritteln der Fälle, in denen die Kommissionen Erläuterungen von der Bundesverwaltung einholten, empfahlen sie dann auch, dem Bundesrat zu folgen und die Motion oder das Postulat abzuschreiben.

Nach Auffassung der PVK ist der jährliche Bericht in seiner aktuellen Form für die Nachverfolgung der Erfüllung der Motionen und Postulate durch das Parlament nicht geeignet. Erstens erhalten die Kommissionssekretariate den Bericht als PDFDatei und müssen die sie betreffenden Berichtsteile erst einmal herauskopieren und in ein gesondertes Dokument übertragen. Zweitens sind die Informationen für die Arbeit der Akteure des Parlaments nicht ausreichend und die Sekretariate fügen mal mehr, mal weniger zusätzliche Informationen hinzu, vor allem den Text und die Begründung der eingereichten Motion bzw. des Postulats oder sogar Sitzungsprotokolle und Schreiben zum parlamentarischen Vorstoss. Der Umfang der zusätzlichen Informationen variiert je nach parlamentarischer Kommission. Drittens ist mit der Zusammenstellung der Informationen auf dem aktuellen Träger ­ ob Papier oder PDF50 ­ keine kontinuierliche Nachverfolgung möglich. Die Motionen und Postulate werden nicht nach Nummer, sondern nach Departement und Bundesamt aufgelistet, sodass
die gezielte Suche schwierig ist. Um die Informationen am richtigen Ort zu suchen, muss man also wissen, welches Bundesamt für die Umsetzung zuständig ist. Die Erklärungen zum Realisierungsstand der Motion oder des Postulats werden nur in den jährlichen Berichten veröffentlicht, sodass ein Vergleich über mehrere Jahre schwer zu bewerkstelligen ist, und die Argumente des Bundesrates für die Abschreibung eines Vorstosses sind nicht anderswo einsehbar. Die meisten befragten Kommissionssekretärinnen und -sekretäre würden es begrüssen, diese Informationen für jeden Vorstoss über die Geschäftsdatenbank Curia Vista, die sichtbarer ist als die jährlichen Berichte, nachschlagen zu können.

50

462

Ab 2020 wird keine Papierversion mehr erstellt. Siehe Fussnote Nr. 17.

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5.4

Abschreibung vom Parlament nur selten abgelehnt

Die Schlussetappe des Nachverfolgungsverfahrens besteht im Beschluss des Parlaments, eine Motion oder ein Postulat abzuschreiben (oder nicht), weil der Auftrag nach Auffassung des Parlaments erfüllt ist oder dieses den Vorstoss nicht mehr aufrechterhalten will (Art. 122 Abs. 2 und 3, Art. 124 Abs. 5 ParlG). Mit der Abschreibung der Motion oder des Postulats endet der dem Bundesrat erteilte Auftrag.

Die Analysen der externen Auftragnehmer51 und der PVK haben ergeben, dass das Parlament die Abschreibung der Motionen und Postulate nur selten ablehnt. Seit der systematischen Erfassung der Abschreibungsbeschlüsse in der Datenbank der Parlamentsdienste52 hat der Nationalrat in 4 von 93 Fällen die beantragte Abschreibung einer Motion (4,3 %) und in 1 von 92 Fällen die beantragte Abschreibung eines Postulats (1,1 %) abgelehnt. Der Ständerat hielt ebenfalls an diesen Motionen fest (4 von 93 Motionen) und lehnte in 2 von 49 Fällen die beantragte Abschreibung eines Postulats ab (4,1 %).

Tabelle 7 Beschlüsse über die Abschreibung oder Aufrechterhaltung der Motionen und Postulate Nationalrat Motionen Postulate

Ständerat Motionen Postulate

Aufrechterhaltung (Abschreibung abgelehnt)

4 (4,3 %)

1 (1,1%)

4 (4,3 %)

2 (4,1 %)

Abschreibung

90 (96,8 %)

91 (98,9 %)

91 (97,8 %)

47 (95,9 %)

93

92

93

49

Gesamtzahl der zur Abschreibung beantragten Vorstösse

Legende: Die Gesamtzahl steht für die Zahl der Vorstösse, deren Abschreibung seit dem 9.9.2013, d. h. seit der systematischen Erfassung der entsprechenden Daten in der Geschäftsdatenbank CURIA, in einem Rat beantragt worden ist. Die Summe der Beschlüsse über die Aufrechterhaltung und die Abschreibung kann höher sein als die Gesamtzahl, weil ein Rat die Abschreibung eines Vorstosses zuerst ablehnen und dann annehmen kann.

Quelle: CURIA (Stand am 16.3.2018), von der PVK durchgeführte Berechnungen

Wenn die Kommission die Abschreibung ablehnt, wird die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler beauftragt, den Standpunkt des Bundesrates vor dem Parlament zu vertreten. Laut der BK folgt das Parlament den Anträgen der Kommissionen jedoch quasi systematisch.

In den acht Fallstudien gab es nur einmal den Fall, dass ein Rat beschloss, den Vorstoss aufrechtzuerhalten. Dieser Beschluss hing eher mit einer Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die allgemeine Ausrichtung des Berichts als mit der Antwort 51 52

Stadelmann-Steffen/Oehrli/Vatter (2019), 35­39.

Die Beschlüsse der Räte über die Abschreibung oder Aufrechterhaltung der Motionen und Postulate werden erst seit dem 9. Sept. 2013 systematisch in CURIA erfasst.

463

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auf das fragliche Postulat zusammen. Einige der befragten Akteure des Parlaments betonten zwar die Signalwirkung einer Ablehnung der Abschreibung, doch hielten mehrere die Beratung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate nicht für den geeigneten Rahmen, um die Art der Erfüllung der Motionen und Postulate abzulehnen. Die Einreichung eines neuen parlamentarischen Vorstosses erziele mehr Wirkung, selbst wenn laut der Analyse der PVK zwischen der Einreichung und der Abschreibung eines Vorstosses fast vier Jahre und drei Monate vergehen. Die Urheberinnen und Urheber der untersuchten Motionen und Postulate haben im Übrigen die Abschreibung ihres Vorstosses unabhängig davon, inwieweit sie mit der Art der Erfüllung zufrieden waren, nie abgelehnt. Diese Erkenntnisse decken sich mit Forschungsarbeiten, die zum Schluss kommen, dass die parlamentarischen Vorstösse als politisches Instrument genutzt werden, mit dem die Urheberinnen und Urheber ihr Engagement in einem bestimmten Themenbereich demonstrieren, und dass die Ratsmitglieder die Erfüllung der erteilten Aufträge für selbstverständlich halten.53

6

Schlussfolgerungen

Insgesamt kommt die PVK zum Schluss, dass der Bundesrat die angenommenen Motionen und Postulate angemessen erfüllt. Die Umsetzungsdauer variiert stark, was sich in erster Linie durch faktische Gründe erklären lässt, weshalb sie allgemein als angebracht zu betrachten ist. In formaler Hinsicht erfüllt der Bundesrat die ihm erteilten Aufträge in den allermeisten Fällen, allerdings werden nicht immer die erwarteten Wirkungen erzielt. Die PVK hat zudem Mängel bei der Nachverfolgung der Erfüllung der Motionen und Postulate festgestellt. Die genannten Punkte werden im Folgenden näher ausgeführt.

6.1

Bundesrat verfügt über Handlungsspielraum bei der Erfüllung von Motionen und Postulaten

Mit der Verabschiedung einer Motion oder eines Postulats erteilen die eidgenössischen Räte dem Bundesrat Aufträge, die dieser erfüllen muss. Diese rechtliche Wirkung wird nicht bestritten, auch wenn in zweierlei Hinsicht ein gewisser Handlungsspielraum bei der Umsetzung von parlamentarischen Vorstössen besteht. Erstens messen die verschiedenen befragten Akteure den Bestandteilen der Motionen und Postulate unterschiedliche Bedeutung bei. Vorstösse bestehen aus zwei Teilen: dem Text und der Begründung. In acht Prozent der untersuchten Fälle waren nicht nur im eingereichten Text, sondern auch in der Begründung Anliegen formuliert. Deshalb stellt sich die Frage, ob der parlamentarische Auftrag nur die im Text formulierten 53

464

Siehe insbesondere den Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1.3.2001, «Parlamentarische Initiative «Parlamentsgesetz (PG)»» (BBl 2001 3467, hier 3506), Eberli, Daniela / Bundi, Pirmin (2017): Parlament und Evaluation: Guts Meets Brain. In: Sager, Fritz / Widmer, Thomas / Balthasar, Andreas (Hrsg.): Evaluation im politischen System der Schweiz ­ Entwicklung, Bedeutung und Wechselwirkungen.

Zürich: NZZ Libro, 243­278, oder Bundi, Pirmin (2018): Parliamentarians' strategies for policy evaluations. In: Evaluation and Program Planning 69, 130­138.

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Anliegen oder auch jene aus der Begründung umfasst. Die Evaluation hat gezeigt, dass die Beteiligten diese Frage sehr unterschiedlich beantworten, was sich auf die Umsetzung der Vorstösse auswirkt, da einige Akteure die zusätzlichen Anliegen in der Begründung berücksichtigen, andere hingegen nicht. Aus den Interviews der PVK mit den Urheberinnen und Urhebern der Vorstösse ging ausserdem hervor, dass bestimmte Erwartungen der Ratsmitglieder in der Motion oder im Postulat gar nicht ausdrücklich erwähnt sind.

Zweitens ist der Rahmen für die Erfüllung der Aufträge flexibel. Die Akteure des Parlaments erwarten von der Bundesverwaltung nicht, dass sie die Vorstösse wortwörtlich umsetzt, sondern dass sie deren allgemeine Stossrichtung berücksichtigt. In formaler Hinsicht kann der Bundesrat, wenn der Auftrag seiner Auffassung nach nicht mehr umgesetzt werden soll, jederzeit die Abschreibung eines Vorstosses beantragen und zwar auch dann, wenn der Auftrag nicht erfüllt wurde. So kann der Bundesrat allfällige Änderungen der Umstände berücksichtigen. Die Analysen haben indessen gezeigt, dass der Bundesrat diese Möglichkeit nur selten explizit nutzt und dass es keine Möglichkeit gibt, die Fälle der Nichterfüllung von Vorstössen zu erheben, was einen Transparenzmangel darstellt.

Der Handlungsspielraum, der bei der Umsetzung der Vorstösse besteht, findet auch darin Ausdruck, dass die Bundesverwaltung und die befragten Ratsmitglieder unterschiedlich einschätzen, inwieweit die Motions- und Postulatsanliegen erfüllt sind.

Hinzu kommt, dass in den Vorstössen sehr unterschiedliche und gleichzeitig mehrere Aufträge formuliert werden und manche Aufträge einer Daueraufgabe entsprechen. Deshalb ist zuweilen schwierig zu bestimmen, wann ein Vorstoss als erfüllt gilt.

6.2

Bundesrat kommt seiner Erfüllungspflicht grundsätzlich nach

Auf Bundesebene wurde keine gesetzliche Frist für die Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate festgelegt. Das Parlamentsgesetz sieht lediglich vor, dass der Bundesrat über die Umsetzungsmassnahmen berichtet, wenn ein Vorstoss zwei Jahre nach der Annahme noch hängig ist. Diese Zweijahresfrist wird jedoch von der Mehrheit der befragten Akteure anders ausgelegt: Sie verstehen sie als den Zeitraum, innert dem ein Vorstoss umgesetzt werden muss. Der Kanton Zürich z. B.

hat sich für eine solche Bestimmung entschieden und in seinem Kantonsratsgesetz ausdrücklich eine Frist von zwei Jahren für die Erfüllung der Motionen und Postulate festgeschrieben. Die PVK hat die Vorstösse auf Bundesebene auf die Zweijahresfrist hin untersucht und festgestellt, dass die Hälfte der angenommenen Vorstösse innert diesem Zeitraum erfüllt wurden.

Die Analysen haben ferner gezeigt, dass die Art des mit der Motion oder dem Postulat erteilten Auftrags bei der Umsetzung generell eingehalten wird. So wurde z. B.

bei zwei Drittel der 90 untersuchten Vorstösse, welche die Vorlage eines Erlassentwurfs verlangten, auch tatsächlich ein solcher Entwurf vorgelegt. Der Bundesrat ging sogar regelmässig über das, was ihm formell aufgetragen wurde, hinaus und legte z. B. einen Erlassentwurf vor, obwohl er nur beauftragt worden war, dessen 465

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Zweckmässigkeit zu prüfen. Die Urheberinnen und Urheber der Motionen und Postulate sind hingegen damit, wie ihre Anliegen inhaltlich erfüllt werden, nicht immer zufrieden. Die PVK hat festgestellt, dass die Umsetzungsmassnahmen der Bundesverwaltung zum Teil auch den ausdrücklich im Vorstoss formulierten Anliegen der Urheberinnen und Urheber nicht entsprechen.

Dennoch lehnt das Parlament die Abschreibung einer Motion oder eines Postulats nur selten ab: Seit der systematischen Erfassung der Abschreibungsbeschlüsse der eidgenössischen Räte hat der Nationalrat die Abschreibung eines Vorstosses nur in 2,7 Prozent der Fälle und der Ständerat nur in 4,2 Prozent der Fälle abgelehnt. Dies zeigt, dass die Massnahmen des Bundesrates in den allermeisten Fällen ausreichten, um zur Abschreibung des Vorstosses zu führen, was allerdings nicht zwingend bedeutet, dass das Parlament mit der Art und Weise der Umsetzung restlos zufrieden ist.

6.3

Erfüllungsdauer ist weitgehend durch faktische Gründe erklärbar

Durchschnittlich verstreichen zwischen der Annahme einer Motion oder eines Postulats und der Abschreibung des Vorstosses durch das Parlament drei Jahre und vier Monate. Diese Dauer umfasst die Massnahmen, welche die Bundesverwaltung zur Umsetzung des parlamentarischen Auftrags trifft, den Abschreibungsantrag des Bundesrates und dessen Behandlung in den eidgenössischen Räten. Sie variiert je nach Vorstoss erheblich: Die kürzeste Umsetzungsdauer betrug knapp drei Monate, die längste über elf Jahre. Obwohl mit einer Motion andere Arten von Aufträgen erteilt werden können als mit einem Postulat, haben die Analysen gezeigt, dass zwischen diesen beiden Vorstossarten keine offensichtlichen Unterschiede bei der Erfüllungsdauer bestehen.

Wie lange die Umsetzung eines Vorstosses dauert, hängt in erster Linie von faktischen Gründen ab. Je mehr Vorstösse ein Bundesamt oder ein Departement umsetzen muss, desto länger ist die Erfüllungsdauer. Bei den nur gerade sieben Bundesämtern, die im Berichtszeitraum für fast die Hälfte der angenommenen Motionen und Postulate zuständig waren (BAFU, BAG, BFE, BJ, BLW, BSV, SECO), dauerte die Bearbeitung der Vorstösse durchschnittlich dreieinhalb Monate länger als bei den anderen Bundesämtern. Wegen eines gewissen Entscheidungsvakuums in der Übergangszeit führte auch ein Wechsel der Departementsvorsteherin oder des Departementsvorstehers während der Umsetzungsphase ­ unabhängig von Parteizugehörigkeit und betroffenem Departement ­ zu einer längeren Erfüllungsdauer.

Die politischen Aspekte, welchen viele befragte Personen grossen Einfluss zuschrieben, wirken sich hingegen nicht massgeblich auf die Erfüllungsdauer aus. Vorstösse, die der Bundesrat zur Ablehnung beantragt hatte, wurden nicht langsamer umgesetzt als diejenigen, die er zur Annahme empfohlen hatte. Bei letzteren dauert die Umsetzung im Gegenteil sogar etwas länger, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass der Bundesrat in diesen Fällen besondere Anstrengungen unternimmt, um die Vorstösse zu erfüllen. Weiter werden Vorstösse von Kommissionen entgegen der Annahme mehrerer Befragter aus dem Parlament nicht schneller umgesetzt als jene ein466

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zelner Ratsmitglieder oder der Fraktionen. Ebenfalls keinen Einfluss hat, ob die zuständige Departementsvorsteherin bzw. der zuständige Departementsvorsteher der gleichen Partei angehört wie die Urheberin oder der Urheber oder ob der Vorstoss im National- oder im Ständerat eingereicht wurde. Für die Dauer der Umsetzung spielt es des Weiteren auch keine Rolle, ob ein Vorstoss im Parlament mit besonders grosser Mehrheit verabschiedet wurde. Dies bedeutet allerdings nicht, dass diese Faktoren keinerlei Einfluss darauf haben, wie der Vorstoss umgesetzt wird. Es ist sogar möglich, dass hier zwei Faktoren im Spiel sind, die sich gegenseitig aufheben: Einerseits werden politisch wichtige Vorstösse so rasch wie möglich umgesetzt, was zu einer kürzeren Erfüllungsdauer führt. Andererseits sind die Umsetzungsbemühungen bei politisch wichtigen Vorstössen grösser, wodurch sich die Erfüllungsdauer verlängert, wie sich dies bei den Anträgen des Bundesrates auf Annahme oder Ablehnung von Vorstössen deutlich gezeigt hat.

6.4

Kompliziertes und ineffizientes Berichterstattungsverfahren

Die Nachverfolgung der Erfüllung der Motionen und Postulate erfolgt anhand eines komplizierten Verfahrens, an dem zahlreiche Akteure auf verschiedenen Ebenen ­ aus der Bundesverwaltung und bei den Parlamentsdiensten ­ beteiligt sind und das mehrere Mängel aufweist. Die Daten zu den parlamentarischen Vorstössen werden in unterschiedlichen, nicht miteinander verknüpften Systemen verarbeitet. Einige Daten werden von den Parlamentsdiensten in der Geschäftsdatenbank des Parlaments erfasst und anschliessend manuell an die BK weitergeleitet, die sie in die eigene Datenbank eingibt. Viele Daten zu parlamentarischen Geschäften liegen nicht in strukturierter Form vor: Es handelt sich um Freitextfelder, die manuell ausgefüllt werden. Die Generalsekretariate führen ausserdem eigene Listen, in denen sie die Motionen und Postulate verzeichnen, die ihre Departemente betreffen.

Für die Erstellung des jährlichen Berichts über Motionen und Postulate müssen die erforderlichen Informationen somit aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden und zahlreiche Daten müssen mehrfach eigetippt werden, was einem ineffizienten Verfahren entspricht und die Vollständigkeit der jährlichen Berichte beeinträchtigt. Auch wenn die allermeisten Vorstösse ordnungsgemäss in den jährlichen Berichten enthalten sind, wurden doch einige Fehler festgestellt: So waren manche Motionen und Postulate nicht im Bericht des richtigen Jahres oder nicht im richtigen Kapitel aufgeführt und andere fehlten komplett. Das Fehlerrisiko ist aufgrund der zahlreichen beteiligten Akteuren umso grösser: Koordiniert wird der Bericht von der BK, die Departemente haben die sie betreffenden Berichtsteile zu überprüfen, die Bundesämter verfassen die Abschreibungsanträge und aktualisieren die Informationen zum Realisierungsstand der hängigen Motionen und Postulate und die Sprachdienste der BK und der verschiedenen Departemente übernehmen die anfallenden Übersetzungstätigkeiten. So besteht ein gewisses Spannungsfeld zwischen der Verantwortung für die Texte, die im Bericht erscheinen und die bei den Departementen liegt, und der Verantwortung für den Bericht als Gesamtprodukt, die bei der BK liegt. Die Vorgaben, die zur Erstellung des jährlichen Berichts bestehen, machen keinerlei Angaben zu dessen Inhalt. Dieser ist also dem Ermessen der Bundesämter 467

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oder Departemente überlassen, was sich in unterschiedlichen Praktiken äussert. Angesichts dieser Situation ist unklar, wer letztlich für den Bericht hauptverantwortlich ist. Zudem führt dies zu Ineffizienzen im Verfahren, die sich zum Beispiel daran zeigt, dass bei der Erstellung des Berichts auf verschiedenen Ebenen Kontrollen durchgeführt werden, die sich bisweilen überschneiden.

6.5

Geringe Nachverfolgung durch das Parlament anhand eines nur mässig geeigneten Instruments

Ziel der Nachverfolgung der Motionen und Postulate ist es letztlich, dass das Parlament die Ausführung der Aufträge, die es dem Bundesrat mit den Vorstössen erteilt, überwachen kann.54 Die PVK hat festgestellt, dass das Parlament an der Nachverfolgung der Motionen und Postulate ein relativ geringes Interesse zeigt. Der jährliche Bericht des Bundesrates ist das einzige Instrument, das dem Parlament zur Verfügung steht, um die Erfüllung seiner Aufträge zu überprüfen. Dieser Bericht wird von den Kommissionen meistens in fünf bis zehn Minuten behandelt, und diese verlangen von der Bundesverwaltung nur selten zusätzliche Informationen. Das Parlament lehnt die Abschreibungsanträge des Bundesrates nur vereinzelt ab, auch wenn die Urheberinnen und Urheber der Vorstösse und die zuständigen Kommissionen mit der Erfüllung des Motions- oder Postulatsauftrags nur bedingt zufrieden sind. Laut den befragten Personen geht die Tendenz eher dahin, einen neuen Vorstoss einzureichen, als auf der Nachverfolgung von bereits angenommenen Motionen oder Postulaten zu bestehen. Diese Erkenntnis bestätigt einige Forschungsarbeiten, die zum Schluss kommen, dass die parlamentarischen Vorstösse vor allem als Instrument genutzt werden, mit dem die Urheberinnen und Urheber ihr Engagement in einem bestimmten Themenbereich demonstrieren, und dass die Ratsmitglieder die Erfüllung der erteilten Aufträge für selbstverständlich halten.

Schliesslich ist die Nachverfolgung in ihrer aktuellen Form nur von begrenztem Nutzen. Erstens ist die Qualität des jährlichen Berichts aufgrund der oben erwähnten Mängel bei seiner Erstellung nicht gewährleistet. Die Informationen zu den einzelnen Vorstössen müssen von den Kommissionssekretariaten aus dem Bericht herauskopiert und dann oft mit weiteren Angaben, die für die Nachverfolgung notwendig sind, wie z. B. Text und Begründung des Vorstosses und entsprechende Sitzungsprotokolle, ergänzt werden. Zweitens ist der Nutzen des jährlichen Berichts als Informationsträger ebenfalls fraglich, weil die Informationen darin kaum wahrgenommen werden. Die Urheberin oder der Urheber des Vorstosses weiss beispielsweise nicht, wann die Abschreibung der Motion oder des Postulats beantragt wird oder welche Kommission für die Beratung zuständig ist. Die Informationen über die Umsetzung der Vorstösse sind zudem nicht
in der Geschäftsdatenbank des Parlaments enthalten, weshalb sie auch für die Öffentlichkeit kaum sichtbar sind, was der Transparenz der Nachverfolgung insgesamt schadet.

54

468

Siehe Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1. März 2001, «Parlamentarische Initiative «Parlamentsgesetz (PG)»» (BBl 2001 3467).

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

AG Art.

BAFU BAG BBl BFE BJ BK BLW Bst.

BSV BV CVP EDA EDI EFD EJPD FDP GPK GPK-N GPK-S GRN GRS KRG-ZH Mo.

NE Pa.Iv.

ParlG Po.

PVK SBRG SECO SO SP SR SVP

Absatz Kanton Aargau Artikel Bundesamt für Umwelt Bundesamt für Gesundheit Bundesblatt Bundesamt für Energie Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Bundesamt für Landwirtschaft Buchstabe Bundesamt für Sozialversicherungen Bundesverfassung (SR 101) Christlichdemokratische Volkspartei Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement FDP.Die Liberalen Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3.10.2003 (SR 171.13) Geschäftsreglement des Ständerates vom 20.06.2003 (SR 171.14) Kantonsratsgesetz des Kantons Zürich (LS 171.1) Motion Kanton Neuenburg Parlamentarische Initiative Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Postulat Parlamentarische Verwaltungskontrolle Sektion Bundesratsgeschäfte Staatssekretariat für Wirtschaft Kanton Solothurn Sozialdemokratische Partei Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizerische Volkspartei 469

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TG TI UVEK VBS VD WBF ZG ZH

470

Kanton Thurgau Kanton Tessin Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Kanton Waadt Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung Kanton Zug Kanton Zürich

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Literatur und Dokumentenverzeichnis Literatur Brüschweiler, Jonas / Vatter, Adrian (2018): Viele Vorstösse, wenig Wirkung?

Nutzung und Erfolg parlamentarischer Instrumente in der Bundesversammlung.

In: Vatter, Adrian (Hrsg.): Das Parlament in der Schweiz. Macht und Ohnmacht der Volksvertretung. Zürich: NZZ Libro, 67­99.

Bundi, Pirmin (2018): Parliamentarians' strategies for policy evaluations.

In: Evaluation and Program Planning 69, 130­138.

Eberli, Daniela / Bundi, Pirmin (2017): Parlament und Evaluation: Guts Meets Brain. In: Sager, Fritz / Widmer, Thomas / Balthasar, Andreas (Hrsg.): Evaluation im politischen System der Schweiz ­ Entwicklung, Bedeutung und Wechselwirkungen. Zürich: NZZ Libro. 243­278.

Graf, Martin (2014): 6. Kapitel: Verfahren bei Vorstössen. In: Theler, Cornelia / Graf, Martin / von Wyss, Moritz (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung: Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13.Dezember 2002. Basel: Helbing & Lichtenhahn, 801­861.

PVK (1999): Parlamentarische Vorstösse: Verfahren, Statistiken, Kosten, das Vorstosswesen betreffende Änderungsvorschläge sowie Überblick zum Vorstosswesen in anderen europäischen Parlamenten, Arbeitsbericht zuhanden der GPK vom 25. Febr. 1999 Sciarini, Pascal (2006): Le processus législatif. In: Klöti, Ulrich / Knoepfel, Peter / Kriesi, Hanspeter / Linder, Wolf / Papadopoulos, Yannis / Sciarini, Pascal (Hrsg.): Handbuch der Schweizer Politik. Zürich: NZZ Libro, 491­525.

Stadelmann-Steffen, Isabelle / Oehrli, Dominique / Vatter, Adrian (2019): Erfüllung angenommener Motionen und Postulate: Statistische Datenanalyse.

Bericht zuhanden der PVK. Bern: Institut für Politikwissenschaft.

Dokumentenverzeichnis BK: Merkblatt für die Redaktion des Berichts «Motionen und Postulate», 1. Nov. 2013 BK: Ablauf der Erstellung des Berichts Motionen und Postulate der Eidgenössischen Räte, ohne Datum BK: Terminplan Bericht Motionen und Postulate 2017, ohne Datum BK: Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner), «Parlamentarische Vorstösse», ohne Datum CommGuide [Interne Informationsblätter der Parlamentsdienste]: Kapitel 20.1 bis 20.3, Dez. 2017 Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1. März 2001, «Parlamentarische Initiative » (BBl 2001 3467) Parlamentsdienste: Arbeitsgruppe Schnittstellen BK-PD. Information Stand der Arbeiten Ende 2018, 18. Jan. 2019 471

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Ratsmitglieder Bischof, Pirmin Comte, Raphaël Eder, Joachim Graf-Litscher, Edith Grin, Jean-Pierre Knecht, Hansjörg Regazzi, Fabio Zanetti, Roberto

Ratsmitglied, Ständerat Ratsmitglied, Ständerat Ratsmitglied, Ständerat Ratsmitglied, Nationalrat Ratsmitglied, Nationalrat Ratsmitglied, Nationalrat Ratsmitglied, Nationalrat Ratsmitglied, Ständerat

Bundesverwaltung Boss, Corinne

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Tierische Produkte und Tierzucht, Bundesamt für Landwirtschaft Bossi, Fabio Stellvertreter, Geschäftsstelle der Beschaffungskonferenz des Bundes, Bundesamt für Bauten und Logistik Brentani, Christina Sachbearbeiterin Geschäfte und GEVER, Generalsekretariat WBF Bühler Wehrli, Anita Sachbearbeiterin, Sektion Bundesratsgeschäfte, Bundeskanzlei Camelin, Michel Sachbearbeiter, Sektion Bundesratsgeschäfte, Bundeskanzlei De Bernardi, Jörg Vizekanzler, Bundeskanzlei D'Hooghe Witschi, Geschäftsleiterin Geschäftsstelle der Beschaffungskonferenz Anouk des Bundes, Bundesamt für Bauten und Logistik Gertsch, Rolf Leiter Rechtssetzung, Swissmedic Hasler, Simon Leiter Fachbereich Direktzahlungsgrundlagen, Bundesamt für Landwirtschaft Häusler, Silvia Stellvertreterin, Geschäftsplanung und Koordination, Generalsekretariat EDI Heierli-Probst, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Geschäftsplanung, Claudia Generalsekretariat EFD Holenstein, Urs Paul Chef Fachbereich Rechtsinformatik, Bundesamt für Justiz Huber, Margaritta Sachbearbeiterin Bundesrats- und Parlamentsgeschäfte, Generalsekretariat VBS Hutmacher, Jean Chef Planung und Controlling, Generalsekretariat VBS Kübli, Sandra Koordinatorin Bundesratsgeschäfte, Generalsekretariat EJPD Marinovic, Zeljko Stellvertretender Generalsekretär, Generalsekretariat WBF Messerli, Patricia Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Planung/ Geschäftsbericht/Zielsetzungen, Generalsekretariat EJPD 472

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Neuenschwander, Niklaus Pedrini, Seraina Piller, Madeleine Rüetschi, David Schneider, Sandra Vogel, Brigitta Von Erlach, Isabelle

Leiter Fachbereich Tierische Produkte und Tierzucht, Bundesamt für Landwirtschaft Co-Leitung Sektion Bundesratsgeschäfte, Bundeskanzlei Sekretärin/Sachbearbeiterin Geschäftsplanung und Koordination, Generalsekretariat UVEK Chef Fachbereich Zivilrecht und Zivilprozessrecht, Bundesamt für Justiz Mitarbeiterin, Rechtsdienst, Staatssekretariat für internationale Finanzfragen Stellvertreterin, Bundesrats- und Parlamentsgeschäfte, Generalsekretariat EDA Leiterin Bundesratsgeschäfte, Generalsekretariat EFD

Parlamentsdienste Burri, Boris Fontana, Marcello Graf, Martin Jegher, Annina Koller, Stefan Marti, Katrin Scyboz, Pierre Theler, Cornelia Tripet Cordier, Florent Zülli, Margaret Winkler, Dora

Sekretär Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, Parlamentsdienste Sekretär Kommissionen für Wirtschaft, Bildung und Kultur, Parlamentsdienste Sekretär Staatspolitische Kommissionen, Parlamentsdienste Stellvertretende Sekretärin des Nationalrates, Parlamentsdienste Sekretär der Finanzkommissionen, Parlamentsdienste Sekretärin der Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben, Parlamentsdienste Stellvertretender Sekretär des Ständerates, Parlamentsdienste Leiterin Rechtsdienst, Parlamentsdienste Sekretär der Aussenpolitischen Kommissionen, Parlamentsdienste Leiterin Zentrales Sekretariat, Parlamentsdienste Projektleiterin, Ressort Sicherheit und Projektmanagement, Parlamentsdienste

473

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Anhang 1

Vorgehensweise der Evaluation

Ziele der Politik:

Das Parlament soll die Möglichkeit haben, den Bundesrat zu beauftragen, in einem bestimmten Bereich zu handeln oder einen Bericht zu einem bestimmten Thema zu verfassen (Art. 171 BV).


Dies wird erreicht durch:

Das Gesetz sieht zwei Instrumente vor: Die Motion (Art. 120 ParlG) beauftragt den Bundesrat, einen Erlassentwurf vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen; das Postulat (Art. 123 ParlG) beauftragt den Bundesrat zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob ein Erlassentwurf vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei.

Der Bundesrat kann die Abschreibung der Motionen und Postulate beantragen, wenn der Auftrag des Parlaments nach seiner Meinung erfüllt ist oder nicht mehr aufrechterhalten werden soll (Art.

122 und 124 ParlG).


Fokus der Evaluation:

Analyse der zeit- und sachgerechten Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate, Analyse der Nachverfolgung der Erfüllung mit den dem Parlament zur Verfügung stehenden Instrumenten


Fragestellungen der Evaluation:

Zeitgerechte Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate


Durchgeführte Analysen: (Sekundäranalysen in Klammern)

474

Statistische Analyse / externes Mandat Interviews (Dokumentenanalyse) (Fallstudien)


Sachgerechte Erfüllung der angenommenen Motionen und Postulate


(Statistische Analyse / externes Mandat) Interviews Dokumentenanalyse Fallstudien


Angemessenheit der Instrumente, über die das Parlament zur Kontrolle der Erfüllung seiner Aufträge verfügt


Interviews Dokumentenanalyse

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Anhang 2

Auswahl der Fallstudien Hintergrund und Zielsetzungen Mit den von der PVK durchgeführten Fallstudien war vor allem folgende Frage zu beantworten: Haben die angenommenen Motionen und Postulate die von den Urheberinnen und Urhebern ursprünglich angestrebte Wirkung? Dazu wurden für vier Motionen und vier Postulate eine vertiefte Dokumentenanalyse (verwaltungsinterne Unterlagen, jährlicher Bericht über Motionen und Postulate, Botschaften über einen Erlassentwurf) sowie Interviews mit verschiedenen Akteuren (Mitarbeitende der für die Umsetzung zuständigen Bundesämter, Urheberinnen und Urheber der Vorstösse) durchgeführt. Diese Analysen wurden von der PVK mit Unterstützung des Sekretariats der GPK zwischen Oktober und Dezember 2018 durchgeführt.

Kriterien für die Auswahl der Fallstudien Da die erwartete Wirkung mit der erzielten Wirkung der Vorstösse verglichen werden sollte, war das Hauptkriterium für die Fallauswahl das Vorliegen einer Divergenz zwischen Anzahl und Art der Anliegen in der Motion oder im Postulat und dem Umfang der Erfüllung gemäss dem jährlichen Bericht über Motionen und Postulate. Die Divergenz wurde in der Analyse der externen Auftragnehmer gestützt auf eine Auswahl von Vorstössen, welche die PVK codiert hatte, identifiziert.

Bei der Auswahl der Fälle wurden mehrere andere Kriterien berücksichtigt: ­

Zeitliche Kriterien: Berücksichtigt wurden nur die Vorstösse, die nach dem 1.1.2012 eingereicht und nach dem 1.1.2016 abgeschrieben oder zur Abschreibung vorgeschlagen worden waren. Für die Analyse war es wichtig, dass die Erinnerungen der beteiligten Personen noch relativ frisch sind.

­

Kriterien betreffend den Vorstoss: Ausgewählt wurden zwei Motionen und zwei Postulate, die im Nationalrat eingereicht wurden, sowie zwei Motionen und zwei Postulate, die im Ständerat eingereicht wurden.

­

Kriterien betreffend die Urheberinnen und Urheber: Berücksichtigt wurden nur Vorstösse, die von einem noch aktiven Ratsmitglied55 eingereicht wurden, und zwar vor dem Hintergrund, dass so leichter Rücksprache gehalten und ermittelt werden konnte, welche Erwartungen ursprünglich an den Vorstoss geknüpft waren. Ausserdem sollte die Hypothese überprüft werden können, dass den Vorstössen einzelner Ratsmitglieder weniger Rechnung getragen wird als jenen einer Kommission oder Fraktion. Besondere Aufmerksamkeit wurde zudem der ausgewogenen Vertretung der Fraktionen beigemessen. Aus den vier grössten im Parlament vertretenen Fraktionen (FDP, CVP, SVP, SP) wurden je zwei Mitglieder ausgewählt.

Gemäss den obenstehenden Kriterien wurden die in Tabelle A1 aufgelisteten acht Fallstudien ausgewählt.

55

Stand am 8. Okt. 2018.

475

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Tabelle A1 Ausgewählte Fallstudien Art des Vorstosses

Geschäftsnummer

Titel

Eingereicht von

Rat

Partei

Betroffenes Departement

Postulat

12.3454

Imkerei. Finanzielle Unterstützung der Erneuerung dezimierter Bienenbestände

Grin, Jean-Pierre

Nationalrat

SVP

WBF

Postulat

12.3641

Rahmenbedingungen für die Praktiken von Inkassounternehmen

Comte, Raphaël

Ständerat

FDP

EJPD

Motion

12.3789

Bürokratieabbau bei genehmigungspflichtigen und meldepflichtigen Änderungen von Arzneimitteln

Eder, Joachim

Ständerat

FDP

EDI

Motion

12.4139

Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs

Bischof, Pirmin

Ständerat

CVP

EJPD

Postulat

13.3658

Verletzungen des Wirtschafts- und Steuerrechts ausländischer Zanetti, Roberto Rechtsstaaten durch Mitarbeitende und Kader schweizerischer Banken und anderer Finanzintermediäre. Prüfung von Strafbestimmungen

Ständerat

SP

EFD

Motion

14.3045

Publikation der Basisinformationen aller Beschaffungen des Bundes ab 50 000 Franken

Graf-Litscher, Edith Nationalrat

SP

EFD

Postulat

14.3514

Agrarpolitik 2018­2021. Massnahmenplan zum Abbau der über bordenden Bürokratie und zur Personalreduktion in der Verwaltung

Knecht, Hansjörg

Nationalrat

SVP

WBF

Motion

14.3872

Für eine korrekte Nutzung der Amtssprachen in den öffentlichen Ausschreibungen von bundesnahen Betrieben

Regazzi, Fabio

Nationalrat

CVP

EFD

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Impressum Durchführung der Evaluation Marion Baud-Lavigne, PVK (Projektleitung) Dr. Simone Ledermann, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Sereina Dick, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Amélie Pestoni, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Andreas Tobler, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit) Marija Stosic, Sekretariat der GPK (wissenschaftliche Mitarbeit) Externer Expertenbericht Prof. Dr. Isabelle Stadelmann-Steffen, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern (Co-Leitung des Projekts) Prof. Dr. Adrian Vatter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern (Co-Leitung des Projekts) Dr. Dominique Oehrli, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern (wissenschaftliche Mitarbeit) Dank Die PVK dankt allen Stellen, die an der Evaluation beteiligt waren, namentlich der Bundeskanzlei (Sektion Bundesratsgeschäfte), für die Bereitstellung der Dokumente und Daten sowie für die Auskünfte und Erklärungen. Sie bedankt sich zudem bei der Universität Bern für die Durchführung der statistischen Analyse sowie bei der Parlamentsbibliothek, die an der Datenerhebung zu den 2233 angenommenen Motionen und Postulaten mitgewirkt hat.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 58 322 97 99 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle Originalsprache des Berichts: Französisch

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